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Charleys Tante und das Verwirrspiel der Geschlechter
Charleys Tante gibt es gleich zweimal: einmal als „echte“ Tante, Donna Lucia d’Alvadorez aus Brasilien, und einmal als Lord Fancourt Babberley, Student, (Hobby-)Schauspieler und Charleys bester Freund. Babberley schlüpft ins Kleid, um die Verspätung der echten Tante zu überbrücken. Damit beginnt ein amüsantes Verwirrspiel der Geschlechter.
Das Spiel mit dem Geschlecht hat in der europäischen Theaterkultur eine lange Historie. Besonders das Cross-Dressing und CrossCasting hat eine Tradition, die bis auf die Antike zurückgeht. Noch bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts war es Frauen (im christlich geprägten Raum) verboten, auf der Bühne zu stehen (mit Ausnahme des Straßentheaters Commedia dell’arte). Noch bei Shakespare waren auf der Bühne nur Männer und Knaben zu sehen, die sämtliche Rollen übernahmen. Dadurch ergaben sich unweigerlich Travestieeffekte: Männer, die Frauenrollen spielen. Junge Frauen wurden außerdem häufig von sogenannten „Boy-actors“ verkörpert – androgyn anmutende Knaben.
Doch auch in die andere Richtung wurde über Kreuz besetzt: Nachdem Frauen auf der Bühne erlaubt waren und die Kastraten, die oft die männliche Hauptrolle in Opern sangen, zunehmend ver-
Über die lange Historie des Cross-Dressings schwanden, wurden ihre Rollen oft von Frauen übernommen – als Hosenrolle. So kam es, dass Frauen oft Feldherren oder Könige spielten. Als die Primadonna dann an Bedeutung gewann, konnte es sogar vorkommen, dass ein Kastrat die Frauenrolle und die Primadonna den Helden sang , weil es stimmlich für die Partien besser passte. Die „Frau in der Hose“ wurde zur Tradition und blieb, auch als man anfing, die Geschlechterrollen auf dem Theater der Lebensrealität entsprechend zu besetzen. Vor allem Rollen wie „der jugendliche Liebhaber“ oder kindliche Knaben wurden für Frauen konzipiert, wobei die bekanntesten wohl aus der Oper stammen: Cherubino in Mozart ‚Le nozze di Figaro‘, Hänsel in Humperdincks ‚Hänsel und Gretel‘ und Octavian in Strauss’ ‚Der Rosenkavalier‘.
Im Theater wird der Körper durch Kostüm, Maske und die Rolle an sich generiert. Geschlecht ist auf der Bühne also per se Maskerade. An keinem Ort wird die soziale Konstruiertheit von Geschlecht (bzw. Gender) so deutlich wie im Theater. Kein Wunder also, dass sich die Gender Studies mit Vorliebe am Vokabular des Theatralischen bedienen, wenn es um die Beschreibung von Gender geht. Simone de Beauvoir und Judith Butler u. a. formulierten ausgehend von John L. Austins Sprachakttheorie die Theorie von Geschlecht als Performance bzw. Handlung: Männlichkeit und Weiblichkeit ergäben sich aus den permanenten Wiederholungen kultureller Praktiken bzw. Performances und Verfahren wie Mimik, Gestik und Kleidung. Seit Jahrhunderten nutzen Menschen vor allem Kleidung, um die ihnen zugeschriebene Geschlechtsidentität zu hinterfragen oder zu verschleiern. Die Motive für das Tragen von Kleidung, die im binären Alltagsverständnis dem jeweils anderen Geschlecht zugeordnet wird, sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Das Theater ist und war allerdings ein besonders tauglicher Ort für Experimente mit Geschlecht. Vor allem Transvestit:innen zeigen auf, dass Geschlecht durch Imitation entsteht und keine Essenz ist: Die Geschlechtsidentität wird erst auf der Oberfläche des Körpers erzeugt. Bei der Trans - vestie wird dieser Prozess oft allerdings nicht nur vorgeführt; durch die Reproduktion (sexistischer) Stereotype wird häufig auch krampfhaft die Geschlechtsbinärität aufrechterhalten.
Heute ist das Cross-Dressing längst im Mainstream angekommen: Künstler:innen wie David Bowie, Harry Styles, Lil Nas X, RuPaul oder Lady Gaga machten es einer breiten Öffentlichkeit fast als Selbstverständlichkeit sichtbar.
In ‚Charleys Tante‘ scheint die Travestie auf den ersten Blick ein Mittel für Klamauk und Pointen zu sein. Doch bei genauerem Hinsehen ist es auch hier mehr als das: Für Babberley steht enorm viel auf dem Spiel. Oxford im Jahr 1891 – da galten strenge Benimmregeln und klare Vorstellungen von Schicklichkeit. Sollte der Trug auffliegen, flöge Babberley nicht nur von der Uni. Er muss seine Rolle überzeugend spielen. Dabei präsentiert er seine Interpretation des von Frauen damals erwarteten Verhaltens, was deren gelegentliche Absurdität bestens vorführt. Für das Publikum ein doppelter Spaß: eine Geschlechtermaskerade immer an der Grenze zur Katastrophe und eine zum Schreien verklemmte Gesellschaft ... SK
Es ist Februar, das Jahr noch frisch, der Winter tief, die Regenhose tropft, die Fingerspitzen sind eingefroren, die Sonne schleppt sich über die Dächer und bis Juli sind es noch fünf Monate.
Um nicht die Nerven zu verlieren, trifft sich das Theaterpädagogische Netzwerk Oldenburgs in der ersten Februarwoche zum ersten Planungstreffen des Jahres 2023 und berät über die Jugendtheatertage 2023‘
Diese finden vom 24. Juni bis 2. Juli statt und bilden den Höhepunkt des Theaterjahres für die junge Theaterszene der Stadt. Die EXHALLE ist der Hauptspielort der Jugendtheatertage, dort feiern die fünf Jugendclubs des Oldenburgischen Staatstheaters Premiere. Während der Festivalwoche werden dort auch fast alle
Die Jugendtheatertage 2023
Jetzt schon vom Sommer träumen!
weiteren Inszenierungen des Festivals zu sehen sein.
Neben der Exhalle ist auch das Jugendprojektehaus des Vereins Jugendkulturarbeit ein wichtiger Veranstaltungsort, sowie die Kulturetage.
Begleitend zur Festivalwoche findet in der Kulturetage ein dreitägiges Workshop-Programm für die Spieler:innen der teilnehmenden Gruppen statt. Tanz- und Theaterschaffende vermitteln hier neue Techniken und Impulse für die Theaterarbeit und die Gruppen haben die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen. Und dann gibts natürlich noch die Premierenfeiern unter freiem Himmel.
Ihr habt Lust dabei zu sein?
Alle Theatergruppen mit jungen Menschen zwischen 14 und 25 Jahren können sich für die Jugend- theatertage noch bis zum 7. Februar bewerben! Wir freuen uns ausdrücklich auch über Schultheatergruppen.
Euer Stück muss zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht fertig sein, es reicht eine Beschreibung des Projekts und ein paar Worte zu der Gruppe. Im Sommer sehen wir uns dann auf der Bühne! LJ-K
Bewerbungen an lina.joost-krueger @staatstheater.de
Fragen und Antworten 0441 2225-344
Organisiert werden die Jugendtheatertage vom Jugendkulturarbeit e.V., dem Bildungshaus Rastede und der Theatervermittlung des Oldenburgischen Staatstheaters.
Welche Welt hinterlässt du mir?
Ein Rechercheprojekt mit Erwachsenen und familiären Paaren zwischen 24 und 67 Jahren
Das Schicksal der nach uns Geborenen bestimmen wir mit – so oder so, sei es als Mutter, Vater, Oma, Opa oder als auf der Erde lebende und handelnde Person. Was hinterlassen wir, außer vielleicht unserem Erbe, unserem Müll? Wie wirkt unsere immaterielle Welt, das heißt unsere Erfahrungen, Gedanken, Erlebnisse und Taten in unseren Kindern und in der Gesellschaft weiter? Antworten lassen sich da nicht leicht finden, vor allem, wenn wir uns nicht die Frage stellen, was uns persönlich geprägt hat? Wollen wir weiter so leben wie bisher? Und wenn nicht: wie dann?
Aktuell arbeiten die beiden Erwachsenenclubs zu diesen Fragen. In der Phase der Materialentwicklung entsteht dabei nicht nur Szenisches, sondern auch viel Textmaterial, welches hier in Auszügen zu lesen ist:
„Nicht mehr länger warten. Aufstehen. Bewegen. Machen. Ich wollte schon immer mal Schauspiel ausprobieren. Also gehe ich los. Ich stehe auf, gehe los und bin da. Ich bin hier und es gibt noch