Recht 11 - LV

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Allgemeine Vertragslehre

Obligationen sind «Schuld- und Forderungsverhältnisse», wonach eine Partei zu einer Leistung verpflichtet und die Gegenpartei zur Einforderung dieser Leistung berechtigt ist. Typische Beispiele für solche Schuld- und Forderungsverhältnisse ergeben sich aus Kauf-, Miet- oder Arbeitsverträgen. Das Obligationenrecht enthält im ersten Kapitel in den Artikeln 1 bis 183 allgemeine Regeln, die auf alle Obligationen anwendbar sind. Dies ist der Grund, weshalb in diesem Kapitel vorerst die «allgemeinen Regeln», unabhängig von einem bestimmten Vertragsverhältnis, dargestellt werden.

Theorie 1 2 3

Übungen

Die Voraussetzungen der Vertragsentstehung ....................................................... Dürfen Verträge aufgelöst werden? ...................................................................... Die Absicherung von Vertragspflichten ................................................................. Das haben Sie gelernt ........................................................................................... Diese Begriffe können Sie erklären ........................................................................

2 8 12 16 17

1 2 3 4 5 6 7

Antrag – Annahme – Widerruf ............................................................................. Verschiedene Formvorschriften ............................................................................. Gründe für nichtige Verträge ................................................................................ Wer ist handlungsfähig? ....................................................................................... Verschiedene Irrtümer .......................................................................................... Geeignete Sicherungsmittel .................................................................................. Rechtsfolgen von Mängeln beim Vertragsabschluss ...............................................

18 18 19 19 20 20 21

Aufgaben 1 2 3 4 5 6 7 8

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Allgemeine Vertragslehre (Ausgabe für Lehrperson)

Offerten und Bestellungen – hin und zurück ......................................................... Formvorschriften für Verträge ............................................................................... Verträge Minderjähriger ....................................................................................... Vollmacht überschritten? ...................................................................................... Rücktrittsrecht bei Kaufverträgen .......................................................................... Absichtliche Täuschung – ja oder nein? ................................................................. Furchterregung – ja oder nein? ............................................................................. Welche Sicherungsmittel sind geeignet? ...............................................................

22 23 24 24 25 26 27 28

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1 Die Voraussetzungen der Vertragsentstehung

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■ Keine Vertragsentstehung falls Antrag ≠ Annahme

Auf die Rechte und Pflichten bei Verträgen kann man sich nur dann berufen, wenn ein Vertrag auch wirklich entstanden ist. Als Erstes müssen wir deshalb untersuchen, ob zwischen den beteiligten Parteien überhaupt ein Vertrag abgeschlossen wurde. Um dies zu prüfen, sind die folgenden Fragen zu beantworten:

Möglichkeit C: Vertrag entsteht nicht 1

Verkäuferin

2

Bestellung (= Antrag)

Lieferung zu veränderten Bedingungen (= Gegenantrag)

■ Die vier Fragen zur Vertragsentstehung 3

1. 2. 3. 4.

Besteht eine übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung? Sind die Formvorschriften eingehalten? Ist der Vertragsinhalt zulässig? Sind die Vertragspartner geschäftsfähig?

Der Käufer bestellt (= Antrag) ohne vorhergehende Offerte. Die Verkäuferin liefert zu veränderten Bedingungen (= Gegenantrag), was nicht einer Annahme des Antrags entspricht. Übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung ist nicht gegeben, es ist kein Vertrag entstanden. 3 Rücksendung der Lieferung möglich. 2

Zum Abschluss eines Vertrags ist eine übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Vertragsparteien erforderlich (Art. 1 OR). Wir müssen dazu klären, ob Antrag und Annahme exakt übereinstimmen. Bei Kaufverträgen bietet z. B. eine Verkäuferin ihre Waren oder Dienstleistungen an, indem sie ein Angebot, eine Offerte, unterbreitet. Dies wird im Gesetz als «Antrag» bezeichnet. Falls nun der Käufer aufgrund dieses Antrages – und exakt gemäss diesem Antrag – bestellt, ist der Vertrag entstanden. ■ Vertragsentstehung falls Antrag = Annahme Möglichkeit A: Vertrag entsteht 1

Offerte (= Antrag) Käufer

Bestellung (= Annahme)

2 1 2

Die Verkäuferin offeriert ihre Leistung. Der Käufer bestellt (= Annahme) gemäss Offerte (= Antrag).

Möglichkeit B: Vertrag entsteht 1

Bestellung (= Antrag)

Verkäuferin

Käufer 2

1 2

Lieferung gemäss Bestellung (= Annahme)

Der Käufer bestellt (= Antrag) ohne vorhergehende Offerte. Die Verkäuferin liefert (= Annahme) gemäss Bestellung.

Rücksendung

1

■ Frage 1: Besteht eine übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung?

Verkäuferin

Käufer

Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass eine Offerte zwar immer ein Antrag ist. Dies ist aber nicht die einzige Möglichkeit, wie ein Antrag gestellt werden kann. Ebenso gut kann die ­Initiative vom Käufer aus gehen. Bestellt nämlich ein Käufer direkt, ohne vorhergehende ­Offerte, so ist dies aus rechtlicher Sicht ebenfalls ein Antrag. Betrachten wir nun die Anträge etwas näher (vgl. Abb. auf Seite 4): Anträge können nämlich auf unterschiedliche Arten gestellt werden, und je nach Antrag bleibt ein Anbieter unterschiedlich lange gebunden: ■ Generell sind die Vertragsparteien an ihre Anträge und Annahmen gebunden. Diese sind jedoch zeitlich nur beschränkt gültig. Soll ein Antrag unverbindlich sein, so muss dies ausdrücklich erwähnt werden, z. B. durch Formulierungen wie «nur solange Vorrat» oder «Preise freibleibend». ■ Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Anträgen «unter Anwesenden» und solchen «unter Abwesenden»: Bei mündlichen Offerten sowie bei Telefongesprächen handelt es sich um Anträge unter Anwesenden. In diesen Fällen sind die Vertragsparteien nur während des Gesprächs an ihre Angebote gebunden (Art. 4 OR). ■ Um einen Antrag unter Abwesenden handelt es sich dann, wenn die Partner nicht ­d irekt mündlich miteinander verhandeln. Falls in schriftlichen Offerten keine Frist zum Vertragsabschluss gesetzt wird, bleibt der Antragsteller an sein Angebot gebunden, bis er bei normalem Postverkehr eine Antwort erwarten darf (Art. 5 OR), was etwa vier ­Arbeitstagen entspricht. Ein allfälliger Widerruf muss jeweils vor oder spätestens gleichzeitig mit dem entsprechenden Antrag oder der entsprechenden Annahme beim Ver- Aufgabe 1 tragspartner eintreffen, damit er rechtlich wirksam wird (Art. 9 OR). Übung 1


Hinweis für Lehrpersonen

■ Widerrufsrecht im E-Commerce In der Schweiz besteht das Widerrufsrecht im E-Commerce nur, wenn der Verkäufer es aus eigenem Antrieb gewährt. In diesem Fall muss der Webshop seine Bedingungen explizit nennen.

▼ PPT-Folie / Tafelbild: Folie 3 Die vier Fragen zur Vertragsentstehung

Die Gesetzgebung der Schweiz sichert dem Kunden kein Recht zu, sich umzuentscheiden und ein Produkt nach einem Online-Kauf zurückzugeben. Der Betreiber eines Webshops kann dieses Recht gewähren, ist aber nicht dazu verpflichtet. Wenn er sich dafür entscheidet, müssen folgende Punkte in den AGB eindeutig festgeschrieben sein:

1. Übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung

• Bestehen des Widerrufsrechts • Rücktrittsfristen • Modalitäten des Widerrufsrechts

4. Geschäftsfähigkeit der Vertragspartner?

Antrag (Offerte/Bestellung) = Annahme (Bestellung/Lieferung)

2. Formvorschriften eingehalten? 3. Vertragsinhalt zulässig?

Wer ein Widerrufsrecht gewährt und dies explizit bekannt gibt, kann dem Kunden gewisse Ängste nehmen und während der Kaufphase das Vertrauen in den Händler stärken. Allerdings benötigt das Unternehmen dann eine entsprechende Logistik, um zurückgesendete Waren in Empfang zu nehmen. ■ Vergleich: Europäische Gesetzgebung ▼ PPT-Folie / Tafelbild: Folien 4 / 5 (animiert) Anders als die Schweiz sieht die Europäische Union ein Widerrufsrecht ohne Verpflichtung zur Angabe von Gründen vor. Der Widerruf muss vom Käufer ausdrücklich erklärt werden und erfolgt am besten schriftlich. Die Rücktrittsfrist beträgt 14 Kalendertage ab Lieferdatum. Bereits gezahlte Beträge sind dem Käufer innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Widerrufs zu erstatten.

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(KMU-Portal des SECO/Praktisches Wissen/Betrieb E-commerce/Erstellung E-Commerce-Site/ Wichtige Informationen)

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befristet/unbefristet

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■ Die verschiedenen Arten von Anträgen

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■ Frage 2: Sind die Formvorschriften eingehalten?

■ Einfache Schriftlichkeit: Einige Verträge müssen in geschriebener Form dauerhaft festgehalten und durch die Unterschrift der Vertragsparteien anerkannt werden; z. B. Zession (= Forderungsabtretung, Art. 165 OR), Schenkungsversprechen (Art. 243 OR), Konkurrenzverbot (Art. 340 OR). Dabei spielt es keine Rolle, ob der eigentliche Vertragstext von Hand oder vorgedruckt abgefasst ist. Lediglich die eigenhändige Unterschrift der sich durch den Vertrag verpflichtenden Partei ist absolut zwingend. ■ Qualifizierte Schriftlichkeit: Bei der qualifizierten Schriftlichkeit werden zusätzliche Bedingungen (Qualifikationen) gestellt, damit der Vertrag rechtsgültig wird: bestimmte Angaben im Vertrag, die Benutzung eines besonderen Formulars oder die eigenhändige Niederschrift. Beispiele solcher Verträge sind der Lehrvertrag (Art. 344a Abs. 2), der Bürgschaftsvertrag (Art. 493 Abs. 2 OR) oder Konsumkreditverträge (Art. 9 ff. KKG, Konsumkreditgesetz). Das eigenhändige Testament gehört zwar nicht zum Vertragsrecht, ist aber ebenfalls ein Rechtsgeschäft, das die qualifizierte Schriftlichkeit als Formerfordernis verlangt. ■ Öffentliche Beurkundung: Bei der öffentlichen Beurkundung wird der Vertrag unter der Mitwirkung einer staatlich anerkannten Urkundsperson (in vielen Kantonen ein Notar) schriftlich ­aufgesetzt. Die Vertragsparteien unterschreiben den Vertrag, und die Urkundsperson bescheinigt, dass dieser dem Willen der Vertragsparteien entspricht. Diese strengste gesetzliche Formvorschrift wird z. B. bei der Gründung einer Mitwirkung einer Urkundsperson bei der Aktien­ gesellschaft (Art. 629 OR), bei ­«öffentlichen Beurkundung» eines Vertrages. Grundstückkäufen (Art. 216 OR) und bei Ehe- oder Erbverträgen (Art. 184 ZGB bzw. Art. 512 ZGB) verlangt.

Grundsätzlich entstehen Verträge auch mündlich (Formfreiheit gemäss Art. 11 OR) – wir sprechen demgemäss vom Grundsatz der Formfreiheit. Dadurch können Verträge rasch abgeschlossen werden. Stellen Sie sich vor, Sie müssten für jede Packung Kaugummi, die Sie am Kiosk kaufen, zuerst noch unterschreiben! In vielen Fällen ist ein schriftlicher Vertrag einer mündlichen Vereinbarung vorzuziehen, weil damit ein Beweis für das Zustandekommen und den Inhalt des Vertrags besteht. Für einzelne Verträge ist eine bestimmte Form ausdrücklich durch das Gesetz vorgeschrieben. Man kann drei unterschiedlich «strenge» Formvorschriften unterscheiden:

Neben dem Vorteil der Beweissicherung dienen diese gesetzlichen Formerfordernisse dem Schutz der Parteien: Bei Verträgen von grosser Tragweite schützt eine Formvorschrift vor übereilten Entschlüssen. Ein schriftlicher Vertrag zwingt die Vertragsparteien ausserdem zu einer präzisen Formulierung ihrer Absichten. Wird die gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten, so gilt ein solcher Vertrag als nicht abgeschlossen. Solche Verträge, auch nichtige Verträge genannt, entfalten damit keine rechtlichen Wirkungen. Keine Vertragspartei kann aufgrund solcher Vereinbarungen Aufgabe 2 rechtliche Forderungen ableiten. Übung 2

Anträge (Angebote, Offerten)

unverbindlich

verbindlich

(Art. 7 Abs. 1 OR) unbefristet

befristet (Art. 3 OR)

unter Anwesenden

unter Abwesenden

(Art. 4 OR)

(Art. 5 OR)

Das Versenden von Preislisten oder Tarifen gilt nicht als Antrag. Das sind in erster Linie I­nfor­mationen darüber, welche Leistungen zu welchen Preisen angeboten werden (Art. 7 Abs. 2 OR). Wohnungs- oder Stelleninserate in Zeitungen sind rechtlich keine verbindlichen Anträge. Es sind lediglich «Einladungen», Vertragsverhandlungen aufzunehmen, d. h., selber Offerten zu erstellen. Ein «Spezialfall» sind unbestellte Warenlieferungen. Diese müssen weder zurückgesandt noch aufbewahrt werden (Art. 6a OR). Daraus folgt, dass der Empfänger über die Ware frei verfügen kann. Erklärungen wie «Wenn Sie die Sendung innert 30 Tagen nicht retournieren, gehen wir von einem rechtsgültigen Kauf aus» begründen keine Rücksendungspflicht. Nur wenn es sich um offensichtlich irrtümlich zugestellte Gegenstände handelt, muss der Empfänger den Absender benachrichtigen. Dies ist beispielsweise bei einer Verwechslung aufgrund einer falschen Adresse gegeben.


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 Das haben Sie gelernt Voraussetzung für die Entstehung von Obligationen aus einem Vertrag gemäss Art. 1 OR veranschaulichen Je ein Beispiel für verbindliche und unverbindliche Anträge unter Abwesenden nennen Die Pflichten bei unbestellt zugesandten Waren nennen Die gesetzlichen Formvorschriften begründen und unterscheiden Die Schranken der Vertragsfreiheit begründen und unterscheiden Die Voraussetzungen der Handlungsfähigkeit prüfen Die Stellvertretungsmöglichkeiten der Vertragsparteien beurteilen Das Rücktrittsrecht von Verträgen beschreiben Anhand einfacher Fallbeispiele entscheiden, ob ein Widerruf rechtlich wirksam ist Mithilfe der Tatbestandsmerkmale über die Gültigkeit von Verträgen entscheiden sowie die Rechtsfolgen der ungültigen Verträge nennen Acht mögliche Massnahmen zur Sicherung der Vertragserfüllung vorschlagen Vorgeschlagene Sicherungsmittel für konkrete Verträge beurteilen

Offene Fragen

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 Diese Begriffe können Sie erklären Obligation (rechtlich)

Ungültige Verträge

Verträge

Übervorteilung

Antrag und Annahme

Mängel beim Vertragsabschluss

Verbindlich / unverbindlich

Irrtum

Befristet / unbefristet

Wesentlicher Irrtum

Unter Anwesenden / unter Abwesenden

Unwesentlicher Irrtum

Widerruf

Absichtliche Täuschung

Formvorschrift

Furchterregung

Formfreiheit

Nichtige Verträge

Einfache Schriftlichkeit

Anfechtbare Verträge

Qualifizierte Schriftlichkeit

Sicherungsmittel

Öffentliche Beurkundung

Konventionalstrafe

Urkundsperson

Zession

Inhaltsfreiheit

Lohnzession

Schranken der Vertragsfreiheit

Kaution

Geschäftsfähigkeit

Solidarbürgschaft

Handlungsfähigkeit

Eigentumsvorbehalt

Urteilsfähigkeit

Grundpfand

Volljährigkeit

Faustpfand

Kaufmännische Stellvertretungen

Retentionsrecht

Prokura (ppa.) Handlungsvollmacht (i. V.)

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a) Otto kauft 50 ABB-Aktien zum Kurs von CHF 27.12 in Erwartung steigender Kurse. Vier Tage später fällt der Kurs der Aktie auf CHF 16.30.

anfechtbar

nichtig

Kreuzen Sie an, was auf den Sachverhalt zutrifft und geben Sie den ­Tatbestand und die genaue Gesetzesstelle an, der Sie zu Ihrer Antwort ­veranlasst hat.

gültig

Übung 7 Rechtsfolgen von Mängeln beim Vertragsabschluss

g

a

n

Tatbestand

Gesetzesstelle

Irrtum im Motiv

Art. 24 Abs. 2 OR

X

Absichtliche Täuschung

Art. 28 OR

X

Übervorteilung

Art. 21 OR

X

Erklärungsirrtum

Art. 24 Abs. 1 Ziff. 2 OR

X

Widerrechtlichkeit

Art. 20 OR

X

Sittenwidrigkeit

Art. 20 OR

Furchterregung

Art. 29 OR

Unwesentlicher Irrtum (Motivirrtum)

Art. 24 Abs. 2 OR

X

b) Paul kauft einen Occasions-BMW, Jahrgang 2020, TachometerStand 20 000 km, für CHF 40 000.–. Zwei Monate später erfährt er, dass der Kilometerzähler vom Verkäufer verstellt wurde. Effektiver Kilometerstand: 55 000. c) Schmuckhändler Ludwig kauft von einem Drogenabhängigen, der dringend Geld für Drogen braucht, wertvollen Familienschmuck für CHF 5000.–. Der geschätzte Wert des Schmucks beträgt CHF 30 000.–. d) Andrea will bei einem Versandhaus einen weissen Mantel bestellen, erhält aber einen schwarzen Mantel zugestellt, weil sie die falsche Artikel-Nr. angekreuzt hat. e) Olga verkauft Tim 1 kg Heroin für CHF 10 000.–. f) Gegen Bezahlung von CHF 50 000.– versprechen die Eltern einem Geschäftsmann, dass ihre 14-jährige Tochter ihn in 5 Jahren heiraten werde. g) Hans stellt Claudia als Mitarbeiterin in seiner Bank ein, weil diese ­gesehen hat, dass er nachts einen Fussgänger angefahren und ­anschliessend Fahrerflucht begangen hat. Claudia stellte ansonsten eine Strafanzeige in Aussicht. h) Elisa kauft einen Lottoschein, weil sie sich eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn ausrechnet. Tatsächlich gewinnt sie nichts.

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Aufgabe 1

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Offerten und Bestellungen – hin und zurück

Claudia Gubser, Inhaberin der Einzelfirma Gemüsehandel Gubser, richtet derzeit ihre Büround Ladenräumlichkeiten neu ein. Auf der Suche nach günstigem Mobiliar hat sie einiges ­erlebt. Beurteilen Sie die folgenden Sachverhalte aus rechtlicher Sicht. Berücksichtigen Sie dabei Art. 3 bis Art. 9 OR. a) Claudia Gubser hatte auf ein Zeitungsinserat hin einen PC-Schreibtisch zum Preis von CHF 499.– bestellt. Der Verkäufer teilte ihr am Telefon mit, dass sie schon alle Modelle verkauft hätten. Kann sich Frau Gubser auf das Zeitungsinserat berufen und Schaden­ ersatz (Mehrpreis von CHF 100.– bei einem anderen Lieferanten) verlangen?

c) Frau Gubser erkundigte sich bei der Office-Line nach einem Aktenschrank. Am Telefon bot ihr der Verkäufer einen Rollo-Aktenschrank mit verstellbarer Jalousie­ front für CHF 349.– an. Als sie nach zwei Wochen den Schrank bestellen will, sagt ihr der ­Verkäufer, dass aufgrund einer Preiserhöhung des Lieferanten der Verkaufspreis auf CHF 389.– gestiegen sei. Kann Frau Gubser auf dem alten Angebot bestehen?

Nein. Angebote am Telefon gelten rechtlich als Anträge unter Anwesenden. Falls keine Frist gesetzt und das Angebot

Nein. Ein Zeitungsinserat ist rechtlich kein Antrag.

nicht sofort angenommen wurde, ist der Antragsteller nicht

Die Bestellung von Frau Gubser bedeutet rechtlich eine Offerte,

länger an sein Angebot gebunden (Art. 4 OR).

die vom Verkäufer nicht angenommen werden muss (Art. 7 Abs. 2 OR).

b) Im Schaufenster des Office Store war ein Fitnessdrehstuhl mit integrierter Body-­ Balance-Technologie, verstellbarer Rückenlehne, lastabhängig gebremsten Rollen sowie höhenverstellbaren Armlehnen (Katalogpreis CHF 529.–) zum Aktionspreis von CHF 429.– ausgestellt. Als Frau Gubser das günstige Modell im Laden kaufen wollte, sagte ihr die Verkäuferin, das Sonderangebot sei vor zwei Tagen abgelaufen; sie habe vergessen, das Preisschild auszuwechseln. Kann Frau Gubser auf dem Verkaufspreis von CHF 429.– ­bestehen?

d) Angebot auf einem Flyer mit QR-Code: «Fachbodengrundregal exklusive Kreuzverstrebung. Sehr stabil bei einfachster Montage, einfaches Stecksystem, schnelle werkzeuglose Montage, 6 Tablare / Fachböden mit einer Tragkraft von 200 kg (Höhe 2500, Breite 850, Tiefe 300) zum Preis von CHF 116.–.» Dieses Modell bestellt Frau Gubser um 17 Uhr mit dem QR-Code online über die Website der Unternehmung. Am nächsten Tag erscheint in der Zeitung ein noch attraktiveres Angebot. Da Frau Gubser noch keine Auftragsbestätigung erhalten hat, widerruft sie sofort ihre Bestellung (wiederum per Mail). Ist Frau Gubser damit von ihrer ersten Bestellung wieder frei und kann stattdessen das günstigere Modell bestellen?

In der Schweiz besteht das Widerrufsrecht nur, wenn der

Ja. Schaufensterauslagen mit Preisangaben gelten als verbindliche

Verkäufer es aus eigenem Antrieb gewährt. In diesem Fall muss

Anträge (Art. 7 Abs. 3 OR).

der Webshop seine Bedingungen explizit nennen.

Mit dem Antrag von Frau Gubser, den Bürostuhl zu kaufen,

Die Gesetzgebung der Schweiz sichert dem Kunden kein Recht zu,

liegt eine übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung und

sich umzuentscheiden. Der Betreiber eines Webshops kann dieses

damit ein gültiger Vertrag vor.

Recht gewähren, ist aber nicht dazu verpflichtet.


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