35 Wachstum und Strukturwandel; Band-3_2020-LP

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Wachstum und Strukturwandel

Angemessenes Wirtschaftswachstum ist eines der wirtschaftspolitischen Ziele, die jede Volkswirtschaft anstrebt. Dies deshalb, weil wirtschaftliches Wachstum – neben negativen Auswirkungen – mit vielen positiven Effekten für eine Gesellschaft verbunden ist. Uns interessieren im Folgenden insbesondere die Faktoren, welche das Wirtschaftswachstum wesentlich beeinflussen. Und wir fragen uns, ob eine Volkswirtschaft immer weiter wachsen kann oder ob irgendwann eine optimale «Grösse» erreicht wird.

Die kurzfristigen Auf- und Abwärtsbewegungen der gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten zeigen sich in den Konjunkturschwankungen. Über einen längerfristigen Zeitraum betrachtet, verändert sich allerdings auch das Gefüge, die Struktur der Wirtschaft, wie z. B. die Anzahl der Unternehmungen und Beschäftigten in den einzelnen Branchen. Wer die Ursachen und Folgen des Strukturwandels kennt, ist für künftige Herausforderungen besser vorbereitet und kann darauf frühzeitig reagieren.

Theorie

Übungen

35.1 35.2 35.3 35.4 35.5 35.6

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Wirtschaftswachstum: kurz- und langfristig betrachtet ........................................ 2 Bestimmungsfaktoren für Wirtschaftswachstum .................................................. 4 Wachstum – Folgen für Wohlstand und Wohlfahrt .............................................. 8 Wirtschaftsstruktur – das volkswirtschaftliche Gefüge ......................................... 12 Strukturwandel – Ursachen und Folgen ............................................................... 14 Strukturpolitik – Strukturwandel bewältigen ........................................................ 16 Das haben Sie gelernt ......................................................................................... 18 Diese Begriffe können Sie erklären ...................................................................... 19

Wachstumsbegriffe ............................................................................................... 20 Ansatzpunkte für das Wirtschaftswachstum .......................................................... 20 Bestimmungsfaktoren des Wirtschaftswachstums .................................................. 21 Wohlstand und Wohlfahrt .................................................................................... 21 Strukturwandel 2008 bis 2030 .............................................................................. 22 Strukturpolitik ....................................................................................................... 22

Aufgaben 1 2 3 4 5 6

Meinung und Debatte: «Wachstum ohne Ende?» .................................................. 23 Von Seerosen und anderen Denkfehlern  …........................................................... 26 Innovationen – und die Rolle des Staates .............................................................. 28 Strukturwandel am Beispiel der Schaffhauser Nachrichten ..................................... 30 Branchenszenarien 2008 bis 2030 ......................................................................... 32 Strukturwandel in den Regionen erfolgreich bewältigen ........................................ 34

Ausgabe für Lehrpersonen Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft 3. Auflage 2020 / © Verlag SKV AG, Zürich Diese Broschüre ist urheberrechtlich geschützt. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, die Broschüre oder Teile daraus in irgendeiner Form zu reproduzieren. Bestellung über: http://brennpunkt-wug.verlagskv.ch Wachstum und Strukturwandel  1

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35.1 Wirtschaftswachstum: kurz- und langfristig betrachtet Im Kapitel 2, «Konjunkturzyklus», haben wir gesehen, dass die Wirtschaftsentwicklung durch Phasen des Auf- und Abschwungs gekennzeichnet ist. Auf Zeiträume mit einem starken positiven Wachstum des BIP folgen immer auch wieder Phasen, in denen das BIP weniger stark wächst oder gar schrumpft. Dies zeigt auch ein Blick auf die Entwicklung der Wachstumsraten des BIP in der Schweiz seit 1920. ■■ Entwicklung sowie Zuwachsraten des realen BIP von 1920–2018 BIP real in Mrd. CHF 700 650 600

BIP-Wachstum real in % 15,0

Goldene 20er-Jahre (Nachkriegsboom

550 500

Abwertung des Schweizer Frankens

Grosse Depression

12,5

Erste Nachkriegsrezession

10,0 OPECÖlembargo

7,5 Platzen der DotcomBlase

450 400

5,0 2,5

350 300

0

250

–2,5

200 150 100 50

–5,0 –7,5 –10,0

19 20 ’š€ • ’š€ ‡ ’š… ’š…€ — 19 40 ’š• • ’š• — ’š– € ’š– — 19 60 ’š— ’š—• ‡ ’šƒ € ’šƒ — 19 80 ’š‡ • ’š‡ ‡ ’šš € ’šš — 20 00 20 04 20 08 20 1 20 € 1 20 6 18

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Zweiter Weltkrieg

Platzen der Immobilienblase und Wachstumsschwäche

Quelle: «Die Volkswirtschaft», 1/2-2010/Dr. Boris Zürcher (seco)

Nach dem Ersten Weltkrieg hat die Wirtschaftstätigkeit in der Schweiz in den 1920er-Jahren stark zugenommen, und entsprechend resultierten hohe jährliche Wachstumsraten. Als 1929 viele Banken aufgrund von spekulativen Wertpapier- und Warengeschäften Konkurs gingen, brach die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen weltweit ein, und es folgte eine grosse Weltwirtschaftskrise («Grosse Depression») mit negativen Wachstumsraten. Angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen Mitte der 1930er-Jahre forderte die Exportwirtschaft eine Abwertung des Schweizer Frankens, um Schweizer Produkte im Ausland wieder konkurrenzfähiger zu machen. Nach vielen Boomjahren folgte 1976ein massiver Beschäftigungs-

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einbruch. Entscheidend war dabei die Drosselung der Erdöllieferungen (Embargo) der Organisation der Erdöl exportierenden Länder (OPEC). Immer wieder führten Marktsituationen mit unrealistisch hohen Preisen (sogenannte «Blasen») zu Wachstumseinbrüchen, z. B. Immobilienblase der 1990er-Jahre oder die Dotcom-Blase der Internetfirmen 2002. In der langfristigen Betrachtung der wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz sehen wir aber, dass das BIP in absoluten Zahlen trotz der vielen kurzfristigen Schwankungen der Wachstumsraten seit 1920 um das Zehnfache gestiegen ist. Während die prozentualen Zuwachsraten in der Regel zwischen – 5 % und + 10 % schwankten, hat sich das reale BIP (zu Preisen des Jahres 2000) seit Ende des Zweiten Weltkrieges von 100 Milliarden auf 700 Milliarden im Jahr 2018 erhöht. ■■ Exponentielles und lineares Wachstum Wenn wir von Wachstum sprechen, gilt es die beiden Begriffe lineares Wachstum und exponentielles Wachstum zu unterscheiden. Von einem linearen Wachstum sprechen wir, wenn eine Grösse jährlich um einen gleichbleibenden Betrag zunimmt und somit gleichmässig ansteigt. Ein exponentielles Wachstum liegt dann vor, wenn eine Grösse jährlich um den gleichen Faktor, den gleichen Prozentsatz, zunimmt. Wenn wir ein Kapital jährlich zu 2 % Zins anlegen und der Zinsertrag jeweils zum Kapital dazugeschlagen wird, so werden auch die Zinsen wieder verzinst. Diese ZinseszinsRechnung führt zu einem ungehemmten, exponentiellen Wachstum. Bei einer konstanten Wachstumsrate von 2 % ergibt sich nach etwa 35 Jahren eine Verdoppelung der Ausgangsgrösse. Mit der 70er-Regel lässt sich die Verdoppelungszeit annäherungsweise einfach berechnen, indem wir die Zahl 70 durch die Wachstumsrate in Prozent dividieren. So wird bei einer Wachstumsrate von 10 % bereits nach sieben Jahren eine Verdoppelung erreicht (70 dividiert durch 10). ■■ Jährliche Wachstumsraten und Basiseffekt In der langfristigen Betrachtung fällt auf, dass die jährlichen Wachstumsraten des BIP in den letzten 30 Jahren im Laufe der Zeit kleiner geworden sind. Dies hängt auch mit dem sogenannten Basiseffekt zusammen: Bei einem steigenden Ausgangswert (Basis) führt ein jährlich gleich bleibender absoluter Zuwachs zu immer niedrigeren jährlichen Zuwachsraten. Wenn ein Arbeitnehmer mit einem Lohn von CHF 100 000.– jährlich eine Lohnerhöhung von CHF 1 000.– erhält, steigt sein Lohn im ersten Jahr um 1 %, im elften Jahr beträgt die Lohnerhöhung aufgrund der gestiegenen Basis (CHF 110 000.–) nur noch 0,9 %. Während der letzten 80 Jahre ist die Wachstumskurve des BIP nahezu gleichmässig verlaufen, d. h., die absoluten Zuwächse waren relativ konstant. Die Wirtschaft ist insofern nicht exponentiell, sondern linear gewachsen.

Übung 1 Übung 2 Aufgabe 1 Aufgabe 2

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Hinweis für Lehrpersonen Das «exponentielle Wachstum» kann auf YouTube mit dem Kurzfilm «Crash Course 3» (07:13 Min.) erläutert werden.

▼▼ 4PPT-Folie / Tafelbild: Folien 1/2 (animiert) Wachstum und Strukturwandel

Zu Seite 2

Lineares und exponentielles Wachstum

Der Link kann via e-desk direkt aktiviert werden: www.brennpunkt-wug.ch  Kapitel 35  Dateien Lehrmittel  Zusatzmaterial BIP in Mia. CHF

Die konjunkturellen Schwankungen werden relativiert, wenn man das Wachstum der letzten zehn Jahre vergleicht.

Exponentielles Wachstum Lineares Wachstum

■■ BIP-Wachstum 2004 – 2014

Zeit

Band 3

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Rüfenacht/Saxer/Tobler: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft © Verlag SKV

Quelle: www.wirtschaftswurm.net

Der Link kann via e-desk direkt aktiviert werden: www.brennpunkt-wug.ch  Kapitel 35  Dateien Lehrmittel  Zusatzmaterial

Das Zehn-Jahres-Wachstum für die 25 grössten Wirtschaftsmächte der Welt wird jedes Jahr in einem Blog aktualisiert. Wachstum und Strukturwandel  3

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35.2 Bestimmungsfaktoren für Wirtschaftswachstum Wie entsteht Wirtschaftswachstum? Eine erste Gruppe von Bestimmungsfaktoren liefern die vier Produktionsfaktoren, mit deren Hilfe Güter und Dienstleistungen hergestellt werden können.

gen hergestellt werden können, desto grösser ist die Wirtschaftsleistung und damit das Wirtschaftswachstum. ■■ Produktinnovationen Ideen oder Erfindungen neuer Produkte, wie z. B. die Glühbirne, der Verbrennungsmotor, der Mikrochip oder das Antibiotikum Penicillin, haben das Produktionsvermögen einer einzelnen Arbeitskraft um ein Vielfaches erhöht.

■■ Produktionsfaktor «Arbeit» Beim Produktionsfaktor Arbeit sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: auf der einen Seite die Anzahl der Erwerbstätigen und auf der anderen Seite die Arbeitszeit, während der die Erwerbstätigen produktiv arbeiten. ■■ Erwerbsbevölkerung und Erwerbsquote Ein hohes Bevölkerungswachstum, ausgelöst durch einen Geburtenüberschuss, erhöht die Anzahl der Erwerbstätigen nicht. Im Gegenteil: Es lässt das BIP pro Kopf der Bevölkerung zunächst sinken, weil Kinder und Jugendliche noch nicht im Erwerbsleben stehen. Mit dieser Problematik sind häufig wirtschaftlich wenig entwickelte Länder konfrontiert, weil in diesen Ländern die Bevölkerung aufgrund fehlender Familienplanung stärker zunimmt. Die Erwerbsbevölkerung kann aber beispielsweise durch eine Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften direkt erhöht werden. Ebenso lässt sich die Erwerbsquote (Erwerbsbevölkerung in Prozent der 15- bis 64-Jährigen) durch den vermehrten Einbezug von Frauen erhöhen. ■■ Arbeitszeit pro Erwerbsperson In den EU-Staaten liegt die Wochenarbeitszeit zwischen 37,8 und 42,3 Stunden. Die Schweizerinnen und Schweizer arbeiten mit durchschnittlich 41,7 Stunden pro Woche vergleichsweise viel. Neben der Wochenarbeitszeit ist für die Wirtschaftskraft auch die Lebensarbeitszeit bedeutsam: Während das durchschnittliche Rentenalter in Europa bei knapp 64 Jahren liegt, arbeiten die Schweizer Männer bis zur Pensionierung ein Jahr länger. ■■ Produktionsfaktor «Wissen» – technischer Fortschritt Der Produktionsfaktor Wissen ist verantwortlich für den technischen Fortschritt, d. h. für alle Verbesserungen der Verfahren und Fähigkeiten zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Technischer Fortschritt als Summe aller neuen Ideen und Erfindungen wird auch mit dem Begriff «Innovation» gleichgesetzt. Dabei werden zwei Arten von Innovationen unterschieden: ■■ Prozessinnovationen Verbesserungen bei den Produktionsprozessen sind ebenfalls eine treibende Kraft für das Wachstum einer Volkswirtschaft: Je schneller und zuverlässiger Güter und Dienstleistun-

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■■ Produktionsfaktor «Kapital» Für die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft sind neben der reinen Arbeitszeit Finanzkapital Sachkapital auch die finanziellen und nicht-finanziellen Vermögensbestandteile der verschiedenen Wirtschaftsakteure entscheidend. Das Finanzkapital, d. h. die Ersparnisse, welche bei den Banken angelegt und verwaltet werden, sollen in Form von Krediten in volkswirtschaftlich produktives Sachkapital (wie z. B. Maschinen, Immobilien, Strassen, Fahrzeuge, Nutztiere) umgewandelt werden. Das Finanzkapital kann dabei für Investitionen im In- und Ausland genutzt werAus Finanzkapital wird Sachkapital: Gemäss einer den. Studie betrug das Finanzkapital der Schweiz im Jahr ■■ Investitionen in Infrastruktur 2011 rund 10 Billionen Franken, das Sachkapital nur Unternehmungen können sich dann rund 1,2 Billionen Franken. Die Schweiz investiert produktiv entfalten, wenn in einer somit einen grossen Teil ihres Finanzkapitals im ­Ausland. Volkswirtschaft technische Grundeinrichtungen (Infrastruktur) in Form von guten Verkehrswegen, sicherer Stromversorgung und schnellen Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Durch die Realisierung entsprechender Projekte, wie z. B. den Basistunnel der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (Neat), erzielt der Staat nicht nur eine momentane Beschäftigungswirkung für die betroffenen Unternehmungen, sondern betreibt gleichzeitig Wachstumspolitik, indem für die kommenden Jahre eine leistungsfähigere Infrastruktur für die Wirtschaft bereitgestellt wird.

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■■ Investitionen in Humankapital Investitionen in Bildung und Gesundheit, in das sogenannte Humankapital, vergrössern einerseits die wirtschaftlichen Fähigkeiten (Bildung in Form von Kompetenzen und Wissen) und andererseits die Leistungsfähigkeit in Form von gesunden Arbeitnehmenden. Im 19. Jahrhundert war die Eidgenossenschaft eine Pionierin in der Volksbildung und der technischen Bildung. Die anhaltend hohe Qualität des Humankapitals ist eine Voraussetzung dafür, dass sich die Schweizer Unternehmen auf hochwertige Nischenprodukte spezialisieren und ihren Angestellten relativ hohe Löhne bezahlen können.

Hinweis für Lehrpersonen ▼▼ PPT-Folie / Tafelbild: Folien 3/4 (animiert) 4

Wachstum und Strukturwandel

Bestimmungsfaktoren für Wirtschaftswachstum

Produktionsfaktoren

■■ Produktionsfaktor «Boden»

Arbeit

Für die Wirtschaft ist der Boden einerseits Träger von Nahrungsmitteln und Rohstoffen, andererseits bildet er den Standort für die Betriebe. Der Begriff «Boden» umfasst aber mehr als nur die reine Fläche. Zum Produktionsfaktor Boden zählt auch das Klima, weil Klimaelemente wie Wind, Niederschlag, Temperatur, Luftdruck oder Meeresströmungen die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Landes massgeblich beeinflussen. Auch die Bodenbeschaffenheit in Form von fruchtbaren Böden, Bergen, Seen und Flüssen ist eine wichtige Voraussetzung wirtschaftlicher Wertschöpfung. In Bezug auf den Produktionsfaktor Boden ist die Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern nicht besonders gut ausgerüstet, weil unser Land zwar mithilfe der Wasserkraft saubere Energie erzeugen kann, wir aber ansonsten praktisch über keine Rohstoffvorkommen verfügen. Während die Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden in einem gewissen Rahmen beschränkt sind (gemäss Schätzungen zur Tragfähigkeit der Erde können 8 bis 12 Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben), kann der Produktionsfaktor Wissen bzw. der technische Fortschritt grundsätzlich immer weiter wachsen. Ob der technische Fortschritt allerdings auch wirklich ein «Fortschritt» ist, das können letztlich erst die nachfolgenden Generationen beurteilen. Insofern wäre es vielleicht besser, statt von technischem Fort­ schritt – etwas bescheidener – von technischem Wandel zu sprechen; wachstumsförDie Anwendung neuer Technologien bedeutet dernd bleibt er jedoch in gleicher Art und zwangsläufig immer einen Strukturwandel, in welWeise. chem das Alte durch das Neue verdrängt wird –

Wissen

ein Vorgang, der auch als «schöpferische Zerstörung» bezeichnet wird.

Zu den Seiten 4 - 6

Rahmenbedingungen Wettbewerb und Konkurrenz Institutionelle Infrastruktur

Kapital

Kulturell bedingte Faktoren

Boden

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▼▼ PPT-Folie / Tafelbild: Folien 5 / 6 (animiert) 4

Wachstum und Strukturwandel

Zu Seite 4

Ansatzpunkte für Wirtschaftswachstum Wachstum BIP pro Kopf Arbeitsproduktivität erhöhen

Produktionsfaktor Arbeit erhöhen

Mehr Erwerbstätige

Längere Arbeitszeit

Produktionsfaktor Kapital

Produktionsfaktor Wissen

Höhere Erwerbsquote

Längere Wochenarbeitszeit

Investitionen in Sachkapital

Produktinnovationen

Mehr Zuwanderung

Höheres Pensionsalter

Investitionen in Humankapital

Prozessinnovationen

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Neben den Produktionsfaktoren sind auch die Rahmenbedingungen einer Volkswirtschaft für das Wirtschaftswachstum entscheidend. ■■ Rahmenbedingung 1: Wettbewerb und Konkurrenz Die wichtigste Antriebskraft für das Wirtschaftswachstum sind Unternehmungen, die sich in einem «freien Umfeld» ungehindert entfalten können. Wirtschaftlicher Wettbewerb ist dann gegeben, wenn gewinnorientierte Unternehmen Marktlücken entdecken, neuartige Herstellungsverfahren ausprobieren und neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt bringen dürfen, ohne den Preis dafür beeinflussen und andere Unternehmungen als mögliche Konkurrenten vom Marktzugang ausschliessen zu können. Stehen die Anbieter in einem bestimmten Markt in Konkurrenz zueinander, so sind sie gezwungen, ihren Kunden die bestmögliche Leistung zum geringstmöglichen Preis anzubieten, sonst werden sie durch Konkurrenten aus dem Geschäft gedrängt. Dieser Wettbewerb treibt Unternehmen an, effizient zu arbeiten und innovativ zu bleiben. Volkswirtschaftlich führt der Wettbewerb dazu, dass mit den vorhandenen Ressourcen die grösstmögliche Menge an Waren und Dienstleistungen hergestellt wird. ■■ Rahmenbedingung 2: Institutionelle Infrastruktur Damit der Wettbewerb seine wachstumsfördernde Wirkung entfalten kann, muss der Staat die dafür notwendigen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen schaffen. Diese institutionelle Infrastruktur, wie z. B. politische Stabilität, Vertragsfreiheit und Rechtssicherheit, ist ein wichtiger Faktor für das Wirtschaftswachstum. Nur unter solchen Bedingungen sind Individuen und Unternehmen gewillt, Risiken auf sich zu nehmen und Investitionen zu tätigen. Schlechte Rahmenbedingungen wie Demokratiedefizite, mangelnde Eigentumsrechte, Rechtsunsicherheit, Korruption und staatliche Misswirtschaft stellen demgegenüber grosse Hemmnisse für das Wirtschaftswachstum und damit für eine positive nachhaltige Entwicklung dar. Bezogen auf die Führung und Verwaltung eines Landes wird dafür oftmals der Begriff «Good Governance» verwendet. Darunter verstehen wir gutes RegierungsDie Schweiz wird von ausländischen Unternehmunund auch Verwaltungshandeln, einschliessgen wegen ihrer politischen Stabilität, freiheitlichen lich einer guten Haushalts- bzw. EinnahWirtschaftsordnung und Rechtssicherheit geschätzt. men- und Ausgaben-Bewirtschaftung.

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■■ Rahmenbedingung 3: Kulturell bedingte Faktoren Auch kulturell bedingten Faktoren wie Disziplin, Sparsamkeit und Arbeitsethik wird eine gewisse Aussagekraft zur Erklärung des unterschiedlichen Wachstums verschiedener Volkswirtschaften zugesprochen. In der Schweiz sind die Tugenden Fleiss, Qualitätsarbeit und Unternehmertum immer hoch geschätzt worden. Die Schweizer Städte waren im 16. Jahrhundert Zentren der Reformation, die ein neues Arbeitsethos mit sich brachte. Sie haben auch unternehmerische Energien freigesetzt, indem sie immer wieder Menschen aus den ländlichen Gebieten oder dem benachbarten Ausland angezogen haben, die sich durch besondere Leistungen auszeichnen wollten. Warum sind einzelne Nationen wirtschaftlich erfolgreicher als andere? Wir haben insgesamt sieben Bestimmungsfaktoren erläutert, vier Produktionsfaktoren und drei Rahmenbedingungen. Welche Bestimungsfaktoren sind letztlich entscheidend? Wissenschaftlich lässt sich die Frage nach einer Rangliste der Bestimmungsfaktoren nicht eindeutig beantworten. Fähige Behörden, eine unabhängige Warum sind einzelne Nationen reich und andere Zentralbank, eine freiheitliche Gesellschafts­ arm? Der Ökonom Daron Acemoglu ist der Meiordnung und Rechtsstaatlichkeit bestimnung, dass nicht geografische Unterschiede, sondern vielmehr die Qualität der institutionellen men die wirtschaftlichen Aktivitäten der BeInfrastruktur darüber entscheidet, ob ein Land völkerung ganz wesentlich. Die politische arm oder reich ist. Macht sollte zudem gleichmässig verteilt sein, und keine Gruppe sollte eine andere politisch oder wirtschaftlich ausbeuten können. In armen Ländern sind die Institutionen häufig nicht auf die Schaffung von Wohlstand für die Bevölkerung ausgerichtet, sondern auf den Nutzen der Machthaber. Einzelne Ökonomen argumentieren deshalb, dass gute Rahmen- Übung 3 bedingungen eine zentrale Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum seien. Aufgabe 3

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Hinweis für Lehrpersonen Die Qualität der Regierungsführung wird vor allem bei afrikanischen Staaten als ungenügend beurteilt. Eine Studie des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik hat 28 afrikanische Länder auf die Qualität der Regierungsführung untersucht. Dabei wurden 23 verschiedene Indikatoren guter Regierungsführung ermittelt. Die folgende Abbildung ist im Foliensatz enthalten (Folie 7).

Korruptionsbekämpfung Effizienz des Steuersystems und Korruption Pro-Investitionssteuerpolitik

Index gesamt 80

Materielle Infrastruktur )  Anlagen )  Verkehr und Kommunikation )  Entsorgung

Zu Seite 6

Institutionelle Infrastruktur )  )  )  )

Eigentumsordnung Wettbewerb Steuersystem Währungssystem

Personelle Infrastruktur )  Motivation und Ausbildung der Arbeitskräfte )  Innovationskraft

Infrastruktur = Unterbau für Wirtschaft

Machtverteilung Politische Parteien – Freiheit und Sicherheit

40 30

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Infrastruktur

Politisches System

70

50

Wirtschaftsmanagement

4

Politische Repräsentation

60

Investitionsförderlichkeit der Politik

▼▼ PPT-Folie / Tafelbild: Folien 8 / 9 (animiert)

Durchschnitt der 28 untersuchten Länder

Wahlprozess – Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit

20 10

Unabhängikeit der Medien und Zivilgesellschaft

Institutionelle Effektivität

0

Band 3

Strafverfolgungsbehörde

8

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Effektivität der Legislative

Beachtung der Rechtsstaatlichkeit

Effektivität der Judikative Effektivität der Exekutive

Menschenrechte Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit Dezentralisierung der Strukturen

Effektivität der staatlichen Strukturen Öffentlicher Dienst – Transparenz Effizienz und Rechenschaftspflicht staatlicher Dienstleistungen

Quelle: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, 2006

Via e-desk kann der Link auf den Video «The 12 principles of good governance at local level» des Europarates (auf Englisch, 2: 10 Min.) aktiviert werden: www.brennpunkt-wug.ch  Kapitel 35  Dateien Lehrmittel  Zusatzmaterial

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35.3 Wachstum – Folgen für Wohlstand und Wohlfahrt ■■ Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Wohlfahrt Im Kapitel «Wirtschaftskreislauf» (Band 2, Kapitel 28) haben wir die Begriffe «Wohlstand» und «Wohlfahrt» behandelt: «Wohlstand als Lebensstandard» ist in einem gewissen Mass Voraussetzung für die «Wohlfahrt als Lebensqualität». Wer seine Grundbedürfnisse nicht decken kann, besitzt keine grosse Lebensqualität. Aber nicht alle Bedürfnisse können mit materiellen Gütern und Dienstleistungen befriedigt werden. Insofern führt ein gestiegener Lebensstandard nicht automatisch zu einer höheren Lebensqualität. ■■ Bestimmungsfaktoren von Wohlstand (Lebensstandard) Individuell lässt sich der Wohlstand einer Person durch ihr Vermögen definieren. Häufig beurteilen wir den Wohlstand von Personen anhand von materiellen Gütern, beispielsweise einem grossen Einfamilienhaus, einem teuren Auto oder einer Ferienwohnung. Der Wohlstand eines Landes wird am Bruttoinlandprodukt, d. h. dem Wert der in einem Jahr im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen, gemessen. Um den durchschnittlichen Wohlstand der Bevölkerung eines Landes zu bestimmen, dividieren wir das jährliche BIP durch die Bevölkerungszahl. Damit erhalten wir eine aussagekräftige Masszahl für den Wohlstand.

Land

Rang Welt Liechtenstein Monaco Luxemburg Bermuda Insel Man Macao Schweiz Norwegen Island Irland

– 2 1 3 4 7 6 5 8 9 10

10 714 168 146 162 010 104 103 85 748 81 672 80 893 80 190 75 505 70 057 69 331

Jahr 2017 2015 2011 2017 2013 2015 2017 2017 2017 2017 2017

Quelle: www.factfish.com

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■■ Liste der Länder nach Human Development Index (HDI) Land

■■ Liste der Länder nach Bruttoinlandprodukt pro Kopf Brottoinlandprodukt pro Kopf (US $)

■■ Bestimmungsfaktoren von Wohlfahrt (Lebensqualität) Die Lebensqualität des Einzelnen wird durch die subjektive Einschätzung der Zufriedenheit mit der Lebenssituation bestimmt. Eine hohe Lebensqualität bedeutet nicht zwingend ein Leben im Luxus. Vielmehr ergibt sie sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, welche die Zufriedenheit einer Person in der Gesellschaft ausmachen. Materielle Faktoren sind primär die finanziellen Mittel, die einer Person zur Verfügung stehen (d. h. der Wohlstand). Zu den nicht-materiellen Faktoren zählen z. B. Bildung, Beruf, der soziale Status in der Gesellschaft sowie soziale Kontakte und Gesundheit. Einzelne dieser Faktoren, wie Bildung oder Beruf, wirken sich wiederum auf den materiellen Wohlstand aus oder ergeben sich aus diesem. Um die Wohlfahrt zu bestimmen, stützt man sich zusätzlich zum BIP auf sogenannte Sozialindikatoren ab. Solche Indikatoren basieren einer­seits auf Daten zu den Lebensumständen der Menschen (z. B. Gesundheit, Bildung, soziale Sicherheit, Kriminalität, familiäre Situation) und andererseits auf den Ergebnissen von Umfragen zu jenen Bereichen, die das subjektive Wohlbefinden (z. B. Glück oder Liebe) betreffen. Die beiden bekanntesten Messgrössen in diesem Zusammenhang sind die in Band 2 (Kapitel 28) erläuterten Human Development Index (HDI) und Happy Planet Index (HPI).

Rang Norwegen Australien Schweiz Deutschland Dänemark Singapur Niederlande Irland Island Kanada Vereinigte Staaten

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 10

HDI 2016 0,949 0,939 0,939 0,926 0,925 0,925 0,924 0,923 0,921 0,920 0,920

Quelle: www.laenderdaten.de

Der Human Development Index kombiniert das Pro-Kopf-Einkommen in einem Land mit Angaben zum Bildungsgrad und zur Lebenserwartung der Menschen, wogegen ökologische Komponenten nicht in diesen Index einfliessen. Ökologische Faktoren werden im Happy Planet Index berücksichtigt.

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Hinweis für Lehrpersonen In der Tabelle des Happy Planet Index lassen sich die Faktoren Lebenszufriedenheit, Lebenserwartung, Streufaktor und ökologischer Fussabdruck aufsteigend oder absteigend sortieren; hier am Beispiel europäischer Staaten (Werte 2016): Staat

Rang

Norwegen Spanien Niederlande Schweiz Dänemark Grossbritannien Finnland Island Zypern Österreich

12 15 18 24 32 34 37 39 41 43

Happy Planet Index 36,8 36,0 35,3 34,3 32,7 31,9 31,3 31,1 30,7 30,5

Lebenszufriedenheit

Lebenserwartung

7,7 6,3 7,5 7,8 7,5 6,9 7,4 7,6 6,2 7,4

81,3 82,2 81,2 82,6 79,8 80,4 80,4 82,2 79,8 81,0

Streu­ faktor

▼▼ PPT-Folie / Tafelbild: Folie 10 (animiert) 4

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Wohlstand - Wohlfahrt

Ökologischer Fussabdruck

6,9 % 10,1 % 4,3 % 6,0 % 7,1 % 9,3 % 6,2 % 5,1 % 12,1 % 7,1 %

Wachstum und Strukturwandel

Wohlstand «Habe ich genug Güter?»

5,0 3,7 5,3 5,8 5,5 4,9 5,9 6,4 4,2 6,1

?

Wohlfahrt «Geht es mir gut?»

gemessen mithilfe des BIP

gemessen mithilfe von Sozialindikatoren

Folgen eines Autounfalls?

  Gesundheit

  Soziale Sicherheit

Aufräumungsarbeiten nach einer Naturkatastrophe?

  Bildung

  Wohnen

  Arbeitsbedingungen   …

Human Development Index (HDI) Happy Planet Index (HPI)

Quelle: www.happyplanetindex.org Band 3

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(entspricht Folie 18 aus Kapitel 28, Band 2)

Der Link kann via e-desk direkt aktiviert werden: www.brennpunkt-wug.ch  Kapitel 35  Dateien Lehrmittel  Zusatzmaterial

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■■ Positive Effekte des Wirtschaftswachstums

■■ Negative Effekte des Wirtschaftswachstums

Auch wenn nicht jede Erhöhung des Bruttoinlandproduktes zu einer höheren Lebensqualität führen muss, ist Wirtschaftswachstum mit vielen positiven Effekten verbunden. ■■ Wirtschaftswachstum führt zu mehr Einkommen Jede wirtschaftliche Tätigkeit führt zu Einkommen, mit welchem die Menschen ihre materiellen Bedürfnisse befriedigen können. ■■ Wachstum hilft, Arbeitsplätze zu erhalten oder gar neue zu schaffen Wenn die Wirtschaft stärker wächst als die Arbeitsproduktivität, wird zusätzliche Arbeit nachgefragt. In diesem Fall kann die Arbeitslosigkeit in einer wirtschaftlich wachsenden Region vermindert werden. Wenn eine Wirtschaft jedoch weniger stark wächst als die Arbeitsproduktivität, werden nicht mehr Arbeitsplätze geschaffen. Der Grund liegt darin, dass durch eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität mit gleich viel Arbeitsstunden mehr Güter und Dienstleistungen produziert werden können: Das Bruttoinlandprodukt steigt dann, obwohl prozentual dazu nicht mehr Arbeitseinsatz notwendig ist. ■■ Wachstum hilft, soziale Probleme zu lösen In einer wachsenden Wirtschaft werden mehr Einkommen erzielt, sei dies in Form von Unternehmungsgewinnen oder in Form von Entschädigungen an die Arbeitnehmenden. Höhere Einkommen der Wirtschaftsteilnehmer führen zu höheren staatlichen Einnahmen, mit denen wichtige sozialpolitische Ziele, wie z. B. die Sozialversicherungen und die Sozialhilfe, finanziert werden können. ■■ Produktivitätswachstum ermöglicht mehr Freizeit Auch wenn die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital voll ausgelastet sind, kann die Wirtschaft durch den Einsatz des Produktionsfaktors Wissen mit dem eingesetzten Arbeitspotenzial bzw. mit dem vorhandenen Kapitaleinsatz eine höhere Leistung erreichen. Dieses Wachstum der Arbeits- bzw. der Kapitalproduktivität führt zu höherem Wachstum. Vorausgesetzt, dass in einer Volkswirtschaft keine weiteren Güter und Dienstleistungen benötigt würden, könnten die benötigten Güter und Dienstleistungen dank diesem Produktivitätswachstum in kürzerer Zeit bzw. mit weniger Kapital hergestellt werden, was eine Zunahme der Freizeit bedeuten würde.

Mit der Veröffentlichung des ersten Berichts des Club of Rome «Die Grenzen des Wachstums» wurden Anfang der 1970er-Jahre die Auswirkungen des exponentiellen Wachstums erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bewusst gemacht. Die Wissenschaftler untersuchten in einem «Weltmodell» den Wachstumsverlauf der fünf Faktoren Bevölkerung, Nahrungsmittelproduktion, Industrialisierung, Umweltverschmutzung und Ausbeutung der Rohstoffe. War bis dahin mehrheitlich davon ausgegangen worden, dass die natürliche Umwelt quasi ein unbegrenztes Wachstum zulassen würde, zeigten die Ergebnisse des Berichtes, dass ein unkontDer Club of Rome zeichnet für die kommenden rolliertes Wachstum die Menschheit im Jahre bis 2052 ein düstereres Bild: Die Weltbevölkerung wird auf 9,5 Milliarden anwachsen. Sie «Raumschiff Erde» unweigerlich an die wird mehr Energie, Land, Wasser und Nahrung Grenzen ihrer Existenzmöglichkeit führen benötigen. würde.

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Wachstumskritiker beurteilen das Wirtschaftswachstum aus den folgenden Gründen als negativ: –– Endgültige und zu schnelle Ausbeutung von Energie- und Rohstoffvorräten –– Zerstörung von natürlichen Lebensbedingungen durch Schadstoffe der Industrie in der Natur –– Wachsende Wirtschaft garantiert keine gerechte Einkommens- und Vermögensverteilung –– Erlahmen der Beschäftigungseffekte des Wachstums durch technischen Fortschritt Im Zusammenhang mit der Masseneinwanderungsinitiative (Februar 2014) wurde in der Schweiz für die Zunahme des Produktionsfaktors Arbeit durch die gestiegene Einwanderung der Begriff «Dichtestress» als negativer Effekt von Wachstum geprägt: In den S-Bahnen, auf den Autobahnen, in Wohnüberbauungen habe es zu viele Leute, was zu überfüllten Zügen, zu Staus und zu höheren Mieten führe. Die Initiative wurde allerdings in jenen Regionen am deutlichsten angenommen, die vom angeblichen Dichtestress am wenigstens betroffen sind. Politikbeobachter argumentieren, dass wahrscheinlich eine diffuse Wachstumsangst in der Bevölkerung – gepaart mit einer weit verbreiteten EU-Skepsis – für das eher überraschend zustande gekommene Abstimmungsergebnis verantwortlich war.

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Hinweis für Lehrpersonen

■■ Nachhaltiges bzw. qualitatives Wachstum Unter einem nachhaltigen bzw. qualitativen Wachstum verstehen wir ein Wirtschaftswachstum, welches nicht nur aus einer Steigerung des Bruttoinlandprodukts in ökonomischer Hinsicht besteht, sondern auch soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt und damit Fortschritte in allen drei Teilbereichen erreicht. Dabei wird eine Ausgeglichenheit zwischen den verschiedenen Ebenen angestrebt. Das bedeutet, dass qualitatives Wachstum beispielsweise auch allein durch Verbesserungen im Gesundheitsbereich erzielt werden kann, ohne gleichzeitig wirtschaftliches Wachstum zu bewirken. Vor allem gilt es aber sicherzustellen, dass kein Bereich des qualitativen Wachstums auf Kosten eines andern gefördert wird. Wirtschaftswachstum soll letztlich immer dem Menschen dienen, indem es die Steigerung und langfristige Sicherung der Wohlfahrt aller Menschen zum Ziel hat. Die negativen Effekte des Wirtschaftswachstums haben jedoch gezeigt, dass wirtschaftliches Wachstum allein nicht ausreichend ist, um eine nachhaltige Erhöhung der Wohlfahrt aller zu ermöglichen. Sozialer Frieden, die Möglichkeit für alle, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sowie eine saubere und intakte Umwelt sind neben materiellem Wohlstand ebenfalls wichtige Dimensionen einer Entwicklung, die durch ungebremstes Wirtschaftswachstum sogar gefährÜbung 4 det werden kann.

Zum Begriff des nachhaltigen Wachstums kann an die Abbildung «Die verschiedenen Ebenen der Nachhaltigkeit» (Band 2, Kapitel 17, S. 18) erinnert werden. ■■ Die verschiedenen Ebenen der Nachhaltigkeit

RECHTSORDNUNG SOZIALES SYSTEM

Bereich Sozialrecht

Gewährleistung der gesellschaftlichen Bedürfnisse der Menschen

ÖKONOMISCHES SYSTEM

Bereich Wirtschaftsrecht

Wirtschaftliche Effizienz

ÖKOLOGISCHES SYSTEM Bereich Umweltrecht

Ökologische Verantwortung

Gestern

Heute

Morgen

ZEIT

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35.4 Wirtschaftsstruktur – das volkswirtschaftliche Gefüge Im Zusammenhang mit Wirtschaftswachstum sprechen wir häufig auch von Strukturwandel. Bevor wir diesen Strukturwandel genauer betrachten, klären wir zuerst den Begriff der Wirtschaftsstruktur. Als Struktur bezeichnen wir allgemein die Art, wie etwas aufgebaut und gegliedert ist. Um das volkswirtschaftliche Gefüge (= alles, was mit der Herstellung, der Verteilung und dem Konsum von Gütern und Dienstleistungen zu tun hat) zu charakterisieren, kommen verschiedene Elemente in Betracht, z. B. das Angebot, die Nachfrage, der Konsum, die Investitionen, die Beschäftigungslage, der Export und der Import, die einzelnen Märkte, die Unternehmensgrössen oder die Produktionsfaktoren. Zur Beschreibung oder Charakterisierung der Wirtschaftsstruktur eines Landes wird in der Regel die Verteilung der genannten Grössen auf die Wirtschaftssektoren und ausgewählte Branchen betrachtet. Unter einer Branche verstehen wir die Zusammenfassung von Unternehmungen, die gleichartige Produkte herstellen oder Dienstleistungen erbringen.

In der Schweiz erwirtschaftet der Dienstleistungssektor drei Viertel des gesamten BIP, der zweite Sektor 24 Prozent, während die Landwirtschaft 1 Prozent zum BIP beiträgt. Für einzelne Untersuchungen werden ausgewählte Branchen zusammengefasst. Die folgende Tabelle zeigt für 20 Branchen die Anteile am BIP und die Anzahl der Beschäftigten (Vollzeitäquivalente = 100 %-Stellen) Output-Anteile 2008 in % 0

5

˛˝

˛˙

Landwirtschaft

20

Vollzeitäquivalente 2008 0

25

500 000

1 000 000

1. Sektor: 1 %

Nahrung Rest Industrie Papier Energie

2. Sektor: 24 %

Chemie Nicht-Metalle Metalle Bau

■■ Sektorale Wirtschaftsstruktur

Handel

Unter sektoraler Wirtschaftsstruktur verstehen wir die Gliederung der Wirtschaft in die drei Wirtschaftssektoren. Meistens werden diese Sektoren charakterisiert, indem wir deren Anteile am BIP beschreiben. Oft werden auch weitere Grössen wie z. B. die Anzahl der Unternehmungen, die Zahl der Erwerbstätigen oder die Aufteilung der Investitionen auf die einzelnen Sektoren untersucht. ■■ Anteile der Wirtschaftssektoren am BIP in den wichtigsten Industrieund Schwellenländern (2018)

Gastgewerbe Transport Kommunikation Banken Versicherungen

3. Sektor: 7† %

Consulting Öff. DL Bildung Gesundheit Andere DL

ˆˇ ˇ %

USA

China

Japan

Brasilien

ˇ ˙, 6 % 68,7 %

68,6%

80,˜ %

78,8%

79,2%

72,7 %

ˆ˜,ˇ%

25% ˙˛, ˙% 0%

Frankreich

Russland

Indien

Quelle: Auszug aus Ecoplan, Branchenszenarien 2008 –2030, 2011

75% 50%

Deutschland

Grossbritannien

˜, ˛ %

7,˛ %

Dienstleistungen

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˘˜, ˙ %

˘˜, 7%

˙, ˙ %

˜, 7%

Industrie

˙˛, ˇ %

20,2%

˙, 7 %

˜, 7%

20,7% 6,6%

62,˘ %

32,ˆ %

ˆ, 7 %

6˙, ˇ %

23,˜ %

˙ˇ, ˆ %

Landwirtschaft Quelle: www.statistika.com

■■ Regionale Wirtschaftsstruktur Für die Beschreibung der regionalen Struktur eines Landes wird die Verteilung von wirtschaftlichen Grössen wie BIP, Anzahl Unternehmungen oder Arbeitsplätze im geografischen Raum verwendet. Zwischen 1995 und 2008 nahm das Beschäftigungsvolumen im 2. und 3. Sektor gesamtschweizerisch um 10,2 % zu. Dabei waren regional besonders hohe Zuwächse der Anzahl Beschäftigten in den Zentren Genf – Lausanne (+18,2 %) und Zürich (+13,8 %) zu verzeichnen.

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Hinweis für Lehrpersonen

■■ Beschäftigtenentwicklung 2011 – 2015 Besc häftigtenentwicklung 2011 – 2015

Veränderung der Vollzeitäquivalente*, in % ˜

16,0

8,0 – 15,9 4,0 –

7,9

2,0 –

3,9

0,0 –

1,9

Auf dem «Statistik-Portal» Schweiz des Bundesamtes für Statistik (BFS) finden sich weitere aktuelle Angaben zu regionalen Disparitäten.

-2,0 – -0,1 -4,0 – -2,1 < -4,0 Sc hweiz: 3,9 * 1., 2. und 3. Sektor Provisorische Daten

0

25

50 km

Raumgliederung: MS-R egionen

Schweizerische Eidgenossenschaft Confédération suisse Confederazione Svizzera Confederaziun svizra

Eidgenössisches Departement des Innern EDI Département fédéral de l’intérieur DFI Bundesamt für Statistik BFS Office fédéral de la statistique OFS

Karten-ID: 20354 Statistischer Atlas der Schweiz Quelle(n): BFS – Statistik der Unternehmensstruktur (STATENT) © Bundesamt für Statistik, ThemaKart, Neuchâtel 2009–2017

Quelle: Statistik der Unternehmensstruktur (STATENT); ThemaKart, 2009 – 2017

In der regionalen Wirtschaftsstruktur zeigen sich deutliche Unterschiede der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen Zentren, ländlichen Regionen und Gebirgsregionen. Die Links können via e-desk direkt aktiviert werden: www.brennpunkt-wug.ch  Kapitel 35  Dateien Lehrmittel  Zusatzmaterial

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35.5 Strukturwandel – Ursachen und Folgen Strukturwandel ist eine dauerhafte Veränderung des volkswirtschaftlichen Gefüges eines Landes. Ein solcher Wandel lässt sich an der Veränderung von verschiedenen Grössen erkennen, wie z. B. der Bevölkerungsstruktur, den Produktionsstrukturen (in Wirtschaftssektoren und Branchen), der räumlichen Verteilung der Wirtschaftstätigkeit oder der Zusammensetzung des internationalen Handels.

Die Entwicklung der Schweizer Wirtschaft zwischen 1990 und 2001 lässt sich charakterisieren durch ein schwaches Wirtschaftswachstum, eine massive Zunahme des Aussenhandels und eine Aufwertung des Schweizer Frankens. Gleichzeitig fand in dieser Zeit auch ein beträchtlicher Strukturwandel statt, wie die folgende Tabelle zeigt. ■■ Branchenmässige Veränderungen 1990–2001 in der Schweiz Sektorale Veränderung

■■ Ursachen für Strukturwandel Im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung haben die meisten Länder in Bezug auf die sektorale Wirtschaftsstruktur einen ähnlichen Strukturwandel vollzogen: Während in der Landwirtschaft zunehmend Maschinen eingesetzt wurden und sich im ersten Sektor entsprechend der Bedarf an Arbeitskräften verringerte, stieg gleichzeitig die Nachfrage nach Maschinen, die vermehrt vom zweiten Sektor hergestellt wurden. Durch die Automatisierung im ersten und zweiten Sektor wurden immer mehr Beschäftigte im personalintensiveren dritten Sektor eingesetzt. Dieser Strukturwandel zeigt sich auch in der wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz. ■■ Erwerbstätige nach Sektoren seit 1850 in % aller Erwerbstätigen 80% 70%

75,9%

3. Sektor 60%

Landwirtschaft Industrie Energie Bau Handel Gastgewerbe Transport / Kommunikation Banken Versicherungen Consulting Öff. DL Bildung Gesundheit Andere DL*

Produktionsanteil (Jahr 2001)

1,8 % 28,5 % 3,3 % 5,7 % 9,9 % 2,8 % 6,5 % 7,3 % 3,4 % 16,7 % 3,1 % 2,7 % 5,0 % 3,1 %

Veränderungen von 1990–2001 Jährlich

– 1,8 % 1,1 % 2,9 % – 2,3 % – 0,1 % – 2,4 % 2,7 % 4,5 % 4,7 % 1,1 % 1,8 % 0,2 % 1,8 % – 3,7 %

Total

-50 % -25 %

0 %

25 % 50 % 75 %

– 18,5 % 13,1 % 36,6 % – 22,7 % – 1,4 % – 23,1 % 33,5 % 63,0 % 66,3 % 13,2 % 21,2 % 2,7 % 21,5 % – 34,0 %

* Abfallentsorgung, Interessenvertretung, Unterhaltung, Kultur, Sport, Persönliche DL, private Haushalte mit Hauspersonal. Quelle: Strukturberichterstattung Nr. 29, Seco, 2005

50% 40%

21,0%

2. Sektor

30% 20%

1. Sektor

3,1%

10% 0% 1850

1860 1870 1880

1890 1900 1910

1. Sektor: Landwirtschaft

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1920 1930

1940 1950 1960 1970

2. Sektor: Industrie

1980 1990

2000

2010 2017

3. Sektor: Dienstleistungen

Während der Produktionsanteil in der Landwirtschaft, im Baugewerbe und im Gastgewerbe um etwa 20 % zurückging, legten Versicherungen und Banken sowie der Energiesektor und Transport / Kommunikation in der gleichen Zeit um über 25 % bis 50 % zu. Worin liegt der Grund für diese unterschiedlichen Entwicklungen? Bei einigen Sektoren (v. a. in der Exportindustrie) war der technische Fortschritt der Wachstumstreiber. Demgegenüber konnte in anderen Sektoren (z. B. im Gesundheitswesen) eine Verschiebung der Konsumentenpräferenzen (Verschiebung der Nachfrage) festgestellt werden. Die treibende Kraft hinter der starken Importzunahme war – neben dem technischen Fortschritt – der gestiegene Wechselkurs. Diese Haupterklärungsfaktoren können sich allerdings von Sektor zu Sektor stark unterscheiden.

Quelle: BFS, 2019

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Für den Strukturwandel in der Wirtschaft lassen sich grundsätzlich drei Hauptgründe unterscheiden: ■■ Nachfrageseitig können sich die Präferenzen der Konsumenten ändern, indem diese andere Güter und Dienstleistungen nachfragen. Zudem ändert sich bei steigendem Einkommen auch die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen unterschiedlich stark. ■■ Angebotsseitig führt der technische Fortschritt zu unterschiedlichem Produktivitätswachstum in den einzelnen Branchen und Sektoren und damit zu einem Wandel in der Beschäftigungsstruktur. ■■ Einflüsse von aussen: Die Globalisierung und die internationale Arbeitsteilung führten vor allem in der Exportindustrie zu einer Produktionsverlagerung ins Ausland und damit zu Arbeitsplatzverlusten im Inland.

Hinweis für Lehrpersonen ▼▼ PPT-Folie / Tafelbild: Folien 12/ 13 (animiert) 4

Wachstum und Strukturwandel

Zu Seite 15

Strukturkrisen und Strukturbrüche

Beschäftigung

Strukturkrise (stetige Abnahme) Strukturkrise (temporär)

■■ Folgen von Strukturwandel – Strukturkrisen und Strukturbrüche Strukturwandel ist ein ständiger Anpassungsprozess an veränderte Bedingungen. Unternehmungen müssen sich immer wieder mit neuen Technologien und veränderten Präferenzen der Konsumenten beschäftigen. Strukturwandel ist damit sowohl Ursache für eine sich entwickelnde Wirtschaft als auch Folge einer wachsenden Wirtschaft. Wenn Unternehmungen diese Anpassungsprozesse vorhersehen und sich entsprechend anpassen, kann ein Strukturwandel erfolgreich bewältigt werden. ■■ Strukturkrise Von einer Strukturkrise sprechen wir, wenn der Rückgang der Beschäftigung in einer Branche nicht abrupt erfolgt, sondern sich über mehrere Jahre oder Jahrzehnte hinzieht. Im besten Fall ist eine solche Krise vorübergehender Natur (temporär), und die betroffene Branche kann sich – beispielsweise durch Innovationen und durch Produktivitätsfortschritte – wieder auffangen. Seit den 1930er-Jahren erlebte die Textilindustrie in der Ostschweiz eine über Jahrzehnte dauernde Strukturkrise: Ursache für diesen stetigen Bedeutungsverlust waren die Konkurrenz aus Niedriglohnländern und der starke Schweizer Franken. ■■ Strukturbruch Wenn sich die Bedingungen für die Unternehmungen sehr rasch und abrupt verändern, kann dies zu einem Strukturbruch führen. Solche Strukturbrüche wirken wie ein Schock, weil sie entweder nicht voraussehbar waren oder nicht vorausgesehen wurden. Wenn Branchen mit Strukturbrüchen konfrontiert werden, steigt die Zahl der Konkurse und der strukturellen Arbeitslosigkeit. In der Schweiz erlitt die Uhrenindustrie in den 70er-Jahren einen Strukturbruch inÜbung 5 folge der Innovation von Quarzuhren, der Konkurrenz aus Asien und starren ProduktionsAufgabe 4 strukturen: Innerhalb von sechs Jahren verlor die Uhrenbranche fast 40 % ihrer Beschäftigten. Aufgabe 5

Strukturbruch Zeit

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35.6 Strukturpolitik – Strukturwandel bewältigen Die Folgen von Strukturwandel können in betroffenen Branchen sehr einschneidend sein. Aus diesem Grund gibt es bei Strukturkrisen immer wieder verschiedene wirtschaftspolitische Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen. Solche strukturpolitischen Massnahmen lassen sich in drei Gruppen gliedern. ■■ Strukturerhaltung Wenn Branchen, die im Wettbewerb nicht bestehen können, durch staatliche Massnahmen unterstützt werden, sprechen wir von Strukturerhaltung. Solche strukturerhaltenden Massnahmen können sein: Einfuhrzölle, mengenmässige Beschränkung der Importe (Kontingente), über dem Marktgleichgewicht liegende Mindestpreise, steu«Gut, gibt’s die Schweizer Bauern»: Ohne Strukturerliche Begünstigung bzw. steuerliche Beerhaltungsmassnahmen gäbe es allerdings weniger lastung der Konkurrenz oder staatliche Schweizer Bauernbetriebe. Abnahmeverpflichtungen (gesetzliche Absatzgarantien). Kurzfristig kann es durchaus Sinn machen, gewisse Strukturen zu erhalten, vor allem, um eine grosse strukturelle Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Langfristig betrachtet ist eine Strukturerhaltungspolitik jedoch schlecht für die wirtschaftliche Entwicklung. Zum einen werden Ressourcen nicht dort eingesetzt, wo sie am wirtschaftlichsten genutzt werden könnten. Zum anderen werden Anpassungsprobleme mit viel Geld nur aufgeschoben, nicht aber gelöst. ■■ Strukturanpassung

■■ Strukturgestaltung Schliesslich kann der Staat mit entsprechenden Massnahmen auch aktiv Sektoren fördern, von denen Wachstumsimpulse und hohe Beschäftigungseffekte erwartet werden. Solche strukturgestaltenden Massnahmen sind z. B. die bewusste Förderung von Forschung und Entwicklung oder der staatliche Aufbau von Verkehrsinfrastruktur (Strassen, Bahnnetze). Die Entwicklung von zukunftsträchtigen Branchen kann durchaus mit staatlichen Mitteln erfolgen, da ein solcher Mitteleinsatz wirkungsvoller ist als die spätere Finanzierung von Anpassungsmassnahmen zur Minderung einer Krise. ■■ Empfehlungen zur Strukturpolitik Um Strukturbrüche zu verhindern, soll ein Strukturwandel nicht verzögert, sondern gefördert werden. Weil der technische Fortschritt und damit verbunden der Strukturwandel aber kaum prognostizierbar sind, empfiehlt es sich für die Schweiz – als eine kleine und offene Volkswirtschaft – für flexible wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen zu sorgen. In einer Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) zur Strukturpolitik werden dazu die folgenden Empfehlungen abgegeben: ■■ Erleichterter Zugang ausländischer Unternehmen zum Schweizer Markt Der gehemmte Zugang der ausländischen Unternehmen zum Schweizer Markt hat sich wachstumshemmend ausgewirkt. Die Schweiz soll sich in ihrer Aussenhandels- und Integrationspolitik vermehrt auf den erleichterten Zugang der ausländischen Unternehmen zum Schweizer Markt orientieren. ■■ Qualifizierung Da der technologische Wandel der massgebliche Treiber des Wachstums und des Strukturwandels ist, gilt es, die Aus- und Weiterbildung der Erwerbsbevölkerung zu fördern. ■■ Liberalisierung im Dienstleistungsbereich Weil die zukünftigen Wachstumsbranchen vermehrt im Dienstleistungssektor anzusiedeln sind, sollen Unternehmungen auf diesen Dienstleistungsmärkten möglichst frei wirtschaften können und staatliche Vorschriften möglichst abgebaut werden.

Von Strukturanpassung sprechen wir dann, wenn den betroffenen Branchen bei der Bewältigung einer Krise geholfen wird. Dies kann mit folgenden Massnahmen erreicht werden: Beratung, Kredithilfen, Kapazitätsabbauprämien, Mobilitätsprämien, Umschulungshilfen für Arbeitnehmer und Forschungssubventionen. In einer dynamischen Wirtschaft ist strukturelle Arbeitslosigkeit bis zu einem bestimmten Grad unvermeidlich, weil die Veränderungen beim Arbeitsangebot und bei der Arbeitsnachfrage nur selten im Gleichschritt erfolgen. Je früher die Anpassungsmassnahmen ergriffen werden, umso weniger finanzielle Mittel müssen dafür aufgewendet werden.

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Hinweis für Lehrpersonen

■■ Im Strukturwandel erfolgreiche Unternehmungen Im Strukturwandel erfolgreiche Unternehmungen warten nicht auf Unterstützungsmassnahmen des Staates, sondern analysieren die Entwicklungen in den Umweltsphären, insbeÜbung 6 sondere in der technologischen Umweltsphäre, frühzeitig und entwickeln ihre Produkt- und Aufgabe 6 Marktziele entsprechend weiter.

▼▼ PPT-Folie / Tafelbild: Folien 14 / 15 4

Wachstum und Strukturwandel

Strukturpolitik Strukturpolitische Handlungsalternativen

■■ Modell für im Strukturwandel erfolgreiche Unternehmungen Soziale Umweltsphäre

Ökologische Umweltsphäre ische Umweltsphäre Technolog he Umweltsphäre Ö k on o m i s c Rechtliche Umweltsphäre

Konkurrenten

Unternehmungskonzept Leistung Finanzen Absichten und Grundsätze Lieferanten

Leitbild

Massnahmen – Mittel – Verfahren

Strategie

Staat

Strukturerhaltung

Strukturanpassung

Strukturgestaltung

Strukturwandel «verzögern»

Strukturwandel «erleichtern»

Strukturwandel «steuern»

Existenzsicherung

«Optimaler» Einsatz der Produktionsfaktoren

Erfolgsversprechende Strukturen bilden

Kapitalgeber

Soziales Führungsprozesse Geschäftsprozesse

Ziele

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Kunden

Supportprozesse

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Mitarbeitende Institutionen NGOs

(Abbildung aus Band 1, Kapitel 2, Seite 22)

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 Das haben Sie gelernt

Offene Fragen

Wachstumsraten des BIP der Schweiz in den letzten 80 Jahren erläutern Unterschiede zwischen linearem und exponentiellem Wachstum beschreiben Basiseffekt bei Wachstumsraten erklären Sieben Bestimmungsfaktoren für Wirtschaftswachstum erläutern Die Bestimmungsfaktoren von Wohlstand und Wohlfahrt unterscheiden Positive und negative Effekte von Wirtschaftswachstum erläutern Drei Haupterklärungsfaktoren für Strukturwandel erläutern Die Folgen von Strukturwandel, Strukturkrisen und Strukturbrüchen beschreiben Strukturpolitische Handlungsalternativen des Staates im Strukturwandel erläutern, begründen und beurteilen

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 Diese Begriffe können Sie erklären Wirtschaftswachstum (BIP)

Wohlfahrt

Lineares Wachstum

Sozialindikatoren

Exponentielles Wachstum

Human Development Index (HDI)

70er-Regel

Happy Planet Index (HPI)

Basiseffekt

Dichtestress

Bestimmungsfaktoren für Wirtschaftswachstum

Nachhaltiges bzw. qualitatives Wachstum

Produktionsfaktor Arbeit

Wirtschaftsstruktur

Erwerbsbevölkerung

Wirtschaftssektoren

Erwerbsquote

Branchen

Wochenarbeitszeit / Lebensarbeitszeit

Sektorale Wirtschaftsstruktur

Produktionsfaktor Wissen

Regionale Wirtschaftsstruktur

Technischer Fortschritt / Innovationen

Strukturwandel

Prozessinnovationen

Strukturkrise

Produktinnovationen

Strukturbruch

Produktionsfaktor Kapital

Strukturpolitik

Finanzkapital

Strukturerhaltung

Sachkapital

Strukturanpassung

Infrastruktur

Strukturgestaltung

Humankapital Produktionsfaktor Boden Klima Bodenbeschaffenheit Rahmenbedingungen Wettbewerb / Konkurrenz Institutionelle Infrastruktur / Good Governance Kulturell bedingte Faktoren Wohlstand BIP pro Kopf der Bevölkerung

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Übung 1 Wachstumsbegriffe

Übung 2 Ansatzpunkte für das Wirtschaftswachstum

Welche Aussagen sind richtig (R), welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien. a ) Wenn eine Grösse, z.B. das BIP, jährlich um den gleichen Prozentsatz ansteigt, sprechen wir von linearem Wachstum.

F

Ergänzen Sie die folgende Darstellung mit den zutreffenden Ausdrücken. Wachstum des BIP pro Kopf erhöhen Produktionsfaktor Arbeit erhöhen

… exponentiellen … b ) Bei einer konstanten Wachstumsrate von 5 % wächst ein Kapital mit Zinseszinsen in etwa 20 Jahren um das Doppelte.

F

Höhere Erwerbsquote

… in etwa 14 Jahren … (70 Jahre/5) c ) In der Schweiz sind die jährlichen Wachstumsraten des BIP in den letzten 30 Jahren tendenziell kleiner geworden.

d ) Wenn das BIP der Schweiz von 600 Milliarden CHF während 10 Jahren gleichmässig um 6 Milliarden CHF pro Jahr wächst, so sprechen wir von einem linearen Wachstum.

Mehr Erwerbstätige

R

Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte Längere Arbeitszeit

R

Längere Wochenarbeitszeit

Längere Lebensarbeitszeit Arbeitsproduktivität erhöhen

e ) Wenn das BIP der Schweiz von 600 Milliarden CHF während 10 Jahren gleich­ mässig um 6 Milliarden CHF pro Jahr wächst, so haben wir in dieser Zeit konstante jährliche Wachstumsraten.

… abnehmende Wachstumsraten (Basiseffekt)

F

Produktionsfaktor Kapital Investition in …

Sachkapital

Investition in Humankapital Produktionsfaktor Wissen Produktinnovation

Prozess

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-Innovation

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Übung 3 Bestimmungsfaktoren des Wirtschaftswachstums Wie heissen die Fachausdrücke im Zusammenhang mit den Bestimmungsfaktoren des Wachstums?

Übung 4 Wohlstand und Wohlfahrt Welche Aussagen sind richtig (R), welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien. a) Ein zunehmender Lebensstandard führt automatisch zu einer höheren Lebensqualität.

Fachbegriff a ) Investitionen in Bildung und Gesundheit ­erhöhen das sogenannte …

Humankapital

b ) Klimaelemente zählen zum …

Produktionsfaktor Boden

c) Ersparnisse, welche bei den Banken angelegt und verwaltet werden, nennen wir …

Finanzkapital

d ) Technische Grundeinrichtungen wie gute Verkehrswege, sichere Stromversorgung und schnelle Kommunikationsmöglichkeiten

Infrastruktur

e ) Ideen und Erfindungen neuer Produkte

Produktinnovationen

f ) Summe aller Ideen und Erfindungen (Innovationen)

Technischer Fortschritt

g ) Gutes Regierungs- und Verwaltungshandeln

Good Governance

h ) Wenn Staaten förderliche Rahmenbedingungen für Wirtschaftswachstum schaffen

Institutionelle Infrastruktur

i ) Disziplin, Sparsamkeit und Arbeitsethik

Kulturell bedingte Faktoren

j ) Rahmenbedingung als wichtigste Antriebs­ kraft für Unternehmungen

Wettbewerb / Konkurrenz

Keine Entwarnung, die Weltbevölkerung wird auf 9,5 Milliarden anwachsen und entsprechend mehr Energie, Land, Wasser und

k ) … wird durch den vermehrten Einbezug von Frauen erhöht

Erwerbsquote

Nahrung benötigen.

… nicht automatisch, weil nicht alle Bedürfnisse ausschliesslich mit Gütern gedeckt werden können. b) Die Lebensqualität des Einzelnen wird mit Sozialindikatoren gemessen. Darunter verstehen wir Daten zu den Lebensumständen wie Gesundheit, Bildung, soziale Sicherheit, Kriminalität oder das BIP pro Kopf.

F

… BIP pro Kopf ist kein Sozialindikator, sondern ein Mass für den Wohlstand (Lebensstandard). c) Wenn die Arbeitsproduktivität stärker wächst als das BIP, dann werden mehr Arbeitsplätze geschaffen.

F

… weniger geschaffen, weil mit gleich viel Arbeitsstunden mehr Güter und Dienstleistungen hergestellt werden. d) Anfang der 1970er-Jahre hatte der Club of Rome erstmals einer breiteren Öffentlichkeit «Die Grenzen des Wachstums» aufgezeigt. Im neuesten Bericht gibt die gleiche Institution «Entwarnung» ,indem sie nachweist, dass bis 2050 die globalen Ressourcen für die zu erwartenden 5,9 Milliarden Menschen ausreichen werden.

e) Nachhaltiges bzw. qualitatives Wachstum will weniger wirtschaftliches Wachs­ tum zugunsten einer Verbesserung im sozialen System, z. B. eines effizienteren Gesundheitswesens.

l ) Maschinen, Immobilien, Strassen, Fahrzeuge, Sachkapital Nutztiere m ) Arbeit, Wissen, Kapital, Boden

F

Produktionsfaktoren

F

F

… strebt eine Verbesserung in allen drei Bereichen an (soziales, ökonomisches und ökologisches System).

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Übung 5 Strukturwandel 2008 bis 2030

2008 – 2020

2020 – 2030

Beschäftigung (Wachstumsraten)

2008 – 2030

2008 – 2020

2020 – 2030

2008 – 2030

Landwirtschaft

0,88 %

– 1,97 %

– 0,43 %

– 0,42 %

– 2,78 %

– 1,50 %

Nahrung

1,40 %

– 0,62 %

0,48 %

– 0,46 %

– 1,49 %

– 0,93 %

Rest Industrie

1,35 %

1,45 %

1,39 %

0,98 %

0,80 %

0,90 %

– 0,51 %

– 1,45 %

– 0,94 %

– 1,08 %

– 2,02 %

– 1,51 %

Energie

0,53 %

1,50 %

0,97 %

0,06 %

1,49 %

0,71 %

Chemie

1,05 %

3,21 %

2,03 %

– 0,59 %

2,55 %

0,83 %

– 0,16 %

– 1,62 %

– 0,83 %

– 0,81 %

– 2,28 %

– 1,48 %

Metalle

0,77 %

– 0,59 %

0,15 %

0,75 %

– 1,16 %

– 0,13 %

Bau

1,15 %

0,99 %

1,08 %

0,69 %

0,51 %

0,61 %

Handel

2,12 %

1,56 %

1,86 %

1,61 %

0,89 %

1,28 %

Gastgewerbe

0,85 %

– 1,03 %

– 0,01 %

0,86 %

– 1,48 %

– 0,21 %

Transport

1,85 %

1,17 %

1,54 %

– 0,95 %

0,32 %

– 0,37 %

Kommunikation

1,91 %

1,45 %

1,70 %

0,77 %

0,72 %

0,75 %

Banken

1,80 %

1,11 %

1,48 %

0,92 %

0,38 %

0,68 %

Papier

Nicht-Metalle

Versicherungen

– 0,14 %

1,11 %

0,43 %

0,88 %

0,56 %

0,73 %

Consulting

1,24 %

1,13 %

1,19 %

1,09 %

0,28 %

0,72 %

Öff. DL

1,14 %

0,97 %

1,06 %

1,26 %

0,41 %

0,87 %

Bildung

1,13 %

1,03 %

1,08 %

0,82 %

0,32 %

0,59 %

Gesundheit

2,62 %

2,19 %

2,42 %

2,42 %

1,96 %

2,21 %

Andere DL

1,25 %

– 0,02 %

0,67 %

0,22 %

– 0,61 %

– 0,16 %

Total

1,36 %

1,21 %

1,29 %

1,01 %

0,47 %

0,77 %

a) Staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung

X

b) Kapazitätsabbauprämien

X

c) Staatliche Abnahmeverpflichtungen

X

d) Mengenmässige Beschränkung von Importen

X

e) Umschulungshilfen für Arbeitnehmer

X

f ) Staatlicher Aufbau von Verkehrsinfrastruktur

X

g) Forschungssubventionen h) Steuerliche Begünstigung von ausgewählten Branchen

Strukturgestaltung

Output (Wachstumsraten)

Ordnen Sie die folgenden Massnahmen den zutreffenden strukturpolitischen Oberbegriffen zu.

Strukturanpassung

Die folgende Tabelle zeigt die jährlichen Wachstumsraten für Output (Bruttoproduktionswert) und Beschäftigung (Vollzeitäquivalente, Vollzeitstellen) für die Periode 2008 bis 2030 in ausgewählten Branchen.

Strukturerhaltung

Übung 6 Strukturpolitik

X X

Quelle: Ecoplan, Branchenszenarien 2008 – 2030, 2011

Welche Interpretationen zu dieser Tabelle sind richtig (R), welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien. a ) Die Gesundheitsbranche legt von 2008 bis 2030 sowohl im Wachstum als auch in der Beschäftigung am meisten zu.

R

b ) Die Gesundheitsbranche weist auch die höchste Arbeitsproduktivität auf.

F

c ) Der 2. und der 3. Sektor gehören zu den Verlierern im Strukturwandel 2008 bis 2030.

F

Kann man so nicht direkt aus der Grafik ableiten.

1. und 2. Sektor «verlieren», der 3. Sektor «gewinnt».

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Aufgabe 1 Meinung und Debatte: «Wachstum ohne Ende?» a) Welche Argumente gegen Wirtschaftswachstum werden im Artikel «Die Wachstums­ gesellschaft ist ein Auslaufmodell» angeführt?

Wachstum ohne Ende? von Markus Hofmann Wo verlaufen die ökologischen Grenzen der Erde? Forscher steckten 2009 die planetarischen Leitplanken für die neun wichtigsten ökologischen Dimensionen ab – vom Klimawandel und vom Biodiversitätsverlust bis zum Wasserverbrauch und zur Verschmutzung durch Chemikalien. Für jeden Bereich bestehen Belastungsgrenzen. Werden sie überschritten, könnte sich die Umwelt plötzlich und unumkehrbar zum Schaden der Menschheit verändern. Das Konzept der planetarischen Leitplanken schliesst an die «Grenzen des Wachstums» 1 aus den 1970er-Jahren an und widerspiegelt eine weitverbreitete Stimmung: Die Ideologie des «Immer mehr» wird einmal mehr kritisch hinterfragt. Den Bestsel-

ler dazu schrieb der Nachhaltigkeits-Professor Tim Jackson. Sein Titel lautet: «Wohlstand ohne Wachstum – Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt». Aus ökologischer Notwendigkeit haben wir den Ort erreicht, den Ludwig Erhard, der ordoliberale 2 Schöpfer des Wirtschaftswunders, 1957 voraussah: «Wir werden sogar mit Sicherheit dahin gelangen, dass zu Recht die Frage gestellt wird, ob es noch immer nützlich und richtig ist, mehr Güter, mehr materiellen Wohlstand zu erzeugen, oder ob es nicht sinnvoll ist, unter Verzichtsleistung auf diesen ‹Fortschritt› mehr Freizeit, mehr Besinnung, mehr Musse und mehr Erholung zu gewinnen.» Quelle: «Neue Zürcher Zeitung», 22. 07. 2013

1. Infrastrukturen sind gebaut, Bedürfnisse befriedigt 2. Schrumpfende Bevölkerungszahlen 3. Lebensqualität steigt trotz Wirtschaftswachstum nicht mehr;

soziale Ungleichheit grösser (Arbeitslosigkeit, Verschuldung).

4. Ökologische Grenzen (bald erreicht)

Wachstum wird durch steigende Rohstoff- und Energiepreise

gebremst; Wachstum lässt sich ökologisch nicht durchhalten.

b) Welche Argumente für Wirtschaftswachstum werden im Artikel «Wachstum – ein natürliches Phänomen» angeführt?

1. Wachstumskritik kommt von jenen, denen es «relativ gut geht». 2. Wachstum entspricht einem natürlichen Streben der Menschen.

Auf den folgenden Seiten finden Sie zur Frage, «ob es noch immer nützlich und richtig ist, mehr Güter, mehr materiellen Wohlstand zu erzeugen», zwei kontroverse Artikel. Studieren Sie diese und beantworten Sie anschliessend die nebenstehenden Fragen.

3. Wichtigster Wachstumstreiber ist der technische Fortschritt.

Dieser lässt sich nicht unterbinden; er bringt Neuerungen und

Verbesserungen und führt zu Produktivitätssteigerungen.

4. Produktivitätssteigerungen kommen allen zugut. 5. Wachstum ist nötig, um die langfristigen Versprechungen zu Erster Bericht des «Club of Rome», einer NGO mit dem Ziel, sich für eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft der Menschheit einzusetzen. Im Bericht wurde anhand von Modellrechnungen aufgezeigt, dass die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht würden.

1

2

erfüllen (Sicherung der zukünftigen Renten).

6. Wachstum ermöglicht Umverteilung mit weniger Verteilungs

kämpfen.

Ordoliberalismus: Konzept für eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung, in der ein «Ordnungsrahmen» den Wettbewerb für Unternehmungen und die Freiheit der Bürger gewährleisten soll.

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c ) Welche Argumente überzeugen Sie mehr? Begründen Sie Ihre Antwort.

Individuelle Schülerantworten

Die Wachstumsgesellschaft ist ein Auslaufmodell Von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt Permanentes ökonomisches Wachstum gibt es erst seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Der Nobelpreisträger in Ökonomie, John R. Hicks, stellte 1966 fest: «Es ist keinesfalls nötig, dass die Wirtschaft wachstumsorientiert ist. Ich selbst kann mich an eine Zeit erinnern, als sie überhaupt nicht wachstumsorientiert war. Ich erinnere mich an eine Vorlesung über ökonomische Grundlagen (…) 1926 / 27 (…): Nichts darüber, eine hohe Wachstumsrate zu erreichen! (…) Wir waren sehr zufrieden damit, in den meisten unserer Volkswirtschaften eine stationäre Situation zu haben.» Diese Haltung änderte sich mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg, dem dann günstigen Erdöl sowie dem fordistischen Konsummodell 1, das seinen Siegeszug begann. So wuchs in den westlichen Ländern in den 1950er- und 1960er-Jahren die Wirtschaft beträchtlich (Schweiz: 1950er: 3,1 %; 1960er:

3,1 %). Seither sind die Wachstumsraten aber niedrig (Schweiz: 1970er: 1,1 %; 1980er: 1,6 %; 1990er: 0,5 %; 2000er: 0,9 %). Die Zahlen ab den 1950er-Jahren hat der deutsche, konservative Think-Tank «Denkwerk Zukunft» extrapoliert und kommt für die Schweiz auf folgende Wachstumsraten: 2010er: 0,4 %, 2020er: 0,3 %, 2030er: 0,2 %. Die Wachstumsgesellschaft der Nachkriegszeit ist ein Auslaufmodell: Erstens sind die Infrastrukturen weitgehend gebaut, die Grund- und viele Luxusbedürfnisse befriedigt. Zweitens schrumpfen die Bevölkerungszahlen in fast allen reichen Ländern und auch in vielen ärmeren Ländern – die Geburtenrate liegt bereits in 80 Ländern unter der Reproduktionsrate. Drittens erfüllt Wirtschaftswachstum nicht (mehr) die Erwartungen, die damit verbunden werden: In reichen Ländern steigt das Wohlergehen nicht mehr, die soziale Ungleichheit vergrössert sich seit den 1980er-Jahren, die Arbeitslosigkeit ist vielerorts ein jahrzehnte-

altes Problem, die Staatsverschuldung steigt in den meisten westlichen Ländern – zum Teil aufgrund der expansiven Fiskalpolitik zur Förderung von Wachstum. Viertens stösst das Wachstumsmodell an ökologische Grenzen. Einerseits bringen steigende Rohstoff- und Energiepreise den Wachstumsmotor ins Stottern, andererseits ist bis jetzt der Ressourcenund Energieverbrauch vom Wirtschaftswachstum nicht absolut entkoppelt, und dies dürfte auch künftig nicht gelingen. Das westliche Wachstumsmodell lässt sich ökologisch nicht durchhalten – global schon gar nicht. Es stellt sich die Frage, weshalb die Politik und Teile der Wirtschaft und Gesellschaft trotzdem weiterhin Wachstum fordern und fördern. Wieso erlassen oder akzeptieren sie Massnahmen wie die Verschrottungsprämie, Strassenausbau zur Konjunkturankurbelung, die Produktion zunehmend kurzlebigerer Produkte, ein Marketing, das kleine Kinder massiv zum Konsum manipuliert, Standort-Doping,

Niedrigstzinsen und Interventionen an den Wertpapiermärkten durch die Notenbanken usw. usf., um zu wachsen beziehungsweise dem Stagnieren oder Schrumpfen zu entkommen? […] Quelle: «Neue Zürcher Zeitung», 22.07.2013

Konsum von standardisierten (gleichartigen) Massenprodukten

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Wachstum – ein natürliches Phänomen Von Samuel Rutz und Gerhard Schwarz Von Wirtschaftswachstum spricht man, wenn der Wert aller in einer Volkswirtschaft produzierten Güter und Dienstleistungen von einer Periode zur nächsten steigt.. […] Üblicherweise wird als Mass die jährliche reale Veränderung des Bruttoinlandproduktes (BIP) verwendet. Um einiges aussagekräftiger ist jedoch die Veränderung des BIP pro Kopf, weil sie zeigt, ob der Wohlstand gestiegen ist, ob also ein durchschnittliches Individuum im Beobachtungszeitraum mehr oder weniger erwirtschaften konnte als in der Vergleichsperiode. […] Warum aber müssen und sollen denn Volkswirtschaften immer weiter wachsen? Diese Frage stellen sich nicht zuletzt Menschen, denen es in verschiedenerlei Hinsicht relativ gut geht, sowohl im Vergleich zu ihren Vorfahren als auch im Vergleich mit dem Rest der Welt, […] Das zentrale Argument für Wachstum lautet, dass Wirtschaftswachstum gewissermassen ein natürliches Phänomen ist, eine anthropologische 1 Konstante, die dem Streben der Menschen nach mehr vom Gleichen und nach immer Neuem (der Gier und der Neu-Gier) entspringt. Viele ältere Men-

schen haben ja Zeiten erlebt, die sie sich trotz mancher Beschwörung der Genügsamkeit dennoch nicht zurückwünschen würden, Zeiten ohne Farbfernseher und Handy, Zeiten, in denen Flugreisen oder Geschirrspülmaschinen ein Luxus für wenige waren, und Zeiten, in denen es für viele Krankheiten noch keine Behandlungen gab und Empfängnisverhütung ein Vabanquespiel war. Die Beispiele sollen verdeutlichen, dass der langfristig wichtigste Wachstumstreiber der technische Fortschritt ist und dass eine Null-Wachstums-Gesellschaft nur schon deshalb realitätsfremd ist, weil sich technischer Fortschritt – wie die Geschichte zeigt – nicht unterbinden lässt. Und technischer Fortschritt, der sich allein in qualitativem Wachstum niederschlägt, muss eine romantische Illusion bleiben. Der Fortschritt bringt in der Regel nicht nur Neuerungen und Verbesserungen, sondern er ist oft mit Produktivitätssteigerungen verbunden. Diese lassen sich nicht einfach mittels allgemeiner Arbeitszeitverkürzungen an alle Beschäftigten weitergeben, weil es auf dem Arbeitsmarkt spezifische Qualifikationen braucht und entsprechende Engpässe gibt. Hingegen kommen die Produktivitätssteigerungen in Form von Preissenkungen (und höheren Mar-

gen) der produzierten Güter und Dienstleistungen der Allgemeinheit zugute. Die Konsumenten können sich mehr leisten, die Unternehmer können mehr investieren, was neue Arbeitsplätze schafft. […] Wachstum ist auch ein wichtiger Faktor, um die langfristigen Versprechen und Verpflichtungen einer Gesellschaft zu sichern. In einer wirtschaftlich stagnierenden Gesellschaft wird es praktisch unmöglich, zukünftige Renten zu sichern, denn jeder wirtschaftliche Rückschlag schlägt unmittelbar auf jene durch, die nicht mehr produktiv am wirtschaftlichen Prozess teilhaben. Da alle westlichen Gesellschaften ihren Sozialstaat zum Teil auf Kosten der künftigen Generationen auf- und ausgebaut haben, ist Wirtschaftswachstum die einzige Möglichkeit, sich aus dieser Schuld gegenüber den künftigen Generationen zu befreien. Will die Schweiz ihren – relativ gleichmässig verteilten – Wohlstand nur schon halten, tut sie gut daran, sich wirtschaftlichem Wachstum nicht zu verschliessen. Wachstum ist nicht nur eng mit Fortschritt und Wohlstandssicherung verknüpft, es ist auch gesellschaftspolitisch von grosser Bedeutung. Während in einer stagnierenden Gesellschaft fast unweigerlich […] Vertei-

lungskämpfe aufbrechen, bei denen alles, was den einen gegeben wird, anderen weggenommen werden muss, erlaubt Wirtschaftswachstum Verschiebungen in der Verteilung, die praktisch unbemerkt vor sich gehen. Umverteilung unter Wachstumsbedingungen bedeutet, dass es allen besser geht, aber manchmal den einen etwas mehr als den anderen. […] Quelle: «Neue Zürcher Zeitung», 22.07.2013

anthropologisch = dem Wesen des Menschen eigen

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Aufgabe 2 Von Seerosen und anderen Denkfehlern b) Lesen Sie den Text «Von Seerosen und Denkfehlern». Welche Denkfehler führt Stefan ­Vannoni in seinem Kommentar an?

Das exponentielle Wachstum ist für die Wirtschaft kein Problem, weil die Grundgesamtheit (Basis der bestehenden Ideen) kontinuierlich anwächst. Das Wirtschaftswachstum entspricht nicht dem Wachstum der konsumierten Güter; Wirtschaftswachstum drückt sich auch in qualitativ effizienteren und besseren Gütern aus. In weitentwickelten Länder geht es bei Wachstum um Angenommen, Sie besässen einen Teich: Eines Tages bemerken Sie, dass auf diesem Teich eine einzelne Seerose wächst. Sie wissen, dass die Seerose täglich ihre Blattfläche verdoppelt. Sie erkennen auch, dass die Pflanze in 30 Tagen den gesamten Teich bedecken und dadurch alle anderen Lebensformen im Wasser ersticken würde, falls Sie nicht eingreifen. Doch anfangs machen Sie sich keine Sorgen, weil die Seerose ja noch so klein ist. Sie wollen erst etwas unternehmen, wenn sie die Hälfte des Teichs bedeckt. a ) Wie viel Zeit hätten Sie, um die Zerstörung Ihres Teichs zu verhindern?

Qualität und nicht um Quantität.

c) Am Ende des Kommentars sagt Stefan Vannoni, dass wirtschaftliches Wachstum gut für den Mensch und die Umwelt sei. Wie begründet er seine Aussage?

Wirtschaftswachstum heisst effizientere bzw. qualitativ

Nur einen Tag! Am 29. Tag wäre der Teich zur Hälfte bedeckt,

bessere Güter und Dienstleistungen. Am Beispiel der Kühl-

und am nächsten Tag – nach einer letzten Verdopplung –

schränke heisst dies weniger Energieverbrauch durch bessere

völlig zugewachsen.

Isolation, leichter durch weniger Materialverbrauch.

Durch das exponentielle Wachstum sind wir uns der Tragweite des Wachstums nicht bewusst, weil noch am 29. Tag erst die Hälfte des Teichs bedeckt ist.

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d) Wachstumskritiker sind mit der hier aufgeführten Meinung, exponentielles Wachstum sei für die Wirtschaft kein Problem, allerdings nicht einverstanden. Welche Argumente können gegen die Aussagen von Stefan Vannoni angeführt werden?

Von Seerosen und Denkfehlern von Stefan Vannoni «Jedes Jahr mit zwei Prozent zu wachsen, ist für eine Volkswirtschaft gar nicht möglich. Wir sollten endlich einmal Mass halten. Die Werbung verführt uns zu unnötigem Konsum.» Solche Aussagen von Wachstumskritikern sind derzeit hoch im Kurs. Sie unterliegen jedoch häufig grundlegenden Denkfehlern. Exponentielles Wachstum ist in der Wirtschaft, im Unterschied zur unmittelbaren Intuition, kein Problem. Während beispielsweise ein See durch ein exponentielles Wachstum von Seerosen in kürzester Zeit bedeckt ist – was zum Problem von Flora und Fauna werden kann –, verhält es sich beim Wirtschaftswachstum grundlegend anders. Langfristig wächst die Wirtschaft mittels Ideen und technologischem Fortschritt. Diese wiederum entstehen auf der Grundlage von bereits bestehenden Ideen, womit der Ideenpool kontinuierlich anwächst. Ein jährliches Wachstum von beispielsweise zwei Prozent bezieht sich somit auf eine immer grösser werdende Grundgesamtheit – im Unterschied zum be-

liebten Seerosenbeispiel mit dem See als fester Grösse. Noch einen weiteren Denkfehler gilt es zu korrigieren: Wirtschaftswachstum entspricht nicht dem Wachstum der Anzahl konsumierter Güter. Vielmehr fliesst deren Wert in das Bruttoinlandsprodukt ein. Wir kaufen nicht per se mehr Kühlschränke, sondern effizientere bzw. qualitativ bessere. Diese verbrauchen weniger Energie, sind besser isoliert und leichter – und anspruchsvoller in der Herstellung. Auch essen wir nicht von einem Tag auf den anderen doppelt so viele Äpfel. Allerdings achten wir vielleicht auf bessere Qualität oder essen Bio-Obst. Die Produktionskosten dieser neuen und besseren Angebote, ihr Preis und der Beitrag ans Bruttoinlandsprodukt steigen. Denn beim Wirtschaftswachstum geht es in weitentwickelten Ländern vor allem um Qualität, nicht um Quantität. Solange Menschen nach einer Verbesserung oder Vereinfachung ihres Lebens streben, solange wird es wirtschaftliches Wachstum geben. Und das ist gut so – für Mensch und Umwelt.

Individuelle Schülerlösungen; z. B. Argumente aus dem ersten Zeitungsartikel in Aufgabe 1. Die natürlichen Ressourcen der Erde sind begrenzt, und deshalb kann das Seerosenbeispiel als Analogie durchaus verwendet werden. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass der Ressourcenverbrauch trotz verbesserter Effizienz weltweit ständig ansteigt. Neben den natürlichen Ressourcen bildet die Regenerationsfähigkeit der Erde (z. B. für Abfälle) eine zweite Art von natürlicher Grenze. Auch bei der Abfallproblematik ergeben sich Knappheitssituationen.

Quelle: Newsletter Economiesuisse, 31. 01. 2014

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Aufgabe 3 Innovationen – und die Rolle des Staates Die Schweiz ist das innovativste Land der Welt und behauptet sich 2012 zum dritten Mal in Folge an der Spitze der auf Basis des Global Innovation Index (GII) erstellten Rangliste. Der GII misst die Innovationsfähigkeit und die Innovationsleistung der 142 bedeutendsten Volkswirtschaften weltweit. Lesen Sie dazu den folgenden Artikel von Rahel Zurfluh und beantworten Sie die Fragen dazu auf der folgenden Seite.

Innovation und die Rolle des Staates Zwei Drittel aller Ausgaben für Forschung und Entwicklung werden in der Schweiz von Privaten geleistet. Sie sind damit massgeblich für Erfolg oder Misserfolg der Schweiz in der Innovation verantwortlich. Der Staat greift nur an wenigen Stellen aktiv ins Innovationssystem ein. Quasi unauffällig spielt er dennoch eine wichtige stabilisierende Rolle: Er schafft auf vielfältige Art und Weise den Nährboden, auf dem Innovationen entstehen können. Über Innovationen wird viel gesprochen, aber die wenigsten wissen genau, was sie damit meinen. Innovationen zu definieren, ist eine schwierige Angelegenheit. Es ist zwar leicht, eine Vorstellung zu haben, was als Innovation gelten könnte. Aber eine handfeste Definition vorzunehmen, die weder zu breit noch zu engmaschig ist, erweist sich als schwierig. Was sind Innovationen? Diese Definitionsschwierigkeit liegt im Thema selbst. Innovationen sind immer in irgendeiner Form Neuerungen. Setzt man die Grenzen der Definition zu eng, läuft man Gefahr, entscheidende Veränderungen nicht als solche zu erkennen oder zu spät zu erfassen. Setzt man die Grenzen zu weit, lässt sich fast alles

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als Innovation verkaufen. Innovationen entstehen aus einem historisch gewachsenen komplexen System heraus, wie es das Bildungs-, Forschungs- und Innovationssystem der Schweiz ist. Dabei spielt es keine Rolle, wer eine Innovation letztlich erzielt – eine einzelne Unternehmung, eine breite Zusammenarbeit verschiedener Akteure oder eine Privatperson in ihrer Garage. Ob ein Land viele Innovationen hervorbringt, liegt am Ende daran, wie gut es seine inneren und äusseren Bedingungen nutzen kann, um Neuerungen zu schaffen und erfolgreich auf den Markt zu bringen. Wer macht Innovationen in der Schweiz? Innovationen sind in der Schweiz weitgehend eine Sache privater Akteure. Das zeigt sich einerseits daran, dass seit vielen Jahren gut 70 % aller Ausgaben für Forschung und Entwicklung von Privaten geleistet werden. Andererseits sind die staatlichen Institutionen, die explizit Innovationsförderung betreiben, verhältnismässig klein. Andere, vergleichbar erfolgreiche Nationen – wie Schweden oder Finnland – unterhalten grosse Innovationsagenturen und umfangreiche Innovationsförderprogramme. In der Schweiz beschränkt sich die klassische Innovationsförderung auf die Tätigkeiten der Kommission für Techno-

logie und Innovation (KTI) mit ihren drei Standbeinen Projektförderung, Start-UpUnterstützung und Wissens- und Technologie­ transfer (WTT). Der KTI stehen jährlich rund 100 Mio. Franken an Fördergeldern zur Verfügung. Der überwiegende Teil der staatlichen Forschungsförderung (rund 900 Mio. Franken) fliesst über den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und seine Programme in die Grundlagenforschung. Über die Umwelttechnologieförderung und die Programme von Energie Schweiz fliessen weitere Fördergelder in Wirtschaft und Wissenschaft. Ausserdem leistet das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) via die Neue Regionalpolitik (NRP) einen Beitrag zur Innovationsförderung in den Regionen. Auch die Kantone und Gemeinden engagieren sich im Rahmen ihrer Kompetenzen auf unterschiedliche Arten für Forschung und Innovation, unter anderem (je nach kantonaler Gesetzgebung) durch die Finanzierung der Universitäten oder Steuererleichterungen für innovative Unternehmen. Was sind die Grundprinzipien des Schweizer Innovationssystems? Die jeweilige Zuständigkeit von Staat und Privaten hat sich historisch aus zwei wichtigen Prinzipien des Schweizer Politiksystems entwickelt: Subsidiarität und eine liberale Wirtschaftsordnung. Alles, was nicht explizit dem Staat übertragen wurde, liegt in privater Verantwortung. Beide Prinzipien legen auch die Grundstruktur der Forschungs- und Innovationsförderung fest: Die Forschungsfreiheit ist in der Bundesverfassung verankert; Fördergelder werden nach dem Wettbewerbsprinzip und «bottom-up» auf Eigeninitiative der For-

Innovationen entstehen aus dem Zusammenspiel vieler Faktoren des Systems heraus. Es braucht kluge Köpfe, aber auch die notwendige Unterstützung durch Staat und Private. (Quelle: «Die Volkswirtschaft»)

schenden vergeben. Ausschlaggebend ist, wie die Qualität eines Projekts durch ein Expertengremium bewertet wird. Die Schweiz war mit dieser Strategie bis anhin sehr erfolgreich. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde ein «lineares» Verständnis eines Innovationsprozesses propagiert. Demnach beginnt eine Innovation in der allgemeinen Grundlagenforschung, wird in der angewandten Forschung konkretisiert und mündet mit der Zeit in konkrete Produkte, die auf dem Markt angeboten werden können. Nach einem solchen Innovationsverständnis muss der Staat die Grundlagenforschung und allenfalls die angewandte Forschung finanzieren, da in diesem Bereich aufgrund der hohen Ungewissheit und des hohen Risikos ein Marktversagen herrscht, während alle anderen Schritte von der Privatwirtschaft übernommen werden können. Dieses Verständnis gilt heute allerdings als überholt. Der Innovationsprozess geht in den meisten Fällen weit weniger linear vor sich.

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Was ist die Rolle des Staates? Der Staat sorgt mit seinen Aktivitäten und finanziellen Beiträgen dafür, dass Innovationen einen guten, vielseitigen Nährboden in der Schweiz finden können. Dazu gehören neben den direkten Investitionen und Hilfestellungen viele weitere Aktivitäten, die auf den ersten Blick nur einen losen Bezug zu Innovationen haben – etwa Investitionen in Infrastruktur, die Sorge um eine hohe Bildungsqualität auf allen Bildungsstufen, sozialpolitische und sozialpartnerschaftliche Institutionen sowie Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit und politische Stabilität. Selbst das staatsbürgerliche Engagement der Bevölkerung bis hin zum Milizsystem spielt darin eine Rolle. Welchen Einfluss hat das politische System? Direkte Demokratie und der daraus entstehende Druck zu mehrheitsfähigen Kompromissen führen auch in der Innovationspolitik der Schweiz zu einer «Politik der kleinen Schritte», in der sich in der Vergangenheit nach und nach, Schritt für Schritt, herauskris-

tallisiert hat, welche Aufgaben der Staat in welchem Umfang übernehmen soll. Dieser Konsens besteht erst, wenn der Handlungsbedarf politisch mehrheitsfähig wird. An dieser Stelle ist wichtig anzumerken, dass dieser politische Entscheidungsprozess nie abgeschlossen ist und eine Möglichkeit darstellt, Veränderungen im Umfeld, neue Wahrnehmungen oder verschobene Prioritäten ins staatliche Handeln aufzunehmen. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass der Staat in Zukunft eine andere Rolle spielen könnte, wenn ein Bedarf dazu entsteht. Die Rolle, die sich in diesem sehr langsamen, nicht bewusst gesteuerten Prozess für den Staat bisher ergeben hat, ist vielfältig und zentral, aber nicht aktiv, sondern stabilisierend. Damit ist klar: Über Erfolg oder Misserfolg der Schweiz in der Innovation entscheidet am Ende das Engagement und die Handlungsbereitschaft der Privaten in Wirtschaft und Gesellschaft. Aber der Staat sorgt im Hintergrund dafür, dass sie dafür gute Bedingungen vorfinden.

Quelle: «Die Volkswirtschaft» 10-2013

–– Umwelttechnologieförderung und Energie Schweiz –– Staatssekretariat für Wirtschaft seco (Regionalpolitik) –– Kantone und Gemeinden (Finanzierung Universitäten und Steuererleichterungen für innovative Unternehmungen) c) Was sind die Grundprinzipien des Schweizer Innovationssystems?

–– Subsidiarität: Alles, was nicht explizit dem Staat übertragen wird, liegt in der Verantwortung der Privatwirtschaft. –– Liberale Wirtschaftsordnung: Forschungsfreiheit in der BV d) Was ist die Rolle des Staates?

Investitionen in Infrastruktur Investitionen in Bildungsqualität auf allen Stufen Sorge tragen zu sozialpartnerschaftlichen Institutionen, Rechtsstaatlichkeit, politischer Stabilität; staatsbürgerliches Engagement der Bevölkerung und Milizsystem

a ) Was sind Innovationen?

Neuerungen in irgendeiner Form

e) Welchen Einfluss hat das politische System?

Direkte Demokratie führt zu einer «Politik der kleinen Schritte», in der sich langsam herauskristallisiert, welche Aufgaben der Staat in

b ) Wer macht Innovationen in der Schweiz?

In erster Linie private Akteure

welchem Umfang zu übernehmen hat.

Staatliche Aktivitäten:

Privatwirtschaft kann sich im politischen Entscheidungsprozess

–– Kommission für Technologie und Innovation (100 Mio.)

immer einbringen.

–– Schweiz. Nationalfonds für Grundlagenforschung (900 Mio.)

Staat soll für Privatwirtschaft gute Rahmenbedingungen schaffen. Wachstum und Strukturwandel  29

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Aufgabe 4 Strukturwandel am Beispiel der Schaffhauser Nachrichten Norbert Neininger, ehemaliger Chefredaktor und Verleger der Schaffhauser Nachrichten, äussert sich in einem Interview zu den Ursachen des Strukturwandels in der Medienbranche und zu den Rollen von Unternehmen, Konsumenten und dem Staat. Das Interview (30 Minuten) ist auf dem e-desk verfügbar.1

b) Wie hat Norbert Neininger, Verleger der Schaffhauser Nachrichten, den Strukturwandel in der Medienbranche konkret erlebt? (Zeit: 02:00 – 07:00)

Information hat höheren Stellenwert erreicht, Zeitungen haben Monopol für Informationsübermittlung verloren: neu Radio, Fernsehen, Internet, Information auch ohne Papier Konkret: Schaffhauser Nachrichten mussten Druckerei verkaufen (Mitarbeiter mit grossem Aufwand in andere Branchen vermittelt)

a ) Was muss man sich unter dem Medienunternehmen Meier + Co. AG vorstellen? Wie viele Mitarbeiter zählt das Unternehmen, welche Bereiche bzw. Produkte umfasst das Unternehmen? (Zeit: 00:00 – 02:00)

160 Mitarbeiter Zeitung Schaffhauser Nachrichten, Lokalradio (Radio Munot), Lokalfernsehen (Schaffhauser Fernsehen), Internet-Portale (schaffhausen.ch), Zeitschriften, Internet-Firmen

c) Welches sind für Norbert Neininger die wichtigsten Ursachen für diesen Strukturwandel? (Zeit: 07:00 – 10:00)

Informationsexplosion, Wissen wichtiger Rohstoff Kommunikationsexplosion, Technologische Entwicklung: für die Verteilung der Information wichtig Soziale Entwicklung: grössere Nachfrage nach Information

▼▼ Hinweis für Lehrpersonen

als früher

Das Interview kann auch via e-desk aktiviert werden: www.brennpunkt-wug.ch  Kapitel 35  Dateien Lehrmittel  Zusatzmaterial Norbert Neininger ist am 30. Mai 2015 verstorben.

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d ) Wie muss sich ein Medienunternehmen gegenüber dem Strukturwandel verhalten, wenn es erfolgreich bestehen will? (Zeit: 10:00 – 14:00)

f ) Was wünscht sich Norbert Neininger von den Medienkonsumenten? (Zeit: 20:00 – 26:00)

Schaffhauser Nachrichten kommentieren für regionale Zielgruppen

Verantwortungsvolle Medienkonsumenten, solche, die auch

(Informationen durch die Schaffhauser Brille sammeln,

differenzierte Medienberichte lesen und nicht nur kurze und

werten und kommentieren).

lustige Informationen konsumieren wollen.

Neue Entwicklungen immer aufnehmen (1. Online-Ausgabe der Schaffhauser Nachrichten, bei Gründung teletext mit dabei, Radio, Fernsehen lokal) und mitgestalten. Innovationen gehen von kleinen Unternehmungen aus.

e ) Welche Rolle soll der Staat im Zusammenhang mit dem Strukturwandel in der Medienbranche übernehmen? (Zeit: 14:00 – 20:00)

g) Wie sieht die Zukunft aus? Hört der Strukturwandel irgendwann auf? (Zeit: 26:00 – 31:00)

Staat soll Medien mit guten Rahmenbedingungen unterstützen,

Informationen werden vermehrt automatisiert (Sportinformationen

weil Medien systemrelevant für die Demokratie sind, z. B. durch

durch Computerprogramme geschrieben).

günstigere Posttarife für Distribution, bevorzugte MWST-Tarife,

Big data: Noch viel mehr Informationen, die genutzt werden können,

Unterstützung bei Ausbildung, bei solchen Unterstützungen

z. B. durch Informationen, die mit Husten zusammenhängen,

evtl. kleinere Unternehmungen gegenüber Gross-Konzernen

können durch Pharmaunternehmen genutzt werden.

bevorzugen.

Internet der Dinge: Jedes Ding hat einen Sender und kann den

Keine direkten Zahlungen an Medienunternehmen, wie z. B. in

Standort mitteilen (Bsp. Töff zum Verkauf anbieten).

Luxemburg oder Frankreich

Hoffnung, dass wir mit diesen Informationen etwas Sinnvolles machen und den Überblick behalten werden.

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Aufgabe 5 Branchenszenarien 2008 bis 2030 Die Schweizerische Bundeskanzlei und das Bundesamt für Statistik haben die Firma Ecoplan beauftragt, Szenarien für die Branchenentwicklung für die nächsten 20 Jahre zu entwickeln.

Aufgrund verschiedener Vorgaben und Annahmen wurden die folgenden Ergebnisse berechnet.

Für die Berechnung dieser Branchenentwicklungen wurde das folgende Modell zugrunde gelegt.

■■ Basisszenario A00: Branchenentwicklung für 20 Branchen (jährliche Wachstumsraten) Output (Wachstumsraten)

■■ Input und Output der Branchenszenarien-Simulation

2008 – 2020

Bevölkerung, Weltmarktpreise, …

Faktormärkte (Kapital /Arbeit)

Produzenten

Konsumenten

INPUT: Technologie-Präferenzparameter (aus hist. Simulation), Rahmen- und Makroentwicklung (BFS. SECO), Entwicklung einzelner Sektoren (Sektorperspektiven), Politikänderungen

Vorleistungsnachfrage

Technologie

Präferenzen

Gütermärkte

Makrogrössen (einzelne BIP-Komponenten) Sektor 1

Sektor x

Sektor n

OUTPUT: Entwicklung Produktionsniveau und Beschäftigung für 20 Sektoren. Konsistentes Datenset für die Jahre 2008 bis 2030

2020 – 2030

Beschäftigung (Wachstumsraten)

2008 – 2030

2008 – 2020

2020 – 2030

2008 – 2030

Landwirtschaft

0,60 %

– 2,49 %

– 0,82 %

– 0,76 %

– 3,24 %

– 1,89 %

Nahrung

1,15 %

– 1,03 %

0,15 %

– 0,78 %

– 1,83 %

– 1,26 %

Rest Industrie

0,70 %

0,42 %

0,57 %

0,26 %

– 0,17 %

0,07 %

– 0,95 %

– 2,04 %

– 1,45 %

– 1,56 %

– 2,55 %

– 2,01 %

Energie

0,53 %

1,50 %

0,97 %

0,04 %

1,60 %

0,75 %

Chemie

0,84 %

2,52 %

1,60 %

– 0,89 %

1,90 %

0,37 %

– 0,58 %

– 2,23 %

– 1,34 %

– 1,29 %

– 2,83 %

– 1,99 %

Metalle

0,18 %

– 1,37 %

– 0,53 %

0,10 %

– 1,88 %

– 0,80 %

Bau

0,78 %

0,42 %

0,62 %

0,31 %

0,00 %

0,17 %

Handel

1,78 %

1,10 %

1,47 %

1,16 %

0,46 %

0,84 %

Gastgewerbe

0,40 %

– 1,59 %

– 0,51 %

0,39 %

– 1,98 %

– 0,69 %

Transport

1,40 %

0,59 %

1,03 %

– 1,44 %

– 0,22 %

– 0,88 %

Kommunikation

1,61 %

1,03 %

1,34 %

0,33 %

0,31 %

0,32 %

Banken

1,48 %

0,70 %

1,12 %

0,50 %

0,01 %

0,28 %

– 0,24 %

0,89 %

0,27 %

0,64 %

0,36 %

0,51 %

Consulting

0,95 %

0,65 %

0,82 %

0,59 %

– 0,22 %

0,22 %

Öff. DL

0,76 %

0,40 %

0,60 %

0,78 %

– 0,14 %

0,36 %

Bildung

0,76 %

0,46 %

0,62 %

0,29 %

– 0,26 %

0,04 %

Gesundheit

2,03 %

1,46 %

1,77 %

1,81 %

1,29 %

1,58 %

Andere DL

0,80 %

– 0,65 %

0,13 %

– 0,25 %

– 1,18 %

– 0,68 %

Total

0,99 %

0,64 %

0,83 %

0,52 %

– 0,08 %

0,25 %

Papier

Nicht-Metalle

Versicherungen

Quelle: Ecoplan, Branchenszenarien 2008 – 2030, 2011

Beantworten Sie zu diesen Ergebnissen die unten stehenden Fragen.

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a ) Welches volkswirtschaftliche Modell steht im Zentrum dieses Modells?

d) Welche Branche profitiert im prognostizierten Strukturwandel zwischen 2008 und 2030 am meisten? Begründen Sie Ihre Antwort.

Wirtschaftskreislauf

Gesundheit: Zunahme des Outputs um jährlich 1,77  %, Zunahme der

b ) Beschreiben Sie die erwarteten Strukturveränderungen für die Branche Kommu­ nikation. Begründen Sie Ihre Antwort mit konkreten Zahlen.

Beschäftigung um jährlich 1,58  %

Für die Branche Kommunikation wird eine Steigerung des Outputs (jährliche Zuwachsraten des Produktionsniveaus, BIP) erwartet: 2008 –2020: + 1,61 % / 2020–2030: 1,03 % / 2008 –2030: 1,34 %. Bezogen auf die Beschäftigung ist der Zuwachs geringer:

e) Welche zwei Branchen verlieren im prognostizierten Strukturwandel zwischen 2008 und 2030 am meisten? Zu welchem Sektor werden diese beiden Branchen gezählt? Was können mögliche Erklärungen für die Strukturkrise in diesen Branchen sein?

Nicht-Metalle und Papier, zählen zur Industrie, 2. Sektor

2008 –2020: + 0,33 % / 2020 –2030: 0,31 % / 2008 –2030: 0,32 %.

–– Branchen, die von einem Energiepreisanstieg stark betroffen sind –– geänderte Konsumentenpräferenzen einer alternden Bevölkerung

c ) Was für eine Aussage lässt sich aus den Antworten unter a) über die Entwicklung der Produktivität in der Kommunikationsbranche ableiten? Begründen Sie Ihre Antwort. Ist diese Entwicklung der Produktivität plausibel, mit anderen Worten: Wie lässt sich die Entwicklung der Produktivität begründen?

und bei steigenden Einkommen (es werden weniger Industrieprodukte, dafür mehr Dienstleistungen nachgefragt)

Produktivität in der Kommunikationsbranche nimmt zu, weil mit weniger Beschäftigungszuwachs ein höherer Outputzuwachs

f ) Warum gibt der Staat eine solche Studie in Auftrag? Oder anders gefragt: Was soll der Staat aufgrund solcher Szenarien nun konkret unternehmen?

erwirtschaftet wird.

Der Staat kann gezielt strukturpolitische Massnahmen vorbereiten

Zunahme der Produktivität ist plausibel, weil im Modell beim Faktor

und in Gang setzen:

Technologie wohl Innovationen (technische Fortschritte)

Strukturgestaltung in Form von Forschungsunterstützung

erwartet werden dürfen.

Strukturanpassung in Form von Umschulungsbeihilfen Strukturerhaltung besser nicht

▼▼ Hinweis für Lehrpersonen Die Studie «Branchenszenarien» kann via e-desk heruntergeladen werden: www.brennpunkt-wug.ch  Kapitel 35  Dateien Lehrmittel  Zusatzmaterial

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Aufgabe 6 Strukturwandel in den Regionen erfolgreich bewältigen

STRUKTURBERICHTERSTATTUNG NR. 30 STUDIENREIHE DES STAATSSEKRETARIATS FÜR WIRTSCHAFT – DIREKTION FÜR WIRTSCHAFTSPOLITIK

THOMAS VON STOKAR, SARAH MENEGALE, MARTIN PETER, NICOLAS SCHMIDT, MYRIAM STEINEMANN, ANNA VETTORI

STRUKTURWANDEL IN DEN REGIONEN ERFOLGREICH BEWÄLTIGEN

STUDIE IM AUFTRAG DES

Die Studie «Strukturwandel in den Regionen erfolgreich bewältigen» zeigt anhand von regio­ nalen Fallbeispielen (Textilindustrie, Maschinenindustrie, Elektrotechnik erfolgreiche und weniger erfolgreiche Handlungsmuster für die Bewältigung des Strukturwandels. Dabei werden die folgenden Fragen beantwortet: ■■ Wo treten Strukturkrisen und Strukturbrüche auf, und wie werden sie bewältigt? ■■ Wie können Strukturbrüche frühzeitig erkannt und vermieden werden? ■■ Welche Rolle spielt die öffentliche Hand bei der Entstehung und der Bewältigung von Strukturbrüchen? Können staatliche Massnahmen einen Beitrag zum Wandel leisten, oder tragen sie unter Umständen dazu bei, nicht wettbewerbsfähige Strukturen zu festigen? Erläutern Sie in Gruppen für die drei angeführten Fallstudien 1. Textilindustrie (Vergleich Ostschweiz / Toskana) 2. Maschinenindustrie (Solothurn / Baden-Württemberg) 3. Elektrotechnik und Elektroindustrie (Neuenburg / Kärnten) die folgenden Aspekte: a) Beschäftigungsentwicklung b) Marktstruktur / wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen c) Ursachen der Strukturkrise d) Strategien zur Bewältigung der Strukturkrisen e) Empfehlungen

STAATSSEKRETARIATS FÜR WIRTSCHAFT

Stellen Sie Ihre Überlegungen in einer Präsentation vor.

BERN, 2005

▼▼ Hinweis für Lehrpersonen Die drei Fallstudien aus der Gesamtstudie (131 Seiten) und eine Präsentationsvorlage sind auf dem e-desk aufgeschaltet: www.brennpunkt-wug.ch  Kapitel 35  Dateien Lehrmittel  Zusatzmaterial

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▼▼ Lösungsvorschlag für Fallstudie «Textilindustrie» 5

3

Strukturwandel Textilindustrie

Vergleich der Regionen Ostschweiz und Toskana (Prato)

Marktstruktur / Wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen

2

Beschäftigungsentwicklung

 

 

Strategien zur Bewältigung der Strukturkrisen

4

 

Ursachen der Strukturkrise

 

6

 

Empfehlungen   Strukturwandel nicht behindern   Netzwerke in Bildung und Forschung und

zwischen Unternehmen unterstützen   Von branchenspezifischen Clusterpoltiken und

einzelbetrieblichen Fördermassnahmen absehen

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