SOCRATES Magazin | Leseprobe #6

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BENEDIKT HÖWEDES GÉRARD HOULLIER MARVIN COMPPER HUNT VS. LAUDA JAN ULLRICH BO JACKSON PAT T I S M I T H UND VIELE ANDERE

HASSLIEBE

LESEPROBE

#6 04/2017



VON KURT, DENIZ UND DER LIEBE Kurt Cobain war auch nie jemand, der sich um sein Image kümmerte. Er sagte (oder sang) das, was ihm beliebte und in jenem Augenblick aus seiner Sicht gesagt werden musste. Und manchmal sagte er Dinge, die dem Establishment nicht schmeckten. Als Donald Trump zum US-Präsidenten vereidigt wurde, publizierte die immer noch aktive Facebookseite seiner einstigen Band Nirvana eine Fotomontage mit Cobain am Rednerpult. Auf diesem war zu lesen: „Make America Grunge Again.“ Man kann sich kaum vorstellen, welche Worte Cobain heute gefunden hätte, wäre er zu Trump befragt worden. Viele hätte ihn dafür geliebt – oder gehasst. Aber das machte ihn ja aus. Deniz Yücel ist ein Journalistenkollege, der (nicht nur) mich bereichert, neue Denkanstöße liefert, Perspektiven verändert. Auch er sagte Dinge, die dem Establishment nicht schmeckten. Auch er nahm es in Kauf, gehasst zu werden. Und genau deswegen ist er ein großartiger Journalist. Ich hoffe, dass Du, lieber Deniz, auf freiem Fuß bist, wenn dieses Magazin erscheint. Wie Kurt, wie Deniz, wie alle anderen. Wir sind froh, dass es euch gibt. EIN AUSZUG AUS DEM EDITORIAL ZUR SECHSTEN AUSGABE VON SOCRATES .


FUSSBALL AUS LEIDENSCHAFT


Welche Bundesliga-Stars schätzen Sie besonders? Ich bin ein großer Fan von Marco Reus, der ein Weltklasse-Spieler ist, sobald ihn sein Körper in Ruhe lässt, und von Chicharito, der sich bei Bayer Leverkusen toll entwickelt hat. Aber der Spieler, der mich zuletzt am meisten begeistert hat, ist Joshua Kimmich. Technisch wie taktisch wirkt er trotz seines jungen Alters bereits unheimlich reif. Ich sehe ihn als würdigen Nachfolger von Philipp Lahm, bei Bayern München und in der Nationalmannschaft. Inwiefern hat sich der Fußball in den letzten 20 Jahren taktisch weiterentwickelt? Der größte Unterschied ist die Geschwindigkeit und die mannschaftliche Animation. Im Spiel, in der Art und Weise der Reaktion und was die Spielzüge betrifft. Die bedeutendste Konsequenz dabei trifft auf die Außenverteidiger zu. Vor zwanzig Jahren galten sie nicht als besonders wichtig, aber mittlerweile handelt es sich um eine der wichtigsten Positionen. EIN AUSZUG AUS DEM INTERVIEW VON ALEXIS MENUGE MIT DER 70-JÄHRIGEN LEGENDE GÉRARD HOULLIER ÜBER BUNDESLIGA, KLOPP UND DIE ENTWICKLUNG DES FUSSBALLS.


Wie erleben Sie heute so ein Derby auf dem Platz? Die Extreme stacheln mich an. Auf der einen Seite die totale Unterstützung und Hingabe unserer Fans, auf der anderen Seite die blanke Abneigung der Dortmunder. Mich beflügelt das. Kann man unter diesen Voraussetzungen als Spieler seiner Vorbildfunktion immer nachkommen – oder siegen am Ende die Emotionen? Im Vorlauf und im Nachgang einer Partie sollte man schon als Vorbild vorweg gehen, um einige Dinge auch in die richtigen Bahnen zu lenken. Da muss man sich seiner Verantwortung bewusst sein und seine exponierte Stellung nutzen. Im Spiel ist das ein wenig anders: Da kann man nicht immer alles kontrollieren, schon gar nicht die eigenen Emotionen. Es gibt da diese eine Jubelpose von mir nach einem Derby, in Super-Slow-Motion. Das sieht total bescheuert aus und meine Freunde haben sich wochenlang darüber kaputtgelacht. Aber der Moment war halt totale Ekstase. Das Derby gibt so etwas her – dann nimmt man es auch mit. EIN AUSZUG AUS DEM INTERVIEW VON S T E FA N R O M M E L M I T D E M S C H A L K E K A P I TÄ N B E N E D I K T H Ö W E D E S Ü B E R D A S R E V I E R D E R B Y, D I E B E A T S T E A K S U N D S E I N L E T Z T E S M A L A L S FA N I M B L O C K .


ROLE MODEL


SPIEL FÜRS LEBEN


Daher geben wir, die erfahrenen Spieler, auch jedem neuen Spieler oder jedem Jugendlichen mit auf den Weg, was es heißt, für den BVB zu spielen oder was es heißt, ein Derby zu spielen. Diese Aufgabe machte sich früher vor allem Kevin Großkreutz zu eigen. (...) Er sprach wirklich mit jedem Spieler. Ich weiß, dass er damals auch extrem polarisiert hat, aber das war okay. Das gehört dazu. Auch dieser Druck, den man sich selbst auferlegt. Am 12. Mai 2007 war dieser Druck besonders groß. Für uns ging es in dieser Saison um nichts mehr, aber Schalke konnte mit einem Sieg in unserem Stadion Meister werden. Einige Schalker Spieler sagten im Vorfeld des Spiels, dass sie in diesem Fall die B1 runter nach Gelsenkirchen laufen würden. Alex Frei und Ebi Smolarek trafen, wir gewannen 2:0 und ein Stück Ehre war gerettet. Das hätte uns ein Leben lang verfolgt. Die Freude in dem Stadion bleibt mir immer in Erinnerung. I N S E I N E R KO LU M N E E R I N N E R T N U R İ Ş A H İ N A N E I N E N TA G , A N D E M D I E BORUSSEN IHRE EHRE RETTETEN.


„MAN MUSS UNS NICHT MÖGEN“


Mit Hoffenheim stiegen Sie ebenfalls 2008 in die Bundesliga auf, waren nach der Hinrunde auf Augenhöhe mit dem FC Bayern und stürzten dann doch ab. Was lief damals falsch? Vielleicht haben wir uns zu sehr ablenken lassen und waren dann nicht mehr so fokussiert auf den Erfolg. Und sicherlich hat Ralf Rangnick auch aus der damaligen Zeit gelernt. Einer der zahlreichen Gründe, warum ich finde, dass man RB nicht mit Hoffenheim von damals vergleichen kann. Und die anderen Gründe? Der Standort zum Beispiel. Wir sind hier in einer Fußball-Metropole und sind inzwischen in ganz Sachsen auf Rang drei in der Beliebtheitsskala. Hoffenheim steht im Bundesliga-Ranking übrigens auf dem drittletzten Platz. Außerdem ist unser gegenwärtiger Kader viel breiter besetzt als noch damals in Hoffenheim. EI N AUSZUG AUS DEM INTERVIEW VON ALE X RAAC K MI T RB LEIPZIG -VERTEIDIG ER MA RV I N COMPPE R ÜB ER SEINE LANG JÄHRIG E ER FAH R U NG MI T ANTIPATHIE.



DER HASS DER LIEBENDEN Drei Wochen vor der WM habe ich diese schon durchgespielt, immer konzentriert, immer in Fachgesprächen. Spanien, immer wieder Spanien wird genannt, Italien, auch Brasilien, natürlich Argentinien, überraschenderweise immer wieder die Niederlande oder neuerdings Portugal. Doch Anfang Juni werden diese schönen Fachgespräche auf das Lauteste zerstört: Überall hängen jetzt die Autos, Imbissbuden, Bars, Tankstellen, Elektro- und Supermärkte und Apotheken voller Bälle und Fahnen, schießen einem die Wurfsendungen mit schwarzrotgoldenen Fanartikeln von Aldi bis Lidl um die Ohren, wird in Berlin die Straße des 17. Juni abgesperrt, um das vorzubereiten, was das absolut Fürchterlichste für mich ist: das Public Viewing! EIN AUSZUG AUS DER GESCHICHTE VON MORITZ RINKE ÜBER SEINEN AUFKEIMENDEN HASS GEGEN DAS P U B L I C V I E W I N G .





LERNE VON DEINEM FEIND Lauda, der es nicht geschafft hat, eine Nürburgring-Absage durchzusetzen, weil er von seinen Fahrerkollegen überstimmt wird, verunglückt am 1. August auf dem Eifelkurs schwer, überlebt das Feuerdrama nur knapp – und alle denken, die WM sei damit zugunsten von Hunt entschieden. Aber Lauda kommt zurück, sitzt nur sechs Wochen nach dem Horrorcrash wieder im Auto. Gezeichnet von seinen Verbrennungen, zunächst gegen seine eigenen Ängste ankämpfend, die Panik überwindend, entschlossen, um seinen Titel zu kämpfen. „Du siehst besser aus als je zuvor“, kommentiert Hunt – und Lauda kann damit umgehen, empfindet das nicht als böse Stichelei: „Das war so ein typischer James-Witz.“ Aber es bleibt nicht so... KARIN STURM SCHREIBT ÜBER JAMES H U N T G E G E N N I K I L AU DA – E I N E R I VA L I T Ä T Z W I S C H E N R E S P E K T, K U R Z E R FEINDSCHAFT UND EIN BISSCHEN LIEBE.



ES IST NICHT ALLES G O L D, WA S G L Ä N Z T Keiner auf der Journalistenschule bringt einem bei, wie man sich verhält, wenn man Lance Armstrong an seinem Küchentisch in Texas gegenüber sitzt, der mit seiner tief heruntergezogenen Baseball-Kappe vergeblich versucht, seine herunterkullernden Tränen zu verbergen. Das passierte mir im März 2015. Er hat mir gerade eine Geschichte von der Tour de France 2005 erzählt, der letzten, die Armstrong „gewann“. Diese Tour startete mit einem Einzelzeitfahren, bei dem Armstrong eine Minute nach Jan Ullrich startete und ihn nach 15 Kilometern einholte und abhängte. „Das war furchtbar. Er tat mir leid“, sagt Armstrong. Schließlich bei Armstrongs After-Tour-Party hielt Ullrich eine Rede, die ihn noch zehn Jahre danach zu Tränen rührt. „I fucking love that guy“, beteuert der am meisten verschmähte Radrennfahrer seines Sports immer wieder. E I N AU S Z U G AU S D E R G E S C H I C H T E VO N R A D S P O R T- E X P E R T E DA N I E L F R I E B E Ü B E R D E N FA L L E I N E S E I N S T I G E N H E L D E N , JA N U L L R I C H .


KENNEN SIE BO JACKSON? „Auf den Spielfeldern von Raimund, MacAdory, Auburn, Los Angeles und ab und an auch in Kansas City war Bo wie Einstein, die Beatles, JFK, er war ein einmaliges Wunder“, schrieb die LA Times in einer Würdigung der vielleicht spektakulärsten Kurzzeit-Karrieren der Sport-Geschichte. Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, 1987 bis 1991, war Bo Jackson der beste Athlet der Welt. Er spielte gleichzeitig in der MLB und der NFL, also den besten Ligen der Welt. Und war in beiden Sportarten auf dem direkten Weg, sich einen Platz in der Hall of Fame zu sichern. Jackson wog über 100 Kilo. Und rannte die 100 Meter in 10,5 Sekunden. Er hatte Zehnkampf-Rekorde aufgestellt. Schon im Alter von acht Jahren seinen ersten Dunk gefeiert. Warf das erste Mal in seinem Leben einen Speer und schaffte die Bestweite. Schlug Homeruns, an die sich die, die dabei waren, immer erinnern werden. Und dann, als er sich zur größten Ikone des Sports erhoben hatte, war diese Karriere auch schon wieder vorbei. E I N AU SZ U G AU S D E R G E S C H I C H T E VO N A L E X R A A C K Ü B E R E I N E N AT H L E T, D E R KURZE ZEIT BERÜHMTER ALS MICHAEL J O R D A N WA R .




ORTSGEDÄCHTNIS Überhaupt wird in dem memoirenartigen Band viel gepilgert, zu den Gräbern von Sylvia Plath und Jean Genet, zu Virginia Woolfs Gehstock, zu Frida Kahlos Bett. Dem Leser begegnet ein Sammelsurium an Erinnerungen, Momenten, Objekten. Zu letzteren zählt auch der Schachtisch, an dem sich Bobby Fischer und Boris Spasski bei ihrem legendären Duell in Reykjavík gegenübersaßen. Als Patti Smith 2005 zu einer Veranstaltung nach Island reiste, bekam sie den Schachtisch vor das Objektiv ihrer Polaroid-Kamera. Noch am gleichen Abend erhielt sie einen Anruf von jemandem, der sich als Bobby Fischers Bodyguard vorstellte. Die Schachlegende wolle sich mit ihr treffen, aber nur unter der Bedingung, dass dabei nicht über Schach geredet werde. EIN AUSZUG AUS DER GESCHICHTE VON ONUR E R D E M Ü B E R PAT T I S M I T H , BOBBY FISCHER UND EINE JACKE DER DETROIT TIGERS.



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