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GELD & BO¨ RSE E-SPORTS
E-Sport begeistert die Massen. In der Lanxess Arena in Köln ging heuer das weltgrößte Counter-StrikeTurnier mit 15.000 Zuschauern über die Bühne
Elektronischer Sport ist auf dem Weg zum globalen Milliardengeschäft. Sponsoren springen auf enorme Reichweiten der virtuellen Matches auf. Und in Österreich startet im Oktober die eBundesliga. VON STEFAN TESCH
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Foto: GEPA pictures/Felix Roittner
erschwitzte T-Shirts, Ärger mit dem Schiri und dazu noch ein beleidigter Meniskus. Das gehört eigentlich zum Alltag eines
Profifußballers. Aber nicht zu jenem von Andres Torres. Der 22-Jährige ist Profikicker beim FC Red Bull Salzburg, ohne dafür den Fußballrasen zu betreten. Sein Stadion ist die Spielkonsole, sein Kapital sind die flinken Finger, die über den Controller flitzen. Torres
Andres Torres (22) ist als E-Sportler beim FC Red Bull Salzburg unter Vertrag. Sein Sportgerät ist der Controller 8
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ist E-Sportler und tritt im Computerspiel „FIFA“ gegen andere Digitalathleten an. Schweißfrei, dafür mit starrem Nacken und brennenden Augen. Schon „FIFA 99“ hat er gerne auf dem Nintendo gezockt, erinnert sich der Österreicher mit spanischen Wurzeln. Seither hat ihn Fußball nicht mehr losgelassen – weder in echt noch virtuell. „Mein Traum, Fußballprofi zu sein, hat nicht geklappt. Aber FIFA kommt dem echten Fußball sehr nahe“, erzählt Torres. Statt Passübungen, Dreierkette und Pressing am Platz zieht sich Torres fürs Training hinter Bildschirm und Konsole zurück. Manchmal bis zu 13 Stunden pro Tag. Erfolgreiche Spielzüge notiert er sich, um sie dann in Wettkämpfen anzuwenden. Seine guten Ergebnisse als ambitionierter Hobby-Gamer haben dazu geführt, dass ihn der FC Red Bull Salzburg vor Kurzem unter Vertrag genommen hat. Das ist auch notwendig, um dieses Hobby zum Beruf zu machen. Denn in Europa rangieren die Preisgelder für ein gewonnenes, einigermaßen angesehenes FIFA-Turnier zwischen 1.000 und 7.000 Euro. „Leben kann davon keiner. Denn gewinnen hat viel mit Glück zu tun und die Konkurrenz ist enorm groß“, weiß Torres. Zudem finden die Turniere nur selten statt. September 2017
Foto: ESL-One Cologne/Helena Kristiansson
E-SPORTS Das Milliardengeschäft
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GELD & BO¨ RSE
davon Deutschland
130
Christoph Glasner, FC Red Bull Salzburg: „E-Sport-Fans sind 15 bis 35 Jahre alt und hatten bisher mit dem Verein nichts zu tun.“
Foto: FC Red Bull Salzburg
Globales Marktvolumen in Millionen Euro
Patrick Krippner, Laola 1: „Mit der Berichterstattung über E-Sport holen wir neue User auf unsere Plattform.“
Foto: Laola 1
Factbox E-Sports
50 750
2017
1.200
2020
FANS EUROPA: 22 Millionen SPIELE: League of Legends, Dota 2,
Counterstrike GO, FIFA REICHSTER E-SPORTLER: Kuro „KuroKy“
Salehi Takhasomi (24 Jahre; aus Berlin) mit 3,4 Millionen US-Dollar (Schätzungen von esportsearnings.com)
September 2017
30 Millionen schauen deutsches Turnier
Foto: M7/HD Austria
Neue Fans anziehen Das könnte sich ändern. Denn im Oktober startet in Österreich erstmals die „eBundesliga“, zu der die Bundesligisten ihre Teams mit bis zu sechs E-Sportlern schicken. „Die wollen wir natürlich gewinnen“, sagt Christoph Glasner, Leiter Marketing und Medien beim FC Red Bull Salzburg. Über dem Sportlichen steht nämlich ein konkreter Plan. „Mit E-Sport möchten wir eine neue Zielgruppe ansprechen und an den Verein binden“, verrät Glasner. Auf der Website (www.redbullsalz burg.at/de) ist ein E-Sports-Bereich eingerichtet, diese neuen Fans sind 15 bis 35 Jahre alt und hatten bisher mit dem Verein nichts zu tun. Überschneidungen zwischen „echtem“ und virtuellem Fußball sind nämlich die Ausnahme. Der Fußballclub betritt mit dem „Kauf“ von Torres in Österreich Neuland. Andere Vereine werden bald nachziehen, denn sie stellen gerade über Qualifikationsspiele Teams für die eBundesliga (www.ebundesli ga.at) zusammen. Wie viel die Salzburger für Torres zahlen, möchte Glasner nicht sagen. Mit den Summen, die für „echte“ Spieler über den Tisch wandern, ist es aber nicht vergleichbar. Neben Aktivitäten auf Social Media soll Torres künftig bei großen Turnieren in Europa
die USA übergeschwappt. Dort findet jährlich eines der größten E-Sport-Turniere statt. Heuer wurde beim „The International 2017“ in Seattle sogar der höchste Preispool in der Geschichte des E-Sports ausbezahlt: satte 25 Millionen US-Dollar. Der Sieger, das niederländische „Team Liquid“, streifte davon elf Millionen ein, der Zweitplatzierte immerhin noch vier. Zu Spitzenzeiten waren fünf Millionen Zuseher per Stream gleichzeitig dabei. Das US-Marktforschungsunternehmen SuperData Research bezifferte das globale Marktvolumen von E-Sports mit 750 Millionen Euro, davon fallen 560 Millionen auf Sponsoring und Werbung. Die Prognose des Portals Statista geht von 1,2 Milliarden Euro Gesamtvolumen im Jahr 2020 aus. Die Marktforschungsagentur Newzoo schätzt die Zahl der weltweiten E-Sport-Fans auf 191 Millionen, davon 22 Millionen in Europa. Vor drei Jahren waren es erst 89 Millionen weltweit. TIPP: Welche Aktien von Gaming und E-Sports-Trends profitieren, lesen Sie ab Seite 12.
Martijn van Hout, HD Austria: „Der Sender eSportsTV hat Quoten wie Eurosport 2.“
teilnehmen, um den Fußballclub auch in der virtuellen Welt zu etablieren. Nerds als Stars Während E-Sport in Österreich gerade seinen Einzug feiert, ist es weltweit längst ein Massenphänomen und hat mit freakigen Lan-Partys in dunklen Kellern nichts zu tun. Die Wiege des E-Sport ist Asien, speziell Südkorea. Elektronische Matches gehen dort in Sportarenen mit bis zu 100.000 Zuschauern vor Ort und mehreren Millionen Zusehern im Fernsehen und Live-Stream über die Bühne. Die Spieler treten in Cockpit-ähnlichen „Arbeitsplätzen“ gegeneinander an, inszeniert mit Lasershows und Kommentatoren. TopE-Sportler werden wie echte Sportstars gefeiert und cashen über Preisgelder, Sponsorings und Werbeverträge bis zu mehrere Millionen Euro pro Jahr ab. Ihre Disziplinen sind die Echtzeit-Strategiespiele League of Legends, Dota 2, der Egoshooter Counterstrike GO sowie der Fußballklassiker FIFA. Vor einigen Jahren ist der E-Sport-Boom auch auf den Rest der Welt, insbesondere auf TOP
Auch bei unseren Nachbarn brannte mit der „ESL One Cologne“ im heurigen Sommer ein sechstägiges E-Sport-Feuerwerk nieder. Das größte Counter-Strike-Turnier der Welt mit einem Pot von einer viertel Million Euro fand in der Kölner Lanxess Arena statt und zog 15.000 Fans an. Hinzu kamen rund 30 Millionen Zuseher via Live-Stream, davon rund 180.000 über einen Virtual-Reality-Stream. Das sind Einschaltquoten wie beim Halbfinale der Fußball-EM 2016! Deloitte schätzt das Marktvolumen von E-Sports in Deutschland aktuell auf 50 Millionen Euro. In drei Jahren soll es auf 130 Millionen wachsen. Welche Dimensionen in Österreich zu erwarten sind, wird unter anderem der Erfolg der eBundesliga zeigen. Bisher werden nur kleine Turniere für ambitionierte Hobbyspieler, etwa auf der Spielemesse „Game City“, abgehalten, bei denen keine nennenswerten Preisgelder winken. Marktdaten für Österreich liegen noch keine vor. Eine Umfrage der Mediaagentur Mindshare hat ergeben, dass hierzulande 40 Prozent den Begriff „E-Sport“ kennen, 13 Prozent davon gaben an, anderen beim Spielen zuzuschauen, und etwa ein Fünftel der Jüngeren spielt selbst. Unternehmen springen auf Kein Wunder, dass die gigantischen Dimensionen und Reichweiten im internationalen 9
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Foto: byte heroes GmbH./Adrian Almasan - www.adrianalmasan.com
GELD & BO¨ RSE E-SPORTS
E-Sport Unternehmen unterschiedlicher Branchen anlockt. Neben Veranstaltern von Turnieren, Event-Locations, Hard- und Software-Herstellern sind es auch Konzerne wie Coca-Cola, Red Bull, McDonald’s, HTC und Wüstenrot in Deutschland, die über Sponsoring auf den Zug aufspringen. Ebenso fischen Fußballclubs in fremden Gewässern. Schalke 04 hat unlängst ein „League of Legends“Team gekauft. In Österreich präsentiert sich krone.at als Hauptsponsor der eBundesliga. LG Electronics hat über eine bundesweite Roadshow Talentescouting für die österreichischen Bundesligaclubs betrieben. Natürlich um den Gamern die neueste Technik aus dem eigenen Haus schmackhaft zu machen. Einen Testballon lässt aktuell das Sportportal „Laola 1“ steigen. Zu Jahresbeginn hat man den virtuellen Sport ins Portfolio genommen. Die Kategorie „eSports“ rangiert im Hauptmenü der Website sogar gleich neben Fußball und Motorsport. „Mit Berichterstattung und Live-Spielständen von internatio-
Das Gründerteam der Byte Heroes (v. l. n. re.): Philip Peinsold (CTO), Paul Polterauer (CEO) und Bernhard Blaha (COO). Das Wiener Startup baut gerade eine Plattform für Wetten auf E-Sport auf und gibt dafür sogar eine Kryptowährung heraus
nalen Turnieren möchten wir neue User gewinnen“, so Patrick Krippner, der bei Laola 1 den Bereich E-Sports verantwortet. Ähnlich wie bei Red Bull Salzburg sind das jene, die sich nicht für schweißtreibende Sportarten interessieren. Die neue Zielgruppe sind größtenteils selbst Gamer und verfolgen E-Sport, um sich von den Profis etwas abzuschauen. Ihnen wartet man mit News aus der Szene auf, unter anderem damit, dass ein chinesischer Spitzensportler wegen zu viel (realem) Geschlechtsverkehr ein (virtuelles) Leistungstief habe. Streaming in Amazon-Hand Ins Geschäft des Live-Streamings einzusteigen sei derzeit undenkbar, heißt es von Laola 1. Denn bei namhaften Turnieren hat Amazon beziehungsweise seine Streaming-Tochter „Twitch“ die Nase vorn. Übertragungsrechte kosten mehrere hunderttausend Euro. Anders macht das der Pay-TV-Provider HD Austria. Im Frühling hat er den Sender „eSportsTV“ ins Repertoire genommen. Dort
Drohnenpilot Walter Kirsch nimmt zu den Wettkämpfen bis zu fünf Drohnen mit, damit er im Schadenfall schnell wechseln kann
werden internationale Turniere der ESL-League übertragen. „Um Bezahlfernsehen zu verkaufen, ist es wichtig, möglichst viele Themen in einem Bundle abzudecken, und dazu gehört auch E-Sport“, begründet es Martijn van Hout, Direktor von HD Austria, das zur luxemburgischen M7-Gruppe gehört. Erste Zwischenbilanz: Die Zusehdauer liegt zwischen einer Minute und einer Stunde. Einschaltquoten möchte man nicht preisgeben, sie lassen sich aber mit Eurosport 2 vergleichen. Wetten auf den Trend Auf den E-Sports-Zug möchte auch das Wiener Start-up Byte Heroes mit seiner TippPlattform „Herosphere“ aufspringen. Da man für das Wettgeschäft mit echtem Geld in Euro eine für das Start-up noch unleistbare Glücksspiellizenz benötigt, fungiert eine virtuelle Währung als Wetteinsatz. Man kann sie mit Boni, die Hobby-Gamer beim Computerspielen erhalten, kaufen, und das stellt in der Szene einen tatsächlichen Wert dar. Noch heuer plant Byte Heroes die Herausgabe (Initial Coin Offering, kurz: ICO) einer Kryptowährung namens „Hero Coin“, die einen Tausch in Euro ermöglicht. „Gleichzeitig dient uns dieser ICO als Unternehmensfinanzierung und künftig zum Erwerb einer Glücksspiellizenz“, so Bernhard Blaha, einer der drei Gründer. Derzeit verzeichnet die Plattform 200.000 registrierte Nutzer aus aller Welt, ein Viertel davon soll bereits aktiv auf der Plattform wetten. Wer in die Welt von E-Sport hineinschnuppern möchte, der kann das etwa in Wien in der E-Sport-Bar namens „Respawn“ machen. Dort werden nicht nur Turniere live übertragen, sondern die Gäste legen auf den Konsolen im Lokal gleich selbst Hand an. Oder sie trinken ein Bier – kein virtuelles.
Fotos: Arnold Pöschl, RBMH/IWX/Red Bull Content Pool
Drohnen-Rennen
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Neben wettbewerbsmäßigen Computerspielen zeichnet sich mit Drohnen-Rennen eine weitere Trendsportart ab. Piloten steuern dabei ihre Multicopter durch Hindernisparcours, inklusive Boxenstopp zum Batteriewechseln. Ende September findet am Red Bull Ring in Spielberg die „DR.ONE“ statt, wo 18 Rennställe gegeneinander antreten (re. Modell des DrohnenParcours)
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September 2017