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Allgemeine Vertragslehre
Obligationen sind «Schuld- und Forderungsverhältnisse», wonach eine Partei zu einer Leistung verpflichtet und die Gegenpartei zur Einforderung dieser Leistung berechtigt ist. Typische Beispiele für solche Schuld- und Forderungsverhältnisse ergeben sich aus Kauf-, Miet- oder Arbeitsverträgen. Das Obligationenrecht enthält im ersten Kapitel in den Artikeln 1 bis 183 allgemeine Regeln, die auf alle Obligationen anwendbar sind. Dies ist der Grund, weshalb in diesem Kapitel vorerst die «allgemeinen Regeln», unabhängig von einem bestimmten Vertragsverhältnis, dargestellt werden.
Theorie 11.1 11.2 11.3
Übungen
Die Voraussetzungen der Vertragsentstehung ................................................ Dürfen Verträge aufgelöst werden? ............................................................... Die Absicherung von Vertragspflichten ........................................................... Das haben Sie gelernt .................................................................................... Diese Begriffe können Sie erklären .................................................................
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Antrag – Annahme – Widerruf ............................................................................ Verschiedene Formvorschriften ............................................................................ Gründe für nichtige Verträge ............................................................................... Wer ist handlungsfähig? ...................................................................................... Verschiedene Irrtümer ......................................................................................... Geeignete Sicherungsmittel ................................................................................. Rechtsfolgen von Mängeln beim Vertragsabschluss ..............................................
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Aufgaben 1 2 3 4 5 6 7 8
Offerten und Bestellungen – hin und zurück ........................................................ Formvorschriften für Verträge .............................................................................. Verträge Minderjähriger ....................................................................................... Vollmacht überschritten? ..................................................................................... Rücktrittsrecht bei Kaufverträgen ......................................................................... Absichtliche Täuschung – ja oder nein? ................................................................ Furchterregung – ja oder nein? ............................................................................ Welche Sicherungsmittel sind geeignet? ..............................................................
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Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft 3.. Auflage 2017 / © Verlag SKV AG, Zürich Diese Broschüre ist urheberrechtlich geschützt. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, die Broschüre oder Teile daraus in irgendeiner Form zu reproduzieren. Bestellung über: http://brennpunkt-wug.verlagskv.ch Allgemeine Vertragslehre
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11.1
Die Voraussetzungen der Vertragsentstehung
Auf die Rechte und Pflichten bei Verträgen kann man sich nur dann berufen, wenn ein Vertrag auch wirklich entstanden ist. Als Erstes müssen wir deshalb untersuchen, ob zwischen den beteiligten Parteien überhaupt ein Vertrag abgeschlossen wurde. Um dies zu prüfen, sind die folgenden Fragen zu beantworten:
Möglichkeit C: Vertrag entsteht nicht 1
Verkäuferin
Möglichkeit A: Vertrag entsteht
1 2
Offerte (= Antrag) Käufer
Bestellung (= Annahme)
Die Verkäuferin offeriert ihre Leistung. Der Käufer bestellt (= Annahme) gemäss Offerte (= Antrag).
Möglichkeit B: Vertrag entsteht 1
Bestellung (= Antrag)
Verkäuferin
Käufer 2
1 2
Lieferung gemäss Bestellung (= Annahme)
Der Käufer bestellt (= Antrag) ohne vorhergehende Offerte. Die Verkäuferin liefert (= Annahme) gemäss Bestellung.
Rücksendung
Der Käufer bestellt (= Antrag) ohne vorhergehende Offerte. Die Verkäuferin liefert zu veränderten Bedingungen (= Gegenantrag), was nicht einer Annahme des Antrags entspricht. Übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung ist nicht gegeben, es ist kein Vertrag entstanden. 3 Rücksendung der Lieferung möglich.
■ Vertragsentstehung falls Antrag = Annahme
2
Käufer
2
Zum Abschluss eines Vertrags ist eine übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Vertragsparteien erforderlich (Art. 1 OR). Wir müssen dazu klären, ob Antrag und Annahme exakt übereinstimmen. Bei Kaufverträgen bietet z. B. eine Verkäuferin ihre Waren oder Dienstleistungen an, indem sie ein Angebot, eine Offerte, unterbreitet. Dies wird im Gesetz als «Antrag» bezeichnet. Falls nun der Käufer aufgrund dieses Antrages – und exakt gemäss diesem Antrag – bestellt, ist der Vertrag entstanden.
1
Lieferung zu veränderten Bedingungen (= Gegenantrag)
1
■ Frage 1: Besteht eine übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung?
Verkäuferin
2
Bestellung (= Antrag)
3
Besteht eine übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung? Sind die Formvorschriften eingehalten? Ist der Vertragsinhalt zulässig? Sind die Vertragspartner geschäftsfähig?
2
■ Keine Vertragsentstehung falls Antrag ≠ Annahme
■ Die vier Fragen zur Vertragsentstehung 1. 2. 3. 4.
1
Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass eine Offerte zwar immer ein Antrag ist. Dies ist aber nicht die einzige Möglichkeit, wie ein Antrag gestellt werden kann. Ebenso gut kann die Initiative vom Käufer aus gehen. Bestellt nämlich ein Käufer direkt, ohne vorhergehende Offerte, so ist dies aus rechtlicher Sicht ebenfalls ein Antrag. Betrachten wir nun die Anträge etwas näher (vgl. Abb. auf Seite 4): Anträge können nämlich auf unterschiedliche Arten gestellt werden, und je nach Antrag bleibt ein Anbieter unterschiedlich lange gebunden: ■ Generell sind die Vertragsparteien an ihre Anträge und Annahmen gebunden. Diese sind jedoch zeitlich nur beschränkt gültig. Soll ein Antrag unverbindlich sein, so muss dies ausdrücklich erwähnt werden, z. B. durch Formulierungen wie «nur solange Vorrat» oder «Preise freibleibend». ■ Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Anträgen «unter Anwesenden» und solchen «unter Abwesenden»: Bei mündlichen Offerten sowie bei Telefongesprächen handelt es sich um Anträge unter Anwesenden. In diesen Fällen sind die Vertragsparteien nur während des Gesprächs an ihre Angebote gebunden (Art. 4 OR). ■ Um einen Antrag unter Abwesenden handelt es sich dann, wenn die Partner nicht direkt mündlich miteinander verhandeln. Falls in schriftlichen Offerten keine Frist zum Vertragsabschluss gesetzt wird, bleibt der Antragsteller an sein Angebot gebunden, bis er bei normalem Postverkehr eine Antwort erwarten darf (Art. 5 OR), was etwa vier Arbeitstagen entspricht. Ein allfälliger Widerruf muss jeweils vor oder spätestens gleichzeitig mit dem entsprechenden Antrag oder der entsprechenden Annahme beim Ver- Aufgabe 1 tragspartner eintreffen, damit er rechtlich wirksam wird (Art. 9 OR). Übung 1
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befristet/unbefristet
■ Die verschiedenen Arten von Anträgen Anträge (Angebote, Offerten)
unverbindlich
verbindlich
(Art. 7 Abs. 1 OR) unbefristet
befristet (Art. 3 OR)
unter Anwesenden
unter Abwesenden
(Art. 4 OR)
(Art. 5 OR)
Das Versenden von Preislisten oder Tarifen gilt nicht als Antrag. Das sind in erster Linie Informationen darüber, welche Leistungen zu welchen Preisen angeboten werden (Art. 7 Abs. 2 OR). Wohnungs- oder Stelleninserate in Zeitungen sind rechtlich keine verbindlichen Anträge. Es sind lediglich «Einladungen», Vertragsverhandlungen aufzunehmen, d. h., selber Offerten zu erstellen. Ein «Spezialfall» sind unbestellte Warenlieferungen. Diese müssen weder zurückgesandt noch aufbewahrt werden (Art. 6a OR). Daraus folgt, dass der Empfänger über die Ware frei verfügen kann. Erklärungen wie «Wenn Sie die Sendung innert 30 Tagen nicht retournieren, gehen wir von einem rechtsgültigen Kauf aus» begründen keine Rücksendungspflicht. Nur wenn es sich um offensichtlich irrtümlich zugestellte Gegenstände handelt, muss der Empfänger den Absender benachrichtigen. Dies ist beispielsweise bei einer Verwechslung aufgrund einer falschen Adresse gegeben. ■ Frage 2: Sind die Formvorschriften eingehalten? Grundsätzlich entstehen Verträge auch mündlich (Formfreiheit gemäss Art. 11 OR) – wir sprechen demgemäss vom Grundsatz der Formfreiheit. Dadurch können Verträge rasch abgeschlossen werden. Stellen Sie sich vor, Sie müssten für jede Packung Kaugummi, die Sie am Kiosk kaufen, zuerst noch unterschreiben! In vielen Fällen ist ein schriftlicher Vertrag einer mündlichen Vereinbarung vorzuziehen, weil damit ein Beweis für das Zustandekommen und den Inhalt des Vertrags besteht. Für einzelne Verträge ist eine bestimmte Form ausdrücklich durch das Gesetz vorgeschrieben. Man kann drei unterschiedlich «strenge» Formvorschriften unterscheiden:
1 4
■ Einfache Schriftlichkeit: Einige Verträge müssen in geschriebener Form dauerhaft festgehalten und durch die Unterschrift der Vertragsparteien anerkannt werden; z. B. Zession (= Forderungsabtretung, Art. 165 OR), Schenkungsversprechen (Art. 243 OR), Konkurrenzverbot (Art. 340 OR). Dabei spielt es keine Rolle, ob der eigentliche Vertragstext von Hand oder vorgedruckt abgefasst ist. Lediglich die eigenhändige Unterschrift der sich durch den Vertrag verpflichtenden Partei ist absolut zwingend. ■ Qualifizierte Schriftlichkeit: Bei der qualifizierten Schriftlichkeit werden zusätzliche Bedingungen (Qualifikationen) gestellt, damit der Vertrag rechtsgültig wird: bestimmte Angaben im Vertrag, die Benutzung eines besonderen Formulars oder die eigenhändige Niederschrift. Beispiele solcher Verträge sind der Lehrvertrag (Art. 344a Abs. 2), der Bürgschaftsvertrag (Art. 493 Abs. 2 OR) oder Konsumkreditverträge (Art. 9 ff. KKG, Konsumkreditgesetz). Das eigenhändige Testament gehört zwar nicht zum Vertragsrecht, ist aber ebenfalls ein Rechtsgeschäft, das die qualifizierte Schriftlichkeit als Formerfordernis verlangt. ■ Öffentliche Beurkundung: Bei der öffentlichen Beurkundung wird der Vertrag unter der Mitwirkung einer staatlich anerkannten Urkundsperson (in vielen Kantonen ein Notar) schriftlich aufgesetzt. Die Vertragsparteien unterschreiben den Vertrag, und die Urkundsperson bescheinigt, dass dieser dem Willen der Vertragsparteien entspricht. Diese strengste gesetzliche Formvorschrift wird z. B. bei der Gründung einer Mitwirkung einer Urkundsperson bei der Aktiengesellschaft (Art. 629 OR), bei «öffentlichen Beurkundung» eines Vertrages. Grundstückkäufen (Art. 216 OR) und bei Ehe- oder Erbverträgen (Art. 184 ZGB bzw. Art. 512 ZGB) verlangt. Neben dem Vorteil der Beweissicherung dienen diese gesetzlichen Formerfordernisse dem Schutz der Parteien: Bei Verträgen von grosser Tragweite schützt eine Formvorschrift vor übereilten Entschlüssen. Ein schriftlicher Vertrag zwingt die Vertragsparteien ausserdem zu einer präzisen Formulierung ihrer Absichten. Wird die gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten, so gilt ein solcher Vertrag als nicht abgeschlossen. Solche Verträge, auch nichtige Verträge genannt, entfalten damit keine rechtlichen Wirkungen. Keine Vertragspartei kann aufgrund solcher Vereinbarungen Aufgabe 2 rechtliche Forderungen ableiten. Übung 2
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■ Frage 3: Ist der Vertragsinhalt zulässig?
■ Frage 4: Sind die Vertragspartner geschäftsfähig?
Wie bei der Formfreiheit bestehen auch über den Inhalt von Verträgen grundsätzlich keine Vorschriften. Innerhalb der gesetzlichen Schranken kann der Vertragsinhalt frei festgelegt werden. Zwar gibt es im Gesetz Vorschriften zu einigen häufig gebrauchten Vertragstypen, z. B. Kauf-, Miet- oder Arbeitsvertrag. Die Vertragsfreiheit bedeutet aber, dass die Vertragsparteien auch Verträge abschliessen können, die im Gesetz nicht vorgesehen sind. Beispielsweise gibt es im Gesetz keinen bestimmten «Beherbergungsvertrag» für eine Übernachtung in einem Hotel. Ein weiteres Beispiel sind Leasingverträge als Mischform zwischen Kauf- und Mietvertrag. Leasing ist im Obligationenrecht überhaupt nicht erwähnt – rechtlich sind aber Leasingverträge trotzdem gültig.
Verträge sind nur unter der Voraussetzung gültig, dass die Vertragsparteien die entsprechenden Verträge rechtsgültig abschliessen dürfen. Wer dies tun kann, wird als «geschäftsfähig» bezeichnet. Um in einem Sachverhalt die Geschäftsfähigkeit der Vertragsparteien abzuklären, müssen die folgenden Voraussetzungen überprüft werden: ■ Ist die Handlungsfähigkeit gegeben? Nur wer handlungsfähig ist, kann durch seine Handlungen Rechte und Pflichten begründen und ist damit geschäftsfähig. Die Voraussetzungen der Handlungsfähigkeit sind im Personenrecht (Art. 12 bis Art. 19 ZGB) geregelt. Handlungsfähig ist danach, wer volljährig und urteilsfähig ist. ■ Urteilsfähig ist, wer vernunftgemäss handeln kann (Art. 16 ZGB). Dies bedeutet, sich über die Gründe und die Folgen des eigenen Verhaltens im Klaren zu sein. Die Urteilsfähigkeit wird mit zunehmendem Alter erworben: Kleine Kinder sind urteilsunfähig. Eine Erstklässlerin kann aber bereits selber entscheiden, ob sie lieber eine Glace oder einen Kaugummi kaufen will. Ein Sekundarschüler kann vernunftgemäss entscheiden, ob er in der Pfadi oder im Fussballklub mitmachen will. Alkohol- oder Drogenkonsum, übermässiger Medikamenteneinfluss, hohes Fieber oder Hypnose können die Urteilsfähigkeit vorübergehend beeinträchtigen oder dauernd verhindern. ■ Volljährig ist, wer das 18.Altersjahr vollendet hat (Art. 14 ZGB). Volljährige Personen sind «im Normalfall» urteilsfähig und damit geschäftsfähig. Wer seine eigenen Angelegenheiten nicht selbstständig besorgen kann, z. B. infolge fortgeschrittenen Alters oder aufgrund einer psychischen oder geistigen Behinderung, wird einer Beistandschaft unterstellt. Dabei gibt es je nach Ausprägung der Hilfsbedürftigkeit verschiedene Abstufungen. Diese reichen von der Begleitbeistandschaft, welche die Handlungsfähigkeit überhaupt nicht einschränkt, bis hin zur umfassenden Beistandschaft, bei welcher der betroffenen Person von Gesetzes wegen die Handlungsfähigkeit entzogen wird (Art. 398 Abs. 3 ZGB). ■ Urteilsfähige und nicht volljährige Personen sind beschränkt handlungsunfähig. Für «alltägliche» Kaufverträge wird bei beschränkt handlungsunfähigen Personen (das sind z. B. viele Lernende) das Einverständnis der Erziehungsberechtigten (das sind meistens die Eltern) angenommen. Bei nicht alltäglichen Verträgen (z. B. Kauf eines teuren HomeCinema-Systems) müssen die Leistungen zurückerstattet werden, falls die gesetzlichen Vertreter solche Verträge nicht (nachträglich) genehmigen.
Ähnlich wie die Formvorschriften vom Grundsatz der Formfreiheit abweichen, gilt auch die Inhaltsfreiheit nicht absolut. In Art. 20 OR sind drei Schranken der Vertragsfreiheit vorgesehen: ■ Ein Vertrag darf nicht widerrechtlich sein, d. h. nicht gegen die Rechtsordnung verstossen, z. B. ein Mietvertrag, der die im Gesetz zwingend vorgeschriebene Kündigungsfrist ausschliesst, oder ein Kaufvertrag über Rauschgift. ■ Ein Vertrag darf nicht gegen das allgemeine Anstandsgefühl oder gesellschaftliche Grundwerte verstossen. Beispiele für solche unsittlichen Inhalte sind Verträge über Schmier- oder Schweigegelder oder ein Vertrag, der den Rückzug eines Baurekurses gegen Entschädigung vorsieht. ■ Ein Vertrag darf keinen unmöglichen Inhalt, d. h. keine Leistungen beinhalten, die objektiv nicht erfüllt werden können. Zum Beispiel ein Vertrag über die Finanzierung eines Strassentunnels von Zürich durch den Erdmittelpunkt nach Neuseeland. Verträge, die gegen die Rechtsordnung oder die guten Sitten verstossen oder objektiv nicht erfüllbar sind, gelten – analog wie bei einem Verstoss gegen die Formvorschriften – als nicht Übung 3 abgeschlossen; ein entsprechender Vertrag ist nichtig.
Lernende können ansonsten grundsätzlich über ihren Lohn frei verfügen. Allerdings dürfen Aufgabe 3 die Eltern einen angemessenen Beitrag an die Haushaltungskosten verlangen (Art. 323 ZGB). Übung 4
■ Übersicht Geschäftsfähigkeit Volljährigkeit
Urteilsfähigkeit
Handlungsfähigkeit
Geburt
handlungsunfähig Personen, die nicht urteilsfähig sind, z. B. Kleinkinder und Kinder bis etwa zum 8. Lebensjahr, können mit ihren Handlungen keine rechtlichen Wirkungen erzielen (Art. 17 und 18 ZGB).
Urteilsfähigkeit nicht gegeben Volljährigkeit nicht gegeben
zirka 8-jährig Urteilsfähigkeit in beschränktem Masse gegeben
Volljährigkeit gegeben
beschränkt handlungsunfähig Jugendliche bis zum 18.Altersjahr, die urteilsfähig, aber noch nicht volljährig sind, können nur mit der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter (Eltern) rechtliche Verpflichtungen eingehen (Art. 19 Abs.1 ZGB).
18-jährig Urteilsfähigkeit gegeben
handlungsfähig Eine volljährige, urteilsfähige Person ist handlungsfähig und kann durch ihre Handlungen Rechte und Pflichten begründen; sie ist damit geschäftsfähig.
Urteilsfähigkeit vorübergehend nicht gegeben
handlungsunfähig Volljährige Personen, die infolge von Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss oder Fieber vorübergehend nicht urteilsfähig sind, können mit ihren Handlungen keine rechtlichen Wirkungen erzielen (Art. 17 und 18 ZGB).
Urteilsfähigkeit je nach Grad der Hilfsbedürftigkeit teilweise oder vollständig eingeschränkt
Begleitbeistandschaft: Personen, die für die Erledigung bestimmter Angelegenheiten eine Unterstützung brauchen. (trotzdem) handlungsfähig Umfassende Beistandschaft: Personen, die dauernd urteilsunfähig sind und aufgrund einer psychischen oder geistigen Behinderung ausgeprägt hilfsbedürftig sind. handlungsunfähig
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Bei Verträgen zwischen Unternehmungen ist beim Vertragsabschluss zu prüfen, ob die betreffenden Personen zum Vertragsabschluss überhaupt berechtigt sind. In grösseren Unternehmungen ist es ja unmöglich, dass der Inhaber bzw. Verwaltungsrat alle Verträge selber abschliessen kann. Für solche Fälle sieht das Gesetz verschiedene Stellvertretungsmöglichkeiten vor. ■ Allgemeine Regeln für Stellvertretungen (Art. 32 – 40 OR): Für die rechtliche Beurteilung ist entscheidend, ob der Vertreter eine Vollmacht besitzt und ob er den Vertrag in seinem eigenen oder in fremdem Namen unterzeichnet hat. Fehlt eine Vollmacht oder ist sie überschritten worden, entsteht kein Vertrag, ausser wenn der Vertrag durch die vertretene Person nachträglich genehmigt wird. ■ Um Unsicherheiten im kaufmännischen Verkehr zu vermeiden, sind im Obligationenrecht besondere Vollmachten ( kaufmännische Stellvertretungen) geregelt (Art. 458 – 465 OR). Die wichtigsten Stellvertretungsverhältnisse sind die Prokura und die Handlungsvollmacht; daneben gibt es noch Vollmachten für Handelsreisende (Art. 348b OR) und Agenten (Art. 418eOR).
Aufgabe 4 Übung 4
Prokura, ppa. «Alles, was der Zweck des Geschäftes mit sich bringt»
Handlungsvollmacht, i. V. «‹Gewöhnliche› Geschäfte»
Eine Prokuristin unterschreibt z. B. mit «ppa. Carla Bürgi». Sie kann alle Rechtsgeschäfte vornehmen, die allgemein betrachtet mit der Unternehmung in Zusammenhang gebracht werden können. Sie ist befugt, sämtliche Handlungen vorzunehmen, die der Zweck des Geschäfts mit sich bringen kann. Lediglich für den Verkauf und die Belastung von Grundstücken benötigt die Prokuristin eine besondere Ermächtigung.
Ein Handlungsbevollmächtigter darf jene Rechtsgeschäfte vornehmen, die in seiner Funktion gewöhnlicherweise vorkommen; er unterschreibt z. B. mit «i. V. M. Keller». Der Verkäufer eines Warenhauses darf beispielsweise Nachbestellungen bei den Lieferanten vornehmen, nicht aber Waren bestellen, die das Sortiment ändern. Ausdrücklich von der Vollmacht ausgenommen sind Entscheide von grosser Tragweite, zum Beispiel die Aufnahme von Krediten, der Verkauf von Grundstücken und das Eingehen von Wechselverbindlichkeiten (Zahlungsverpflichtung, für die ein rasches Betreibungsverfahren gilt).
ppa. Carla Bürgi
i. V. Max Keller
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Dürfen Verträge aufgelöst werden?
Im Vertragsrecht gilt der Grundsatz, dass ein abgeschlossener Vertrag von den Vertragsparteien eingehalten werden muss. Nur falls beide Vertragsparteien freiwillig auf die Erfüllung des Vertrags verzichten, wird dieser gegenstandslos. Die weit verbreitete Meinung, man könne innert einer bestimmten Frist von einem Vertrag zurücktreten, ist falsch. Zwar kann man bei einigen Geschäften gegen Vorweisung des Kassabons (z. B. mit dem Aufdruck «Umtausch innert 8 Tagen gestattet») gekaufte Güter «umtauschen». Eine solche Praxis bedeutet aber ein freiwilliges Entgegenkommen der Unternehmung – rechtlich ist sie dazu nicht verpflichtet. Weil Konsumenten bei Werbefahrten oder an der Haustüre durch geschickte Verkäufer überrumpelt werden können, sieht das Gesetz ausnahmsweise ein Rücktrittsrecht bei Haustürgeschäften oder ähnlichen Verträgen (Art. 40a – 40f OR) vor. Auch das Konsumkreditgesetz sieht – ebenfalls zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten vor übereilten Vertragsabschlüssen – für Barkredite, Abzahlungsverträge und Leasingverträge innerhalb von 14 Tagen ein Widerrufsrecht vor (Art. 16 KKG). Wenn in einem individuellen Fall auch viele Gründe für einen Vertragsrücktritt vorgebracht werden können, sind Verträge also grundsätzlich einzuhalten. Sie sind nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen ungültig. Dabei ist zwischen nichtigen und anfechtbaren Verträgen zu unterscheiden. Aufgabe 5 ■ Nichtige Verträge (Art. 20 OR) Wenn ein Vertrag nichtig ist, so wird er rechtlich als nicht zustande gekommen betrachtet, er verursacht absolut keine rechtliche Wirkung. Ein Verstoss gegen die Schranken der Vertragsfreiheit, d. h. ein widerrechtlicher, unsittlicher oder objektiv unmöglicher Inhalt, bewirkt die Nichtigkeit des entsprechenden Vertrages. ■ Anfechtbare Verträge (Art. 21–31 OR) Verträge können unter bestimmten Voraussetzungen angefochten und als unverbindlich erklärt werden. Ein anfechtbarer Vertrag wird für die betreffende Vertragspartei allerdings nur dann unverbindlich, falls sie den Vertrag auch tatsächlich anficht. Falls die «benachteiligte» Partei nichts unternimmt, ist ein solcher Vertrag rechtsgültig. Eine erfolgreiche Anfechtung ist bei den folgenden vier Tatbeständen möglich: Übervorteilung, wesentlicher Irrtum, absichtliche Täuschung und Furchterregung.
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■ Übersicht über nichtige und anfechtbare Verträge Ausnahmsweise «ungültige» Verträge
Nichtige Verträge Schranken der Vertragsfreiheit (Art. 20 OR) widerrechtlicher Inhalt unsittlicher Inhalt unmöglicher Inhalt
Anfechtbare Verträge Mängel beim Vertragsabschluss (einseitige Unverbindlichkeit) Übervorteilung (Art. 21 OR) wesentlicher Irrtum (Art. 24 OR) Art des Vertrages Gegenstand / Person Umfang Grundlage des Vertrages absichtliche Täuschung (Art. 28 OR) Furchterregung (Art. 29 OR)
■ Um eine Übervorteilung (Art. 21 OR) geltend zu machen, müssen drei Voraussetzungen gegeben sein: 1) ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung 2) Notlage, Unerfahrenheit oder Leichtsinn beim Übervorteilten 3) die Ausbeutung dieses Umstands durch den Vertragspartner Wenn sich jemand in einem Erbstreit für ein Stundenhonorar von CHF 750.– beraten lässt, so kann ein solcher Vertrag über eine Gesamtsumme von z. B. CHF 5000.– nur dann erfolgreich angefochten werden, falls davon ausgegangen werden kann, dass die betreffende Person von Stundenansätzen für solche Beratungen keine Ahnung haben konnte und die Beratung sehr dringend war. Falls die Rat suchende Person jedoch eine kaufmännische Ausbildung hätte, so müsste sie gewusst haben, dass für solche Beratungen Stundenhonorare von zirka CHF 150.– üblich sind, und sie könnte den Vertrag kaum erfolgreich anfechten. Der Vertrag kann von der übervorteilten Partei innerhalb eines Jahres ab Vertragsabschluss angefochten werden. Hat sie aufgrund des Vertrags bereits etwas geleistet, so kann sie dies zurückfordern.
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■ Wenn sich die Parteien im Vertrag geirrt haben, liegt eventuell ebenfalls eine einseitige Unverbindlichkeit vor. Ein Irrtum muss allerdings wesentlich sein. Was darunter zu verstehen ist, wird in Art. 24 Abs. 1 OR umschrieben: – Irrtum über die Art des Vertrags, z. B. Mietvertrag statt Kaufvertrag. – Irrtum über den Gegenstand / Person, z. B. Kauf von Kalisalpeter zur Herstellung von Arzneimitteln statt Kalisalpeter als Dünger. – Irrtum über den Umfang, z. B. versteht der Mieter den Mietpreis inklusive Nebenkosten, während der Vermieter noch CHF 300.– monatlich als Nebenkosten verlangt. – Irrtum über die notwendige Grundlage des Vertrags, z. B. Kauf eines Baugrundstücks, das aus geologischen Gründen nicht überbaut werden kann. Gemäss Art. 31 Abs. 1 und 2 OR kann man dem Vertragspartner innerhalb eines Jahres ab Entdeckung des Irrtums erklären, dass man den Vertrag nicht einhalten will, und allfällig erfolgte Leistungen zurückfordern. Aber Achtung: Ein unwesentlicher Irrtum – und damit keine einseitige Unverbindlichkeit – liegt z. B. bei einem Falsche Preisanschriften im Schaufenster können Rechnungsfehler vor (4,5 m² zu unter Umständen für den Käufer rechtlich einen CHF 185.– = CHF 740.– anstatt 5,4 m² «wesentlichen Irrtum» darstellen. zu CHF 185.– = CHF 999.–). Ebenfalls unwesentlich ist ein Irrtum aus dem Beweggrund, der zum Vertragsabschluss geführt hat. So kann man sich z. B. nicht auf Irrtum berufen, wenn man ein bestelltes festliches Kleid für die Hochzeit des Bruders nicht mehr will, weil die Hochzeit abgesagt wurde. Übung 5
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■ In gewissen Fällen kann eine Partei beim Vertragsabschluss getäuscht worden sein. Die Merkmale einer absichtlichen Täuschung sind: 1) absichtliche Täuschung (Vorspiegelung falscher Tatsachen oder Verschweigen von Tatsachen) 2) Verleitung zum Vertragsabschluss (Absicht) 3) Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und Vertragsabschluss
Aufgabe 6
Unter dem Begriff «Kausalzusammenhang» muss geprüft werden, ob die Täuschung ursächlich für den Vertragsabschluss ist. Angenommen, eine Käuferin kauft einen echten Perserteppich aufgrund des originellen Musters (und nicht, weil sie primär einen «echten Perser» erstehen will). Falls sich der Teppich nun später als billige Imitation erweist Beim Gebrauchtwagenhandel gibt es immer wieder und Nachforschungen ergeben, dass Klagen, dass Käufer getäuscht würden: Reparierte sich der Teppichhändler regelmässig auf Unfallfahrzeuge werden als unfallfrei angeboten. dem Schwarzmarkt eindeckt, könnte die Käuferin trotzdem nicht den fehlenden Kausalzusammenhang geltend machen, weil eben das originelle Muster und nicht die Echtheit des Teppichs für den Vertragsabschluss ursächlich war. Wie beim Irrtum kann der Getäuschte gemäss Art. 31 Abs. 1 und 2 OR dem Vertragspartner innerhalb eines Jahres ab Entdeckung der Täuschung erklären, dass er den Vertrag nicht einhalten will, und die erfolgte Leistung zurückfordern. ■ Schliesslich kann auch eine erlittene Furchterregung einen Anfechtungsgrund darstellen. Auch dafür müssen drei Voraussetzungen gegeben sein: 1) widerrechtliche Drohung (psychischer Zwang) 2) begründete Furcht (Drohung muss eine erhebliche Gefahr darstellen) 3) Kausalzusammenhang zwischen Drohung und Vertragsabschluss. Dieser wäre z. B. gegeben, wenn eine Unternehmung ihre Büromöbel nur deshalb bei einem bestimmten Lieferanten einkauft, weil dieser der verheirateten Einkäuferin drohte, ihr Verhältnis mit einem Liebhaber öffentlich bekannt zu machen, wenn sie die Büromöbel nicht bei ihm kaufen würde. Falls die Furcht für die Einkäuferin allerdings nicht begründet wäre, weil sie z. B. nicht verheiratet wäre (und keine feste Beziehung pflegen würde), so würde das Merkmal der begründeten Furcht entfallen, und auch der Kausalzusammenhang wäre nicht gegeben.
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Die einjährige Verjährungsfrist beginnt beim Tatbestand der Furchterregung, sobald die Furcht nicht mehr besteht (Art. 31 Abs. 2 OR). Für eine erfolgreiche Anfechtung eines Vertrags empfiehlt sich die Mithilfe eines Rechtsanwaltes bzw. einer Rechtsanwältin, weil die Anwendung der entsprechenden Gesetzesartikel auf den Sachverhalt die Kenntnis Aufgabe 7 früherer Gerichtsentscheide bedingt. Übung 7
11.3
Die Absicherung von Vertragspflichten
Falls die Vertragspflichten nicht oder schlecht erfüllt werden, führt dies häufig zu unterschiedlichen Einschätzungen durch die Vertragspartner. Kommt keine Einigung zustande, hat dies vielfach einen unergiebigen Rechtsstreit zur Folge. Um die richtige Erfüllung des Vertrags zu fördern und gegen allfällige finanzielle Schäden abgesichert zu sein, können bereits bei Vertragsabschluss bestimmte Sicherungsmassnahmen getroffen werden. Die entsprechenden Rechtsgrundlagen finden sich im Obligationenrecht und im Zivilgesetzbuch. ■ Konventionalstrafe (Art. 160 OR): Hält eine Vertragspartei gewisse Abmachungen (Konventionen) des Vertrags nicht ein, so muss sie eine im Vertrag festgelegte Summe bezahlen. Diese Vereinbarung, Konventionalstrafe genannt, hat für den Geschädigten einen entscheidenden Vorteil: Der entstandene Schaden muss nicht nachgewiesen werden. Die Strafe muss allein aufgrund der Verletzung der Abmachung bezahlt werden – auch wenn noch gar keine Vermögenseinbusse entstanden ist. Eine Konventionalstrafe kann z. B. zur Sicherstellung einer pünktlichen Lieferung vereinbart werden. Wird die Ware nicht bis zum vereinbarten Termin ausgeliefert, ist (automatisch) die Konventionalstrafe fällig. ■ Zession (Art. 164 OR): Wer eine Forderung besitzt, kann diese grundsätzlich an eine andere Person oder Unternehmung abtreten («zedieren»; Zession = Forderungsabtretung). Damit kann z. B. ein Betriebskredit gesichert werden, indem ein Kreditnehmer seine Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (Debitorenforderungen) an den Kreditgeber abtritt. Eine Zession kann auch im Zusammenhang mit Löhnen eingerichtet werden. Eine Lohnzession ist allerdings nur zur Sicherung von Unterhalts- und Unterstützungspflichten erlaubt. Damit wird verhindert, dass sich Arbeitnehmer übermässig verschulden und damit ihren Lebensunterhalt gefährden.
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■ Kaution (Art. 257e und 330 OR): Unter einer Kaution verstehen wir eine Geldsumme, die zur Deckung allfälliger Schadenersatzforderungen hinterlegt wird. Häufig werden solche Vertragsklauseln in Mietverträgen (Art. 257e OR) vereinbart. Damit kann der Vermieter die Rückgabe absichern, und er erhält ein Depot für den Fall einer Beschädigung der Mietsache. Bei Wohnungsmieten werden mit einer Kaution Mietzinszahlungen abgesichert. Bei Arbeitsverträgen (Art. 330 OR) sind Kautionen dann vorgesehen, wenn der Arbeitnehmer z. B. wertvolle Kollektionen erhält, selbstständig eine Kasse verwaltet oder als Filialleiter über ein «eigenes» Warenlager verfügt. ■ Solidarbürgschaft (Art. 490 ff. OR): In einem besonderen Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich eine Drittperson (Bürge), unter bestimmten Voraussetzungen die Schuld des Hauptschuldners zu begleichen. Besonders wirksam ist die Solidarbürgschaft, bei der sich der Bürge verpflichtet, bereits bei erfolgloser Mahnung des Hauptschuldners die Schuld zu begleichen. Die Bürgschaft eignet sich besonders zur Sicherung von Bankkrediten. Bürgschaften haben für den Gläubiger allerdings den Nachteil, dass er die Kreditfähigkeit des Bürgen überprüfen muss. ■ Eigentumsvorbehalt (Art. 715 ZGB): Durch einen Eigentumsvorbehalt kann sich der Verkäufer die Sicherheit verschaffen, dass er den Kaufgegenstand so lange zurückfordern kann, bis der Käufer den Kaufpreis vollständig bezahlt hat. Ein rechtsgültiger Eigentumsvorbehalt muss allerdings beim Betreibungsamt am Wohnort des Schuldners eingetragen sein.
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Mit einem Pfandrecht wird eine Forderung derart gesichert, dass der Pfandgläubiger das Recht erhält, die verpfändete Sache verwerten zu lassen und sich aus dem Verwertungserlös seine Forderung auszahlen zu lassen. Wir unterscheiden zwischen Pfandrechten an Liegenschaften und solchen an Fahrnisgegenständen (beweglichen Gegenständen). ■ Grundpfand (Art. 793 ZGB): Beim Grundpfandrecht hat die Gläubigerin als Sicherheit für eine Forderung ein Pfandrecht an einem Grundstück des Schuldners. So besitzt z. B. eine Bank zur Absicherung eines Hypothekarkredites ein Pfandrecht an der Liegenschaft des Kreditnehmers. Falls dieser fällige Zinsen oder die Rückzahlung der Hypothek nicht leisten kann, darf die Bank die Liegenschaft verwerten (versteigern) lassen. Ein Grundpfandrecht entsteht durch den Abschluss eines öffentlich beurkundeten Pfandvertrages zwischen der Gläubigerin und dem Grundeigentümer und durch den Eintrag im Grundbuch (Art. 799 ZGB). ■ Faustpfand (Art. 884 ff. ZGB): Beim Faustpfandvertrag ist dem Gläubiger eine bewegliche Sache (z. B. Wertpapiere, Policen von Lebensversicherungen mit einem Rückkaufswert, Schmuck oder Kunstgegenstände) zu übergeben. Der Gläubiger kann, falls der Schuldner nicht termingerecht bezahlt, das Pfand verwerten. Eine typische Anwendung eines Faustpfandes ist die Absicherung eines Bankkredites durch Wertpapiere (Lombardkredit). ■ Retentionsrecht (Art. 895 ff. ZGB): Dieses Sicherungsrecht erlaubt dem Gläubiger, bewegliche Sachen oder Wertpapiere zurückzubehalten, wenn die Forderung fällig wird. Das Retentionsrecht (= Rückbehaltungsrecht) ist damit eine spezielle Art des Faustpfandes. Damit kann z. B. ein Handwerker eine reparierte Sache als Sicherheit zurückbehalten, bis die Reparatur bezahlt ist.
Aufgabe 8 Übung 6
Allgemeine Vertragslehre
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Allgemeine Vertragslehre
Das haben Sie gelernt Voraussetzung für die Entstehung von Obligationen aus einem Vertrag gemäss Art. 1 OR veranschaulichen Je ein Beispiel für verbindliche und unverbindliche Anträge unter Abwesenden nennen Die Pflichten bei unbestellt zugesandten Waren nennen Die gesetzlichen Formvorschriften begründen und unterscheiden Die Schranken der Vertragsfreiheit begründen und unterscheiden Die Voraussetzungen der Handlungsfähigkeit prüfen Die Stellvertretungsmöglichkeiten der Vertragsparteien beurteilen Das Rücktrittsrecht von Verträgen beschreiben Anhand einfacher Fallbeispiele entscheiden, ob ein Widerruf rechtlich wirksam ist Mithilfe der Tatbestandsmerkmale über die Gültigkeit von Verträgen entscheiden sowie die Rechtsfolgen der ungültigen Verträge nennen Acht mögliche Massnahmen zur Sicherung der Vertragserfüllung vorschlagen Vorgeschlagene Sicherungsmittel für konkrete Verträge beurteilen
Offene Fragen
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Diese Begriffe können Sie erklären Obligation (rechtlich)
Ungültige Verträge
Verträge
Übervorteilung
Antrag und Annahme
Mängel beim Vertragsabschluss
Verbindlich / unverbindlich
Irrtum
Befristet / unbefristet
Wesentlicher Irrtum
Unter Anwesenden / unter Abwesenden
Unwesentlicher Irrtum
Widerruf
Absichtliche Täuschung
Formvorschrift
Furchterregung
Formfreiheit
Nichtige Verträge
Einfache Schriftlichkeit
Anfechtbare Verträge
Qualifizierte Schriftlichkeit
Sicherungsmittel
Öffentliche Beurkundung
Konventionalstrafe
Urkundsperson
Zession
Inhaltsfreiheit
Lohnzession
Schranken der Vertragsfreiheit
Kaution
Geschäftsfähigkeit
Solidarbürgschaft
Handlungsfähigkeit
Eigentumsvorbehalt
Urteilsfähigkeit
Grundpfand
Volljährigkeit
Faustpfand
Kaufmännische Stellvertretungen
Retentionsrecht
Prokura (ppa.) Handlungsvollmacht (i. V.)
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Allgemeine Vertragslehre
Übung 1 Antrag – Annahme – Widerruf Welche Aussagen sind richtig (R); welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien. a) Eine Offerte als Angebot zum Vertragsabschluss stellt in der Ausdrucksweise des Obligationenrechts einen «Antrag» dar.
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h) Das Inserat «Neue 4½-Zimmer-Wohnung, hoher Ausbaustandard, Miete CHF 2800.– + NK» ist rechtlich ein verbindlicher Antrag.
i) Unbestellte Sachen dürfen gebraucht werden; ausser sie sind irrtümlich (z. B. falsche Adresse) zugesandt worden.
b) Eine Bestellung aufgrund eines Inserates stellt in der Ausdrucksweise des Obligationenrechts einen «Antrag» dar.
d) Ein Antrag, der telefonisch erfolgt, fällt rechtlich in die Gruppe der «Anträge unter Abwesenden».
e) Die Zusendung von unbestellten Sachen gilt gemäss Art. 6 OR als «Antrag».
Gesetzesartikel
a) Grundstückkauf (Kaufvertrag)
f) Der Widerruf einer Bestellung ist nur dann gültig, wenn er vor oder gleichzeitig mit der Bestellung beim Empfänger eintrifft.
b) Kündigung bei Wohn- / Geschäftsräumen (Mietvertrag) durch den Vermieter
c) Konkurrenzverbot g) Damit ein Vertrag zustande kommt, muss eine Offerte immer ausdrücklich angenommen werden (Art. 1 Abs. 2 OR).
(Arbeitsvertrag)
d) Darlehen
öffentliche Beurkundung
Bestimmen Sie mithilfe des Gesetzes für die folgenden Verträge die zutreffenden Formvorschriften. Gehen Sie von den in Klammern angegebenen Vertragsverhältnissen aus und suchen Sie im Inhaltsverzeichnis des OR die entsprechenden Gesetzesartikel.
qualifizierte Schriftlichkeit
c) Bei schriftlichen Offerten ist man so lange gebunden, bis die Offerte beim Empfänger eintrifft.
einfache Schriftlichkeit
Übung 2 Verschiedene Formvorschriften
keine Formvorschrift
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A
B
C
D
unmöglicher Inhalt
Die Forderungen können in den folgenden Sachverhalten rechtlich nicht durchgesetzt werden, weil es sich um nichtige Verträge handelt. Bestimmen Sie für die einzelnen Sachverhalte den Grund der Nichtigkeit.
unsittlicher Inhalt
Übung 4 Wer ist handlungsfähig? widerrechtlicher Inhalt
Übung 3 Gründe für nichtige Verträge
A
B
C
Kreuzen Sie die Handlungsfähigkeit der folgenden Personen an. Begründen Sie Ihre Antwort, indem Sie die Voraussetzungen der Handlungsfähigkeit (volljährig und urteilsfähig) der entsprechenden Personen bestimmen. Handlungsfähigkeit
Voraussetzung
A B
D E
C
handlungsunfähig beschränkt handlungsunfähig handlungsfähig
volljährig urteilsfähig
a) Herr Alder engagiert einen Bergführer, der für ihn über eine alte Schmuggelroute Tabakwaren von Italien in die Schweiz schmuggeln soll. Bergführer Brun erklärt sich gegen eine Vorauszahlung von CHF 1000.– für das Schmuggelgeschäft bereit. Als Herr Brun am vereinbarten Termin nicht erscheint, fordert Herr Alder sein Geld zurück.
A
B
C
D
E
a) Lernender, 17 Jahre
b) In einer klaren Silvesternacht kommt Frau Conrad auf die Idee, Sterne
b) Lernende, 19 Jahre
an romantische Menschen zu verkaufen. Herr Dietrich unterschreibt eine kunstvoll angefertigte Urkunde, die ihm das Eigentum am Polarstern belegt. Frau Conrad verlangt einen Kaufpreis von CHF 500.–.
c) Studentin, 20 Jahre d) Kindergartenkind, 6 Jahre
c) Erwin Erhart beauftragt den Privatdetektiv Maurice Graber, seine
e) Betrunkener, 22 Jahre
eigene Frau, Carol Erhart, zu einem Ehebruch zu verführen, um damit einen Scheidungsgrund zu provozieren. Es wird ein Erfolgshonorar von CHF 10000.– vereinbart, von dem Erwin Erhart allerdings später nichts mehr wissen will.
f) Asylbewerber, 22 Jahre
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Übung 5 Verschiedene Irrtümer Art. 24
einen Fernseher statt eines Mietvertrages über zwei Monate für dieses Gerät.
b) Rechnungsfehler bei der Rechnungsstellung. c) Verkauf einer vermeintlichen Kopie eines Gemäldes von C. Hutter zu CHF 5000.–, wobei es sich in Wirklichkeit um das Originalgemälde im Wert von CHF 75 000.– handelt.
d) Verwechslung von zwei Hotels bei der Reservierung von Unterkünften für ein Seminar.
e) A. Moser annulliert eine fest gebuchte Ägyptenreise für zwei Personen, weil sie sich inzwischen mit ihrem Mann zerstritten hat und die Reise deshalb nicht antreten will.
f) Irrtümliche Beschriftung eines Ringes im Schaufenster mit CHF 1380.– statt mit CHF 13 800.–.
Abs. 1 Ziff. 2
Abs. 1 Ziff. 3
Abs. 1 Ziff. 4
Abs. 2
Abs. 3
wesentlicher Irrtum
unwesentlicher Irrtum
Lesen Sie den Art. 24 OR durch. Ordnen Sie für die folgenden Fälle von Irrtum die zutreffenden Gesetzesartikel zu:
a) Unterzeichnung eines Kaufvertrages für
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Übung 6 Geeignete Sicherungsmittel
Abs. 1 Ziff. 1
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A
B
C
D
E
F
G
H
Bestimmen Sie aufgrund der Umschreibungen das zutreffende Sicherungsmittel: A = Eigentumsvorbehalt, B = Faustpfand, C = Grundpfand, D = Kaution, E = Konventionalstrafe, F = Retentionsrecht, G = Solidarbürgschaft, H = Zession a) Zwei Monatsmietzinse für eine Wohnung werden auf einem Konto hinterlegt. Bei einer Vertragsverletzung kann der Vermieter die Geldsumme zur Deckung seines Schadens verwenden. b) Zur Sicherung des Kredits werden bei der Bank Aktien hinterlegt. c) Ein Geschäft tritt zur Sicherung seines Betriebskredits seine Kundenforderungen an die Bank ab. d) Ein Möbelgeschäft verlangt die vor sieben Monaten gelieferten Möbel wieder zurück, da der Kunde die fälligen Monatsraten nicht mehr bezahlt hat. e) Madeleine Scherrer hat einen Betriebskredit für die Einrichtung ihres Coiffeurgeschäfts aufgenommen. Als Sicherheit wurde ein Vertrag zwischen der Bank und Herrn Furger (Onkel von Frau Scherrer) geschlossen, in dem sich Herr Furger verpflichtete, für den Betriebskredit einzustehen, sobald Madeleine Scherrer von der Bank erfolglos gemahnt würde. f) Der Garagist Eduard Vetterli weigert sich, Herrn Thoma den reparierten Golf auszuhändigen, da dieser erst Ende Monat zahlen will. g) Die Chemiefirma hat im Arbeitsvertrag mit ihrem Chefchemiker eine Klausel, die es ihm verbietet, während eines Jahres nach Vertragsauflösung bei einem der drei direkten Konkurrenten eine neue Stelle anzutreten. Bei einer Verletzung gegen diese Bestimmung ist ein Betrag von CHF 40 000.– zu bezahlen. h) Falls die Zinszahlungen ausbleiben und der Kredit, der für den Umbau des Restaurants benötigt wurde, nicht zurückbezahlt wird, kann der Kreditgeber verlangen, dass die Liegenschaft versteigert wird.
anfechtbar
nichtig
Kreuzen Sie an, was auf den Sachverhalt zutrifft und geben Sie den Tatbestand und die genaue Gesetzesstelle an, der Sie zu Ihrer Antwort veranlasst hat.
gültig
Übung 7 Rechtsfolgen von Mängeln beim Vertragsabschluss
g
a
n
Tatbestand
Gesetzesstelle
a) Otto kauft 50 ABB-Aktien zum Kurs von CHF 8.40 in Erwartung steigender Kurse. Vier Tage später fällt der Kurs der Aktie auf CHF 6.30. b) Paul kauft einen Occasions-BMW, Jahrgang 2002, TachometerStand 20 000 km, für CHF 40 000.–. Zwei Monate später erfährt er, dass der Kilometerzähler vom Verkäufer verstellt wurde. Effektiver Kilometerstand: 55 000. c) Schmuckhändler Ludwig kauft von einem Drogenabhängigen, der dringend Geld für Drogen braucht, wertvollen Familienschmuck für CHF 5000.–. Der geschätzte Wert des Schmucks beträgt CHF 30 000.–. d) Andrea will bei einem Versandhaus einen weissen Mantel bestellen, erhält aber einen schwarzen Mantel zugestellt, weil sie die falsche Artikel-Nr. angekreuzt hat. e) Olga verkauft Tim 1 kg Heroin für CHF 10000.–. f) Gegen Bezahlung von CHF 50 000.– versprechen die Eltern einem Geschäftsmann, dass ihre 14-jährige Tochter ihn in 5 Jahren heiraten werde. g) Hans stellt Claudia als Mitarbeiterin in seiner Bank ein, weil diese gesehen hat, dass er nachts einen Fussgänger angefahren und anschliessend Fahrerflucht begangen hat. Claudia stellte ansonsten eine Strafanzeige in Aussicht. h) Elisa kauft einen Lottoschein, weil sie sich eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn ausrechnet. Tatsächlich gewinnt sie nichts.
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Aufgabe 1 Offerten und Bestellungen – hin und zurück Claudia Gubser, Inhaberin der Einzelfirma Gemüsehandel Gubser, richtet derzeit ihre Büround Ladenräumlichkeiten neu ein. Auf der Suche nach günstigem Mobiliar hat sie einiges erlebt. Beurteilen Sie die folgenden Sachverhalte aus rechtlicher Sicht. Berücksichtigen Sie dabei Art. 3 bis Art. 9 OR.
c) Frau Gubser erkundigte sich bei der Office-Line nach einem Aktenschrank. Am Telefon bot ihr der Verkäufer einen Rollo-Aktenschrank mit verstellbarer Jalousiefront für CHF 349.– an. Als sie nach zwei Wochen den Schrank bestellen will, sagt ihr der Verkäufer, dass aufgrund einer Preiserhöhung des Lieferanten der Verkaufspreis auf CHF 389.– gestiegen sei. Kann Frau Gubser auf dem alten Angebot bestehen?
a) Claudia Gubser hatte auf ein Zeitungsinserat hin einen PC-Schreibtisch zum Preis von CHF 499.– bestellt. Der Verkäufer teilte ihr am Telefon mit, dass sie schon alle Modelle verkauft hätten. Kann sich Frau Gubser auf das Zeitungsinserat berufen und Schadenersatz (Mehrpreis von CHF 100.– bei einem anderen Lieferanten) verlangen?
b) Im Schaufenster des Office Store war ein Fitnessdrehstuhl mit integrierter BodyBalance-Technologie, verstellbarer Rückenlehne, lastabhängig gebremsten Rollen sowie höhenverstellbaren Armlehnen (Katalogpreis CHF 529.–) zum Aktionspreis von CHF 429.– ausgestellt. Als Frau Gubser das günstige Modell im Laden kaufen wollte, sagte ihr die Verkäuferin, das Sonderangebot sei vor zwei Tagen abgelaufen; sie habe vergessen, das Preisschild auszuwechseln. Kann Frau Gubser auf dem Verkaufspreis von CHF 429.– bestehen?
d) Angebot auf einem Flyer mit angefügtem Faxtalon: «Fachbodengrundregal exklusive Kreuzverstrebung. Sehr stabil bei einfachster Montage, einfaches Stecksystem, schnelle werkzeuglose Montage, 6 Tablare / Fachböden mit einer Tragkraft von 200 kg (Höhe 2500, Breite 850, Tiefe 300) zum Preis von CHF 116.–.» Dieses Modell bestellt Frau Gubser per Fax. Am nächsten Tag erscheint in der Zeitung ein noch attraktiveres Angebot. Da Frau Gubser noch keine Auftragsbestätigung erhalten hat, widerruft sie sofort ihre Bestellung (wiederum per Fax). Ist Frau Gubser damit von ihrer ersten Bestellung wieder frei und kann stattdessen das günstigere Modell bestellen?
Aufgabe 2 Formvorschriften für Verträge Welche gesetzlichen Formvorschriften bestehen für die folgenden Verträge? Suchen Sie die entsprechenden Artikel mittels Inhaltsverzeichnis, Stichwortverzeichnis oder Sachregister des OR. Nennen und umschreiben Sie die geforderten Formvorschriften und belegen Sie Ihre Antworten mit dem jeweils zutreffenden Gesetzesartikel.
c) Abschluss eines Mietvertrags Claudia hat Glück: Sie erhält unter 20 Bewerber / innen die günstige 2½-ZimmerWohnung. Vermieterin ist eine Versicherungsgesellschaft, die einen Teil ihrer Prämieneinnahmen in Liegenschaften investiert.
a) Abschluss eines Lehrvertrages Cédric interessiert sich für den Beruf des Mediamatikers und absolvierte dazu in der Firma Net-Support eine Schnupperlehre. Nachdem er den Eignungstest mit gutem Erfolg bestanden hat, schliesst er mit der Firma Net-Support einen Lehrvertrag ab.
d) Abschluss eines Solidarbürgschaftsvertrags Frau Kohler, Inhaberin einer Kinderboutique, verbürgt sich bei einem Lieferanten, die Schuld von CHF 25 000.– ihres Bruders zu begleichen. Diese Zahlung wird für Frau Kohler fällig, sofern der Lieferant ihren Bruder erfolglos mahnt.
b) Konkurrenzverbot in einem Arbeitsvertrag Robert Altmann, Maschineningenieur, muss sich gegenüber seinem Arbeitgeber verpflichten, im Falle einer Kündigung während zwei Jahren nicht bei der Konkurrenz zu arbeiten. Falls er dies trotzdem tun sollte, wäre eine Konventionalstrafe von CHF 20 000.– zu bezahlen.
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Aufgabe 3 Verträge Minderjähriger Nicole, 17 Jahre alt, verdient als Lernende monatlich CHF 950.–. Davon gibt sie zu Hause CHF 350.– als Beitrag an die Haushaltkosten ab. In den zwei Lehrjahren hat sie mit einem Dauerauftrag von monatlich CHF 150.– auf ihrem Bankkonto CHF 3600.– gespart. Diesen Sommer will sich Nicole unbedingt Ferien am Meer leisten. Sie bucht bei einem Reisebüro für CHF 3500.– eine Reise auf die Seychellen. Ihre Eltern sind mit den Ferienplänen ihrer Tochter nicht einverstanden und fordern das Reisebüro auf, die Buchung rückgängig zu machen. Ist zwischen Nicole und dem Reisebüro überhaupt ein gültiger Vertrag entstanden? Begründen Sie Ihre Antwort mit den entsprechenden Gesetzesartikeln.
Aufgabe 4 Vollmacht überschritten? Die Inhaberin eines Modegeschäftes, Frau Luzia Leuenberger, beauftragt und ermächtigt ihre Mitarbeiterin, Frau Hänzi, an der Kleidermesse in Basel für CHF 3000.– festliche Kleider einzukaufen. Frau Hänzi kauft bei einem Lieferanten im Namen von Frau Leuenberger fünf ausgefallene Modelle ein. Luzia Leuenberger gefallen die Modelle gar nicht. a) Kann Frau Leuenberger den Kauf rückgängig machen? Begründen Sie Ihre Antwort.
b) Bestehen für Frau Hänzi durch dieses Geschäft irgendwelche Verpflichtungen?
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Aufgabe 5 Rücktrittsrecht bei Kaufverträgen In der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr kommt es immer wieder zu grösseren Umtauschaktionen. Beim einen Geschenk gefällt die Farbe nicht, beim anderen stimmt die Grösse nicht, und gewisse Geschenke haben den Geschmack des Empfängers nicht getroffen. Frau Hasler hat zu Weihnachten zwei schmiedeeiserne Kerzenständer geschenkt bekommen. Leider passen diese überhaupt nicht zu ihrer Wohnungseinrichtung. Als sie die beiden Kerzenständer im Geschenk-Lädeli zurückgeben will, bietet ihr die Verkäuferin einen Gutschein an. Da Frau Hasler beim besten Willen nichts gefällt, möchte sie lieber den Verkaufspreis zurück.
c) Wie lassen sich solche Umtauschaktionen nach Weihnachten vermeiden?
a) Prüfen Sie anhand von Artikel 184ff. OR, ob bei Kaufverträgen grundsätzlich ein Rücktrittsrecht besteht. Beachten Sie auch den Sonderfall «Haustürgeschäft».
b) Besteht ein grundsätzliches Umtauschrecht bei Kaufverträgen?
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Aufgabe 6 Absichtliche Täuschung – ja oder nein? Herr Rölli kauft beim Teppichhändler Schwager einen Perserteppich, den Herr Schwager als «echten Perserteppich» bezeichnet. Nach einiger Zeit erkennt Herr Rölli, dass es sich um eine Imitation handelt, und will den Teppich zurückgeben; Herr Schwager hält am Kaufvertrag fest. Herr Rölli ficht den Vertrag an. Auf die Frage des Richters, warum er den Teppich gekauft habe, antwortet Herr Rölli: «Weil ich mir schon lange einen echten Perserteppich gewünscht habe.»
b) Beschreiben Sie die Rechtsfolgen unter Berücksichtigung von Art. 31 OR.
a) Bestimmen Sie die Tatbestandsmerkmale der absichtlichen Täuschung (Art. 28 OR). Entscheiden Sie, ob die einzelnen Tatbestandsmerkmale im vorliegenden Sachverhalt erfüllt sind oder nicht. Art. 28 Abs. 1 OR Rechtlich bedeutsame Merkmale des Tatbestandes
TBM
Daraus sich ergebende Rechtsfolgen
RF Variante: Sachverhalt wie in der Ausgangslage, jedoch antwortet Herr Rölli auf die Frage des Richters, warum er den Teppich gekauft habe: «Weil mir das Muster dieses Teppichs so gut gefallen hat.» c) Entscheiden Sie, ob die einzelnen Tatbestandsmerkmale für die Variante erfüllt sind oder nicht, und beschreiben Sie die Rechtsfolgen.
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Aufgabe 7 Furchterregung – ja oder nein? Frau Tinner hat für ihre Unternehmung das Büromobiliar zu erneuern. Herr Urech, ein Lieferant für exklusive Büromöbel, droht der verheirateten Frau Tinner, er werde ihr Verhältnis mit Franz Frehner öffentlich bekannt machen, wenn Frau Tinner die Büromöbel nicht bei ihm kaufe.
b) Beschreiben Sie die Rechtsfolgen unter Berücksichtigung von Art. 31 OR.
a) Bestimmen Sie die Tatbestandsmerkmale der Furchterregung (Art. 29 OR). Entscheiden Sie, ob die einzelnen Tatbestandsmerkmale im vorliegenden Sachverhalt erfüllt sind oder nicht. Art. 29 Abs. 1 OR Rechtlich bedeutsame Merkmale des Tatbestandes
TBM
Daraus sich ergebende Rechtsfolgen
RF Variante: Sachverhalt wie in der Ausgangslage, jedoch ist Frau Tinner nicht verheiratet und pflegt keine feste Beziehung. c) Entscheiden Sie, ob die einzelnen Tatbestandsmerkmale für die Variante erfüllt sind oder nicht. Beschreiben Sie die Rechtsfolgen.
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Aufgabe 8 Welche Sicherungsmittel sind geeignet? Charakterisieren Sie die aufgeführten Sicherungsmittel und beurteilen Sie diese für die folgenden Verträge im Hinblick auf ihre Nützlichkeit. Entscheiden Sie jeweils, welche der beiden Massnahmen sich besser eignet, und begründen Sie Ihren Entscheid.
b) Faustpfand (Lebensversicherungspolice mit Rückkaufswert CHF 100000.–).
1. Peter Vogel erhält ein günstiges Angebot über 1800 Quadratmeter Bauland. Er will zusammen mit einem Freund ein neues, Energie sparendes Werkstattgebäude bauen. Sie benötigen dazu einen Baukredit von CHF 1200 000.–. a) Grundpfand über das betreffende Grundstück.
b) Solidarbürgschaft seiner Eltern.
c) Besser eignet sich:
3. Die Pulverbeschichtungsfirma Hafner schliesst mit der Metallbaufirma Vogel für die nächsten zwei Jahre einen Vertrag über die Beschichtung von monatlich 8000 Quadratmeter Deckenplatten ab. Zu diesem Zweck beschafft sich die Firma Hafner eine spezielle Spritzanlage für CHF 300 000.–. Als Sicherungsmittel kommen in Betracht: a) Retentionsrecht auf die beschichteten Deckenplatten.
c) Besser eignet sich:
2. Franz Stocker, 57, benötigt einen Betriebskredit zur Überbrückung eines finanziellen Engpasses, da sich eine Produktentwicklung als Flop erwiesen hat. Gleichzeitig kämpft seine Branche mit Strukturproblemen, die sich in vermehrten Konkursen äussern.
b) Konventionalstrafe von monatlich CHF 20 000.–, wenn die vereinbarten 8000 Quadratmeter nicht abgenommen werden (bis maximal CHF 300 000.–).
a) Zession der ausstehenden Kundenguthaben (aktueller Stand CHF 100 000.–).
c) Besser eignet sich: