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Sachenrecht
Damit das Zusammenleben in einer Gesellschaft reibungslos funktionieren kann, muss definiert sein, wem welche Sachen gehören und wer über sie verfügen darf. Die Funktion des Sachenrechts besteht deshalb darin, die verschiedenen Sachen eindeutig ihren Besitzern und Eigentümern zuzuordnen. Entsprechend bestimmen die Vorschriften des ZGB, wie Rechte an Sachen, z. B. der Besitz oder das Eigentum an einem Fahrzeug oder einem Grundstück, begründet werden können.
Theorie 1 2 3 4
Übungen
Die rechtliche Gliederung von Sachen ................................................................... Das Eigentum und der Besitz................................................................................. Regeln für den Übergang von Besitz und Eigentum ............................................... Beschränkte Rechte an Sachen.............................................................................. Das haben Sie gelernt............................................................................................ Diese Begriffe können Sie erklären ........................................................................
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Sachenrecht (Ausgabe für Lehrperson)
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Aufgaben 1 2 3 4
Brennpunkt Recht / Gesellschaft
Verschiedene Sachen und Tiere............................................................................. Eigentum und Besitz ............................................................................................. Übergang von Besitz und Eigentum....................................................................... Beschränkte Rechte an Sachen..............................................................................
Etwas gefunden – was nun?.................................................................................. Der Schreibtisch von Herrn Ender........................................................................... Die Rechtsansprüche an einer antiken Truhe.......................................................... Der gestohlene Spiegel .........................................................................................
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Die rechtliche Gliederung von Sachen
Der Begriff «Sache» wird in den Art. 641 ff. ZGB nicht speziell definiert. Unter Sachen im Sinne des Sachenrechts verstehen wir solche Gegenstände, die wir anfassen können. Nicht materiell vorhandene Sachen, beispielsweise die Rechte von Komponisten an ihren Musikstücken, werden deshalb nicht im ZGB, sondern in Spezialgesetzen (z. B. dem Urheberrecht) geregelt. Während unter Fahrniseigentum bewegliche körperliche Sachen verstanden werden, wie z. B. Fahrzeuge oder Möbelstücke, umfasst Grundeigentum unbewegliche Sachen (Grundstücke, Liegenschaften oder Stockwerkeigentum). In der rechtlichen Betrachtungsweise zählen Tiere grundsätzlich auch zu den «Sachen». Zwar gibt es einen «Grundsatzartikel Tier» (Art. 641a ZGB), wonach Tiere keine Sachen sind. In einigen Bereichen sind deshalb spezielle Regeln für Tiere vorgesehen. Falls es jedoch für ein bestimmtes Problem im Zusammenhang mit einem Tier keine tierspezifische Regelung gibt, werden nach wie vor die für Sachen geltenden Vorschriften angewandt. ■ Gliederung der verschiedenen «Sachen» Sachen
Materielle Sachen
Immaterielle Sachen
Sachen, die körperlich vorhanden sind
Sachen, die körperlich nicht vorhanden sind
Unbewegliche Sachen
Bewegliche Sachen
z. B. Liegenschaften, Stockwerkeigentum
z. B. Fahrzeuge, Möbel
Grundeigentum
Fahrniseigentum
werden im ZGB geregelt
Tiere Sind gemäss Art. 641a ZGB keine Sachen; gelten aber dann als Sachen, wenn keine besonderen Regeln bestehen
«Geistige» Sachen z. B. musikalische oder literarische Werke, Patente, Lizenzen
in Spezialgesetzen geregelt, z. B. Urheberrechtsgesetz, Patentgesetz
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Gemäss Art. 641a ZGB gelten Haustiere nicht als Sachen; ihnen kommt eine besondere Stellung zwischen natürlichen Personen und «herkömmlichen Sachen» zu. Mit dem seit 2003 geltenden Gesetz hat man in der Gesetzgebung dem in unserer Gesellschaft gewandelten Empfinden Rechnung getragen, wonach Tiere nicht als Sachen, sondern als empfindsame Lebewesen behandelt werden sollten, deren Würde nicht verletzt werden darf. Der erwähnte «Grundsatzartikel Tiere» hat Auswirkungen auf mehrere Rechtsbereiche, z. B. auf das Erbrecht, das Fundrecht, das Haftpflichtrecht oder das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (SchKG). ■ Erbrecht: Zwar sind Tiere nicht rechtsfähig, entsprechend auch nicht erbfähig, und können deshalb nicht als Erben eingesetzt werden. Wird aber trotzdem ein Haustier testamentarisch mit einem Erbteil oder einem Vermächtnis, z. B. einer grösseren Geldsumme, bedacht, so gilt dies neu gemäss Art. 482 Abs. 4 ZGB als eine «Zuwendung an ein Tier». Damit muss die mit der Auflage belastete Person dafür sorgen, dass die dem Haustier vermachte Summe so eingesetzt wird, dass für das betreffende Tier art- und tiergerecht gesorgt wird, d. h., dass das Haustier an einem «guten Plätzchen» untergebracht wird. ■ Fundrecht: Wird ein Haustier gefunden, und es meldet sich kein Eigentümer, so kann die Finderin (oder ein Tierheim) gemäss Art. 722 Abs. 1bis ZGB bereits nach zwei Monaten über das Tier verfügen (und nicht erst nach fünf Jahren, wie dies für gefundene Sachen generell gilt). ■ Haftpflichtrecht: Wird z. B. ein Hund durch ein Auto angefahren, so können bei schwerwiegenden Verletzungen hohe Kosten für die tierärztliche Behandlung anfallen. Ein Schadensverursacher muss nun dem Tierhalter die Behandlungs- und Heilungskosten vergüten, auch wenn diese den Wert des Tieres übersteigen (Art. 42 Abs. 3 OR). Das Gericht hat ferner im Falle einer Verletzung oder Tötung eines Haustieres die Möglichkeit, dem Tierhalter eine Genugtuungssumme zuzusprechen für den gefühlsmässigen Wert, den das Tier für ihn hatte (Art. 43 Abs. 1bis OR). ■ Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz (SchKG): Im Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1a SchKG wird schliesslich die Unpfändbarkeit von Haustieren festgelegt. Es ist einleuchtend, dass die (wie bei «Sachen» mögliche) Pfändung, d. h. amtliche Beschlagnahmung, eines wertvollen Haustieres, z. B. einer Rassekatze oder eines Rassehundes, für eine sich in Zahlungsschwierigkeiten befindliche Person einen schwerwiegenden Eingriff darstellt. Diese Rechtsnorm gilt (wie auch alle bisher erwähnten) ausdrücklich nur für Haustiere, d. h. Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- und Erwerbszwecken gehalten Übung 1 werden. Aufgabe 1
Hinweis für Lehrpersonen ▼ PPT-Folie / Tafelbild: Folie 2 Eigentum und Besitz
Eigentum
Art. 641 ZGB
Besitz
= alleinige Herrschaft und freies Verfügungsrecht über eine Sache
= tatsächliche Gewalt über eine Sache
Vermieterin
z. B. 3½-Zimmer-Wohnung
Kreditnehmer
z. B. Wertpapiere, die als Sicherheit für einen Kredit hinterlegt werden
bleibt Eigentümer der Wertpapiere
Art. 919 ZGB
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Wohnungsmieterin
Bank
Die Bank hat Wertpapiere in ihrem Tresor und damit die tatsächliche Gewalt darüber
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Das Eigentum und der Besitz
Umgangssprachlich genügt vielfach die Aussage, dass ein Gegenstand einer bestimmten Person «gehört», und die beiden Begriffe «Eigentum» und «Besitz» müssen nicht präzis ausei nandergehalten werden. Am Beispiel eines geleasten Fahrzeugs wird allerdings klar, dass damit die Eigentumsfrage nicht geklärt ist. Wer ein Fahrzeug geleast hat, kann als Besitzer im Rahmen der Bestimmungen des Leasingvertrages darüber verfügen; das Eigentum am Fahrzeug bleibt aber bei der Leasinggesellschaft. ■ Unterschiedliche Rechte von Eigentümern und Besitzern Das Eigentumsrecht ist das umfassendste Recht. Es verleiht die alleinige Gewalt über eine Sache. Der Eigentümer einer Sache kann diese nach eigenem Gutdünken verwenden, verkaufen oder z. B. auch zerstören. Wer hingegen «nur» Besitzer – und nicht gleichzeitig auch Eigentümer – einer Sache ist, darf die entsprechende Sache nicht verkaufen, verpfänden oder zerstören. Als Mieter ist man nur Besitzer einer Mietwohnung und darf ohne Einwilligung des Vermieters nicht einfach eine Wand zwischen zwei Zimmern herausschlagen. Eine ähnliche Unterscheidung gilt beim Lombardkredit: Wenn eine Kreditnehmerin zur Sicherung eines Bankkredites Wertschriften (z. B. Obligationen) bei der Bank hinterlegt hat, so ist die Bank nur Besitzerin der Wertschriften; sie besitzt lediglich das Pfandrecht an den Papieren. Eigentümerin bleibt nach wie vor die Kreditnehmerin. Deshalb müssen auch die jährlichen Zinsen dem Konto der Kreditnehmerin gutgeschrieben werden. Erst wenn der Kredit nicht zurückgezahlt wird, darf die Bank die Wertschriften verwerten und aus dem Erlös ihre Forderung decken. ■ Schranken des Eigentums
Rund zwei Drittel der Schweizerinnen und
Schweizer sind als Mieter zwar Besitzer, aber nicht Wer Eigentümer einer Sache ist, kann geEigentümer ihrer Wohnungen. mäss Art. 641 ZGB in den Schranken der Rechtsordnung nach seinem Belieben über sie verfügen. Dabei sind jedoch im Bereich des Grundeigentums folgende Einschränkungen zu berücksichtigen: Den Nachbarn dürfen keine übermässigen Immissionen von Lärm, Rauch, Geruch oder Erschütterungen zugemutet werden (Art. 684 ZGB).
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Im Interesse der Öffentlichkeit hat der Staat verschiedene weitere Rechtsvorschriften erlassen: Bauvorschriften (z. B. Vorschriften über die Verwendung von Gebäuden oder den Abstand zu anderen Gebäuden), Umweltschutzvorschriften (z. B. Gewässerschutzgesetz), Vorschriften über die staatliche Enteignung von Grundstücken, welche Privatpersonen gehören (z. B. für den Bau einer neuen Quartierstrasse, wobei die Privateigentümer bei einer Enteignung voll entschädigt werden müssen). Auch bei der Ausübung der Eigentumsrechte an beweglichen Sachen bestehen selbstverständlich überall dort Schranken, wo der Staat Vorschriften zur Regelung des Zusammenlebens erlassen hat. Dies betrifft so unterschiedliche Bereiche wie generelle Vorschriften im Verkehrsbereich (z. B. Strassenverkehrsgesetz), die Beförderung gefährlicher Güter auf Strasse, Schiene und Gewässern (z. B. Heizöl, Chemikalien) oder etwa das Waffenrecht (Vorschriften über den Erwerb, das Tragen und den Handel mit Waffen). Übung 2
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Regeln für den Übergang von Besitz und Eigentum
Um zu bestimmen, wer rechtmässiger Eigentümer einer Sache ist, müssen wir die folgenden Regeln berücksichtigen: Regel 1: E igentümer von beweglichen Sachen wird man durch die Übergabe des Kaufgegenstandes. Egal, ob die Sache direkt bezahlt (Barkauf) oder ob sie auf Rechnung gekauft wird (Kreditkauf): Eigentümer von beweglichen Sachen wird man durch die Übergabe des Kaufgegenstandes (Art. 714 ZGB). Falls der Käufer die Rechnung nicht bezahlen kann, bleibt dem Verkäufer nur noch die Betreibung des Käufers übrig. Da eine Betreibung immer mit Kosten und möglichen Verlusten verbunden ist, verlangen die Verkäufer bei Kreditkäufen manchmal einen schriftlichen Vorbehalt, dass der Kaufgegenstand bis zur vollständigen Bezahlung ihr Eigentum bleibe. Damit ein solcher Eigentumsvorbehalt rechtsgültig wird, muss er beim Betreibungsamt am Wohnort des Käufers registriert Aufgabe 2 werden (Art. 715 f. ZGB). Aufgabe 3
Regel 2: V om Besitzer einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er auch ihr Eigentümer ist. Diese «Rechtsvermutung» (Art. 930 Abs. 1 ZGB) erleichtert den Geschäftsverkehr, indem die Käufer davon ausgehen dürfen, dass die Verkäufer rechtmässige Eigentümer der Waren sind.
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Das haben Sie gelernt Eine Sache im sachenrechtlichen Sinn definieren Die spezielle Rechtsstellung von Tieren in ausgewählten Bereichen beschreiben Die verschiedenen Rechtsansprüche an Sachen unterscheiden Die Rechte von Eigentümern und Besitzern an einem Beispiel anwenden Einschränkungen des Eigentumsrechts begründen Voraussetzungen für die Eigentumsübertragung von beweglichen Sachen nennen Die Vermutung, dass ein Besitzer einer Sache deren Eigentümer ist, begründen Die Unterscheidung zwischen gutgläubigen und bösgläubigen Erwerbern erklären und die unterschiedlichen Folgen im Zusammenhang mit gestohlenen Sachen beschreiben Die Funktion des Grundbuches für die Eigentumsübertragung von unbeweglichen Sachen erklären Ein Beispiel einer Grunddienstbarkeit beschreiben Das Grundpfandrecht an einem Beispiel erläutern Grundpfandverschreibung und Schuldbrief unterscheiden Die Bedeutung unterschiedlicher Pfandstellen begründen
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Offene Fragen
Diese Begriffe können Sie erklären Sachenrecht Materielle Sachen Unbewegliche Sachen Bewegliche Sachen Tiere Immaterielle Sachen Eigentum Fahrniseigentum Grundeigentum Eigentumsvorbehalt Besitz Grunddienstbarkeiten Grundlasten Pfandrechte Faustpfand Retentionsrecht Grundpfandrecht Grundbuch
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Übung 1 Verschiedene Sachen und Tiere
Übung 2 Eigentum und Besitz
Welche Aussagen sind richtig (R), welche falsch (F)? Setzen Sie das zutreffende Symbol in das Kästchen, und korrigieren Sie die Fehler auf den leeren Linien. a) Ein Patent als Recht zur alleinigen Nutzung und Verwertung einer Erfindung ist ein typisches Beispiel eines Fahrnisgutes.
… Beispiel eines immateriellen Gutes («Recht zur alleinigen Nutzung» stimmt)
b) Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Stockwerkeigentum sind im vierten Teil des ZGB, dem Sachenrecht, geregelt.
c) Haustiere gemäss dem «Grundsatzartikel Tiere» gelten als Tiere, die im häuslichen Bereich, aber nicht zu Vermögens- und Erwerbszwecken gehalten werden.
d) Im ZGB wird der Begriff «Sache» im Kapitel Sachenrecht in einem umfassenden Sinn definiert. Er umfasst sowohl materielle als auch immaterielle Sachen.
… zur Übernahme der Tierarzt- und Behandlungskosten verpflichtet werden (auch wenn diese den «Sachwert» des Tieres übersteigen).
f) Ein Musikstück ist keine Sache im Sinne des Sachenrechts. Das Urheberrecht eines Komponisten ist entsprechend im Urheberrechtsgesetz und nicht im ZGB geregelt.
Entscheiden Sie, wer in den folgenden Fällen rechtlich gesehen Besitzer und wer Eigentümer der fett hervorgehobenen Sache ist.
F R R
F
Das ZGB regelt nur Rechtsfragen von materiellen Sachen. e) Ein Schadensverursacher kann gemäss dem «Grundsatzartikel Tiere» zu Ersatzleistungen bis maximal zum Sachwert des Tieres verpflichtet werden.
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F
R
Besitzer / Besitzerin
Eigentümer / Eigentümerin
Frau Anderegg fährt mit dem Zug nach Airolo, mietet dort bei den SBB ein Countrybike für eine vergnügliche Fahrt nach Bellinzona.
Frau Anderegg
SBB
Herr Bauer hat vor 4 Wochen ein Portemonnaie mit Banknoten gefunden, das er sofort auf dem Fundbüro abgegeben hat. Es hat sich bisher niemand beim Fundbüro gemeldet.
Fundbüro
Unbekannt
Frau Clerici braucht einen Bankkredit. Als Sicherheit verlangt die Bank ein Pfand. Frau Clerici verpfändet der Bank deshalb Anleihensobligationen im Wert von CHF 120 000.–.
Bank
Frau Clerici
Die Familie Gubser wohnt in einem Einfamilienhaus, das von Karl Moser, der die Liegenschaft vor 10 Jahren erworben hat, vermietet wird.
Familie Gubser
Karl Moser
Das Ehepaar Dähler bewohnt ein eigenes Einfamilienhaus. Für den Kauf des Hauses haben die beiden von der Bank einen Hypothekarkredit von CHF 600 000.– aufgenommen, der zu 2 ¾ % verzinst werden muss.
Ehepaar Dähler
Ehepaar Dähler
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Aufgabe 1 Etwas gefunden – was nun? André Graf findet auf der Strasse eine Brieftasche mit einem Inhalt von CHF 1500.–. Daraus ergeben sich u. a. folgende Fragen: 1. Darf André Graf die Brieftasche behalten? 2. Hat André Graf einen Anspruch auf einen Finderlohn, falls sich der Eigentümer meldet? 3. Was geschieht mit den CHF 1500.–, falls sich der Eigentümer nicht meldet? Solche Fragestellungen lassen sich mithilfe des Sachenrechts beantworten. Öffnen Sie das ZGB, und ergänzen Sie das folgende Inhaltsverzeichnis über das Sachenrecht.
a) Suchen Sie im Gesetz die massgebenden Artikel für die Beantwortung der Eingangs fragen, und notieren Sie Ihre Antworten auf den folgenden Zeilen.
1. Nein, André Graf darf die Brieftasche nicht behalten. Der Fund muss der Polizei gemeldet werden (vgl. Art. 720 Abs. 2 ZGB). 2. Ja, er hat Anspruch auf den Ersatz aller Auslagen sowie einen
Das Sachenrecht (ZGB: Vierter Teil) 1. Abteilung
Das Eigentum
Artikel
18. Titel
– Allgemeine Bestimmungen
641
19. Titel
- Das Grundeigentum
695
20. Titel
– Das Fahrniseigentum
713
2. Abteilung
Die beschränkten dinglichen Rechte
21. Titel
– Dienstbarkeiten / Grundlasten
730
22. Titel
– Das Grundpfand
793
23. Titel
– Das Fahrnispfand
884
3. Abteilung
Besitz und Grundbuch
24. Titel
– Der Besitz
919
25. Titel
– Das Grundbuch
942
angemessenen Finderlohn (Art. 722 Abs. 2 ZGB); als allgemeine Regel für den Finderlohn gilt eine Vergütung von 10 %. 3. Wenn sich der Eigentümer innert fünf Jahren nicht meldet, wird der Finder, d. h. André Graf, Eigentümer der Brieftasche (Art. 722 Abs. 1 ZGB). b) Was würde sich ändern, wenn André Graf die Brieftasche im Schulhaus finden würde?
1. In diesem Fall müsste André Graf die Brieftasche dem Hausdienst (Abwart) abliefern (Art. 720 Abs. 3 ZGB). 2. In diesem Fall wird der «Hausherr», d. h. die Schule, als Finder betrachtet; sie könnte keinen Finderlohn beanspruchen (Art. 722 Abs. 3 ZGB). 3. Gleiche Antwort wie bei Fragestellung a)
c) Melanie Graf findet auf dem Vorplatz ihres Wohnhauses ein kleines Kätzchen. Melanie nimmt das junge Tier bei sich auf, gibt ihm Milch zu trinken und besorgt Katzenfutter für Jungtiere. Gerne würde sie die herzige Katze behalten; Melanie Graf hätte sowieso gerne einmal ein Haustier gehabt (vonseiten des Vermieters sind keine Vorbehalte zu erwarten). Untersuchen Sie die Rechtssituation für die Finderin e ines herrenlosen T ieres. Es gelten die gleichen Fragen wie bei den Aufgaben a) und b): 1. Darf Melanie Graf das Kätzchen behalten? 2. Hat Melanie Graf Anspruch auf einen Finderlohn, falls sich der Eigentümer m eldet? 3. Was geschieht mit dem Kätzchen, falls sich der Eigentümer nicht meldet?
1. Melanie Graf muss den Fund nicht der Polizei, sondern einer vom Kanton bezeichneten Stelle melden (Art. 720a ZGB). Als offizielle Meldestellen gelten je nach Kanton Tierschutzorganisationen oder, wie bei den übrigen Fundgegenständen, die Kantonspolizei. 2. Ja, sie hat Anspruch auf den Ersatz aller Auslagen sowie auf einen angemessenen Finderlohn. Es gibt keinen Unterschied zur Regelung bei «gewöhnlichen» Sachen (Art. 722 Abs. 2 ZGB). 3. Wenn sich der Eigentümer innert zweier Monate nicht meldet, wird Melanie Graf Eigentümerin der Katze (Art. 722 Abs. 1bis ZGB). ▼ Hinweis auf das StGB: Evtl. kann man hier einen Hinweis auf das StGB anbringen: à «Nichtanzeigen eines Fundes»: Art. 332 StGB
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Sachenrecht (Ausgabe für Lehrperson)
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