2017 CSR Guide Industrie

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INDUSTRIE

Wie Brauer und Gerber ohne Reste und Reue produzieren Die Brauerei macht aus Reststoffen Biogas, Faserhersteller Lenzing arbeitet Nebenprodukte für den Verkauf auf. Und Schuhhersteller Think verzichtet beim Gerben weitgehend auf Chrom.

Stefan Tesch

Brauerei Göss ist Europameister in Sachen CO2-Neutralität

Altes Handwerk, moderne Technik: Gabriela Maria Straka in der CO2-neutralen Brauerei Göss

Hier schmeckt nicht nur das Bier, es passt auch das Klima: Die Brauerei Göss braut nicht nur CO2-neutral, sondern deckt ihren Energiebedarf aus eigener Produktion. Die steirische Brauerei ist damit Europas erste und einzige CO2-neutrale Großbrauerei. Die Vorzeigebrauerei ist, wie acht weitere Brauereien, darunter Zipfer, Schwechater und Puntigamer, Teil der Brau Union Österreich. Diese gehört seit 2003 zum Heineken-Imperium. Mit der Inbetriebnahme einer Biertrebervergärungsanlage ist in Göss neben der CO2-Neutralität noch ein Coup gelungen: Die Brauerei produziert ihren gesamten Energiebedarf selbst, soll heißen sie ist vollkommen energieautark. Diese Vergärungsanlage verwandelt jährlich 18.000 Tonnen Treber, ein Reststoff aus dem Brauvorgang, in Biogas. „Die daraus erzeugte Wärme und Strom decken etwa die Hälfte des Energiebedarfs der Brauerei und führt zu zirka 1.200 Tonnen an Kohlendioxidreduktion pro Jahr“, rechnet Gabriela Maria Straka, Leiterin des Bereichs CSR, Kommuikation und PR der Brau Union Österreich, vor. Der Schritt, energieautark zu sein, war kein billiger. Die Umgestaltung in eine grüne Brauerei kostete insgesamt drei Millionen Euro. Zusätzliches Problem: Eine Bürgerinitiative wetterte dagegen. „Da die Brauerei in bebautem Gebiet steht, hatten Anrainer Angst, die Anlage könnte zu Geruchs- und Lärmbelästigung führen“, so Straka. Es folgten Kampagnen der Aufklärung, dass Gase aus Brauereiabfällen – im Gegensatz zu Anlagen, wo Gülle verarbeitet wird – nicht stinken. Die Wogen konnten durch Informationsveranstaltungen für die Bürger, Roundtables mit dem Anlagenhersteller und einer eigenen Hotline schließlich geglättet werden.

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Das Thema erneuerbare Energie hat in Göss schon eine lange Tradition. Bereits vor rund 15 Jahren hat man begonnen, aus Brauereiabwasser Biogas zu gewinnen und dem wärmehungrigen Brauprozess gleich wieder zuzuführen. Zudem werden 90 Prozent der entstehenden Abwärme wieder genutzt. Ebenso innovativ ist die Wärmegewinnung aus dem benachbarten Sägewerk des Kartonherstellers Mayr-Melnhof, wofür zwischen den Gebäuden eine Fernwärmeleitung gebaut wurde. Damit deckt man 40 Prozent des Energiebedarfs der Brauerei. Ein kleiner Teil – um die Autarkie rechnerisch zu vollenden – kommt aus der 1.500 Quadratmeter großen Solaranlage, für die der betriebseigene Fußballplatz weichen musste. Sie ist unter anderem dafür verantwortlich, die Abwassertemperatur zu erhöhen und den Wirkungsgrad der Kläranlage erheblich zu verbessern. Als ökologische Draufgabe hat die Gösser Brauerei 2016 eine fünf Millionen Euro teure Dosenabfüllanlage eröffnet, um vor Ort abfüllen zu können und somit die Transportwege zu verkürzen. In Sachen grüner Energie hat Gösser alle Hausaufgaben gemacht. „Nun ist die Alkoholprävention bei Jugendlichen eine der nächsten großen Herausforderung“, berichtet Straka. Bei Produktinnovationen wird man sich künftig verstärkt auf die Trends „alkoholfrei“ und „alkoholreduziert“ fokussieren.

Faserhersteller Lenzing gewinnt aus Abfallprodukten kostbare Rohstoffe Die Lenzing AG ist Weltmarktführer in der Herstellung von Fasern aus holzbasierter Cellulose. Der Konzern mit rund 6.000 Mitarbeitern umfasst weltweit elf Produktionsstandorte, darunter USA, Indonesien, China und zwei


Foto: Think Shoes

Foto: Lenzing

Ja zu Europa: Schuhhersteller Think setzt bei der Produktion auf Europa. Das ist zwar teurer, hat aber den Vorteil, dass kurzfristig und schnell nachrpoduziert werden kann.

Return to sender: Faserhersteller Lenzing arbeitet daran, die Recycling-Quote bei Baumwolle und Fasern zu steigern.

in Österreich. Zwei Drittel der Fasern finden in der Textilproduktion Anwendung, ein Drittel im Non-WovenBereich, etwa Hygieneartikel. Lediglich 42 Prozent des Rohstoffs Holz bestehen aus Zellulose und können für die Faserproduktion verwendet werden. Den Rest machen „Abfallprodukte“, wie etwa Harze, aus. Lenzing hat aus der Not eine Tugend gemacht und Verfahren entwickelt, jenen Abfall sinnvoll zu nutzen. „Aus rund einem Zehntel der Gesamtmasse extrahieren wir Stoffe, die wir an andere Branchen verkaufen können“, berichtet Peter Bartsch, Head of CSR bei Lenzing. Das ist unter anderem Essigsäure für die chemische Industrie sowie der Süßstoff Xylose für die Lebensmittelindustrie. „Die Extraktion und Verarbeitung von Nebenprodukten ist stets eine Herausforderung, denn man muss dafür genügend Abnehmer finden“, so Bartsch. Bei den genannten Stoffen sei das gelungen. Der Rest, also rund die Hälfte des für die Celluloseproduktion eingesetzten Holzes, wird für die interne Energieerzeugung genutzt.

Drittanbieter häufig Holz gefährdeter Regenwaldgebiete verarbeiten, hat sich der Faserhersteller schon seit vielen Jahren zum Ziel gesetzt, nur Cellulose aus FSC-(Forest Stewardship Council-)zertifiziertem Holz einzukaufen. „Dies ist zwar wesentlich teurer als nicht-zertifiziertes Holz“, erklärt Bartsch, doch erkennt er einen positiven Effekt: „Unsere Kunden, vor allem Textilhersteller, verlangen zunehmend Transparenz in der gesamten Wertschöpfungskette.“

Die Rohstoffrückgewinnung aus Abfallprodukten zieht sich bei Lenzing durch viele Bereiche. So etwa in der Viskoseherstellung, wo eine große Menge an Natriumsulfat als Abfallprodukt entsteht. Dieses Natriumsalz findet Abnehmer in der Waschmittel- und Glasindustrie. Lenzing deckt nur rund die Hälfte des Cellulosebedarfs durch eigene Kapazitäten und kauft den Rest zu. Da

Ein großes Zukunftsthema bei Lenzing stellt das Recycling dar. Derzeit beschränkt es sich noch auf Preconsumer-Waste aus Baumwolle. Das bedeutet, das etwa Schnittabfälle aus der Textilindustrie, von Kunden an Lenzing zurückgeschickt werden. Dort erfolgen die sortenreine Trennung und die Entfernung von Färbungen. Derzeit beträgt der Recycling-Anteil in der Cellulose zwischen 15 und 20 Prozent. Künftig soll die RecyclingKette ausgeweitet werden und Lenzing strebt danach, auch Bekleidungsabfälle von Endverbrauchern wieder der Produktionskette zuzuführen. „Doch dazu müssen noch effektive Verfahren zum Trennen der einzelnen Faserkomponenten entwickelt werden“, betont Bartsch. 2016 und 2017 investiert Lenzing rund 100 Millionen Euro in den Ausbau der Produktion von Spezialfasern, um deren Anteil am Umsatz bis 2020 auf von 42 auf 50 Prozent zu erhöhen. Die für die Produktion der Spezialfaser „Tencel“ eingesetzten Lösungsmittel werden fast

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zur Gänze wiederverwertet. Dafür bekam Lenzing den European Business Award for the Environment.

„Unsere Kunden verlangen zunehmend Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette.“ PETER BARTSCH, LENZING

Think steht und geht auf Europa Dass schicke und gleichzeitig leistbare Schuhe nicht aus Fernost kommen müssen, beweist der oberösterreichische Hersteller Think. Die jährlich rund 800.000 produzierten Paar stammen ausschließlich aus Produktionsstätten in Europa, darunter Italien, Rumänien, Ungarn und Bosnien. Der Vertrieb erfolgt neben dem Schwerpunkt im D-A-CH-Raum ebenso in den Niederlanden, in Japan, Südafrika und in den USA. Begonnen hat alles in den 1980er-Jahren, als Martin Koller die Schusterei in nächster Generation übernahm und sich dazu entschied, nachhaltige Schuhe zu produzieren. „Gesunde Schuhe müssen nicht hässlich sein“, lautet sein Credo. Unter „gesund“ versteht man bei Think den Einsatz möglichst schadstoffarmer Materialien. „Chromfrei gegerbtes Leder, ausschließlich aus europäischen Gerbereien war von Anfang an unser Alleinstellungsmerkmal“, berichtet Bernadette Emsenhuber, Leiterin E-Commerce bei Think. Dabei ersetzen pflanzliche Mittel die in der Ledergerbung üblichen, giftigen Chromsalze. Allerdings ist diese Art zu gerben sehr teuer und nicht für alle von Think verwendeten Leder geeignet. Denn ohne Chrom ist das Material gröber, färbt leichter ab und ist weniger UV-beständig. „Daher verwenden wir es derzeit vor allem für Innenleder, das mit der Haut direkt in Berührung kommt“, erklärt Emsenhuber. Ausnahme ist das Modell „Chilli-Schnürer“, denn bei schwarzem Glattleder als Obermaterial funktioniert die pflanzliche Gerbung ohne optische Einbußen. Für dieses innovative Schuhmodell erhielt Think als erster Schuhhersteller das Österreichische Umweltzeichen. Eineinhalb Jahre hat der Zertifizierungsprozess für das begehrte Gütesiegel des Umweltministeriums gedauert. Denn aufgrund der strengen Prüfung der verwendeten Materialien musste man immer wieder nachjustieren. „So war etwa der Schadstoffgehalt beim Verbrennen der Sohle zu hoch“, veranschaulicht Emsenhuber. Langfristiges Ziel ist die Zertifizierung eines großen Teils der

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Kollektion. Doch dafür gibt es noch eine Hürde zu bewältigen: Derzeit gibt es das Umweltzeichen nämlich nur für den Schuh als fertiges Produkt und nicht für einzelne Komponenten. Und derart lange Zertifizierungsprozesse wie für den Chilli-Schnürer sind aus unternehmerischer Sicht nicht vertretbar. Keine Frage, Schuhe in Europa zu produzieren ist teurer als in Asien. „Wir sehen die Produktion in Europa aber nicht als Nachteil, obwohl wir dadurch niedrigere Margen haben und weniger Gewinn machen“, sagt Emsenhuber und nennt die positive Seite dieser Strategie: „Wir können innerhalb von zwei Wochen bei unseren Partnerbetrieben bei Bedarf nachproduzieren lassen.“

WEITERE UNTERNEHMEN MIT FOKUS

Ressourcen-Schonung Saubermacher Motto Zero-Waste: Der Entsorgungs- und Recycling-Spezialist hilft Unternehmen, geschlossene Produktionskreisläufe ohne Abfall und Energieverschwendung aufzubauen

Miba Dank verschiedener Maßnahmen liegt die Restmüllmenge im Werk Laakirchen nicht einmal bei der Hälfte des Branchendurchschnitts.

EVVA Der Hersteller von Schließanlagen beareitet Metalle dank eigens entwickleter Technologie ohne Öl und Schmierstoffe. Der Transort erfolgt über Mehrwegpaletten.

Vorarlberger Illwerke Die vom Energieunternehmen gestartete Initiatve „Klimaneutralitätsbündnis 2025“ zielt auf klimaneutrales Wirtschaften. dazu gibt es einen konkreten Fünf-Schritte-Plan.

Hollu Das Tiroler Unternehmen bietet gewerblichen Anwendern Reinigungssysteme auf Basis umweltfreundlicher Rohstoffe.


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