2015 Startup

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TITELGESCHICHTE

START-UP-BOOM: Mehr als 100 Neugründungen pro Tag

So machen auch Sie sich selbständig

Mehr als 100 Unternehmen werden pro Tag in Österreich neu gestartet. GEWINN präsentiert stellvertretend für diese zehn Jungunternehmer, die den Sprung in die Selbständigkeit gewagt haben, und zeigt wie man aus Stolpersteinen Bausteine für eine erfolgreiche Gründung macht. VON FRIEDRICH RUHM, STEFAN TESCH, FERDINAND WALDSTEIN UND THOMAS WILHELM

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Armin Strbac und Katharina Klausberger hatten mit finderly eine gute und mit der Flohmarkt-App shpock eine bessere Idee

Fotos: Peter Schmidt, Olivier Le Moal – Thinkstock.com; Bildbearbeitung: GEWINN

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ie einen wollten immer selbständig sein, die anderen waren arbeitslos oder hatten eine Idee, die sie nicht mehr losließ. Die Wege, die Menschen in die Selbständigkeit führen, sind höchst unterschiedlich und nicht immer hat es beim ersten Anlauf geklappt. Eine frische Idee, Qualität, Hartnäckigkeit und der Glaube an sich selbst erweisen sich aber stets als Mittel zum Erfolg.

Achterbahn als Normalzustand Eine gute Idee hatten Katharina Klausberger und Armin Strbac (beide 33) 2011 mit finderly.com, einem InternetPortal für Elektronikempfehlungen. Das kam nicht nur bei Usern gut an, sondern auch bei Business Angels. Mit Hansi Hansmann und Speedinvest stiegen gleich zwei Granden dieser Szene ein. Zwei Dinge stellten sich aber dann heraus: Eine mobile Lösung fehlt und die User suchen immer mehr nach gebrauchten Geräten. In einem Workshop 2012 entstand die Idee zu shpock (für SHop in your POCKet), einer Flohmarkt-App, die Mitbewerber wie willhaben.at oder ebay zu diesem Zeitpunkt nicht hatten. Anders als bei finderly wurde bei shpock das Produkt rasch und mit wenigen Features gelauncht. Strbac. „Bei finderly waren wir überzeugt, dass wir wissen, was die User alles brauchen, und hatten 1.000 Features ausdefiniert, GEWINN 4/15

Foto: BioVeganVersand

Foto: Pepo Schuster, austrofocus.at,

TITELGESCHICHTE

Weil Herbert und Mäggi Kokta (Bild Mitte) nirgends vegane Bio-Lebensmittel fanden, haben sie selbst einen Online-Versand gegründet

von denen nur eine Handvoll wirklich Wissen, wo die Kunden sind genutzt wurde. Bei shpock haben wir Als sich Mäggi und Herbert Kokta (53) es umgekehrt gemacht. Mit wenigen selbständig machten, trieb sie die Not. Features gestartet und uns zeigen lassen, Die Not, an vegane Bio-Lebensmittel was die User wirklich brauchen.“ Der zu kommen. „Vegane Lebensmittel in Erfolg gab shpock recht – bereits am Bio-Qualität zu bekommen, war exersten Tag wurde eine Kamera verkauft, trem schwierig“, schildert Mäggi Kokta. nach einer Woche waren über 500 Pro- Und weil aus der Not oft eine Tugend dukte eingestellt –, zwang aber zu einer und manchmal ein Unternehmen wird, Entscheidung. Klausberger: „Irgend- gründeten sie 2013 selbst einen Onwann war klar, wir können nicht beides line-Versandhandel. Als provisorisches gut machen. Fokus ist wichtig bei der Lager diente in den ersten drei Monaten Umsetzung einer Idee.“ der Keller des Nachbarn. Und was haben die Investoren geProbleme, an Lieferanten heransagt? Klausberger: „Wir sind das pro- zukommen, gab es nicht, denn beide aktiv angegangen und haben sie über- Gründer brachten Know-how aus der zeugt, weil sie an uns als Team glauben.“ Vermarktung von Bio-Produkten mit. Strbac: „So etwas ist für Business Angels Zuvor hatten sie für den Adamah Biodurchaus normal, weil sie weniger in Hof gearbeitet. die Idee als in Menschen investieren. Das Sortiment von heute rund 700 Hansmann sagt: Ideen können sich än- Produkten war also nicht die Frage. dern, aber wenn ich ein gutes Team ha- Vielmehr, wie man von Stadtschlaining be, wird was Gutes daraus.“ im Südburgenland aus potenzielle KunDamit hat er recht: Mittlerweile den erreicht. Dabei setzten die Koktas hat shpock (shpock.com) acht Millio- ganz auf Social Media, vor allem auf nen User und gelistete Produkte im facebook, wo das BioVegan-VersandWert von über einer Milliarde Euro. Team (bioveganversand.at) mittlerweiVerdient wird nicht an der Vermittlung, le 4.500 Fans zählt. Mäggi Kokta: „Vesondern an Zusatzservices wie Premi- ganer sind überdurchschnittlich Socialumplatzierungen und mit Werbung – Media-affin.“ Kundenkommunikation wie viel, will man nicht verraten, dafür „auf Augenhöhe“ und auch das gute alte aber noch einen Tipp abgeben. Klaus- Telefon ersparen ein Geschäftslokal in berger: „Gründen ist wie eine Achter- Frequenzlage. Das bestätigt auch der bahnfahrt mit andauernden Hochs und Umsatz: 25.000 Euro brutto waren es Tiefs. Damit muss man sich abfinden im ersten Jahr, im zweiten bereits und das als Normalität ansehen.“ 160.000. 21


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Sabrina Gries hat sich trotz Hauptberuf als Notärztin und Kindern mit dem Sportgetränk „purSport“ ihren Jugendtraum erfüllt

Gründer müssen sportlich sein Wer glaubt, Mutter sein und Gründen geht nicht zusammen, der sollte sich Sabrina Gries (32) als Vorbild nehmen. Denn die Steirerin hat nicht nur zwei Kinder im Alter von vier und sechs Jahren, sie ist auch noch Notärztin. Trotzdem hat sie 2012 die Dr. Gries Getränke GmbH gegründet, um „purSport“, ein rein biologisches isotonisches Sportgetränk, zu entwickeln. Die Entscheidung traf sie, als sie beim Fruchtsafthersteller Grünewald in Stainz etwas abholen wollte, die Idee hatte sie schon lange. Gries: „Schon als Jugendliche hat mich fasziniert, dass Getränke auch eine spezielle Funktion erfüllen können. Ich habe mich aber immer gefragt, warum diese nie natürlichen Ursprungs sind.“ Grünewald war von der Idee so angetan, dass er Gries sein Labor für die ersten Versuche zur Verfügung stellte. Mittlerweile ist

purSport in heimischen Bio-Läden und Fitness-Centern oder via Direktbestellung auf pursport.at erhältlich, heuer kommen Märkte in Deutschland, Kroatien und Slowenien dazu. Um das zu schaffen, müsse man sportlich sein, dürfe sich aber nicht verbiegen, so Gries, die „aufgrund unterschiedlicher Konditionsvorstellungen“ auf eine Listung bei REWE und SPAR verzichtete. Trotzdem will sie heuer den Umsatz von 2014 (etwa 45.000 Euro) verdoppeln. Zeit für die Kinder bleibt trotzdem, dafür sorgt die Unterstützung durch ihren Freund, selbst Notarzt und Weinbauer, und ihre Eltern. Gries: „Sonst würde das alles nicht funktionieren.“

Geht nicht – nicht akzeptieren Einer, der, wie es in Österreich oft passiert, zuerst ins Ausland musste, um in der Heimat berühmt zu werden, ist Peter Lindmoser (46), Mitgründer von Es-

1. Der Mut zum entscheidenden Schritt

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ber 100.000 Österreicher und Österreicherinnen, die sich in den letzten drei Jahren selbständig gemacht haben, können ja wohl nicht falsch liegen? Alleine 2014 waren es 37.120 Neugründungen. Eine schöne Zahl, die man kritisch betrachtet jedoch filetieren muss. Rechnet man die selb-

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ständigen Personenbetreuer raus, bleiben 28.490 echte Gründungen. Darunter finden sich auch Projektgesellschaften und Tochterfirmen, ihr Anteil liegt aber jedenfalls unter 20 Prozent, denn 80,2 der echten Neugründungen sind als Einzelunternehmen erfolgt (GmbH: 14,7%, KG: 2,2%, OG: 2,1%,

Bevor die Gründer von Espressomobil ihren fahrenden Kaffeeverkauf starten konnten, war noch ein Rechtsstreit mit der Wirtschaftskammer zu überwinden

Foto: Espressomobil OG

Foto: www.bigshot.at/Christian Jungwirth

TITELGESCHICHTE Start-up!

pressomobil. Ausgerechnet auf dem Hamburger Fischmarkt kam ihm vor drei Jahren die Idee, Kaffee, Kakao, Tee und süße Snacks von fahrbaren Untersätzen aus zu verkaufen. Bevor er jedoch seine umgebauten Piaggio-Dreiräder wirklich starten konnte, musste er nach einer Anzeige wegen einer fehlenden Gastro-Konzession noch einen Rechtsstreit mit der Wirtschaftskammer verdauen. Lindmoser: „Es ging darum, ob der mobile Kaffeeverkauf auf der Gasse als Handelsgewerbe durchgeht.“ Lindmoser trank viel Kaffee, blieb hartnäckig und hat es geschafft. Heute sind elf seiner mobilen Mini-Kaffeehäuser vor allem in Wien, aber auch in Graz, Linz und bei Events unterwegs. Lindmoser: „Es dauert rund ein Jahr, bis ein Standort gut entwickelt ist. Pro Tag kommen zirka ein bis zwei neue Kunden dazu“, so Lindmoser. Dabei muss er mit Qualität überzeugen, um

Sonstige: 0,8%). Die meisten „Kollegen“ findet man als Gründer im Gewerbe und Handwerk (41,1%), dahinter folgen Handel (25,9%), Information und Consulting (18,4%). Das ideale Alter zum Gründen ist 37,4 Jahre (Schnitt 2014) und Gründen wird immer weiblicher. 43,5 Prozent Gründerinnen sind ein neuer Rekord (mit den Personenbetreuern wären es sogar 58,4%). GEWINN 4/15


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Stefan Rosenkranz und Mario Fallast (re.) haben aus smaXtec trotz erster Insolvenz ein erfolgreiches Hightech-Start-up gemacht

gegen das Coffe-to-go-Angebot zu punkten. Das macht er mit 100-Prozent unbehandeltem Quellwasser, hochwertigsten Bohnen und einem im Kaffeebrühen geschulten Personal. 2014 erwirtschaftete Espressomobil (espressomobil.at) einen Umsatz von rund 700.000 Euro netto. Heuer möchte Lindmoser die Millionenmarke knakken.

Insolvenz? Egal, weitermachen! Das beste Produkt reicht aber nicht immer. Das passierte den beiden Gründern von smaXtec Animal Care aus Graz, Mario Fallast und Stefan Rosenkranz (beide 36). Der eine Wirtschaftsingenieur, der andere Medizintechniker, entwickelten die beiden ein Messsystem zur Früherkennung der sogenannten Pansenübersäuerung bei Kühen. 2006 entstand die Idee, 2007 der erste Prototyp und 2009 konnten die

Foto: Hermann Wakolbinger

Foto: www.bigshot.at/Christian Jungwirth

TITELGESCHICHTE Start-up!

Karl Mayer war arbeitslos, bevor er sich als „Der Keimlingsbäcker“ selbständig machte, heute beschäftigt er sieben Mitarbeiter

beiden gründen. Trotz erster Erfolge und zahlreicher Auszeichnungen mussten sie 2013 Insolvenz anmelden. Fallast: „Wir hatten die Vorlaufzeit unterschätzt. Der Aufbau von Unternehmen und Markt braucht Geld, parallel zur Produktentwicklung muss daher auch immer die Finanzierung passen.“ Gut, dass ihr Steuerberater, der die beiden seit Anfang begleitet hatte, an sie glaubte und eine Investorengruppe aufstellte. Fallast: „Das Consulting Team Graz hat in ein vielversprechendes junges Hightech-Start-up investiert.“ Und gut daran getan. Heute ist die Insolvenz „kein Thema mehr“, so Fallast. Stattdessen plant smaXtec mit einem Umsatz von 1,1 Millionen Euro und expandiert in Kanada und in den USA.

Ohne Job zum Gründer geworden Bis 2002 war der Oberösterreicher und gelernte Bäcker Karl Mayer (50) Pro-

2. Gründen – besser mit Starthilfe

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er ein Unternehmen gründen will, braucht zunächst vor allem eines: Information. Beste Anlaufstelle für alle Fragen rund um das Thema Unternehmensgründung ist das Gründerservice der Wirtschaftskammer Österreich. „Die Gründungsberatung ist in allen Bundesländern kostenlos“, nennt ElisaGEWINN 4/15

beth Zehetner, Geschäftsführerin des Gründerservice, gleich einen wichtigen Punkt. Mit 90 Standorten österreichweit ist das Gründerservice für jeden da. Zum Angebot gehören neben der Beratung zum Businessplan, zur Finanzierung und zu möglichen Förderungen auch

duktionsleiter einer Bäckerei in Passau, danach im Außendienst einer Firma, die gekeimte Getreidekörner verkaufte. Das Geschäft lief mehr schlecht als recht und Mayer verlor seinen Job. Die Idee, Brot mit Keimlingen statt Mehl zu backen, ließ ihn aber nicht los. Also kratzte der vierfache Familienvater all seine Ersparnisse zusammen, insgesamt rund 250.000 Euro, konstruierte eine eigene Keimanlage und richtete sich in seinem Heimatort Schardenberg eine Bäckerei ein. Sieben Monate verbrachte er dort ohne Einkommen, bis sein Bio Dinkelkeimbrot fertig war. 2009 gründete „Der Keimlingsbäcker“ seine Firma. Seine Abnehmer sind Reformhäuser und Bioläden, 75 Prozent der Bestellungen kommen online. Für die nötige Neugier von Konsumenten sorgen diverse Preise und der Trend zu glutenfreier und veganer Ernährung. Mittlerweile beschäftigt Mayer sieben Mitarbeiter, 2014 betrug

Workshops und laufende Veranstaltungen. „Egal ob Gewerberecht, Sozialversicherung oder Steuern – von der ersten Idee bis zur Geschäftseröffnung unterstützen unsere Experten bei der Unternehmensgründung“, so Zehetner. Wer will, kann im One-Stop-Shop Gründerservice sein Gewerbe auch unkompliziert elektronisch anmelden. TIPP: gruenderservice.at

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TITELGESCHICHTE Start-up!

3. Erfolg ist planbar

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as Allerwichtigste auf dem Weg zum erfolgreichen Unternehmen ist ein Businessplan. Dieser dient nicht nur als Handlungsleitfaden, sondern ist auch „die“ Unterlage, will man mit Banken, Förderstellen oder Investoren ins Gespräch kommen. Idealerweise sollte ein Businessplan nicht mehr als 35 Seiten umfassen, auf denen neben der Idee, dem

Unternehmen, dem Markt und einem Marketing-Konzept mit Chancen und Risken vor allem der Finanzbedarf sowie eine Planrechnung mit Szenarien zu Umsatz und Gewinn enthalten sind. Zusammengefasst wird alles in einer Executive Summary auf ein bis zwei Seiten. Umsatz und Gewinn sagen jedoch nichts über die notwendige Liquidität aus, warnt Achim Hartmann, Leiter des BusinessPlanner & Consulting Teams

der Bank Austria: „Mir nutzen keine vollen Auftragsbücher und eine super Idee, wenn ich keine Liquidität habe.“ Dazu reicht es, „dass ein Kunde nicht gleich zahlt, der Lieferant aber nur gegen Sofort-Kasse liefert“, so Hartmann. Das Gründerservice stellt eine kostenlose Software („Plan4You Easy“) und den Businessplan von Runtastic als Vorlage zur Verfügung. TIPP: gruenderservice.at/Businessplan

ein Mrs.-Sporty-Klub in Österreich aber rund 200.000 Euro. Achhorner liegt jedenfalls darüber: „Ich habe heuer die besten Zahlen aller 100 Klubs in Österreich.“

der Umsatz bereits 570.000 Euro. Und statt stempeln zu gehen, muss Mayer zubauen: „Die bestehende Produktion stößt an ihre Grenzen.“

Franchise statt neuer Job

Nachfolge statt von null

Foto: Andreas Fischer

Andrea Achhorner (35) war „Es war immer schon mein nach Jahren als Angestellte Ziel, eines Tages selbständig nach Veränderung zumute. zu sein“, sagt FriseurmeisteEnde 2009 meldete sie sich rin Barbara Messinger-Dwodeshalb bei einem Karriererak (41). Um wirklich gut auf portal im Internet an. „Ich eigenen Beinen stehen zu wollte nur den Job wechseln. können, wollte MessingerDen Plan, mich selbständig Dworak allerdings zuerst Erzu machen, hatte ich eigent- Andrea Achhorner (li.) wollte sich verändern, fand aber statt einem neu- fahrung sammeln. Viel Erlich nicht“, erzählt die Tiro- en Job über ein Karriereportal zu einer Karriere als Franchise-Nehmerin fahrung: 23 Jahre jobbte sie lerin. Als sie aber auf das als Angestellte, bevor sie Franchise-System Mrs. Sporty stieß, „Franchising war gut, weil alles vorbe- 2014 den Schritt zum Start-up wagte. war ihr Interesse geweckt. Achhorners reitet und die Marke schon da war.“ Und auch dabei ging sie auf Nummer Die Startinvestitionen blieben mit sicher. Statt selbst bei null anzufangen, Einstellung zur Selbständigkeit wandelte sich, je mehr sie über Mrs. Sporty insgesamt rund 45.000 Euro überschau- wollte sie ein Studio übernehmen, das erfuhr: „Ich dachte mir: warum eigent- bar. 2010 eröffnete sie ihren Klub in ei- einen Nachfolger sucht. Messingerlich nicht?“ Allerdings, so schränkt sie nem Bürohaus am Ortsrand von Kuf- Dworak: „Ich dachte mir, es wäre der ein, wäre ohne Franchising Selbstän- stein. Ihren genauen Umsatz will Ach- einfachere Weg, nicht nur ein Geschäftsdigkeit für sie nicht in Frage gekommen: horner nicht verraten, im Schnitt macht lokal, sondern auch den damit zusam-

4. Die rechte Form für das Unternehmen

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m einfachsten ist die Gründung eines Einzelunternehmens, da es keine Mindesteinlage gibt, bis 700.000 Euro Jahresumsatz muss keine Bilanz erstellt werden und der Eintrag ins Firmenbuch ist optional. Nachteil: Als Einzelunternehmer haftet man uneingeschränkt mit seinem Privatvermögen. Die GmbH basiert auf einem Gesellschaftsvertrag und kann mehrere Ge-

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sellschafter sowie Geschäftsführer beinhalten. Grundsätzlich muss die Stammeinlage mindestens 35.000 Euro betragen, wovon die Hälfte in bar einzuzahlen ist. Seit März 2014 gibt es jedoch das „Gründungsprivileg“ (statt der wieder gekippten „GmbH light“), wonach für die ersten zehn Jahre eine Stammeinlage von 10.000 Euro reicht – mindestens 5.000 Euro sind einzuzah-

len. Danach muss auf 35.000 aufgestockt werden. Gesellschafter einer GmbH haften nur für das Stammkapital, Gewinne werden mit 25 Prozent Körperschaftsteuer besteuert (mindestens 500 bzw. 1.000 Euro, auch bei Verlusten). Kaum genutzte Alternativen für zumindest zwei Gründer sind die Offene Gesellschaft (OG) und die Kommanditgesellschaft (KG). TIPP: rechtsform.wkoratgeber.at GEWINN 4/15


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TITELGESCHICHTE Start-up!

5. Kredite für Gründer

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bhängig von den Eigenmitteln verlangen Banken aktuell per annum den Drei-Monats-EURIBOR plus drei Prozent für einen Investitionskredit und plus vier Prozent für einen Betriebsmittelkredit als Effektivzins. Günstiger kommt ein ERPKleinkredit. Für 10.000 bis 30.000 Euro mit einer Laufzeit von sechs Jahren, davon ein Jahr tilgungsfrei, belaufen sich

die Zinsen p. a. auf 0,5 Prozent im ersten Jahr, danach sind es 0,75. Dieser muss entweder mit Haftungen durch das aws und/oder gebührenpflichtige Bankhaftungen abgesichert sein. Die Oberbank bietet unter gewissen Voraussetzungen einen Betriebsmittelkredit mit fünf Jahren Laufzeit und 80 Prozent Haftungsübernahme durch das aws um 1,2 Prozent p. a. an. In Wien bietet die Raiffeisen Kredite aus der „Grätzelmillion“ über

15.000 bis 150.000 Euro mit einer Laufzeit von fünf bis zehn Jahre zum DreiMonats-EURIBOR plus 1,25 Prozent als Alternative zu Förderungen an. Über den Mikrokredit des Sozialministeriums, der über die Erste Bank abgewickelt wird, können Einzelpersonen bis 12.500 Euro und Personengesellschaften bis 25.000 Euro mit einer Laufzeit von fünf Jahren zum Drei-Monats-EURIBOR plus drei Prozent bekommen.

Foto: Michael Hetzmannseder

Finanzierung und in den Inmenhängenden Kundenvestmentbereich.“ stock zu übernehmen.“ RichDen Kontakt nach Hautig gedacht. Über die Nachse pflegte er trotzdem, befolgebörse fand sie einen Frisonders als er Taufpate wurseursalon in Wien-Alserde. Mit seinem Täufling teilt grund, dessen Vorbesitzer in er eine Nicht-Leidenschaft: Pension gegangen waren. Zähne putzen. Varga: „Ich Messinger-Dworak: „Ich hahabe das auch nie gerne gebe 30.000 Euro Ablöse bemacht und bei ihm war es zahlt und weitere 120.000 ein echtes Problem.“ Als er Euro in die Renovierung des sieht, wie die Mutter verSalons gesteckt.“ Für die Absucht, den Kleinen mit youlöse nahm sie eine WKOTube-Videos vor dem BadeFörderung und für die Rezimmer-Spiegel zu fesseln, novierung einen günstigen kommt Varga, der sich so neaws-Kredit in Anspruch. Am 1. Jänner 2015 eröffnete sie. Barbara Messinger-Dworak wollte auf Nummer sicher gehen und über- benbei auch noch selbst Pronahm als Nachfolgerin einen bestehenden Friseurbetrieb grammieren beigebracht Derzeit steht sie alleine im hatte, die Idee: „Wenn die Geschäft und erwirtschaftet rund 5.000 Euro Umsatz im Monat, ist in Tech-Entrepreneurship und kam Dinge nur am Screen passieren, wenn aber guten Mutes, ihren Finanzplan schon dabei viel in der Weltgeschichte er putzt, könnte man ihn dazu bringen, einhalten zu können. Messinger-Dwo- herum. Dazu kamen dann noch Jobs besser zu putzen.“ Zwei Freunde, Matrak: „Friseure werden nie aussterben.“ in Deutschland und in Indien, bis es thäus Ittner (28) in Wien, und Tolulupe ihn nach London verschlug. Varga: Ogunsina (25), gebürtiger Nigerianer, Born global, warum nicht? „Über einen Professor bin ich in die in London fanden die Idee auch gut. Paul Varga (27) aus Wien studierte Bio- Start-up-Szene gekommen und über Varga: „Matthäus ist ein echter Hardtechnologie, absolvierte einen Master diese dann zum Thema Early-Stage- ware-Bastler und Tolulupe ein toller

6. Crowdfunding und Business Angels

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eit 2013 gibt es in Österreich Crowdfunding. Dabei beteiligen sich Privatpersonen mit kleinen Beträgen (ab 100 Euro) über eine InternetPlattform an einer Geschäftsidee und partizipieren dafür anteilsmäßig am Gewinn und an der Wertsteigerung des Unternehmens. Für das Funding definiert die Plattform gemeinsam mit dem Unternehmen eine Schwelle als Unter-

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grenze und ein Limit als Obergrenze, maximal sind derzeit 249.999 Euro pro Projekt und Jahr möglich (Änderungen wurden Ende März beschlossen, GEWINN wird weiter berichten). Für die Transaktion und andere Nebenkosten sind rund zehn Prozent zu kalkulieren. TIPP: wko.at/crowdfunding Während man bei der Crowd die anonyme Masse um Geld bittet, ist es bei

Business Angels eine konkrete Person (oder mehrere), die neben Geld Kompetenz und Kontakte einbringt. Im Schnitt liegen die Summen, die Business Angels in ein Unternehmen investieren, zwischen 200.000 und 250.000 Euro, bei Start-ups vor der Gründung kann es aber auch schon ab 50.000 Euro losgehen. Was man aber wissen muss: Ein Business Angel will für sein Geld Mitsprache und eine Beteiligung, die in Richtung 50 Prozent gehen kann. TIPP: equityfinder.

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Prämie wurde auf zehn Prozent verdoppelt. Neu ist auch der Grundsatz der „zweiten Chance“. Nunmehr ist zwei So werden nunmehr Jungunternehmer bis zum fünften Jahr seit Grün- Jahre nach Aufhebung eines Insolvenzverfahrens eine Förderung möglich, dung (davor bis zum dritten) gefördert. auch wenn der Zahlungsplan im InsolDiese Ausweitung gilt sowohl für den venzverfahren noch nicht ganz erfüllt aws Start-up-Scheck (1.000 Euro Zuist. Den besten Überblick über Fördeschuss für Investitionsprojekte von rungen inklusive Filterfunktionen bietet 5.000 bis 20.000 Euro) als auch für die die Förderdatenbank der WirtschaftsStart-up-Prämie, die für Projekte in eikammern Österreichs. ner Bandbreite von 20.000 bis 300.000 TIPP: wko.at/foerderungen Euro ausgezahlt wird. Die Höhe dieser

7. Geld von der öffentlichen Hand

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ine wichtige finanzielle Starthilfe, auf die man keinenfalls verzichten sollte, sind Förderungen, die man vom Bund, dem Bundesland und manchmal auch von der Gemeinde erhalten kann. „Die“ zentrale Förderbank ist das Austria Wirtschaftsservice (aws) des Wirtschaftsministeriums. Mit der neuen Förderrichtlinie wurden 2014 einige Dinge verbessert.

Foto: playbrush

Die Freude an dem, was Software Ingenieur.“ Die man tut, ist auch für Varga besten Voraussetzungen für das Tollste am UnternehmerPlaybrush – ein Gadget, dass sein. Varga: „Außerdem bin eine herkömmliche Zahnich ethisch und moralisch bürste zum Controller von selbst verantwortlich für das, Spielen auf einem Smartphowas ich tue.“ ne oder Tablet macht (playbrush.io). Die besten 2014 wurde dazu die Jungunternehmer 2014 Playbrush Ltd. in London Es geht aber auch umgekehrt. gegründet, die aber auch von Nicht wenige Gründer haWien aus geführt wird, wo ben Migrationshintergrund, Ittner und Varga über ein gusprich: sind im Ausland getes Netzwerk verfügen. Varboren. So auch Frank Steinga: „Wir arbeiten bei der Entbacher (36) aus Augsburg. wicklung mit vielen Zahnärzten hier und in London Playbrush wurde in London gegründet, operiert aber auch von Wien aus Ihn zog sein Professor Mar(v. li.: Paul Varga, Anita Gazic und Tolulupe Ogunsina) kus Aufleger (49), der nach zusammen.“ Die UnterstütInnsbruck übersiedelte, mit. zung bei der Gründung sei aber in London besser gewesen, vor denkt man gleich global.“ Entspre- „Ich habe bei ihm meine Doktorarbeit allem nachdem Playbrush vom Uni- chend wird Playbrush auch über die zum Thema Gewässervermessung beversity College London (UCL) mit ei- internationale Crowdfunding-Platt- reits an der TU München begonnen.“ nem Preis ausgezeichnet worden war. form kickstarter „gelauncht“. Varga: Da er die klassischen Verfahren weder Und, so Varga: „Hätten wir in Wien „Im April starten wir mit Pre-Orders, effizient noch umweltfreundlich fand, gegründet, hätten wir zuerst nur den bis Jahresende wollen wir die ersten entstand 2006 daraus ein Forschungsantrag bei der FFG, für den mit Riegl deutschsprachigen Markt adressiert, so Gadgets liefern.“

8. Absicherung für Selbständige

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eit 2013 darf man als Unternehmer auch krank werden. Seither erhalten GSVG-Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen Krankengeld ab dem 43. Tag einer Arbeitsunfähigkeit, für die Dauer von maximal 20 Wochen. Darüber hinaus gibt es für Notfälle im Zusammenhang mit Krankheiten einen Unterstützungsfonds sowie einen temporären Zuschuss zu den Pensions-

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und Krankenversicherungsbeiträgen aus dem Überbrückungshilfefonds. Als Altersvorsorge existiert seit 2008 die Selbständigenvorsorge, eine Art „Abfertigung Neu“ für Unternehmer. Sie gilt für Gewerbetreibende und „Neue Selbständige“. Die angesparten Beträge können in Form einer monatlichen Zusatzpension steuerfrei oder als einmaliger Barbetrag steuerbegünstigt

ausbezahlt werden. Auch eine Arbeitslosenversicherung für Selbständige gibt es seit 2009. Arbeitslosengeld erhält man aber nur, wenn man vor Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer ASVG- und arbeitslosenversicherungspflichtig war oder nach dem 1. 1. 2009 eine freiwillige Arbeitslosenversicherung abgeschlossen hat. TIPP: Online-Ratgeber für Selbständige unter sozialversicherung.at GEWINN 4/15


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Man kann aber auch ein bestehendes Unternehmen übernehmen. Elisabeth Zehetner vom Gründerservice: „Bei sanne Seifert, Generalsekretärin des der Betriebsübernahme übernehmen Österreichischen Franchise-Verbands. Weitere Vorteile seien eine bekannte Mar- Sie Werte, bei der Betriebsgründung müssen Sie diese erst schaffen.“ Aber: ke, Einkaufs- und Kostenvorteile sowie „Als Erwerber tritt man in alle Rechte leichterer Zugang zu Finanzierungen. und Pflichten des Übergebers ein – Aber Achtung, Franchise-Nehmer sind auch haftungsrechtliche“, so Zehetner. immer selbst Unternehmer und auch Drum gilt auch hier: Zuerst genau prüFranchise-Systeme können scheitern. fen und erst unterschreiben, wenn alles Drum prüfe genau, wer sich binde. passt. TIPPS: franchise.at, www.franchise TIPP: www.nachfolgeboerse.at boerse.at.

9. Franchising und Nachfolge als Alternative

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er keine eigene Idee hat, kann trotzdem Unternehmer werden: mit Franchising oder als Nachfolger. Franchising bietet den großen Vorteil, sich gegen Bezahlung von Gebühren einem erprobten Geschäftsmodell anzuschließen. „Der Franchise-Geber unterstützt seine Partner beim Betriebsaufbau, vermittelt das Know-how und beobachtet unterstützend den wirtschaftlichen Erfolg des Franchise-Nehmers“, erklärt Su-

Foto: Andreas Fischer

ware zur Auswertung der Laser Measurement Systems Daten. aus Horn (NÖ) zudem ein Um den im HightechWeltmarktführer als IndustBereich so wichtigen Vorriepartner gefunden wurde. sprung abzusichern, will sich Heraus kam ein Lasersystem, AHM, die bereits 19 Mitarmit dem Gewässer statt zu beiter beschäftigt, mit ihrer Wasser oder Land aus der Software und als ProjektLuft vermessen werden könsteuerer vor allem außerhalb nen und das nicht nur in eiEuropas auf den Verkauf von ner weit besseren Qualität, Know-how fokussieren. Ausondern auch weit umweltßerdem entwickelt man unfreundlicher, billiger und ermüdlich weiter. Steinbaschneller. cher: „Wir gehen davon aus, Dass es nicht nur bei eidass diese neue Technologie ner Forschungsarbeit blieb, weltweit noch sehr viel Podafür sorgte eine wirtschaftlich hochinteressante Aus- Frank Steinbacher (re.) und sein Professor Markus Aufleger waren 2014 tenzial bietet.“ mit AirborneHydroMapping die besten Jungunternehmer des Landes sicht. Im Rahmen der WasTIPP: Das Potenzial von serrahmenrichtlinie müssen AHM brachte Steinbacher EU-Gewässer alle sechs Jahre sowie Konzept ist, das sicher funktionieren und Aufleger den ersten Platz beim nach Naturereignissen wie einem wird.“ 2010 gründeten Steinbacher GEWINN-Jungunternehmer-WettbeHochwasser neu vermessen werden. und Aufleger das Unternehmen Air- werb 2014. Dass es sich auch dafür Steinbacher: „Als beim 2. Forschungs- borneHydroMapping. AHM bietet die lohnt zu gründen, erfahren Sie unter antrag 16 Länder mitmachen wollten, Befliegung und Auswertung an und www.gewinn.com/jungunternehmer war klar, dass das ein wirtschaftliches vertreibt die eigens entwickelte Soft- 2015.

10. Keine Angst vor dem dritten Jahr

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ypischerweise kommt nach zwei bis drei Jahren alles zusammen: Steuernachzahlung, Vorauszahlung, Sozialversicherung, erste Tilgungen für geförderte Darlehen und vielleicht auch die ersten Lohnzahlungen für Mitarbeiter. Das Gründerservice rät daher, für Steuer rund ein Drittel und für Sozialversicherung ein Viertel der Einkünfte zuvor auf ein Sparbuch zu legen. Und

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natürlich sollte man seine Planrechnung (siehe 3.) laufend aktualisieren. Aber keine zu große Sorge: „Das ominöse verflixte dritte Jahr findet sich nicht in der Statistik wieder. Nach einem Jahr sind ca. 95 Prozent aller gegründeten Unternehmen noch aktiv, nach drei Jahren 80 und nach fünf Jahren noch immer 70 Prozent“, beruhigt Dieter Bodingbauer, Managing Director

von Bisnode D&B Österreich (Anbieter von Wirtschaftsinformationen). Trotzdem empfiehlt er: „Im dritten Jahr nach Gründung sollte die Strategie gemeinsam mit dem Business Plan neu analysiert, das bisherige Kundenwachstum auf Abhängigkeiten und rechtzeitige Diversifizierung überprüft und die ursprünglich gewählte Rechtsform, vor allem die der Einzelunternehmen, vielleicht doch auf eine steueroptimierte GmbH geändert werden.“

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