2017 CSR Guide Verkehr

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Volle Volt voraus! Aufbruch zur modernen Mobilität: Die Post fährt auf E-Autos ab, Smatrics errichtet eifrig Ladestationen. Und Bike Citizens macht per App das Radeln genussvoller.

Stefan Tesch

Smatrics rüstet schon heute für die Zukunft der E-Mobilität Als Smatrics als Jointventure von Siemens und Verbund 2013 an den Start ging, steckte die E-Mobilität noch in den Kinderschuhen. Und das Ziel war, exotisch-ambitioniert: Ein flächendeckendes Netz an Ladepunkten für Elektrofahrzeuge aufzubauen. Heute ist Geschäftsführer Michael-Viktor Fischer stolz auf 400 solcher Ladepunkte, die sich etwa alle 60 Kilometer vorwiegend entlang von Autobahnen befinden. Rund die Hälfte davon sind High-Speed-Punkte, die ein E-Auto in rund 20 Minuten vollständig laden können. „Wir haben einen zweistelligen Millionenbetrag investiert. Wann der Break-even erreicht wird, lässt sich schwer abschätzen“, sagt Fischer. Derzeit ist das Netz noch eher überdimensioniert, denn hierzulande gibt es derzeit lediglich rund 10.000 Elektrofahrzeuge. „Mit diesem Netz werden wir noch lange den Bedarf decken können“, so Fischer. Die am stärksten frequentierte Ladestation mit rund zehn Fahrzeugen pro Tag liegt in Wien am Gürtel.

Einmal auftanken bitte: Smatrics-Geschäftsführer Michael-Viktor Fischer

Beim Aufbau des Netzes musste der E-Tankstellenpionier anfangs einige Hürden nehmen. „Tanken nebenbei‘ lautet unsere Devise. Das bedeutet, Tanken während des Einkaufens, während eines Kaffeehausbesuchs oder einer Pause an der Autobahnraststätte“, skizziert Fischer. Vielen Kooperationspartnern wie Supermärkten, Hotels und Fast-Food-Restaurants war nicht bewusst, welchen Wert ein Ladepunkt auf ihrem Parkplatz hat. „Wir mussten viel Überzeugungsarbeit leisten, dass Ladepunkte nur in Kombination mit Infrastruktur von den Kunden angenommen werden“, erinnert sich Fischer. Mittlerweile hat sich der Spieß umgedreht und die Kooperationspartner

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schätzen die Ladepunkte als Differenzierungsmerkmal für ihre Kunden. Und er dreht sich noch weiter: Mittlerweile kaufen Einkaufszentrenbetreiber Ladeinfrastruktur von Smatrics, um dort Strom zu selbst festgelegten Preisen anzubieten. Für Smatrics ein ein positiver Nebeneffekt, denn die Errichtungskosten, die für einen Highspeed-Ladepunkt im fünfstelligen Bereich liegen, entfallen. Gleichzeitig erweitern solche „gemanagten“ Punkte das öffentliche Ladenetz. Ein dichtes, öffentliches Ladenetz allein ist aber kein zukunftstaugliches Geschäftsmodell, denn etwa 80 Prozent aller E-Auto-Besitzer laden ihre Fahrzeuge daheim. So vertreibt Smatrics auch Heimladeboxen für die Wandmontage, allerdings wird für den Kunden derzeit noch ein hohes Netzbereitstellungentgelt an den Netzbetreiber fällig. Bei einem 22kWh Anschluss sind das rund 6.000 Euro „Hier sollte die E-Wirtschaft den Kunden entgegenkommen, denn je mehr E-Fahrzeuge es gibt, desto höher ist die Netzabsicherung und desto niedriger sind die Netzstabilisierungskosten“, erklärt Fischer. E-Autos fungieren dann als Zwischenspeicher und können Spitzen ausgleichen, während sie an der Steckdose hängen. Großes Wachstumspotenzial sieht Fischer bei Business-Lösungen. Unternehmen, die E-Autos in ihrem Fuhrpark haben, benötigen nicht nur die Ladeinfrastruktur, sondern auch die Software dahinter zur Abrechnung und Verwaltung. Fischer fordert zudem eine österreichweite Parkplatzverordnung, wonach bei neu errichteten Parkplätzen Ladestationen verpflichtend sind. Bisher ist dies nur in Niederösterreich der Fall, wo ab 50 Plätzen mindestens zwei Ladepunkte vorgeschrieben sind.


Foto: Bike Citizens

Foto: Werner Streitfelder

Zeigt mit seiner App Scheichwege und Geheimtipps für Radler, damit das Radeln zum Genuss wird: Bike-Citizens-Gründer Daniel Kofler

Die Post hat bereits 300 E-Mobile im Einsatz. Größtes Hindernis: Die Skepsis der Mitarbeiter

Die Navi-App Bike Citizens weist Radlern den genussreichsten Weg Wer mit dem Drahtesel von A nach B fahren möchte, kann dies entweder gemütlich, normal oder „sportlich angehen. das ist der Ausgangspunkt der App „Bike Citizens“, einem Navi speziell für Radfahrer. 2011 setzten Daniel Kofler und Andreas Stückl, beide ehemalige Fahrradboten, ihre Vision in die Tat um: Sie wollten den Städtern das Verkehrsmittel Rad schmackhaft machen. In ihrem Alltag hatten sie beobachtet, dass viele vorwiegend entlang stark befahrener Hauptverkehrsadern radeln, die sie aus dem öffentlichen Verkehr oder vom Autofahren kennen. Diese sind aber für den Radverkehr oft ungeeignet. Dabei ist es viel angenehmer, verkehrsarme Seitengassen oder Wohnstraßen in die Routenplanung miteinzubeziehen. Herkömmliche Apps berücksichtigen solche Parameter nicht, da sie angenehm zu radelnde Straßen nicht „kennen“.

den Karten. Auch hier fließen 90 für Radfahrer relevante Parameter, wie zum Beispiel Fahrbahnbeschaffenheit, ins Routing ein. Mittlerweile gibt es solch ein angereichertes Kartenmaterial neben Wien und Graz für rund 50 Städte, darunter Paris, Berlin, London, Kopenhagen und Zürich. Doch nicht überall ist die App so detailliert wie in Wien, denn die lokale Unterstützung sei schwer zu akquirieren, so Kofler. Derzeit arbeitet er mit seinen 25 Mitarbeitern (Vier-Tage-Woche als Arbeitszeitenmodell) in Graz und Berlin daran, dass User ihre persönlichen Erfahrungen in die App einbringen können.

Die Navi-App Bike Citizens setzt daher neben dem herkömmlichen Routing auf das Wissen lokaler Radexperten, wie etwa Fahrradkuriere, Rad-Lobbyisten oder Radverkehrskoordinatoren. „Sie feilen ständig an der Routenführung und optimieren die von der App generierten Vorschläge“, sagt Daniel Kofler. Gerade dieses Detailwissen über Abschneider und Geheimtipps ist für ihn der Clou der App. Das Kartenmaterial stammt von „Open Street Map“, dem kostenlosen „Wikipedia“ unter

Doch um die App auch an den Radler zu bringen, bedarf es nicht nur Werbung im klassischen Sinn. „Wir arbeiten daran, das Fahrrad als Verkehrsmittel erlebbar zu machen und zu emotionalisieren“, schildert Kofler. Konkret passiert dies über Social-Media sowie über ein ureigenes Online-Fahrradmagazin. Schon während der Entwicklung der App stieß man unerwartet auf ein Problem, das später zu einer Goldader führte. Um ein Navi am Fahrrad sinnvoll einzusetzen, muss man es am Lenker befestigen. „Da es so etwas nicht in brauchbarer Qualität gab, kreierten wir kurzerhand die Halterung namens ‚Finn‘“, freut sich Kofler. Bisher wurde Finn zum Stückpreis von 15 Euro mehr als 400.000 mal verkauft und hat laut Kofler „wesentlich zum Unternehmenswachstum beigetragen“.

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Gelbe Post fährt auf grüne Zustellung ab Mit rund 9.000 Fahrzeugen betreibt die Post Österreichs größten Fuhrpark. Bis Ende 2016 wurden davon rund 1.300 durch Gefährte mit Elektroantrieb ersetzt, darunter 300 Autos, Mopeds sowie E-Fahrräder. Ein wesentlicher Treiber dahinter: „Business-Kunden, wie etwa Versandhäuser, fragen vermehrt nach dem CO2-Fußabdruck ihrer versendeten Pakete“, erklärt Harald Hagenauer, Head of Investor Relations bei der Post. „Theoretisch sind E-Autos für uns optimal, da sie über Nacht nicht gebraucht werden und während dieser Zeit geladen werden können“, sagt Hagenauer und blickt gleichzeitig auf die ersten schmerzvollen Gehversuche beim Thema E-Mobilität im Jahr 2011 zurück. Damals war die Leistungsfähigkeit der Fahrzeuge nämlich noch sehr bescheiden. Aufgrund mangelnder oder sogar fehlender Heizungen war es für Postboten eine harte Prüfung, mit den E-Autos die Zustellung abzuwickeln. Es musste rasch eine Lösung her und so wurde die bestehende E-Flotte mit Heizungen nachgerüstet. „Es herrschte zudem große Angst, mit den Autos einfach stehen zu bleiben, da die Akkus damals noch sehr schwach waren“, erinnert sich Hagenauer, „wir waren blauäugig.“

„Unser Konzept: Stromtanken nebenbei. Also während des Einkaufens oder der Pause an der Raststätte.“ MICHAEL-VIKTOR FISCHER, SMATRICS

Mittlerweile hat die Leistungsfähigkeit neuer E-Autos zugenommen. Doch geblieben ist die Abneigung unter den Postlern. Es folgten intensive betriebsinterne Informationsmaßnahmen, um den Ruf der neuen E-Autos – allen voran des Nissan E-NV200 – aufzupolieren. Dies gelang unter anderem durch Hervorhebung bequemer Features, etwa schlüsselloses Aufsperren. Heute sind E-Fahrzeuge in allen Bundesländern unterwegs, Schwerpunkt ist Wien. Hier erfolgt die gesamtes Zustellung von Briefen grün, also zu Fuß und mittels E-Fahrzeugen. Der Praxis-Einsatz zeigt: E-Autos eignen sich für Zustellrayone, in denen täglich mindestens 15 Kilometer gefahren werden. Und mehr als 70 Kilometer sind aus Gründen der Akkuleistung nicht möglich. Das Tiroler Bergdorf per E-Auto auch im Winter zu erreichen, ist nach wie vor Zukunftsmusik. Ebenso fehlt es noch an geeigneten Serienmodellen von E-Mopeds für die

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gewerbliche Nutzung, so dass die Post derzeit auf teure und wartungsintensive Spezialanfertigungen zurückgreifen muss. 13 Millionen Euro hat die Post bisher in die E-Flotte investiert. „Aufgrund von Förderungen ist es ökonomische neutral“, so Hagenauer. Im Unterschied zu herkömmlichen Autos sind die Anschaffungskosten doppelt so hoch, was sich aber während der Laufzeit durch den Wegfall von Sprit und Reparaturkosten amortisiert. Künftig soll die Flotte in den Landeshauptstädten Schritt für Schritt weiter elektrifiziert werden.

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