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MANAGEMENT & KARRIERE Marktcheck: Reisebüro

Urlaub als tägliches Brot Wer sich weg vom Mainstream bewegt oder als Veranstalter aktiv wird, hat trotz schlechter Margen und großer Konkurrenz auch als kleines Reisebüro eine Chance. VON STEFAN TESCH

Foto: Franz Neumayr

„D

ie Rentabilitätsschwelle für kleine Reisebüros liegt pro Jahr bei zwei Millionen Euro Umsatz“, schätzt Edward Gordon. Der Obmann des Fachverbandes der Reisebüros in der Wirtschaftskammer Österreich und Aufsichtsrat der Reisebüro Dkfm. Edward Gordon GmbH in Salzburg, legt weitere Zahlen auf den Tisch. So bleibe vom Umsatz ein durchschnittlicher Ertrag von acht bis zehn Prozent, und abzüglich aller Ausgaben – 50 bis 60 Pro-

zent sind Personal – rund ein Prozent als Nettogewinn übrig. Nicht gerade viel. Gordon. „Hohe Preistransparenz durch Online-Angebote sowie starke Konkurrenz lassen keine hohen Preise zu.“ Tatsächlich kommen in Österreich auf ein Reisebüro 3.200 Reisende. „80 Prozent der rund 2.600 Reisebüros in Österreich sind Kleinunternehmer mit ein bis neun Mitarbeitern“, so Gordon, „diese teilen sich aber nur knapp ein Fünftel aller Umsatzerlöse in der Branche“. Insgesamt beläuft sich der Umsatz der Branche auf 4,2 Milliarden Euro ( Jahresstatistik 2011, netto). Den wirklich großen Teil vom Kuchen holen sich folgende große Veranstalter: TUI Österreich, REWE Austria, Thomas Cook/Neckermann, FTI Austria und Jumbo.

Garantien und Sicherheiten Wer ein Reisebüro führen will, braucht mindestens fünf Jahre Branchenpraxis und muss eine Zulassungsprüfung bei der WKO ablegen. Ein optionaler Vorbereitungskurs kostet zirka 1.900 Euro. Wer eine abgeschlossene Reisebürolehre hat, benötigt keine Prüfung. Zu den Investitionskosten für ein Lokal kommt zumeist ein Mitarbeiter, der laut Kollektivvertrag zwischen 1.400 und 3.400 Euro brutto verdient. Nicht zu unterschätzen sind zu leistende Sicherheiten: Will man Veranstalter sein,

Obmann Edward Gordon: „Die Rentabilitätsschwelle für kleine Reisebüros liegt pro Jahr bei zwei Millionen Euro Umsatz“

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muss man sich in ein Register des Wirtschaftsministeriums eintragen lassen und dort eine umsatzabhängige Garantie hinterlegen – in der Regel zwischen 10.000 und 30.000 Euro. Aber auch als bloßer Vermittler muss man bei den Veranstaltern Garantien hinterlegen, mit rund 10.000 Euro muss man rechnen. Und zwar als Sicherheit für die kassierte Anzahlung von zehn bis 20 Prozent des Reisepreises. Etwaig notwendige Pflichtversicherungen sind keine abzuschließen.

Know-how und Kontakte zählen Nur etwa 700 Reisebüros in Österreich sind auch als Veranstalter tätig. Gordon, der in seinem Reisebüro rund ein Viertel aller Reisen selbst zusammenstellt: „Reisen selbst zu veranstalten muss nicht zwangsläufig ein besseres Geschäft sein, aber es ist notwendig, um Kundenwünschen gerecht zu werden.“ Für andere liegt aber genau da der Weg zum Erfolg. So hat sich AOC Genusscréateure auf Wein- und Genussreisen spezialisiert. Geschäftsführer Peter Gallhofer: „Man muss sich vom Mainstream absetzen. Katalogreisen verkaufen kann jeder.“ In der Nische hingegen braucht es Know-how und Kontakte, so Gallhofer: „Nicht jeder kann bei Weingütern in Frankreich einfach anklopfen und eine Touristengruppe einschleusen.“ Weniger elitär, aber ebenso eine Nische sind Busreisen. Bei Franziska Steiner vom Reisebüro Mayer am Semmering entfallen drei Viertel der verkauften Reisen auf die rund 26 eigenen Busreisen, die man jährlich im Programm hat. Dafür mitentscheidend so Steiner: „Busreisen werden nicht so häufig im Internet angeboten.“ Apropos: Was ist mit der OnlineKonkurrenz? „Kein Reisebüro wird künftig ohne Online erfolgreich sein“, so Gordon, schränkt aber ein: „Individuellen Kundenwünschen kann das Internet aber nicht gerecht werden.“ Und auf die kommt es im Urlaub eben auch oft an. GEWINN 4/13


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