SOCRATES Magazin | Leseprobe #5

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OLIVER KAHN CHRISTIAN HEIDEL ANTOINE GRIEZMANN STEVEN GERRARD MAGDALENA NEUNER LENNY COOKE ELLA FITZGERALD UND VIELE ANDERE

NIEDERLAGEN

LESEPROBE

#5 03/2017



DIE NIEDERLAGE IST NICHT DAS ENDE Heutzutage brauchen wir die Motivation und den Glauben der Menschen an das Gute. Die Überzeugung, dass vieles, was heute offensichtlich in die falsche Richtung läuft, nicht das Ende aller Wege sein muss. Und genau an dieser Stelle ist der Sport ein wunderbares Beispiel, denn wo sonst kämpfen die Menschen so regelmäßig mit Rückschlägen und Enttäuschungen wie beim Sport? Wie oft fühlt man sich am Ende und doch gibt es immer noch eine Tür, die zur Glückseligkeit führt. Manchmal gelingt es dem Sportler selbst die Suche nach dieser Tür zu starten, manchmal braucht er einen Antrieb. Es gab gerade hierzulande nicht viele Sportler, die durch pure Willenskraft einer Niederlage sich so sehr in den Weg gestellt haben, wie Oliver Kahn. Wir haben unseren Centre Court den Niederlagen gewidmet – und es war uns eine Ehre, darüber mit Oliver Kahn zu sprechen. Wir haben gelernt, dass eine Niederlage nicht das Ende ist. Sie ist manchmal der Anfang. EIN AUSZUG AUS DEM EDITORIAL ZUR F Ü N F T E N A U S G A B E V O N S O C R AT E S .



VON DER LIEBE ELLAS Ella Fitzgerald träumte als Kind nie davon, einmal eine Sängerin zu werden, sie wollte nur tanzen. Und Baseball spielen. Fitzgerald, eine fanatische Anhängerin der Los Angeles Dodgers, erklärte ihre Baseball-Leidenschaft einmal mit diesen Worten: „Wenn wir in die Stadt gingen, wollte ich, anstatt ein Nickerchen zu halten oder wie die anderen jungen Frauen eine Weile abzuhängen, lieber Baseball spielen. Ständig habe ich irgendwelche Sachen durch die Gegend geworfen. Ich musste mir dann jedes Mal eine Predigt anhören, ich sollte gefälligst sofort damit aufhören und mich wie eine junge Dame benehmen.“ EIN AUSZUG AUS DER GESCHICHTE VON ONUR ERDEM ÜBER DIE BASEBALL-LEIDENSCHAFT VO N D E R F I R S T L A DY DES JAZZ, ELLA FITZGERALD.


NURIS W E LTA U S WA H L Łukasz Piszczek: Für mich lange Zeit der beste Rechtsverteidiger Europas. Steven Gerrard sagte mir mal: „Mit dem Rechtsverteidiger von Polen hast du in Dortmund gespielt, oder?“ Ich bejahte das und fragte nach dem Grund. Steven sagte: „Der ist richtig gut. Ashley Cole hat gefühlt 100 Länderspiele und nur mit zwei Spielern Probleme gehabt. Cristiano Ronaldo und Piszczek.“ Das ist ein Statement! EIN AUSZUG AUS DER KO LU M N E VO N N U R I SA H I N ÜBER SEINE PERSÖNLICHE W U N S C H E L F.




S I M E O N E S S O L DAT Fehlen Ihnen noch die Trophäen, um komplett glücklich zu sein? Klar haben die Final-Niederlagen sowohl bei der Europameisterschaft als auch in der Champions League weh getan, aber ich bin noch jung genug, um ein paar Trophäen zu sammeln. Final-Niederlagen gehören dazu und ich bin fest davon überzeugt, dass ich demnächst ein paar Titel gewinnen werde. Ist die Niederlage im Champions-League- Finale gegen Real Madrid mittlerweile vergessen? Ja, Gott sei Dank. In der Mannschaft machen wir oft Witze untereinander, wir lachen unheimlich viel. Insofern kann man nach bitteren Niederlagen wie der von Mailand schnell wieder auf positivere Gedanken kommen. Aber schwierig sind die Stunden nach dem Schlusspfiff und der Tag danach. In diesen Momenten ist es wahnsinnig schwer, auf andere Gedanken zu kommen. Es kommen immer wieder Spielszenen hoch, die man am liebsten ausblenden möchte. Aber das ist unmöglich. E I N AU SZ U G AU S D E M I N T E RV I E W VO N ALEXIS MENUGE MIT ANTOINE GRIEZMANN, D E R K E I N E A B S I C H T H AT, A U F Z U G E B E N .





WEITER. IMMER NOCH WEITER. Der Lerneffekt aus Niederlagen bleibt aus? Überspitzt formuliert lerne ich aus Fehlern höchstens, wie ich etwas nicht machen soll. Ich kenne keine fundierten Fakten, die eindeutig belegen, dass es Teams gelungen ist, aus ihren Rückschlägen so viel abzuleiten, dass sie hinterher erfolgreicher waren als vorher. Was hätte ich für mich persönlich aus der Niederlage beim WM Finale 2002 lernen sollen? Dass ich beim nächsten Mal den Ball von Rivaldo festhalte? Das ist ja eine bahnbrechende Erkenntnis. Ich will damit sagen, dass erfolgreiche Teams oder Menschen sich nur bis zu einem gewissen Maß mit dem Negativen auseinandersetzen. Aber dann geht es darum, schnellstmöglich zu versuchen, diesen Fehler, das Scheitern oder die Niederlage zu korrigieren. Hemingway hat es in seinem Heldenepos „Der alte Mann und das Meer“ sehr archaisch ausgedrückt: „Der Mensch kann zerstört werden, aber er darf nicht aufgeben“. F E L I X S E I D E L T R I F F T D E N „T I TA N “ O L I V E R KA H N U N D F R AGT D E N E I N S T I G E N W E LT T O R H Ü T E R , W I E E R M I T R Ü C K S C H L Ä G E N U M G E H T.


EIN LEBEN ALS 2 Michael Rensing: Er hatte wohl den brutalsten Job von allen: Er war nicht nur Kahns Ersatzmann, sondern auch sein Nachfolger. Eine schier unmögliche Aufgabe, die Rensing letztlich auch nicht durchzog und das Weite suchte. „Der Druck ist unmenschlich“, sagte auch Kahn hinterher: „Michael hat viele sehr gute Spiele für die Bayern gemacht. Hätte man ihn gehalten, wäre er heute die klare Nummer eins in München.“ Mit vielen Umwegen hat Rensing aber sein spätes Glück gefunden und ist heute bei Fortuna Düsseldorf die klare Nummer eins. O L I V E R K A H N WA R L A N G E Z E I T D E R B E S T E TORHÜTER DES PLANETEN. ABER ES GIBT AUCH DIE ANDEREN, DIE WEGEN IHM AUF D E R S T R E C K E B L I E B E N . FAT I H D E M I R E L I S C H R E I B T, WA S A U S I H N E N S P ÄT E R G E W O R D E N I S T.




EINE HOMMAGE AN STEVIE G. Das erste Mal als ich Steven Gerrard sah, war er 19. Ich suchte einen Außenspieler, der über rechts kommt. Steve Heighway, ein Scout der Reds, meinte zu mir: „Lass uns das Spiel der U19 gegen die Blackburn Rovers anschauen. Ich glaube, ich hätte da jemanden für dich.“ Nach fünf Minuten sagte ich ihm, dass mir dieser Spieler nicht gefällt. Ich war fast schon auf dem Weg zu meinem Auto, als mir ein großer und dünner Mittelfeldspieler besonders auffiel: Das war er. GÉRARD HOULLIER S C H R E I BT Ü B E R DAS V E R H Ä LT N I S Z W I S C H E N I H M UND SEINEM LIEBLINGSSCHÜLER, STEVEN GERRARD.



FÜR IMMER IM S C H AT T E N In seiner Jugend galt Lenny Cooke als ‚das nächste große Ding‘ im Basketball. Als der nächste Kobe Bryant, vielleicht sogar als der neue Michael Jordan, mindestens aber als kommender Superstar. (…) Der Hype um den Teenager war also riesengroß, doch rein sportlich schien er gerechtfertigt. Cooke selbst sagt über seine besten Zeiten: „Wenn ich ins Rollen kam, gab es niemanden im ganzen Land, der mich stoppen konnte.“ Doch dann kam LeBron James. EIN AUSZUG AUS DER GESCHICHTE VO N C İ H A N AC A R Ü B E R DA S E I N ST I G E WUNDERKIND, LENNY COOKE.


EIN DRITTES LEBEN Gibt es eine Sache, die Sie ernüchtert hat? Olympia war ein Wahnsinnserlebnis und für mich unglaublich erfolgreich. Etwas Größeres als Olympia-Gold gibt es nicht. Trotzdem hatte ich mir etwas anderes erwartet. Als Mensch besteht die Gefahr, dass man auf der Strecke bleibt. Warum? Ich war nach meinem Olympiasieg abends völlig fertig auf dem Bett gesessen. In den Stunden davor nur Termine, Interviews, die Fahrerei, die Medal Ceremony. Meine Eltern waren vor Ort und es gab keine Minute Zeit, mal eben ein Wort mit ihnen zu wechseln oder einen Moment nur für mich zu sein. Es war die reine Abfertigungsroutine und für mich ein Aha-Erlebnis. Das war von allem zu viel. Ich war nie zuvor so fertig wie in den Tagen nach Olympia. Danach musste ich drei Tage am Stück schlafen. E I N AU SZ U G AU S D E M I N T E RV I E W VO N S T E FA N R O M M E L M I T E I N E M E C H T E N C H A M P I O N , M AG DA L E N A N E U N E R .




HEIDEL 04 In der Bundesliga gibt es immer die Diskussion, ob man nicht Investoren heranziehen muss, um international zu konkurrieren. Gladbachs Sportdirektor Max Eberl sagt, er könne sich vorstellen, ein Bayern-System mit Investoren bei Gladbach einzubauen. Wie sieht das bei Schalke aus? Das Wort Investor hat einfach einen negativen Touch. Ich würde zum Beispiel die Firmen, die bei Bayern München aktiv sind, nicht als Investoren bezeichnen. Das sind strategische Partner. Wenn sie in England mit einem Verein verhandeln, kann es sein, dass sie mit dem Eigentümer in Person reden. Und der überlegt: Brauche ich Geld oder brauche ich gerade kein Geld? Teilweise hat das mit den sportlichen Dingen überhaupt nichts mehr zu tun. Das finde ich ganz schlimm. Heute gehört der Klub einem Thailänder und morgen verkauft er ihn an einen Chinesen und übermorgen an einen Russen. Und jedes Mal dreht sich alles. Die Identifikation der Menschen mit dem Klub ist extrem wichtig. E I N A U S Z U G A U S D E M I N T E R V I E W V O N FAT I H D E M I R E L I M I T D E M E R FA H R E N S T E N M A N A G E R DER BUNDESLIGA, CHRISTIAN HEIDEL.



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