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Personenrecht

Bevor wir uns vertieft mit den einzelnen Teilen (= Kapiteln) des Zivilgesetzbuches (ZGB) befassen, werden im Folgenden die einleitenden allgemeinen Rechtsgrundsätze des ZGB dargestellt. Diese gelten für das gesamte ZGB und zum Teil für weitere Rechtsgebiete. Die Kenntnis der Nummerierungssystematik und der Beschriftungsvorschriften für einzelne Gesetzesartikel ist notwendig, damit wir inskünftig Verweise auf bestimmte Rechtsquellen korrekt aufführen können. Der erste Teil des ZGB, das Personenrecht, beschreibt die Rechte und Pflichten der Menschen. Das Personenrecht beantwortet z. B. die Frage, ab welchem Alter jemand einen Kaufvertrag abschliessen und sich dadurch rechtsgültig verpflichten darf. Neben den Vorschriften, die für natürliche Personen, d. h. für Menschen aus Fleisch und Blut, gelten, enthält das Personenrecht auch Bestimmungen zu den juristischen Personen. Darunter versteht man Gebilde, wie z. B. einen Verein oder eine Aktiengesellschaft, denen durch das Gesetz die Fähigkeit zugestanden wird, eigene Rechte und Pflichten zu erwerben.

Theorie 1 2 3 4 5

Übungen

© 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht

Allgemeine Rechtsgrundsätze des Zivilrechts ......................................................... 2 Die Systematik der Rechtssätze in ZGB und OR ...................................................... 4 Die Rechte und Pflichten der natürlichen Personen ................................................ 6 Merkmale natürlicher und juristischer Personen ..................................................... 10 Überblick über die juristischen Personen ............................................................... 10 Das haben Sie gelernt ........................................................................................... 12 Diese Begriffe können Sie erklären ........................................................................ 13

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Die Einleitungsartikel des ZGB ............................................................................... 14 Grundbegriffe des Personenrechts ........................................................................ 14 Handlungsfähigkeit und deren Einschränkungen ................................................... 15 Natürliche und juristische Personen ....................................................................... 15

Aufgaben 1 2 3 4

Die Einleitungsartikel des ZGB ............................................................................... 16 Eine erste Übersicht über das Personenrecht ......................................................... 17 Claudias Vertrag mit dem Fitnesscenter ................................................................ 18 Michaels Tablet .................................................................................................... 19

Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft in 120 Lektionen 1. Auflage 2017 / © Verlag SKV AG, Zürich Diese Broschüre ist urheberrechtlich geschützt. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, die Broschüre oder Teile daraus in irgendeiner Form zu reproduzieren. Personenrecht  1


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1 Allgemeine Rechtsgrundsätze des Zivilrechts Die Einleitungsartikel des Zivilgesetzbuches (ZGB) enthalten Rechtsgrundsätze, die auf ­grosse Teile des übrigen Rechts anwendbar sind. Diese einführenden Artikel weisen nur einen geringen Umfang auf (Art. 1 bis 10) und sind in einer vergleichsweise einfachen Sprache formuliert. Das ZGB soll ein populäres Gesetz darstellen, das auch von nicht rechtskundigen Personen verstanden werden kann, regelt es doch viele «alltägliche» Fragestellungen unseres Lebens ebenso wie personen- und familienrechtliche Bestimmungen oder Vorschriften zu Besitz und Eigentum. Bevor die Einleitungsartikel jedoch auf andere Rechtsgebiete übertragen werden, muss immer geprüft werden, ob dort nicht ausdrücklich andere Grundsätze gelten. So ist beispielsweise in Art. 1 Abs. 2 ZGB formuliert, dass der Richter allfällige Rechtslücken selbst füllen darf. Dieser Grundsatz kommt jedoch im Strafrecht ausdrücklich nicht zur Anwendung, weil im Strafgesetzbuch der Grundsatz «Keine Strafe ohne Gesetz» gilt.

■ Handeln nach Treu und Glauben Weitere wichtige Rechtsgrundsätze sind einerseits das Gebot, nach Treu und Glauben zu handeln, und andererseits das Verbot des Rechtsmissbrauchs (Art. 2 ZGB). Handeln nach Treu und Glauben bedeutet, dass wir uns im Rechtsverkehr, d. h. bei Verhandlungen und Absprachen darauf verlassen können, dass sich die Parteien rücksichtsvoll, anständig, fair und ehrlich verhalten, nach Art und Sitte redlicher Leute. Daraus leitet sich z. B. die Pflicht ab, dass eine Vertragspartei der anderen offen auf Fragen antwortet, die im Zusammenhang mit der Vertragsabwicklung auftauchen. Ungewöhnliche Handlungen sollen nicht einfach ohne R ­ eaktion bleiben, sondern geklärt werden. Beim Verbot des Rechtsmissbrauchs handelt es sich um die «Rückseite derselben Medaille», denn ein Rechtsmissbrauch kann auch als Verstoss gegen das Gebot von Treu und Glauben definiert werden. Rechtsmissbräuchlich handelt beispielsweise ein Schuldner, der seine Gläubiger über Jahre mit Zahlungsversprechen davon abhält, ihn zu betreiben, und schliesslich seine Zahlungen mit dem Argument der Verjährung verweigert.

■ Gewohnheitsrecht und richterliches Ermessen ■ Guter Glaube wird geschützt Die Art. 1 und 4 ZGB behandeln den Umgang mit den Rechtsquellen. Neben dem geschrieEin weiterer Rechtsgrundsatz aus den Einführungsartikeln des ZGB verlangt, dass der gute benen Recht sollen auch das Gewohnheitsrecht und das richterliche Ermessen zum Tragen © 2017 Verlag AG: Brennpunkt und Gesellschaft, in 120 Lektionen kommen. Im Zusammenhang mit diesen zusätzlichen Rechtsquellen wirdSKV ausdrücklich aufWirtschaft Glaube geschützt wird (Art. 3 ZGB). Von «gutem Glauben» wird dann gesprochen, wenn Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht die Bedeutung der richterlichen Praxis (d. h. frühere Gerichtsentscheide, Präjudizien) sowie zwar ein offensichtlicher Rechtsmangel besteht, dieser aber der betreffenden Person nicht bewusst ist. Man kann sich jedoch nicht in jeder Situation auf den guten Glauben berufen, der Lehre (Rechtswissenschaften) verwiesen. Die Anwendung sämtlicher Rechtsquellen durch sondern nur dann, wenn im Gesetz irgendwo diese Möglichkeit konkret vorgesehen ist. So ein Gericht erfolgt mit dem Ziel, den ursprünglichen Gedanken des Gesetzgebers nach bestem Wissen und Gewissen in die Rechtspraxis umzusetzen. regelt zum Beispiel Art. 304 ZGB die Vertretung der Kinder durch ihre Eltern (elterliche Sorge) Eine spezielle Bedeutung kommt dem Umgang mit Gesetzeslücken zu. Davon sprechen und weist in Absatz 2 ausdrücklich darauf hin, dass gutgläubige Dritte davon ausgehen dürwir, wenn gewisse Bereiche nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt sind, weil schlichtweg nicht fen, dass ein Elternteil im Einverständnis mit dem anderen handelt. Wenn also der Vater der gesamte Alltag durch Gesetze geprägt sein kann oder weil z. B. das Recht in einem BeCHF 100.– vom Konto seines minderjährigen Sohnes abhebt, darf die Bank davon ausgehen, dass die Mutter damit einverstanden ist. reich den Entwicklungen hinterherhinkt. Die Gerichte müssen dann die vorhandenen «Lücken» mit einem Entscheid derart ausfüllen, ■ Usanzen wie sie dies in der Rolle als Gesetzgeber tun Art. 5f. ZGB regelt schliesslich das Verhältnis des Bundesrechts zum kantonalen Recht. Insbewürden (Art. 1 Abs. 2 ZGB). Dabei müssen Richterinnen oder Richter den entsprechensondere erfolgt der Hinweis darauf, dass in all jenen Situationen, in denen im Gesetz auf ­lokale den Sachverhalt umfassend und unter GeGewohnheiten (Usanzen) verwiesen wird, primär kantonale Regeln zum Zuge kommen. wichtung aller Umstände beurteilen, damit Durch Art. 7 ZGB wird die enge Verbindung zwischen dem Zivilgesetzbuch und dem der Entscheid gemäss u ­ nserem natürlichen ­Obligationenrecht (OR) festgeschrieben. Deshalb sind wichtige Teile des OR, insbesondere der gesamte «Allgemeine Teil» (Art. 1 bis 183), auch auf Rechtsbereiche anwendbar, die Rechtsempfinden als gerecht empfunden Wenn ein Fall mithilfe des geschriebenen Rechts nicht entschieden werden kann, muss das Gericht ­eigent­lich durch das ZGB behandelt werden. wird. Vorgeschrieben wird dies durch Art. 4 gemäss «richterlichem Ermessen» eine Lösung ZGB, wonach Gerichte ihre Entscheidung 1 Zum Begriff «Billigkeit»: «billigen» hat die Bedeutung von «gutheissen», «etwas für richtig halten» und heisst insbesondere ­finden. nicht «billig» im Sinn von preisgünstig. nach Recht und Billigkeit 1 treffen müssen.


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■ Beweislast Die Artikel 8 bis 10 ZGB regeln die Beweislast bei Rechtsstreitigkeiten. Grundsätzlich hat derjenige einen Sachverhalt zu beweisen, der aus diesem Rechte ableitet. Er ist davon befreit, wenn seine Behauptung durch eine öffentliche Urkunde oder einen Eintrag in einem öffentlichen Register (Handelsregister, Grundbuch usw.) belegt wird. In diesem Fall muss nun jene Partei Beweise vorbringen, welche die Richtigkeit der Urkunde oder des Eintrags bezweifelt. Wenn z. B. der Eigentümer eines Grundstücks das Recht seines Nachbarn, sein Grundstück zu passieren (Wegrecht), in Zweifel zieht, obwohl es durch das Grundbuch belegt ist, muss der Eigentümer des Grundstücks dies beweisen, auch wenn nicht er, sondern sein Nachbar Aufgabe 1 daraus ein Recht ableitet.

Weil einzelne Artikel recht umfangreich sein können, werden sie in Absätze aufgeteilt. Die Absätze werden dabei mit einer fortlaufenden Nummer bezeichnet. Beispiel:

ausgesprochen:

«Artikel 271a, Absatz 1»

Innerhalb einzelner Absätze können zudem noch Aufzählungen vorkommen. Aufzählungen mit a, b, c werden als lit. a, lit. b, lit. c (aus dem lateinischen «littera» = «Buchstabe») bezeichnet; wenn keine Abkürzung verwendet wird, kann dennoch von Buchstaben gesprochen werden. Aufzählungen mit 1., 2., 3. werden als Ziffer 1, Ziffer 2, Ziffer 3 angegeben. Beispiel:

2 Die Systematik der Rechtssätze in ZGB und OR

Art. 271a  Abs. 1

Art. 271a  Abs. 1 lit. e, Ziff. 4

ausgesprochen:

«Artikel 271a, Absatz 1, litera (oder Buchstabe) e, Ziffer 4»

Schliesslich wird als Letztes mit der zutreffenden Abkürzung aufgeführt, aus welchem Im vorangehenden Kapitel zu den Rechtsquellen haben wir gelernt, dass das geschriebene ­« Gesetz» der entsprechende Artikel stammt. Recht als die dominierende Rechtsquelle gilt; sie umfasst insgesamt Tausende von Seiten. Ebenfalls bekannt ist uns, dass die grundlegenden Vorschriften in der «Verfassung», nähere Ausführungen zur Verfassung in «Gesetzen» und Details zu den Gesetzen in «Verordnungen» Beispiel: Art. 271a  Abs. 1 ausgesprochen: «Artikel 271a, Absatz 1, litera 2017 Verlag SKV Grundbildung AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, 120 Lektionen lit. e,inZiff. 4, OR (oder Buchstabe) e, Ziffer 4, OR» festgelegt sind. So zum Beispiel die «Verordnung des BBT über©die berufliche Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht Kauffrau / Kaufmann mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ)». Um bei der grossen Zahl von schriftlichen Regelungen einen einzelnen Rechtssatz schnell Diese präzise Bezeichnung eines Artikels mit Nummern, Buchstaben und Ziffern bezeichnen finden zu können, werden diese in Artikeln oder Paragrafen formuliert, fortlaufend nummewir als Zitat. Ein kleines «f.» nach einem solchen Zitat bedeutet, dass nicht nur der entspreriert und sachlich in Rechtserlassen (Gesetzessammlungen oder einfach «Gesetzen») zusammengefasst und mit Abkürzungen bezeichnet. Beispiele dafür sind: chende Artikel, sondern auch der folgende gemeint ist. Werden zwei «f» angefügt («ff.», ■ das Zivilgesetzbuch – ZGB Plural der Abkürzung «f.»), sind mehr als zwei aufeinanderfolgende Artikel gemeint. ■ das Obligationenrecht – OR ■ das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs – SchKG – oder Beispiel: Art. 271 f. ausgesprochen: «Artikel 271 folgender, ■ das Strafgesetzbuch – StGB (gemeint sind ­Obligationenrecht» die Artikel 271 Jeder einzelne Rechtssatz ist nummeriert. Diese Nummer bezeichnen wir im ZGB und im OR und 271a), OR als Artikel; teilweise werden die Nummern mit Buchstaben ergänzt. Dies wird jeweils dann ausgesprochen: «Artikel 271 folgende, notwendig, wenn bei einer nachträglichen Gesetzesüberarbeitung ein neuer Artikel zwischen Beispiel: Art. 271 ff. ­Obligationenrecht» (gemeint sind die zwei bereits bestehende eingefügt werden muss. Wird also z. B. zwischen den Artikeln Nr. 271 Artikel 271, 271a und Nr. 272 eine zusätzliche Bestimmung eingefügt, bezeichnet der Gesetzgeber diesen und mindestens neuen Artikel mit Nr. 271a. 272), OR Übung 1 Beispiel: Art. 271a ausgesprochen: «Artikel 271a»


Der oben zitierte Artikel 271a OR ist nachfolgend vollständig aufgeführt. Art. 271a II. Kündigung durch den Vermieter 1 Die Kündigung durch den Vermieter ist insbesondere anfechtbar, wenn sie aus­ gesprochen wird: a. weil der Mieter nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Mietverhältnis ­geltend macht; b. weil der Vermieter eine einseitige Vertragsänderung zu Lasten des Mieters oder eine Mietzinsanpassung durchsetzen will; c. allein um den Mieter zum Erwerb der gemieteten Wohnung zu veranlassen; d. während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungsoder Gerichtsverfahrens, ausser wenn der Mieter das Verfahren missbräuchlich eingeleitet hat; e. vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens, in dem der Vermieter: 1. zu einem erheblichen Teil unterlegen ist; © 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt 2. seine Forderung oder Klage zurückgezogen oder erheblich eingeschränkt hat; Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht 3. auf die Anrufung des Richters verzichtet hat; 4. mit dem Mieter einen Vergleich geschlossen oder sich sonstwie geeinigt hat; f. wegen Änderungen in der familiären Situation des Mieters, aus denen dem Vermieter keine wesentlichen Nachteile entstehen. 2 Absatz 1 Buchstabe e ist auch anwendbar, wenn der Mieter durch Schriftstücke nachweisen kann, dass er sich mit dem Vermieter ausserhalb eines Schlichtungs- oder ­Gerichtsverfahrens über eine Forderung aus dem Mietverhältnis geeinigt hat. 3 Absatz 1 Buchstaben d und e sind nicht anwendbar bei Kündigungen: a. wegen dringenden Eigenbedarfs des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte; b. wegen Zahlungsrückstand des Mieters (Art. 257d); c. wegen schwerer Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art. 257f Abs. 3 und 4); d. infolge Veräusserung der Sache (Art. 261); e. aus wichtigen Gründen (Art. 266g); f. wegen Konkurs des Mieters (Art. 266h).

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3 Die Rechte und Pflichten der natürlichen Personen Alle Menschen erlangen mit ihrer Geburt die Rechtsfähigkeit, d. h. die grundsätzliche Fähigkeit, Rechte und Pflichten zu haben. Mit zunehmendem Alter erwerben natürliche Personen verschiedene weitere Rechte und Pflichten.

Rechtsfähigkeit Geburt Rechte besitzen Urteilsfähigkeit (vernunftgemäss handeln)

■ Rechtssubjekt und Rechtsobjekt Menschen sind sogenannte Rechtssubjekte. Für alle besteht in den Schranken der Rechtsordnung die gleiche Fähigkeit, Rechte und Pflichten zu haben. Dies galt nicht immer für alle Menschen: Im Zeitalter der Sklaverei hatten die Sklaven keinerlei Rechte, sie wurden wie ­Sachen behandelt und gebraucht, auf Märkten gekauft und verkauft. Was einst für Sklaven galt, hat heute generell Gültigkeit für Sachen und die Natur. Rechtlich betrachtet sind sie ­Objekte. Häuser, Grundstücke, Waren, Geld, P­ atente oder Lizenzen besitzen keine eigenen Rechte, sondern sind als Rechtsobjekte dem menschlichen Zugriff ausgesetzt. Tiere sind dagegen ausdrücklich keine Sachen (Art. 641a ZGB); falls für sie keine besonderen Regelungen bestehen, gelten allerdings die auf Sachen anwendbaren Vorschriften. Durch eine Vielzahl von Gesetzen (z. B. Tier-, Gewässer- oder Denkmalschutzgesetze) können auch Rechts­objekte wirksam geschützt werden. ■ Rechtsfähigkeit

■ Übersicht über die Rechte und Pflichten einer natürlichen Person

ungefähr ab 8 Jahren

bis 16 Jahre: «Schutzalter», ■ Schutz der sexuellen Bedürfnisse junger Menschen vor den sexuellen Bedürfnissen älterer Menschen ■ Schutz vor den schädigenden Wirkungen des Alkohol­ konsums ab 16 Jahren: ■ Religionsfreiheit ■ Sexuelle Volljährigkeit

16 Jahre

bis 18 Jahre: «Schutzalter»,

18 Jahre

© 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen ■■ Schutz vor den schädigenden Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht

Unter der Rechtsfähigkeit verstehen wir die Fähigkeit der Rechtssubjekte, Rechte zu besitzen und Pflichten zu übernehmen. Die Rechtsfähigkeit steht grundsätzlich allen Menschen unabhängig von ­ihrem Alter zu (Art. 11 Abs. 2 ZGB). So kann beispielsweise bereits ein einjähriges Kind erben (unter der Voraussetzung, dass das Kind lebend geboren wird, entsteht das Erbrecht bereits mit der Zeugung). Die Rechtsfähigkeit ist nicht an körperliche oder geistige Unversehrtheit gebunden. Sie gilt grundsätzlich für alle Menschen, d. h., auch geisteskranke Personen sind rechtsfähig (allerdings nicht handlungsfähig, vgl. die nachfolgenden Ausführungen). Wer rechtsfähig ist, muss bestimmte Pflichten übernehmen und kann die ihr bzw. ihm zustehenden Rechte wahrnehmen. In gewissen Fällen ist allerdings ein bestimmtes Mindestalter vorgeschrieben, z. B. für die Ehefähigkeit, das Stimm- und Wahlrecht oder die Steuerpflicht. Gemäss Gesetz sind zwar alle Menschen gleich rechtsfähig und den gleichen Ge­setzen unterworfen. Innerhalb verschiedener Gesetze werden die Menschen jedoch unterschiedlich behandelt: Kinder können keine Verträge eingehen und müssen keine Steuern zahlen, Frauen müssen keinen Militärdienst leisten (dürfen es aber auf freiwilliger Basis), Ausländer benötigen eine Aufenthalts- und je nach Herkunftsland eine Arbeitsbewilligung. Innerhalb der verschiedenen Gesetze herrscht jedoch Gleichheit: Jedes Kind ist vertragsunfähig, jeder männ­ liche Schweizer militärdienst- und zivilschutzpflichtig, sofern er die entsprechenden Vor­aus­ setzungen erfüllt.

Pflichten übernehmen

10 Jahre

Sich «korrekt» verhalten, nicht ­straffällig werden: von 10 bis 18 Jahren: Strafbarkeit nach dem ­Jugendstrafrecht (JStGB)

18 Jahre

Sich «korrekt» verhalten, nicht ­straffällig werden: ab 18 Jahren: Strafbarkeit nach dem Erwachsenenstrafrecht (StGB)

Wirkungen des Konsums von «gebrannten Wassern» (Ge­ tränke mit einem Alkohol­ gehalt von mehr als 15 %) ab 18 Jahren: ■ Volljährigkeit ■ Testamentsfähigkeit ■ Ehefähigkeit ■ Stimm- und Wahlrecht

AHV-Pensionskassenrenten: ■ für Frauen ■ für Männer

Steuerpflicht AHV-Beitragspflicht

64 Jahre 65 Jahre Tod

20 Jahre

Beginn Dienstpflicht (Männer)

25 Jahre

Berufsvorsorge-Beitragspflicht

30 Jahre

Ende Militärdienstpflicht (frühestens, je nach Dienstgrad)

40 Jahre

Ende Zivilschutzpflicht


■ Handlungsfähigkeit Wer handlungsfähig ist, kann durch sein eigenes Verhalten Rechte und Pflichten begründen, z. B. Kauf- oder Mietverträge abschliessen, ein Darlehen aufnehmen, heiraten, ein Testament verfassen oder eine Aktiengesellschaft gründen. Ebenso können Rechte und Pflichten ge­ ändert oder aufgehoben werden, z. B. durch eine Vertragskündigung. Die Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit sind Volljährigkeit und Urteilsfähigkeit (Art. 13 ZGB).

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■ Voraussetzungen der Handlungsfähigkeit Handlungsfähigkeit Art. 13 ZGB

Zu beachten ist, dass beschränkt handlungsunfähige Personen deliktfähig sind (Art. 19 Abs. 3 ZGB), d. h., sie werden aus unerlaubten Handlungen schadenersatzpflichtig. ■ Einschränkungen der Handlungsfähigkeit Alter

Volljährigkeit Art. 14 ZGB

Urteilsfähigkeit Art. 16 ZGB

Urteilsfähigkeit (noch) nicht gegeben

12 (Minderjährige)

■ Volljährigkeit Die Volljährigkeit erreichen wir grundsätzlich mit der Vollendung des 18. Lebensjahres (Art. 14 ZGB). ■ Urteilsfähigkeit

Urteilsfähigkeit gegeben

18

Volljährigkeit gegeben

handlungsunfähig beschränkt handlungsunfähig Jugendliche bis zum 18. Altersjahr, die urteilsfähig, aber noch nicht volljährig sind, können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen (Art. 19 ZGB). (vollständig) handlungsfähig Eine volljährige, urteilsfähige Person ist handlungsfähig und kann durch ihre eigenen Handlungen Rechte und Pflichten begründen.

handlungsunfähig Vorübergehender VerUrteilsfähig ist, wer vernunftgemäss handeln kann (Art. 16 ZGB). Darunter verstehen wir die lust der Urteilsfähigkeit (vorübergehend) intellektuelle Fähigkeit, eine bestimmte Situation richtig einschätzen zu können und sich über die Gründe und Folgen des eigenen Verhaltens bewusst zu sein. Die Urteilsfähigkeit wird mit © 2017 Verlagbestimmte SKV AG: Brennpunkt Gesellschaft, in 120 Lektionen zunehmendem Alter nach und nach erworben. Im Gesetz steht keine Alters-Wirtschaft DieundHandlungsfähigkeit kann durch Massnahmen des Erwachsenenschutzrechts eingePersönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht grenze: Je nach Rechtsproblem und Entwicklungsstand der jugendlichen Person geht man schränkt werden. Dieses sieht Instrumente vor, mit denen natürliche Personen infolge psychischer Störungen oder Geisteskrankheiten in persönlichen, finanziellen oder rechtlichen Aufgabe 2 davon aus, dass im Alter von etwa 12 bis 14 Jahren die Urteilsfähigkeit gegeben ist. Angelegenheiten unterstützt werden können bzw. betreut werden müssen. Je nach Aus­ prägung der Unterstützungsbedürftigkeit kommen vier Arten von Beistandschaften in Frage ■ Einschränkungen der Handlungsfähigkeit (vgl. Art. 393 ff. ZGB). Werden grundsätzlich handlungsunfähige Personen, z. B. Jugendliche, die urteilsfähig, aber Wer einer umfassenden Beistandschaft2 (der strengsten «Massnahme»), unterstellt wird, noch nicht volljährig sind, zu gewissen Rechtshandlungen befugt, sprechen wir von be­ ist trotz erreichtem 18. Altersjahr handlungsunfähig (Art. 17 ZGB). Die umfassende Beistandschaft wird bei Personen eingerichtet, die dauernd urteilsunfähig sind und aufgrund einer schränkter Handlungsunfähigkeit. Jugendliche unter 18 Jahren können grundsätzlich nur mit psychischen oder geistigen Behinderung ausgeprägt hilfsbedürftig sind. der Zustimmung eines gesetzlichen Vertreter (das sind im Normalfall die Eltern) rechtliche Verpflichtungen eingehen (Art. 19 Abs. 1 ZGB). Für kleinere Geschäfte des täglichen Lebens – beispielsweise das Mittagessen einer 17-jährigen Lernenden in der Mensa der Berufsfach■ Handlungsunfähigkeit schule – ist allerdings diese Zustimmung ausdrücklich nicht notwendig (Art. 19 Abs. 2 ZGB). Für weitergehende Kaufverträge kann der gesetzliche Vertreter sein Einverständnis stillPersonen, die nicht urteilsfähig sind, können mit ihren Handlungen grundsätzlich keine rechtschweigend (d. h. nicht ausdrücklich) im Voraus geben oder das Geschäft nachträglich lichen Wirkungen erzielen (Art. 17 ZGB). Handlungsunfähig sind gemäss negativer Umschrei­genehmigen (Art. 19a ZGB). Falls die gesetzlichen Vertreter diese Zustimmung verweigern, bung in Art. 16 ZGB Personen, die … müssen die bereits erfolgten Leistungen zurückerstattet werden (Art. 19b ZGB). Aus diesem ■ minderjährig («im Kindesalter») sind oder Grund sollten die Vertragspartner bei «grösseren Geschäften», z. B. beim Mieten einer Woh■ wegen einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung oder nung oder beim Kauf eines Autos, die Volljährigkeit der andern Vertragspartei im Voraus ■ wegen eines Rausches (durch Alkohol- oder Drogenkonsum verursacht) oder ähnlicher überprüfen. Zustände (Willensbeeinträchtigung durch Medikamenteneinfluss oder Hypnose) nicht 2 Die «umfassende Beistandschaft» ersetzt ab 1.1.2013 den Begriff «Vormundschaft». vernunftgemäss handeln können.

Aufgabe 3 Aufgabe 4 Übung 2 Übung 3


■ Übersicht Beistandschaften «Aktivität» Begleit­ beistandschaft

Beispiel: Vertretungs­ beistandschaft

Beispiel: Mitwirkungs­ beistandschaft

Beispiel: Kombinierte Beistandschaft Umfassende Beistandschaft

Beispiel:

Begleitende Unterstützung (Beratung, Assistenz, Vermittlung und Förderung); mit Zustimmung der hilfs­ bedürftigen Person

«Umfang» der Handlungsfähigkeit Handlungsfreiheit nicht eingeschränkt

Sinn und Zweck Hilfe zur Selbsthilfe

Beratung und Unterstützung bei Wohnungssuche, beim Ausfüllen der Steuer­ erklärung oder beim Erstellen eines Budgets Vertretung im Umfang der übertragenen Aufgaben; Beiständin handelt mit direkter Wirkung für die Person.

Handlungsfähigkeit kann eingeschränkt werden

Gesetzliche Vertretung, wenn gewisse Angelegenheiten nicht mehr selbst­ ständig erledigt ­werden können

Beiständin oder Beistand übernimmt die Einkommens- und Vermögensverwaltung sowie administrative Angelegenheiten. Bestimmte Handlungen können nur noch mit Zustimmung des Beistandes rechtswirksam vorgenommen werden

© 2017 Verlag Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Handlungsfähigkeit HilfeSKV fürAG: Person, die Exemplar von Heinz Ruefenacht eingeschränkt,Persönlicheszwar urteilsfähig und d. h. für die «mitwirselbstständig sind, kungsbedürftigen» sich aber mit gewisGeschäfte entzogen sen Handlungen selber schaden können

Aufnahme eines Darlehens, Haustürgeschäfte, Abschluss eines Erbvertrages, ­Verkauf einer Liegenschaft Kombination der drei obigen Beistandschaften Vertretung bei allen Angelegenheiten der Personen-, der Vermögenssorge und des Rechtsverkehrs

Handlungsfähigkeit entfällt vollumfänglich (von Gesetzes wegen; Einverständnis der betroffenen Person ist nicht nötig)

Hilfe für Personen, bei denen nicht verantwortet werden kann, dass sie Rechtshandlungen vornehmen können

Vertretung einer Person in allen Belangen wegen einer geistigen Behinderung, die zwar nicht offenkundig ist, aufgrund derer die Person aber ausgenützt werden könnte.

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4 Merkmale natürlicher und juristischer Personen Sehr häufig schliessen sich Menschen im Geschäftsleben zusammen. Es werden Vereine, Stiftungen, Aktiengesellschaften oder Genossenschaften gegründet, um bestimmte Ziele besser zu erreichen. Dadurch entstehen «künstliche» Rechtssubjekte, juristische Personen, die (unabhängig von den Mitgliedern) eine eigene Rechtsfähigkeit und damit die gleichen Rechte und Pflichten wie natürliche Personen besitzen. Sie können z. B. Verträge abschliessen oder werden aus unerlaubter Handlung schadenersatzpflichtig. Ausgenommen sind jene Rechte und Pflichten, die nur von Menschen ausgeübt werden können wie z. B. heiraten, Kinder ­adoptieren oder ein Testament verfassen. Rechtliche Zusammenschlüsse können jedoch auch einen eigenen Namen, ein eigenes Vermögen, einen eigenen Wohnsitz haben. Präzis definiert wird die juristische Person in Art. 52 ZGB: Danach handelt es sich entweder um eine Personengemeinschaft (Körperschaft) oder um eine Vermögenszusammenfassung. Natürliche Personen (Einzelpersonen)

Merkmale

Juristische Personen (Vereine, Gesellschaften, Stiftungen)

durch die Geburt; ­ Eintrag im ­Zivilstands­register

Rechtsfähigkeit

durch Urteilsfähigkeit und Volljährigkeit

Handlungsfähigkeit

Privatvermögen

Haftung

Gesellschaftsvermögen; bei einzelnen Gesellschaften auch Privatvermögen

Familienname

Bezeichnung

Vereins- oder Firmenname, ­Stiftungsbezeichnung

Tod

Ende der Persönlichkeit

Auflösung, durch Löschung im ­Handelsregister

5 Überblick über die juristischen Personen Die Bedeutung der juristischen Personen ist heute sehr gross. Im Gegensatz zu den natür­ lichen Personen ist bei den juristischen Personen die Haftung häufig beschränkt. Tritt ein Schaden ein, für welchen die juristische Person verantwortlich ist, steht nur das Gesellschaftsvermögen für die Bezahlung zur Verfügung – bei den natürlichen Personen ist es das gesamte Privatvermögen. Dank der beschränkten Haftung juristischer Personen wird das finan­zielle Risiko für die Kapitalgeber überblickbar. Diese Begrenzung des finanziellen Risikos erleichtert es, wirtschaftliche Unternehmungen zu gründen. Juristische Personen im Aufgabenbereich des Staates (Juristische Personen des öffentlichen Rechts)

Juristische Personen im Aufgabenbereich von Privatpersonen (Juristische Personen des Privatrechts)

Gemeinwesen ■ Bund ■ Kanton ■ Gemeinden

Vereine (Art. 60 – 79  ZGB) Stiftungen (Art. 80 – 89bis  ZGB)

Öffentliche Anstalten durch einen Vertrag; ■ SBB Gesellschaften © 2017 Verlag­ESKV AG: Brennpunkt Wirtschaft■und Gesellschaft, in 120 Lektionen intrag ­allenfalls durch ■ Post ■ Aktiengesellschaft (AG) Exemplar von Heinz Ruefenacht ■ SNB (Schweiz. Nationalbank) im Persönliches ­Handelsregister (Art. 620 – 763 OR) ■ SUVA (Schweiz. Unfallversicherungsanstalt) ■ Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) durch die Wahl einer ­ (Art. 772 – 827 OR) bestimmten ­Organisation ■ Genossenschaft (Gen) ■ Verein (Art. 828 – 926 OR) ( ­Vereinsversammlung, ­Vorstand) ■ Aktiengesellschaft ( ­Generalversammlung, ■ Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts erfüllen in der Regel öffentliche ­Verwaltung, Revisionsstelle) ■ Stiftung (staatliche) Aufgaben. So ist z. B. die Schweizerische Nationalbank (SNB) als Aktien­ (Stiftungsrat, evtl. Vorstand, gesellschaft konzipiert, die Rechtsgrundlagen sind aber nicht im OR, sondern im Bundes­Kontrollstelle)

gesetz über die Nationalbank festgelegt. Weitere Beispiele von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind der Bund, die Kantone oder die Gemeinden (auch Kirchgemeinden). In vielen Kantonen sind auch die Kantonalbanken juristische Personen des öffentlichen Rechts. Als Beispiel dafür kann die Zürcher Kantonalbank (ZKB) angeführt werden; die gesetzlichen Grundlagen für die Organisation der ZKB sind in einem kantonalen ­Gesetz festgehalten. ■ Juristische Personen des Privatrechts werden nicht ausschliesslich im ZGB behandelt. Das ZGB definiert lediglich Grundsätze wie z. B. die Rechts- und Handlungsfähigkeit der juristischen Personen. Es enthält zudem die Rechtsgrundlagen für Vereine und Stiftungen. Die Gesellschaftsformen Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Genossenschaft sind in der dritten Abteilung des OR behandelt. Übung 4


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 Das haben Sie gelernt

Offene Fragen

Die allgemeinen Rechtsgrundsätze des ZGB an einem einfachen Beispiel erkennen und anwenden Einen Rechtssatz (Artikel) aus ZGB und OR korrekt zitieren Den Unterschied zwischen Rechtssubjekt und Rechtsobjekt an Beispielen ­beschreiben Die Voraussetzungen der Rechtsfähigkeit und der Handlungsfähigkeit für ­verschiedene Personen prüfen Die Einschränkungen der Handlungsfähigkeit beschreiben Natürliche und juristische Personen in Bezug auf ihre Rechtsfähigkeit, Handlungs­ fähigkeit, Haftung, Bezeichnung und das Ende ihrer Persönlichkeit vergleichen

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 Diese Begriffe können Sie erklären Allgemeine Rechtsgrundsätze des ZGB Gewohnheitsrecht Richterliches Ermessen Handeln nach Treu und Glauben Schutz des guten Glaubens Regeln zur Beweislast Personenrecht Rechtssubjekt Natürliche Personen Juristische Personen des öffentlichen Rechts des Privatrechts Rechtsobjekt Rechtsfähigkeit Handlungsfähigkeit

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Urteilsfähigkeit Einschränkungen der Handlungsfähigkeit Beschränkt handlungsunfähig Vollständig handlungsunfähig

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Übung 1 Die Einleitungsartikel des ZGB

Übung 2 Grundbegriffe des Personenrechts

Welche Aussagen sind richtig (R); welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien.

Welche Aussagen sind richtig (R); welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien.

a) Im ersten Artikel des ZGB wird geregelt, auf welche Rechtsquellen sich die ­Gerichte abstützen müssen, falls in den Gesetzen für eine bestimmte Rechtsfrage keine Regelung enthalten ist.

a) Die Rechtsfähigkeit der natürlichen Personen beginnt mit dem Erreichen des 18. Lebensjahres.

b) Der Grundsatz von Art. 1 Abs. 2 ZGB, wonach das Gericht allfällige Rechts­ lücken selber füllen darf, gilt nicht nur für das ZGB, sondern auch für alle ­andern Gesetze.

b) Alle Menschen sind sogenannte Rechtsobjekte. Alle besitzen die grund­ sätzliche Fähigkeit, Rechte und Pflichten zu haben.

c) Beim hier vorliegenden Lehrbuch handelt es sich, rechtlich betrachtet, um ein Rechtsobjekt.

c) Wenn ein Käufer nicht weiss, dass z. B. der Verkäufer eines Occasionsvelos gar nicht zum Verkauf berechtigt ist, weil sich das Fahrrad eigentlich zur Reparatur in der Werkstatt befand, so kann sich der Käufer auf den Grund© 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft Gesellschaft, in 120 Lektionen versteht man die Fähigkeit, Rechte und Pflichten d) und Unter der «Rechtsfähigkeit» satz von Treu und Glauben berufen. Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht überhaupt zu haben.

d) Wenn jemand behauptet, eine Geldschuld bezahlt zu haben, so muss gemäss Art. 8 ZGB der Zahlungsvermittler (Bank oder Post) die Überweisung bestätigen.

e) Die Vorgabe, dass Gerichte ihre Entscheide nach Recht und Billigkeit zu treffen haben, bedeutet, dass Entscheide rechtlich fundiert und kostenmässig für die Betroffenen möglichst billig ausfallen sollten.

f) «Zitieren» bedeutet im Recht die präzise Bezeichnung der Rechtssätze durch Gesetz, Artikelnummer und gegebenenfalls Buchstabe sowie Ziffer.

e) Die Voraussetzungen der Handlungsfähigkeit sind die Urteilsfähigkeit und die Rechtsfähigkeit.

f) Die Fähigkeit, vernunftgemäss zu handeln (Urteilsfähigkeit), erreicht ein Kind im Normalfall automatisch mit dem vollendeten 12. Altersjahr.

g) Ein Jugendlicher im Alter von 16 Jahren ist beschränkt handlungsfähig.


Übung 3 Handlungsfähigkeit und deren Einschränkungen

volljährig

urteilsfähig

voll handlungsunfähig

beschränkt ­handlungsunfähig

voll handlungsfähig

Kreuzen Sie die Handlungsfähigkeit der folgenden ­Personen an. Begründen Sie Ihre Antwort, indem Sie die Voraus­ setzungen der Handlungsfähigkeit (mündig und urteils­ fähig) der entsprechenden Personen bestimmen.

Übung 4 Natürliche und juristische Personen

A

B

C

D

E

Welche Aussagen sind richtig (R); welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien. a) Eine juristische Person erlangt ihre Handlungsfähigkeit durch die Wahl ihrer Organe.

b) Die Rechtsgrundlagen für juristische Personen des öffentlichen Rechts finden sich in Bundesgesetzen oder allenfalls in kantonalen Gesetzen.

a) Marco, bei einer Grossbank in Ausbildung, 17 Jahre alt. b) Marianne, in Ausbildung zur Detailhandelsangestellten, 19 Jahre alt. c) Corinne, 20-jährige Studentin im 1. Semester an einer Fachhochschule. d) Gaston konsumiert an seinem 21. Geburtstag so viel Drogen und Alkohol, dass er völlig bekifft und ­betrunken ist.

c) Bei der juristischen Person «Aktiengesellschaft» haftet nur das Privatvermögen der Mitglieder.

© 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft 120 Lektionen d) und DerGesellschaft, Jurist undin Rechtsanwalt Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht

Dr. K. Müller ist ein Beispiel für eine juristische

Person.

e) Sadiye, 21-jährig, während ihres Aufenthaltes in der Empfangsstelle für Asylbewerberinnen. f) Fabiana, Kindergartenkind, 5-jährig. g) Die 30 Jahre alte Edith steht wegen einer schweren geistigen Behinderung unter umfassender Beistandschaft. h) Sandro, Festbesucher, 22-jährig, befindet sich nach extensivem Alkohlkonsum in einem Vollrausch.

e) Eine Richterin benötigt zwar eine fundierte juristische Ausbildung für ihre ­Tätigkeit am Kantonsgericht; sie ist aber trotzdem eine natürliche Person.

f) Eine juristische Person besitzt wohl die Handlungs-, nicht aber die Rechts­ fähigkeit.

i) Mariangela, italienische Staatsangehörige («Seconda»), Maturandin, 19 Jahre alt. g) Die Rechtsgrundlagen für juristische Personen des Privatrechts finden sich im dritten Kapitel des Zivilgesetzbuches.

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Aufgabe 1 Die Einleitungsartikel des ZGB Die Artikel 2, 3 und 8 ZGB sind hilfreich bei der Lösung der folgenden Probleme. Schlagen Sie z­ uerst diese Artikel im Gesetzbuch nach und lesen Sie sie aufmerksam durch. Nennen Sie bei jeder geschilderten Situation den Ihrer Meinung nach zutreffenden Artikel und notieren Sie, was für eine Lösung sich daraus ergibt. a) Hans Altherr möchte sein sehr abgelegenes Rustico im Tessin gerne verkaufen. Er weiss, dass sein Nachbar Remo Bamberger grundsätzlich an einem Kauf interessiert wäre. Allerdings will Remo Bamberger wesentlich weniger zahlen, als Hans Altherr für das Haus verlangt. Um Remo Bamberger dennoch zu einem Kauf zu zwingen, ­errichtet Hans Altherr auf seinem eigenen Grundstück eine mehrere Meter hohe Steinmauer, die es Remo Bamberger künftig verunmöglicht, von seinem Grundstück aus ­einen ungestörten Blick auf die herrliche Umgebung zu haben. Einen anderen Zweck hat die Mauer offensichtlich nicht.

c) Jakob Odermatt ist ein Uhrenliebhaber. Auf einer Reise besucht er das kleine Uhr­ machergeschäft Gustav Moser und entdeckt dort per Zufall eine wertvolle Uhr, die er sich schon lange gewünscht hat. Nach kurzem Zögern ist der Uhrmacher bereit, ihm die Uhr zu einem hohen, aber angemessenen Preis zu verkaufen. Nach einigen Wochen zeigt Jakob Odermatt die Uhr seinem guten Freund Karl Kuhn, der ebenfalls Uhren sammelt. Karl Kuhn ist ausser sich, als er die Uhr seines Freundes sieht. Offenbar handelt es sich um jene Uhr, die er Gustav Moser vor wenigen Wochen zur Reparatur vorbeigebracht hat. Gustav Moser hat ihn seither hingehalten und behauptet, die Reparatur würde etwas länger dauern.

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b) Stefan Keller hat seinem Freund Peter Meier CHF 10 000.– geliehen. Peter Meier macht nach einem Jahr keinerlei Anstalten, den Betrag zurückzuzahlen. Er behauptet, gar nie Geld von Stefan Keller erhalten zu haben. Zudem habe er im Verlauf der letzten zwölf Monate mehrmals seinerseits grössere Geldbeträge an Stefan Keller bezahlt; sollte er also tatsächlich einmal Geld erhalten haben, hätte er dieses schon längst zurückbezahlt.

d) Stefanie Rindlisbacher, die über Weihnachten / Neujahr des Vorjahres eine Suite des 5-Stern-Hotels Royal bewohnt hatte, bestellte im September telefonisch für den ­nächsten Jahreswechsel wiederum eine Suite. Mit der Reservationsbestätigung für die Zeit vom 27. Dezember bis zum 10. Januar wurde der Preis der Suite mit CHF 3000.– pro Tag angegeben und eine Anzahlung von CHF 9000.– verlangt, welche Stefanie Rindlisbacher leistete. Bei ihrer Ankunft am 27. Dezember wurde ihr nicht wie im Vorjahr eine Suite im Hauptgebäude, sondern eine Apartwohnung im Nebentrakt zu­ gewiesen. Diese lehnte sie wegen des Standortes sowie wegen Art und Beschaffenheit der Einrichtung ab. Noch gleichentags reiste sie ab. In der Folge klagte Stefanie ­Rindlisbacher gegen das Hotel Royal auf Rückzahlung der Anzahlung. Das Hotel verlangte hingegen die Zahlung für die vereinbarte Aufenthaltsdauer, nämlich CHF 42 000.– abzüglich der Anzahlung von CHF 9000.–.


Aufgabe 2 Eine erste Übersicht über das Personenrecht a) Schlagen Sie in Ihrem Gesetzbuch das «Kapitel» zum Personenrecht nach und ergänzen Sie die folgende Übersicht: Das Personenrecht (ZGB: Erster Teil)

1. Titel 1. Abschnitt

Artikel

2. Abschnitt

Artikel

2. Titel 1. Abschnitt

Artikel

2. Abschnitt

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3. Abschnitt

Artikel Artikel

b) Lesen Sie die Artikel 12 – 16 ZGB sorgfältig durch und ergänzen Sie die folgende Darstellung zur Handlungsfähigkeit. echte und Pflichten =R begründen

Art. 13 ZGB Art. 14 ZGB 1. Voraussetzung

Art. 16 ZGB 2. Voraussetzung = Fähigkeit, vernunftgemäss zu handeln; steht grundsätzlich jeder Person zu, ausser ihre Urteilsfähigkeit sei eingeschränkt oder fehle ganz. Gründe dafür sind:

wird erreicht durch Art. 14 ZGB

Art. 16 ZGB

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Aufgabe 3 Claudias Vertrag mit dem Fitnesscenter Claudia, 17, hat ein Problem: «Vor zwei Monaten habe ich einen Vertrag für den Besuch eines Fitnesscenters unterschrieben. Ich bin dadurch berechtigt, die Trainingsanlagen während eines Jahres unbegrenzt zu benutzen. Die Jahresmitgliedschaft kostet CHF 450.–. Eine erste Rate von CHF 150.– habe ich bereits beglichen. Nach vier Wochen habe ich festgestellt, dass ich für ein regelmässiges Training im Fitnesscenter neben meiner Berufslehre zu wenig Zeit habe, und wollte den Ausweis, der zum Eintritt berechtigt, zurückgeben. Das Fitnesscenter will darauf jedoch nicht eingehen und fordert trotzdem die Bezahlung der restlichen CHF 300.–. Muss ich die Restschuld wirklich bezahlen?»

b) Wie beurteilen Sie den Vertrag zwischen Claudia und dem Fitnesscenter? Überprüfen Sie zusätzlich zur Handlungsfähigkeit auch die Folgerungen, die sich aus Art. 323 ZGB ergeben.

a) Überprüfen Sie, ob Claudia Verträge grundsätzlich rechtsgültig unterschreiben darf.

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Einbezug von Art. 323 ZGB:


Aufgabe 4 Michaels Tablet Sachverhalt 1: Zwischen Michael Gerber, einem 13-jährigen Sekundarschüler, und seiner älteren Schwester Anita gibt es wegen der Benützung von Anitas iPad immer wieder Streit. Nach ­einem solchen Streit, in dem Michael auf Anordnung der Eltern das Gerät Anita zurück­geben musste, kauft sich Michael kurz entschlossen in einem Elektronik-Shop ein eigenes «10.10" Samsung Galaxy Tablet» für CHF 349.–. Michael bekommt CHF 20.– Taschengeld pro Monat, zudem sind von seinem Ge­burtstagsgeld noch CHF 120.– übrig. Weil seine Barschaft aber nicht reicht, hat sich Michael noch mit CHF 100.– aus dem Haushaltportemonnaie seiner Mutter «bedient». Seine Eltern sind entsetzt. Sie sind mit dem Kauf nicht einverstanden, zumal Michael auch ungefragt Haushaltgeld verwendet hat. Frau Gerber geht deshalb mit Michael am folgenden Tag in den Laden und will den Kauf rückgängig machen. Die Verkäuferin weigert sich allerdings. Sie begründet es damit, dass sie viele solche Geräte an Jugendliche verkaufe und es noch nie zu Problemen gekommen sei. Zudem sei die Verpackung bereits geöffnet und eine Rückgabe deshalb unmöglich..

Sachverhalt 2 (Variante): Es gilt die gleiche Ausgangslage wie im Sachverhalt 1. Michael erhält allerdings ein Sackgeld von CHF 40.– pro Monat. Er kauft das günstigere Modell, ebenfalls ein Galaxy Tablet, allerdings mit einem etwas schwächeren Prozessor zu CHF 199.–, wozu seine Ersparnisse ausreichen und der «Griff in die Haushaltkasse» deshalb nicht ­nötig ist. Michael überspielt noch am Abend nach dem Kauf – mit Wissen seines Vaters – ­einen Teil seiner Musiksammlung auf das neue Tablet. Auch der Vater ist fasziniert von den technischen Möglichkeiten des kleinen Gerätes. Weil Michael in der Folge seine Hausaufgaben sträflich vernachlässigt und sich stark mit der Suche nach neuen Musik- und Videotiteln sowie Games im Internet beschäftigt, beschliessen die Eltern nach einer Woche, dass Michael das Gerät zurückbringen muss. Vater Gerber erklärt der Verkäuferin im Laden, Michael sei nicht handlungsfähig und er akzeptiere den Kauf auf keinen Fall. b) Beurteilen Sie die Rechtslage in diesem Fall und begründen Sie Ihren Entscheid.

a) Überprüfen Sie die Rechtslage mithilfe des Gesetzes. © 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht

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