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Wirtschaftskreislauf
Wenn wir die gesamte Wirtschaft aus der Vogelperspektive betrachten, dann zeigt sich uns ein faszinierendes Bild: Tag für Tag strömen in der Schweiz fast fünf Millionen Menschen in knapp 600 000 Unternehmungen und produzieren pro Jahr für ca. CHF 650 Mia. Güter und Dienstleistungen. Wer lenkt diesen Prozess? Könnte das ganze Wirtschaftstreiben auch anders ablaufen? Welchen Einfluss haben die Unternehmungen? Welche Rolle spielen die Konsumenten?
Theorie 28.1 28.2 28.3 28.4 28.5
Übungen
Das ökonomische System .................................................................................. Wirtschaften heisst Umgang mit Knappheit ...................................................... Die Wirtschaft als Kreislaufmodell ...................................................................... BIP: Messgrösse für wirtschaftliche Aktivitäten ................................................... Lebensstandard und Lebensqualität ................................................................... Das haben Sie gelernt ....................................................................................... Diese Begriffe können Sie erklären .....................................................................
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Knappheit und ökonomisches Prinzip ................................................................... Produktionsfaktoren ............................................................................................ Geld- und Güterkreisläufe .................................................................................... Bruttoinlandprodukt ............................................................................................ Wohlstand und Wohlfahrt ................................................................................... Nominale und reale Grössen ................................................................................ BIP, HDI und Happy Planet Index ..........................................................................
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Aufgaben 1 2 3 4
Knappheit und ökonomisches Prinzip ................................................................... Veränderungen des BIP: nominal und real ............................................................ Der Wirtschaftskreislauf anschaulich .................................................................... Diskussion um Wohlstand und Wohlfahrt ............................................................
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Ausgabe für Lehrpersonen Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft 3.. Auflage 2019 / © Verlag SKV AG, Zürich Diese Broschüre ist urheberrechtlich geschützt. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, die Broschüre oder Teile daraus in irgendeiner Form zu reproduzieren. Bestellung über: https://brennpunkt-wug.verlagskv.ch Wirtschaftskreislauf 1
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Wirtschaftskreislauf 2
28.1
Das ökonomische System
Im Modell des Wirtschaftskreislaufs werden die Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilnehmern des Wirtschaftsprozesses beschrieben. Es sind dies: – Haushalte – Unternehmungen – Staat – Finanzsektor (Vermögensveränderungen) – Ausland – Nationalbank
Q Unbeschränkte Bedürfnisse – beschränkte Mittel Staatsdefizit Steuern
Staat
Güterverkäufe, Subventionen
Steuern Einkommen: Löhne, Sozialversicherungen
Einkommen: Löhne, Gewinne Unternehmungen
Haushalte
Konsumausgaben
Investitionen
Vermögensveränderungen
Ersparnisse Rechnungsüberschuss
Export- bzw. Importüberschuss Geld- und Währungspolitik Exporteinnahmen Importausgaben
Ausland
Nationalbank
Wir Menschen sind alle in irgendeiner Weise auch Teil des ökonomischen Systems. Wir arbeiten und konsumieren Güter und Dienstleistungen aller Art; wir setzen unsere Fähigkeiten in Arbeitsprozessen ein und legen gespartes Geld an. Wenn sich die Wirtschaft anders entwickelt als gewünscht, wirkt sich dies direkt auf eine einzelne Person aus. Sie verliert z. B. ihr investiertes Geld oder ihren Arbeitsplatz. Im schlimmsten Fall sind die Unternehmungen nicht mehr imstande, genügend Arbeitsplätze für alle Menschen anzubieten. Dann werden vielerorts staatliche Massnahmen zur Unterstützung von Unternehmungen verlangt, und das staatliche Sozialversicherungssystem soll betroffenen Personen mittels Arbeitslosenrenten ihre Existenz über eine gewisse Zeit sichern. Die Nationalbank führt als unabhängige Einrichtung die Geld- und Währungspolitik eines Landes und schafft damit die grundlegenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Wirtschaft.
28.2 Wirtschaften heisst Umgang mit Knappheit Die Bedürfnisse von uns Konsumentinnen und Konsumenten scheinen unbeschränkt: Immer streben wir nach Neuem, immer wünschen wir uns neue Güter und Dienstleistungen. Demgegenüber sind die Mittel, die für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen zur Verfügung stehen, nur beschränkt vorhanden. Daraus ergibt sich ein Knappheitsproblem, um dessen Lösung sich jede Volkswirtschaft kümmern muss.
Im Vergleich zu anderen Ländern herrscht in der Schweiz eine hervorragende Güterversorgung. Die Läden bieten ein umfassendes Sortiment an Gütern in verschiedensten Qualitäten und Preisen an. Trotzdem fehlt den einzelnen Menschen, auch solchen mit hohem Einkommen, immer wieder etwas. Dies lässt sich am Beispiel der Nahrungsmittelversorgung leicht zeigen: Die allermeisten Leute haben genug zu essen oder essen sogar zu viel. Trotzdem gibt es dauernd neue Angebote, mit denen die Nahrungsmittelindustrie auf unsere veränderten Bedürfnisse reagiert: etwa neue Geschmacksrichtungen oder Produkte, die speziell auf unser Bedürfnis nach einfachem, schnellem oder gesundem Essen ausgerichtet sind. Der Mensch scheint unersättlich zu sein, auch wenn dies nicht auf jeden in gleichem Masse zutrifft. Es gibt sicher viele Leute, die nicht jedes Jahr mit dem Flugzeug verreisen müssen, sondern auch mit einer Wanderung in der Schweiz zufrieden sind. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass sie deswegen weniger Bedürfnisse haben. Sie brauchen zwar keine neuen Flugangebote, dafür sind sie interessiert an wettertauglicher Wanderkleidung, preisgünstigen Hotels in ihrer Ferienregion, bequemen Wanderschuhen oder spezieller Wandernahrung. Im Gegensatz zu den Bedürfnissen sind die Mittel, die einer Gesellschaft zur Herstellung der Güter und Dienstleistungen zur Verfügung stehen, beschränkt. Aus volkswirtschaftlicher Sicht unterscheiden wir vier verschiedene Produktionsfaktoren, die für die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen grundsätzlich notwendig sind. Q Den Produktionsfaktor Arbeit stellen in der Schweiz jene fast 5 Millionen Menschen zur Verfügung, die gegen Bezahlung arbeiten. Diese Zahl umfasst sowohl inländische als auch ausländische Arbeitskräfte in der Schweiz. Q Zum Produktionsfaktor Kapital zählen wir all jene Investitionsgüter, die zur Herstellung von Gütern und Dienstleistungen notwendig sind. Dazu gehören einerseits Maschinen, Werkzeuge, Fahrzeuge und Gebäude, die sich im Besitz privater Unternehmungen befinden; andererseits zählt auch die gesamte öffentliche Infrastruktur, z. B. Eisenbahnen, Strassen, Schulen, Spitäler, zum Produktionsfaktor Kapital. Wenn man den Wert all dieser Anlagen schätzt, kommt man in der Schweiz auf einen Betrag von ca. CHF 1,3 Billionen. Jede wirtschaftliche Entwicklung führt dazu, dass der Produktionsfaktor Arbeit zunehmend durch den Produktionsfaktor Kapital ersetzt wird: Maschinen ersetzen die menschliche Arbeitskraft. Weil aber die dafür notwendigen Mittel nicht unbeschränkt sind, ist auch der Produktionsfaktor Kapital knapp. Q Zum Produktionsfaktor Boden gehören sowohl die Bodenschätze als auch die erzeugte Energie (z. B. Strom aus Wasserkraft). Der Boden hat aber auch eine wichtige Funktion als Standort für Unternehmungen und die Infrastruktur (z. B. Strassen). Schliesslich bilden intakte Landschaften auch eine wichtige Voraussetzung für den Tourismus und für viele Freizeitbeschäftigungen.
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Hinweis für Lehrpersonen W PPT-Folie / Tafelbild: Folie 2 Umgang mit Knappheit Beschränkte Produktionsfaktoren Arbeit
Wissen
Unbeschränkte Bedürfnisse
Kapital
Boden
Güter und Dienstleistungen
Lösungen?
Verschuldung
(kurzfristiger Lösungsansatz)
Produktivitätsfortschritte (langfristiger Lösungsansatz)
W PPT-Folie / Tafelbild: Folie 3 Produktionsfaktoren
Input Arbeit
Private Haushalte
Wissen (Sach-) Kapital Boden
Produktivität =
Output Input
Output
Unternehmungen (Staat)
BIP
Sachgüter Dienstleistungen Nutzungen
Ertrag z. B.
Arbeitsstunde Ertrag
oder
Hektare
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Wirtschaftskreislauf 4
Q Neben Arbeit, Kapital und Boden wird auch das Wissen als eigenständiger Produktionsfaktor betrachtet. Denn mit Wissen können Nachteile bei den anderen Produktionsfaktoren bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden. Dies lässt sich am Beispiel der Schweiz sehr gut zeigen: Obwohl unser Land kaum Rohstoffe hat und aufgrund seiner geringen Grösse nur über eine beschränkte Zahl von Arbeitskräften verfügt, erzielt es eine relativ hohe Wirtschaftsleistung. Der Produktionsfaktor Wissen ist eine zentrale Stärke der schweizerischen Volkswirtschaft, ohne die viele Leistungen im Bereich der Industrie (z. B. Uhren oder Chemie) oder der Dienstleistungen (z. B. Bankwesen, Versicherungen) nicht möglich wären. Zum Produktionsfaktor Wissen zählen wir das gesamte in den Unternehmungen vorhandene Know-how; darunter verstehen wir das Wissen, wie Vorgänge ablaufen, und die Fähigkeiten, diese umzusetzen. Aber auch dieser Produktionsfaktor ist nicht gratis zu haben: Um neue Erkenntnisse zu erlangen, muss in Forschung und Entwicklung investiert werden. In der Schweiz wurden 2015 3,4 % des Bruttoinlandprodukts für Forschung und Entwicklung verwendet; dies entspricht mehr als 22 Milliarden Franken pro Jahr. Knapp 70 % der Mittel stammen aus der Privatwirtschaft, vor allem aus der Pharma- und Maschinenbranche. Etwas weniger als 30 % kommen aus dem Hochschulsektor, der grösstenteils aus staatlichen Geldern finanziert wird. Q In Knappheitssituationen wirtschaftlich handeln Das Verhältnis zwischen den eingesetzten Mitteln (Produktionsfaktoren) und dem daraus resultierenden Nutzen (Sachgüter und Dienstleistungen) geschieht in unserer Wirtschaft nach dem ökonomischen Prinzip. Dies kann auf drei Arten erfolgen:
Optimumprinzip
Das ökonomische Prinzip führt dazu, dass alle Unternehmungen danach streben, die eingesetzten Mittel besser zu nutzen. Wenn Menschen zusammenarbeiten, so teilen sie die einzelnen Tätigkeiten untereinander auf. Während bereits in der «Steinzeit» die «Schnellen» jagten und die «Langsamen» fischten, so spezialisieren sich auch heute die Einzelnen auf jene Tätigkeiten, die sie besonders gut können und gerne machen. In der Schweiz gibt es über 250 verschiedene Berufe. Jeder einzelne Beruf weist meist nochmals verschiedene Spezialisierungen auf. Neben dem für allgemeine Krankheiten zuständigen Hausarzt gibt es eine Reihe von Spezialisten, wie Ohren-Nasen-Halsärzte, Augenärzte, Hautärzte, Orthopäden – und natürlich auch Zahnärzte! Wer sich spezialisiert, lernt die einzelnen Tätigkeiten besser kennen und findet in der Regel immer wieder Verbesserungsmöglichkeiten. Es gelingt dadurch, mit den eingesetzten Produktionsfaktoren (Arbeit, Boden, Kapital und Wissen) mehr zu produzieren. Gemessen wird die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit mit dem Bruttoinlandprodukt, abgekürzt BIP. Die Produktivität zeigt dabei, welche Menge an Sachgütern und Dienstleistungen (Output) mit den eingesetzten Produktionsfaktoren (Input) hergestellt werden kann. Je nach Branche ergeben sich so unterschiedliche Grössen zur Messung der Produktivität: Im Versicherungswesen können es z. B. die Anzahl Versicherungsverträge pro Mitarbeiter sein, bei Landwirten die Menge Kartoffeln (in kg) pro Hektare oder in der Industrie die Anzahl produzierter Stücke eines Artikels pro Maschinenstunde. Q Quellen des Wachstums Anzahl Erwerbstätige
Ökonomisches Prinzip
Minimumprinzip
Q Arbeitsteilung ermöglicht Produktivitätsfortschritte
Maximumprinzip
Während beim Minimumprinzip versucht wird, ein vorgegebenes Ziel mit möglichst wenig Mitteln zu erreichen, gilt es beim Maximumprinzip, mit den gegebenen Mitteln einen möglichst grossen Nutzen zu erzielen. In vielen Situationen sind aber weder die Ziele noch die Aufgabe 1 Mittel absolut vorgegeben. Beim Optimumprinzip geht es daher darum, ein optimales VerÜbung 1 hältnis von Input (Produktionsfaktoren) und Output (Sachgüter und Dienstleistungen) zu Übung 2 erzielen.
Arbeitsstunden pro Erwerbstätigen
Total Arbeitsstunden einer Volkswirtschaft
Ausbildung der Erwerbstätigen Kapital für Investitionen
Wachstum (BIP)
Produktivität
Technischer Fortschritt Quelle: http://www.seco-admin.ch
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Hinweis für Lehrpersonen W PPT-Folie / Tafelbild: Folie 4 Das ökonomische Prinzip
Minimumprinzip
Maximumprinzip
Ziel
Ziel
Minimaler Input
Maximaler Output Bestimmter Input
Bestimmter Output Ein Bedürfnis mit einem möglichst geringen (= minimalen) Einsatz (an Produktionsfaktoren) befriedigen,
Mit einem vorgegebenen Einsatz (an Produktionsfaktoren) möglichst viele Bedürfnisse befriedigen,
z. B. eine Strecke von A nach B mit einem möglichst geringen Benzinverbrauch bewältigen.
z. B. mit 10 Liter Benzinverbrauch möglichst viele Kilometer fahren.
W PPT-Folie / Tafelbild: Folie 5 (Vertiefung) Vor- und Nachteile der Arbeitsteilung
Vorteile/ Chancen
für die Arbeitnehmer
für die Betriebe
Nutzung besonderer Fähigkeiten
Kürzere Ausbildungszeiten Bessere Nutzung der Fähigkeiten der Allgemeinheit Verbesserte Nutzung
Einkommenssteigerungen
von Maschinen
Erhöhung der Produktivität
Evtl. Arbeitszeitverkürzungen
Nachteile/ Einseitige Arbeit evtl. psychische oder Gefahren physische Probleme
Entfremdung vom Endprodukt Vernachlässigung anderer Fähigkeiten
für die Volkswirtschaft
bessere Güterversorgung Höherer Lebensstandard
Gefahr einseitiger Stärkere Abhängigkeit Entwicklung von anderen Betrieben und von einzelnen Arbeit- Konzentrationsprozess nehmern mit Spezialwissen immer weniger, dafür grössere Unternehmungen Internationale Verflechtung Abhängigkeit
Eingeschränkte Möglichkeit für Berufswechsel
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Wirtschaftskreislauf 6
Damit eine Volkswirtschaft wachsen kann, müssen entweder die Zahl der Arbeitsstunden erhöht oder die Produktivität verbessert werden. Die Zahl der Arbeitsstunden nimmt zu, wenn jeder Einzelne länger arbeitet oder wenn mehr Menschen einer bezahlten Arbeit nachgehen. Eine steigende Zahl von Erwerbstätigen kann viele Gründe haben: zum Beispiel wurde das Rentenalter erhöht oder die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte hat zugenommen. Aber auch die Fruchtbarkeit einer Volkswirtschaft, also die Frage, wie viele Kinder jede Frau bekommt, beeinflusst die Zahl der verfügbaren Arbeitsstunden in einer Volkswirtschaft. Eine Steigerung der Produktivität lässt sich durch einen vermehrten Einsatz von Wissen und Kapital erreichen. Der Einsatz von Wissen führt zu einer verbesserten Ausbildung der Erwerbstätigen und zur Entwicklung neuer Fertigungsverfahren (= technischer Fortschritt). Investitionen in Maschinen (vermehrter Kapitaleinsatz) sorgen dafür, dass mit der gleichen Arbeitskraft grössere Leistungen erbracht werden können. Q Geld für einen effizienten Tauschhandel Auf allen Märkten werden Waren gegen Geld abgegeben. Geld ist das übliche Tauschmittel für Käufer und Verkäufer. Aber was ist «Geld» überhaupt? Geld ist alles, was als Tauschmittel akzeptiert wird. Waren es ursprünglich spezielle Gegenstände, deren Gebrauchswert allgemein anerkannt wurde, wie z. B. Vieh, Schmuck oder sogar Sklaven, wurden seit dem 7. Jahrhundert vor Christus zunehmend Metallmünzen als Tauschmittel verwendet. Im 11. Jahrhundert nach Christus wurden von der chinesischen Regierung die ersten gedruckten Quittungen als Geld ausgegeben – eine frühe Form der heutigen Banknoten. Heute wird neben Münzen und Noten immer häufiger sogenanntes Buchgeld verwendet: Der geschuldete Betrag wird nicht mehr bar bezahlt, sondern nur noch vom Konto des Käufers auf das Konto des Verkäufers umgebucht. Dieses Geld steht also nur noch in Die Herstellungs- und Verarbeitungskosten der den «Büchern» und ist weder in MünzenSchweizerischen Nationalbank für Banknoten noch in Notenform vorhanden. belaufen sich pro zirkulierende Note auf rund 40 Rappen pro Jahr.
28.3 Die Wirtschaft als Kreislaufmodell Kaum jemand ist heute noch in der Lage, sich selber mit allen Gütern zu versorgen. In spezialisierten Volkswirtschaften sind deshalb vielfältige Tauschbeziehungen notwendig. Um eine bessere Übersicht zu gewinnen, fassen wir die wirtschaftlichen Akteure zu Gruppen zusammen und setzen sie miteinander in Beziehung. Ziel einer solchen Modellbetrachtung ist es, das wirtschaftliche Geschehen zwischen diesen Gruppen zu verstehen und erklären zu können. Q Produktion und Konsum – der einfache Wirtschaftskreislauf Die beiden grundlegenden wirtschaftlichen Tätigkeiten, die Produktion von Gütern durch die Unternehmungen und der Konsum dieser Güter durch die privaten Haushalte, lassen sich in einem einfachen Wirtschaftskreislauf darstellen. Q Der einfache Wirtschaftskreislauf
Güter und Dienstleistungen Konsumausgaben Unternehmungen
Einkommen: Löhne, Gewinne
Haushalte
Produktionsfaktoren Arbeit und Wissen, Kapital, Boden Güterkreislauf
Geldkreislauf
Im Modell des einfachen Wirtschaftskreislaufs ergeben sich zwei Kreisläufe: Q Der Güterkreislauf: Haushalte liefern den Unternehmungen ihre Produktionsfaktoren; Unternehmungen verkaufen den Haushalten ihre Güter und Dienstleistungen. Q Der in entgegengesetzter Richtung verlaufende Geldkreislauf: Haushalte erhalten von den Unternehmungen Entschädigungen für die Produktionsfaktoren wie Löhne, Gewinne, Zinsen und Mieten. Unternehmungen nehmen die Konsumausgaben der Haushalte ein. Unter dem Begriff «Private Haushalte» werden all jene Wirtschaftssubjekte zusammengefasst, die zwar konsumieren, aber selber keine Güter herstellen. Obwohl damit also z. B. auch karitative Organisationen eingeschlossen sind, interessiert natürlich in erster Linie das Verhalten der privaten Haushalte. So besteht z. B. ein Zusammenhang zwischen der Grösse der privaten Haushalte und der Nachfrage nach Wohnungen oder nach kleinen bzw. grossen Packungsgrössen im Supermarkt.
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Hinweis für Lehrpersonen W PPT-Folie / Tafelbild: Folie 8
W Hinweise für Lehrpersonen Q Zum Thema «Geld» kann der Kurzfilm «Die Nationalbank und das Geld» (ca. 6 Min.) gezeigt werden (www.snb.ch). Q Auf der SNB-Website «Unsere Nationalbank» (https://our.snb.ch/de/) sind ebenfalls Unterlagen zur Geschichte des Geldes verfügbar. Q Als Einstieg zur Geschichte des Geldes kann auch das Kurzvideo (2:32 Min.) aus der SRF Sendung «Einstein» (www.srf.ch) gezeigt werden. Q Auch auf der Lernplattform iconomix (www.iconomix.ch) finden sich zusätzliche Unterlagen zum Thema Geld. Q Im Internet finden sich diverse kurze Videos zum Wirtschaftskreislauf. Der Link zu einem möglichen Beispiel aus YouTube ist im e-desk hinterlegt.
Was ist Geld? «Geld ist …
Beispiele von Geld: Waren/Güter Münzen
Bargeld
Noten Gutschriften
Buchgeld
… alles, was als Geld akzeptiert wird.»
Die drei Funktionen des Geldes
Tauschmittel
Wertaufbewahrungsmittel
Wertmassstab
mit Geld zahlen wir
mit Geld sparen wir
mit Geld rechnen wir
Die Links können via e-desk direkt aktiviert werden: www.brennpunkt-wug.ch Æ Kapitel 28 Æ Dateien Lehrmittel Æ Zusatzmaterial
W PPT-Folie / Tafelbild: Folie 9/10 (animiert) Der einfache Wirtschaftskreislauf
Güter und Dienstleistungen
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Konsumausgaben Einkommen: Löhne, Gewinne
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Wirtschaftskreislauf 8
Q Entwicklung der Anzahl Familienhaushalte
Q Der Staat im Wirtschaftskreislauf
1 400 000 (Ehe-)Paar ohne Kinder 1 200 000
1 000 000 (Ehe-)Paar mit Kind(ern) 800 000
600 000
400 000 Elternteil mit Kind(ern)
200 000
Einzelperson mit Elternteil 0 2005
2010
2015
2020
2025
2030
Quelle: Haushaltszenario 2005 – 2030, BFS
Den privaten Haushalten gehören aber auch die Produktionsfaktoren. Ihr Boden, ihr Wissen, ihre Arbeitskraft und ihr Kapital bilden die Grundlage für die Herstellung von Sachgütern und Dienstleistungen in den Unternehmungen. Die privaten Haushalte stellen den Unternehmungen diese Produktionsfaktoren zur Verfügung. Dafür erhalten sie eine Entschädigung in Form von Geld. Für die Arbeit, die sie leisten, erhalten sie Lohn. Auch für den Boden, das Kapital (z. B. die Gebäude) und das Wissen (z. B. in Form von Patenten) erhalten sie eine Entschädigung (z. B. Pachtzinsen, Gewinne, Miete). Dieses Geld ermöglicht es ihnen wiederum, jene Konsumgüter zu kaufen, die in den Unternehmungen produziert werden. Nicht alle Güter, die in den Unternehmungen hergestellt werden, gehen tatsächlich in Form von Konsum an die privaten Haushalte. Ein Teil (z. B. Maschinen) wird auch dazu verwendet, andere Konsumgüter herzustellen. Güter, die der Produktion anderer Güter dienen, bezeichnen wir als Investitionsgüter. Im einfachen Wirtschaftskreislauf werden nicht alle wirtschaftlichen Transaktionen der Unternehmungen und Haushalte dargestellt. Neben den Tauschbeziehungen zwischen den Unternehmungen und den Haushalten bestehen auch noch Wechselwirkungen zum Staat, zum Ausland und zum Finanzsektor. Um detailliertere Aussagen über die Wirtschaft machen zu können, müssen diese Wirtschaftsteilnehmer in den Wirtschaftskreislauf einbezogen werden: Aus dem «einfachen» wird so der «erweiterte» Wirtschaftskreislauf.
Der Staat hat die wichtige Aufgabe, Rahmenbedingungen für das gesellschaftliche Zusammenleben zu setzen, d. h., Rechtsvorschriften zu erlassen und durchzusetzen. Darüber hinaus tritt er sowohl als Produzent als auch als Konsument von Gütern und Dienstleistungen auf. Private Unternehmungen produzieren nämlich üblicherweise keine Güter, die sie nicht mit Gewinn verkaufen können. Dennoch sind solche Güter und Dienstleistungen für die Gesellschaft sehr wichtig. Der Staat produziert diese sogenannten öffentlichen Güter und finanziert seine Aktivitäten mit Steuereinnahmen. Beispiele für öffentliche Güter sind die Schulbildung, Sicherheit und Ordnung (z. B. Militär, Polizei, Justizwesen) oder der öffentliche Verkehr. Aber der Staat kauft auch Konsumgüter von privaten Unternehmungen, beispielsweise Waffen für Armee und Polizei oder Putzmittel zur Reinigung der öffentlichen Gebäude. Der Staat greift auch in die Einkommensverteilung ein: Während in einzelnen Im Jahr 2015 beliefen sich die Kosten der öffentBranchen grosse Gewinne erzielt und hohe lichen Hand für die berufliche Grundbildung auf Löhne bezahlt werden, müssen in anderen CHF 3515 Mio. Branchen Mitarbeiter entlassen werden. Der Staat betreibt deshalb über die Steuern und die Sozialversicherungen eine Umverteilung, indem z. B. Besserverdienende überproportional mehr Steuern bezahlen als Leute mit geringen Einkommen und gesamthaft auch mehr in die Rentenkassen (z. B. die AHV) einbezahlen, als sie in Form von Renten zurückerhalten. Der Staat ist dadurch heute in vielen Volkswirtschaften ein wichtiger Wirtschaftsteilnehmer. Den Bund, die 26 Kantone und die knapp 2300 Gemeinden bezeichnen wir in diesem Zusammenhang auch als «Öffentliche Haushalte». Die Staatsquote, d. h. der Anteil der Ausgaben der öffentlichen Haushalte am Gesamtwert der in der Schweiz hergestellten Güter und Dienstleistungen, ist durch die wachsende Bedeutung von Infrastrukturleistungen (z. B. Verkehr und Umweltschutz) und von Umverteilungszielen (soziale Wohlfahrt, Subventionen) deutlich gestiegen: 1970 betrug diese Staatsquote noch 26 %, im Jahr 2016 bereits 33 %. Die Leistungen, die der Staat erbringt, werden mit Steuern finanziert. Diese Steuereinnahmen werden einerseits für den Kauf von Gütern und Dienstleistungen bei den Unternehmungen verwendet; andererseits werden damit die Löhne für das Staatspersonal bezahlt. Wenn der Staat mehr Steuern einnimmt, als er ausgibt, kann er diesen Überschuss anlegen und erhält dafür Zinsen; im umgekehrten Fall muss der Staat Kapital aufnehmen und dafür Zinsen bezahlen. Die Anlage oder die Aufnahme von Kapital erfolgt mittels des Finanzsektors, d. h. mithilfe der Banken.
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Hinweis für Lehrpersonen
Q Staatsquote Entwicklung der Staatsquote 1
W PPT-Folie / Tafelbild: Folie 11
Quoten in % des BIP 2
50 %
Der Staat im Wirtschaftskreislauf
Bund 2010 2012 2014 2016
45 % 40 % 35 % 30 %
10,3 10,4 10,4 10,7
20 %
konsumiert Güter produziert Güter ( öffentliche Güter)
Kantone 2010 2012 2014 2016
25 %
setzt den rechtlichen Rahmen für die Wirtschaft
12,8 13,7 13,7 13,6
greift in die Einkommensverteilung ein höhere Steuersätze für höhere Löhne höhere Sozialversicherungsbeiträge für höhere Einkommen
15 % 10 % 5% 0% 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 0 %
Gemeinden 2010 2012 2014 2016
7,1 7,1 7,1 7,1
Mass für den Anteil des Staates an der gesamten Wirtschaftsleistung:
5%
10 %
15%
Staatsquote =
1 Anteil der gesamten Staatsausgaben (inkl. der obligatorischen Sozialversicherungen) in % des BIP 2 Ohne obligatorische Sozialversicherungen
Staatsausgaben (inkl. Sozialversicherungen) in Prozent des BIP
Staatsquoten ausgewählter OECD-Staaten im Jahr 2017 56,1
Frankreich 52,4
Belgien
50,2
Norwegen 49,6
Österreich Italien
49,2 49,0
Schweden EU – Euroraum
47,2 43,8
Deutschland Niederlande
43,1
Vereinigtes Königreich
40,5 40,0
Kanada 37,6
USA 33,0
Schweiz
40,0
OECD Durchschnitt 0%
10 %
20 %
30 %
40 %
50 %
60 %
Quelle: BFS , 2018
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Wirtschaftskreislauf 10
Q Vermögensveränderungen: der Finanzsektor im Wirtschaftskreislauf
Q Das Ausland im Wirtschaftskreislauf
Die privaten Haushalte geben in der Regel nicht ihr ganzes Einkommen für den Konsum von Gütern und Dienstleistungen aus. Das gesparte Geld wird von den wenigsten unter der Matratze versteckt, sondern bei Banken und der Post, in Versicherungen oder direkt bei Unternehmungen in Form von Wertpapieren (Aktien oder Obligationen) angelegt. Der Finanzsektor ermöglicht allen Wirtschaftsteilnehmern die Anlage ihrer Ersparnisse und gewährt ihnen bei Bedarf auch Kredite. Im erweiterten Wirtschaftskreislauf bezeichnen wir diesen Bereich deshalb als «Vermögensveränderung». Für die Ersparnisse werden den Anlegern Zinsen vergütet; für gewährte Kredite werden höhere Zinsen verlangt, damit die Banken ihre Aufwendungen decken können. Die Banken erfüllen (in Form von Kapitalsammelstellen) eine wichtige Funktion in der Volkswirtschaft eines Landes, wenn sie den Unternehmungen Kredite gewähren. Volkswirtschaftlich bedeutsam ist dabei die Veränderung des gesamtgesellschaftlichen Vermögens: Je grösser die Ersparnisse, desto mehr Kredite können den Unternehmungen gewährt werden.
Heute sind praktisch alle Volkswirtschaften mehr oder weniger stark mit dem Ausland verflochten. Während die Einfuhren mit Importausgaben bezahlt werden, erhält man für die Ausfuhren die entsprechenden Exporteinnahmen. Als kleine, offene Volkswirtschaft gehört die Schweiz mit ihren Ein- und Ausfuhrwerten im Vergleich zur gesamten Wirtschaftsleistung zu den Spitzenreitern im weltweiten Vergleich.
Q Hypothekarforderungen und Spartätigkeit
Q Aussenhandelsanteil der Wirtschaftsleistung verschiedener Länder (2016)
Schweiz
Österreich
Deutschland
EU
Südkorea
in CHF Mia. 1000 000
Frankreich 900 000 Italien
800 000 Hypothekarforderungen 700 000
Grossbritannien
600 000
Bankanlagen in Spar- und Anlageform
Australien
500 000 China 400 000 300 000
Japan
200 000
USA
100 000
Prozent des BIP 0,0
10,0
20,0
30,0
40,0
50,0
60,0
70,0
Jahresende
0 2005
Import Export
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
Quelle: BFS (SNB), 2017
Quelle: OECD 2018
Neben den Exporten und Importen fliessen auch Finanzströme zwischen der Schweiz und dem Ausland: Schweizer haben die Möglichkeit, Geld im Ausland anzulegen, und Ausländer können Investitionen in der Schweiz vornehmen.
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Hinweis für Lehrpersonen W PPT-Folie / Tafelbild: Folie 12 Die Nationalbank in der Wirtschaft
Hauptziel: stabile Preise Nebenziel: positive Wirtschaftsentwicklung (Beeinflussung von Zinsen und Wechselkursen)
Geschäftsbanken
gibt Geld in die Wirtschaft kauft Devisen, Wertpapiere gibt Kredite gegen Sicherheiten schöpft Geld aus der Wirtschaft ab verkauft Devisen, Wertpapiere verlangt Rückzahlung von Krediten
UBS CS Kantonalbanken Raiffeisenbanken Regionalbanken
mehr Kredite
Unternehmungen
Schweizerische Nationalbank
weniger Kredite
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Q Die Nationalbank im Wirtschaftskreislauf Die Nationalbank ist die einzige Institution, welche die Banken und dadurch die Wirtschaft mit Geld versorgen darf: Sie kauft einerseits von den Banken Vermögenswerte (Wertpapiere, Devisen) und bezahlt diese mit selbst geschaffenem Geld, andererseits gewährt sie den Banken Kredite gegen entsprechende Sicherheiten. Die Geschäftsbanken nutzen die so erhaltenen Gelder, um den Unternehmungen, dem Staat und den privaten Haushalten Kredite zu gewähren. Die Nationalbank ist damit eine Art «Bank der Banken»; in anderen Ländern wird sie auch Zentralbank genannt. Selbstverständlich kann sie die gekauften Wertpapiere und Devisen auch wieder verkaufen; damit entzieht sie der Wirtschaft Geld. Die Nationalbank hat die Aufgabe, den Geldumlauf in der Wirtschaft so zu steuern, dass die Preise möglichst stabil bleiben. Stabile Preise sind eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand. Die Vermögenswerte der Nationalbank (Guthaben bei den Banken, Wertpapiere, Devisen, Edelmetalle) bringen ihr Erträge in Form von Zinsen und Kursgewinnen ein. Damit deckt sie ihren Personalaufwand und allfällige Kursverluste bei anderen Anlagen. Obwohl es nicht das Ziel der Nationalbank ist, Gewinne zu erwirtschaften, fallen dennoch fast jedes Jahr solche an. Für die Jahre 2011 bis 2015 wurde vereinbart, dass jährlich CHF 1 Mrd. Gewinn an den Bund und die Kantone ausgeschüttet werden. Der übrige Gewinn wird als Reserve zurückbehalten. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) führt als unabhängige Zentralbank die Geld- und Währungspolitik des Landes.
Q Der erweiterte Wirtschaftskreislauf
Staatsdefizit Steuern
Staat
Güterverkäufe, Subventionen
Steuern Einkommen: Löhne, Sozialversicherungen
Einkommen: Löhne, Gewinne Unternehmungen
Konsumausgaben
Investitionen
Vermögensveränderungen
Haushalte
Ersparnisse Rechnungsüberschuss
Export- bzw. Importüberschuss Geld- und Währungspolitik gp Exporteinnahmen Importausgaben
Ausland
Nationalbank
Q Der erweiterte Wirtschaftskreislauf in der Gesamtsicht Im erweiterten Wirtschaftskreislauf werden somit neben den privaten Haushalten und den Unternehmungen auch der Staat, die Vermögensveränderungen (Finanzsektor), die Nationalbank und das Ausland dargestellt. Jedem Güterstrom steht ein entsprechender Geldstrom gegenüber: Der Import von Gütern und Dienstleistungen (Güterstrom) führt zu Importausgaben (Geldstrom), der Export hingegen zu Exporteinnahmen; die Gewährung von Krediten (Güterstrom) wird mit entsprechenden Zinszahlungen abgegolten (Geldstrom); und für ihre Steuergelder (Geldstrom) erhalten die Unternehmungen und die privaten Haushalte im Gegenzug staatliche Leistungen in Form von Sicherheit, öffentlicher Bildung oder einer intakten Infrastruktur (Güterstrom).
Obwohl sich Güterstrom und Geldstrom immer entsprechen müssen, verläuft die wirtschaftliche Entwicklung nicht immer störungsfrei: Der Wohlstand kann zurückgehen, Menschen können arbeitslos werden oder Preise übermässig steigen. Um sich ein Bild von der wirtschaftlichen Entwicklung machen zu können, sind die Wirtschaftsteilnehmer an der Messung der Geldströme und der Gütermengen interessiert. Für die Unternehmungen ist relevant, zu welchem Zins sie künftig Kredite erhalten werden, für den Staat, mit welchen Steuereinnahmen er rechnen kann, und für die privaten Haushalte, welche Mittel ihnen künftig für den Aufgabe 3 Konsum und zum Sparen zur Verfügung stehen werden. Übung 3
Hinweis für Lehrpersonen W PPT-Folie / Tafelbild: Folie 16
W Hinweise für Lehrpersonen Q Auf der Website der SNB (www.snb.ch) steht im Register «Publikationen» eine recht ausführliche Broschüre («SNB-Kurzporträt», 58 Seiten) zum Download bereit. Q Wer im Unterricht über etwas mehr Zeit verfügt, kann auch den SNB-Film «Die Schweizerische Nationalbank – was sie tut und wie sie handelt» (ca. 15 Minuten) vom gleichen Portal aus aufrufen. Q Auch auf der SNB-Website «Unsere Nationalbank» (https://our.snb.ch/de/) ist unter anderem ein illustriertes Porträt der SNB verfügbar.
Die drei Berechnungsmethoden für das BIP
Gesamtwirtschaftliche Leistung
Entstehung
(Produktion) Wie viel tragen die einzelnen Branchen zum BIP bei?
BIP
Verwendung
Wie werden die hergestellten Produkte verwendet?
Die Links können via e-desk direkt aktiviert werden: www.brennpunkt-wug.ch Æ Kapitel 28 Æ Dateien Lehrmittel Æ Zusatzmaterial
Verteilung (Einkommen)
Was erhalten die privaten Haushalte als Entschädigung für das Zurverfügungstellen der Produktionsfaktoren?
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28.4 BIP: Messgrösse für wirtschaftliche Aktivitäten
Q Drei Berechnungsmethoden für das BIP
Wenn man Aussagen über die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes machen will, so muss man den Umfang dieser wirtschaftlichen Tätigkeiten zuerst beschreiben bzw. messen. Als Messgrösse für den wirtschaftlichen Wohlstand eines Landes – auch für internationale Vergleiche – wird das Bruttoinlandprodukt (BIP) verwendet. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) umfasst den Wert aller Sachgüter und Dienstleistungen, die innerhalb der Schweiz während eines Jahres produziert werden. Allerdings kann man nicht einfach den Wert aller Güter, die in der Schweiz verkauft werden, zusammenzählen, denn viele Unternehmungen produzieren Rohstoffe, Halb- oder Zwischenprodukte, die schliesslich in irgendwelche Fertigprodukte einfliessen. Würde man nun sämtliche produzierten Güter aufsummieren, ergäben sich Doppelzählungen, und das BIP eines Landes würde viel zu hoch ausfallen. Mit dem BIP wird mit anderen Worten die tatsächliche Wertschöpfung eines Landes erfasst. Dies kann am Beispiel eines Joghurts dargestellt werden. Ein Glas Fruchtjoghurt, das z. B. im Laden zu CHF 1.– verkauft wird, enthält Joghurt, Zucker, Früchte, Milchpulver, Proteine, Stärke, Aromen usw. Diese Produkte werden von unterschiedlichen Produzenten hergestellt und der Molkerei, dem eigentlichen Joghurtproduzenten, angeliefert, sodass dessen Kalkulation z. B. wie folgt aussehen könnte: Q BIP-Beitrag aus Vorleistungen und Wertschöpfung «Rohstoffe» Nature-Joghurt, Zucker, Früchte, Verpackungen
«Molkerei» –.55
Herstellung des Joghurts: Vorleistung Löhne Gewinn
Verkauf –.55 –.35 –.10
Wertschöpfung Molkerei Wertschöpfung Rohstoffproduzenten
}
= Vorleistung für die Molkerei
} }
Verkaufspreis
1.–
BIP-Beitrag = Wertschöpfung plus Vorleistung
Jede Produktion im Wirtschaftskreislauf führt zu Wertschöpfungen. Damit können Löhne an die Arbeitnehmer, Gewinne an die Eigentümer, Zinszahlungen an die Kapitalgeber und Steuern an den Staat gezahlt werden. Das BIP eines Landes kann deshalb nicht nur über die Wertschöpfung, sondern auch nach weiteren Erhebungsmethoden ermittelt werden. Das Bundesamt für Statistik (BfS) berechnet das BIP entsprechend nach drei unterschiedlichen Ansätzen: dem Produktionsansatz, dem Einkommensansatz und dem Verwendungsansatz. Alle drei Berechnungsmethoden führen aber letztlich zum gleichen Ergebnis. Für das Jahr 2017 beläuft sich das BIP der Schweiz zu laufenden Preisen auf CHF 669 Mrd. Q Der Produktionsansatz zeigt die Entstehung der gesamten Wertschöpfung in den Unternehmungen aller Branchen auf. Daraus wird die überragende Bedeutung des Dienstleistungssektors für die schweizerische Volkswirtschaft ersichtlich, der insgesamt fast drei Viertel zum BIP beiträgt. Q Aus dem Verwendungsansatz wird erkennbar, wie die Wirtschaftsteilnehmer ihr verfügbares Einkommen verwenden. Den grössten Anteil nimmt hier der Konsum der privaten Haushalte in Anspruch. Die Summe des Konsums und der getätigten Investitionen zeigt die gesamte Nachfrage einer Volkswirtschaft. Durch den Einbezug der ins Ausland gelieferten bzw. vom Ausland bezogenen Waren und Dienstleistungen wird rechnerisch wiederum das BIP ausgewiesen. Q Der Einkommensansatz zeigt schliesslich auf, wie viel für die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital vergütet wird. Rund zwei Drittel der Einkommen entfallen auf die Löhne. Durch den Einbezug weiterer Grössen lässt sich in dieser Berechnung das Volkseinkommen bestimmen, das den Wirtschaftsteilnehmern für Konsumzwecke oder zur Ersparnisbildung zur Verfügung steht. Q Bruttoinlandprodukt zu Marktpreisen 2017: CHF 669 Mrd. Die Entstehung des BIP 2017 (Prozentuale Verteilung) 1 Landwirtschaft 22
20 5
Der BIP-Beitrag dieses Joghurts beträgt CHF 1.– ; würde man die Produkte der Zulieferer (Zutaten wie Joghurt, Zucker und die Verpackung) zum BIP zählen, ergäbe sich ein falscher Wert von CHF 1.55.
27
25
Verarbeitendes Gewerbe, Herstellung von Waren, Energie- und Wasserversorgung Baugewerbe Handel, Gastgewerbe, Verkehr und Kommunikation Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Grundstücks- und Wohnungswesen Öffentliche Verwaltung, Bildung, Gesundheit und sonstige Dienstleistung
Die Verwendung des BIP 2017 (Prozentuale Verteilung)
Die Verteilung des BIP 2017 (Prozentuale Verteilung) 3
10 21 24
54 17
59
12 Private Konsumausgaben
Arbeitnehmerentgelt (Löhne)
Staatskonsum
Nettobetriebsüberschuss (Unternehmensgewinne)
Investitionsausgaben Nettoexporte (Export abzüglich Importe)
Abschreibungen Produktions- und Importabgaben abzüglich Subventionen
15
Hinweis für Lehrpersonen
Alle diese Daten ermöglichen einen Überblick über den Zustand einer Volkswirtschaft. Grundsätzlich ist eine Steigerung der Produktion wünschenswert, weil dadurch die Menschen besser mit Gütern und Dienstleistungen versorgt werden können. Ferner können Interessierte in der Privatwirtschaft, beim Staat und der Nationalbank aus dem Verlauf der BIP-Daten ableiten, ob die Wirtschaft schrumpft oder wächst. Dies wiederum kann Forderungen nach einer Ankurbelung der Wirtschaft oder nach einer Dämpfung der wirtschaftlichen Aktivitäten begründen.
W PPT-Folie / Tafelbild: Folie 17 BIP Begriffe: nominal - real Definition: Bundesamt für Statistik
Das BIP ist ein Mass für die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft im Laufe eines Jahres. Es misst den Wert der im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen, soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden - also die sogenannte Wertschöpfung.
Q Nominale und reale Werte Die Güter und Dienstleistungen werden zu laufenden, d. h. aktuellen, Preisen des jeweiligen Jahres berechnet. Damit nun die einzelnen Masszahlen mit jenen früherer Jahre verglichen werden können, müssen allfällige Preisänderungen berücksichtigt werden. Wenn nämlich eine Unternehmung den Verkaufspreis für ein Medikament von einem Jahr auf das andere um 5 % erhöht und die Zahl der verkauften Medikamente stabil bleibt, so erhöht sich dadurch zwar der Beitrag zum (nominalen) BIP um 5 %, die wirtschaftliche Leistung (der mengenmässige Output) hat sich jedoch nicht verändert. Teuerungsbedingte Veränderungen werden mit einem Preisindex korrigiert, der die durchschnittliche Teuerung aller Güter und Dienstleistungen beinhaltet. Dadurch erhält man die reale Entwicklung des BIP, also die Entwicklung des BIP, bewertet zu Preisen eines Basisjahres. Wenn das BIP zu laufenden (= aktuellen) Preisen beispielsweise um 3 % wächst, der Preisindex aber anzeigt, dass die Preise seit dem letzten Jahr durchschnittlich um 2 % gestiegen sind, hat die eigentliche Wirtschaftsleistung nur um 1 % zugenommen. Wir sprechen dann von einem Realwachstum von 1 %.
Das BIP wird in jeweiligen Preisen (zu laufenden Preisen) und zu konstanten Preisen eines bestimmten (Basis-)Jahres errechnet. In konstanten Preisen wird die reale Wirtschaftsentwicklung im Zeitablauf frei von Preiseinflüssen dargestellt.
Q Entwicklung des BIP zu laufenden Preisen und real zu Preisen von 2006 700 000
in CHF Mio.
650 000 Bruttoinlandprodukt zu laufenden Preisen (nominal) 600 000 Bruttoinlandprodukt zu Preisen von 2006 (real)
550 000
500 000
Aufgabe 2 Übung 4 Übung 6
Jahr
450 000 2006
2007
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2009
2010
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2015
2016
2017
Quelle: BFS 2018
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28.5 Lebensstandard und Lebensqualität Grundsätzlich strebt jede Volkswirtschaft eine möglichst gute Güterversorgung für ihre Bewohner an. Letztlich geht es aber darum, möglichst vielen Menschen eine möglichst hohe Lebensqualität (Wohlfahrt) zu ermöglichen – und dies ist nicht automatisch identisch mit dem Grad der Güterversorgung. Wenn ein Land ein höheres Bruttoinlandprodukt erwirtschaftet, bedeutet dies einen zusätzlichen materiellen Wohlstand, d. h., das Land verfügt über eine bessere Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Wohlstand ist eine wichtige Voraussetzung für die Lebensqualität. Eine Zunahme des Lebensstandards (Zunahme des BIP) muss aber nicht automatisch auch eine Zunahme an Lebensqualität bedeuten: So werden die Folgen von Autounfällen, wie z. B. der Reparaturaufwand der Garagen, die Arzt- und Spitalkosten oder gar die Begräbniskosten, zum BIP dazugezählt. Auch eine Zunahme der Kriminalität fliesst ins BIP ein, weil dadurch z. B. die Umsätze der Bewachungsfirmen zunehmen. Zusätzliche Luftbelastungen können zu Atemwegserkrankungen und schliesslich zu einem höPro Jahr werden laut Berechnungen des Bundesheren Medikamentenumsatz führen, was amtes für Statistik nicht ganz 8.7 Milliarden wiederum das BIP erhöht. Aber keines dieStunden für unbezahlte Arbeit geleistet. Dies ser Beispiele erhöht unsere Lebensqualität. entspricht einem geschätzten Wert von gut 400 Milliarden Franken. (BFS, 2015) Für die Messung der Lebensqualität ist demnach das Bruttoinlandprodukt nur mit Vorbehalten geeignet: Ereignisse, die unsere Lebensqualität vermindern (z. B. Unfälle), wirken sich positiv auf das BIP aus, während unentgeltliche Leistungen, die sich positiv auf unser Wohlbefinden auswirken (z. B. Hausoder Erziehungsarbeit), im BIP nicht mitgezählt werden. Wie lässt sich nun aber die Lebensqualität messen? Eine allgemeingültige Messgrösse für Lebensqualität gibt es nicht, weil Lebensqualität sehr stark von subjektiven Einschätzungen abhängt. Aber es gibt eine Vielzahl von sogenannten Sozialindikatoren, die neben dem BIP Hinweise darauf geben, wie sich die Lebensqualität der Menschen entwickelt. Solche Sozialindikatoren basieren einerseits auf Daten zu den Lebensumständen der Menschen (Gesundheit, Bildung, soziale Sicherheit, Kriminalität, familiäre Situation etc.) und andererseits auf den Ergebnissen von Umfragen zu jenen Bereichen, die das subjektive Wohlbefinden (Glück, Liebe etc.) betreffen. Wenn all diese Daten mit Methoden der Sozialforschung verarbeitet werden, lassen sich Entwicklungen einerseits über einen längeren Zeitraum beobachten und andererseits mit anderen Ländern vergleichen.
Die beiden bekanntesten Messgrössen in diesem Zusammenhang sind der Human Development Index (HDI) und der sogenannte Happy Planet Index (HPI). Der HDI wird seit 1990 jährlich von der UNO erhoben und kombiniert das Pro-Kopf-Einkommen in einem Land mit Angaben zum Bildungsgrad und zur Lebenserwartung der Menschen. Die voraussichtliche durchschnittliche Lebenserwartung gilt dabei als übergeordneter Indikator für die Gesundheitsversorgung, die Ernährung und die Hygiene in einer Gesellschaft. Daten zum Bildungsniveau in einem Land sagen nicht nur etwas über die erworbenen Kenntnisse der Bewohnerinnen und Bewohner aus. Bildung ist auch eine wesentliche Voraussetzung für befriedigende soziale Kontakte, für die politische Meinungsbildung und für das persönliche Wohlbefinden. Wer besser gebildet ist, ist eher bereit, sich öffentlich zu engagieren, und versteht besser, was um ihn herum vor sich geht. Weil sich die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes direkt auf den HDI auswirkt und der HDI kaum ökologische Komponenten enthält, wird er als Mass für die Lebensqualität eines Landes nur mit Vorbehalten akzeptiert. Als Reaktion auf die Kritik am HDI hat eine private Organisation vor einigen Jahren begonnen, den HDI um eine ökologische Komponente zu ergänzen. Der Happy Planet Index zieht zu diesem Zweck den sogenannten ökologischen Fussabdruck zu Hilfe. Der ökologische Fussabdruck sagt aus, welche Fläche der Erdoberfläche benötigt wird, um den Lebensstil eines Landes zu ermöglichen. Dazu gehören sowohl die Rohstoffe als auch die fürs Wohnen und die Entsorgung von Abfällen benötigte Fläche. Für die Schweizerinnen und Schweizer ermittelt man so einen Wert von 5,8 Hektaren Boden pro Kopf und Jahr. Je grösser die so berechnete Fläche ist, desto mehr reduziert sich der im HDI ausgedrückte Wert. Wenn ein Land also ein hohes Mass an Lebensqualität erreicht, drückt sich dies in einem hohen HDI-Wert aus. Basiert diese hohe Lebensqualität jedoch in erster Linie auf einem hohen Ressourcenverbrauch, weist der Happy Planet Index einen tiefen Wert aus. Die im Internet publizierte Rangliste zeigt für den Happy Planet Index überraschende Resultate. So weisen Länder wie Costa Rica und Mexico im Jahr 2016 die besten Werte aus, während die Schweiz – als eines der bestplatzierten europäischen Länder – erst an 24. Stelle folgt. Das bedeutet nicht etwa, dass Mexikanerinnen oder Costa Ricaner eine höhere Lebensqualität Aufgabe 4 aufweisen als wir; es zeigt einzig, dass das Verhältnis von Ressourcenverbrauch und Lebens- Übung 5 qualität in diesen Ländern in einem besseren Verhältnis zueinander steht. Übung 7
Hinweis für Lehrpersonen W PPT-Folie / Tafelbild: Folie 18 Lebensstandard - Lebensqualität Wohlstand «Habe ich genug Güter?» gemessen mithilfe des BIP
Wohlfahrt
?
«Geht es mir gut?» gemessen mithilfe von Sozialindikatoren
Folgen eines Autounfalls?
Gesundheit
Soziale Sicherheit
Aufräumungsarbeiten nach einer Naturkatastrophe?
Bildung
Wohnen
Arbeitsbedingungen usw.
Human Development Index (HDI) Happy Planet Index (HPI)
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9 Das haben Sie gelernt Die drei Grundfragen des wirtschaftlichen Handelns erläutern Die vier Produktionsfaktoren nennen Vorteile und Nachteile einer zusätzlichen Verschuldung erläutern Die drei verschiedenen Arten des ökonomischen Prinzips an Beispielen anwenden Produktivität als Kennzahl für wirtschaftliches Handeln erklären Quellen des Wachstums erläutern Geld als Tauschmittel beurteilen Den einfachen Wirtschaftskreislauf erklären Die Gründe für staatliche Aktivitäten in der Wirtschaft erklären Die Aufgabe des Bankensystems im erweiterten Wirtschaftskreislauf beschreiben Die wirtschaftliche Verflechtung mit dem Ausland begründen Bruttoinlandprodukt (BIP) als Messgrösse für die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Landes erläutern Den Unterschied zwischen nominalen und realen Grössen kennen Lebensstandard und Lebensqualität an konkreten Beispielen unterscheiden
Offene Fragen
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9 Diese Begriffe können Sie erklären Produktionsfaktor Arbeit Kapital Boden Wissen Ökonomisches Prinzip Minimumprinzip Maximumprinzip Produktivität Geld Einfacher Wirtschaftskreislauf Haushalte (im Wirtschaftskreislauf) Unternehmungen Erweiterter Wirtschaftskreislauf Staat (im Wirtschaftskreislauf) Staatsquote Finanzsektor (Vermögensveränderungen) Ausland (im Wirtschaftskreislauf) Nationalbank Bruttoinlandprodukt (BIP) Nominale Werte Reale Werte Wertschöpfung Wohlstand (Lebensstandard) Wohlfahrt (Lebensqualität) Human Development Index (HDI) Happy Planet Index (HPI)
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Wirtschaftskreislauf 20
Übung 1 Knappheit und ökonomisches Prinzip
Übung 2 Produktionsfaktoren
Ordnen Sie den Formulierungen a) bis h) den jeweils zutreffenden Fachbegriff aus der unten aufgeführten Liste zu.
Die folgenden Auswahlaufgaben enthalten immer zwei Aussagen, die miteinander verknüpft sind. Entscheiden Sie sich jeweils für eine der folgenden Antwortmöglichkeiten und begründen Sie falsche Teilaussagen in wenigen Worten. Ziffer des zutreffenden Begriffs
31
a) Alle Mittel und Leistungen, die an der Bereitstellung von Sachgütern und Dienstleistungen mitwirken.
3
b ) Das Verhältnis zwischen den hergestellten Gütern (Output) und den dafür benötigten Produktionsfaktoren (Input).
7
c ) Entwicklung, bei der unter Einsatz von Kapital und Wissen ein Gut schneller und günstiger hergestellt werden kann als früher.
8
d ) Situation, bei der die Nachfrage nach einem Gut grösser ist als dessen Angebot.
4
e ) Der Wunsch, einem empfundenen oder tatsächlichen Mangel Abhilfe zu schaffen.
6
f ) Aus den gegebenen Mitteln möchten wir einen möglichst grossen Nutzen ziehen.
2
g ) Zahlungsversprechen einer Bank, das es ermöglicht, Zahlungen auch ohne Noten und Münzen vornehmen zu können.
5
h ) Mit möglichst wenig Mitteln ein bestimmtes Ziel erreichen.
1
1 2 3 4 5 6 7 8
Minimumprinzip Maximumprinzip Produktionsfaktor Knappheit Buchgeld Bedürfnis Produktivität Technischer Fortschritt
A +weil+
B +/+
C +/–
D –/+
E –/–
Beide Aussagen richtig, Verknüpfung trifft zu
Beide Aussagen richtig, Verknüpfung trifft nicht zu
Erste Aussage richtig, zweite Aussage falsch
Erste Aussage falsch, zweite Aussage richtig
Beide Aussagen falsch
a) Wissen ist für die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz besonders wichtig, weil der Produktionsfaktor Boden in der Schweiz nur in beschränkter Menge vorhanden ist.
B
… weil nur Wissen beliebig vermehrt werden kann. b) Der Produktionsfaktor Arbeit besteht in der Schweiz aus der Arbeitskraft von rund 5 Millionen Menschen, weil als Produktionsfaktoren nur jene Mittel gelten, die einen Beitrag zur Herstellung wirtschaftlicher Güter leisten.
A
c ) Der Produktionsfaktor Boden wird heute manchmal auch als Natur oder Umwelt bezeichnet, weil die Natur nicht nur als Produktionsstandort und Rohstoffquelle, sondern auch als «Rohstoff» für den Tourismus wichtig ist.
A
d) Der Produktionsfaktor Kapital umfasst alles Geld, das einer Wirtschaft zur Verfügung steht, weil Kapital alle Investitionsgüter der privaten Unternehmungen sowie die öffentliche Infrastruktur umfasst.
D
Kapital ist Sachkapital (nicht Finanzkapital).
15
Übung 3 Geld- und Güterkreisläufe Nr. Güterstrom Güterkreislauf
Wirtschaftsteilnehmer
Nr. Geldstrom
Unternehmungen
11
Geldkreislauf
Arbeit, Kapital,
6 15
1 Boden, Wissen
7
C 5
5
Sachgüter und
2 Dienstleistungen
15
16
17
B
Haushalte
5 Staatliche Leistungen
2 12 8
Unternehmungen
B
11
14 10
4
D
16 Staatsausgaben
Staat
17 Löhne
8 Kapital
1
9
C
7 Arbeit
18
13 3
18 Zinsen Vermögens-
3 Ersparnisse
9
12 Konsumausgaben 15 Steuern
Sachgüter und
6 Dienstleistungen
Löhne, Gewinne, Miete
13 Zinsen
D veränderungen
4 Kredite
Geld- und Währungspolitik gp
20
F
9 Importe
E
19
(Finanzsektor)
E
10 Exporte a ) Wie heissen die Wirtschaftsteilnehmer (B, C, D, E und F) im erweiterten Wirtschaftskreislauf? Tragen Sie die Namen in die nebenstehende Tabelle ein.
F
14 Zinsen 19 Importausgaben
Ausland
20 Exporteinnahmen
Nationalbank
b ) Ordnen Sie den beschriebenen Güterströmen und Geldströmen die richtige Nummer zu.
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Wirtschaftskreislauf 22
Übung 4 Bruttoinlandprodukt
Übung 5 Wohlstand und Wohlfahrt
Welche Aussagen sind richtig (R), welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien. a ) Das Bruttoinlandprodukt umfasst den Wert aller Sachgüter und Dienstleistungen, die innerhalb der Schweiz von den privaten Unternehmungen während eines Jahrs erbracht werden.
F
Viele wirtschaftliche Tätigkeiten werden im Bruttoinlandprodukt (BIP) erfasst und vergrössern gleichzeitig die Wohlfahrt in einem Land. In der unten stehenden Grafik ist dies in der Fläche A dargestellt. Nicht alle Tätigkeiten werden im Bruttoinlandprodukt erfasst, erhöhen aber trotzdem die Wohlfahrt (Fläche B). Schliesslich gibt es auch wirtschaftliche Tätigkeiten, die zwar das BIP erhöhen, aber keine Wohlfahrtssteigerung bewirken. Dies wird durch die Fläche C dargestellt.
… von den privaten Unternehmungen und dem Staat … b ) Das BIP wird als Messgrösse für den wirtschaftlichen Wohlstand eines Landes verwendet und kann auch für internationale Vergleiche herangezogen werden.
R C
c ) Der Wert aller Sachgüter und Dienstleistungen, die in einer Volkswirtschaft innerhalb eines Jahrs hergestellt werden, nennen wir «Wertschöpfung».
R
d ) Die Wertschöpfung des Verkäufers eines Produkts ergibt sich, indem man vom Verkaufspreis die Löhne und den Gewinn subtrahiert.
F
… indem man die Vorleistungen subtrahiert e ) Die Berechnung des BIP nach dem Produktionsansatz zeigt, mit welchen Produktionsfaktoren (Arbeit und Kapital) das BIP erzielt wird.
… welche Branchen welchen Beitrag zum BIP leisten
B A
Bruttoinlandprodukt
Wohlfahrt
Ordnen Sie die folgenden Tätigkeiten den zutreffenden Feldern zu.
F
A
B
X
a) Spitalkosten nach einem Arbeitsunfall b) Unbezahlte Arbeit im Haushalt
X
c) Leitung eines Pfadfinderlagers
X
d) Herstellung einer Kaffeemaschine
X
e) Verkaufte Autos
X
f) Verkaufte Velos
X X
g) Entfeuchtung eines Kellers nach einer Überschwemmung h) Durchführung eines Open-Air-Konzerts durch einen grossen Konzertveranstalter
C
X
15
Übung 6 Nominale und reale Grössen
Übung 7 BIP, HDI und Happy Planet Index Welche Aussagen sind richtig (R), welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien.
Eidgenössisches Departement des Innern EDI Bundesamt für Statistik BFS
a) Zwischen BIP und Human Development Index gibt es überhaupt keinen Zusammenhang; die beiden Konzepte messen unterschiedliche Grössen.
BIP pro Kopf fliesst in den HDI ein.
Medienmitteilung
4
Volkswirtschaft
b) Wenn ein Land ein höheres Bruttoinlandprodukt erwirtschaftet, bedeutet dies einen zusätzlichen materiellen Wohlstand.
R
c) Der Human Development Index wird von der EU erhoben und kombiniert das Pro-Kopf-Einkommen in einem Land mit Angaben zum Bildungsgrad und zur Lebenserwartung der Menschen.
F
Nr. 0350-1607-80
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Schweiz 2015
Abschwächung des Wachstums im Jahr 2015 Neuchâtel, 25.08.2016 (BFS) – Die Schweizer Wirtschaft verzeichnete 2015 einen Anstieg des Bruttoinlandproduktes (BIP) zu Preisen des Vorjahres um 0,8 Prozent (2014: +2,0%). Angesichts der Abschwächung des allgemeinen Preisniveaus stieg das BIP zu laufenden Preisen um 0,3 Prozent (2014: +1,4%). Dieses verhaltene Wachstum erfolgte in einem schwierigen Währungsumfeld. Das Bruttonationaleinkommen (BNE) zu laufenden Preisen nahm um 1,6 Prozent zu, was auf einen verbesserten Saldo der Einkommensbilanz mit dem Ausland zurückzuführen ist. Diese Ergebnisse gehen aus den ersten Schätzungen des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervor.
HDI wird von der UNO erhoben.
Um wie viel Prozent haben sich die Preise im Jahr 2015 verändert?
Um wie viel Prozent hat sich das BIP im Jahr 2015 real verändert?
a ) um 0,8 %
e) um 0,8 %
b ) um 0,3 %
f) um 0,3 %
c ) um 0,5 %
g ) um 0,5 % X
d ) um –0,5 %
F
X
d) Wenn ein Land also ein hohes Mass an Lebensqualität erreicht, wirkt sich dies in einem hohen HDI-Wert aus.
R
e) Wenn eine Frau den Angestellten des Putzinstituts heiratet, der bisher gegen Entgelt ihre Wohnung geputzt hat, und dieser die Wohnung künftig in der Freizeit putzt, bleiben Wohlstand (BIP) und Wohlfahrt unverändert.
F
BIP nimmt ab. f ) Der Human Development Index berücksichtigt die langfristigen ökologischen Folgen unseres Lebensstils nur unzureichend.
R
g) Wenn Land A einen höheren Wert im Happy Planet Index aufweist als Land B, ist die Lebensqualität in A höher als in B.
F
h ) um –0,5 %
Hinweis: Das reale Wachstum (zu Preisen des Vorjahres) ist höher als das nominale (zu laufenden Preisen); deshalb sind die Preise gesunken, 0,3 – 0,8 = – 0,5 % (leichte Deflation).
... ist das Verhältnis von Lebensqualität und Ressourcenverbrauch besser
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Wirtschaftskreislauf 24
Aufgabe 1 Knappheit und ökonomisches Prinzip Petra will sich ihre erste Wohnung einrichten. Sie hat sich in den letzten Wochen etwas in Einrichtungshäusern umgesehen und eine Liste jener Möbel zusammengestellt, die ihr am besten gefallen. In den besuchten Geschäften kostet alles zusammen ca. CHF 10 000.–. Aus Erspartem stehen ihr aber nur CHF 5000.– zur Verfügung. Sie bespricht das Problem deshalb mit Freunden und Verwandten. Lösungsvorschlag A: Ihre Eltern schlagen ihr vor, CHF 4000.– zu verwenden, um jene Einrichtungsgegenstände zu kaufen, die ihr am wichtigsten sind. Mit den restlichen CHF 1000.– solle sie dann bei einem Billiganbieter all das kaufen, was sie noch brauche, auch wenn ihr das nicht gefalle. Lösungsvorschlag B: Ihr Bruder findet, Petra solle sich ihre Träume erfüllen und keine Abstriche machen. Er ist überzeugt, dass sich die gesamte Wunscheinrichtung von Petra im Internet günstiger kaufen lässt, wenn man nur genügend sucht. Er bietet ihr an, in Billigportalen und bei eBay die gesamte Einrichtung vollständig und so günstig wie möglich zu kaufen. Er kann ihr keine Garantie geben, dass das klappt, und sie läuft Gefahr, dass ihre Einrichtung beim Einzug lückenhaft ist und wichtige Teile fehlen. Lösungsvorschlag C: Ihre Freundin findet das alles viel zu kompliziert. Wenn sie CHF 5000.– habe, müsse sie einfach damit klarkommen und ihre Wünsche entsprechend anpassen. Statt am Ende mit scheusslichen Billigmöbeln oder ohne Bett oder Sofa dazustehen, solle sie genau jene Möbel auswählen, die es ihr ermöglichten, mit den CHF 5000.– die Wohnung vollständig einzurichten. Versuchen Sie sich in die Situation von Petra zu versetzen. Welche Lösung würden Sie bevorzugen? Begründen Sie Ihren Entscheid.
Individuelle Schülerlösung; die Lösungsvorschläge ermöglichen die Erläuterung des ökonomischen Prinzips: Lösungsvorschlag A: Optimumprinzip
Aufgabe 2 Veränderungen des BIP: nominal – real Entwicklung des Bruttoinlandproduktes 2003 bis 2017: Jahr
BIP zu laufenden Preisen
BIP zu Preisen von [..?..]
2003
475 270
515 487
2004
490 143
529 798
2005
508 900
546 302
2006
540 289
568 092
2007
578 088
591 384
2008
600 431
604 394
2009
589 213
591 098
2010
608 831
608 831
2011
621 256
619 181
2012
626 414
625 372
2013
638 177
637 255
2014
649 718
652 549
2015
654 258
661 032
2016
660 393
671 608
2017
668 572
682 354 Quelle: www.bfs.admin.ch
a) Welche Jahreszahl gehört anstelle des Fragezeichens in die Spaltenüberschrift «BIP zu Preisen von [..?..]»?
2010: gleicher Wert in beiden Spalten b) Berechnen Sie die prozentuale Veränderung des BIP zu laufenden Preisen von 2004 bis 2014.
32,56 % [(649 718 – 490 143) × 100/490 143] c) Wie gross war das reale Wachstum in Prozenten von 2004 bis 2014?
23,17 % [(652 549 – 529 798) × 100/529 798] d) Erklären Sie den Unterschied zwischen den Lösungen von b) und c).
Lösungsvorschlag B: Minimumprinzip
Die Preise sind in dieser Zeit um 7,62% gestiegen
Lösungsvorschlag C: Maximumprinzip
(und nicht etwa um 9,39 %, gemäss Subtraktion der beiden Werte). [(132.56/123.17)*100] – 100 = 7,62 %
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Aufgabe 3 Der Wirtschaftskreislauf anschaulich a) Welche Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern (blau) erkennen Sie?
Die folgende Abbildung zeigt einen Ausschnitt der Wirtschaft aus der Vogelperspektive. Abgebildet sind verschiedene Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern, die untereinander (wirtschaftliche) Beziehungen pflegen.
b) Welche Arten von Beziehungen (grün und rot) zwischen den Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern lassen sich unterscheiden?
Unternehmungen (1. / 2. / 3. Sektor)
Ausland
Ausland
Einkommen (Geld) aus Arbeit (Löhne
Finanzsektor (Banken)
Arbeiten Produktionsfaktoren zur Verfügung stellen
Geld sparen (zur Bank bringen)
Haushalte (Konsumenten)
Staat
Konsumgüter einkaufen
Geld ausgeben für Konsumgüter
Steuern zahlen
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Wirtschaftskreislauf 26
Aufgabe 4 Diskussion um Wohlstand und Wohlfahrt Lesen Sie den Text zum Bruttonationalglück und beantworten Sie die Fragen dazu:
Himalaja-Staat Bhutan Auf der Suche nach dem Bruttonationalglück Krise ist kein Thema im Königreich Bhutan. Hier geht es nicht um Jagd nach mehr Effizienz, höherer Produktivität, höherem Profit, sondern darum, eine «Glücksformel» für die Untertanen zu finden. Dazu trägt auch ein deutscher Wissenschaftler bei.
ihn? Am vergangenen Sonntag, erinnert er sich, war er besonders glücklich, als er neun Messer verkauft hatte, das Stück für umgerechnet zwölf Euro. Heute habe er erst zwei Messer verkauft, sei aber dennoch glücklich, weil die Sonne scheint und er viel Zeit hat, mit seinem Freund Sonam zu plaudern.
Elian Ehrenreich Yeshey Dorji sitzt auf dem Wochenmarkt der Kleinstadt Paro im Westen Bhutans, wie jeden Sonntag. Der 59-Jährige aus dem Dorf Woochu genießt die Sonne, die sich soeben durch die Wolken kämpft und die Kühle des Morgens in diesem Hochlandtal vertreibt. Er trägt die Gho, das bhutanische Nationalgewand: ein knielanges, längs gestreiftes Kleid, das ein wenig an einen Bademantel erinnert und in der Mitte mit einem Gürtel gehalten wird. Die Bauern der näheren Umgebung verkaufen auf dem Markt die ersten Chili-Schoten des Jahres aus eigener Ernte, die mit Käse zubereitet und mit rotem Hochlandreis serviert das Nationalgericht Emadatse ergeben. Die letzten Monate waren nur die wenig beliebten Schoten aus Indien im Angebot, die sind zwar schärfer, haben aber weniger Geschmack. Außerdem gibt es grünen Spargel, Pilze, Tomaten, Kartoffeln, Blumenkohl, wilden GemüseFarn und vieles mehr zu kaufen. Herr Dorji hat den Macheten ähnliche Messer im Angebot, die er in akribischer Handarbeit gefertigt hat. Was bedeutet Glück für
Bruttonationalglück als Maxime 800 000 Einwohner verlieren sich in dem Land von der Größe der Schweiz. Die Menschen sind arm, viele sind Selbstversorger und leben von dem, was auf ihren Feldern wächst. Dennoch spricht in Bhutan derzeit niemand von Krise, denn zum einen liegt das Land im toten Winkel der globalen Waren- und Finanzströme. Und zum anderen ist das allgemeine Glück der Untertanen – und das ist weltweit einzigartig – seit über drei Jahrzehnten ganz offiziell höchstes Ziel der königlichen Regentschaft von Bhutan. Nicht statistischen Größen wie dem Bruttoinlandsprodukt sei man politisch verpflichtet, äußerte Bhutans damaliger König Jigme Singye Wangchuck 1974 in einem Interview mit der «Times» eher beiläufig, sondern dem «Gross National Happiness», zu Deutsch «Bruttonationalglück». Was für europäische Ohren ein wenig nach Pekingoper klingt, nach verordnetem kollektiven Frohsinn, war ursprünglich als buddhistische Anti-These zu der in der westlichen Welt vorherrschenden Jagd nach mehr Effizienz, höherer Produktivität, höherem Profit gedacht.
Im Zentrum der Politik soll das Glück des Einzelnen stehen, das sich nicht materiell definieren lässt. So muss sich jede öffentliche Investition, jede politische Gesetzesänderung daran messen lassen, ob sie tatsächlich dem Allgemeinwohl dient – und nicht einem abstrusen Wachstumsmantra. Und um das herauszufinden, berief die Regierung eine Kommission, die am Forschungsinstitut «Centre for Bhutan Studies» in der Hauptstadt Thimphu nach der «Glücksformel» forscht. Unter Führung des heutigen, erst 29-jährigen Königs Jigme Khesar Namgyel Wangchuck wurde die Kommission jüngst sogar in den Stand eines Superministeriums erhoben. Während Herr Dorji mit dem gleichaltrigen Sonam kichernd die neuesten Gerüchte austauscht, kaut er Doma, die Volksdroge, die seine Zähne blutrot färbt und vor allem aus Betelnuss besteht. Das Kauen der bitteren Palmenfrüchte, die mit einer weißen Kalkpaste bestrichen und einem grünen Blatt, Betelpfeffer genannt, umwickelt werden, ist in Bhutan eine alte Tradition und geht auf Guru Rinpoche zurück. Als er im 8. Jahrhundert dem Land den Buddhismus schenkte, wollte er mit der Verbreitung der Betelnusskauerei die archaische Praxis verdrängen, getötete Feinde zu verspeisen. «Würden wir nicht Betelnüsse kauen, dann wären wir wahrscheinlich heute noch Menschenfresser», sagt Herr Dorji. Er sieht zufrieden aus. Entwicklungshilfe für Europa Wie misst man die Zufriedenheit eines Volkes – zählt man, wie oft die Menschen fluchen, lachen, weinen? In Bhutan geht man streng
demoskopisch vor. Mit einer detaillierten Erhebung auf Grundlage von 290 Fragen wird die Gemütslage des Volkes permanent ergründet. Mitarbeiter des «Centre for Bhutan Studies» gehen damit von Haus zu Haus. Antworten zu erhalten ist gar nicht so einfach, denn die Menschen des Landes sind sehr zurückhaltend. Der deutsche Doktorand Tobias Pfaff war vor Ort dabei, hat die Kriterien des Glücks erforscht und bei der Überarbeitung des Fragenkatalogs geholfen. Die Auswertung soll Aufschluss darüber geben, wie Glück erzeugt und weiterentwickelt werden kann. Die Monate im Himalaja verstand er durchaus als Entwicklungshilfe – für Europa, um sich von alten Irrtümern zu befreien. Dem Irrtum zum Beispiel, dass Glück stets etwas mit Geld, Wohlstand, materiellem Zugewinn zu tun hat. «Es ist in Deutschland vielfach so, dass Glück dadurch definiert wird, bei Günther Jauch zu sitzen und die Million zu gewinnen», so der 29-jährige Wissenschaftler von der Uni Münster. «Der Drang nach mehr, die Angst vor Verlust oder Verringerung des Vermögens verdrängt weitgehend jedes Sichzufriedengeben als eine der wichtigsten Voraussetzungen für Glück im wirklich menschlichen Sinne», meint der ehemalige Botschafter Harald Nestroy. Der Diplomat hat den Verein «Pro Bhutan» gegründet, die sich um Gesundheit und Erziehung bemüht, und ist in Bhutan ein häufiger Gast. Empfinden wir also so selten ein Gefühl des Glücks, weil wir dem falschen Begriff nacheifern? Nestroy: «Im Buddhismus wird Glück als Zustand innerer Ausgeglichenheit definiert». […] www.spiegel.de; 25. Januar 2010
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a ) Wie lässt sich das im Text erwähnte Bruttonationalglück beschreiben?
Der Happy Planet Index ist ein Index für die menschliche Zufriedenheit, der auch die ökologischen Folgen unseres Lebensstils berücksichtigt. Vereinfacht betrachtet wird der HPI ermittelt, indem die Anzahl der erwarteten glücklichen Lebensjahre durch den ökologischen Fussabdruck eines Landes geteilt wird. Die Anzahl der glücklichen Lebensjahre ergibt sich aus der durchschnittlichen Lebenserwartung in einem Land (in Anzahl Jahren) sowie der Lebenszufriedenheit (repräsentiert mit einem Wert zwischen 1 und 10). Dieser Gesamtwert wird anschliessend mit einem Streufaktor multipliziert, der die ungleichmässige Verteilung der Lebenserwartung und der Lebenszufriedenheit in der Bevölkerung in den jeweiligen Ländern erfasst. Der ökologische Fussabdruck misst den Verbrauch natürlicher Ressourcen eines bestimmten Landes und drückt in globalen Hektaren (gha) die Fläche aus, die für die Produktion dieser Ressourcen notwendig wäre. Verkürzt ergibt sich damit folgende Formel für den HPI:
Begriff wird im Text nicht definiert. Bruttonationalglück dürfte in etwa das sein, was wir als Gemeinwohl oder Lebensqualität bezeichnen. b ) Nennen Sie eine Gemeinsamkeit und einen Unterschied von Bruttoinlandprodukt und Bruttonationalglück?
Gemeinsamkeit: Sowohl BIP als BNG enthalten wirtschaftliche Elemente.
Happy Planet Index ≈ (Lebenserwartung × Lebenszufriedenheit) × Streufaktor ökologischer Fussabdruck
(Dorji ist glücklich, wenn er viele Messer verkauft)
Im Jahr 2016 sahen die ersten fünf Plätze innerhalb Europas wie folgt aus:
Unterschied:
Staat
BNG umfasst auch Elemente, die nicht mit Geld gemessen werden können (Sonnenschein, soziale Kontakte etc.). c ) Angenommen, Sie müssten das Bruttonationalglück der Schweiz bestimmen: Welche Daten würden Sie zu diesem Zweck erheben?
Individuelle Schülerlösung:
Rang
HPI
Lebenserwartung
Lebenszufriedenheit
Ökologischer Fussabdruck
Streufaktor
BIP pro Kopf ($)
Norwegen
12
36,8
81,3
7,7
5,0
7%
69 712
Spanien
15
36,0
82,2
6,3
3,7
10 %
26 823
Niederlande
18
35,3
81,2
7,5
5,3
4%
44 828
Schweiz
24
34,3
82,6
7,8
5,8
6%
*77 943
Dänemark
32
32,7
79,8
7,5
5,5
7%
53 104
z. B. Daten zu Gesundheit, Umwelt, Kriminalität, Familie,
Quellen: «happyplanetindex.org» und «de.statista.com»/* = 2015
Zufriedenheit, Ängste, Sorgen, Hoffnungen etc.
Hinweis für Lehrpersonen Zum Thema «Bruttonationalglück von Bhutan» sind auf YouTube mehrere Videos verfügbar (www.youtube.com). Einen kurzen Überblick bietet «Bruttonationalglück von Bhutan» (03:00 Min.), etwas ausführlicher behandelt der Film «Siebter Himmel im Himalaya» (13:51 Min.) die Thematik. Die Links können via e-desk direkt aktiviert werden: www.brennpunkt-wug.ch Æ Kapitel 28 Æ Dateien Lehrmittel Æ Zusatzmaterial
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Wirtschaftskreislauf 28 d ) Wäre der Happy Planet Index Ihres Erachtens geeignet, um das Bruttonationalglück zu messen? Nennen Sie je ein Argument, das dafür resp. dagegen spricht.
Argument dafür: Der HPI beinhaltet verschiedene Aspekte, die zu unserem Glück beitragen. Argument dagegen: Ein hoher HPI-Wert heisst nicht, dass die Menschen glücklicher sind, sondern er setzt die Lebensqualität in Relation zum Ressourcenverbrauch. Das muss für die Lebensqualität heute nicht unbedingt relevant sein.
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