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IT & INNOVATIONEN Open Data
Gratisdaten als Geschäftsmodell für Apps wertungen à la Big Data“, betont Brigitte Lutz, Koordinatorin des OpenGovernment-Kompetenzzentrums der Stadt Wien.
Daten aus der Privatwirtschaft
Open Data sind kostenlose, kommerziell verwendbare Daten aus Verwaltung und Privatwirtschaft – und damit eine gute Basis für digitales Business. VON STEFAN TESCH
„Ö
sterreich ist zwar im internationalen Vergleich ein kleiner Player, jedoch bestechen wir durch eine hohe Datenqualität“, urteilt Johann Höchtl vom Zentrum für E-Governance an der Donau-Uni Krems. Die öffentliche Hand stellt hierzulande Daten unter data.gv.at zur Verfügung. Unter rund 1.600 Datensätzen aus Gemeinden, Bund und Ländern findet man zum Beispiel tagesaktuelle, österreichweite Ozonwerte vom Umweltbundesamt, Pegelstände von Flüssen, Flächenwidmungspläne, Points of Interests in Städten (öffentliche Bauwerke, Verkehr, Gewässer etc.), Straßenverzeichnisse von Gemeinden, Sportplätzen, Orthofotos, Schul- sowie Schwimmbadverzeichnisse. Das föderale Österreich spürt man hier stark, denn bundesweite Daten sind Mangelware – der Großteil rangiert auf Gemeinde- und Landesebene. „Je kleiner der örtliche Bezug, desto ir132
Das österreichische Non-GovernmentPendant ist opendataportal.at, wo mehr als 300 Datensätze aus Wirtschaft, Kultur, Forschung, Zivilgesellschaft und von NGOs zum kostenlosen Download bereit stehen. Seit Sommer vergangenen Jahres haben Die Web-App rund 20 Organisationen simpleOZON greift auf die aktuellen dort Daten hochgeladen, Ozonwerte des unter anderem die LotteUmweltbundesrien, aber auch die Brau amtes zu und visualisiert sie farUnion publiziert ihre Standbig auf einer Karte orte, die Wirtschaftsuni Wien Lehrveranstaltungen, der NEOS-Parlamentsklub seine Einnahmen und Ausgaben.
relevanter“, resümiert Höchtl. Gleichzeitig verweist die Plattform auf Apps und Anwendungen, die offene Daten verwenden. Darunter etwa Luftgüteund Pegelstand-Apps, Routenplaner und Stadtpläne mit Points of Interests der Gemeinden. Aber auch witzige Projekte sind dort zu finden, wie etwa ein Verzeichnis über Obstbäume im Stadtgebiet auf Basis des Baumkatasters der Stadt Wien oder ein Tool zum BabynamenFinden. Stark vertreten sind Öffi-Apps für die Wiener Linien. „Auch wenn der kommerzielle Nutzen nicht immer auf der Hand liegt, so sind Open Data ein Fundament für Verknüpfungen und Aus-
Früchte für Unternehmen Warum sollten Unternehmen Daten überhaupt veröffentlichen? „Daten preiszugeben schafft nicht nur Vertrauen und Transparenz, sondern kann für Unternehmen als Chance genützt werden, über Interoperabilität und Datenmanagement nachzudenken“, meint Martin Kaltenböck, Geschäftsführer der Semantic Web Company und Mitglied im European Data Forum. Vorhandene Daten wie etwa Filialnetze und Öffnungszeiten als Open
Zoomsquare ergänzt Immobilienanzeigen mit detaillierten Infos zu umliegenden Parks, Schulen und Öffis GEWINN 4/15
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Data zur Verfügung zu stellen, bezeichnet Kaltenböck als „Low Hanging Fruits“. Denn sie können in Routenplaner-Apps implementiert werden und machen damit das eigene Unternehmen sichtbarer. Angenehmer Nebeneffekt: Fehler in den eigenen Daten können von Dritten aufgezeigt werden.
Open-DataPlattformen
„D
aten sind der Nährboden für die IT-Wirtschaft. Ein niedrigschwelliger Zugang fördert Innovationen“, skizziert Dieter Zoubek, Leiter des Arbeitskreises Open Data in der WKO. Bei Open Data, deren Freigabe auf Freiwilligkeit basiert, unterscheidet man zwischen öffentlich zugänglichen Daten von staatlichen Akteuren (Open Government Data) und jenen aus der Privatwirtschaft. Ihre Charakteristika: nicht personenbezogen, maschinenlesbar und von jedermann frei verwendbar. So kann man sie für kommerzielle Apps oder Web-Anwendungen heranziehen. Die Creative Commons Lizenz (CC-BY AT 3.0) verlangt lediglich Namensnennung der Datenquelle. Hier einige Beispiele für Plattformen, auf denen Sie offene Daten erhalten: ● data.gv.at: 1.561 Datensätze von Bund, Ländern, Gemeinden und Behörden ● opendataportal.at: 323 Datensätze aus Privatwirtschaft und Politik ● open-data.europa.eu: 8.128 Datensätze aus Teilbereichen und Organisationen in der EU, z. B. Landwirtschaft, Energie, Geodaten ● govdata.de: 13.200 Datensätze aus Bund, Ländern und Verwaltung Deutschlands ● offenedaten.de: 597 Datensätze aus der Privatwirtschaft Deutschlands ● ukdataservice.ac.uk: 6.000 Datensätze aus Regierung und Forschung in Großbritannien ● data.gov: 124.000 Datensätze von der US-Regierung
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Johann Höchtl vom Zentrum für E-Governance an der Donau-Uni Krems: „Die Qualität der offenen Daten in Österreich ist hoch, auch wenn das Angebot noch klein ist.“
Foto: Donau Universität Krems
IT & INNOVATIONEN Open Data
Derzeit herrscht noch Wildwuchs bei den Formaten der offenen Daten (z. B. csc, ods, html, xml, shp . . .). Um Open Data sinnvoll einzusetzen, bedarf es Know-how in den Bereichen Statistik-Programmierung, Visualisierung und App-Architektur. Hilfestellungen zur Datenverarbeitung findet man häufig auf den Open-Data-Plattformen.
Datenmix als Geschäftsmodell Offene Daten gewinnbringend einzusetzen, ist derzeit noch eine Herausforderung. Open Data ergeben auf den ersten Blick nämlich keinen Sinn, aber ihr Potenzial liegt in der Verknüpfung. „Die Verbindung aus Open Data und eigenen bzw. kommerziellen Daten ist der Clou zum Business-Case“, bringt es Kaltenböck auf den Punkt. Wie das in der Praxis funktioniert, zeigt die App Lexio Mobil. Sie kombiniert Kartenmaterial von Google Maps mit dem Flächenwidmungsplan aus den offenen Daten der Stadt Wien und bietet zusätzlich kostenpflichtige Grundbuchauszüge an. Obwohl es Flächenwidmungspläne auch für andere Bundesländer gibt, hapert es am Datenimport. Man müsse für jeden Datensatz eine neue Schnittstelle programmieren, heißt es von IMD, dem Betreiber von Lexio Mobil, der gleichzeitig Zugangsprovider für Datenbanken der Republik Österreich ist. Aus Open Data ein Geschäftsmodell zu kreieren, versucht auch die Immobiliensuchmaschine Zoomsquare. Das Wiener Start-up bündelt die Anzeigen von 400 Immobilienplattformen, kombiniert sie mit georeferenzierten offenen Daten in Städten und präsentiert die Ergebnisse auf dem freien Kartendienst OpenStreetMap. Auf Basis semantischer Hinweise im Text (z. B.
„Nähe Mariahilfer Straße, Kindergarten im Haus“) wird so der in Anzeigen meist verschleierte Objektstandort exakt ermittelt. Auch die Objektsuche lässt sich durch detaillierte Umgebungsinfos verfeinern – zum Beispiel wie weit die Öffis oder Parks entfernt sind. „Derzeit sind wir auf der Suche nach einem funktionierenden Geschäftsmodell, heißt es vom Marketing-Chef Bernhard Holzer. Man will kombinierte Marktdaten auf Angebot- und Nachfrageseite etwa an Bauträger oder Immobilienentwickler verkaufen. Eine ähnliche Strategie verfolgt Checkmyplace.com. Der Dienst verschneidet unter anderem städtische Open Data (z. B. Infrastruktur, Luftgüte) mit einem von Kundenseite ausgefüllten Fragebogen bei der Immobilienbesichtigung. Eine ausführliche Standortanalyse kostet 18 Euro pro Abfrage. Der derzeitigen Euphorie über offene Daten ist allerdings entgegenzusetzen, dass Daten freizugeben ein irreversibler Schritt ist. Auch wenn man sie von einer Plattform später wieder entfernt, können sie bis dahin User bereits völlig legal kopiert haben.
Lexio Mobil bietet Grundbuchauszüge über die Kartenoberfläche von Google Maps. Flächenwidmungspläne stammen aus den offenen Daten
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