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Rechtsquellen und Verhaltensregeln

Weil nicht alle Menschen den gleichen Sachverhalt gleich beurteilen, brauchen wir verbindliche Regeln, um unser Zusammenleben zu organisieren. Vielfach sagt uns unsere innere Stimme, was richtig oder falsch ist. Manchmal helfen auch über­ lieferte Wertvorstellungen, um uns in einer Situation richtig zu verhalten. Wenn aber Konflikte weder mit gegenseitigen Vereinbarungen noch in klärenden Gesprächen gelöst werden können, bietet die staatliche Rechtsordnung standardisierte Regelungen, um offene Fragen – notfalls durch ein Gericht – zu entscheiden. Die Vielzahl der Rechtsvorschriften, die neben Sitte und Moral unser Zusammenleben regeln, bildet die Rechtsordnung. Ein Überblick über den gesamten Bereich soll uns helfen, bei konkreten Fragen die zutreffenden Vorschriften im massgebenden Rechtserlass zu finden.

Theorie 1 2 3 4

Übungen

© 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt in 120 Lektionen Recht schafft Sicherheit ........................................................................................ 1 Wirtschaft und 1 Gesellschaft, Rechtsquellen ....................................................................................................... 1 Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht Rechtsquellen – woran halten sich die Gerichte?.................................................... 1 2 Öffentliches oder privates Recht?........................................................................... 1 Gliederung des Rechts .......................................................................................... 1 3 Absolute und relative Rechtsansprüche.................................................................. 1 4 Moral, Sitte oder Recht ......................................................................................... 1 Moral, Sitte und Recht........................................................................................... 1 Das haben Sie gelernt............................................................................................ 1 Diese Begriffe können Sie erklären ........................................................................ 1

Aufgaben 1 2 3 4

Was zeichnet einen Rechtsstaat aus?..................................................................... 1 Konflikte und entsprechende Rechtsgrundlagen .................................................... 1 «Vom Umgang unter Eheleuten» .......................................................................... 1 Was bestimmt unser Verhalten? ............................................................................ 1

Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft in 120 Lektionen 1. Auflage 2017 / © Verlag SKV AG, Zürich Diese Broschüre ist urheberrechtlich geschützt. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, die Broschüre oder Teile daraus in irgendeiner Form zu reproduzieren. Rechtsquellen und Verhaltensregeln  1


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1 Recht schafft Sicherheit

In ihrer rechten Hand hält die Justitia ein Schwert als Symbol für die Strafgewalt. Das Recht soll von der Staatsgewalt durchgesetzt und (speziell in einem Strafprozess) die schuldige Partei bestraft werden. Während nach Gerechtigkeitsüberlegungen jeder Fall nach der gleichen Regel entschieden werden muss, sollte es dem Gericht aber auch möglich sein, dem Einzelfall Rechnung zu tragen. Dadurch können einerseits künftige Entwicklungen besser berücksichtigt werden; andererseits erlaubt der Freiraum des Richters, in Rechtsnormen auf die allzu detaillierte ­Regelung von Sonderfällen zu verzichten. Im Weiteren müssen Rechtsvorschriften klar sein und die rechtlichen Konsequenzen erkennen lassen, damit Rechtssicherheit erzielt wird. Allgemein formulierte Rechtsvorschriften sind zweckmässig, weil sie für viele verschiedene Sachverhalte angewandt werden können. Aufgabe 1

Rechtsvorschriften sollen das Zusammenleben der Menschen sinnvoll «regeln» und in die vielen täglich ablaufenden Geschäfte eine gewisse Sicherheit bringen. Mit Rechtsvorschriften versuchen wir, Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen, indem verschiedenste Vorgänge im Leben von vornherein geregelt werden. So sind z. B. in einem Arbeitsvertrag bereits vor Arbeitsantritt viele mögliche Streitpunkte geregelt. Wenn doch Konflikte entstehen, sollen diese mithilfe der Rechtsvorschriften möglichst einvernehmlich geklärt werden können. Falls keine gegenseitig akzeptierte Lösung möglich wird, zeigt die Rechtsordnung das Verfahren 2 Rechtsquellen – woran halten sich die Gerichte? auf, wie Konflikte durch unabhängige Gerichte beurteilt und schliesslich durch einen Richterspruch entschieden werden können. ■ Verschiedene Rechtsquellen Recht muss nach unserem allgemeinen Dafürhalten «gerecht» sein. Doch was heisst das? ■ Grundsätzlich stützt man sich in einer Rechtsangelegenheit auf das geschriebene Recht, Seit römischen Zeiten gilt in unserem Kulturkreis das die dominierende Rechtsquelle darstellt. Meistens stehen allerdings in einem konkre© 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und in 120 Lektionen tenGesellschaft, Fall gleichzeitig auch noch weitere Rechtsquellen zur Verfügung, die in unterschieddie Justitia als Symbol der Gerechtigkeit. Mit Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht lichem Masse zu einem Entscheid beitragen können. «verbundenen Augen» soll die Rechtsanwen■ In allen menschlichen Gemeinschaften haben sich im Laufe der Geschichte Gewohnheidung unabhängig vom Ansehen der Parteien geschehen, d. h., die Richterin soll unparteiisch ten (= Gewohnheitsrecht) eingebürgert, die auch ohne schriftliche Fixierung allgemein entscheiden und alle Menschen gleich behananerkannt werden. In einzelnen Bestimmungen des Zivilgesetzbuches und des Obli­ gationenrechts wird ausdrücklich auf die «Übung» und den «Ortsgebrauch» verwiesen. deln. «Gerechtigkeit» ist allerdings ein vielJustitia ist die römische Göttin der ­­ Damit wird das an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Berufszweig üblischichtiger Begriff: Objektiv betrachtet, ist Ge­Gerechtigkeit und des Rechtswesens. che Verhalten in einer bestimmten Situation umschrieben. rechtigkeit nämlich dann gegeben, wenn alle ■ In einem Rechtsstaat sollen ähnliche Fälle durch die Rechtsprechung ähnlich beurteilt Menschen gleich behandelt werden. Weil wir werden. Manchmal bilden frühere Gerichtsentscheide deshalb einen «Vorentscheid» Menschen jedoch in natürlicher und sozialer Hinsicht Unterschiede aufweisen, ist bei der für ähnliche, zukünftige Fälle (Juristen sprechen dann von einem Präjudiz). Je höher die ­gerechten Beurteilung von Situationen auch die Berücksichtigung dieser Unterschiede notwendig. Gerichtsinstanz, die ein Urteil gefällt hat, desto grösser ist dessen Wirkung auf zukünfDie Balkenwaage steht für das sorgfältige Abwägen der Sachverhalte in der Situation tige Entscheide. In der Schweiz stehen Bundesgerichtsentscheide (BGE) an oberster Stelle. und einen ausgewogenen Schuldspruch. Dafür muss die Justiz den konkreten Sachverhalt ■ Gerichte stützen sich vielfach auf die Meinung von Rechtsgelehrten in Gesetzeskommeneines Konfliktes möglichst genau erfassen. Die Waage kann auch als Symbol dafür angesetaren und Fachzeitschriften. Wir sprechen dann von der Lehre (Rechtswissenschaft) hen werden, dass Gleiches gleich behandelt werden soll. Dieser Anspruch ist nicht einfach als Rechtsquelle. Kein Rechtsfall ist gleich wie der andere; ebenso ist keiner eindeutig zu zu erfüllen. Erstens müssen die Tatbestände möglichst genau definiert werden, damit entlösen, sonst wären die Gerichte überflüssig. Deshalb müssen Sachverhalte geklärt, Beweise und Aussagen in ihrer Bedeutung gewichtet werden, um zu einem fairen Urteilsschieden werden kann, wann ein gleicher Tatbestand vorliegt und wann ein ungleicher. Zweispruch zu gelangen. Dabei ist der gesunde Menschenverstand die wichtigste Quelle des tens wandeln sich die Gerechtigkeitsvorstellungen in einer Gesellschaft mit der Zeit. Und dritRechts. tens stellt sich die Frage, wann eine Rechtsnorm vom Inhalt her tatsächlich gerecht ist. Diese Frage ist von Werturteilen abhängig und deshalb häufig umstritten.


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■ Rangordnung des geschriebenen Rechts

3 Gliederung des Rechts

Wichtigste Rechtsquelle ist das geschriebene Recht, das hierarchisch in Verfassungen, Gesetzen und Verordnungen zusammengefasst ist. «Hierarchische Gliederung» bedeutet, dass zwischen den einzelnen Ebenen ein Über- bzw. Unterordnungsverhältnis besteht. Bei der Rangfolge der Rechtsvorschriften gilt die folgende Regel: Verfassungsstufe geht Gesetzesstufe vor, und Gesetze gehen Verordnungen vor.

Die Gesamtheit aller Rechtsvorschriften wird in zwei grosse Bereiche gegliedert: Im öffentlichen Recht werden die Organisation und die Tätigkeit des Staates geregelt. Es bestimmt die Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger sowie die Beziehungen der Staaten untereinander. Auch die Bestrafung durch den Staat bei Verstössen gegen allgemeine Verhaltens- und Verfahrensvorschriften ist in diesem Bereich geregelt.

■ Auf Verfassungsstufe sind die grundlegenden Vorschriften über die wichtigsten Rechte und Pflichten der Bürger und den Aufbau des Staates festgelegt. Über einen Verfassungsartikel muss in jedem Fall eine Volksabstimmung stattfinden. ■ Gesetzesstufe – Gesetze dienen der näheren Ausführung der einzelnen Verfassungs­ artikel. Im Normalfall werden Gesetze durch das Parlament festgelegt. In einigen Fällen kann es auch zu einer Volksabstimmung kommen. ■ Verordnungen (und Reglemente) regeln die in Verfassung und Gesetzen vorgesehenen Detailbestimmungen. Sie werden von der Regierung erlassen.

Recht

Öffentliches Recht

Privatrecht

Formelles Recht

Materielles Recht

Prozessrecht

Zivilgesetzbuch

Mit der Schaffung des Bundesstaates 1848 übernahm der Bund von den Kantonen einzelne Vollstreckungsrecht Obligationenrecht Staatsaufgaben (z. B. die Aussen- und Sicherheitspolitik, das Münz- und Zollwesen). Im Laufe © 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt der Zeit wurden die Aufgaben des Bundes immer mehr ausgedehnt. Gemäss Artikel 3 derWirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Spezialgesetze Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht Materielles Recht Bundesverfassung gilt aber auch heute noch die Regel, dass die Kantone für alle Aufgaben zuständig sind, die nicht der Bundesgewalt übertragen sind (Subsidiaritätsprinzip). Staatsrecht Jeder Schweizer Kanton hat eine eigene Verfassung, ein eigenes Parlament, eine eigene Regierung und auch eigene Gerichte. Aufgrund des föderalistischen Staatsaufbaus der Verwaltungsrecht Schweiz sind die Bezeichnungen der Kantonsgerichte, die Zuständigkeiten und die Verfahren in den verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedlich geregelt. Wesentliche Tätigkeits­ Strafrecht bereiche der Kantone sind neben der Rechtsprechung das Gesundheits- und Schulwesen. In vielen Bereichen ist der Kanton auch zuständig für die Umsetzung von Bundesgesetzen und Völkerrecht weitere vom Bund übertragene Verwaltungsaufgaben (z. B. im Bereich AHV oder Militär). Die Kantone erheben zur Finanzierung ihrer Staatsaufgaben selbstständig Steuern. Deshalb finden wir von Kanton zu Kanton verschiedene Steuergesetze. Die Aufgaben und Befugnisse der Gemeinden sind in den Gemeindeordnungen und -reg­ Im Zusammenhang mit der Gliederung des öffentlichen Rechts ist zudem die Unterscheidung lementen geregelt. Die Gemeinden haben, wie die Kantone, selbstständige Aufgaben (z. B. Keh­ zwischen materiellem und formellem Recht wichtig. ■ Materielles Recht beschreibt den Inhalt und die Voraussetzungen von rechtlichen Anrichtabfuhr, Feuerwehr, Wasser-, Gas- und Elektrizitätsversorgung, Gewässerschutz, Kulturpoli­ sprüchen (Recht «haben»). tik). Daneben erfüllen sie auch Aufgaben in Vertretung des Bundes oder der Kantone, wie ■ Die Regeln des formellen Rechts dienen der Umsetzung des materiellen Rechts (Recht z. B. die Führung der Einwohnerkontrolle, das Schulwesen oder die Tätigkeiten der ­Steuerämter. «bekommen»). Sie lassen sich unterteilen in Regeln über die Behördenorganisation (d. h. Sie können für ihr Gebiet allerdings nur Recht erlassen, soweit sie vom Kanton dazu befugt sind. die Zuständigkeiten), das Prozessrecht (in dem die Verfahren festgehalten werden) und Aus der föderalistischen Struktur unseres Staates ergibt sich somit folgende Ergänzung das Vollstreckungsrecht (das die zwangsweise Durchsetzung einer Rechtspflicht regelt). Übung 2 zur Rangfolge der Rechtsvorschriften: Bundesrecht (gleich welcher Stufe) geht kantonalem Übung 1 Recht vor; kantonales Recht geht Gemeinderecht vor.


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Beispiele für Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts: Staatsrecht

enthält die Aufgabenverteilung des Staates sowie die Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger. ■ Bundesverfassung (BV) ■ Kantonsverfassungen der 26 Kantone

Verwaltungsrecht

befasst sich mit den Rechtsbeziehungen zwischen den staatlichen Behörden und den Bürgern. Da der Staat immer mehr Aufgaben erfüllt, bildet das ­Verwaltungsrecht den umfangreichsten Teil der schweizerischen Rechtsordnung. ■ Steuerrecht ■ Zollgesetze ■ Strassenverkehrsgesetz, Bauvorschriften ■ Öffentliche Fürsorge und Sozialversicherungen ■ Schulgesetze ■ Gesetze über öffentliche Unternehmungen (z. B. Kantonalbankgesetze)

Strafrecht

Völkerrecht

Prozessrecht

Vollstreckungsrecht

umschreibt strafbare Handlungen, Strafmass und Strafvollzug. ■ Strafgesetzbuch (StGB)

Beispiele für Rechtsvorschriften des privaten Rechts: Zivilgesetzbuch (ZGB)

regelt fast sämtliche Gebiete, in denen wir Privatpersonen uns – «von der Wiege bis zur Bahre» – bewegen. Im Zivilgesetzbuch werden in 5 Teilen die folgenden Gebiete geregelt: Teil 1: Personenrecht Teil 2: Familienrecht Teil 3: Erbrecht Teil 4: Sachenrecht

Obligationenrecht (OR)

Teil 5: Das OR bildet den 5. Teil des ZGB, ist aber ein selbstständiges Buch ­ mit eigener Nummerierung, das nochmals 5 Kapitel (= Abteilungen) ­umfasst. 1. Abteilung: Allgemeine Bestimmungen 2. Abteilung: Die einzelnen Vertragsverhältnisse 3. Abteilung: Handelsgesellschaften und Genossenschaften 4. Abteilung: Handelsregister, Geschäftsfirma und kaufmännische Buchführung 5. Abteilung: Wertpapiere

Beispiele für ■ Versicherungsvertragsgesetz befasst sich mit den Beziehungen zwischen Staaten. ­Spezialgesetze ■■ Transportrecht (Eisenbahnen, Schiffe, Flugzeuge) © 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen ■ Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ■■ Geistiges Eigentum (Urheberrecht, Erfindungsrecht) Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht ■ Bankengesetz umfasst Vorschriften über das Verfahren vor staatlichen Gerichten. ■ Kartellrecht (Vorkehrungen gegen Wettbewerbsbehinderungen) ■ Strafprozessrecht ■ Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG) Verurteilung und Bestrafung von Angeklagten ■ Verwaltungsprozessrecht In einigen Gesetzen kommen sowohl Vorschriften des öffentlichen Rechts wie auch privatStreitigkeiten zwischen staatlichen Behörden und Bürgern ■ Zivilprozessrecht rechtliche Regelungen vor (z. B. beim Strassenverkehrsgesetz oder beim Gesetz über UnterStreitigkeiten zwischen Privatpersonen nehmungszusammenschlüsse, dem Kartellgesetz). Es ist deshalb nicht in jedem Fall möglich, enthält Vorschriften über die zwangsweise Durchsetzung der staatlichen Rechtsordnung, z. B. die Vollstreckung von Strafurteilen durch den Strafvollzug. ■ Gesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) Eintreibung von Geldforderungen

Das Privatrecht regelt die rechtlichen Beziehungen zwischen Einzelpersonen sowie zwischen Personengruppen (z. B. Unternehmungen) und Einzelpersonen. Ob persönliche Rechtsansprüche verfolgt werden oder nicht, überlässt der Staat den Beteiligten nach dem Grundsatz «Ohne Kläger – kein Richter». Auch das Privatrecht gliedert sich in mehrere Teilgebiete. Im Vergleich zum öffentlichen Recht ist die Orientierung im Privatrecht einfacher, da die grundlegendsten Vorschriften in einem Gesetzbuch, dem Zivilgesetzbuch (ZGB), enthalten sind.

ein Gesetz eindeutig dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen. Für eine erste Orientierung ist die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht jedoch sinnvoll, weil im privaten Recht Gestaltungsmöglichkeiten bestehen und sich je nach Rechtsgebiet verschiedene Verfahrensabläufe ergeben. ■ Verschiedene Arten von Rechtsansprüchen Wer ein Recht geltend machen will, muss sich darüber klar werden, ob dieses Recht gegenüber jedermann besteht oder nur gegenüber einem bestimmten Personenkreis. Diese Unterscheidung ist in der Praxis wichtig, weil daraus abgeleitet wird, gegen wen ein Rechtsanspruch gegebenenfalls durchgesetzt werden muss. Aufgabe 2


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■ Absolute Rechtsansprüche kennzeichnen sich dadurch, dass sie gegen alle Personen durchsetzbar sind. Wichtige absolute Rechtsansprüche sind die Eigentums- und Per­sönlichkeitsrechte. Die gesetzliche Grundlage der Eigentumsrechte steht im Art. 641 des Zivil­gesetz­ buches: Art. 641 ZGB 1 Wer Eigentümer einer Sache ist, kann in den Schranken der Rechtsordnung über sie nach seinem Belieben verfügen. 2 Er hat das Recht, sie von jedem, der sie ihm vorenthält, herauszuverlangen und jede ungerechtfertigte Einwirkung abzuwehren. Die Rechte an Sachen werden im 4. Teil des ZGB, dem Sachenrecht, geregelt. Das geistige Eigentum, wie Erfindungen, Musikstücke oder Bücher, wird in speziellen Gesetzen geregelt. Die Grundlage der Persönlichkeitsrechte ist in Art. 28 des Zivilgesetzbuches festgehalten:

■ Relative Rechtsansprüche gelten aufgrund bestimmter Sachverhalte nur gegenüber einzelnen natürlichen oder juristischen Personen. Zu den relativen Rechtsansprüchen zählen vertragliche Rechte, das Recht auf Schadenersatz aus unerlaubter Handlung, der Anspruch auf Rückerstattung, wenn sich jemand ungerechtfertigt bereichert hat, sowie ­familienrechtliche Unterstützungspflichten. Die gesetzlichen Grundlagen zu den einzelnen relativen Rechtsansprüchen finden sich im Zivilgesetzbuch und im Obligationenrecht. Relative Rechtsansprüche aus einem Vertrag basieren auf Art. 1 OR: Art. 1 OR 1 Zum Abschlusse eines Vertrages ist die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich. Die konkreten Ansprüche leiten sich schliesslich aus der ersten Abteilung «Allgemeine Bestimmungen» und der zweiten Abteilung «Die einzelnen Vertragsverhältnisse» des OR ab. Beispiel: Eine Arbeitnehmerin kann ihren Lohnanspruch auf der Basis eines Einzelarbeitsvertrags nur gegenüber ihrer Arbeitgeberin geltend machen.

Art. 28 ZGB 1 © 2017 SKVSchutz AG: Brennpunkt Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zuVerlag seinem ­gegen Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht Der relative Rechtsanspruch auf Schadenersatz basiert auf Art. 41 OR (Verschuldenshafjeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen. 2 tung) oder auf sogenannten Kausalhaftungsgründen, die in anderen OR-Artikeln oder in Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, Spezialgesetzen genannt werden. durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. Art. 41 OR 1 Zu den Persönlichkeitsrechten gehören neben dem Recht auf Privatsphäre unter anderem Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet. auch das Recht auf Leben, auf körperliche und seelische Unversehrtheit sowie das ­Namensrecht und das Firmenrecht. Verletzungen dieser absoluten Rechte können neben den zivilrechtlichen auch strafrechtliche Folgen haben. Das Strafgesetzbuch enthält Beispiele: Rechtsvorschriften über strafbare Handlungen gegen das Eigentum (Diebstahl, EntwenEin Jugendlicher ist mit dem Scooter unterwegs auf einem Trottoir und fährt dabei über dung, Raub, Veruntreuung usw.) oder gegen die Ehre und den Geheim- oder Privatbeden Fuss einer Fussgängerin. Die Schadenersatzforderung richtet sich gegen den jun­ reich (üble Nachrede, Verleumdung, Beschimpfung, Abhören und Aufnehmen fremder gen Erwachsenen (Verschuldenshaftung). Gespräche). Nach einigen schneereichen Tagen rutscht eine Schneelawine vom Dach eines Mehr­ familienhauses und beschädigt ein Auto, das auf einem öffentlichen Parkplatz steht. Der Schadenersatz muss gegenüber dem Hauseigentümer geltend gemacht werden (Kausalhaftung). Übung 3


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4 Moral, Sitte und Recht Das Zusammenleben in einer Gesellschaft muss nicht zwingend durch Gebote und Verbote geregelt werden. In vielen Situationen verhält man sich aufgrund von eigenen Moralvorstellungen oder weil in unserer Gesellschaft gewisse Sitten und Gepflogenheiten gelten. Es braucht demnach nicht alles durch Rechtsvorschriften geregelt zu werden. Was in einer bestimmten ­Si­tuation richtig oder falsch ist, lässt sich also nicht immer mithilfe von Rechtsquellen klären. ■ Moral – was halte ich für richtig? «Angenommen, Sie sind über 18 Jahre alt und werden von einem 17-jährigen (sympathisch auftretenden) Kollegen gefragt, ob Sie nicht für ihn im nahegelegenen Tankstellenshop eine Flasche Wodka kaufen würden. Ihm selber sei das verwehrt, da hochprozentige Spi­ rituosen an Jugendliche erst ab 18 Jahren verkauft würden. Was antworten Sie?»

werden Sitten genannt. Sitten können, ebenso wie moralische Vorstellungen, nicht erzwungen werden. Die Missachtung von Sitten, z. B. von Anstandsregeln, kann aber trotzdem Sanktionen nach sich ziehen: Eine unanständige oder unhöfliche Person wird z. B. zu gewissen Veranstaltungen wohl nicht mehr eingeladen. Auch Frederic wird wahrscheinlich von seiner Ausbildnerin am darauf folgenden Ar­ beitstag auf sein unrühmliches Benehmen angesprochen werden. ■ Recht – was ist gesetzlich geregelt? «Dem 17-jährigen Jugendlichen, der sich im Tankstellenshop selber eine Flasche Wodka kaufen will, wird dies verwehrt, weil die Verkäuferin das Alter des Jugendlichen überprüft hat.»

Die Verkaufsperson im Laden hält sich an das geltende Recht und verkauft keinen Alkohol an Jugendliche. Rechtsvorschriften schreiben ein bestimmtes Verhalten vor, z. B. das Unterlassen von Betrügereien, die Bezahlung der Steuerrechnung oder das Einholen einer Bewilligung für eine Demonstration gegen eine Globalisierungsveranstaltung. Diese VerhaltensvorEs geht hier um eine Frage der Moral. Finden Sie es richtig, dass Jugendliche vor dem Konschriften können im Gegensatz zu Moral und Sitte vom Staat durchgesetzt und wenn nötig sum von hochprozentigem Alkohol geschützt werden? Vielleicht geraten Sie gar in einen Zielkonflikt: Sie wissen zwar um das Verkaufsverbot und können dieses auch grundsätzlich mit Gewalt erzwungen werden. Während Sitten häufig nicht schriftlich festgehalten werden, 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt und Gesellschaft, in 120 Lektionen unterstützen; Sie wollen aber andererseits gegenüber der © 17-jährigen Person nicht alsWirtschaft sind die Rechtsvorschriften klar und genau niedergeschrieben. In Bezug auf unser Beispiel ist Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht «grantige / r Erwachsene / r» dastehen. im Alkoholgesetz festgehalten, dass die Abgabe von Alkohol an Kinder und Jugendliche ­unter Moralvorstellungen im Sinne von inneren Einstellungen, von eigenen Wertvorstellungen 18 Jahren verboten ist. über gut und böse, richtig oder falsch haben ihren Ursprung häufig in einer Religion oder Wenn Rechtsvorschriften von den Leuten nicht aus eigener Überzeugung getragen und ­einer philosophischen Weltanschauung. Solche Werte werden uns im Laufe des Erwachseneingehalten werden, ergeben sich unweigerlich gesellschaftliche Spannungen. Ein Beispiel werdens von unseren Eltern und der Schule vermittelt. Eine Verletzung der eigenen Moralist das Dilemma der Dienstverweigerer aus Gewissensgründen. Durch die Bundesverfassung vorstellungen wird zwar von niemandem geahndet, in den meisten Fällen führt aber ein Verund das Militärgesetz sind sie zur Dienstleistung (Militär- oder Zivildienst) verpflichtet – ihre stoss gegen die e­ igenen, persönlichen Verhaltensregeln zu einem «schlechten Gewissen». moralische Überzeugung verbietet ihnen aber eine Dienstleistung. Zwischen Recht und ­Moral besteht keine hierarchische Ordnung, beide Wertordnungen bestehen auf ihrer Verbindlichkeit. Ein Dienstverweigerer wird deshalb rechtlich bestraft, obwohl man sein Verhalten auf ■ Sitten – was erwartet die Gesellschaft? moralischer Ebene allenfalls anerkennt. Oder wenn z. B. die Einführung zusätzlicher Ge­ schwindigkeitsbeschränkungen auf Autobahnen zur Verminderung der Luftbelastung von «Frederic Berger, der Lernende aus dem ersten Lehrjahr, benimmt sich am Jahresessen der Abteilung etwas daneben. Zum einen werden die Pommes im ‹McDonald’s-Stil› von Hand ­einem Grossteil der Bevölkerung nicht mitgetragen wird und nur mithilfe von flächendeckengegessen; zum andern hat er beim Kellner immer wieder erfolgreich um Wein nachge­ den Kontrollen erzwungen werden kann, so hat dies grössere Verwaltungskosten zur Folge, wobei auch die Einnahmen aus Bussengeldern steigen. fragt, sodass Frederic bereits um 21.30 Uhr recht angetrunken herumlallt.» Bei der Formulierung von Rechtsvorschriften müssen demnach in jeder Gesellschaft die herrschenden Moralvorstellungen und Sitten beachtet werden. Da sich die MoralvorstellunHier geht es nicht um richtig oder falsch. Es geht schlicht um Tischmanieren, die ­Frederic gen und Sitten in einer Gesellschaft im Laufe der Zeit ändern, müssen auch die Rechtsvor­offensichtlich «vergessen» hat. schriften angepasst werden. Ein Beispiel ist die jahrelange Diskussion um die Legalisierung Aufgabe 3 Während z. B. in einzelnen Regionen der Welt das Rülpsen zum Abschluss des Essens eine des Hanfkonsums. Wenn das bestehende Verbot von einem grösseren Teil der Bevölkerung Aufgabe 4 Wertschätzung gegenüber der Küche darstellt, gilt Rülpsen in unserem Kulturkreis als ab­solut nicht mehr mitgetragen wird, steigt der Druck, die rechtliche Situation anzupassen. unanständig. Solche Anstandsregeln und Umgangsformen, Gepflogenheiten und Usanzen Übung 4


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 Das haben Sie gelernt

Offene Fragen

Ziele für die Ausgestaltung der Rechtsordnung beschreiben Die verschiedenen Rechtsquellen beschreiben und ihre Bedeutung innerhalb der schweizerischen Rechtsordnung beurteilen Die Unterschiede zwischen Verfassung, Gesetz und Verordnung erklären und deren hierarchische Gliederung begründen Die Gliederung des Rechts in öffentliches und privates Recht beschreiben Inhalt und Teilbereiche des öffentlichen und privaten Rechts nennen Rechtsvorschriften den Teilbereichen des öffentlichen bzw. privaten Rechts ­zuordnen Persönliche Rechtsansprüche gegenüber allen und gegenüber einzelnen Personen unterscheiden Moral, Sitte und Recht als Grundlagen für das Verhalten unterscheiden

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 Diese Begriffe können Sie erklären Rechtsordnung Justitia Gerechtigkeit Rechtsquellen Geschriebenes Recht Gewohnheitsrecht Ortsgebrauch Gerichtsentscheide Präjudiz Lehre (Rechtswissenschaft) Gliederung des Rechts Öffentliches Recht Staatsrecht Verwaltungsrecht Strafrecht

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Völkerrecht Prozessrecht Vollstreckungsrecht Privates Recht Zivilgesetzbuch (ZGB) Obligationenrecht (OR) Spezialgesetze Formelles / materielles Recht Absolute / relative Rechtsansprüche Moral Sitte Recht

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Übung 1 Rechtsquellen

Übung 2 Öffentliches oder privates Recht?

Welche Aussagen sind richtig (R); welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien. a) Die Augenbinden in den Darstellungen der Justitia sind eigentlich ein Fehler, muss doch das Gericht zur Beurteilung in einem konkreten Fall genau ­hinschauen und alle möglichen Umstände und Gesichtspunkte erfassen.

Bestimmen Sie mithilfe der Gliederung im Theorieteil, ob es sich bei den folgenden Formulierungen aus Gesetzestexten … ■ um öffentliches Recht (ÖR) oder privates Recht (PR) handelt (ankreuzen) und ■ zu welchem Teil des Privatrechts bzw. des öffentlichen Rechts diese Normen gehören. ÖR PR Teilbereich a) Eltern und Kinder sind einander Beistand schuldig.

b) Das geschriebene Recht ist allgemein formuliert und kann deshalb auf viele verschiedene Sachverhalte angewandt werden.

c) Wichtigste Rechtsquelle ist in der Schweiz die Sammlung früherer Gerichts­ entscheide (sogenannte Präjudizien).

b) Richter dürfen nicht tätig werden, wenn ihre Unparteilichkeit in Frage gestellt wird. c) Der ordentlichen Konkursbetreibung unterliegt, wer als Inhaber einer Einzelfirma im Handelsregister ein­ getragen ist. d) Der Arbeitgeber hat dem Arbeit­

© 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen nehmer jedes Dienstjahr wenigstens Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht

d) Wenn sich ein Gericht bei einem Entscheid auf frühere Gerichtsentscheide in ähnlichen Fällen abstützt, bezeichnen wir dies als «Orientierung an der Lehre».

e) Die Richterin muss sich nicht an das geschriebene Recht halten, wenn die menschliche Vernunft ihr sagt, dass das Gesetz geändert werden sollte.

f) Als weitere Rechtsquellen neben dem geschriebenen Recht gelten das ­Gewohnheitsrecht, frühere Gerichtsentscheide sowie die Rechtswissenschaft.

g) Bei der Rangordnung der Rechtsvorschriften stehen die Gesetze an erster Stelle. Sie stehen über Verfassungen und Verordnungen.

vier Wochen, dem Arbeitnehmer bis zum vollendeten 20. Altersjahr wenigstens fünf Wochen Ferien zu gewähren. e) Wer einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit einer Freiheitsoder Geldstrafe bestraft. f) Das Stimmrecht entsteht, sobald auf den Aktien der gesetzlich vor­ geschriebene Betrag eingezahlt ist. g) Die nächsten Erben eines Erblassers sind seine Nachkommen. h) Im Nationalrat und im Ständerat entscheidet die absolute Mehrheit der Stimmenden.


Worin liegt die Ursache für folgende Verhaltensweisen?

a) Absolute Rechtsansprüche gelten gegenüber jedermann.

a) Ablehnung des Diebstahls als Verstoss gegen religiöse Gebote (z. B. «Du sollst nicht stehlen»).

b) Relative Rechtsansprüche gelten in gleichem Mass für alle Personen.

Moral

Welche Aussagen sind richtig (R); welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien.

Sitte

Übung 4 Moral, Sitte oder Recht Recht

Übung 3 Absolute und relative Rechtsansprüche

R

S

M

b) Eine Frau heiratet im weissen Hochzeitskleid, weil sich in ihrer Familie bisher alle in einem weissen Hochzeitskleid trauen liessen. c) Offizielle Eheschliessung auf dem Standesamt – vor dem eigentlichen Hochzeitsfest.

c) Die Verletzung absoluter Rechtsansprüche kann auf Antrag eines Klägers oder einer Klägerin strafrechtlich verfolgt werden.

d) Motorradfahren mit Helm, um keine Busse zu erhalten. e) Eheliche Treue aus Liebe zum Partner, zur Partnerin. f) An Weihnachten werden überall Weihnachtsbäume aufgestellt.

d) Die Verletzung relativer Rechtsansprüche werden nur vor Gericht beurteilt, g) Ein Paar heiratet, um Steuern zu sparen. falls von einer Partei Klage erhoben wird. © 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht h) Anspruch von Rentnerinnen und Rentnern auf Ergänzungsleistungen, sofern die Bedingungen der Alters- und Hinterbliebenenversicherung erfüllt sind. e) Das Sachenrecht enthält vor allem relative Rechtsansprüche. i) Empfehlung, sich bei Reisen in islamische Länder nicht zu freizügig zu kleiden, um die einheimische Bevölkerung nicht zu brüskieren. f) Das Obligationenrecht enthält vor allem obligatorische, mit anderen Worten «absolute» Rechtsansprüche.

j) Reisende in Saudiarabien konsumieren keinen Alkohol, um keine ­Bestrafung zu riskieren. k) Heirat zwischen einem Russen und einer Deutschen, um sich die ­Niederlassung im EU-Raum zu sichern. l) Ein älterer Herr hebt zum Zeichen des Grusses seinen Hut.

g) Das Eigentumsrecht ist ein typisches Beispiel für einen absoluten Rechts­­ anspruch.

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Aufgabe 1 Was zeichnet einen Rechtsstaat aus? Nehmen Sie an, Sie lesen unter der Rubrik «Nachrichten» in einer Tageszeitung folgende Kurzmeldung:

c) Ab und zu kann man in der Zeitung lesen, dass in islamischen Ländern Strafen wie ­Steinigung oder Handabschlagen angewandt werden. Wie beurteilen Sie eine solche Rechtsauffassung?

Witwe und Liebhaber im Berner Oberland zu Steinigung verurteilt Eine 34-jährige Witwe und ihr verheirateter Nachbar wurden im Berner Oberland wegen Ehebruchs zum Tode durch Steinigung verurteilt. Das Urteil wurde vom Dorfrichter, der gleichzeitig Ankläger war, im Schnellverfahren ausgesprochen. Der Dorfrichter hat im vergangenen Jahr die Hinrichtung durch Steinigung gegen den Widerstand der Bevölkerung wieder eingeführt, nachdem eine Häufung von Ehebrüchen aufgetreten war. Eine Neubeurteilung durch ein anderes Gericht war nicht möglich; das Urteil wurde sofort vollstreckt.

a) Warum werden Sie bei der Lektüre dieses Artikels stutzig? d) In vielen Rechtsstaaten gibt es die Todesstrafe, oder es wird über deren Wieder­ einführung diskutiert. Wie beurteilen Sie die Todesstrafe in einem Rechtsstaat? © 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht

b) Welche Merkmale zeichnen einen Rechtsstaat aus?

e) Strafgefangene können bei uns unter bestimmten Bedingungen während der ­Verbüssung ihrer Strafe eine Ausbildung machen oder sich einer psychologischen ­Betreuung unterziehen. Wie beurteilen Sie solche Angebote?


Aufgabe 2 Konflikte und entsprechende Rechtsgrundlagen Was für Konflikte können zwischen einer Person und den im Modell eingetragenen Anspruchsgruppen entstehen?

z. B. Verletzung von Grundrechten

a) Tragen Sie mögliche Streitigkeiten auf die leeren Schreiblinien ein.

z. B. eine Baubewilligung

b) Suchen Sie anschliessend mithilfe der Theorieseite 6 das entsprechende Rechtsgebiet und tragen Sie dieses als Überschrift in die gerasterten Felder ein.

z. B. der Wert einer Liegenschaft z. B. die Höhe des Strafmasses z. B. die Pfändung des Lohnes z. B. Rekursmöglichkeiten

Familie

Staat

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Erbin Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht

Mitinhaber an einer AG (Aktionärin)

Eigentümer einer Sache Arbeitgeberin

Käuferin Vermieter

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Aufgabe 3 «Vom Umgang unter Eheleuten» Die folgenden Texte aus unterschiedlichen Zeitabschnitten unserer Geschichte befassen sich mit der Rollenverteilung in der Ehe oder eheähnlichen Partnerschaften. Welche Rückschlüsse ziehen Sie aus den Texten für das Verhältnis von Sitte, Moral und Recht? Text 1 Vom Umgang unter Eheleuten (Knigge, 1788) Freilich, da der Mann von der Natur bestimmt ist, der Ratgeber seines Weibes, das Haupt der Familie zu sein; da die Folgen jedes übereilten Schrittes der Gattin auf ihn fallen; da der Staat sich nur an ihn hält; da die Frau eigentlich gar keine Person in der bürgerlichen ­Gesellschaft ausmacht; da die Verletzung der Pflichten von ihrer Seite schwer auf ihm liegt und die Verletzung die Familie weit unmittelbarer beschimpft und derselben Schande und Nachteil bringt, als die Ausschweifungen des Mannes dies tun; da sie viel mehr von dem äusseren Ruf abhängt als er; endlich da Verschwiegenheit mehr eine männliche als weib­ liche Tugend ist, so kann es wohl seltner gut sein, wenn die Frau ohne ihres Mannes Wissen Schritte unternimmt und dieselben vor ihm verheimlicht.

Text 5 Frauen im Zivilrecht (Eidg. Kommission für Frauenfragen, 2001) Das neue Eherecht von 1988 hat mit rund hundertjähriger Verspätung die meisten Forderungen erfüllt, die von der frühen Frauenbewegung bei den Vorarbeiten zum ZGB erhoben worden waren. Im bestehenden Recht nicht berücksichtigt sind die vielfältigen Formen familialen Zusammenlebens ausserhalb einer traditionellen Ehe. Zu den heutigen Forderungen an ein zeitgemässes Zivilrecht gehören deshalb zivilstandsunabhängige Regelungen, die diesen neuen (und alten) Familienformen Rechnung tragen. Sie werden zurzeit vor ­allem im Zusammenhang mit der rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften diskutiert.

Text 6 Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz, PartG, Stand 1. Januar 2011) Art. 1 Gegenstand Dieses Gesetz regelt die Begründung, die Wirkungen und die Auflösung der einge­ tragenen Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare. Art. 2 Grundsatz Text 2 Art. 160 (Zivilgesetzbuch, 1912) 1 1 Der Ehemann ist das Haupt der Gemeinschaft. Zwei Personen gleichen Geschlechts können ihre Partnerschaft eintragen lassen. 2 2 und Gesellschaft, in 120 Lektionen © 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft Er bestimmt die eheliche Wohnung und hat für den Unterhalt von Weib und Kind in Sie verbinden sich damit zu einer Lebensgemeinschaft mit gegenseitigen Rechten Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht ­gebührender Weise Sorge zu tragen. und Pflichten. 3 Der Personenstand lautet: «in eingetragener Partnerschaft». Art. 13 Unterhalt Text 3 Art. 163 (Zivilgesetzbuch, 1988) 1 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Die beiden Partnerinnen oder Partner sorgen gemeinsam nach ihren Kräften für Unterhalt der Familie. den gebührenden Unterhalt ihrer Gemeinschaft. 2 Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern. Text 4 Neuer Mann? (Hollstein, 1989) Nach einer Befragung von 400 Schweizern (1989) kommt Soziologe Walter Hollstein zum Schluss, dass der Mann in den letzten Jahren partnerschaftlicher, demokratischer und frauen­freundlicher geworden sei. 40 % der Befragten geben an, in den letzten Jahren gefühl­ voller geworden zu sein. 39 % erklären, mehr auf die Frauen einzugehen. 30 % halten sich inzwischen für weniger autoritär. Mehr als die Hälfte der Männer spielt regelmässig mit ihren Kindern. Ein Drittel geht mit ihnen wandern oder spazieren, erzählt Märchen oder Geschichten. Etliche helfen sogar bei den Schulaufgaben. «Für die Kinder scheinen sich Heerscharen idealer Väter herangebildet zu haben», bemerkt die Journalistin Gret Grossmann dazu. Die Offenheit habe keine Grenzen. Nur das Wesentliche werde ausgeklammert. Etwa im Gespräch mit Freunden. Eigene Ängste, Schulden, Sexuelles.


Aufgabe 4 Was bestimmt unser Verhalten? Situation 1 Nach einem anstrengenden Schultag finden Sie im Zug noch einen der wenigen freien Plätze. An der nächsten Station steigt ein älterer Mann zu und bittet Sie, ihm Ihren Sitzplatz zu geben. Wie reagieren Sie? a) D er ältere Mann benötigt den Platz eher als ich – er hat weit weniger Kraft in den Beinen –, obwohl mich die zwei Stunden Sport auch echt ­« geschlaucht» haben.

b) Da das ganze Abteil er­ wartungsvoll auf mich blickt, gebe ich den Platz frei. Ich verbessere damit auch das Bild der heutigen Jugend.

In den drei Situationen in der linken Spalte werden jeweils drei mögliche Verhaltensweisen beschrieben. Worin besteht der zentrale Beweggrund des jeweiligen Verhaltens? a) Beweggrund des Verhaltens bei der Reaktion a)?

c) Ich habe die gleichen Rechte wie der ältere Mann. Schliesslich habe ich auch ein Billett gekauft. Wenn es zum Streit kommt, lasse ich es ­darauf ankommen.

Situation 2 Eine Schulkollegin schmeisst nach einem missglückten schriftlichen Test in der Pause wütend eine leere PET-Flasche in eine Ecke des Schulzimmers. a) S ie entsorgen die PET-­ Flasche im speziellen PET-Behälter, weil Sie überzeugt sind, dass wir ­« einfach glücklicher» sind, wenn keine Abfälle herumliegen.

b) Ihre Klasse hat einen ­guten Ruf, und als Klassensprecherin machen Sie die Kollegin darauf aufmerksam, dass sich ihr Benehmen als Schü­ lerin der Klasse E2c schlicht nicht «gehört».

b) Beweggrund des Verhaltens bei der Reaktion b)? c) Sie halten Ihre Kollegin an, die Flasche korrekt © 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen zu e­ ntsorgen, indem Sie Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht ihr ­erklären, dass gemäss Schulordnung für solche Fälle eine Busse bis zu CHF 50.– droht.

Situation 3 Sie kommen frisch vermählt aus dem Standesamt: Ihre Kollegen stehen Spalier, Blumen werden gestreut und Hochzeitsbonbons in die erwartungsvolle Volksmenge geworfen. Nach den obligaten Fotos fragt Sie unerwartet eine Bekannte: «Warum hast du geheiratet?» Was antworten Sie? a) I ch will meine Liebe und Treue zu meinem Partner aus innerer Überzeugung mit diesem Ja auf dem Standesamt bekräftigen.

c) Beweggrund des Verhaltens bei der Reaktion c)?

b) Lebte ich längere Zeit mit c) Zusammenleben ohne einem Partner zusammen, Trauschein kommt nicht würden meine Eltern bein Frage. Falls es später stimmt fragen, wann wir evtl. zur Trennung denn endlich heiraten kommt, will ich, dass dawollten. In dieser Beziefür die gesetz­lichen Vorhung will ich durch eine schriften gelten, wobei Hochzeit gleich alles klarich vor allem an die finanstellen. zielle Absicherung denke. Rechtsquellen und Verhaltensregeln  19


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