2016 Jägerbataillon 18

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KAMPFANZUG HERSTELLEN Für die frisch eingerückten Soldaten eine oft schweißtreibende Prozedur.

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VIELSEITIGKEIT ALS STÄRKE Oberst Karl-Heinz Tatschl schätzt die breitgestreuten Kompetenzen seiner Soldaten.

undurchdringliche Barrikade aus Schildern öffnet sich für einen Augenblick, um einen der Aggressoren während einer Attacke durchzulassen. Er stolpert, aber noch ehe er sich wieder aufrichten kann, bringen ihn zwei „Fänger“ gekonnt mittels Hebelgriff zu Boden und legen ihm Handschellen an.

MACHTSPIEL Beim Ordnungseinsatz sind Kraft und Koordination gefragt, damit Angreifer die Sperrkette nicht durchbrechen.

ZU BESUCH BEI DEN

ALLROUNDJÄGERN Egal ob Gebirgsausbildung, Assistenzeinsatz oder Häuserkampf – das Jägerbataillon 18 im steirischen Sankt Michael ist für alle Eventualitäten gerüstet und beeindruckt mit seiner umfangreichen Einsatzerfahrung. Text: STEFAN TESCH Fotos: MATTHIAS HESCHL MILITÄR AK TUE LL

it provokanten Gesten und Grimassen schlendern die Demonstranten auf die angetretenen Soldaten zu, die ihnen mit Schild und Schlagstock den Weg versperren. Als sie näherkommen, stimmen sie höhnisches Gelächter an. Deuten herum. Schreien. Provozieren. Die Uniformierten in der Sperrkette ertragen die Anfeindungen aber mit stoischer Ruhe. Bis ein Demonstrant plötzlich die Soldaten anrempelt und damit das Fass zum Überlaufen bringt. Auf das Kommando „Schild“ erheben die Soldaten ebendiese und schützen sich damit vor den energischen Fußtritten der Angreifer. „Zugriff“, brüllt der Kommandant und die schier

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Diese Form von Action zählt sicher zu den Highlights des Soldatenalltags in der Landwehr-Kaserne im steirischen Sankt Michael, wo das Jägerbataillon 18 stationiert ist. Gerade trainiert ein Kaderpräsenzzug den Ordnungseinsatz, auch CRC (Crowd and Riot Control) genannt, wo es darum geht, eine aufgebrachte Menschenmenge in Schach zu halten. „Der Puls geht in die Höhe, der Adrenalinpegel steigt an und der Körper ist ständig unter Spannung“, beschreibt Zugsführer Mathias Schöls während einer Verschnaufpause das Gefühl, in der Sperrkette ganz vorne zu stehen. Angesichts der derzeitigen Sicherheitslage an Österreichs Grenzen ist diese Ausbildung aktueller denn je. Erst Ende April ist eine Assistenzkompanie des Jägerbataillon 18 in der Stärke von 125 Mann aus dem zweimonatigen Assistenzeinsatz in Spielfeld zurückgekehrt. „Es war aufgrund der

Das Jägerbataillon 18 (kurz JgB 18) gehört zur 7. Jägerbrigade und ist ein Jägerbataillon im klassischen Sinne, bestehend aus Kommando, drei Jägerkompanien sowie einer Stabskompanie. Letztere besteht aus Fernmelde-, Granatwerfer-, Aufklärungs-, Versorgungs-, Instandsetzungs- sowie einem Sanitätszug. Die Jägerkompanien gliedern sich in jeweils drei Jägerzüge, Scharfschützengruppe sowie einen Panzerabwehrlenkwaffenzug. Zudem ist das JgB 18 für Formierung und Ausbildung des Milizbataillons „Jägerbataillon Steiermark“ zuständig. Aktuell bestehen die „Achtzehner“ aus 186 Berufs- und Zeitsoldaten sowie 217 Grundwehrdienern. Der Fuhrpark umfasst 19 Lkw (Unimog, MAN und Steyr) sowie 28 Kleinfahrzeuge (Puch G, Pinzgauer, VW …). Die militärische Heimat des Verbandes ist die 1980 erbaute LandwehrKaserne in Sankt Michael in der Steiermark, rund zehn Kilometer südwestlich von Leoben an der Autobahn A 9 gelegen. Das JgB 18 gibt es in dieser Form seit 1999, davor trug es die Namen Landwehrstammregiment 55 und Jägerregiment 10. Auf dem knapp 16 Hektar großen Kasernenareal befinden sich neben den Mannschaftsunterkünften in den markanten Kreuzbauten Werkstätten- und Garagenhallen, eine Sporthalle sowie ein Sportplatz.

Niederösterreich Oberösterreich

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rasch wechselnden Aufgaben – vom Grenzmanagement bis zur Überwachung der grünen Grenze – sehr fordernd“, berichtet Bataillonskommandant Oberst Karl-Heinz Tatschl und betont den hohen Grad an Einsatzerfahrung seiner Kadersoldaten. Viele nehmen regelmäßig an Auslandseinsätzen teil. „Einsatz und Ausbildung kann man nicht getrennt betrachten, es muss ein Kreislauf sein“, so der Kommandant, der flexibel auf mögliche Szenarien reagieren muss. Derzeit ändere sich die Lage sehr schnell und es sei unklar, wo und wann der nächste Einsatz bevorsteht. Ein Fixpunkt ist jedenfalls die Airpower am 2. und 3. September, bei der das Jägerbataillon Steiermark (Miliz), für dessen Formierung und Ausbildung das Jägerbataillon 18 verantwortlich ist, als Sicherungselement eingesetzt wird. „Bis dahin gilt es die Soldaten dahingehend zu trainieren“, sagt Oberst Karl-Heinz Tatschl. „Haaaabt Acht, Reeeechts um“ hallt es unterdessen im Hof zwischen den weitläufigen Garagengebäuden. 30 der 180 frisch eingerückten Grundwehrdiener, die gerade ihren dritten Tag in Uniform erleben, machen ihre

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tionen erfassen und handeln. Die Anspannung steht den Schützen ins Gesicht geschrieben, geht es doch darum, vor den Kameraden Eindruck als guter Schütze zu machen. Jeder Schuss sendet einen Lichtimpuls, der eine detaillierte Auswertung der Ergebnisse möglich macht. „Echtes Scharfschießen ist aber trotzdem viel spannender“, berichtet ein Charge am Rande. FIKTIVE SZENARIEN BEKÄMPFEN Im „Schießkino“ trainieren die Soldaten des KPE-Zugs ihre Treffsicherheit mit Pistole und Sturmgewehr.

ersten Gehversuche im Exerzieren. Noch hapert es an allen Ecken und Enden, die Ausbildner bringen aber zusehends Ordnung in das Durcheinander und ermahnen jeden Fehltritt. Neben der Ausbildung von Grundwehrdienern ist das Leistungsspektrum der „Achtzehner“ vielfältig. „Jede unserer drei Jägerkompanien hat einen Schwerpunkt: Eine ist auf den Kampf im urbanen Umfeld (Anm.: „Häuserkampf“) spezialisiert, eine auf Gebirgsbeweglichkeit und Lufttransport und eine auf Nahkampf und Ordnungseinsätze“, erklärt Kommandant Tatschl, der sein Bataillon auch aufgrund der geografischen

Lage im Alpenvorland als Alleskönner versteht. Diese Aussage unterstreicht auch die Tatsache, dass seine Kaderexperten heuer sogar einen Gebirgsausbilderlehrgang für Teilnehmer aus ganz Österreich abhalten. Schauplatzwechsel. Die Soldaten des KPE-Zuges sind im „Schießkino“ angetreten, um ihre Schießfertigkeit zu verfeinern. Auf eine große Leinwand werden dort Übungsszenarien projiziert. Heute geht es darum, mit einer Pistole bewaffnete Dummies von Zivilisten zu unterscheiden und zu bekämpfen. Die Schützen müssen binnen kurzer Zeit wechselnde Situa-

Nach dem Mittagessen geht es für die Grundwehrdiener der 2. Kompanie in die Unterkunft. „Handhabung Ausrüstung“ steht am Dienstplan, soll heißen: Spindordnung herstellen und unterschiedliche Kampfanzüge anlegen. „Kampfanzug 03/1 herstellen. Zeit: Fünf Minuten“, befiehlt der Ausbildner. Nach dem Abtreten herrscht hektisches Treiben in den Zimmern. Schuhe werden in Windeseile gebunden, Schnallen klicken. Noch schnell die Feldflasche füllen und an den Hüftgurt stecken. Fertig! Rekrut Dominik Kreuz aus Trofaiach ist mit sei-

ARBEITSTIER Die alten Pinzgauer leisten auch nach 40 Jahren noch treue Dienste und sind einfach in der Wartung.

nen Zimmerkameraden schweißüberströmt am Gang angetreten und berichtet von den Strapazen des Drills: „Man muss auswendig wissen, was und in welcher Reihenfolge in welche Tasche gehört. Trotz Zeitdruck muss man versuchen, ruhig zu bleiben.“ Wesentlich ruhiger geht es in der Fahrzeugwerkstätte des Bataillons zu. Allerdings sitzt auch dort jeder Handgriff, wenn es darum geht, Lkw, Pinzgauer oder Puch G zu reparieren und das „Pickerl“ zu machen. Werkstättenleiter Vizeleutnant Ernst Pran-

ger hat gerade den Motor eines Pinzgauers in all seine Einzelteile zerlegt, um ihn zu reinigen. „Das schaffen wir innerhalb eines Tages, denn der luftgekühlte Motor mit einzeln liegenden Zylindern ist äußerst praktisch in der Wartung.“ Soll keiner sagen, dass alte Ausrüstung nicht auch Vorteile habe, und womöglich – wer weiß – hat das gut 40 Jahre alte Triebwerk sogar schon die Väter der Grundwehrdiener, die gerade ihre Kampfanzüge anlegen, über Stock und Stein transportiert. Und war ihnen schon ein verlässlicher Partner.

„Das soldatische Handwerk lernen“ Herr Stabswachtmeister, was kommt auf die frisch eingerückten Grundwehrdiener hier nun alles zu?

Während der vier Wochen dauernden „Basisausbildung Kern“ lernen Grundwehrdiener die Grundlagen für die Ausübung späterer Funktionen. Dazu gehören unter anderem das Exerzieren, Selbstverteidigung, Sport und die Handhabung von Waffe und Ausrüstung – kurz gesagt also das soldatische Handwerk. Höhepunkt ist dann das Scharfschießen.

Interview mit Stabswachtmeister Bernhard Wiefler, Zugskommandant 2. Zug, 2. Kompanie

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Wie geht es danach mit der Ausbildung weiter? Für jene Soldaten, die während des ganzen Grundwehrdienstes bei uns im Bataillon bleiben, geht es weiter mit den Basisausbildungen 1, 2 und 3. Dazu

gehören unter anderem Gefechtsdienste am Truppenübungsplatz Ortnerhof, sowie Scharfschießen mit Pistole und Maschinengewehr. Dabei geht es um das Agieren im Gruppenrahmen, während es in der „Basisausbildung Kern“ nur um das Einzelschützenverhalten geht. Was sind dabei die größten Herausforderungen für die neuen Soldaten? Gerade in der ersten Woche ist für viele der Sprung vom zivilen Leben zum Bundesheer schwierig. Dazu gehört, militärische Regeln anzunehmen und sich daran zu gewöhnen, zum Beispiel Pünktlichkeit, tägliche Rasur und Disziplin. Auch die Tagwache um sechs Uhr ist gerade zu Beginn des Grundwehrdienstes für die meisten eine große Herausforderung. (lacht)

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