2015 Wasserrahmenrichtlinie

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EU-WASSERRAHMENRICHTLINIE

Fisch&Wasser 4/2015

Wie Fische und Fischer

Foto: Genser

von der EU profitieren

Die EU schreibt hohe Ziele für den Zustand von Gewässern vor. Während Österreichs Seen Naturjuwele sind, sieht es in unseren Flüsse traurig aus: Durch Wasserkraft und Hochwasserschutz aufgestaut oder reguliert. Aber: In den nächsten Jahren sollen 1.000 Fischaufstiegshilfen gebaut werden. Stefan Tesch über Schein und Sein in der Wasserpolitik.

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ie Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG) ist im Jahr 2000 in Kraft getreten, um einen EU-weiten Fahrplan in der Wasserpolitik auf den Tisch zu legen. Das Ziel lautet: Bis spätestens 2027 sollen alle Gewässer in der EU einen „guten ökologischen und chemischen Zustand“ haben. Unterm Strich bedeutet das, Verschmutzung soll reduziert werden, Gewässermorphologie (Struktur) erhalten wer-

den und natürliche Verhältnisse an Gewässern sollen wieder hergestellt werden (z. B. durch Renaturierung). Der Fokus liegt auf Fließgewässern. Es besteht ein Verbesserungsgebot und Verschlechterungsverbot für den Zustand aller Gewässer. Die Wasserrahmenrichtlinie ist ein Rechtsakt der Europäischen Union und muss daher von allen Mitgliedsstaaten nationales Recht umwandelt werden. In Österreich erfolgte dies

unter anderem im Zuge der Novelle des Wasserrechtsgesetzes (WRG) 2003.

Österreich vorne dabei. Um die

Richtlinie zu erfüllen, sind alle Mitgliedsstaaten verpflichtete, eine IstAnalyse durchzuführen sowie sich Ziele zu stecken. In Österreich erfolgt dies mittels zweier nationaler Gewässerbewirtschaftungspläne (NGP), die einem sechsjährigen Zyklus unterliegen. Der zweite NGP befindet sich derzeit im Entwurfstadium. Hierzulande befinden sich derzeit 42 Prozent der Fließwässer in gutem ökologischen Zustand. Ein direkter Vergleich mit anderen Staaten ist nicht möglich, da das Monitoring über den Zustand der Gewässer außerhalb unserer Grenzen nicht flä-

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EU-WASSERRAHMENRICHTLINIE

Franz Maier Präsident des Umweltdachverbandes

Wir verfehlen die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie aus heutiger Sicht, weil zu wenig getan wird

Foto: K. Friesenbichler, MSc

Fisch&Wasser 4/2015

Laut Europäischer Kommission vernachlässigen die Mitgliedsstaaten, den Zustand der Gewässer ausreichend zu überwachen und setzen sich zu wenig ambitionierte Ziele. Die ersten Bewirtschaftungspläne haben nur etwa zehn Prozent Verbesserung gebracht. Dämme und Stickstoff sind EU-weit gesehen das Hauptproblem. Lösungsansätze für künftige Planungen sind daher vor allem die Entfernung von veralteten Dämmen, und die effizientere Nutzung von Energie, um die Nachfrage nach Wasserkraft einzudämmen

Stefanie Schabhüttl Gewässerökologin im Umweltdachverband

Wenn wir so weitermachen, werden wir die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie bis 2027 sicher nicht erreichen. Ich habe das Gefühl, dass man die Ziele gar nicht erreichen will. Innerhalb der vergangen sechs Jahre hat sich der ökologische Zustand natürlicher Fließgewässer um nur drei Prozentpunkte auf derzeit 42 Prozent verbessert. So scheint es unrealistisch, dass wir bis 2027 100 Prozent erreichen werden

chendeckend erfolgt. Derzeit hat etwa die Hälfte des europäischen Oberflächenwassers keinen „guten ökologischen Zustand“. Die Überwachung des chemischen Zustandes ist derart lückenhaft, dass bei einer Erhebung vor einigen Jahren Daten von über 40 Prozent der Oberflächengewässer gar nicht ermittelt werden konnten. Grob lässt sich aber sagen, dass EU-weit gesehen Österreich in der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie sehr gut unterwegs ist. Eine Ist-Bestandsaufnahme 2004 hat ergeben, dass die Qualität der österreichischen Fließgewässer hinsichtlich chemischer und organischer

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Foto: Umweltdachverband

Foto: IEEP

Leonardo Mazza vom Europäischen Umweltbüro, einem Dachverband von mehr als 140 Umweltorganisationen in Europa

Belastungen größtenteils zufriedenstellend ist. Rund ein Fünftel aller Flüsse weisen noch größere Belastungen auf. Großes Defizit hingegen herrscht bei Gewässerstruktur, Abflussverhalten und Durchgängigkeit. Für mehr als die Hälfte besteht das Risiko, die EU-Qualitätsziele zu verfehlen. Der Zustand unserer Seen ist hingegen außerordentlich gut. Der erste Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan wurde 2009 erstellt und läuft heuer aus. Auf der Agenda standen die Reduktion von chemischen und organischen Belastungen, die vor allem aus Kläranlagen und aus der Landwirtschaft (u.a. Phosphor als Dünger) stammen.

Die für die Fischerei besonders relevanten Erfolge aus dem 1. NGP lauten: Bei rund 1.000 Querbauwerken (z. B. Kraftwerke) wurden Fischaufstiegshilfen gebaut, bei 200 Restwasserstrecken (etwa unterhalb von Staumauern) wurde ein Basisabfluss sichergestellt. Zudem gab es zirka 250 strukturverbessernde Maßnahmen (z. B. Aktivierung von Altarme aktivieren, Renaturierung)

Mehr Fischaufstiegshilfen. Nach Auslaufen des 1. NGP, folgt jetzt der 2. NGP (2015 bis 2021), der im wesentlichen den Ersten fortschreibt. Bei der Tagung „Auf zu neuen Ufern! Impulse und Ideen zur Zielerreichung


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Fisch&Wasser 4/2015

Foto: Kowatsch

Manuel Hinterhofer Geschäftsführer Österreichischer Fischereiverband

Man soll immer mehr fordern, als man erreichen kann

LEGENDE Nicht fischpassierbare Längselemente Nicht fischpassierbare Querelemente Wasserkraftwerk Hochwasserschutz Sonstige Nicht fischpassierbare Restwasserstrecken (Grafik zur Veranschaulichung der Vielzahl und Verteilung!) Quelle und nähere Details: Wasserinformationssystem Austria, http://wisa.bmlfuw.gv.at

52 Prozent der Gewässer in der gesamten EU sind mittlerweile in einem guten Zustand. Trotzdem müssen wir das Monitoring verbessern, um die Maßnahmen für künftige Planungsperioden zu präziseren. Größtes Thema ist die Verschmutzung durch Pestizide aus der Landwirtschaft. Ebenso eine große Bedrohung sind hydromorphologische Veränderungen, verursacht durch Wasserkraftwerke und Hochwasserschutz. Beim Bau von Hochwasserschutz ist es wichtig, die ökologische Grundstruktur zu erhalten. Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie läuft in Österreich sehr gut. Herausforderung ist der hohe Anteil an Wasserkraft (60 Prozent; rund 150 Groß- und 3.000 Kleinwasserkraftwerke, Anm.).

nach EU-Wasserrahmenrichtlinie 2016–2021“ im April 2015 im Haus der Europäischen Union, präsentierte Veronika Koller-Kreimel, Abteilung nationale und internationale Wasserwirtschaft im Lebensministerium, Status quo sowie Ausblick auf den Entwurf des 2. NGP. Derzeit größtes Problem sind morphologische Veränderungen von Fließgewässern, vor allem durch Kraftwerke und Hochwasserschutz. Etwa ein Drittel unserer Flüsse sind in ihrer ursprünglichen Struktur verändert. Dafür sind insgesamt 32.000(!) Querbauwerke verantwortlich (davon zehn Prozent Wasserkraft und 90 Prozent Hochwasserschutz). Die Zahlen dazu sind

pikant: Derzeit gibt es im Schnitt ein für Fische nicht passierbares Querbauwerk pro Flusskilometer in Österreich (siehe Grafik). Die Strategie für den 2. NGP (2016 bis 2021) lautet daher: 100 Quadratkilometer Gewässer sollen saniert werden und 900 Querbauwerke (davon 350 Wasserkraftwerke) bekommen eine Fischaufstiegshilfe. Ebenso sollen Restwassermengen erhöht werden, Nebengewässer angebunden und kommunale Kläranlagen verbessert werden (z. B. Reinigung durch Ozonung). Fischaufstiegshilfen sind teuer, sie kosten bei mittleren Gewässern rund 75.000 Euro pro zu überwindendem

Höhenmeter. Bei 1.000 Querbauwerken sind das Investitionskosten von etwa 150 bis 200 Millionen Euro (die Hälfte sollen der Sektor Wasserkraft sowie die Gemeinden zahlen). Bleibt zu hoffen, dass genügend Budget dafür zur Verfügung stehen wird. Wasserrahmenrichtlinie http://www.bmlfuw.gv.at/wasser/wassereu-international/eu_wasserrecht/Wasserrahmen-RL.html Entwurf NGP 2015 http://wisa.bmlfuw.gv.at/fachinformation/ngp/ngp-2015/oeffbet_ngp2015. html

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Foto: Water Agencies/www.lesagencesdeleau.fr

Nicola Notaro von der Generaldirektion „Umwelt“ in der Europäischen Kommission


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