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MANAGEMENT & KARRIERE Marktcheck: Standler
Wo das Christkind einkauft Als Marktfahrer muss man Schmäh samt Wetterfestigkeit mitbringen und beim Produktmix flexibel sein. Hat man aber diesen Dreh raus, ist so ein „Standl“ durchaus ein lukratives Geschäft.
Foto: Peter Schmidt
Wilfried Stöger ist pro Jahr auf rund 100 Märkten anzutreffen, diesen Monat in Wien vor dem Rathausplatz
VON STEFAN TESCH
„W
aren, die es nicht im Supermarkt gibt“, und „ein guter Schmäh“ sind die Gründe, warum Menschen auf Märkten einkaufen – sagt zumindest Daniela Köllner, immerhin seit 30 Jahren Obfrau des Clubs der Wiener Marktfahrer. Denn die Zeiten, in denen Märkte als regionale Nahversorger fungierten, sind fast überall vorbei. Durch die Verbreitung von Einkaufszentren, Supermärkten und Drogerien sind Marktkunden heute mehr an Unterhaltung interessiert. „Die junge Generation muss man mit außergewöhnlichen Waren zu Impulskäufen verleiten“, so Köllner. Bei ihr reicht daher die Produktpalette je nach Wetter und Saison von Pferdeleberkäse über Langos bis zu gebrannten Nüssen. Und im Non-FoodBereich könne man etwa mit Kindermoden, Strümpfen in Übergrößen, Dekorationsartikeln oder außergewöhnlichem Geschirr punkten. 88
ner, Bundesgremialobmann der Marktfahrer in der Wirtschaftskammer Österreich. Dabei müsse man aber bedenken, dass „ein Tag auf dem Markt drei Arbeitstagen entspricht“, so Köllner, denn Vorbereitung und Wegräumen sind sehr zeitintensiv. Einer, der das so macht, ist Wilfried Stöger, der pro Jahr auf rund 100 Märkten in Wien, Niederösterreich und im Burgenland anzutreffen ist. Sein Konzept lautet: Schmuck und Schals auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Wiener Rathausplatz sowie italienische Mode auf Jahrmärkten und Kirtagen, plus Stände für Glücksbringer vor dem Jahreswechsel. Dieser Mix ist notwendig, da die mediterrane Mode (Blusen, Pullover, Kleider) im Winter auf wenig Anklang stößt. Stögers Zielgruppe ist eher jung: „Deswegen kommen für mich nur Märkte in Frage, die am Wochenende stattfinden. Junge Kunden haben unter der Woche keine Zeit fürs Einkaufen“, erklärt er.
100 Märkte pro Jahr als Muss
Bis zu 130 Prozent Spanne!
Überraschend ist vielleicht, dass zwischen 50 bis 80 Prozent der Kunden auf Märkten Stammkunden sind. Daher haben es neue Anbieter am Anfang schwer, denn es dauert mindestens ein Jahr, bis man sich mit seinem Stand und seiner Ware auf diversen Märkten etabliert hat, so Köllner. Ebenso lange kann es dauern, bis man herausfindet, welche Märkte auch rentabel sind. Österreichweit gibt es jährlich etwa 8.000 bis 10.000 Märkte – online abrufbar unter www.dermarkt handel.at. Dazu zählen sowohl Jahrmärkte, Straßenfeste, Kirtage, Krämer-, Bauern- und Christkindlmärkte. „Ein guter Markt hat neben großem Kundenansturm eine große Vielfalt an angebotenen Produkten“, erklärt Köllner. Dies zu wahren, ist Aufgabe der Veranstalter. Das Konkurrenzdenken unter den Standlern sei jedoch gewaltig. „Man muss jährlich etwa 100 verschiedene Märkte anfahren, damit der Job rentabel ist“, beziffert Herbert Gart-
Bietet man beispielsweise Strumpfwaren auf einem rund 15 Meter langen Stand an, so kann man durchschnittlich mit 200 bis 500 Euro Bruttoumsatz pro Tag rechnen. Um ein vernünftiges Sortiment von mehreren tausend Produkten ständig mitzuführen, muss man grob geschätzt 20.000 Euro in die Hand nehmen. Die übliche Handelsspanne liegt bei bis zu 130 Prozent. Um überhaupt Waren auf einem Markt anbieten zu können, muss man neben dem Besitz eines Gewerbescheines sich beim jeweiligen Veranstalter für einen Platz anmelden. Bei Jahr- oder Wochenmärkten in ländlichen Gebieten ist das meist die jeweilige Gemeinde, bei Weihnachtsmärkten sind das auch private Vereine. „Für Zuckerwatte oder Langos ist der Beginn einer Marktstraße ideal, für Spielwaren eignet sich die Mitte am besten“, verrät Gartner, „denn die Kunden wollen bei der Ankunft oder vor dem Heimgehen etwas essen.“ Der Spielzeugkauf sollte dann das GEWINN 12/13
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Für Langos und Zuckerwatte ist der Beginn einer Marktstraße der beste Platz, weiß Herbert Gartner, Bundesgremialobmann der Marktfahrer
Foto: Wirtschaftskammer Österreich | Bundessparte Handel
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Sonderfall Weihnachtsmarkt
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er als Marktfahrer seine Waren auch auf Weihnachtsmärkten anbietet, kann dort im Idealfall die Hälfte seines Jahresumsatzes generieren, weiß Herbert Gartner, der nicht nur Gremialvorsteher Markt-, Straßen- und Wanderhandel in der Wirtschaftskammer, sondern auch selbst
Foto: Peter Schmidt
Im Idealfall lässt sich die Hälfte des Jahresumsatzes in der Vorweihnachtszeit erwirtschaften
de jeder nur Punsch verkaufen“, bringt es Wilfried Stöger auf den Punkt. Die Chancen für neue Anbieter schätzt er dennoch optimistisch ein: „Für kreative Konzepte und ausgefallene Waren sind die Veranstalter immer offen.“ Denn es gilt, den Produktmix auf dem Markt möglichst vielfältig zu halten. Die Standgebühren für Weihnachtsmärkte inklusive Hütte liegen zwischen 800 Euro am Mariazeller Advent und bis zu 14.000 Euro am Wiener Rathausplatz. An guten Tagen lassen sich mit Kunsthandwerk mehr als 1.000 Euro an Umsatz erwirtschaften, mit selbst gemachten Marmeladen sind etwa 1.500 Euro realistisch. Wer hingegen Maroni und Bratkartoffeln anbietet, kann auch 2.500 Euro oder mehr schaffen. Vorausgesetzt es ist nicht zu kalt, denn „da geben die Leute ihre Hände nicht so gern aus den warmen Jackentaschen“, heißt es von einer Standlerin.
Highlight während des Marktbesuchs ausmachen. Gleiches gilt auch für Bekleidung und Gebrauchsgegenstände. Soweit die Theorie, doch freie Standortwahl spielt es in der Praxis nicht wirklich. Alteingesessene Marktfahrer haben ihre Stammplätze, Nachrücken ist in der Regel nur bei deren Ausfall möglich. Für Neulinge ist es aber dennoch relativ leicht, einen Platz zu bekommen, denn die Zahl der Marktfahrer ist leicht rückläufig. Gartner: „Wir haben zunehmend ein Nachwuchsproblem.“ Zumindest bei heimischen Marktfahrern. Auch wenn man keine fixe Platzzusage bekommt, empfiehlt es sich trotzdem, vor sieben Uhr Früh den gewünschten Markt anzufahren. „Es ergibt sich meistens was“, so Gartner. Wer einmal einen Platz ergattert hat, bekommt ihn das nächste Mal wieder.
Kostspielige Grundausstattung Die Standgebühren variieren stark: So kostet ein Laufmeter auf einem Wochenmarkt zwischen zwei und sieben Euro pro Tag. Auf dem Straßenmarkt in der Wiener Neubaugasse kostet er GEWINN 12/13
Marktfahrer ist. Entsprechend schwer sind Plätze an stark frequentierten Weihnachtsmärkten zu ergattern. Meist muss man sich beim Veranstalter mit einem Konzept bewerben, das sowohl Standgestaltung als auch die angebotenen Waren beinhaltet. „Sonst wür-
aber 45 Euro, was allerdings eine Ausnahme nach oben darstellt. Um Marktfahrer zu werden, bedarf es neben eines Autos eines Verkaufsanhängers, den es ab 7.000 Euro gibt – Spezialanfertigungen, die alle Stückerln spielen, schlagen sich mit bis zu 100.000 Euro zu Buche. Der Stand selbst kann „von–bis“ kosten. So hält Wilfried Stöger seine Standbaukosten durch eine simple Kombination aus drei Faltzelten (à 300 Euro), mehreren Kleiderständern und einer LED-Beleuchtung im Vergleich zum erwähnten Verkaufsanhänger vergleichsweise niedrig. Anders sieht es bei einem LangosStand aus: Etwa 40.000 Euro muss man für einen fünf Meter langen Gastroanhänger (inklusive Fritteuse, Grillplatte,
Kühlschrank und Getränkezapfanlage) kalkulieren. Mit an Bord sollte man Langos, Würstel und Getränke im Wert von 3.000 Euro haben. Ein umsatzstarker Tag spült dann aber bis zu 5.000 Euro herein. Um diesem Kundenansturm dann auch gewachsen zu sein, ist ein Mitarbeiter notwendig, der gemäß des Kollektivvertrags „Handel“ (ab 1.300 Euro brutto) meist das ganze Jahr über angestellt ist. WICHTIG: ein Lagerraum mit Kühlschränken, damit zwischen den Märkten die Ware nicht verdirbt. Die Handelsspanne bei Langos liegt bei zirka 80 Prozent, geht man von einem Verkaufspreis von 2,50 Euro pro Stück aus. Zum Vergleich: Bei Bratkartoffeln liegt sie bei 120 Prozent, bei Maroni zwischen 60 und 70 Prozent. 89