2015 Solidarische Landwirtschaft

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BERUF & ERFOLG SOLIDARISCHE LANDWIRTSCHAFT

Mein Anteil am Bauernhof

Foto: Hawaruhof

In solidarischer Landwirtschaft und Foodcoops rücken Produzenten und Konsumenten näher zusammen, um dem Supermarkt die kalte Schulter zu zeigen. Bauern profitieren von Abnahmegarantien, Kunden von Transparenz und Qualität. Der Hawaruhof im niederösterreichischen Kirchberg am Wagram ist keine gewöhnliche, sondern eine solidarische Landwirtschaft

VON STEFAN TESCH

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udolf Hoheneder ist kein gewöhnlicher Gemüsebauer. Seinen Hawaruhof im niederösterreichischen Kirchberg am Wagram führt er nämlich in Form einer solidarischen Landwirtschaft, auch als CSA (Community Supported Agriculture) bekannt. Wenn er im Winter den Anbauplan für die bevorstehende Saison erstellt, weiß er schon fix, dass er die gesamte Ernte an den Mann bringen wird. Bei so einer solidarischen Landwirtschaft erwerben die Mitglieder bereits im Voraus – üblicherweise für ein Jahr – Anteile an der Ernte. Der Bauer genießt somit finanzielle Sicherheit, da er die Ernte über jene Ernteanteile vorfinanziert bekommt und sie nicht auf dem freien Markt anbieten muss. Im Gegenzug dazu haben die Mitglieder Mitspracherecht bei der Bestellung der Felder und bekommen üblicherweise einmal pro Woche eine Kiste Gemüse. Am Hawaruhof gibt es Anteile zu monatlich 90 Euro (Normaltarif, eine Gemüsekiste pro Woche), 150 Euro (Familienanteil) sowie 50 Euro (Winteranteil für den Gemüsebezug von November bis April). An Hoheneders Hof halten heuer rund 25 Personen 20 Anteile. Nebenbei betreibt der Bauer noch Saatgutvermehrung, denn damit seine solidarische Landwirtschaft rentabel

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ist, strebt er 30 Anteile an. Fehlen also nur noch zehn. Direkter Kontakt zum Kunden Wer Ernteanteile hält, bekommt wöchentlich eine Ration Gemüse. Entweder kommen die Abnehmer direkt zum Hof oder an die Verteilstelle in Krems, wo Hoheneder jeden Freitag auf einem Parkplatz die Ernte zur Abholung bereitstellt. Wie viel jedem zusteht, beruht auf dem Prinzip der Fairness. „Streitereien gibt es keine. Wenn eine Sorte knapp ist, dann sage ich das einfach dazu“, fügt Hoheneder hinzu. Generell sei der Kontakt zu und zwischen den Mitgliedern äußerst gut und es gehe freundschaftlich zu. Bei regelmäßigen Treffen am Hof wird über neue Sorten abgestimmt sowie die nächste Saison geplant. „Viele kommen sogar und helfen freiwillig bei Arbeiten am Hof“, freut sich Hoheneder. Genau dies war vor zwei Jahren unter anderem jener Grund, warum er seinen Hof heute so führt. „Ich wollte den direkten Kontakt zu meinen Abnehmern und nicht für einen anonymen Markt produzieren“, schildert der Bio-Bauer, dem 1,5 Hektar genügen, um mit seiner Frau davon zu leben. „Würde ich für den Markt produzieren, müsste ich rund 50 bis 100 Hektar bewirtschaften, damit es wirtschaftlich wäre.“ TOP

Ein weiterer Vorteil solidarischer Landwirtschaft ist die Flexibilität und die Vielfalt beim Anbau. Hoheneder sieht seinen Hof als biologische Spielwiese, um ausgefallene Sorten wieder zum Leben zu erwecken. „Der Lebensmitteleinzelhandel beschneidet die Vielfalt massiv“, erklärt er, denn Ausgefallenes sei auf dem Markt nur schwer abzusetzen. Im Supermarkt fehle es an einem Sortiment an unterschiedlichen Kohlgemüsen. Am Hawaruhof gedeihen immer einige Klassiker wie etwa Karotten und Erdäpfel, dazu kommen Wünsche der Mitglieder. „Zusätzlich biete ich meinen Abnehmern immer ein paar exklusive Sorten, etwa asiatische Salate, Tomatillos oder Mairüben“, so Hoheneder. Angela Fünk, die einen Anteil am Hawaruhof hält, erzählt, warum sie lieber direkt vom Hof als im Supermarkt kauft: „Wir wissen genau, wo das Gemüse herkommt, dass es frisch ist und bei der Produktion niemand ausgebeutet wird.“ Ab und zu hilft sie sogar selbst am Feld mit, um ihrem Kind die Herkunft des Gemüses vor Augen zu führen. Anders als bei der Produktion für den freien Markt kann man bei dieser Form der Landwirtschaft auf saisonale Besonderheiten reagieren. „Heuer war das heiße Wetter besonders gut für Paprika“, so Hoheneder. Etwaige Ernteausfälle tragen die Mitglieder, jedoch kommt es in der Praxis nie November 2015


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BERUF & ERFOLG

zum Totalausfall. Missernten einzelner Sorten können im Laufe der Saison kompensiert werden. Keine Überproduktion In größeren Dimensionen geht es am Biohof Radl am Stadtrand von Wien zu. An Manfred Radls Betrieb halten 100 Mitglieder Ernteanteile zwischen 460 Euro pro Jahr (Vollmitgliedschaft mit 24 Portionen) und 240 Euro (zwölf Portionen). Ursprünglich hat der Bauer mit der Vermietung von Selbsternteparzellen begonnen, doch dann hat er erkannt, dass

Großstädter meist wenig Zeit fürs Garteln haben, aber trotzdem frisches Gemüse abseits des Supermarktes wollen. Vor zwei Jahren hat er die solidarische Landwirtschaft auf seinem Hof als Ergänzung ins Leben gerufen und lieben gelernt: „Durch die Vorfinanzierung und die Kalkulierbarkeit der Anbaumenge produziere ich keinen Überschuss“, schildert Radl. Aufgrund der relativ großen Anzahl an Mitgliedern sind Wünsche nur im kleinen Rahmen möglich, den Großteil baut Radl nach eigenem Ermessen an. „Ich habe die

Idee der solidarischen Landwirtschaft in diesem Punkt ein wenig abgewandelt und gehe mehr in Richtung Dienstleister für Kunden aus der Stadt.“ Damit sein System allerdings Gewinn abwirft, muss er die Mitgliederzahl verdoppeln. Nächstes Jahr möchte er das erreichen, denn „die Nachfrage ist momentan sehr groß“. TIPP: Derzeit gibt es in Österreich rund 23 Vereine und Betriebe, die solidarische Landwirtschaft betreiben. Eine Übersicht finden Sie auf der Plattform www.ernährungssouveränität.at

Foodcoops: Einkaufen abseits des Supermarktes Foodcoops sind Vereine, die selbstorganisiert Produkte direkt von lokalen Produzenten beziehen. Was vor einigen Jahren hierzulande Fuß gefasst hat, erlebt derzeit großen Zustrom.

Foto: Barbara Ambrosz

Vorratskammer – der Name dieser Foodcoop ist passend gewählt. Das Sortiment kommt von 15 Lieferanten

In Österreich gibt es rund 50 Foodcoops, die meisten in Wien

Foto: Vorratskammer

Derzeit bezieht die Vorratskammer ihr Sortiment von rund 15 Lieferanten. Neben bäuerlichen Produkten findet sich aber auch Exotisches im Regal: Kaffee und Reismilch. „Die kaufen wir von darauf spezialisierten Kooperativen, die faire Produktionsbedingungen garantieren“, so Gansterer. Foodcoop strebt weder nach Gewinn noch nach besonders niedrigen Einkaufspreisen, denn die Preise werden 1:1 beim Verkauf an die Mitglieder weitergegeben. „Manche Produkte sind etwas billiger, manche etwas teurer als im Supermarkt“, schildert Gansterer. Ähnlich wie bei der solidarischen Landwirtschaft bestimmt der ermittelte Bedarf die tatsächliche Einkaufsmenge. Mitglieder können wöchentlich ihre Bestellungen über ein Online-System abgeben. Die daraus errechneten Mengen bestellt dann ein sich abwechselndes Team direkt bei den Lieferanten. Im Lagerraum nimmt sich jeder das, was er bestellt hat, und bezahlt über ein virtuelles Guthabenkonto. Die Miete für den Lagerraum wird über den monatlichen Mitgliedsbeitrag von wenigen Euro abgegolten.

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ine solche Foodcoop (auch Lebensmittelkooperative genannt) ist die „Vorratskammer“ im Vierten Wiener Bezirk. Im kleinen Lagerraum dieses Vereins türmen sich Gemüse, Brot, Obstsäfte, Getreide und Linsen – ganz wie in einem kleinen Bauernladen. Begonnen hat alles vor zwei Jahren, als eine Gruppe von zehn Personen nach lokalen Produzenten für Lebensmittel des täglichen Lebens Ausschau gehalten hat. „Uns ist wichtig, kleine Produzenten zu unterstützen, und wir pflegen direkten Kontakt zu ihnen“, schildert Patrick Gansterer, eines der mittlerweile 60 Mitglieder. Somit kommt der Großteil der Produkte von kleinen Bio-Bauern in der nahen Umgebung Wiens. Regelmäßig organisiert die Foodcoop Ausflüge zu ihnen, um sich von den Bedingungen vor Ort zu überzeugen. Dabei sind ihnen der faire Umgang mit Mitarbeitern und die biologische sowie nachhaltige Landwirtschaft besonders wichtig.

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Regionales Einkaufen als Zukunftsmodell In Österreich gibt es rund 50 solcher Foodcoops, die meisten in Wien. Produzenten sowie Konsumenten profitieren davon auf unterschiedliche Weise. „Man weiß, dass der Preis zu 100 Prozent beim Bauern ankommt“, erklärt Dominik Dax, Berater bei „Appetit auf Zukunft“, einem Projekt des Landes Oberösterreich zur Förderung des regionalen Einkaufens. Andererseits sind Foodcoops für Produzenten eine Vermarktungsalternative, die damit weniger den Preisschwankungen auf dem Markt unterworfen sind. „Konsumenten wollen immer häufiger wissen, wer hinter einem Produkt steht, woher es kommt und wie es produziert wird“, so Dax. Es ist ein Gegentrend zum anonymen industriellen Angebot im Supermarkt. Angenehmer Nebeneffekt: Durch das Einkaufen in großen Mengen wird, im Gegensatz zum Einzelhandel, viel Verpackungsmaterial eingespart. TIPP: Eine Übersicht an Foodcoops finden Sie unter www.foodcoops.at. Für die meisten existieren bereits lange Wartelisten. 53


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