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konkurrenz oder synergie – Kosmetikinstitute und Hautarztpraxen

Die Berufswelten haben sich verändert. Früher fiel die

Rollenverteilung eindeutiger aus: Die Kosmetikerin war

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für die Schönheit, der Dermatologe für die Hautkrankhei-

ten zuständig.

KOSMETIKINSTITUT VERSUS HAUTARZTPRAXIS

Konkurrenz oder Synergie?

Dr. Eckart Voss befasst sich seit nunmehr 40 Jahren mit Kosmetik – als Entwicklungsleiter bei internationalen Unternehmen und zuletzt als Unternehmensberater. 2012 gründete er gemeinsam mit seiner Frau die Kosmetikinstitutsmarke „Dr. E. Voss Professional Care“. Durch zahlreiche Innovationen in der Gerätemedizin hat sich das Spektrum der Dermatologen in Richtung Schönheitsverbesserung ausgeweitet. Es gibt heute fast keine dermatologische Praxis ohne Lasergerät mehr. Auch in der Produktbehandlung hat sich das Repertoire durch Botox- und Hyaluronunterspritzungen erweitert. Im Kosmetikinstitut haben ebenfalls zahlreiche Neuerungen im Laufe der letzten zehn bis 15 Jahre Einzug gehalten. Die Kosmetikerin ist besser ausgebildet, das ihr zur Verfügung stehende Produktspektrum wesentlich moderner und effizienter. Es gibt völlig neue Wirkstoffklassen und auch im Institut haben zahlreiche Hautanalyse- und Behandlungsgeräte Platz gefunden.

So ist es nicht verwunderlich, dass auch die Konkurrenz zwischen Kosmetikinstitut und Dermatologe allein schon durch diese

Die frühere Institution »Arzt für Haut und Geschlechtskrankheiten« hat in vielen Fällen einer modernen Schönheitspraxis Platz gemacht.

Annäherung zugenommen hat. Deshalb versucht die besser organisierte Lobby der ästhetisch arbeitenden Mediziner mithilfe von regulatorischen und gesetzgeberischen Maßnahmen den Instituten insbesondere die attraktiven Gerätebehandlungen streitig zu machen. Der unausgesprochene Wunsch ist, dass sich die Kosmetikerin auf Fußpflege, dekorative Kosmetik, vielleicht noch Peeling und Eincremen der Haut beschränkt, die attraktiveren Sektoren insbesondere der Gerätebehandlung aber dem Arzt überlässt. Begründet wird dies immer mit der Sicherheit des Kunden vor Fehlbedienungen der Geräte durch die »schlecht ausgebildeten« Kosmetikerinnen.

Wie agiert der Dermatologe?

Besucht eine Patientin eine dermatologische Praxis, so darf sie davon ausgehen, dass der Arzt zwischen fünf und zehn Minuten Zeit hat, sich ihrem Problem zu widmen. In diesem Zeitraum kann er allerdings aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung schnell eine treffende Diagnose stellen und dementsprechende eine meist medikamentöse Behandlungen verordnen. Wenn es sich dabei um Salben handelt, so lassen sich hier allerdings keine großen technologischen Fortschritte gegenüber früher feststellen. Oft sind Vaseline und große Mengen an PEG (Macrogol) noch immer Hauptbestandteile der Rezepturgrundlagen. Das ist auch kein Widerspruch, denn für den Arzt ist der Wirkstoff in der Rezeptur wichtig, weniger die kosmetischen und pflegenden Eigenschaften der Salbenbasis. Bei der Gerätebehandlung in der Arztpraxis gibt es große Unterschiede: Das gleiche Lasergerät kann von einem wahren Virtuosen, der alle Aspekte kennt und mit viel Fingerspitzengefühl dem Problem anpassen kann, bedient werden oder aber es werden lediglich Knöpfe gedrückt, oft von der Assistentin.

Was kann die Kosmetikerin besser?

Sie hat oder nimmt sich viel Zeit und ist an einer längeren Beziehung interessiert. Und weil sie weiß, dass die Haut der Kundin oft auch ihre seelische Verfassung widerspiegelt, ist eine gewisse Portion Smalltalk gewollt und hilft ihr auch bei der Hautanalyse. Aufgrund ihrer Erfahrung kann sie Altershautprobleme, unreine Haut und auch viele Irritationen korrekt analysieren. Im Zweifel hat sie auch kein Problem damit, die Kundin beim Dermatologen um Rat fragen zu lassen.

Die Kosmetikerin entwirft ein Pflegeprogramm, sie denkt weniger an Einzelmaßnahmen. Oft sind nicht alle Programmelemente notwendig und sinnvoll, vieles ist Ritual, das die Kundin einfach nur genießt, denn die Zeit im Institut ist für sie auch Entspannung. Die Fortsetzung der Behandlung durch Heimpflegeprodukte ist ein wichtiger Teil des Erfolgs. Deshalb wählt sie häufig nur ein oder zwei Lieferanten aus, die ihrer Produktphilosophie entsprechen und sie bestmöglich unterstützen. Denn sie kann dabei weniger auf wissenschaftliche Beurteilungskriterien zurückgreifen.

Behandlungsphilosophien

Natürlich wissen sowohl der Dermatologe wie auch die Kosmetikerin über die grundlegenden Ursachen zum Beispiel einer unreinen Haut Bescheid. Die Kosmetikerin wird die leichten bis mittelschweren Fälle erfolgreich

Die Kosmetikerin verkauft Systemlösungen, bei der die Creme ein Teil davon ist

durch Dermabrasion, Peeling und speziell hierfür entwickelte Kosmetika inklusive eines gründlichen Reinigungsrituals behandeln. Hierbei kommt ihr zugute, dass es Pflege gibt, die alle Facetten der unreinen Haut in einer einzigen Rezeptur angeht. Inzwischen geht die Kosmetik sogar noch einen Schritt weiter: Wir richten uns beispielsweise auch auf ein intaktes Mikrobiom der Haut ein, denn auch dieses ist, egal ob ursächlich oder als Folge der Akne, stark gestört. Die Kosmetikerin hat dabei in Absprache mit ihrer Kundin meist einen Zeithorizont von mehreren Wochen. Und wenn sie ein gutes Vertrauensverhältnis zur Kundin hat, kann sie mit hoher Zuverlässigkeit rechnen. Die Kundin wird also auch zu Hause die Behandlung konsequent fortführen.

Der Arzt wird versuchen, schneller zum Ziel zu kommen, indem er eine dem Problem angemessene Medikation verordnet, die zum Beispiel auf Retinsäure Derivaten oder Antibiotika beruht. Generell sind seine Rezepturen meist Spezialprodukte mit einem Einzelwirkstoff. Der kurzfristige Behandlungshorizont liegt zum einen möglicherweise daran, dass die Erwartungshaltung der Patientin hoch ist, wenn sie den Arzt aufsucht, zum anderen, dass der Arzt logisch an das Problem geht: Problem erkennen und therapieren. Langwierige Behandlungen einzelner Komedone oder Pickel, Dermabrasion oder Peelings sind nicht das bevorzugte Behandlungsrepertoire des Dermatologen, auch schon aus Kostengründen, denn seine Praxis hat meist viel höhere Stundensätze. Generell muss er aber mit niedrigerer Zuverlässigkeit rechnen, was die Heimbehandlung angeht. Und so kann es sein, dass die umfassendere, aber langwierigere Behandlung der Kosmetikerin erfolgreicher ist.

Die Kosmetikerin steht nicht über, sondern auf gleicher Ebene mit der Kundin.

Kurieren von Symptomen

Sowohl Arzt wie auch Kosmetikerin haben mit dem Zeitgeist des »hier und sofort« zu kämpfen. Wir denken heute oft oberflächlich und wollen die äußere Erscheinung eines Problems sofort lösen, auch wenn dies längerfristig kontraproduktiv ist. Die Haut ist allerdings meist längerfristig orientiert, zum einen äußert sich das in ihrer Gutmütigkeit: Lichtschäden werden zum Beispiel oft erst nach vielen Jahre sichtbar. Andererseits braucht es oft viel Geduld, wenn eine Hautentgleisung eingetreten ist. Wenn man Botox oder Hyaluron spritzt, wird das glatte Gesicht zwar schnell erreicht, aber die Ursachen, beispielsweise eine schlechte Kollagenstruktur, werden dadurch nicht verbessert. Eigentlich dürfte der Arzt diese Behandlungen gar nicht offerieren, denn er soll ja heilen oder zumindest einen Defekt reparieren, statt ihn zu kaschieren. Was wäre eine ideale Hautbehandlung, mal ganz unabhängig vom Institut? Bevor wir über Wirkstoffe sprechen, muss erst einmal sichergestellt sein, dass die Creme-/Salben-Basis geeignet ist, die Haut zu unterstützen und die Wirkstoffe an ihren Zielort zu transportieren. Die Hauptaufgabe der Haut ist, uns von der Außenwelt zu isolieren. Weder sollen wir viel Wasser verlieren, noch soll von außen etwas Schädliches eindringen. Als mechanischer Schutz dient die Hornschicht, die wie eine Brunnenmauer aufgebaut ist: Die Steine (Hornzellen) sind von einer kunstvoll aufgebauten Lipidbarriere, die als Mörtel dient, umschlossen. Diese Lipidbarriere ist der Schlüssel für fast alle Hautprobleme der Kosmetik. Akne, Rosacea, Periorale Dermatitis, Neurodermitis oder generell atopische, trockene Haut – immer ist die Lipidbarriere zumindest Teilursache des Problems. Hier wird auch entschieden, ob etwas von außen eindringen darf oder nicht. Eigentlich sollte man jetzt denken, dass diese Lipidbarriere im Fokus aller kosmetischen und dermatologischen Bemühungen steht. Doch dies ist nicht der Fall: Das Wissen beider Berufsgruppen über die Bedürfnisse der Barriere ist unangemessen. Auf der einen Seite wird versucht mit Dermabrasion, Säurepeelings

und Laserbehandlung die obere Hornschicht inklusive der Lipidbarriere abzutragen, andererseits werden Pflegeprodukte aufgebracht, die ihren Namen nicht verdienen, weil sie die Lipidbarriere schädigen.

Hautbiologische Behandlungen

Im medizinischen Bereich bilden die minutiös ausgearbeiteten Rezepturen nach DAC/ NRF (sozusagen die Rezepturbibel der Ärzte und Apotheker) die Grundlage fast aller Salben. Leider entspricht die Mehrzahl nicht dem Stand der Technik, da sie oft große Mengen an Emulgatoren, Vaseline und Konservierungsmittel enthält. Die meisten Rezepturen der Kosmetikinstitute sind kaum besser. Zwar sind Paraffine hier seit langem verpönt, dafür sind reichlich Silikone und Emulgatoren die Regel. Immerhin besteht ein gewisser Trend zur Konservierungsmittelfreiheit, aber dafür werden Legionen von Wirkstoffen eingesetzt, deren Dokumentation und Wirksamkeit im theke innovative lamellare Cremebasen mit hydriertem Phosphatidylcholin durch, die die Hautlipidbarriere nicht nur nicht angreifen, sondern sie aufgrund ihrer Dermotropie sogar noch unterstützen und reparieren. Konservierungsmittelfreiheit: Rezepturen können heute intelligenter als mit den klassischen Konservierungsmitteln der KVO konserviert werden, denn immer noch sind diese für fast ein Drittel der Hautunverträglichkeiten verantwortlich.

Die Bedeutung des vielfältigen Lebens auf unseren toten Hautzellen wurde in den letzten Jahren immer stärker erkannt. Ein möglichst saurer pH-Wert (am besten unter 5) hilft der Mikroflora auf unserer Haut und ist damit auch für die Stärkung der Lipidbarriere sowie für die Vermeidung vieler Hautprobleme zuständig (Rosacea).

Ohne Paraffine/Silikone: Diese wirken okklusiv, erhöhen zwar zunächst stark die Hautfeuchte, trocknen aber langfristig aus.

Die Kosmetikerin bindet mit langfristigen Pflegeprogrammen

Gegensatz zu dem DAC/NRF-Werk viele Wünsche offen lassen.

Es gibt also in beiden Lagern ein großes Verbesserungspotential hin zu hautbiologischen Rezepturen. Auf dem Weg dorthin wären die folgenden Meilensteine anzustreben: Emulgatorfreiheit: Ein Emulgator ist ein Formulierhilfsmittel, um eine Creme stabil zu halten, die Lipidbarriere wird dadurch aber angegriffen. Allmählich setzen sich in der Kosmetik und ganz langsam auch in der Apo-

Basierend auf solchen Grundregeln lassen sich in beiden Lagern Rezepturen herstellen, die die Lipidbarriere unserer Hornschicht stärken. Wie gesagt, sind damit oft bereits auch die Ursachen vieler Hautprobleme behoben, aber natürlich lassen sich mit zahlreichen modernen Wirkstoffen weitere Verbesserungen des jeweiligen Hautzustands erreichen. Dass der Dermatologe dabei eher auf die bewährten Klassiker setzt, muss kein Nachteil sein, denn nicht immer sind die Wirkungen Der kurzfristig orientierten Problemlösung des Arztes steht die auf längerfristigen Erfolg mit Wohlfühlfaktor angelegte Behandlung im Institut gegenüber.

von beispielsweise moderner Peptidwirkstoffe auch gut belegt.

Unterschiedliche Einstellungen

Bei Hautunebenheiten, Pigmentstörungen und Gefäßveränderungen wird überwiegend der Arzt aufgesucht, bei vergleichbaren Anwendungen (z. B. Haarentfernung) punktet die Kosmetikerin, denn hier sind Kosten und Nebenwirkungen geringer. Was Hautpflegeprodukte angeht, steht beim Arzt meist die Problemlösung mithilfe einer Wirkstoffsalbe im Vordergrund, während die Kosmetikerin eine Systemlösung verkauft, bei der die Creme ein Teil davon ist. Bei beiden gibt es großes Verbesserungspotential hinsichtlich den Salben- bzw. Cremegrundlagen. Leider wird hier oft ein kurzfristiger Behandlungserfolg mit einer langfristigen Verschlechterung des Grundzustands der Haut erkauft. Hier wäre dem sehr stark an Gewohntem ausgerichteten DAC/NRF-Werk der Ärzte und Apotheker zu wünschen, dass mehr emulgator- und konservierungsmittelfreie Rezepturen zum Einsatz kommen. Kosmetikerinnen fällt so eine Einsicht noch schwerer, da sie im emotionalen Fahrwasser ihrer Anbieter schwimmen und diese wiederum schon aus Kostengründen wenig Neigung zu Veränderungen haben, so lange kein entsprechender Druck seitens des Endverbrauchers vorhanden ist.

Man kann nur hoffen, dass sich beide Lager irgendwann von Althergebrachtem lösen und die Hautqualität ihrer Kunden noch mehr in das Zentrum ihrer Bemühungen stellen. Es darf nicht sein, dass kurzfristige Behandlungserfolge mit langfristiger Verschlechterung der Hautqualität erkauft werden. Dazu gehört u. a. auch, dass es quasi als Kunstfehler gelten sollte, Tagespflegeprodukte ohne angemessenen Schutz vor lichtbedingter Hautalterung, die bekanntermaßen über 60 Prozent der Falten verursacht, zu verkaufen.

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