8
Konjunkturzyklus
Die aktuelle wirtschaftliche Gesamtlage eines Landes bezeichnen wir als Konjunktur. Sie wird bestimmt durch den Auslastungsgrad der zur Verfügung stehenden Ressourcen, der Produktionsfaktoren Arbeit, Wissen, Kapital und Boden. Die Konjunkturentwicklung, d. h. der Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten, durchläuft immer wieder Phasen des Aufschwungs, mit hoher Auslastung der Produktionsfaktoren, und Phasen des Abschwungs, in denen nicht alle Produktionsfaktoren vollständig ausgelastet sind.
Theorie 1 2 3 4
Wachstumspolitische Massnahmen zielen auf die Ausweitung der vorhandenen Produktionsfaktoren und zeichnen einen entsprechenden Wachstumspfad vor. In der Praxis gelingt es jedoch nicht immer, diese Ressourcen auch tatsächlich auszu lasten, und es kann zu unerwünschten Effekten wie Arbeitslosigkeit oder Teuerung kommen. Anhand von Konjunkturprognosen versucht die Politik, solche Störungen frühzeitig zu erkennen, um vorausschauend geeignete Massnahmen ergreifen zu können.
Übungen
Der Konjunkturzyklus ............................................................................................ 2 1 Konjunkturzyklus ................................................................................................ 13 Die Konjunkturindikatoren .................................................................................... 4 2 Konjunkturindikatoren ........................................................................................ 14 Konjunkturprognosen und Konjunkturpolitik ......................................................... 6 3 Konjunkturprognose und Konjunkturpolitik ......................................................... 14 4 Zielkonflikte in der Konjunkturpolitik ..................................................................... 8 Zielkonflikte in der Volkswirtschaft ...................................................................... 15 © 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Das haben Sie gelernt ........................................................................................... 12 Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht Diese Begriffe können Sie erklären ........................................................................ 12
Aufgaben 1 2 3 4
Konjunkturprognose aus der Praxis ..................................................................... 16 Konjunkturindikatoren – der Zeit voraus .............................................................. 18 Zielkonflikte in der Konjunkturpolitik ................................................................... 19 Merkmale der einzelnen Konjunkturzyklen .......................................................... 20
Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft in 120 Lektionen 1. Auflage 2017 / © Verlag SKV AG, Zürich Diese Broschüre ist urheberrechtlich geschützt. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, die Broschüre oder Teile daraus in irgendeiner Form zu reproduzieren. Konjunkturzyklus 1
Konjunkturzyklus 2
1 Der Konjunkturzyklus
In der Talsohle, einer Rezession, sind dagegen die gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten stark eingeschränkt. Weil Unternehmungen zunehmend sinkende Umsätze verzeichnen, werden Kapazitäten abgebaut und Personal wird entlassen; entsprechend steigt die Arbeitslosigkeit Die Wirtschaftsentwicklung ist gekennzeichnet durch Phasen des Auf- und Abschwungs. Der an. Offiziell sprechen wir von einer Rezession, wenn das reale BIP (nach Berücksichtigung allKonjunkturzyklus beschreibt sich wiederholende Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung. fälliger Veränderungen des Preisniveaus) in zwei aufeinander folgenden Quartalen stagniert Ein vollständiger Zyklus kann in vier typische Phasen unterteilt werden: Konjunkturaufoder abnimmt. Wenn das reale BIP mehr als 10 % abnimmt oder wenn die Phase des Negaschwung, Hochkonjunktur oder Boom, Konjunkturabschwung und schliesslich eine Rezession. Ist diese besonders stark, sprechen wir von einer Depression. tivwachstums mehr als 3 Jahre beträgt, spricht man von einer Depression. Beispiele für Depres sionen sind die Grosse Depression in den USA (1929 – 33), der Zusammenbruch der SowjetBIP union (1989 – 98) und die Währungs- und Regierungskrise in Argentinien (1998 – 2002). in Mia. CHF Wachstum bei optimaler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befinden sich in dieser Situation gegenüber den Auslastung der ProduktionsHochkonjunktur, Unternehmungen in einer schwächeren Position und müssen in solchen Phasen Lohneinfaktoren, ProduktionspotenBoom zial oder Trend-Wachstum bussen oder gar Kündigungen in Kauf nehmen. Dies führt insgesamt zu stagnierenden oder gar sinkenden Einkommen, was die Gesamtnachfrage vermindert. Aufgrund der schwachen Konjunkturelle Entwicklung (mit Aufschwungs- und Nachfrage versuchen Unternehmungen, ihre Produkte zu tieferen Preisen abzusetzen, was KonjunkturAbschwungsphase) abschwung in deflationäre Tendenzen 1 münden kann. Die staatlichen Einnahmen gehen zurück, weil sowohl Unternehmungen als auch P rivate aufgrund der geringeren Gewinne und sinkender Rezession, Depression Einkommen weniger Steuern bezahlen. Gleichzeitig nehmen die Staatsausgaben im Bereich Konjunkturder sozialen Wohlfahrt zu (z. B. infolge vermehrter Arbeitslosigkeit), was die Gefahr von Hausaufschwung Konjunkturhaltsdefiziten erhöht. abschwung © 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen entstehen nicht einfach aus dem Nichts, sondern werden Konjunkturschwankungen Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht Rezession, durch Veränderungen im sozialen, ökonomischen und / oder ökologischen Teilsystem ausgeDepression löst. Allerdings treten solche Veränderungen meistens überraschend auf, oder sie können Zeit aussergewöhnlich heftig sein, sodass sie kurzfristig nicht durch entsprechende GegenmassVollständiger Konjunkturzyklus nahmen aufgefangen werden können. Aus der Vielzahl möglicher Auslöser für Konjunkturschwankungen werden hier einige typische aufgeführt: Die einzelnen Phasen dauern in Wirklichkeit unterschiedlich lang; sie verlaufen nicht gleichmässig, wie dies aufgrund der schematischen Darstellung einer vollständigen Wellenbewe■ Ökonomische Ursachen gung den Anschein erweckt. –– Die Zentralbank weitet die Geldmenge aus oder schränkt sie ein. In der Folge verIn einer Hochkonjunktur (Boom) sind die vorhandenen Produktionsfaktoren vollständig ändern sich Preise, Löhne und Zinsen, mit entsprechenden Konsequenzen auf dem ausgelastet, und die gesamtwirtschaftliche Leistung erreicht Rekordwerte. In gewissen BranKapital-, Arbeits- und Gütermarkt. chen kann es trotz des Ausbaus der Kapazitäten und Überzeitarbeiten zu Produktionseng–– Irgendein Element der Nachfrage nach Gütern (staatlicher oder privater Konsum, pässen kommen. Dies kann bei anhaltend hoher Nachfrage zu Preiserhöhungen führen. Boomphasen weisen deshalb oft inflationäre Tendenzen auf. Der Arbeitsmarkt ist ausgeExportnachfrage) nimmt zu oder ab. Das kann z. B. aufgrund von Wechselkurstrocknet, und es herrscht beinahe Vollbeschäftigung, weil die Unternehmungen alle verfügschwankungen, einer konjunkturellen Veränderung im Ausland oder haushaltspolitibaren Arbeitsplätze besetzen. Die Unternehmungen benötigen viel Kapital, um Investitionen schen Massnahmen des Staates geschehen. zu tätigen. Als Folge davon steigen die Preise für ausgeliehenes Geld: die Zinsen. Die guten –– Das Gesamtangebot wird grösser oder kleiner, z. B. weil das Arbeitskräfteangebot durch Zu- oder Abwanderung schwankt oder weil aus politischen Gründen massive Aufgabe 1 Unternehmungsergebnisse führen zu hohen Steuererträgen des Staates. Gleichzeitig können Kapitalzuflüsse oder -abflüsse erfolgen. in dieser Phase die staatlichen Ausgaben zurückgefahren werden, weil z. B. weniger Mittel Übung 1 für den sozialen Ausgleich aufgewendet werden müssen. Allfällige Haushaltsüberschüsse 1 können zum Abbau von Staatsschulden verwendet werden. Unter Deflation verstehen wir einen Rückgang des durchschnittlichen Preisniveaus.
■ Soziale Ursachen –– Aussen- oder innenpolitische Veränderungen bewirken Optimismus oder Pessimismus in der Gesellschaft. –– Religiöse oder kulturelle Veränderungen beeinflussen die Grundhaltungen der Menschen, z. B. in Bezug auf Sparen und Konsum. ■ Ökologische Ursachen –– Naturkatastrophen, Rekordernten oder der Fund neuer Rohstoffvorkommen können vorübergehend zu einem massiv veränderten Güterangebot mit entsprechenden Konsequenzen für das Preisniveau sorgen.
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Konjunkturzyklus 3
Konjunkturzyklus 4
2 Die Konjunkturindikatoren Die konjunkturelle Entwicklung lässt sich in erster Linie am Bruttoinlandprodukt ablesen. Allerdings lassen sich die einzelnen Konjunkturphasen anhand der BIP-Entwicklung nur schwer voneinander abgrenzen. Deshalb betrachten wir auch andere Messgrössen, die Aussagen über die wirtschaftliche Entwicklung zulassen. Diese sogenannten Konjunkturindikatoren lassen sich in drei Gruppen unterteilen:
Veränderung des Indikators
Höhepunkt des Indikators
Konjunkturtiefpunkt
Höhepunkt des Indikators
Konjunkturtiefpunkt Konjunkturhöhepunkt
Tiefpunkt des Indikators
Zeit
■ Vorauseilende Indikatoren nehmen den konjunkturellen Verlauf vorweg. Sie sind deshalb besonders geeignet, um Konjunkturprognosen zu erstellen. Typische Beispiele dafür Gleichlaufende Indikatoren Z. B. – Privater Konsum sind Umfrageergebnisse zur Konsumenten- und Unternehmerstimmung, der Auftrags – Investitionen eingang von Industrie- und Bauunternehmungen oder die Entwicklung des Geld – Umsätze von Unternehmungen – Exporte umlaufs. Wenn es gelingt, nicht nur die Richtung der kommenden konjunkturellen Ent© 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen wicklung frühzeitig zu erkennen, sondern auch die ungefähre Stärke und zeitliche Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht Verzögerung, bilden vorauseilende Indikatoren ein wichtiges Instrument zur Planung v on Konjunkturentwicklung konjunkturpolitischen Massnahmen. Veränderung des Indikators
Tiefpunkt des Indikators
Konjunkturentwicklung Konjunkturhöhepunkt
■ Gleichlaufende Indikatoren weisen etwa den gleichen zeitlichen Verlauf wie der Konjunkturzyklus auf. Typische Beispiele dafür sind der private Konsum sowie die Investitio nen von Unternehmungen, die beide in Boomphasen deutlich ansteigen, während sie in einer Rezession stagnieren oder gar sinken. Auch für die Umsätze von Unternehmun gen sowie für die Exporte eines Landes gilt: Die Daten bewegen sich etwa im Gleichschritt mit der konjunkturellen Entwicklung. Veränderung des Indikators
Nachhinkende Indikatoren Z. B. – Lohn-, Zins- und Preisentwicklung – Arbeitslosigkeit
Vorauseilende Indikatoren Z. B. – Konsumentenstimmung – Auftragseingänge – Geldumlauf
Höhepunkt des Indikators
Zeit
■ Nachhinkende Indikatoren zeichnen den Konjunkturverlauf mit einer gewissen Verzögerung nach. Typische Beispiele dafür sind die Lohn-, Zins- und Preisentwicklung sowie die Arbeitslosenzahlen. Dies erklärt sich durch das Verhalten von Unternehmungen und privaten Haushalten im Konjunkturverlauf. Nach einer Rezession dauert es eine bestimmte Zeit, bis das Vertrauen in einen konjunkturellen Aufschwung zunimmt. Eine leicht steigende Nachfrage wird mit dem Abbau von Lagerbeständen befriedigt, ohne dass deswegen die Preise ansteigen. Investitionen werden vorerst aus eigenen Mitteln finanziert und wirken sich erst nach einiger Zeit auf die Kreditnachfrage in Form von steigenden Zinsen aus. Erst wenn zusätzliche Produktionskapazitäten vorhanden sind, werden neue Arbeitskräfte benötigt, und die verbesserte Beschäftigungssituation wirkt sich auch positiv auf die Löhne aus.
Konjunkturtiefpunkt
Konjunkturentwicklung Konjunkturhöhepunkt
Tiefpunkt des Indikators
Zeit
Aufgabe 2 Übung 2
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Konjunkturzyklus 5
Konjunkturzyklus 6
3 Konjunkturprognosen und Konjunkturpolitik
Wie lassen sich konjunkturelle Krisen bewältigen? Der britische Ökonom Keynes entwickelte dazu eine Theorie, die heute als Keynesianismus bezeichnet Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) hat einige vorauseilende Indikatoren zu wird. Keynes ging davon aus, dass die gesamtwirteinem Konjunkturbarometer zusammengefasst, dessen Stand quartalsweise publiziert wird. schaftliche Nachfrage ausschlaggebend für das BIPIm neuen Konjunkturbarometer (Version 2014) werden über 200 Variablen miteinbezogen, Wachstum sei. Bei sich abzeichnenden Krisen müsse unter anderem: Bestellungseingänge, Auftragsbestände und Rohstoffeinkäufe in der Indusdeshalb die Nachfrage erhöht werden, um dieser trie, Selbsteinschätzung der privaten Haushalte über ihre finanzielle Lage, Lagerbestände im Grosshandel und Auftragsbestände in der Baubranche. Entwicklung entgegenzuwirken. Dies könne zum Beispiel durch Steuersenkungen erreicht werden, damit ■ KOF-Konjunkturbarometer den privaten Haushalten mehr Mittel für den Konsum zur Verfügung stünden. Weil dies aber erst mit einiger Verzögerung wirke (es würde eher gespart als 6 120 konsumiert), müsse der Staat in die Bresche springen und den Staatskonsum entsprechend erhöhen, z. B., Der britische Ökonom John M. Keynes 4 110 entwickelte in den 30er-Jahren des indem er öffentliche Gebäude saniere, Ausrüstungsletzten Jahrhunderts die Theorie des oder Rüstungsgüter kaufe oder Strassen baue. Beide 2 100 Keynesianismus. Massnahmen, Steuersenkungen und hohe Staatsausgaben, belasten die öffentlichen Haushalte und füh0 90 ren zu entsprechenden Defiziten. Um sich die dafür nötigen Mittel zu beschaffen, müsste – © 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, gemäss Keynes in– 120 derLektionen staatliche Konsum in Boomphasen entsprechend zurückgefahren –2 80 Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht werden. Mit den dabei erwirtschafteten staatlichen Überschüssen könnte in Krisenzeiten die Nachfrage stimuliert und eine Rezession vermieden werden. Diese zeitliche Abfolge – Defi–4 70 zite während einer Rezession und Überschüsse während des Booms – läuft dem Konjunkturzyklus im Idealfall konsequent entgegen. Deshalb wird in diesem Zusammenhang auch von –6 60 2006 2008 2010 2012 2014 2016 antizyklischer Konjunkturpolitik gesprochen. Konjunkturbarometer Auch wenn der Keynesianismus durchaus umstritten ist und es viele Kritiker gibt, ist die Indexzahl, Durchschnitt 2006 – 2015 = 100 Überzeugung, dass der Staat eine drohende Rezession mit aktiver Konjunkturpolitik verhinVeränderung der Schweizer Konjunktur dern oder bekämpfen müsse, heute weit verbreitet. Deshalb werden in Phasen des Abin % gegenüber dem Vormonat schwungs, zumal wenn die Arbeitslosenzahlen zu steigen beginnen, häufig und schnell sogenannte Konjunkturprogramme gefordert und teilweise auch beschlossen. Dabei handelt Quelle: KOF Bulletin – Nr. 102, Dezember 2016 es sich in der Regel um Vorschläge, in welchen Bereichen der Staat seine Ausgaben erhöhen müsse, um den Verlust weiterer Arbeitsplätze zu vermeiden. Leider lässt sich der Erfolg solDie Darstellung zeigt, dass die wirtschaftliche Entwicklung auf zwei Jahre hinaus prognosticher Programme auch im Nachhinein nicht genau ermitteln. Denn selbst wenn eine prognos ziert wird. Die Prognosen werden regelmässig angepasst. tizierte Rezession nicht eintritt, so lässt sich nie genau sagen, ob sie aufgrund der ergriffenen Eine zuverlässige Konjunkturprognose bildet die Voraussetzung für eine Konjunktur Massnahmen ausgeblieben ist oder auch dann nicht eingetreten wäre, wenn der Staat nichts politik, die drohenden Schwierigkeiten bereits frühzeitig entgegenwirkt. Dafür stehen in unternommen hätte. Daher darf auch die oben formulierte Aussage, dass die KOF-Prognose erster Linie geld- und fiskalpolitische Instrumente zur Verfügung; diese werden im Kapitel 3, nicht immer eingetroffen sei, nicht als Kritik an der Arbeit der Forscher verstanden werden. «Fiskal- und Geldpolitik», näher erläutert. Unter Konjunkturpolitik verstehen wir die GesamtMöglicherweise haben erst die Entscheide der politischen Entscheidungsträger auf der Basis heit aller Massnahmen, die darauf hinzielen, Schwankungen in der wirtschaftlichen Entwickdieser Prognose dazu geführt, dass die Konjunktur einen anderen Verlauf nahm, als prog- Aufgabe 3 lung auszugleichen. nostiziert wurde. Übung 3
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Konjunkturzyklus 8
4 Zielkonflikte in der Konjunkturpolitik
■ Drei Beispiele von Zielkonflikten der Konjunkturpolitik RECHTSORDNUNG
Staat und Nationalbank sind durch entsprechende Artikel in der Bundesverfassung zu Eingriffen in das Wirtschaftsgeschehen ermächtigt. Dabei streben sie mit ihren Massnahmen nach sozialer, ökonomischer und ökologischer Stabilität, ohne jedoch im Stillstand zu verharren. Diese allgemeine Zielsetzung lässt sich konkret in folgende Ziele fassen: ■ Die sieben wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischen Ziele
SOZIALES SYSTEM Staat
Soziale Gruppen Familie
Parlament
Sozialpolitik
–– Preisstabilität –– Vollbeschäftigung –– Angemessenes Wirtschaftswachstum –– Aussenwirtschaftliches Gleichgewicht –– Ausgeglichener Staatshaushalt –– Sozialer Ausgleich –– Umweltqualität
Vereine
Regierung Gerichte
Parteien ...
Staat als Bundes- Akteur
Sozialer Ausgleich
verwaltung
Kantonale Verwaltungen Gemeindeverwaltungen
ÖKONOMISCHES SYSTEM
Ausgeglichener Staatshaushalt Zwischen einigen dieser Ziele bestehen Zielkonflikte, was bedeutet, dass mit Massnahmen zur Erreichung eines Ziels (z. B. Vollbeschäftigung) die Erreichung eines andern Ziels (z. B. © 2017 Verlagsich SKV AG: Brennpunkt Preisstabilität) behindert wird. Zielkonflikte zwingen jede Volkswirtschaft, zwischen ver-Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht schiedenen Handlungsoptionen zu entscheiden. Wirtschaftlich erfolgreiche Länder zeigen, dass es durchaus möglich ist, für alle Ziele gleichzeitig positive Werte zu erzielen. So weist die Schweiz seit Jahren eine tiefe Teuerung, geringe Arbeitslosigkeit, angemessenes Wachstum und eine stabile Ertragsbilanz sowie gesunde Staatsfinanzen aus. Dennoch unterliegen WirtschaftsWirtschaftspolitik wachstum vor allem demokratische Gesellschaften, in denen sich Parlament und Regierung nach einer vier- bis fünfjährigen Periode einer Volkswahl stellen müssen, dem politischen Druck, kurzfristig konjunkturelle Verbesserungen zu erzielen, weil diese im Hinblick auf die Wahlen von grosser Bedeutung sind. Politikerinnen und Politiker neigen daher dazu, langfristige Ziele zugunsten kurzfristiger konjunktureller Erfolge etwas zurückzustellen. Wir zeigen einige typi sche volkswirtschaftliche Zielkonflikte, die sich aus einer aktiven Konjunkturpolitik ergeben.
Beispiel 1
Vollbeschäftigung
Beispiel 2
Beispiel 3
SNB als Akteur
Aussenwirtschaftliches Gleichgewicht
Preisstabilität
ÖKOLOGISCHES SYSTEM Umweltpolitik
Umweltqualität
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Konjunkturzyklus 9
Konjunkturzyklus 10
■ Beispiel 1: Vollbeschäftigung – ausgeglichener Staatshaushalt
■ Beispiel 2: Vollbeschäftigung – Preisstabilität
Seit der Jahrtausendwende befanden sich die meisten europäischen Volkswirtschaften wie Politikerinnen und Politiker fürchten sich ganz besonders vor den beschäftigungspolitischen auch die japanische und die amerikanische Wirtschaft in einer historisch langen Phase gros Folgen einer Rezession. Arbeitslosigkeit ist nicht nur für die direkt Betroffenen mit grossen ser Preisstabilität. Inflation war in diesen Ländern schon beinahe in Vergessenheit geraten; Nachteilen verbunden; sie führt auch dazu, dass sich breite Teile der Bevölkerung Sorgen über ihre Zukunft machen. Um zu verhindern, dass diese Menschen bei den nächsten Wahes drohte eher Deflation. Gleichzeitig waren viele dieser Länder in den letzten Jahren von gelen eine andere Partei oder Person wählen, sind Regierungen deshalb bereit, das langfristige ringem oder negativem Wachstum sowie hoher Arbeitslosigkeit geprägt. Man führte dies Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushaltes unter anderem darauf zurück, dass die Kreditzinsen und teilweise auch der Wert der natioausser Acht zu lassen, wenn sie dafür kurznalen Währung zu hoch seien und deshalb kaum Kredite für Investitionen nachgefragt fristig wirksame Massnahmen gegen Arwürden und die im Land hergestellten Güter für den Export zu teuer seien. Die naheliegendste beitslosigkeit ergreifen können. Solche Lösung bestand darin, die von den Regierungen unabhängigen Zentralbanken dazu zu drängen, die Geldmenge im Interesse von Wachstum und Beschäftigung zu erhöhen. Die daraus Massnahmen sind z. B. Steuersenkungen, zu erwartende Inflation würde man wohl oder übel in Kauf nehmen. Insbesondere Japan damit die privaten Haushalte mehr Geld für und die USA verfolgten nach 2008 diese Strategie – mit offenem Ausgang. Konsumausgaben zur Verfügung haben, Ein Zusammenhang zwischen Beschäftigung und Preisstabilität wurde schon seit 50 Jahoder die Sanierung öffentlicher Gebäude ren vermutet. Wissenschaftliche Untersuchungen in verschiedenen Volkswirtschaften zeigen durch staatliche Gelder, um den Unternehjedoch, dass nur kurzfristig ein Abbau der Arbeitslosigkeit mit Inflation erkauft werden kann. mungen Aufträge und mehr Arbeit zu erLangfristig fällt die Beschäftigung wieder auf das Ursprungsniveau zurück – allerdings bei möglichen. Beide Eingriffe bewirken eine gleichzeitig höherer Inflation. Aber auch bei diesem Zielkonflikt gilt: Wenn die ArbeitslosigBelebung der Wirtschaft und reduzieren Die deutsche Regierung Jahr 2009 zur © 2017zahlte Verlagim SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft Gesellschaft, in 120 Lektionen keitundbei den nächsten Wahlen zurückgegangen ist, reicht dies für die Wiederwahl. Was damit die Arbeitslosigkeit. Es wird damit beVerhinderung einerPersönliches drohendenExemplar Rezession jeden vonfür Heinz Ruefenacht später kommt, muss erst die nachfolgende Regierung kümmern. wusst in Kauf genommen, dass der StaatsEintausch eines alten durch ein neues Auto eine Abwrackprämie von € 2500.–. Diese und andere haushalt durch die staatlichen Mehraus Massnahmen wurden mit zusätzlichen Staatsschulgaben und Mindereinnahmen aus dem ■ Beispiel 3: Sozialer Ausgleich – angemessenes Wachstum den von 37 Mrd. Euro finanziert. Gleichgewicht gerät. Wirtschaftliche Entwicklung ist immer mit Veränderung verbunden. Die konjunkturelle Entwicklung bewegt sich nur dann am oberen Rand des Wachstumspfades, wenn die vorhanWir haben im vorhergehenden Kapitel gesehen, dass Politikerinnen und Politiker sich dabei denen Ressourcen langfristig möglichst effizient eingesetzt werden. Um dies zu gewährleisauf die Theorie von Keynes stützen können, sofern sie bereit sind, im anschliessenden Auften, müssen sich wirtschaftliche Strukturen immer im Wettbewerb bewähren und sich durch schwung Überschüsse im Staatshaushalt zu erzielen. Und hier beginnt nun der eigentlich Innovation und Erneuerung den neuen Erfordernissen des Marktes anpassen. Gelingt dies Zielkonflikt: Tun sie das tatsächlich, wird das nur um den Preis höherer Steuern und / oder renicht, sind bestimmte Unternehmungen, Branchen, Regionen oder Bevölkerungsgruppen duzierter Staatsausgaben möglich sein. Beides ist bei Wählerinnen und Wählern unpopulär, irgendwann möglicherweise nicht mehr in der Lage, die von ihnen verbrauchten Ressourcen weshalb die Versuchung gross ist, diese Massnahmen im Hinblick auf die nächsten Wahlen effizient einzusetzen. hinauszuschieben. Weil Politikerinnen und Politiker in der Regel immer wieder gewählt werDieser Erkenntnis widerspricht nun aber die Vorstellung, dass bestimmte wichtige Unterden wollen, ist die Gefahr gross, dass bis zur nächsten konjunkturellen Krise keine Überschüsse erzielt werden. Dennoch wird dann zugunsten eines Konjunkturprogramms erneut nehmungen, Branchen, Regionen oder Bevölkerungsgruppen aus sozialen Gründen vor masein Defizit in Kauf genommen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Staatsverschuldung siven Veränderungen geschützt werden sollten. Wenn ein regional oder national wichtiges Unternehmen Konkurs geht (beispielsweise eine grosse Unternehmung im Wallis, eine Bank kontinuierlich ansteigt und der wirtschaftspolitische Handlungsspielraum für jede spätere Rein Zürich oder eine Chemieunternehmung in Basel), fürchtet man kurzfristig einen massiven gierung kleiner wird. Einbruch der Nachfrage, eine Zunahme der Arbeitslosigkeit oder gar soziale Spannungen. Die Versuchung ist dann gross, mit staatlichen Mitteln zu intervenieren, obwohl damit mög- Aufgabe 4 licherweise langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft geschwächt wird. Übung 4
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Konjunkturzyklus 11
Konjunkturzyklus 12
Das haben Sie gelernt
Offene Fragen
Einen vollständigen Konjunkturzyklus beschreiben Die Merkmale der unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus nennen Einige mögliche Ursachen für konjunkturelle Veränderungen nennen Unterschiedliche Konjunkturindikatoren erläutern Volkswirtschaftliche Zielkonflikte aufzeigen
Diese Begriffe können Sie erklären Konjunktur Konjunkturzyklus Konjunkturaufschwung Hochkonjunktur (Boom) Konjunkturabschwung Rezession (Depression) Konjunkturindikatoren Vorauseilende Indikatoren Gleichlaufende Indikatoren Nachhinkende Indikatoren Konjunkturprognose Konjunkturpolitik Keynesianismus Antizyklische Konjunkturpolitik Volkswirtschaftliche Zielkonflikte
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Ordnen Sie die folgenden Aussagen zum Konjunkturzyklus den richtigen Ziffern in der schematischen Darstellung zu.
8
1 7
4
– 10 %
5
Ziffer des zutreffenden Begriffs
Übung 1 Konjunkturzyklus
m) In diesen Phasen sind die Produktionsfaktoren vollkommen ausgelastet, möglicherweise sogar überlastet. n) Unternehmen verzeichnen während zwei Jahren stark sinkende Umsätze und entlassen deshalb viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
3
o) Es werden viele Überstunden geleistet, und die Maschinen laufen rund um die Uhr.
2 6 9
Ordnen Sie die folgenden Begriffe den richtigen Ziffern in der Konjunkturzyklus zu.
p) Zeigt die Gesamtheit aller innerhalb eines Jahres in einem Land hergestellten Güter und Dienstleistungen. q) Zeigt die mögliche, langfristige Entwicklung der Wirtschaftsleistung die zur Verfügung stehen.
aufgrund der Produktionsfaktoren, © 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt schematischen Darstellung desWirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht
a ) Trendwachstum
g ) Konjunkturerholung
b) Zeit
h) Hochkonjunktur
c ) Depression
i ) Konjunkturelle Entwicklung
d ) Konjunkturaufschwung
j) Konjunkturabschwung
e ) Rezession
k ) Boom
f ) BIP
l ) Wachstum bei optimaler Auslastung der Produktionsfaktoren
r) Die Wirtschaftsleistung steigt markant an; Unternehmungen investieren kräftig und stellen neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. s) Die Wirtschaftsleistung stagniert. Überstunden werden abgebaut und Produkte an Lager gelegt. t) Die Wirtschaftsleistung sinkt infolge einer Bankenkrise um 15 %.
Konjunkturzyklus 13
Konjunkturzyklus 14
nachhinkend
Ordnen Sie die folgenden Konjunkturindikatoren der richtigen Kategorie zu.
gleichlaufend
Übung 3 Konjunkturprognose und Konjunkturpolitik vorauseilend
Übung 2 Konjunkturindikatoren
A
B
C
Welche Aussagen sind richtig (R), welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien. a) Keynes ging davon aus, dass das gesamtwirtschaftliche Angebot ausschlaggebend für das BIP-Wachstum ist.
a ) Investitionen b) KOF-Konjunkturbarometer
b) Eine zuverlässige Konjunkturprognose bildet die Voraussetzung für eine Kon junkturpolitik, die drohenden Schwierigkeiten bereits frühzeitig entgegenwirkt.
c ) Privater Konsum d ) Auftragseingänge
c) Keynes empfiehlt zur Bekämpfung einer Rezession die Erhöhung von Staats ausgaben und Steuern.
e ) Arbeitslosenrate f) Preisentwicklung
© 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht d) In Boomphasen sollen nach
der Theorie von Keynes durch Steuererhöhungen und Senkung der Staatsausgaben Schulden zurückbezahlt werden.
g) Exporte h ) Lohnentwicklung
e) Im Konjunkturbarometer der KOF / ETH sind einige gleichlaufende Indikatoren zu einem Sammelindikator zusammengefasst.
i ) Konsumentenstimmung j) Geldumlauf k) Umsätze von Unternehmungen l ) Zinsentwicklung
f ) Es lässt sich nie mit Sicherheit sagen, ob eine Konjunkturprognose richtig oder falsch gewesen sei, weil konjunkturpolitische Massnahmen ja gerade die prognostizierte Entwicklung abschwächen sollten.
Übung 4 Zielkonflikte in der Volkswirtschaft Die folgenden Auswahlaufgaben enthalten immer zwei Aussagen, die miteinander verknüpft sind. Entscheiden Sie sich jeweils für eine der folgenden Antwortmöglichkeiten: A +weil+
B +/+
C +/–
D –/+
E –/–
Beide Aussagen richtig, Verknüpfung trifft zu
Beide Aussagen richtig, Verknüpfung trifft nicht zu
Erste Aussage richtig, zweite Aussage falsch
Erste Aussage falsch, zweite Aussage richtig
Beide Aussagen falsch
Begründen Sie falsche Verknüpfungen oder die falsche Teilaussage in wenigen Worten. a ) Die kurzfristige Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geht häufig zulasten gesunder Staatsfinanzen, weil Zentralbanken dazu gedrängt werden, im Interesse von Wachstum und Vollbeschäftigung die Geldmenge zu erhöhen.
© 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Persönliches von Heinz Ruefenacht dieExemplar Arbeitsb ) Ausschliesslich mit der Erhöhung der Geldmenge kann langfristig losigkeit nicht wirklich reduziert werden, weil reine Geldmengenerhöhungen langfristig keine positive Wirkung auf den Gütermarkt haben, sondern nur zu höheren Preisen führen.
c ) Gravierende Veränderungen der Wirtschaftsstruktur können in bestimmten Regionen oder Branchen zu hoher Arbeitslosigkeit führen, weil Ressourcen langfristig nur dann effizient eingesetzt werden, wenn sich die Unternehmungen, die sie verbrauchen, im freien Wettbewerb bewähren müssen.
d) Vor allem totalitär regierte Staaten unterliegen der Versuchung, kurzfristig konjunkturelle Verbesserungen zulasten der langfristigen Entwicklung zu erzielen, weil sich Regierungen demokratischer Staaten alle vier bis fünf Jahre einer Wahl stellen müssen.
Konjunkturzyklus 15
Konjunkturzyklus 16
Aufgabe 1 Konjunkturprognose aus der Praxis Lesen Sie den vorliegenden Zeitungsartikel und beantworten Sie anschliessend die Fragen dazu.
Deutschland darf auf einen Aufschwung hoffen Laut den führenden Forschungsinstituten gewinnt die deutsche Wirtschaft an Schwung. Das eröffnet finanzpolitische Spielräume. Die Parteien sollten sich davon in den anstehenden Koalitionsverhandlungen3 nicht zu Leichtfertigkeit verführen lassen. Matthias Benz, Berlin Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, die die Bundesregierung in Konjunkturfragen beraten, sehen die deutsche Wirtschaft am Beginn eines Aufschwungs. In ihrer Herbstprognose sagen sie für das kommende Jahr ein reales Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 1,8 % voraus, nachdem das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr bei lediglich 0,4 % zu liegen kommen dürfte. Demnach neigt sich eine Phase dem Ende zu, in der sich die deutsche Wirtschaft mehr oder weniger seitwärts bewegt hatte. Seit Mitte 2011 war die Wirtschaftsleistung nur noch geringfügig gewachsen. Trendwende bei Investitionen Die Forschungsinstitute betonen zwar die Risiken für diesen Ausblick; so schliessen sie etwa eine neuerliche Eskalation der Euro-Schuldenkrise nicht aus. Aber insgesamt sehen sie eine positive Grundtendenz. In einem Umfeld, in dem die Weltwirtschaft wieder stärker werde
und die Euro-Zone langsam zu Wachstum zu- schinen investieren. Eine grössere Dynamik rückfinde, sollten auch die strukturellen Stär- wird schliesslich bei den Exporten prognostiken Deutschlands wieder stärker zum Tragen ziert. Hier sollte sich die Erholung besonders kommen, hiess es bei der Vorstellung des in den Absatzmärkten der Euro-Zone positiv Herbstgutachtens in Berlin. Der Privatkonsum auswirken. Allerdings dürften die Exporte wesoll sich auch im kommenden Jahr als Stütze niger stark steigen als die Importe, wodurch der Konjunktur erweisen, nachdem er schon der Aussenbeitrag das BIP-Wachstum eher seit Längerem von der guten Beschäftigungs- dämpfen wird. und Lohnentwicklung angetrieben worden ist. Eine klare Trendwende erwarten die Institute Schädlicher Mindestlohn bei den Investitionen. Die Unternehmen dürf- Die Prognosen der Forschungsinstitute sind ten demnach ihre jüngste Zurückhaltung able- auch deshalb von Gewicht, weil die Regierung © 2017niedrigen Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen gen, die historisch Zinsen nutzen auf ihrer Grundlage die Finanzplanung erstellt. Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht und wieder kräftiger in Ausrüstungen und Ma- Für die kommenden Jahre sagen die Institute wachsende Überschüsse im Staatshaushalt voraus. Die nächste Bundesregierung solle sich Reale BIP-Entwicklung davon aber nicht zu wirtschafts- und finanzBereinigt, verkettete Volumenangaben politischer Leichtfertigkeit verführen lassen, mahnten die Forscher. 660 5 Bei der Fortführung des bisherigen Kurses ver1,8 füge die Politik über genügend Mittel, um 2,5 635 0,4 gleichzeitig mit der Schuldenreduktion zu be0,7 3,3 ginnen, die kalte Progression abzubauen und 0 610 stärker in Infrastruktur und Bildung zu inves4,0 tieren. Steuererhöhungen brauche es nicht, –2,5 585 diese wären schädlich für die WirtschaftsentPrognose wicklung. Auch dem in den Koalitionsgesprä560 –5 –5,1 2009 2010 2011 2012 2013 2014 chen erörterten gesetzlichen Mindestlohn von € 8.50 erteilten die Institute eine Absage. Dieser Laufende Wachstumsrate in % würde die Wirtschaft belasten und zu erhebliJahresdurchschnitt in % chen Stellenverlusten vor allem in OstdeutschMrd. € (rechte Skala) land führen, hiess es. Quelle: «Neue Zürcher Zeitung», 18.10.2013
3
erhandlung der Parteien (in D) über die Bildung einer ReV gierung, in welcher mehrere Parteien vertreten sind. Ein Koalitionsvertrag bildet die Grundlage für die Zusammenarbeit der Parteien in der Regierung.
a ) Was bedeutet die Aussage, dass die deutsche Wirtschaft an Schwung gewinne?
e2 ) Investitionen?
e 3 ) Aussenbeitrag (Exporte minus Importe) b) Was meint der Autor mit der Aussage, die Wirtschaft habe sich seit 2011 nur noch seitwärts bewegt?
e 4 ) Staat (Konsum und Investitionen)
© 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht c ) Aus welchem Grund könnte sich die Wirtschaft auch anders entwickeln als prognosti ziert?
f ) Empfehlen die Forschungsinstitute eher eine restriktive oder eine expansive Fiskalpolitik? d) Welche äusseren Einflüsse unterstützen die positive Prognose der Forschungsinstitute?
e ) Wie entwickeln sich die einzelnen Komponenten der Gesamtnachfrage? e1 ) Privatkonsum
g) Warum raten die Forschungsinstitute von einem Mindestlohn ab?
Konjunkturzyklus 17
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Aufgabe 2 Konjunkturindikatoren – der Zeit voraus Lesen Sie die Ausschnitte aus einem Artikel der Zeitschrift «Bilanz» und beantworten Sie anschliessend die Fragen dazu.
Indikatoren: Der Zeit voraus Investoren gieren nach Konjunkturdaten. Neue Indikatoren wie Google-Suchabfragen oder Luftfrachtraten können Anlegern für die Börse richtungsweisende Anhaltspunkte geben. Hans Peter Arnold Zu ungenau, zu optimistisch, zu langsam: Das ist der wenig löbliche Kommentar von Klaus Zimmermann, Professor für Wirtschaft an der Universität Bonn, zu Konjunkturprognosen. Wie hoch die Prognoserisiken sind, offenbaren die teilweise erheblichen Revisionen. Zum Beispiel beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco): Im März 2012 sagte das Seco der Schweiz für das laufende Jahr ein reales Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent voraus. Nur drei Monate später korrigierte die Expertengruppe des Bundes das Wachstum um 0,6 Prozentpunkte auf 1,4 Prozent nach oben. […] Um zuverlässigere Prognosen zu generieren, werden heute neue Datenquellen und Erhebungsmethoden evaluiert. Bereits gibt es mehrere Studien, die auf Basis von Suchabfragen auf Google eine Prognosekraft ableiten. So haben die Forscher Concha Artola und Enrique Galán in der Studie «Tracking the Future on the Web» den Zusammenhang zwischen Google-Abfragen nach Automarken und den tatsächlichen Autoverkäufen nachgewiesen. Auch im Tourismussektor sind solche Korre
lationen offensichtlich. Der Reiz solcher Ana- erhofft sich von Konsumenten Aufschluss über lysen besteht sowohl in der hohen Aktualität künftige grössere Anschaffungen. der Daten wie auch in der Beinahe-Repräsen- «Wir müssen neue kurzfristige Indikatoren tativität – aufgrund der breiten Internetnut- gewinnen», fordert Klaus Zimmermann anzung. […] gesichts der voranschreitenden InternetökoLängst nicht nur das Verhalten von Internet- nomie. Die aktuelle Standortbestimmung sei nutzern bietet sich für Real-Time-Analysen ja schon höchst anspruchsvoll. «Internetdaten, und als Baustein für Frühindikatoren an. Ge- die praktisch kontinuierlich erhoben werden testet werden derzeit unter anderem Echtzeit- können, helfen uns, die gegenwärtige Lage Analysen von Handels- und Verkehrsströmen. zu bestimmen.» Als Leiter des Instituts zur Dies geschieht zum Beispiel mithilfe von Satel Zukunft der Arbeit (IZA) hat Zimmermann liten, welche die Zahl der auf den Weltmeeren den Toll-Index lanciert, der Maut-Daten aus 2017 Verlag SKVsowie AG: Brennpunkt Wirtschaft Gesellschaft, in 120 demund Gütertransport aufLektionen den Autobahnen ververkehrenden ©Frachtschiffe ihre GePersönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht wendet. schwindigkeit aufzeichnen. Die Gegenwart hier und jetzt beobachten: Neben realwirtschaftlichen Fakten sollten Da«Now-Casting» heisst dieser Trend, dem sich ten zu Finanzströmen ein stärkeres Gewicht haallerdings die etablierten Prognoseinstitute nur ben, meint Susanne Haury von Siebenthal von zögerlich zuwenden. Für David Marmet, Leiter Publica, der Pensionskasse des Bundes. Haury Volkswirtschaft Schweiz bei der ZKB, steht von Siebenthal steht mit dieser Aussage nicht aber fest, dass Real-Time-Analysen ein grosses allein. Auch andere Experten wie FinanzmarktPotenzial haben. Umfragebasierte Erhebungen professor Erwin Heri sehen gerade die Börsenkönnten so ins Hintertreffen geraten: «Von der indizes als wertvolle Signalgeber Schliesslich Durchführung von Umfragen bis zur Publi seien in den Aktienkursen alle zurzeit verfügkation der daraus gewonnenen Resultate ver- baren Informationen unmittelbar enthalten. streicht bekanntlich viel Zeit.» Viele Prognostiker vernachlässigen diesen SekIn der Kritik stehen insbesondere Fragen, die tor jedoch sträflich. […] in die Zukunft gerichtet sind, allerdings erheb- Neben Daten aus einzelnen Ländern und Zolich vom aktuellen Zeitgeist beeinflusst wer- nen sind globale Konjunkturdaten besonders den. So befragt die Credit Suisse beispielsweise wertvoll. Dazu gehören etwa die Fracht- und im sogenannten ZEW-Indikator des Zentrums Passagierdaten der IATA, des internationalen für Europäische Wirtschaftsforschung Analys- Branchenverbandes der Luftfahrtindustrie. Die ten in der Schweiz nach der Konjunkturten Daten zur Luftfracht weisen derzeit kaum auf denz der kommenden Monate. Oder das Seco eine Expansion der Wirtschaftsaktivität hin,
was Investoren eher zu Vorsicht mahnt und dazu, mit Zukäufen zu warten. Aufschlussreich ist schliesslich das Geschäft der Halbleiterindustrie. Nicht nur in DesktopPCs, Notebooks und Smartphones stecken Halbleiter. Immer mehr Konsum- und Industriegüter sind von Prozessoren durchsetzt. Der Geschäftsgang dieser Branche ist ein verlässlicher Signalgeber für die Weltwirtschaft. Aktuell sind etwa die Daten der in Nordamerika ansässigen Investitionsgüter-Unternehmen (www.semi.org). Im Juni schwächten sich die Aufträge sowohl gegenüber Mai wie auch gegenüber dem Vorjahresmonat erheblich ab. Die schlechten Halbjahreszahlen der meisten IT-Konzerne waren vor diesem Hintergrund eine logische Folge. Selbst unter Einbezug der neuen Generation von Indikatoren ist es höchst anspruchsvoll, den Konjunkturverlauf zuverlässig abzuschätzen. Die Zyklen werden kürzer, die Ausschläge grösser. Vor allem: Der Einfluss der Politik und der Zentralbanken ist exponentiell gestiegen. Nebst Zinssenkungen hätten die wichtigsten Zentralbanken mit unkonventionellen Massnahmen auf die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise reagiert, erklärt David Marmet von der ZKB. Die Modelle, deren sich die Ökonomen in der Vergangenheit bedient hätten, büssten einen Teil ihrer Prognosekraft ein. Marmet: «Ökonomie und Politik hängen heute wesentlich stärker zusammen.» Quelle: «Bilanz», 14.09.2012
a ) Warum werden die bisher üblichen Konjunkturprognosen kritisiert?
Aufgabe 3 Zielkonflikte in der Konjunkturpolitik Lesen Sie den Abschnitt zu den Zielkonflikten in der Konjunktur- und Wirtschaftspolitik (Theo rie, S. 8) aufmerksam durch und beantworten Sie die folgenden Fragen. a) Zwischen welchen Zielgrössen werden beispielhaft drei Zielkonflikte beschrieben?
b) Was unterscheidet die bisherigen Prognoseindikatoren grundsätzlich von den neuen Indikatoren?
b) Fassen Sie die Inhalte der beschriebenen Zielkonflikte in eigenen Worten zusammen; Sie können dabei mit Stichworten und Folgepfeilen arbeiten.
c ) Warum sollen neben realwirtschaftlichen Fakten vermehrt auch Daten zu Finanz strömen (z. B. Aktienindizes) in Prognosen einfliessen? © 2017 Verlag SKV AG: Brennpunkt Wirtschaft und Gesellschaft, in 120 Lektionen Persönliches Exemplar von Heinz Ruefenacht
d) Nennen Sie drei neue Indikatoren, die im Text erwähnt werden.
e ) Interpretieren Sie die Aussage, dass der Einfluss der Politik und der Zentralbanken gestiegen und Prognosen deshalb schwieriger seien.
Konjunkturzyklus 19
Konjunkturzyklus 20
Aufgabe 4 Merkmale der einzelnen Konjunkturzyklen Lesen Sie in der Theorie den Abschnitt über den Konjunkturzyklus (S. 2 – 3). Charakterisieren Sie die vier typischen Konjunkturphasen, indem Sie die jeweilige Ausprägung der Indikatoren aus der ersten Spalte in Stichworten umschreiben. Konjunkturphasen
Konjunkturaufschwung
Hochkonjunktur, Boom
Konjunkturabschwung
Auslastung des Produktionspotenzials
Beschäftigung, Arbeitsmarkt, Arbeitslosigkeit Konsumgüternachfrage (Konsumentenstimmung) Güterpreise, Teuerung
Investitionsgüternachfrage
Zinsentwicklung, Spartätigkeit, Kapitalmarkt Allgemeine Stimmung
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Rezession, Depression