Traudl Kukuk: „Wir waren die Seele des Heiligenhofs“ (Seite 3)
Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Reicenberger Zeitung 161. Jahrgang
HEIMATBOTE
Jahrgang 74 | Folge 25 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 24. Juni 2022
VOLKSBOTE
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Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Italien und Rumänien reisten gemeinsam nach Kiew
Ukraine wird EU-Beitrittskandidat: Was bedeutet das für Europa? Bildungsminister Petr Gazdík.
Korruptionsaffäre
Minister Gazdík tritt zurück
Sonntag, 9.55 Uhr: Petr Gazdík, Bildungsminister im Kabinett von Petr Fiala und stellvertretender Stan-Vorsitzender, twittert eine Meldung in eigener Sache, die ein politisches Beben auslöst: Seinen Rücktritt.
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ch habe mich entschieden, am 30. Juni vom Amt des Bildungsministers zurückzutreten. Dabei bin ich mir keiner Schuld bewußt, auch nicht auf sachlicher, geschweige denn auf strafrechtlicher Ebene. Allerdings werfen meine Kontakte zu einigen Leuten auch einen Schatten auf die Stan-Bewegung. Ich will weder die Regierung noch die Koalition an der Schwelle zur EU-Ratspräsidentschaft erschüttern“, erklärt Gazdík. Ebenfalls via Twitter antwortete Fiala: „Ich nehme die Entscheidung von Petr Gazdík, als Minister zurückzutreten, zur Kenntnis. Vielen Dank für seine bisherige Arbeit. Ich begrüße seinen Schritt und werte ihn als Ausdruck des politischen Kulturwandels, den diese Regierungskoalition anstrebt.“ Hintergrund ist ein Korruptionsskandal rund um die Prager Verkehrsbetriebe, dessen ganzes Ausmaß derzeit scheibchenweise an die Öffentlichkeit kommt. Im Mittelpunkt steht der umstrittene Unternehmer Michal Redl, zu dem Gazdík private Kontakte gehabt haben soll. Redl befindet sich laut tschechischen Medienberichten neben dem stellvertretenden Prager Oberbürgermeister Petr Hlubuček (Stan) seit Freitag in Untersuchungshaft. Zuvor hatte die Polizei eine Razzia in den Prager Verkehrsbetrieben durchgeführt. Redl, Hlubuček und elf weitere Personen werden verdächtigt, systematisch Positionen bei den Verkehrsbetrieben besetzt zu haben, um Ausschreibungen zu beeinflussen und Bestechungsgelder einzustreichen. Gazdík gehört nach aktuellem Ermittlungsstand nicht zum Kreis der Verdächtigen, soll aber Redl mehrfach getroffen und mit ihm über nicht abhörbare Mobiltelefone kommuniziert haben. Redl war bereits 2003 im Zuge eines Millionenbetrugs um die Firma Technology Leasing ins Fadenkreuz der Justiz geraten. Damals entging Redl einer Anklage und möglichen Haftstrafe, weil Gutachter ihm bescheinigten, verhandlungsunfähig zu sein. Seitdem steht Redl unter der Obhut eines Vormunds. TF
Es ist ein starkes Zeichen europäischer Solidarität: Mit Olaf Scholz, Emmanuel Macron, Mario Draghi und Klaus Iohannis haben sich die Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Italien und Rumänien bei ihrer Reise nach Kiew dafür ausgesprochen, der Ukraine den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu verleihen.
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ückblende: Auf dem 72. Sudetendeutschen Tag, der über Pfingsten in Hof stattgefunden hat, sind Klaus Iohannis und sein ukrainischer Amtskollege Wolodymyr Selenskyj mit den Karls-Preisen 2020 und 2022 der Sudetendeutschen Landsmannschaft ausgezeichnet worden. Während Selenskyj kriegsbedingt nicht zur Karls-Preisverleihung reisen konnte, war Iohannis vor Ort und nutzte die Gelegenheit, um anschließend mit Bernd Posselt, dem Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, ein ausführliches Vier-Augen-Gespräch über die Ukraine zu führen. Posselt war zwanzig Jahre Abgeordneter des EU-Parlaments, ist im CSU-Parteivorstand Beauftragter für Mittel- und Osteuropa und seit 1998 Präsident der Paneuropa-Union. Als ausgewiesener Experte für Mittel- und Osteuropa verfügt Posselt über exzellente Verbindungen zu den dortigen Bürgerrechtlern. So war er beim Zusammenbruch des Ostblocks und der Sowjetunion an Ort und Stelle und trieb im Europaparlament die EU-Osterweiterung voran. Als erster Politiker hatte Posselt in einer Rede unter dem Titel „Blut für Öl“ vor dem EU-Parlament am 7. Oktober 1999 vor Putin gewarnt, also mehrere Monate, bevor dieser Präsident wur-
Die Karls-Preisträger Klaus Iohannis und Wolodymyr Selenskyj in Kiew. Links: Ministerin Ulrike Scharf und Bernd Posselt begrüßen Iohannis in Hof. F: Administrația Prezidențială /TF de. Putin war damals für kurze Zeit Premierminister unter Boris Jelzin und verantwortlich für den völkermörderischen Angriffskrieg gegen das tschetschenische Volk, den sogenannten zweiten Tschetschenienkrieg. 2015 wurde Posselt mit 88 weiteren Kritikern von Putin auf eine Schwarze Liste gesetzt und mit
einem Einreiseverbot nach Rußland belegt. Die Initiative der vier Regierungschefs, die Ukraine möglichst schnell in die Europäische Union aufzunehmen, beherrschten die Schlagzeilen in ganz Europa. Dabei sind die Hürden für einen EU-Beitritt normalerweise hoch, das Verfahren kom-
plex und zeitraubend. Die Türkei ist seit 1999 Beitrittskandidat, die Verhandlungen liegen aber wegen Rückschritten bei Menschenrechtsfragen seit 2016 auf Eis, Nordmazedonien hat sich 2004 um eine EU-Aufnahme beworben, Montenegro und Serbien 2008, Albanien 2009 sowie Bosnien und Herzegowina 2016. Das Kosovo ist ebenfalls „potentieller Beitrittskandidat“, hat aber als einziger Balkanstaat noch keinen EU-Beitrittsantrag gestellt. Für die Ukraine soll jetzt alles schneller gehen, sehr schnell. Doch es gibt bereits erste kritische Stimmen. „Wir müssen sicherstellen, daß dieselben Maßstäbe angewandt werden wie auch bei anderen Beitrittswerbern aus dem Westbalkan. Vor diesem Hintergrund wäre es für mich etwa nicht vorstellbar, der Ukraine einen Kandidatenstatus zu gewähren und zugleich Länder wie Bosnien-Herzegowina weiterhin außen vor zu halten“, meldete der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer Bedenken an. Festgelegt sind die Bedingungen, die ein EU-Bewerber erfüllen muß, in den „Kopenhagener Kriterien“, die aus drei Bereichen bestehen: Erstens: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Stabilität der Institutionen, Achtung und Schutz von Minderheiten sowie Menschenrechten. Zweitens eine funktionierende Marktwirtschaft. Und drittens die Übernahme der gemeinschaftlichen Regeln und Standards der EU. Kritiker werfen der Ukraine vor, wesentliche Elemente der „Kopenhagener Kriterien“ derzeit nicht vollständig zu erfüllen. Warum Widerspruch gerade aus dem Nicht-Nato-Staat Österreich kommt, dürfte auch in der Bei-
standspflicht begründet sein, die im Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union festgeschrieben ist. Dort heißt es: „Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen.“ Auch wenn die ursprünglich vorgesehene Version „müssen Hilfe und Unterstützung leisten“ in „schulden“ abgemildert wurde, ist es für Österreich und die anderen Nicht-Nato-EU-Mitglieder entscheidend, deutlich zu machen, daß der Artikel 42 keine automatische Beistandsverpflichtung wie der Artikel 5 des Nato-Vertrags auslöst. In einem Gutachten hat die Landesverteidigungsakademie für das österreichische Verteidigungsministerium bereits klare Grenzen gezogen: „Artikel 42 (7) EU‐Vertrag kann in keiner Weise mit dem Prinzip der kollektiven Verteidigung verglichen werden, das kennzeichnend für die Nato ist.“ Falls sich Österreich tatsächlich an einem Beistand innerhalb der EU beteiligen möchte, so warnt die Landesverteidigungsakademie, „müßte Österreich unter Einhaltung des verfassungsgesetzlich vorgesehenen Verfahrens das Neutralitäts‐BVG vom 26. Oktober 1955 aufheben, in der Folge müßte auch die Abkehr vom Neutralitätsstatus der Staatengemeinschaft notifiziert werden“. Solch ein fundamentaler Kurswechsel ist in Österreich nach wie vor undenkbar. So haben sich in einer aktuellen Umfrage 71 Prozent dafür ausgesprochen, daß Österreich neutral bleibt. Torsten Fricke
Analyse des Institutes für Weltwirtschaft zeigt, welche Länder wie unterstützen
Solidarität mit der Ukraine
Um die hohen Kriegskosten zu finanzieren und einen weiteren Wirtschaftskollaps abzuwenden, erhält die Ukraine massive Unterstützung, zeigt eine Analyse des Institutes für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel.
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u den großen Geberländern gehören allerdings ausschlie-
lich Nato-Staaten sowie Australien als „Major non-NATO ally“. Dabei könnten laut Artikel 51 der Gründungscharta der Vereinten Nationen, wonach allen UN-Mitgliedsstaaten das „naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung“ zusteht, auch andere Nationen die Ukraine unterstüt-
Die USA, als größter militärischer Unterstützer der Ukraine, haben bislang knapp die Hälfte der zugesagten Waffen, geliefert. Grafiken: IfW Kiel
zen, zumal in Kapitel VII der UNCharta im Detail „Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“ geregelt sind. Prof. Dr. Christoph Trebesch, der beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel das Projekt „Ukraine Support Tracker“ leitet, erklärt die dramatische Lage: „Neben Waffen wird finanzielle Hilfe zunehmend dringlich für die Ukraine. Der Krieg läßt die Steuereinnahmen einbrechen und verursacht zugleich enorme Kosten, etwa zur Bezahlung der Soldaten oder zur Reparatur essenzieller Infrastruktur. Das bringt den Staatshaushalt unter Streß.“ Nach einer Schätzung des Internationalen Währungsfonds steht die Ukraine vor einer gigantischen Finanzierungslücke von fünf Milliarden Euro – pro Monat. Torsten Fricke
Geld, humanitäre Hilfe und Waffen: Nach den USA, der EU und Großbritannien ist Deutschland der viertgrößte Geber für die Ukraine.
Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt sind es vor allem die baltischen Staaten sowie Polen, die große Kraftanstrengungen unternehmen.
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AKTUELL · MEINUNG
Sudetendeutsche Zeitung Folge 25 | 24. 6. 2022
AUS UNSEREM PRAGER BÜRO
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er neue Vorsitzende des Kulturverbandes der Deutschen heißt Radek Novák und steht in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu der anderen und in unseren Reihen gut bekannten KV-Amtsträgerin Irene Novak. Der Prager Novák (46) verbindet in seiner Person auf wunderbare Weise das tschechische, deutsche und jüdische Element. SL-Büroleiter Peter Barton erinnerte in seiner Gratulation zu Nováks Ernennung an die histo-
risch enge Verbindung zwischen diesen drei Bevölkerungsgruppen der böhmischen Länder. Novák arbeitet als Stellvertreter von Jakub Štědroň, dem Direktor des Hauses der nationalen Minderheiten, und verfügt über praktische Erfahrungen in der Minderheitenarbeit. Das Prager Sudetendeutsche Büro konnte sich von Anfang an auf die Hilfe und Zusammenarbeit des Kulturverbands der Deutschen, der jüdischen Gemeinden in der ČR sowie der Roma-Verbände verlas-
PRAGER SPITZEN sen. Der Kulturverband entstand im Jahr 1969 als echtes „Kind des Prager Frühlings“ und bemüht sich bis heute darum, die deutsche Sprache und Kultur in der Tschechischen Republik zu bewahren.
Prag sichert sich LNG-Lieferungen
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Deutscher Botschafter würdigt die tschechischen Helden der Operation Athropoid
„Ihre Tat im Jahr 1942 war ein Licht im Dunkeln der NS-Diktatur“ „Ich bin dankbar für die Geste, daß der Deutsche Botschafter zum ersten Mal an der Gedenkfeier vor der Kirche St. Kyrill und Method teilnehmen konnte“, hat Andreas Künne, deutscher Botschafter in Prag, am Samstag auf Tschechisch getwittert.
as tschechische Abgeordnetenhaus hat am Freitag vorgeschlagen, dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj den „Orden des Weißen Löwen“ zu verleihen. Die endgültige Entscheidung trifft Präsident Miloš Zeman, der die höchste tschechische Auszeichnung dann am 28. Oktober, dem Staatsgründungstag, überreicht. Selenskyj war bereits auf dem 72. Sudetendeutschen Tag (in Abwesenheit) mit dem Karls-Preis der Sudetendeutschen Landsmannschaft ausgezeichnet worden.
Für die Bundesrepublik Deutschland legte Botschafter Andreas Künne während der zentralen Gedenkveranstaltung einen Kranz nieder und würdigte die heldenhafte Tat der tschechischen Fallschirmjäger Jozef Gabčík und Jan Kubiš und ihrer fünf Kameraden. Fotos: Twitter
„Es gibt viele Ereignisse und Taten in unserer Geschichte, auf die wir stolz sein können und derer wir gedenken sollten. Dazu gehört auch der unglaublich tapfere Kampf der tschechoslowakischen Fallschirmjäger, die vor 80 Jahren in der Kirche St. Kyrill und Method bis zum letzten Augenblick gegen die Nazis gekämpft haben. Ihr ungeheurer Mut ist für immer in das Gedächtnis unserer Nation eingebrannt. Wir werden ihr Andenken in Ehren halten.“ Für die Bundesrepublik Deutschland legte der deutsche Botschafter Andreas Künne an der Gedenktafel einen Kranz nieder und würdigte die Heldentat auf Tschechisch via Twitter: „Das Richtige tun – auch wenn es das ultimative Opfer bedeuten kann. Die Fallschirmjäger, die Heydrich erfolgreich angriffen, hatten solchen Mut. Ihre Tat im Jahr 1942 war ein Licht im Dunkeln der NS-Diktatur.“
Vom 14. bis 17. Juli in der Münchner Hochstraße
Allerley Feierei: Sudetendeutsches Museum lädt zum großen Sommerfest ein Es ist ein Leuchtturmprojekt für die bayerische Kulturlandschaft, doch die offizielle Eröffnung des Sudetendeutschen Museums hatte am 12. Oktober 2020 pandemiebedingt nur im allerkleinsten Kreis stattfinden können. Jetzt wird dieses Ereignis mit einem mehrtägigen Fest vom 14. bis 17. Juli nachgeholt.
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ier Tage lang bietet das Sudetendeutsche Museum in der Hochstraße 10 jede Menge Veranstaltungen für Groß und Klein, Jung und Alt. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist an diesen Tagen frei. Am Donnerstag, 14. Juli, um 19.00 Uhr, eröffnet das Museum die neue Sonderausstellung „allerley kunststück“ mit wertvollen Reliefintarsien aus Eger. Alle Interessierten sind eingeladen, die Vernissage zu besuchen. Die Ausstellung geht anschließend bis Sonntag, 4. Dezember und ist zu den Öffnungszeiten des Museums (dienstags bis sonntags, 10.00 bis18.00 Uhr) zu besichtigen. Fetzig wird es am Freitag,
Staatsorden für Präsident Selenskyj
Theater aus Kiew zu Gast in Prag
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as ukrainische Theater Left Bank Theatre aus Kiew hat am Montag bei einem Gastspiel im Prager Schauspielhaus Komedie das Stück „Zerstörte Straßen“ der Dramatikerin und Regisseurin Natalija Woroschbyt gezeigt. Das Stück basiert auf der Annexion der Krim durch Rußland im Jahr 2014. Das Drama war 2017 im Royal Court Theatre in London uraufgeführt worden.
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ie tschechische Regierung erschien gleich mit vier Kabinettsmitgliedern, was unterstreicht, welche Bedeutung die erfolgreiche Kommandoaktion „Anthropoid“ gegen den Nazi-Mörder und Holocaust-Verantwortlichen Reinhard Heydrich („Das mutige Attentat auf den Schlächter von Prag“, Sudetendeutsche Zeitung, Ausgabe 23) noch heute hat. Premierminister Petr Fiala wurde von Verteidigungsministerin Jana Černochová, Kulturminister Martin Baxa und dem Minister für Gesetzgebung, Michal Šalomoun, begleitet. Anwesend waren auch zahlreiche Vertreter der beiden Kammern des tschechischen Parlaments sowie der slowakische Verteidigungsminister Jaroslav Nad. Vor 80 Jahren, am 18. Juni 1942, kam es in der Kirche St. Kyrill und Method zu einem stundenlangen Gefecht zwischen 800 SS-Männern und den tschechischen Fallschirmjägern Jozef Gabčík und Jan Kubiš, die sich mit fünf weiteren Widerstandskämpfern hier versteckt hatten. Am Ende entgingen die Helden durch Tod oder Selbstmord einer Verhaftung samt Folter durch die Nazis. Premierminister Petr Fiala:
rster Erfolg im Bemühen, unabhängiger von russischem Gas zu werden: Über den halbstaatlichen Energiekonzern ČEZ hat sich Tschechien Kapazitäten für Flüssigerdgas (LNG) gesichert, das über zwei schwimmende Terminals in den Niederlanden importiert wird. Laut einem Bericht der Tageszeitung Deník N sollen die Terminals ab Herbst vor Eemshaven ankern. Die Speicherkapazität der Anlagen beträgt acht Milliarden Kubikmeter Gas, was knapp unter dem Jahresverbrauch in Tschechien liegt. Wie groß der Anteil ist, den Tschechien erhält, wurde nicht veröffentlicht.
des Firmengründers Babiš während dessen Amtszeit als Minister und Premierminister. Agrofert erklärte dagegen über einen Sprecher, man gehe nicht von einer Rückzahlung aus, da Babiš 2017 die Leitung des Konzerns an zwei private Treuhandfonds übertragen habe.
15. Juli, von 20.30 bis 24.00 Uhr: Ein modernes Konzert, in dem Rap- auf Elektromusik trifft, leitet das Wochenende ein. Es treten auf: Rick TheOg und May Rei. Eine spektakuläre Lasershow wird einer der Höhepunkte des Abends sein. Am Samstag, 16. Juli, veranstaltet die Museumspädagogik von 10.00 bis 14.00 Uhr eine lustige Museumrallye für Kinder und Familien. Jeweils um 11.00 und 14.00 Uhr begeistert das Puppentheaterspiel: „Heute kocht der Kasperl“. Interaktiv wird es von 16.30 bis 17.45 Uhr. Der Böhmerwaldbund lädt zu Mitmachtänzen für Kinder ein. Schließlich rundet am Sonntag, 17. Juli, von 9.30 bis 13.00 Uhr der Böhmische Frühschoppen das Museumsfest kulinarisch ab. Sonderführungen durch die Dauerausstellung finden am letzten Tag des Museumsfestes um 10.30, 11.00, 11.30 und 16.30 Uhr statt. Kuratorenführungen durch die Sonderausstellung sind jeweils um 10.45 und 16.30 Uhr.
Seit seiner Eröffnung sorgt das Sudetendeutsche Museum für großes Interesse: Das Foto zeigt die CSU-Landtagsfraktion mit Fraktionschef Thomas Kreuzer (rechts) und MdL Josef Zellmeier (zweiter von rechts) im Juli 2021 beim Rundgang durch die Dauerausstellung. Foto: Torsten Fricke
Agrofert droht hohe Rückzahlung
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er Konzern des ehemaligen Premierministers und Multi-Unternehmers Andrej Babiš (Ano), Agrofert, muß möglicherweise bis zu 4,5 Milliarden Kronen (182 Millionen Euro) an Subventionen an den Staat und die Europäische Union zurückzahlen, hat Landwirtschaftsminister Zdeněk Nekula (Christdemokraten) erklärt. Als Grund nannte Nekula den Interessenskonflikt
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Historischer Hitzerekord
ie Hitzewelle hat Tschechien einen neuen historischen Temperaturrekord beschert. In Resch bei Prag stieg das Thermometer am Sonntag auf 39,0 Grad Celsius – den höchsten Wert, der je in einem Juni gemessen wurde. Am Prager Klementinum wurden 36,9 Grad Celsius erreicht. Dies bedeutete einen neuen Rekord für einen 19. Juni an der ältesten tschechischen Meßstation, die seit 1775 ununterbrochen in Betrieb ist.
Hadamczik neuer Eishockey-Chef
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it 31 von 60 Delegiertenstimmen ist der ehemalige Nationaltrainer Alois Hadamczik am Samstag zum neuen Vorsitzenden des tschechischen Eishockeyverbandes gewählt worden. Der 69-jährige setzte sich bereits im ersten Wahlgang gegen Eishockeylegende Dominik Hašek sowie Ex-Nationalspieler Jiří Šlégr durch.
Berichtigung
n der Sudetendeutschen Zeitung, Ausgabe 23, ist auf der letzten Seite ein Foto von einem Standbesuch des stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger veröffentlicht worden. Dabei kam es zu einer Namensverwechslung. Die Dame in der Mitte ist Ingrid Selge vom Arbeitskreis Sudetendeutscher Bauern. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Sudetendeutsche Zeitung
ISSN 0491-4546 Erscheint wöchentlich freitags. Redaktionsschluß Veranstaltungstermine: Freitag 18.00 Uhr. Redaktionsschluß Montag 18.00 Uhr. Chefredaktion und verantwortlich für den Inhalt: Torsten Fricke, Nadira Hurnaus. Kulturredaktion: Susanne Habel. Korrespondent in Prag: Dr. Jaroslav Šonka; Korrespondentin in TeplitzSchönau: Jutta Benešová; Korrespondenten im Isergebirge: Stanislav Beran, Petra Laurin; Korrespondent in Berlin: Ulrich Miksch. Ständige Mitarbeit: Peter Barton, Markus Bauer, Josef Grimm, Professor Dr. Rudolf Grulich, Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Kathrin Hoffmann, Peter Pawlik, Herbert Ring, Karl Reitmeier, Hildegard Schuster, Lexa Wessel. Verlagsassistentin: Birte Rudzki. Anschrift für alle: Hochstraße 8, 81669 München. Redaktion: eMail zeitung@sudeten.de; Verlag: Telefon (0 89) 48 00 03 80, eMail svg@sudeten.de. Jahres-Abonnement 2022 Inland als Postvertriebsstück im Lastschriftverfahren 125,00 EUR einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 154,00 EUR, Luftpost auf Anfrage. Reichenberger Zeitung (24 Ausgaben jährlich) 62,50 EUR, Neudeker Heimatbrief (12 Ausgaben jährlich) 31,25 EUR. Je Rechnung 2,00 EUR Aufschlag. Bankverbindung: Postbank München – IBAN: DE13 7001 0080 0005 7278 08, BIC: PBNKDEFF; Abbestellungen mit einer Frist von vier Wochen zum Vierteljahresschluß schriftlich an den Verlag. Anzeigenpreisliste Nr. 13 vom 1. Januar 2021; Anzeigengestaltung erst nach Auftrag. © 2021 Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft. Diese Zeitung ist mit allen Texten und Bildern urheberrechtlich geschützt. Nachdruck, Vervielfältigung und Verwertung – insbesondere auch Weitergabe in Form von Kopien oder Einstellen ins Internet – sind ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urheberrecht nichts anderes ergibt. Mit vollem Namen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder der Sudetendeutschen Landsmannschaft wieder. Gerichtsstand und Erfüllungsort München. Kein Entschädigungsanspruch bei Nichterscheinen oder Nichtlieferung infolge Streik oder höherer Gewalt. Keine Gewähr für nicht angeforderte Manuskripte, Bilder, Dokumente, Datenträger und Daten. Alle datenschutzrechtlichen Vorschriften werden beachtet; Einzelheiten unter www.sudeten.de Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft mbH, HRB München 3796. Geschäftsführer und verantwortlich für Anzeigen: Torsten Fricke. Alleiniger Anteilseigner: Sudetendeutsche Landsmannschaft, Hochstraße 8, 81669 München. Druck und Versand: Presse-Druck- und Verlags-GmbH, 86167 Augsburg.
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70 JAHRE HEILIGENHOF
Sudetendeutsche Zeitung Folge 25 | 24. 6. 2022
Bei der Recherche für die Serie „70 Jahre Heiligenhof“ hat Traudl Kukuk, die langjährige Mitarbeiterin und Leiterin des Heiligenhofs, an einem dunklen Februarabend im Beisein langjähriger Freunde und Mitstreiter, wie Hans Knapek, dem neuen Vorsitzenden der Stiftung Sudetendeutsches Sozial- und Bildungswerk, und Dr. Ortfried Kotzian, dem Vorsitzenden des Stiftungsrates, langjährigem Gast und Vortragenden, ausführlich über ihre Erinnerungen und Erlebnisse gesprochen. Aufgeschrieben von Gustav Binder, dem Studienleiter des Heiligenhofs, erzählt Traudl Kukuk, was die sudetendeutsche Begegnungs- und Bildungsstätte für sie war und und noch immer ist.
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� Serie „70 Jahre Heiligenhof“: Die langjährige Mitarbeiterin Traudl Kukuk erinnert sich an die bescheidenen Anfänge
„Wir waren die Seele des Heiligenhofs.“
Von Gustav Binder über Traudl Kukuk
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raudl Kukuk, 1935 in Bärn geboren, in Freudenthal am Fuße des Altvatergebirges in Nordmähren in einer Gastwirtsfamilie aufgewachsen, flüchtete mit ihrer Familie: Vater, Mutter und eine fünfjährige Schwester gelangten mit einer Hutfabrikantenfamilie nach Ansbach, wo letztere bereits geschäftliche Kontakte hatten. Sie kamen zunächst in einer kalten Maschinenhalle unter. Da die Mutter gleich eine Arbeit fand, durften sie dort bleiben. Die Mutter ernährte die Familie, hatte jedoch bald einen schweren Arbeitsunfall an der Stanzmaschine, wo sie mehrere Finger verlor. Der Vater war kränklich und starb 1957. Die Wohn- und Lebensverhältnisse von Flüchtlingen und Vertriebenen, so auch für Traudl und ihre Familie, waren in der Nachkriegszeit viele Jahre unvorstellbar armselig. Traudl besuchte die Volksschule und anschließend eine zweijährige Handelsschule, um bald eigenes Geld verdienen zu können. Danach fand sie für fünf Jahre eine Anstellung in einem familiengeführten Obst- und Gemüsegroßund Einzelhandel im Büro. Bei einer Tanzveranstaltung lernte sie einen jungen Landsmann kennen, der sie auf die Sudetendeutsche Jugend aufmerksam machte. Traudl besuchte daraufhin bereits 1952 und 1953 den Heiligenhof zu einem Jugendgruppenleiterlehrgang. Anschließend führte sie die sudetendeutsche Jugendgruppe in Ansbach. Der Heiligenhof war ein auf dem Gelände einer alten Ziegelei am Rande von Bad Kissingen 1923 errichtetes Herrenhaus. Der letzte Eigentümer war der renommierte Architekt Breuhaus de Groot, der die Immobilie an das 1952 gegründete Sudetendeutsche Sozialwerk verkaufte. Die Mittel hierfür wurden vor allem durch eine Zuwendung der Norwegischen Europahilfe bereitgestellt. Neben dem Heiligenhof pachtete das Sozialwerk unter dem damaligen Leiter Herbert Schmidt auch die im Eigentum des Freistaates Bayern befindliche unmittelbar an der Eger gelegene staufische Burg Hohenberg. Der alte Heiligenhof war als Villa konzipiert, nicht als Tagungshaus. Die Ausstattung war äußerst bescheiden. Aber die Lage und Umgebung waren traumhaft. Wälder, Felder und Wiesen. Es gab einen 120 Meter tiefen Brunnen, der aber gelegentlich nicht genügend Wasser führte, so daß die Stadt den Brunnen mit Tankwagen auffüllen mußte. Ebenso bestand keine Kanalisation. Es gab eine Senkgrube mit einem Fünfkammernsystem und Rieselfeld. Waschräume, Duschen und Toiletten befanden sich im Keller. Als Möblierung dienten alte Wehrmachtsspinde und eiserne Stockbetten aus amerikanischen Armeebeständen. Die Straße zum Heiligenhof war nur geschottert. Gekocht wurde auf Holzöfen, geheizt mit Koks. Es wurden Kartoffeln und
Beliebt und hoch geschätzt: Erich und Traudl Kukuk prägten mit ihrem Engagement über Jahrzehnte den Heiligenhof. Gemüse angebaut. Auf dem Gelände gab es Kirsch-, Apfel- und Pflaumenbäume, deren Obst geerntet, frisch gegessen oder eingekocht wurde. In den ersten Jahren gab es eine Kuh und stets zwei Schweine. Zweimal im Jahr wurde geschlachtet. Alles wurde verwertet. Daneben wurde Hühnerhaltung betrieben. Zeitweise gab es über einhundert Hühner. Diese legten Eier und wurden geschlachtet. Anfangs gab es keine Kühlräume und keinen Gefrierschrank. Für jede Neuanschaffung und Modernisierung mußte lange gespart werden. Vielfach wurden Spendenaktionen für bestimmte Projekte gestartet. In den ersten Jahren wurden hauptsächlich Eintöpfe mit einer Fleischbeilage aus Rindsköpfen gekocht. Selten gab es Fleisch. Schnitzel gab es nie. Alle Gäste waren stets hungrig und hatten unstillbaren Appetit. Es hat allen geschmeckt, und die Nachkriegskinder kamen glücklich und erholt nach Hause. Die Holzböden mußten in schwerer körperlicher Arbeit regelmäßig geschrubbt werden. Der Heiligenhof wurde 1956/57 bereits um ein Stockwerk erhöht, später um ein weiteres. 1963 wurde von der Stadt eine kilometerlange Wasserleitung mit einer hohen Selbstbeteiligung verlegt. Später wurde das Haus an die Kanalisation angeschlossen und die Straße asphaltiert. Dies verdankte sich dem Einsatz des damaligen Bundesverkehrsministers und Sprechers der Sudetendeutschen Hans-Christoph Seebohm. Zum Haus gehörte auch ein damals rege genutzter Jugendzeltplatz.1972 entstand ein Querbau mit Speiseraum und Gästezimmern. Dann wurde an einem Seitenflügel angebaut, die Küche erweitert und eine Bibliothek eingerichtet. Die Geschichte des Heiligenhofs ist auch eine endlose Baugeschichte, wobei meist keine großen Konzepte entwickelt, sondern – bedingt durch stets klamme Finanzlage – immer nur angestückelt wurde. Vieles geschah durch ehrenamtliche Helfer. Anfang der 1990er Jahre wurde ein neues Personalwohnhaus gebaut, das alte zum Gästehaus umgebaut, denn nach dem Fall der Mauer kamen zahlreiche Sudetendeutsche, die sich zuvor in der DDR nicht hatten treffen dür-
fen, als Gäste, und der bisherige Platz reichte nicht aus. Die ersten hauptamtlichen Mitarbeiter des Heiligenhofs waren Oskar Böse und Wally Richter, Gretl Hajek und Anna Linhardt als Hauswirtschaftsmeisterin und Köchin sowie Berthold Tögel als Hausmeister. Die beiden erstgenannten wechselten bald an die in Bad Kissingen eingerichtete Bundesgeschäftsstelle der DJO und machten später
mattagen tätig. Auf einer Schulung auf Burg Hohenberg im Jahr 1955 lernten sich Traudl und Erich kennen und lieben. Zwei Jahre später wurde geheiratet, und Traudl kam auf den Heiligenhof. Sie war in den ersten Jahren nicht auf dem Heiligenhof angestellt, arbeitete aber voll mit. 1959 wurde Sohn Andreas, 1963 Sohn Ulrich geboren, die auf dem Heiligenhof aufwuchsen. Ulrich
� Traudl Kukuk n Geboren am 16. März 1935 in Bärn in Nordmähren. n Mutter von zwei Söhnen, mehrfache Großmutter. n 1957: Hochzeit mit Erich Kukuk, dem damaligen Leiter des Heiligenhofs. n 1959: Festanstellung als Wirtschaftsleiterin auf dem Heiligenhof. n Nach dem Renteneintritt ihres Mannes ab 1988 Leiterin des Heiligenhofs. n 1995: Rudolf-LodgmanPlakette. n 1998: Bayerische Staatsmedaille für soziale Verdienste. n 2000: Adalbert-StifterMedaille.
Karriere als Direktor des Hauses des Deutschen Ostens in Düsseldorf beziehungsweise als Sudetendeutsche Heimatpflegerin. 1956 übernahm Erich Kukuk die Nachfolge, der 1957 mit Traudl den Bund der Ehe schloß. Gemeinsam prägte das Paar den Heiligenhof über viereinhalb Jahrzehnte: „Wir waren die Seele des Heiligenhofs und führten ihn wie ein Familienunternehmen“, erinnert sich Traudl Kukuk. Das Paar lebte für den Heiligenhof, und der Heiligenhof lebte durch sie. Es gab keine Arbeitszeitregelung und -begrenzung, eine Siebentagewoche mit 24 Stunden Dienst und Bereitschaft. Erich begrüßte jede Gruppe „auf einem Stückchen Heimaterde“. Erich war Jahrgang 1923 und noch in die Kriegsmarine eingezogen worden. Nach der Gefangenschaft arbeitete er für die US-Armee als Dolmetscher und Sportverbandsfunktionär und war ehrenamtlich an der Spitze der Sudetendeutschen Jugend und später auch bei den Hei-
war auch knapp zwei Jahrzehnte auf dem Heiligenhof beschäftigt, wo er insbesondere die Ausflugsreisen betreute, aber auch für alle technischen und organisatorischen Belange Ansprechpartner war. Anfangs bewohnte die junge Familie ein einziges Zimmer. 1959 wurde mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus ein Personalwohnhaus gebaut. Die Häuser erhielten eine Ölheizung. Die bald vierköpfige Familie bezog eine Wohnung von 58 Quadratmetern, wo sie bis zum Auszug der Jungen unter beengten Verhältnissen jahrzehntelang lebte. Gretl Hajek war eine gelernte Kindergärtnerin und die erste pädagogische Fachkraft. Anna Linhardt hatte für den Reichsnährstand gearbeitet und achtete auf gesunde Ernährung. So wurde seinerzeit bereits Müsli zum Frühstück angeboten. Berthold Tögel war ein fleißiger und stets zu Scherzen aufgelegter Hausmeister. Diese drei verblieben bis Ende der 1960er Jahre als Team auf dem Hei-
Foto: Heiligenhof
ligenhof. Die Mitarbeiter waren eine eng zusammenhaltende verschworene Gemeinschaft. Sie zeigten weit über das Erwartbare und Geforderte leidenschaftlichen Einsatz und wurden aufgrund der Möglichkeiten schlecht bezahlt. Sie lebten mit jedem Atemzug für den Heiligenhof. So empfanden auch alle Gäste ihren Aufenthalt stets als eine Heimkehr in Familie und Heimat. In den Anfangsjahren kamen hauptsächlich Erholungskinder in den Ferienzeiten. Neben sudetendeutschen Gruppen, die gemeinsam spielten, sangen, tanzten, zelteten, wanderten oder Sport betrieben, waren das Kinder der hessischen Flüchtlingssiedlung Stadtallendorf. Für diese Kinder war der Aufenthalt eine paradiesische und unbeschwerte Zeit, trotz – von heutigem Standpunkt gesehen – bescheidener Umstände. Das Ziel von Klassenfahrten war der Heiligenhof in Bad Kissingen vor allem für das Gymnasium Höchstadt an der Aisch. Diese Gruppen kommen nach wie vor. Mit ersteren – gegenwärtig jährlich rund hundert Kinder – wird eine dreiwöchige deutsch-tschechische Kinderfreizeit durchgeführt. Letztere kommen mit fünf Schulklassen der fünften Jahrgangsstufe jeweils eine Woche zu einem Schullandheimaufenthalt. Diese Kinderfreizeiten waren ein Saisongeschäft, was kaum ausreichte, die Kosten zu decken. Ab 1960 wurden dann vom Gesamtdeutschen Ministerium geförderte Seminare angeboten, die in den Zeiten der deutschen Teilung die Geschichte und Gegenwart Mittel- und Ostdeutschlands im diesem Zonenrandgebiet zum Schwerpunkt hatten. Dozent und Reiseleiter war Erich Kukuk. Mit zu den ersten Gästegruppen gehörten mehrwöchige Landvolkshochschulkurse, die auf Anregungen des baltendeutschen Professors Wilfried Schlau mit unter anderem den Dozenten Wolfgang Egerter und Peter Hucker stattfanden. Auch diese sogenannten Altschüler pflegten lebenslange Freundschaften und trafen sich immer wieder zu selbstorganisierten Bildungsveranstaltungen auf dem Heiligenhof und Studienreisen zusammen. Alle Seminargruppen waren
bildungsbegierig. Es gab keine Fotokopierer, und so mußten Papiere mit Matrizen vervielfältigt werden. Das machte Traudl vielfach nachts. Seit Anfang der 1970er bis in die 2010er Jahre kam stets an den Pfingstfeiertagen der Verband ehemaliger Rostocker Studenten zusammen, alles aus der DDR geflüchtete oder freigekaufte Akademiker mit ihren Familien. Die sudetendeutschen Heimattreffen waren bedeutende Gästegruppen. Hier kamen häufig zahlreiche unangemeldete Personen dazu, und man mußte aufgrund Platzmangels auswärtige Unterkünfte organisieren. Auch diese Heimattreffen und die Seminare für Heimatlandschaften und -kreise finden bis in die Gegenwart statt. Sie waren vor allem in den ersten Jahrzehnten ein Kerngeschäft und Hauptzweck des Heiligenhofs als Heimstätte für die in ganz Deutschland verstreut lebenden Sudetendeutschen. Zur Heiligenhoffamilie gehörte noch der Marburger Kreis, eine Gruppe ostdeutscher Schriftsteller, die sich aus ihren Werken gegenseitig vortrugen, Freundschaften und Geselligkeit pflegten. Ebenso war der Heiligenhof Heimstätte des Deutschen Sportclubs und des Verbands für Rasensport Breslau, aber auch für die Staatsgewerbeschule Pilsen, die Lehrerinnenbildungsanstalten Prag, Pilsen und Komotau. Auch einzelne siebenbürgische Gruppen, allen voran die Heimatortsgemeinschaft Scharosch, die 39 Jahre hintereinander ihr Heimattreffen mit bis zu 200 Personen hier veranstaltete, kamen. In dieser Zeit hatte das gesamte Personal Urlaubssperre. Mittlerweile geht die Zahl der durchgeführten siebenbürgischsächsischen Familien-, Klassenund Heimatortstreffen in die Hunderte. Traudl Kukuk, die ab 1959 für den Bereich des Hausbetriebs eine bezahlte Stelle erhielt, war für die Kassenbuchhaltung, Gästebetreuung und sogar die Gehaltsabrechnungen verantwortlich. In ihrer Zeit sind mehr als einhundert Auszubildende und Praktikanten unter ihrer Obhut gewesen. Traudl war das Gesicht des Heiligenhofs und zuständig für alle internen Arbeitsabläufe, während sich Erich der Bildungs- und Seminararbeit sowie ehrenamtlich der Verbandsarbeit widmete. Erich führte Lehrgänge in Geschichte und Landeskunde der Sudetenländer durch, interessierte sich aber auch für alle deutschen Minderheiten und Volksgruppen in Europa. Traudl betreute – ebenfalls bis in die Gegenwart – die Seniorenfreizeiten sowie die Handarbeitsund Wanderwochen. Das Ehepaar lebte mit „Leib und Seele“ für den Heiligenhof. Traudl übernahm auch die gesamte Hausleitung, nachdem Erich als Direktor 1988 in Rente gegangen war. Er arbeitete als Studienleiter bis zu seinem Tod 1994 weiter. Die folgenden Jahre waren für Traudl besonders belastend durch wirtschaftliche Fehlentscheidungen des damaligen Vorstandes, die beinahe die Existenz des Heiligenhofs gekostet hätten. Seit Anfang der 1970er Jahre führte Lilo Zurek für fast vier Jahrzehnte die Küche, seit Anfang der 1990er Jahre ist die heutige Hauswirtschaftschefin Petra Schneider dabei. Ebenso lang ist die Bürokraft Ruth Kirchner dabei, alle drei wichtige Stützen der Arbeit. Im Jahr 2000 ging Traudl im Alter von 65 Jahren in Rente, macht aber bis heute ehrenamtlich weiter, betreut bestimmte Gruppen und ist stets da, wo man Hilfe braucht. Traudl und Erich Kukuk haben sich mit viel selbstlosem Engagement für den Heiligenhof eingesetzt. Dabei sind sie stets bescheiden geblieben und haben sich mit Herzblut ihren Aufgaben gewidmet.
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TERMINE
Sudetendeutsche Zeitung Folge 25 | 24. 6. 2022
Ab sofort können Kandidatenvorschläge bei der Sudetendeutschen Landsmannschaft eingereicht werden
Kultur- und Förderpreise 2023: Wer soll ausgezeichnet werden? Zum Großen Sudetendeutschen Kulturpreis 2022 an Prof. Dr. Winfried Böhm (Mitte) gratulierten (von links): Prof. Dr. Ulf Broßmann, Beauftragte Natalie Pawlik, Bernd Posselt und Ministerin Ulrike Scharf. Foto: TF
Die Verleihung der Kulturpreise ist traditionell der erste festliche Höhepunkt des Sudetendeutschen Tages. In diesem Jahr haben neben dem Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, auch Schirmherrschaftsministerin Ulrike Scharf und die Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Natalie Pawlik, persönlich den Preisträgern gratuliert.
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nmittelbar nach dem 72. Sudetendeutschen Tag in Hof haben die ersten Vorbereitungen für den 73. Sudetendeutschen Tag begonnen, der über Pfingsten von Freitag, 26. bis Pfingstsonntag, 28. Mai 2023 in Regensburg stattfindet. Ab sofort können Kandidatenvorschläge für die Kultur- und Förderpreise eingereicht werden. Eingedenk der Verpflichtung, das kulturelle Erbe zu wahren, und getragen von dem Willen, die schöpferischen Kräfte zu för Samstag, 25. und Sonntag, 26. Juni, Adalbert Stifter Verein: Kulturelle Brücken in Europa. Adel aus Böhmen und Mähren nach 1945. Sonderöffnung zum Ende der Ausstellung von 10.00 bis 18.00 Uhr. Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8, München. Samstag, 2. Juli, 10.00 bis 17.00 Uhr, Bayerischer Landesverein für Heimatpflege in Kooperation mit der Sudetendeutschen Heimatpflege: Liederlust im Vierklangrausch. Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8, München. Teilnahmegebühr 25 Euro. Anmeldung: www. heimat-bayern.de Samstag, 2. bis Sonntag, 3. Juli, Heimatkreis Neudek/ Erzgebirge: 4. Beerbreifest in Trinksaifen/Hochofen. Samstag, 10.30 Uhr: Gottesdienst in Trinksaifen. Danach Heimattreffen und Ausflug nach Gossengrün. Samstag, 2. Juli, 15.00 Uhr, SL-Heimatgruppe Kuhländchen-München: „Der Böhmerwald“. Vortrag von Johann Slawik, Haus des Deutschen Ostens, Raum 113, Lilienberg 5, Mün-
dern, vergibt die Sudetendeutsche Landsmannschaft als Dank und Anerkennung für künstlerisches Wirken im Sinne einer jahrhundertealten Tradition die Sudetendeutschen Kultur- und Förderpreise auf den Gebieten Bildende Kunst und Architektur, Musik und Darstellende Kunst, Literatur und Publizistik sowie Wissenschaft. Darüber hinaus vergibt sie den Preis für sudetendeutsche Heimat- und Volkstumspflege. Während die Sude-
tendeutschen Kulturpreise im Rahmen des Sudetendeutschen Tages verliehen werden, findet der Förderpreis-Festakt am Anfang des neuen Jahres statt. Die Frist für die Einreichung von Kandidatenvorschlägen für die Kultur- und Förderpreis läuft bis zum 30. September 2022. Die schriftlichen Vorschläge sollten ein aussagekräftiges Bild über das Leben und Wirken des jeweiligen Kandidaten widerspiegeln und auch dessen Kontakt-
VERANSTALTUNGSKALENDER chen. Sonntag, 3. Juli, 9.00 Uhr, Römisch-katholische Pfarrei Haindorf in Böhmen: Haindorfer Wallfahrt Maria Heimsuchung. Hauptzelebrant Prof. Dr. Karlheinz Diez, Weihbischof von Fulda.Wallfahrtskirche Maria Heimsuchung, Haindorf. Freitag, 8. Juli, 14.00 Uhr, BRUNA, Heimatverband der Brünner: Festveranstaltung aus Anlaß des 200. Geburtstages von Gregor Mendel. Vortrag von Prof. Widmar Tanner, Regensburg, zum Thema „Von Erbsenexperimenten bis zu mRNA-Impfstoffen“. Pädagogische Hochschule, Hörsaal 1, 1. Stock, Oberbettringer Straße 200, Schwäbisch Gmünd. Donnerstag, 14. bis Sonntag, 17. Juli: Sudetendeutsches Museum: Allerley Feierei – großes Museumsfest in München. Donnerstag, 19.00 Uhr: Eröffnung der Sonderausstellung „allerley kunststück“ (bis Sonntag, 4. Dezember). Freitag, 20.30 Uhr:
Konzert mit Rick TheOg und May Rei. Samstag, 10.00 bis 14.00 Uhr: Museumrallye für Kinder und Familien. 11.00 und 14.00 Uhr: Puppentheaterspiel. 16.30: Kinder-Mitmachtanzen mit dem Böhmerwaldbund. Sonntag, 9.30 Uhr: Böhmischer Frühschoppen. 10.30, 11.00, 11.30 und 16.30 Uhr: Sonderführungen durch die Dauerausstellung (siehe Seite 2). Freitag, 15. Juli, SL-Bezirksgruppe Oberfranken: Fahrt zum Sudetendeutschen Museum. Abfahrt Bayreuth Bahnhof 8.30 Uhr, Pegnitz-Wiesweiher 9.00 Uhr, weitere Zustiege auf Anfrage. Anmeldung bei Margaretha Michel, Telefon (0 92 41) 36 54 oder eMail mail@familiemichel.net oder bei Rita Tischler, Telefon (09 21) 41 75. Montag, 18. bis Sonntag, 24. Juli, Heimatkreis Oberes Adlergebirge: Heimattreffen zur Annafestwoche 2022 in Rokitnitz/Adlergebirge. Auskunft: Ortsbetreuer Günther Wytopil, Telefon (0 61 63) 48 27 oder eMail
daten enthalten. Für Vorschläge in der Kategorie Förderpreise ist zu beachten: Die Vorgeschlagenen sollen nicht älter als 35 Jahre sein, der Sudetendeutschen Volksgruppe entstammen oder einen Beitrag mit sudetendeutschem Bezug geleistet haben. Kandidatenvorschläge formlos an: Sudetendeutsche Landsmannschaft, Bundesverband e. V., Hochstraße 8, 81669 München oder per eMail an info@ sudeten.de gwytopil@gmail.com. Samstag, 16. Juli, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Erlangen und Ackermann-Gemeinde Erlangen: „Na Uteku – Auf der Flucht“. Der Film dokumentiert das Schicksal der jüdischen Familie Weinstein aus Troppau. Anschließend Gespräch mit dem Troppauer Dieter Aust. Sportgaststätte des FSV Bruck, Tennenloher Straße 68, Erlangen. Sonntag, 4. September, 12.00 Uhr, BdV, Ackermann-Gemeinde Bamberg, SL-Bezirksgruppe Oberfranken: Vertriebenenwallfahrt nach Gößweinstein. Gottesdienst mit dem Vertriebenenbeauftragten Pfarrer Monsignore Herbert Hautmann. Anmeldung von Gruppen bei Margaretha Michel, Telefon (0 92 41) 36 54 oder eMail mail@ familie-michel.net Samstag, 17. bis Samstag, 24. September, Ackermann-Gemeinde: Zu Fuß durch Nordböhmen: deutsch-tschechische Pilgerwanderung von Aussig nach Altbunzlau. Anmeldung unter eMail muenchen@ackermann-
Prof. Dr. Martin Krieger
Hanse vs. Königsmacht Dienstag, 28. Juni, 19.00 Uhr: Vortrag von Prof. Dr. Martin Krieger (Kiel) über das Thema „Im Spannungsfeld zwischen Hanse und Königsmacht. Der Ostseeraum im 13. und 14. Jahrhundert“ im HdO und Online. Die Ostsee stellte in ihrer langen Geschichte stets einen Raum des kulturellen Austausches, des Handels, aber ebenso politischer und militärischer Konflikte dar. Das galt auch für die Zeit der Hanse, die im 13. und 14. Jahrhundert ihre Blüte erlebte. Mit den mächtigen Hanseschiffen gelangten nicht nur Handelsgüter von Norddeutschland nach Polen, Rußland, ins Baltikum oder nach Skandinavien, sondern es wurden auch wichtige technische Innovationen und Kulturgüter vermittelt. So prägte der Backstein, der im Stil der Gotik zu kühnen Kirchen und weltli-
chen Gebäuden aufgemauert wurde, eine ganze Epoche. Die Macht der Hanse blieb nicht unwidersprochen, sondern erfuhr seitens benachbarter, aufstrebender Territorialmächte, wie etwa des Ordensstaates, Konkurrenz. Der Vortrag zeichnet die wichtigen Entwicklungen einer für den Nordosten Europas prägenden Zeit nach und versucht, die kulturellen Trends einer bedeutenden Epoche aufzuzeigen. Prof. Dr. Martin Krieger lehrt Nordeuropäische Geschichte an der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Kulturgeschichte des Ostseeraumes und die Geschichte der dänischen Monarchie im 18. und 19. Jahrhundert. Anmeldung erforderlich unter Telefon (0 89) 4 49 99 30 oder per eMail an poststelle@hdo. bayern.de.
Charta der Heimatvertriebenen Dienstag, 19. Juli, 18.00 bis 20.00 Uhr: Online-Seminar: „Die Charta der Heimatvertriebenen.“ Gespräch mit Prof. Dr. Matthias Stickler, Institut für Geschichte der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Die Stuttgarter „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ von 1950 stellt ein bemerkenswertes Zeitzeugnis der Frühgeschichte der Bundesrepublik Deutschland dar. Sie war zum einen nach innen gerichtet, also an die westdeutsche Aufnahmegesellschaft, zum andern nach außen, also an die Siegermächte und an die Menschen der Staaten, die nach 1945 Deutsche aus ihrer Heimat vertrieben hatten. Die Charta legt Zeugnis ab vom Integrationswillen der Vertriebenen und von ihrer Bereitschaft zur Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn Deutschlands. Der Referent behandelt in seinem Vortrag sowohl die Entstehung der Charta als auch deren Inhalt sowie die kritische Auseinandersetzung damit. Anmeldung unter eMail info@heiligenhof.de Heiligenhof · Alte Euerdorfer Straße 1 · 97688 Bad Kissingen Telefax (09 71) 71 47 47 info@heiligenhof.de · www.heiligenhof.de
Montag, 4. bis Donnerstag, 7. Juli nach Franzensbad, Marienbad und Karlsbad
Für Kurzentschlossene: Kulturfahrt ins westböhmische Bäderdreieck Ein Bild vom Versöhnungsmarsch 2021: Über eine kleine Anhöhe geht es weiter Richtung Brünn. Foto: Torsten Fricke
SL-Landesgruppen Bayern und Baden-Württemberg
Busreise zum Brünner Versöhnungsmarsch Zum 16. Mal findet am 23. Juli der Brünner Versöhnungsmarsch statt, und mit dem großen Kulturfestival Meeting Brno erinnert die Stadt Brünn vom 22. bis 31. Juli an den 200. Geburtstag von Gregor Johann Mendel.
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ie Landesgruppen Bayern und Baden-Württemberg organisieren aus diesem Anlaß eine Reise mit drei Bussen (mit unterschiedlichen Startpunkten). Die Reisedaten: Freitag, 22. Juli bis Montag, 25. Juli, Übernachtungen im Hotel Best Western International in Brünn. Am Samstag steht der Versöh-
nungsmarsch (Teilnahme freiwillig, auch einzelne Etappen möglich) auf dem Programm. Für den Sonntag sind ein tschechischdeutscher Gottesdienst, der Besuch der Anlagen von Austerlitz und ein Kulturabend geplant. Die Teilnahme an der Busreise kostet 100,00 Euro im Doppelzimmer und 130,00 Euro im Einzelzimmer. Inkludiert sind die Busfahrt nach Brünn und zurück, drei Übernachtungen mit Halbpension und alle Eintritte. Anmeldung bei: SL-LG Bayern, Hochstraße 8, 81669 München, Telefax (0 89) 48 00 03 96, eMail Geschaeftsstelle@sudeten-by.de.
Eine Reise, dreimal Weltkulturerbe: Die Sudetendeutsche Landsmannschaft–Bundesverband lädt von Montag, 4. bis Donnerstag, 7. Juli zu einer Kulturfahrt ins westböhmische Bäderdreieck ein. Auf dem Programm stehen die weltbekannten Kurorte Franzensbad, Marienbad und Karlsbad. Gute Nachricht für Kurzentschlossene: Es sind noch wenige Restplätze frei.
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eit dem vergangenen Jahr gehören die drei bekanntesten Kurbäder Westböhmens zum Weltkulturerbe der Unesco. Kundig durch diese Orte wird der von vielen Vorträgen über Böhmen bekannte Prof. Dr. Stefan Samerski führen. Die Organisation der Reise hat Prof. Dr. Ulf Broßmann, Bundeskulturreferent der Sudetendeutschen Landsmannschaft, übernommen. Auf dem Programm stehen neben den berühmten Heilbädern Besichtigungen der sehr besonderen Wallfahrtskirche Hl. Dreifaltigkeit in Kappl bei Waldsas-
In Karlsbad kurte einst auch Johann Wolfgang von Goethe.
Marienbad mit der barocken Hauptkolonnade. Fotos: Czech Tourism
Eindrucksvoll: Das Kurviertel in Franzensbad.
sen, des altehrwürdigen Prämonstratenser-Stifts Tepl, der böhmischen Porzellanmanufaktur in Neurohlau und des Schlosses Königswart im Kreis Karlsbad, in dem die Familie Metternich ihren Sommersitz hatte. Die Kosten für die Reise betragen inklusive Busfahrten, Übernachtungen mit Halbpension und Allinclusive-Getränken während des Abendessens sowie Eintrittsgeldern und Kurtaxe 450 Euro pro Person im Doppelzimmer. Der Einzelzimmerzuschlag beträgt 60 Euro. Die Reise wird durch den Adalbert Stifter Verein – Kulturreferat für die böhmischen Länder – gefördert. Derzeit gibt es keine Corona-Einschränkungen. Anmeldung schriftlich unter dem Stichwort: „Reise westböhmisches Bäderdreieck“ ab sofort bei der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bundesverband e.V., Hochstraße 8, 81669 München oder per eMail an anmeldung@sudeten.de Der Abschluß einer Reiserücktrittsversicherung wird empfohlen.
Sudetendeutsche Zeitung Folge 25 | 24. 6. 2022
AKTUELLES · KOLUMNE
Schirmherrschaftsministerin Ulrike Scharf zum Gedenktag an die Opfer von Flucht und Vertreibung
Mut tut gut
„Wir werden das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen niemals vergessen“ Anläßlich des Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung hat Schirmherrschaftsministerin Ulrike Scharf dazu aufgerufen, auch diesen Teil der deutschen Geschichte nicht zu vergessen.
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Staatsministerin Ulrike Scharf war als Schirmherrschaftsministerin während der Pfingsttage auf dem Sudetendeutschen Tag in Hof. Foto: Torsten Fricke
er weltweite und nationale Gedenktag findet jährlich am 20. Juni statt. Als Schirmherrschaftsministerin der Sudetendeutschen erklärte Bayerns Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Ulrike Scharf: „Heimat ist weit mehr als ein Ort: Heimat ist ein Gefühl, das glücklich macht und Sicherheit gibt. Flucht und Vertreibung aber sind immer eine menschliche Tragödie. Wir werden das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen niemals vergessen. Sie haben die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland voller Tatkraft maßgeblich mitgeschrieben!“ Gemeinsam mit den deutschen Minderheiten in den Nachbarstaaten sei-
en „die deutschen Heimatvertriebenen wegweisende Brückenbauer für die europäische Einigung“. Die Ministerin verwies dabei auch auf die bereits 1950 verkündete Charta der deutschen Heimatvertriebenen: „Diese Charta ist ein Dokument für ein friedliches Miteinander auf der Basis von Recht und Gerechtigkeit und ein bleibendes Vermächtnis für die Zukunft des geeinten Europas. Es verdient Dankbarkeit, daß die deutschen Heimatvertriebenen, die selbst erst wenige Jahre zuvor das schreckliche Unrecht von Vertreibung und den Verlust der Heimat erlebt hatten, bereits 1950 ein solches Zeichen der Bereitschaft zur Versöhnung gesetzt haben.“ Etwa 15 Millionen Deutsche seien damals aus ihrer Heimat vertrieben worden. Scharf: „Nach Bayern kamen rund zwei Millionen Heimatvertriebene und Flüchtlinge, die meisten davon waren Sudetendeutsche, unser Vierter Stamm.“
Bundesbauministerin Klara Geywitz bei der Gedenkstunde für die Opfer von Flucht und Vertreibung im Berliner Dokumentationszentrum
„Dürfen nicht müde werden, uns für Frieden und Versöhnung einzusetzen“ Der seit 2015 begangene Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung wurde in diesem Jahr im Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung am Anhalter Bahnhof veranstaltet und stand ganz im Banne der Ereignisse der letzten Monate mit dem Angriff Rußlands auf die Ukraine am 24. Februar und die dadurch ausgelöste Flüchtlingskrise mit acht Millionen Binnenflüchtlingen und sechs Millionen Flüchtlingen, die ins Ausland flohen. In Anwesenheit von Bundesratspräsident Bodo Ramelow sprach für die Bundesregierung eingangs die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Klara Geywitz.
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ie in Potsdam geborene SPD-Politikerin erzählte von ihrer Herkunft. Ihre Mutter sei ein Findelkind gewesen und wurde von einer Familie adoptiert, die selbst alles verloren hatte, weil sie Vertriebene waren. Das präge über Jahrzehnte. „In unserem Elternhaus gab es keine alten Bücher, es gab keine alten Möbel.“ Sie habe als Kind bei Klassenkameraden alte massive Bauerntruhen bewundert. „So etwas konnten Flüchtlinge, wie meine Großeltern, nicht mitbringen. Da war jedes kleine Souvenir aus der Heimat ein wertvolles Andenken.“ Die Heimatvertriebenen seien Verfechter einer lebendigen Erinnerungs- und Gedächtniskultur, deren Zeitzeugnis die nachgeborene Generation mahnt. „Wir dürfen nicht müde werden, uns stets für Frieden und Versöhnung einzusetzen“, so Geywitz. Diese Friedensmahnung sei heute dringlicher denn je. „Auch die deutschen Vertriebenen haben mit ihrem Bekenntnis zum vereinten Europa in ihrer 1950 verkündeten Charta dazu beigetragen. Geschichtsrevisionismus und hegemonialer Machtgier gilt es stets entgegenzutreten. Mit Engagement für Aussöhnung, Verständigung und Brükkenbau für das auch die Heimatvertriebenen stehen.“ Geywitz dankte den eingeladenen zwei Zeitzeugen, daß sie ihre Erlebnisse in dieser Gedenkstunde teilten – der in Königsberg 1938 geborene Helgard Rohrmoser, die 1945 mit ihrer Mutter Auszug aus der Rede von Prof. Dr. Bernd Fabritius, Präsident des Bundes der Vertriebenen, anläßlich der Gedenkfeier zum Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung.
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nser Gedenken an die Opfer der Vergangenheit ist das respektvolle und demütige Verneigen vor dem Leid der Mitmenschen, die Flucht, Vertreibung, Entrechtung oder gar den Tod unter solchen Umständen erleben mußten.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (oben) mit (von links) den Zeitzeuginnen Diana Liebert und Helgard Rohrmoser, Dr. Gundula Bavendamm vom Dokumentationszentrum, MdB Katrin GöringEckart und BdVPräsident Prof. Dr. Bernd Fabritius. Fotos: Schacht/BPA flüchtete, und der aus Lemberg stammenden Diana Liebert. Die Vorsitzende der Deutschen Jugend in der Ukraine war mit ihrer Tochter sofort nach dem Angriff Rußlands geflüchtet. Die Ministerin schloß ihre einführenden Worte mit einem Statement: „Heute gedenken wir nicht nur besonders der
deutschen Vertriebenen, sondern der Opfer von Flucht und Vertreibung weltweit. Der Krieg in der Ukraine macht dies erschütternd aktuell.“ Helgard Rohrmoser schilderte darauf ihre Flucht von Königsberg nach Göttingen und zitierte Christiane Hoffmanns Buchtitel „Alles, was wir nicht erinnern.“
BdV-Präsident Prof. Dr. Bernd Fabritius
Heimat ist unersetzbar Gleichzeitig müssen wir gerade dieser Tage wieder voller Entsetzen und Unverständnis zur Kenntnis nehmen, was sich mitten in Europa abspielt: Erneut Brüche der Menschlichkeit, Barbarei – und das gezielte Zerstören von Heimat. (...)
Die Invasoren der Gegenwart zeigen ihre häßliche Fratze und unterscheiden sich kaum von den Verbrechern vergangener Jahrhunderte. (...) Darum fordern wir beständig und seit vielen Jahren ein menschenrechtlich bindendes Recht auf die Heimat und ein
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Genau das hätte sie so erlebt. Sie erinnerte sich an viele Dinge nicht mehr. So ihre Schuleinführung noch in Königsberg oder das brennende Danzig, das sie sah, aber erst wieder erinnerte, als sie es in der Verfilmung der Grassschen Blechtrommel Ende der 1970er Jahre im Kino gezeigt bekam. 2013 sei sie dann erstmalig in ihre Geburtsstadt gereist und habe dort mit einer jungen Mutter gesprochen, die ihr wenige Monate altes Kind ausführte. Damals schloß sie mit ihrer Herkunft ab, da sie nun von einer Mutter wußte, die jetzt friedlich ihr Kind aufwachsen sehen würde. Wie konnte sie damals ahnen, daß dieses heute zehnjährige Kind wieder im Krieg aufwächst, wo der Vater vielleicht in der Ukraine kämpfen muß. Diana Liebert erinnerte daran, daß der Angriff Rußlands am 24. Februar nur eine neue Phase des seit 2014 andauernden Krieges Rußlands gegen die Ukraine sei. Sie bezeugte dies durch ihr eigenes Schicksal. Ihr Mann wurde im Mai 2014 eingezogen und nach einiger Zeit in den Osten der Ukraine geschickt, wo er seine Heimat verteidigte. In diesem Einsatz erlitt er eine Wirbelsäulenverletzung, die operiert und lange Zeit behandelt wurde. Er war nach all dem nunmehr genesen, da kam der neue Schicksalsschlag. Sie reagierte auf den Angriff Rußlands mit der eigenen Flucht zusammen mit ihrer Tochter nach Deutschland, wo sie sich sicher, allerdings nicht heimisch fühle. Sie sei überzeugt, daß die Ukraine siegen werde, aber um welchen Preis, das wisse man noch nicht. Sie dankte Deutschland für die humanitäre und militärische Hilfe, die aber nicht zu spät kommen dürfe. Der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Bernd Fabritius, setzte den Schlußpunkt der Gedenkstunde. Er erinnerte daran, daß die Parallele zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Zeit danach keine politische sei, sondern eine Parallele der Verzweiflung (siehe unten). Fabritius forderte eindringlich, daß sich jetzt nicht wiederholen dürfe, was die Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg erleben mußten. Ulrich Miksch gleichermaßen international verankertes wie strafbewehrtes Vertreibungsverbot. (...) Auch dann wird es gelten, das Erreichte zu sichern und Heimat als etwas Wunderbares, als etwas Unersetzbares und als unverletzbare Lebensgrundlage für alle Menschen zu sichern und zu schützen. Wir wollen niemals vergessen, daß jede Vertreibung, jede ethnische Säuberung – gleichgültig wo, wann und warum – immer Verbrechen sind. UM
Raus aus dem Höllentempo
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in europäischer Wissenschaftler, so erzählt eine Geschichte, hatte für eine Expedition in den Himalaya eine Gruppe von einheimischen Gepäckträgern angeheuert. Der Forscher wollte schnell ans Ziel kommen. Nachdem die Gruppe den ersten Paß erreicht hatte, erlaubte er eine kurze Pause. Nach wenigen Minuten rief er bereits wieder zum Aufbruch. Doch die einheimischen Träger blieben am Boden sitzen und taten so, als hätten sie ihren Auftraggeber gar nicht gehört. Für den Forscher war dieses Verhalten schwer zu ertragen. Er rief seine Träger mit strengem Tonfall auf, sich endlich zu erheben. Daraufhin erntete er nur verwunderte Blicke. Schließlich machte sich einer zum Sprecher für alle anderen: „Wir können noch nicht weitergehen. Erst einmal muß unsere Seele nachkommen.“ Die Geschichte ist ein Gleichnis für unseren modernen Lebensstil. Der Mensch setzt sich Ziele und möchte sie möglichst schnell erreichen. Er hetzt sich dabei ab. Ruhezeiten dienen der kurzen Entspannung, aber nicht der inneren Erholung. Die Seele bleibt dabei oft auf der Strecke. Sie kommt mit dem hohen Tempo nicht mit. Ein Gefühl innerer Leere ist die Folge. Oder der Eindruck, nicht wirklich am Sinn des Lebens dran zu sein. Oder der Zustand, ausgebrannt zu sein. Oder man ist gereizt und in der Folge ärgerlich zu seinen Mitmenschen. Oder oder oder. Es gibt viele Symptome, daß im Streß und in der Hektik des Lebens die Seele noch nicht richtig nachgekommen ist. Vor kurzem begegnete ich einem Eventmanager. Seine Aufgabe besteht in der Organisation von Veranstaltungen mit allem Drum und Dran. Diesen Sommer sei es schwer, erzählte er, Bühnen für Großereignisse zu mieten, weil es einfach zu viele Veranstaltungen gebe. Ebenso verhalte es sich mit dem Ausleihen von Zelten und Biergarnituren. Alles schon auf Monate im voraus ausgebucht. Was unter dem Vorzeichen der Pandemie an Festen und Veranstaltungen in den letzten zwei Jahren nicht möglich war, wird jetzt nachgeholt, auch aus der Sorge heraus, daß im Herbst wieder größere Einschränkungen kommen könnten. Das zugespitzte Resümee des Eventmanagers: „2022 ist die Hölle. So war es noch nie vorher, so wird es hoffentlich in Zukunft nie wieder sein.“ Neben dem beruflichen Streß machen sich viele Menschen auch große Hektik, was ihre Freizeit betrifft. Allzu viele Veranstaltungen und ein Übermaß an Hobbys tragen dazu bei. Wie kann bei alledem die Seele nachkommen? Der von mir sehr geschätzte Angelus Silesius, ein großer schlesischer Mystiker aus dem 17. Jahrhundert, hat einmal treffend gedichtet: „Halt an, wo läufst du hin? / Der Himmel ist in dir. / Suchst du Gott anderswo, / du fehlst in für und für.“ Versuchen wir, immer wieder das Höllentempo unseres Alltags zu unterbrechen, um innezuhalten und dem Himmel in unserer Seele zu begegnen. Spaziergänge, Momente der Stille, ausreichend Schlaf, aber auch das Gebet können dabei helfen. So kommen wir gewiß besser voran auf der herausfordernden Expedition unseres Lebens. Dr. Martin Leitgöb CSsR Seelsorger der Pfarrei Ellwangen-Schönenberg
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FORUM
Sudetendeutsche Zeitung Folge 25 | 24. 6. 2022
� Neue Tschechische Generalkonsulin Ivana Červenková zu Gast im Sudetendeutschen Haus in München
Intensives Gespräch in intimer Runde Für den 1. Juni hatte der Sudetendeutsche Rat in den Lodgman-Saal im Sudetendeutschen Haus in München zu einem Gespräch mit der neuen Tschechischen Generalkonsulin Ivana Červenková eingeladen.
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as Sudetendeutsche Haus war fast leer. Die meisten Mitarbeiter waren bereits im oberfränkischen Hof, um den zwei Tage später beginnenden 72. Sudetendeutschen Tag vorzubereiten. Nichtsdestotrotz standen Kaffee und Kuchen bereit, als die illustren Gesprächsteilnehmer eintrudelten. Christa Naaß, Präsidentin der Sudetendeutschen Bundesversammlung und Generalsekretärin des Sudetendeutschen Rates, sowie Volksgruppensprecher Bernd Posselt begrüßten Generalkonsulin Ivana Červenková und Konsul Jan Kreuter. Gesprächspartner waren außerdem Hans Knapek, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Sudetendeutsches Sozial- und Bildungswerk, Raimund Paleczek vom Sudetendeutschen Museum und
Christa Naaß und Dr. Ivana Červenková im Sudetendeutschen Haus in München. Rechts Červenková mit Jan Kreuter zwei Tage später beim Sudetendeutschen Tag in Hof.
Bernd Posselt, Dr. Peter Küffner, Hans Knapek, Jan Kreuter vor Rudolf Ritter Lodgman von Auen und Raimund Paleczek.
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Am 17. Juni feierte Ulrike Baier, Vürstäihara der Eghalanda Gmoi z‘ Forchheim und Egerländer Multitalent, in der oberfränkischen Stadt 75. Geburtstag.
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lrike Baier wurde bereits fern der elterlichen Egerländer Heimat in Forchheim geboren. Sie war das einzige Kind von Franz Kunz aus dem Raum Luditz und dessen Frau Maria, geborene Fritsch, aus Fischern bei Karlsbad. Ihr Vater war bis zu seinem plötzlichen Tod vor mehr als 25 Jahren bei den Sudetendeutschen bekannt und beliebt. Er führte die SL-Kreisgruppe Forchheim, war Schatzmeister der SLBezirksgruppe Oberfranken und ebenso tatkräftig bei der Eghalanda Gmoi engagiert. Kein Wunder, daß die Tochter früh an Veranstaltungen der Gmoi und der Landsmannschaft teilnahm und mitwirkte. Bei einer ihrer letzten Veranstaltungen gab sie einige Erinnerungen an Egerländer Aussprüchen preis. Diese zeigen, wie tief sie im Brauchtum verwurzelt ist. „Viele Dogmen meiner Mutter haben sich über Jahrzehnte hinweg bei mir eingewurzelt. Ich sehe sie heute noch vor mir, wie sich das schicksalsreiche Fenster unserer damaligen Küche öffnete, und meine Mama rief: ,S‘ wiard Zeit, kumm eine, es wird sche finza.‘ Wie gerne hätte ich noch weiter mit meinen Freundinnen im Hof gespielt, die alle immer länger als ich draußen bleiben durften.
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25/2022
� Egerländer Multitalent
Ulrike Baier 75 Der obligatorische Satz vor dem Einschlafen hieß: ,Vergiß neat zan be(t)n.‘ Im Geiste sah ich mich schon in der Hölle. Doch auch als Erwachsene mußte ich viele Ermahnungen über mich ergehen lassen. ,Du bist scho wieder füll zerleicht uazuagn.‘ oder ,Nimm der fei a Poor Handschger mit, wenn min Auto wos is, und du dann in der Költn steih moußt, kuast se brauchn.‘ oder ,Wennst af der Strauß gähist, moußt Leit uaschaua, neat an Kuap in Buar(d)n stecken. Des mächt immer an schlechtn Eindruck.‘ oder ,Zieh der liawa was einfärbichs uan, Muster lenkt o vom G‘sicht!‘ Dieser Satz hat inzwischen eine andere Wertigkeit für mich bekommen, ich trage manchmal absichtlich gemusterte Teile. Und da meine Mama immer lieber eine halbe Stunde zu früh dran war, muß ich mir auch heute noch anhören: ,Manna, manna, wos treibst denn du dich sua long im, du kinnst wieder zerspät.‘ Glauben Sie mir, ich habe immer versucht diese und weitere Lehren zu beherzigen. Das gelang und gelingt mir nicht immer, aber sie haben sich in meinem Gedächtnis eingebrannt. Die Stimme meiner Mutter war Musik in der Kindheit. Mahnung
und Glück zugleich, Frieden und vor allem Geborgenheit. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich ähnliche Weisheiten an meine Kinder und Enkel weitergebe. Daß sie nicht immer fruchten, weiß ich am besten. Meistens kommt dann: ,Oma, wir wissen es.‘ Und dann vervollständigen sie meinen angefangenen Satz. Aber was bleibt uns anderes übrig, als unser Erlebtes weiterzugeben, in der Hoffnung, daß es in der nächsten Generation fruchtet.“ Der US-amerikanische Schriftsteller Mark Twain schreibt: „Meine Mutter hatte einen Haufen Ärger mit mir, aber ich glaube, sie hat es genossen.“ Die Mutter unserer Jubilarin ist 97 Jahre alt, und die Zeit mit Corona war für Mutter und Tochter nicht leicht. Ulrike Baier führte ein erfolgreiches Leben mit Mann, Kindern und Enkeln. Sie war medizinischtechnische Assistentin. Später betrieb sie zeitweise ein Antiquitätengeschäft. Parallel dazu ist sie seit 40 Jahren Gästeführerin in Forchheim. Sie qualifizierte sich 2005 zur von der Europäischen Union geprüften Kulturführerin in der
Fränkischen Schweiz. Seit 2014 kann man sie als EUgeprüfte Genußbotschafterin Oberfrankens im Internet buchen. Von Kind ab ist sie Mitglied der Gmoi und SL. Sie trug von klein auf bei entsprechenden Veranstaltungen die Egerländer Tracht. In Forchheim war sie mehrere Jahre im Gmoivorstand. Seit 2005 ist sie Vürstäihara, zuerst mit Alfred Lihl, jetzt mit Christina Kranholt. Mit dem Vorstand richtete sie in der alten Pförtnerwohnung des Spitals in Forchheim eine Gmoistube ein. Ein Raum ist mit heimatlichen Erinnerungsgegenständen ausgestaltet. Auch andere Sudetendeutsche sind in Ulrike Baiers Gmoi gern gesehen. Bei der Landsmannschaft moderierte sie einige Jahre unter Bezirksobmann Hans Werner Bruch den Tag der Heimat im Forchheimer Rathaus. Ulrike Baier ist noch vielfältig engagiert. So sagt sie selber: „Ich muß mir die Termine immer nach Wichtigkeit einteilen. Mama versorgen. Sie ist doch 97. Dann Stadttermine und Gmoi. Und ganz zuletzt kommen mein Mann, Haus und Garten.“ Die Eghalanda Gmoi z‘ Forchheim und die SL-Bezirksgruppe Oberfranken wünschen der Jubilarin noch weiterhin viel Tatkraft und vor allem Gesundheit. Margaretha Michel
� Rudolf-Lodgman-Plakette
Adolf Bier ausgezeichnet
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Sudetendeutsche Zeitung Hochstraße 8, 81669 München E-Mail svg@sudeten.de
Peter Küffner, mit Reinfried Vogler die Finanzkommission des Sudetendeutschen Rates. Červenková war Tschechische Botschafterin in Wien gewesen und hatte zwei Monate zuvor ihren Posten in München angetreten. Außer für Bayern ist sie für Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland zuständig. Kreuter, der im Sommer nach einem Jahrzehnt München Richtung Prag verlassen wird, erzählte begeistert, daß er am Wochenende mit der ganzen Familie im Sudetendeutschen Museum gewesen sei. Naaß lud die Genralkonsulin zu den Marienbader Gesprächen im Herbst ein. Knapek plauderte aus dem Heiligenhofer Nähkästchen. Paleczek parlierte mit Červenková auf Tschechisch über die gemeinsame Heimat Böhmerwald. Und Posselt rückte Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Sudetendeutschen und Tschechen ins rechte Licht. Ein intensives Gespräch in intimer Runde. Nadira Hurnaus Bilder: Nadira Hurnaus
trat in jungen Jahren der SL bei. Sein jahrzehntelanges und vielfältiges Engagement für die Sudetendeutsche Volksgruppe begann schon 1949, als er seinem engagierten Vater half, die Beitragsmarken zu verteilen. Dieser unermüdliche Einsatz und die Liebe zu seiner Heimat im Sudetenland währt bis heute fort. So ist Adolf Bier langjähriger Obmann der Ortsgruppe Herbertshofen, Vize-Obmann der Kreisgruppe Dillingen – ehemals Wertingen –, Vermögensverwalter der SL-Bezirksgruppe und des BdV-Bezirksverbandes soAdolf Bier, die Auszeichnung und Josef wie als Mitglied der Bundesversammlung im FinanzausEndres.
Im Rahmen der Jahreshauptversammlung der bayerisch-schwäbischen SL-Ortsgruppe Meitingen-Herbertshofen erhielt Adolf Bier für hervorragende Verdienste um die Sudetendeutsche Volksgruppe die RudolfLodgman-Plakette, eine der höchsten Ehrungen der SL.
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m Beisein von Drittem Bürgermeister Rudolf Heflert und Bezirksobmann Felix Vogt-Gruber überreichte mit Kreis obmann Josef Endres Bier die hohe Auszeichnung. Sie erinnert an den ersten Volksgruppensprecher Rudolf Lodgman von Auen und ehrt verdienstvolle Landsleute.
Adolf Bier, geboren in Hermersdorf im Kreis Zwittau im Schönhengstgau, wurde als Kind mit seiner Familie vertrieben und
schuß. Außerdem ist er Mitglied im Schönhengster Heimatbund, wo er zusätzlich seine Hermersdorfer Landsleute betreut. Besonders hervorzuheben ist auch sein unermüdlicher musikalischer Einsatz für die Sudetendeutsche Landsmannschaft mit seinen Trompetensoli bei Ehrungen, Totengedenken, Trauerfeiern oder Konzerten, die er teils auch mit seinen Kindern bei Veranstaltungen auf regionaler und überregionaler Ebene gestaltet. Adolf Bier nahm die hohe Auszeichnung gerührt in Empfang, die in diesen Zeiten mehr denn je die Bedeutung von Heimat und Kulturgut von Minderheiten wertschätzt.
Am 3. Juli wird im Rahmen der 35. Landesversammlung der bayerischen Eghalanda Gmoin in Waldkraiburg im oberbayerischen Kreis Mühldorf am Inn die Ausstellung „Die Egerländer Gmoi z´ Waldkraiburg“ eröffnet. Die Ausstellung über die „Geschichte eines Heimatvereins“ läuft in der Galerie im Haus der Kultur.
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KULTUR
Sudetendeutsche Zeitung Folge 25 | 24. 6. 2022
� Jubiläumsausstellung im oberbayerischen Waldkraiburg
Egerländer Geschichten
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or 700 Jahren, am 28. September 1322, fand die Schlacht bei Mühldorf statt. An der Seite von Ludwig dem Bayern stand das böhmische Heer mit König Johann. Sieger Ludwig konnte seinem Verbündeten die Kosten für den Feldzug wegen leerer Staatskassen nicht erstatten. Daher verpfändete er die seit 1277 freie Reichsstadt Eger/Cheb und deren Umland am 4. Oktober 1322 an das Königreich Böhmen. Das Pfand wurde nie mehr eingelöst. Das Egerland blieb böhmisch. Dieses Ereignis nimmt das Stadtarchiv Waldkraiburg zum Anlaß, mit einer Ausstellung an das Egerland zu erinnern und die Geschichte der Egerländer in Waldkraiburg zu dokumentieren. Das Egerland liegt im westlichen Teil Böhmens, grenzt an Sachsen und Bayern und war bis 1945 mit 800 000 Einwohnern eine deutschsprachige Region. Das Land ist berühmt für sein reiches kulturelles Erbe. Dafür sind stell-
Wagen der Egerländer Gmoi beim Festzug „15 Jahre Waldkraiburg“ 1965.
Egerländer Gmoi auf dem Waldkraiburger Stadtplatz am 7. Juli 2000.
vertretend Exponate – wertvolle Gläser, historische Ortsansichten, Trachtenpuppen und Hausmodelle – aus dem Sudetendeutschen Museum, von privaten Leihgebern und dem Stadtmuseum Waldkraiburg ausgestellt. Kunstvoll gestickte Fahnen, Plakate, Fotos und Chroniken aus dem Besitz der Egerländer Gmoi z‘ Waldkraiburg
l 1964 gründete Albin Teistler in Waldkraiburg die Arbeitsgemeinschaft der Egerländer Gmoin Südostbayern. l Der Waldkraiburger Verein entwickelte sich in den siebziger Jahren zur mitgliederstärksten Gmoi im Bundesverband. l Der 1979 gegründete Vereinschor unter Leitung von Zita Ladwig pflegte jahrzehntelang das Liedgut der alten Heimat. l Zum 25jährigen Gründungsfest 1980 konnte man das 16. bayerische Landestreffen mit 20 000 Teilnehmern ausrichten.
Das Egerländer Maibaum-Spiel auf dem Waldkraiburger Stadtplatz am 1. Mai 1961. Im Schlesischen Museum zu Görlitz wird demnächst die zweiteilige Ausstellung „Porzellanland Schlesien“ eröffnet. Die Einrichtung besitzt dank der Schenkungen von Gerhard und Margret Schmidt-Stein sowie von Adelheid Schmitz-Brodam eine Sammlung an schlesischem Porzellan, die wohl als die weltweit größte gelten kann. Die Auswahl aus diesem reichen Schatz kann bis Ende Februar 2023 besichtigt werden.
und des Stadtarchivs zeigen eindrucksvoll die Vereinsgeschichte.
Aus der Vereinschronik: l Bei einem der ersten Bahntransporte mit Heimatvertriebenen, die im April 1946 den Kraiburger Bahnhof erreichten, waren auch Bewohner aus dem Egerland dabei. Im September kam ein weiterer Transport mit Musikinstrumentenbauern aus Graslitz im Egerland in das ehemalige Pulverwerks-Gelände, auf dem Waldkraiburg entstand. l Am 25. Mai 1948 fand das erste Konzert der Graslitzer Betriebskapelle statt. Seit über 70 Jahren pflegen die Musikanten in Egerländer Tracht die weltbekannte böhmische Blasmusik. l Am 5. Mai 1955 gründeten 19 Waldkraiburger die Egerländer Gmoi. Deren Ziel war und ist bis heute, Bräuche, Mundart, Musik, Tanz und Tracht zu pflegen. l Bereits drei Jahre später, 1958, fand das große Fest der Fahnenweihe statt. Als Pate fungierte die Ampfinger Gmoi. l 1959 konnte man erstmals in Vereinstracht beim berühmten Münchener Schützen- und Trachtenfestzug teilnehmen.
l Bei der Weihe der deutschlandweit ersten Fahne der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Waldkraiburg übernahm 1981 die Gmoi die Patenschaft. l Zusammen mit weiteren Vereinen konnte die Gmoi 1982 das Bürgerfest im Stadtpark begründen. l 1985 erwarb die Gmoi zur 30-Jahr-Feier zwei neue Fahnen. Als Pate stand der Waldkraiburger Erzgebirgsverein zu Seite. l Seit 1993 besitzt die Gmoi Räume im Haus der Vereine. Konrad Kern
Egerländer Gmoi z´ Waldkraiburg marschiert 1959 erstmals beim Münchener Schützen- und Trachtenfestzug mit. Bilder: Stadt Waldkraiburg
� Porzellan aus Schlesien
Luxus- und Gebrauchsgut
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ast 50 schlesische Unternehmen produzierten zwischen 1820 und 1945 Porzellan in den größten und modernsten Fabrikanlagen Deutschlands. Firmen wie Krister, Tielsch, Ohme oder Königszelt machten aus dem Luxusgut Porzellan im 19. Jahrhundert ein Gebrauchsgut, das für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich wurde. Die Porzellanherstellung wurde zu einem prägenden Industriezweig Schlesiens und verwandelte die Region in ein Porzellanland. Mit einer Auswahl an Services, Vasen, Dosen und anderen Gefäßen bieten die Ausstellungen den Besuchern einen Augenschmaus an Stilformen von Neu-Rokoko bis Art déco. Die hohe ästhetische Qualität und die Quantität der schlesischen Porzellanproduktion sind beeindruckend. Das verdeutlichen auch historische Ansichten der Fabrikgebäude, Dokumente, Verkaufskataloge und handgezeichnete Musterbücher. Übrigens produzieren drei polnische Fabriken in Schlesien heute noch Porzel-
Mokkatassen der Firma Reinhold Schlegelmilch in Tillowitz und Dose mit goldenem Ätzdekor der Porzellanfabrik Königszelt, alles 1930er Jahre.
Dosen im Stil des Art déco der Porzellanfabrik Königszelt und Service „Koralle“ der Porzellanfabrik Karl Krister in Waldenburg, alles 1930er Jahre. Bilder: Sammlung Gerhard Schmidt-Stein, René Pech/SMG
Was, wann und wo? Samstag, 9. Juli, 15.00 Uhr: Wolf-Dieter Hamperl, Vorsitzender des Egerer Landtags, spricht über „Die Verpfändung des historischen Egerlands samt Eger vor 700 Jahren und das spätere Egerland“. Vortragsraum, Haus der Kultur. Mittwoch, 13. Juli, 18.00 Uhr: Feierabendführung mit Stadtarchivar Konrad Kern und Gmoi-Vorstand Karl-Heinz Spiegl durch die Ausstellung mit Diskussion und Musik der Egerländer Blaskapelle. Foyer, Haus der Kultur. Samstag, 16. Juli, 15.00 Uhr: Vorführung von Filmen aus den Archiven des Bayerischen Fernsehens und des Westdeutschen Rundfunks über Auftritte der Egerländer Gmoi 1973 und 1979, eines Films über die Einweihung des Gedenkkreuzes in Maria Eck von 2006 und des Dokumentarfilms „Die Egerländer – was ist aus ihnen geworden?“ von 2014. BlackBox-Saal, Haus der Kultur. Samstag, 23. Juli, 15.00 Uhr: Daniel Baumgartner, Koordinator für die Geschichtsarbeit im Kreis Mühldorf, spricht über „Das Egerland im Mittelalter“. Vortragsraum, Haus der Kultur. Mittwoch, 27. Juli, 19.00 Uhr: Karel Halla, Archivdirektor der Staatsarchive Pilsen und Eger, spricht über „Die entfremdete Vergangenheit der böhmisch-deutschen Reichsstadt Eger“. Haus der Vereine, Brünner Straße 7. Bis Sonntag, 31. Juli: „Die Egerländer Gmoi z‘ Waldkraiburg – Geschichte eines Heimatvereins“ in Waldkraiburg, Galerie im Haus der Kultur, Braunauer Straße 10. Donnerstag bis Sonntag 14.00 –17.00 Uhr.
lan und sehen sich in der Tradition ihrer deutschen Vorgängerfirmen. Das Ehepaar Gerhard und Margret Schmidt-Stein trug in jahrzehntelanger Arbeit eine der umfangreichsten Privatsammlungen Schlesischen Porzellans zusammen. Sie unterstützten das Schlesische Museum bereits früher mit zahlreichen Schenkungen und Leihgaben und schufen somit die Voraussetzung für etliche Ausstellungen. Gerhard Schmidt-Stein verfaßte auch das Standardwerk über die Geschichte des Schlesischen Porzellans. 2021 ging die gesamte Sammlung Schmidt-Stein als Schenkung an das Museum. Zusammen mit dem Museumsbestand und der zweiten bedeutenden Schenkung von Adelheid Schmitz-Brodam verfügt das Schlesische Museum nun über eine Sammlung an schlesischem Porzellan, die Weltrang besitzt. Während das Sammlerehepaar Schmidt-Stein zahlreiche Fabrikate verschiedener Hersteller nach ästhetischen Gesichtspunkten sammelte, konzentrierte sich Adelheid Schmitz-Brodam auf Fabrikate von Carl Tielsch & Co. und deckte dadurch das breite Produktportfolio eines einzelnen Herstellers ab. Samstag, 9. Juli bis Sonntag, 26. Februar 2023: „Porzellanland Schlesien“ in Görlitz, Schlesisches Museum zu Görlitz, Brüderstraße 8. Dienstag bis Donnerstag 10.00–17.00, Freitag bis Sonntag 10.00–18.00 Uhr.
8 Die diesjährige Vortragsreihe von Stefan Samerski unter dem Motto „Böhmen macht Weltgeschichte: Unbekanntes und Unbekannte“ findet nun wieder analog im Sudetendeutschen Haus in München statt. In der zweiten Folge referierte der Professor für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit über „Böhmen in der Sozialdemokratie Schwedens“. Der Historiker berichtete dabei über das Schicksal der Exulanten in Schweden, die vor den Nationalsozialisten dorthin geflohen waren. Der SL-Bundesverband, die Sudetendeutsche Heimatpflege, die Ackermann-Gemeinde in der Erzdiözese München und Freising sowie die Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste veranstaltet die Reihe, die Sudetendeutschen Stiftung fördert sie.
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lles begann 1938 mit dem Münchener Abkommen“, sagte Stefan Samerski. „Das war der Startschuß für die Emigration von sudetendeutschen Sozialdemokraten und Kommunisten“, so der Professor für Kirchengeschichte bei seinem Vortrag im Adalbert-Stifter-Saal. Die Emigranten seien vor dem Eindringen der Reichsdeutschen geflohen in der berechtigten Angst, verfolgt und eingesperrt zu werden. „Tatsächlich wurden sofort etwa 20 000 Sudetendeutsche inhaftiert und in Lager verschleppt oder deportiert.“ Einem von diesen verhafteten Landsleuten, dem Sozialdemokraten Otto Seidl, sei die Flucht gelungen, indem er aus einem Zug gesprungen sei, mit dem er habe deportiert werden sollen. Seidl sei mit seiner Familie nach Schweden entkommen. „Dort wurden sie schnell von der schwedischen Gesellschaft absorbiert.“ Diese Die Stadtbibliothek Zwittau und der Schönhengster Heimatbund hatten in die Villa Ottendorfer im mährischen Zwittau geladen. Vorgestellt wurden das 2019 in tschechischer Sprache erschienene Buch „Maurus Haberhauer und die Musik des Benediktinerklosters Raigern“ von Irena Veselá und Pavel Žůrek sowie dessen deutsche Sprachfassung.
KULTUR � Vortragsreihe: Böhmen macht Weltgeschichte – Teil 2: Böhmen in der Sozialdemokratie Schwedens
Schneeballsystem bei Recherche schnelle Aufnahme und aus Oslo nach SchweIntegration hätten auch den geflohen. Er habe die anderen Exulanbei dem sozialdemokraten in Schweden erlebt, tischen Nordböhmen denn 1938 und erneut Ernst Paul (1897–1978) 1948 habe es sudetenAufnahme gefunden, deutsche Flüchtlinge der nach der Okkupagegeben. tion des Sudetenlan„Mit zahlreichen der des 1938 nach SchweEmigranten, die noch den geflohen sei. Paul lebten, konnte ich selbst habe Brandt Kontakte sprechen“, erzählte Savermittelt, was für Paul merski und beschrieb, als TG-Redakteur nicht wie jeder in Schweden schwer gewesen sei. ihn zu weiteren ZeitzeuFrahm habe ebenfalls gen geschickt habe. „Es für die Presse gearbeitet war eine Art Schneeund für Tageszeitungen ballsytem.“ Die Exulangeschrieben. „Die Beten seien meist zuerst gegnung mit den Sozinach Göteborg, Stockaldemokraten in Schweholm, Malmö oder Trelden inspirierte Frahm.: lebort gekommen, er- Heimatpflegerin Christina Meinusch begrüßt Professor Dr. Stefan Samerski. Er gründete dort die Bilder: Susanne Habel kleine Sozialistische Inklärte Samerski mit ei- ner Schwedenkarte im ternational.“ Hintergrund. Die Ankunft in grö- zu bekennen, da ansonsten ihre aufnehmen.“ 1948 habe es dann Ernst Paul sei seinerseits ßeren Städten sei kein Zufall ge- Pässe nicht verlängert würden. eine Rezession in Schweden ge- 1958 nach Esslingen in Badenwesen. Schweden habe sich die Auch wenn sie politisch nicht geben, und weitere Flüchtlinge Württemberg gezogen, wo er in besten sudetendeutschen Kandi- hätten tätig sein dürfen, hätten seien abgelehnt worden. die deutsche SPD eingetreten daten ausgesucht. Die meist gut sich die Exulanten organisiert Nach der Währungsreform sei. Er habe später als Redakteur geschulten sudetendeutschen und die Treuegemeinschaft Su- 1948 sei die Lage im deutschen in Stuttgart gearbeitet und sei Industriearbeiter seien mit ihren detendeutscher Sozialdemokra- Westen besser geworden, so daß in den Bundestag gewählt worFamilien mit Bussen zunächst zu ten (TG) gegründet, die sogar ei- viele auch nach Deutschland ge- den (1949–1969), wo er wehrLagern in den größeren Städten ne Zeitung unterhalten habe. gangen seien. Die Sudetendeut- politischer Sprecher gewesen transportiert worden. Dort hätten Die Erfahrungen der Schwe- schen, die nach Kriegsende in sei. sie von der Hilfe durch die Be- den mit der ersten sudetendeut- die böhmischen Länder zurückBei den Beratungen zur Aufhörden, etwa beim Spracherwerb schen Flüchtlingswelle 1938 von gekehrt seien, hätten das Schick- stellung der Bundeswehr habe oder der Kinderbetreuung, profi- etwa 5000 Personen mit ihrem In- sal ihrer einstigen Landsleute ge- sich Paul für die Schaffung des tiert. Finanzielle Unterstützung tegrations- und Leistungswillen teilt: „Sie wurden vertrieben.!“ Amtes des Wehrbeauftragten sei oft aus England gekommen, sei so gut gewesen, daß SchweSamerski schilderte das Exil nach dem Vorbild des schwediwohin auch viele Landsleute ge- den 1945 bis 1947 weitere Lands- erlebnis von zwei bekannten Per- schen Militie-Ombudsmannes flohen seien und die tschecho- leute aufgenommen habe, die sönlichkeiten. Herbert Frahm ausgesprochen und sich mit dieslowakische Exilregierung unter es jedoch wieder genau ausge- (1913–1992) sei nach Norwe- ser Forderung schließlich auch Edvard Beneš gesessen habe. wählt habe. „Schweden wollte gen geflüchtet. Als das Deut- durchsetzen können. Er sei auch Der Exilpräsident habe die keine möglichen Alt-National- sche Reich Norwegen erobert ha- Bundesvorsitzender der SeligerFlüchtlinge ab 1942 auch zwin- sozialisten und am liebsten nur be, sei Frahm – der später sein Gemeinde und Leiter des Seligen wollen, sich als „Tschechen“ ehemalige Widerstandskämpfer Pseudonym Willy Brandt trug – ger-Archivs gewesen.
� Würdigung des Komponisten Maurus Haberhauer (1746–1799)
Buchpräsentation in Zwittau
als Joseph Franz Haberhauer in die Tuchmacherast zehn Jahre hatten die bei- Familie Franz den tschechischen Musikhi- Haberhauer in storiker mit Unterbrechungen Zwittau geboan diesem grundlegenden Ti- ren wurde. Seitel gearbeitet, und fast zeitgleich ne Vorfahren war es dem Sudetendeutschen stammen aus Musikinstitut (SMI) gelungen, dem unweit gedurch Hana Pfalzová eine Über- legenen Dorf tragung ins tschechische vorzu- Vierzighuben, legen. Der aufwendig gestalte- wo sie bis in ten tschechischen Ausgabe mit die Mitte des Farbabbildungen und Incipit- 17. JahrhunVerzeichnis der Werke Haber- derts als Müller hauers steht im Deutschen eine wirkten. Wähleicht gestraffte, auf größere Le- rend Joseph serkreise zielende Textfassung Franz Haber- Das Brünner Musica Figuralis-Ensemble. gegenüber. Nach zweijährigem, hauers Kindpandemiebedingtem Warten ließ heit und Jugend erfuhr Zwittau das seinerzeit ein reiches, bis sich nun endlich die Präsentati- eine erstaunliche Blüte im Be- nach Wien hin beachtetes Muon der beiden Bücher realisieren reich der Musik. Darauf mach- sikleben unterhielt, in dem über – mit Einführungen und wissen- te Jiří Sehnal, ein ausgewiese- vokale Kirchenmusik hinaus schaftlichen Erläuterungen so- ner Experte der Kirchenmusik auch größer besetzte weltliche wie der Aufführung zweier Kom- Mährens, in seinen ebenso fun- Instrumental- und Orchestermupositionen Maurus Haberhauers. dierten wie spannend zu folgen- sik gepflegt wurde. Seit der AbEinige Worte zu Maurus Ha- den Ausführungen aufmerksam. nahme der Ordensgelübde 1764 berhauer, der am 13. März 1746 Dieses Umfeld trug entschei- trug Haberhauer den Ordensdend dazu bei, Haber- namen Maurus. 1770 wurde er, hauers musikalische nach theologischen Studien und Begabung zu entfa- der Priesterweihe, zunächst zum chen und in die rich- Leiter des Raigener Klosterchors tige Bahn zu lenken, bestellt. In der damaligen Muwie alsdann Irena Ve- sik dominierte der italienische selá, die Ko-Autorin Barockstil. Auch in den Werken des Buchs und Schü- Haberhauers fand dieser seinen lerin Sehnals, ein- Nachhall, teils mit Einfärbungen drucksvoll verdeut- des bereits aufkommenden Wielichte. Seit spätestens ner klassischen Stils. 1759 besuchte HaberMaurus Haberhauer schrieb hauer das Jesuiten- vor allem Meßkompositionen, gymnasium und des- nicht weniger als 46, ferner zwei sen angesehenes Mu- Requien, Vespern, lauretanische sikseminar in Brünn. Litaneien und Motetten. Bis dato Nach der Schule trat konnten knapp einhundert Komer 1763 in das Bene- positionen nachgewiesen werDr. Annemarie Klemsche-Haberhauer und Os- diktinerkloster Rai- den; sie entstanden von der zweiwald Haberhauer. gern bei Brünn ein, ten Hälfte der 1760er bis in die
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 25 | 24. 6. 2022
Ein wichtiger Zeitzeuge sei Otto Seidl gewesen, der nach seiner Flucht nach Eskilstuna in Schweden gekommen und dort Mitbegründer der TG gewesen sei. Er sei in Schweden geblieben und 2007 als Gast in der Tschechischen Republik gewesen. Im Rundfunk habe Otto Seidl sich an seine Aufnahme erinnert: „Wir bekamen Wohnungen und haben uns in Schweden eingelebt. Im nächsten Jahr werden es schon siebzig Jahre seit meiner Ankunft in dieser Stadt, wo ich heimisch geworden bin. Von der ersten Generation, die als Erwachsene nach Schweden gekommen sind, bin ich der einzige, der noch lebt.“ „Die Geschicke der Sudetendeutschen Emigranten in Schweden zeigen deren enge Verbundenheit und Kontakt untereinander“, schloß Samerski seinen spannenden Vortrag. Susanne Habel
Rudolf Tempsch: „Aus den böhmischen Ländern ins skandinavische Volksheim. Sudetendeutsche Auswanderung nach Schweden 1938–1955“. Wallstein Verlag, Göttingen 2019; 398 Seiten, 34,90 Euro. (ISBN 978-3-8353-1226-5) ers Werke zu edieren, sie in wissenschaftlich-praktischen Ausgaben herauszubringen, können nur vorbehaltlos begrüßt werden. Daraus ließe sich ein vielversprechendes tschechisch-deutsches Editionsprojekt entwickeln. Das Brünner Musica Figuralis-Ensemble sang und spielte großartig und ließ keinerlei Wünsche offen; es bringt die Musik authentisch zu großer und glanzvoller Wirkung. Den Abschluß der Veranstaltung bildete ein tschechischdeutscher Empfang im nebenan gelegenen Zwittauer Stadtmuseum. Dazu hatte Oswald Haberhauer, ein Namensvetter und mutmaßlich entfernter Verwandter des Zwittauer Komponisten, geladen, der sich seit vielen Jahren schon mit seiner Ehefrau Annemarie Klemsche-Haberhauer für die Erforschung und Pflege des Schaffens Maurus Haberhauers einsetzt. Beide stammen aus dem Schönhengstgau und leben ihre Heimatliebe bewußt und aufgeklärt. Ohne selbstlose Förderer und Mäzene wie die Haberhauers wäre die Zwittauer Buchpräsentation kaum zustande gekommen. Martin Branuschik
gen, Hintergründe und Verdienste der deutschen Textfassung des Buchs. In bester Erinnerung werden die umrahmenden Musikstücke Maurus Haberhauers bleiben, eine „Alma redemptoris“ in C und ein „Duetto de Jesu“ in B. Der Hörer begegnet hier Bilder: Petr Hlaváček einer strahlenden, aufbau1790er Jahre. Haberhauer über- enden und erhebenden Musik, nahm im Kloster Raigern wichti- die sich spürbar über das Niveau ge Funktionen als Subprior und damaliger Gebrauchsmusik ertheologischer Lehrer. Er stand im hebt – das ist Musik mit einem Ruf eines hochgebildeten Zeit- durchaus eigenen künstlerischen genossen wie auch handwerklich Profil. Planungen, Haberhausouveränen Komponisten, der Ansehen über das Kloster hinaus genoß. Seit 1783 litt er an Gicht und war gezwungen, die letzten 13 Lebensjahre ans Bett gefesselt zu verbringen, beschäftigte sich aber auch in dieser Zeit viel mit Musik. Maurus Haberhauer verstarb am 18. Februar 1799. Grußworte der Zwittauer Bibliotheksdirektorin Marta Bauerová und des Vertreters des Schönhengster Heimatbunds, Wolfgang Fritscher, betonten die künstlerische Bedeutung Maurus Haberhauers und wünschten seiner Musik eine stärkere Beachtung sowohl in der Tschechischen Republik als auch im deutschsprachigen Raum. Andreas Wehrmeyer, der Leiter des Sudetendeutschen Musikinstituts, skizzierte die Voraussetzun- Professor Jiří Sehnal bei seinem Vortrag.
� SL-LG Thüringen
� SL-Kreisgruppe Kassel/Hessen
Ernst Hajny verstorben
Notfall-Obmann hält Gedenkrede
Am 21. Mai starb Ernst Hajny, der aus Komotau stammende langjährige Vizeobmann der SLLandesgruppe Thüringen, in Ilmenau. Landesobmann Gerhard Kraus trauert namens der gesamten Landesgruppe um ihn.
Der Vorstand der SL-Bezirksgruppe Oberfranken in Neustadt.
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� SL-Kreisgruppe Coburg/Oberfranken
ief traurig haben wir unserem verdienstvollen Landsmann Ernst Hajny am 17. Juni in der Trauerhalle in Ilmenau das letzte Geleit gegeben. Er wurde am 16. Januar 1945 in Komotau geboren. Im Zuge der furchtbaren Vertreibung strandete die Familie im sachsenanhaltinischen Stendal in der Sowjetischen Besatzungszone. Dort besuchte er Schule und Oberschule. Zum Studium ging er ins thüringische Weimar an die Hochschule für Architektur und Bauwesen, studierte die Fachrichtung Verfahrenstechnik und Baustoffkunde und schloß das Studium als Diplomingenieur ab. Er kam nach Ilmenau in den Betrieb Technisches Glas Ilmenau, wo er in verschiedenen, auch leitenden Stellungen arbeitete. Er heiratete seine Edeltraud und gründete mit ihr eine Familie. Aus dieser gingen die drei Kinder Holger, Xenia und Stefanie hervor. Gleich nach der Wende trat er in die Sudetendeutsche Landsmannschaft ein. Sofort brachte er sich an der Seite unseres Professors Alfred Kirpal in unsere Arbeit zur Erhaltung und Pflege von Kultur und Brauchtum der Sudetendeutschen ein. Nach dem Ausscheiden von Landesobmann Otto Hörtler und dem Tod Kirpals wurde er in den Landesvorstand als Stellvertretender Landesobmann und als Vertreter der Landesgruppe Thüringen in die Sudetendeutsche Bundesversammlung gewählt. Mit großer Einsatzbereitschaft und viel Fleiß erledigte er in ehrenamtlicher Arbeit diese Aufgaben. Er war auch bereit, die umfangreiche Arbeit als Bearbeiter der Anträge für Projektveranstaltungen in allen Kreisgruppen in Thüringen zu übernehmen. Dabei hat er in seiner ruhigen und sachlichen Art mit den Kreis obleuten zusammengearbeitet, die für seine Hilfe sehr dankbar waren. Seine Meinung war bei unseren Landsleuten gefragt und geschätzt. Er gab immer sein Bestes und erwarb sich Achtung und Zuneigung. Dafür wurde er auch mit dem großen Ehrenzeichen der SL ausgezeichnet. Mit großer Bestürzung haben wir von seinem Tod nach einem Herzinfarkt am 21. Mai erfahren. Wir verlieren in ihm einen unermüdlichen Mitstreiter, der sich in der Kreisgruppe Ilmenau, in der Landesgruppe Thüringen und in der Bundesversammlung außerordentlich verdient gemacht hat. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei seiner Familie und seinen Freunden aus der Landsmannschaft, denen wir Kraft in der Zeit der Trauer wünschen. Wir werden Landsmann Ernst Hajny stets in Ehren gedenken.
Die Kreuzkirche im Ilmenauer Friedhof.
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VERBANDSNACHRICHTEN
Sudetendeutsche Zeitung Folge 25 | 24. 6. 2022
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Täglicher Dienst am Nächsten Mitte Juni tagte der Vorstand der SL-Bezirksgruppe Oberfranken im Pfarrzentrum Verklärung Christi in Neustadt bei Coburg.
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ürzlich war Roman Seidl, Obmann der oberfränkischen SL-Ortsgruppe Neustadt, gestorben. Trotz seines Todes und Corona werde die Ortsgruppe weiterleben, erfuhr Bezirksobfrau Margaretha Michel am Rande der Bezirksvorstandssitzung. Zunächst wolle man sich regelmäßig zum Stammtisch treffen. Zufrieden war Michel auch über die wieder vermehrt möglichen Aktivitäten der SL-Kreisgruppen in Oberfranken. Die Bezirksgruppe habe zuletzt in Goldkronach Josefi gefeiert und eine Fahrt ins Egerland mit Besuch des Heimatmuseums von Richard Šulko in Netschetin unternommen. Die Teilnahme am Sudetendeutschen Tag in Hof sei außerordentlich gut gewesen. Für die Vertiefung der sudetendeutsch-tschechischen Beziehungen sei der oberfränkische Veranstaltungsort in Grenznähe ein Glücksfall. Michel: „Der allgemeine Eindruck war, daß das
Miteinander sudetendeutscher und tschechischer Besucher so eng wie noch nie zuvor war.“ So sei der weiteren Verständigung auf Basis von historischer Wirklichkeit und Gerechtigkeit zusätzlicher Schwung verliehen worden. Die SL-Bezirksgruppe Oberfranken wolle daher wieder zahlreich im Juli beim Brünner Versöhnungsmarsch teilnehmen. Vor der Sitzung hatten die Mitglieder des SL-Bezirksvorstandes in der Neustadter Kirche Verklärung Christi Roman Seidls gedacht. Er war langjähriger Obmann der SL-Ortsgruppe Neustadt, der SL-Kreisgruppe Coburg-Neustadt und Vorsitzender des BdV-Bezirksverbandes Oberfranken. Das Erinnern fand im Beisein der Familie des Verstorbenen und vieler Wegbegleiter seiner Neustadter Pfarrgemeinde statt. Der in Bergreichenstein im Böhmerwald geborene Seidl war während des ersten CoronaLockdowns 2020 gestorben. Aufgrund der Infektionsschutzvorgaben konnten seinerzeit nur wenige Landsleute und Freunde am letzten Geleit teilnehmen.
In seinem Nachruf dankte der Neustadter Frank Altrichter, Vorstandsmitglied der SL-Landesgruppe Bayern, für Seidls „nimmermüden Einsatz im Interesse von Verständigung und der Achtung von Menschenrechten“. Als kleiner Bub aus dem Böhmerwald vertrieben, habe Roman Seidl durch seine Tätigkeit einen immensen Beitrag geleistet, daß entwurzelte sudetendeutsche Landsleute in Neustadt und seinen Stadtteilen neuen Mut und letztlich auch Fuß gefaßt hätten. „Roman lebte täglich den Dienst am Nächsten, er lebte ihn vor.“ Dabei habe ihm sein christlicher Glauben selbst den stärksten Halt gegeben, auch in Form seiner Tätigkeit als Mesner in der Kirche Sankt Ottilia am Fuße des Muppbergs. Die frühere Pfarr- und heutige Filialkirche der Pfarrei Sankt Ottilia war nach 1945 der zentrale Begegnungsort in Neustadt bei Coburg und Umgebung für vertriebenen Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien wie auch für manche deutschstämmige Heimatvertriebene aus Südosteuropa.
� VLÖ
Nachhaltige Nutzung kurzweiliger Art und Weise näherzubringen. „So sind wir zum Beispiel bereits mit ‚NOUS Wissensmanagement’ in Kontakt, einem Wiener Unternehmen, das internationale Erfahrung im Bereich der digitalen Transformation und virtuelle Lösungen für Museen und Kulturbetriebe mitbringt“, ergänzte Kapeller. „Architekten und Museumspädagogen werden darüber hinaus über den Sommer das Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer und VLÖ- Konzept abrunden, daPräsident Norbert Kapeller im Bundeskanzleramt. mit im Herbst im Zuge einer weiteren Sitzung orbert Kapeller stellte dar, Der VLÖ-Vorstand habe im des Vertriebenenbeirats auch daß im Vertriebenenbeirat Frühjahr unter anderem das Su- die legistischen Weichen gestellt mit den Bereichssprecherinnen detendeutsche Museum in Mün- werden können“, zeigte sich Kaund -sprechern aller Parlaments- chen, das Dokumentationszen- peller optimistisch. parteien Übereinstimmung dar- trum Flucht, Vertreibung, Ver„Durch eine moderne Darstelüber herrsche, daß das Haus der söhnung sowie die Gedenkstätte lung der Geschichte und KulHeimat in der Steingasse im 3. Deutscher Widerstand im Bend- turleistung sollen die altösterWiener Bezirk mittel- bis lang- lerblock in Berlin besucht, um reichischen Heimatvertriebenen fristig in einen musealen Be- dort entsprechende Eindrücke zu einerseits ihren Platz in der östertrieb übergeführt werden solle. sammeln. „Essentielle Elemen- reichischen Zeitgeschichte erhal„Da die Schicksalsgemeinschaft te der Museumspädagogik, die ten, und andererseits soll das erder Erlebnisgeneration, welcher Besucherfreundlichkeit und die littene Schicksal von Flucht und nach dem Zweiten Weltkrieg im Integration der neuen digitalen Vertreibung und einer gelunZuge von Flucht und Vertrei- Welten sind nur einige Beispiele, genen Integration in Österreich bung unendliches Leid widerfah- die uns bei der Umsetzung unse- für die heutige Generation und ren ist, zahlenmäßig überschau- rer Pläne am Herzen liegen“, so in Zukunft Mahnung und auch Ansporn zugleich sein, um die bar kleiner wird, gestalten sich Kapeller. unsere gemeinsamen ÜberleGemeinsam mit seinen Kol- Welt ein Stück friedlicher zu magungen im VLÖ-Vorstand dahin- leginnen und Kollegen im VLÖ chen“, erläuterte Norbert Kapelgehend, das Haus der Heimat als schiele er vor allem auf die jün- ler die Intention der VertriebeHaus der Begegnung in ein Haus gere Generation, um dieser das nenverbände in Österreich, deder Erinnerung überzuführen“, Thema der altösterreichischen nen er als Präsident vorstehen erklärte Kapeller. Geschichte in interessanter und dürfe. Anläßlich eines Empfanges von Bundeskanzler Karl Nehammer und Klubobmann August Wöginger Anfang Juni konnte Norbert Kapeller, Präsident des Verbandes der deutschen altösterreichischen Landsmannschaften in Österreich (VLÖ), die Ideen des Verbandes im Sinne einer zeitgerechten, zukunftsorientierten und nachhaltigen Nutzung des Hauses der Heimat in Wien darstellen und um entsprechende Unterstützung bitten.
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gruppe habe die Auflösung gedroht. In diesem Notfall habe er, Gömpel, sich zur Vorstandstätigkeit bereit erklärt mit dem Ziel, einen Nachfolger zu suchen. „Erlauben Sie mir einige Anmerkungen zur allgemeireisobmann Horst W. nen politischen Situation: l Gestern war der 17. JuGömpel gedachte der Millionen Deutschen, die durch ni. Am 17. Juni 1953 fand ein Flucht und Vertreibung ihre Aufstand gegen das kommuHeimat verloren, und der Tau- nistische Gewaltregime in der senden Opfer, die durch Quä- ,DDR‘ statt. Dieser Aufstand lereien und Vergewaltigungen wurde von dem System blugelitten hätten oder umge- tig niedergeschlagen, es gab kommen seien. Was die Su- langjährige Haftstrafen. Auch detendeutschen speziell erlit- dieser Opfer wollen wir geten hätten, habe der tschechi- denken. l Als der Zweite Weltkrieg sche Historiker Jiřì Padevět in seinem auch auf Deutsch er- am 8. Mai 1945 in Deutschland schienen Buch „Blutiger Som- zu Ende ging, begann für die deutschen gefangenen Soldamer 1945“ dokumentiert. Beispielsweise seien dort ten in den sogenannten, kaum Verbrechen in Reischdorf bei bekannten Rheinwiesenlagern Preßnitz im Erzgebirge, der – von den westlichen AlliierHeimat seiner Frau Marlene, ten errichtete Gefangenenlager entlang exakt dargedes Rheins stellt. Er sel– die Hölle ber sei 1939 auf Erden. in Treysa zur Man eiWelt gekomnigte sich inmen und haternational be nur eine auf eine ToKriegserindeszahl von nerung: „Auf 210 000 bis dem Heim240 000, die weg zu Mitan Untererternacht von nährung und dem Dorf KrankheiAscherode ten in diesen nach Treysa Lagern starhabe ich den ben. Dazu rot gefärbten zählen natürHimmel über lich auch die dem KnüllSoldaten, die gebirge in Vertriebenenkreuz in Holzhausen- in den rusErinnerung: sischen Lader schreck- Immenhausen. gern jahreliche Bombenangriff auf Kassel im Okto- lang unter unmenschlichen ber 1943. Die Stadt gehört zu Bedingungen inhaftiert waren. den Städten in Deutschland, Auch dieser Opfer wollen wir die zu über 80 Prozent zerstört gedenken. l Neben den berüchtigwurden.“ Nun erklärte Gömpel, wa- ten Rheinwiesenlagern gab es rum er als Nicht-Vertriebe- in unserem Land nach 1945 ner SL-Kreisobmann sei. Seine noch sogenannte Politischen Frau sei im Mai 1945 in einem Lager. Davon habe ich bisher Transport aus dem böhmi- 102 feststellen können. In dieschen Erzgebirge mit weiteren sen Lagern waren inhaftiert: 1199 Landsleuten in 40 Vieh- alle Parteimitglieder, Hitlerwaggons am Bahnhof Wabern jungen, alle Personen, die poausgeladen worden. Die Fa- litische Ämter ausübten wie milie habe eine kleine Dach- Bürgermeister, Landräte und wohnung in einem Fabrikge- so weiter, sowie Frauen, die bäude in Remsfeld beziehen im Dienst des Roten Kreuzes können. Er und seine Frau hät- standen oder als Telefonistinten in den vergangenen Jahr- nen oder Sekretärinnen tätig zehnten das gesamte Mittel- waren. Ihre Lagerhaft endete und Nordsudetenland besucht mit einem Entnazifizierungssowie Busfahrten nach Prag verfahren mit unterschiedliund in den Wallfahrtort seiner chen Strafen. Auch Ihrer wollen wir gedenken. Frau organisiert. Mit diesem Thema ergänAußerdem hätten sie gemeinsam das Buch „... ange- ze ich zur Zeit mein Buch mit kommen! Vertrieben aus dem dem geänderten Titel ,RheinSudetenland. Aufgenom- wiesenlager und Politische men in Nordhessen. Vereint Lager. Ein Trauerspiel in in der Europäischen Union“ Deutschland‘. l Mit dem Angriff sowjetgeschrieben. Für dieses Buch hätten sie viele Zeitzeugenbe- russischer Truppen in der richte von Vertriebenen und Ukraine vor mehr als 100 TaAufnehmenden veröffentlicht. gen ist eine neue, bislang Sie hätten fünf Power-Point- kaum vorstellbare militäriVorträge über Vertreibung sche Situation in Europa entkonzipiert und mehr als 120 standen. Mit dem Besuch der Mal gehalten. Für all diese Tä- Staatschefs Mario Draghi, tigkeiten habe sie der Hessi- Emmanuel Macron und Olaf sche Sozialminister 2017 mit Scholz am 16. Juni im Kriegsdem Landespreis Flucht, Ver- gebiet ist ein Zeichen gesetzt treibung, Eingliederung ge- worden. ,Die Ukraine gehört ehrt. Sie seien seit Jahren Mit- zur europäischen Familie‘, glieder der SL, des BdV und meldete die ,Frankfurter Allgemeine Zeitung‘ am 17. Juder SL-Kreisgruppe Kassel. Am 18. Mai habe in Kassel ni in einer Überschrift. Auch die Jahreshauptversammlung der Opfer dieses Krieges wolder SL-Kreisgruppe stattge- len wir gedenken in der Hofffunden. Vor der Veranstaltung nung, daß es zu einem Waffenhabe der langjährige Vor- stillstand kommt.“ Dank gebührt Giesela Rösitzende Dietmar Pfütz feststellen müssen, daß niemand mer und Otto Ulbricht, die das seine Nachfolge anzutreten Gedenken geplant und orgabereit gewesen sei. Der Kreis- nisiert hatten.
Mitte Juni traf sich die hessische SL-Kreisgruppe Kassel anläßlich des bundesweiten Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung beim Denkmal in Holzhausen-Immenhausen.
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Dux
Ladowitz
Klostergrab
Ossegg
für die Kreise Dux, Bilin und Teplitz-Schönau
Bilin
Heimatlandschaft Erz- und Mittelgebirge – Landschaftsbetreuer: Dietmar Heller, Hillenloher Straße 10, 87733 Markt Rettenbach, Telefon (0 83 92) 9 34 72 77, Telefax 9 34 72 78, eMail dietmar.heller@deheller.de. Heimatkreis Bilin – Patenstadt Gerolzhofen; Heimatkreisbetreuer: Dietmar Heller. Internet www.heimatkreisbilin.de. H eimatkreis Dux – Patenstadt Miltenberg; Heimatkreisbetreuer: Klaus Püchler, In den See gärten 35a, 63920 Großheubach, Tele fon (0 93 71) 9 94 01, eMail klauspuechler@web.de. Heimatkreis Teplitz-Schönau – Patenstadt Frankfurt am Main; Heimatkreisbetreuer: Erhard Spacek, Franz-Schubert-Straße 13, 01796 Pirna, Telefon (01 60) 95 32 07 27, eMail erhard.spacek@gmx.de Redak tionsschluß: Freitag der Vorwoche. Redaktion: Lexa Wessel, eMail heimatruf@ sudeten.de
Teplitz-Schönau
Graupen
Niklasberg
Die Botschen-Grabkapelle in Königswald, errichtet 1899 bis 1900 von Friedrich Wilhelm Botschen,von hinten und von vorne.
Bilder: Idnes.cz
� Königswald – Teil II und Schluß
Die Botschen-Kapelle öffnet ihre Pforten am Tag der offenen Tür te, verkam die frei zugängliche Grabkapelle zusehends. Vandalen zerstörten das Innere der Kapelle, niemand hielt sie auf. 1962 wurden die Särge aus der Krypta geborgen und die noch verbliebenen Gegenstände der Kapelle außerhalb eingelagert. Die Krypta wurde zugemauert. Nun wird für die Erneuerung des Innenraumes der Kapelle gesammelt. Man konnte die Decke der Kapelle nicht retten. Aber es sind Reste eines Holzschmuckes des Gewölbes erhalten geblieben. Der Verein wird sich auch weiterhin um die Erneuerung bemühen. Die Botschen-Kapelle liegt oberhalb von Königswald mitten in einem Waldpark, welcher in Zukunft auch wieder hergerichtet werden soll. Der Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, dieses Erbe der Vergangenheit auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Wir wünschen dabei viel Glück!
Der Verein zur Erneuerung der Botschen-Kapelle in Königswald hatte zu einem Besuch dieser Grabkapelle eingeladen. Hier der zweite Teil von Jutta Benešovás Bericht.
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riedrich Wilhelm Botschen trug zur Rettung der Gemeinde Königswald bei. Für seine Verdienste um die Gemeinde wurde er im Jahr 1912 zum Ehrenbürger von Königswald ernannt. In der von ihm errichteten Grabkapelle sind nun er selbst (gestorben im Jahr 1913), seine Söhne und ein Urenkel beigesetzt. Sein Sohn Peter Botschen hatte nach dem Tod seines Vaters dessen Werk über die schweren Jahre des Ersten Weltkrieges fortgesetzt. Die Weltwirtschaftskrise beendete dann die Tätigkeit der Botschen-Fabrik. Und ein neuer Krieg stand vor der Tür. Nachdem man die deutsche Bevölkerung im Jahr 1945 vertrieben hat-
Die Besucher am Tag der offenen Tür bei der Botschen-Kapelle.
Botschen-Kapelle mit Beschreibungstafel.
Jana Davidová erzählt Kindern die Geschichte der Kapelle.
HEIMATBOTE
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Bischofteinitz
Ronsperg
FÜR DEN KREIS BISCHOFTEINITZ
11 Hostau
Heimatkreis Bischofteinitz – Patenstadt Furth im Wald. Heimatkreisbetreuer: Peter Pawlik, Palnkamer Straße 73a, 83624 Otterfing, Telefon (0 80 24) 9 26 46, Telefax 9 26 48, eMail peter-pawlik@t-online.de, Internet www.bischofteinitz.de. Spendenkonto: Heimatkreis Bischofteinitz, Raiffeisenbank Chamer Land – IBAN: DE55 7426 1024 0007 1343 20, BIC: GENODEF1CHA. Heimatbote für den Kreis Bischofteinitz – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Verantwortlich von seiten des Heimatkreises: Peter Pawlik. Redaktion: Nadira Hurnaus, eMail post@nadirahurnaus.de
Schüttwa
Sankt Nikolaus wacht über altes Pfarrdorf Das alte Pfarrdorf Schüttwa, so einer Dominante wie im Mitheute ein Teil von Ronsperg, tealter werde. wird immer attraktiver. Zu verTomáš Jelinek war zum ersten danken ist dies in erster Linie Mal nach Schüttwa gekommen dem Verein Nikolaus (Spolek und hörte hier, daß der DTZF Mikulaš) mit seinem rührigen hier bisher 2,5 Millionen Kronen Vorsitzenden Ivo Dubský. Kürz- investiert habe. Er bekannte, daß lich wurde im Rahmen eines deutschtschechischen Blasmusiknachmittags im dortigen Park feierlich eine Sankt-Nikolaus-Statue des bekannten Pilsener Bildhauers Jaroslav Šindelář bei der Kirche enthüllt. Auch die Renovierung der Kir- Franz Metschl überbringt Ivo Dubský eine Spende che läuft auf Hoch- der Landsleute, und rechts überreicht Thomas Ludtouren. Nun wacht wig einen Scheck der Seckacher. Nikolaus über Schüttwa und darüber hinaus. das, was in Schüttwa geschehe, jedes Jahr aufs Neue fasziniere. ereinsvorsitzender Ivo Dubs- Er lobte das Engagement der Geký hieß die Gäste des gro- meinde, des Vereins, aber auch ßen Ereignisses, zu dem der Ver- der Zivilbevölkerung in diesem ein Nikolaus, das Ronsperger bedeutenden historischen Ort. Kulturzentrum und das Cen- Besonders erfreue ihn der warmtrum Bavaria Bohemia in Schön- herzige Dialog des Vereins und see eingeladen hatten, willkom- der Stadt Ronsperg mit den ehemen. Unter den Ehrengästen wa- maligen Bewohnern des Ortes. ren Senator Vladislav Vilímec, Wichtig sei, daß die Erinnerung Tomáš Jelinek, tschechischer und die Kultur der deutschspraGeschäftsführer des Deutsch- chigen Landsleute zurückgeTschechischen Zukunftsfonds bracht würden. Der Kommu(DTZF), der Seckacher Bürger- nismus habe versucht, die Spumeister Thomas Ludwig, Schütt- ren zu löschen, damit niemand was Ortsbetreuer Franz Metschl, mehr wisse, wer im GrenzgeRonspergs Bürgermeister Mar- biet gelebt habe. Schüttwa sei tin Kopecký, Architekt Jan Sou- ein Ort von europäischer Bekup, Dekan Miroslaw Gierga und deutung. Die Enthüllungsfeier Generalvikar a. D. Emil Soukup. helfe, Schüttwa wieder in ErinAls wichtigsten Geldgeber nann- nerung zu bringen. te Dubský den DTZF, das tscheSeckach ist eine Gemeinde chische Kulturministerium, den im Neckar-Odenwald-Kreis, Bezirk Pilsen und die Stadt Rons- die 1988 die Patenschaft über perg. die Vertriebenen aus SchüttDer Sohn des stimmlich ange- wa übernommen hatte. Deren schlagenen Bildhauers Jaroslav Bürgermeister Thomas LudŠindelář stellte das gelungene wig stellte anerkennend fest, Werk seines Vaters vor. Er ver- daß sich seit seinem letzten wies auf Schüttwas schicksalsvol- Besuch vor drei Jahren viel gele Geschichte, und er wünschte tan habe. Leider gebe es nun Glück, Mut und Liebe. wieder Krieg in Europa, bei Senator Vladislav Vilímec sag- dem viele Menschen ihre Heite, er sei regelmäßiger Gast bei mat verlören. Der Konflikt in den Veranstaltungen in den letz- der Ukraine bedrohe die euroten Jahren in Schüttwa gewesen. päischen Werte. Ludwig: „GeEr stellte die Energie, das Kön- walt ist keine Lösung.“ Um so nen, aber auch die Begeisterung wichtiger sei, daß der europädes Vereins heraus, den Geburts- ische Einigungsprozeß vorort von Johannes von Schüttwa angetrieben werde. Der Verbekannter zu machen. „Das Werk ein Nikolaus leiste einen wertdieser Persönlichkeit des Mittel- vollen Beitrag für Frieden und alters inspiriert uns bis heute.“ Freundschaft in Europa. Als Auf tschechischem Boden gebe die Gemeinde die Patenschaft es, so Vilímec, 185 Nikolaus-Kir- übernommen habe, habe man chen, auch in Prag am Altstädter sich nicht vorstellen können, daß Ring. Sankt Nikolaus sei also ein hier einmal die Nikolauskirche geschätzter Schutzpatron. Er sei renoviert, eine Erinnerungsstätüberzeugt, daß die Schüttwaer te für Johannes von Schüttwa erNikolaus-Kirche bald wieder zu richtet und der Friedhof instand
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Welche Gedichte der neue Poesie-Automat wohl ausspuckt?
gesetzt werde. Schüttwa baue eine bewunderungswürdige Erinnerungskultur auf und erlebe eine deutliche Aufwärtsentwicklung. Dafür sei Seckach dankbar und Schüttwa eine Reise wert, denn hier werde wahre Friedens-
arbeit geleistet. Ludwig dankte Dubský mit einer Geldspende. Franz Metschl sprach von einem Tag, der den Schüttwaern besonders am Herzen liege. Der heilige Nikolaus sei der Kirchenpatron von Schüttwa. Dieses Fest sei in Schüttwa immer am 6. Dezember besonders gefeiert worden. Der Heilige sei in der Kirchengemeinde sehr verehrt worden. Als am 26. Ju-
en und zu erhalten. Ein großes Lob richtete er an alle, die hier ihr ganzes Wissen und Können mit einbringen. Namentlich nannte er Bürgermeister Kopecký mit seinem Stadtrat, den Nikolausverein mit seinem Vorsitzenden Ivo Dubský sowie Jan Soukup und Jaroslav Sindelař senior und junior. Auch die ehrenamtlichen Helfer müßten erwähnt werden, die zum Beispiel im Friedhof zum Einsatz kämen. Als Ortsbetreuer sagte er allen ein Vergelt‘s Gott. Ohne die Fördergelder des DTZF und der Sponsoren sowie die staatliche Unterstützung sei so ein bedeutungsvolles Projekt wohl nicht durchführbar gewesen. Auch die Schüttwaer würden sich mit kleineren Beträgen und Spenden beteiligen. Er hoffe, so Metschl, daß der Heimatort ein Musterdorf werde, um andere Orte oder Städte anzuregen, ihre historischen Gebäude
Dekan Miroslaw Gierga spendet der Nikolaus-Statue den geistlichen Segen. Bilder: Karl Reitmeier ni 1988 zwischen der Gemeinde Seckach und der ehemaligen Gemeinde Schüttwa die Patenschaft besiegelt worden sei, sei auch eine Patenschaft zwischen den Kirchengemeinden Sankt Sebastian in Seckach und Sankt Nikolaus in Schüttwa beschlossen worden. Als Zeichen der kirchlichen Verbundenheit habe die Dorfgemeinschaft Schüttwa den Künstler Franz Gröbner aus Waldersgrün beauftragt, einen Nikolaus aus Holz anzufertigen, um diesen in der Seckacher Sankt-Sebastians-Kirche aufzustellen. Beide Patenschaften bestünden noch heute. Die bisherigen Sanierungsund Erneuerungsarbeiten, von der Idee über die Planung bis zur Durchführung, würden viel Geschick, Fleiß und handwerkliches Können erfordern, um so ein Projekt in seiner Substanz aufzubau-
und Orte ebenfalls wieder aufzubauen, zu erhalten und nicht dem Verfall preiszugeben. Schüttwa solle eine Mischung aus sozialer, kultureller und gesellschaftlicher Vielfalt werden, in die Fröhlichkeit und Friede einzögen, damit die Nachkommen sich über die Grenzen hinweg in Zukunft gut vertrügen und verstünden. Feierlich enthüllten Ivo Dubský und Jaroslav Sindelař die Statue, ehe der Tauser Dekan Miroslaw Gierga den kirchlichen Segen spendete. Anschließend wurde ein Poesie-Automat vorgestellt, der nun auch den Park bereichert. Die Grenzland-Blaskapelle Dietersdorf sorgte für Musik und die Ronsperger Feuerwehr für das leibliche Wohl. Zu guter Letzt wurde bekanntgegeben, daß der neue Kirchturm am 30. Juni eine neue Kirchenuhr erhalte. Karl Reitmeier
Georg Holl: „Ostansicht des Schlosses Ronsperg“.
Ronsperg
Schloßaffairen In den 1520er Jahren hatte Albrecht von Guttenstein die Herrschaft Ronsperg erworben. Doch schon nach 1537 verpfändete er sie auf sechs Jahre an Bernhard Barchanec von Barschow. Viel Freude erlebte Bernhard mit dieser Pfandschaft freilich nicht, hatte er doch auch die Gerichtsstreitigkeiten übernommen.
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a waren Robotleistungen von Wolf von Ramsperg noch ausbedungen. Da gab es Streit mit dem Stockauer Prior, der trotz gerichtlichen Verbots auf Ronsperger Grund mit Handfeuerwaffen umherging. Da liefen Beleidigungsklagen. Und endlich erlebte er in dieser Zeit auch mit seinem Weib, der Margarete von Zihobec, großen Ärger. Margarete nahm es mit der Treue zu ihrem Gemahl nicht allzu genau. Vielmehr pflegte sie eine zunächst geheime Liebschaft mit dem Ritter Nikolaus Mirškovsky aus Stroptschitz. Der Ritter war häufiger Gast im Ronsperger Schloß – wie man fälschlich annahm bei der Jungfer Anna Rochcowna. Tatsächlich aber vermittelte die der Frau Margarete blind ergebene Magd Dorothea, eine Nürnbergerin, die Stelldicheins des Ritters Nikolaus mit der Schloßherrin. Dorothea trug die Geschenke wie einen von Margarete mit Gold bestickten Geldbeutel hin und her und besorgte die Briefe. Was
tat‘s, daß solche gelegentlich auch andern Dienstboten in die Hände fielen. Viel verstanden sie nicht, als sie lasen: „Ich werde im Kloster (Stockau) sein. Zumindest finden Sie die Dora.“ Dorothea scheute auch nicht davor zurück, wenn nötig, die Türe zum Turmzimmer hinter dem Ritter zu vernageln. Bernhard entdeckte schließlich doch das lose Treiben seiner Frau und schob ihm einen Riegel vor. Er hielt sie zwar nicht im Kerker, doch durfte sie sich nur noch untertags im Schloß aufhalten, wohl mit dem Herrn bei Tisch sitzen, aber ihr Nachtlager mußte sie im Keller aufschlagen. Eine Wache hatte sie am Verlassen des Schlosses zu hindern; die Dienerinnen wurden peinlich genau über das Tun ihrer Herrin verhört. Die Abwesenheit des Schloßherrn nutzte diese dann allerdings wieder zu höchst vergnügten Festlichkeiten. Bald verbreitete sich die Kunde, daß Bernhard seine Frau wegen ihres leichten Lebenswandels in Gewahrsam halte. Dies drang bis zum Obersten Hofmeister, so daß 1539 Bernhard Barchanec mit seiner Gemahlin vor das Kammergericht in Prag zitiert wurde. Die Zeugenaussagen belasteten einstimmig Margarete, Bernhards guter Ruf blieb gewahrt. Das Ende dieses Ehezwistes vermelden uns die Quellen nicht mehr. Elisabeth Bauer
Ronsperg
Der Esl-Wenzl Um die Jahrhundertwende war Wenzl Vorrath Kutscher im Schloß des Grafen CoudenhoveKalergi. Zu seinem Übernamen kam er, weil sein Gespann aus zwei Eseln bestand.
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es öfteren hatte er Fahrten ins Stockauer Schloß und in die Brauerei zu machen. Diese Tatsache war auch der Geschäftswelt bekannt, und Wenzl hatte so nebenbei manches Paket zu befördern, was bei ihm zwar einen bescheidenen, aber dauernden Zufluß an Taschengeld bewirkte. Diese Gefälligkeitstransporte waren ihm wohl streng untersagt worden, aber Wenzl wußte besser, was er seinen beiden wacke-
ren Grautieren an Ladung zumuten konnte. Als er wieder einmal schwer beladen bergauf fuhr, begegnete ihm der Forstmeister. Dieser fragte ihn: „Wenzl, wem gehören denn die vielen Pakete?“ Wenzls Antwort war: „Herr, nach Stockau.“ Der Forstmeister, in der Meinung, Wenzl habe ihn nicht verstanden, wiederholte seine Frage; aber Wenzl antwortete wieder: „Herr, nach Stockau.“ Zum drittenmal fragte der Forstmeister: „Wenzl, wem gehören die vielen Sachen?“ Und WenzIs Antwort war wiederum: „Herr, nach Stockau.“ Nun wurde es dem Forstmeister zu dumm, und er rief: „Fahrt zu, ihr drei!“ Josef Rothmaier
TERMINE Sonntag, 28. August, 11.00 Uhr, Muttersdorf: Gottesdienst zum Patrozinium in der SanktBartholomäus-Kirche mit Monsignore Emil Soukup. Anschließend Gang zum Friedhof und zu
unserem Gedenkstein. Auskunft: Ortsbetreuer Roland Liebl, PaulGerhardt-Straße 14, 71672 Marbach am Neckar, Telefon (0 71 44) 3 91 77, eMail roland.liebl@gmx. net
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Heimatbote für den Kreis Ta<au
Heimatkreis Tachau – Patenstadt Weiden in der Oberpfalz. Heimatkreisbetreuer: Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Aubergstraße 21, 83352 Altenmarkt, Telefon (0 86 21) 6 36 27, Telefax 64 75 27, eMail wolf-dieter.hamperl @online.de. Internet www.tachau.de. Tachauer Heimatmuseum: Kulturzentrum Hans Bauer, Schulgasse 3a, 92637 Weiden, Telefon (09 61) 81 41 02, Telefax 81 41 19, eMail museum@tachau.de. Spendenkonto: Heimatkreis Tachau, HypoVereinsbank Nürnberg – IBAN: DE38 7602 0070 0002 0824 54, BIC: HYVEDEMM460. Heimatbote für den Kreis Tachau – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Redaktion: Nadira Hurnaus, eMail post@nadirahurnaus.de
� Verschwundenes Paulusbrunn
Erinnerungskultur als Wander- und Radlweg bung sei schlimm gewesen, sagt die Arge präsentierte eine Brosie. „Aber ich bin froh, daß ich es schüre über den Böttgerweg. Die damals anders empfunden habe Erneuerung des Friedhofs sei das – leichter. Als wir ausgesiedelt Verdienst der Paulusbrunner in wurden, wäre ich gerne woan- Bärnau gewesen, sagt Čurka. „Damals ist es gelungen, Mitders hingekommen. Ich war dan Paulusbrunn steht heute kein mals elf Jahre alt. Daß wir nicht tel des Deutsch-Tschechischen Haus mehr. Wie viele Ortschafmehr zurückkommen würden, Zukunftsfonds zu gewinnen, und ten direkt am Eisernen Vorhang auf die Idee bin ich gar nicht ge- wir deckten die restlichen Kowurde der Ort vollständig zersten. Nachdem die Restauriekommen.“ stört und verschwand im GrenzIhre Familie hatte gute Start- rung und die Reinigung von unstreifen. Fast 80 Jahre nach der bedingungen, denn als Landwir- serer Seite aus beendet waren, Vertreibung der deutschsprachite hatten sie bereits vor der Aus- übernahmen Bürger aus Hergen Bevölkerung lebt die Erinnesiedlung auch Felder auf der bay- mannsreuth und Bärnau die Pflerung dennoch weiter – dank enerischen Seite. Damit verloren ge. Sie kümmern sich um die gagierter Menschen beiderseits sie nicht ihren kompletten Be- Grabsteine, schneiden das Gras; sitz. Emmi Rößler fiel die Einge- es ist quasi ihr Denkmal.“ der Grenze und dank der Zeitwöhnung in Bärnau leicht: „Ich zeugen, die das Paulusbrunn ihZu den Kümmerern zählt auch kannte Bärnau schon, weil mei- Ferdinand Zwerenz mit seinen 82 rer Kindheit noch im Kopf haben. ne Tante hier wohnte. Und Jahren. Sogar in Corona-Zeiten „Es ist schon komisch, von Bärnau kamen viele wurde die grenzüberschreitenso unwirklich. Man kann es nach Paulusbrunn. Als ich de Pflege des Friedhofs aufrechtsich nicht vorstellen. Wir sahier in Bärnau wieder in die erhalten. Es gebe schließlich keißen auf der Bank, und wenn Schule kam, kannte ich viele nen Eisernen Vorhang mehr, ich hinüberschaue – unser schon, die zuvor bei uns wa- meint Bürgermeister Čurka. Zur Haus stand in der Nähe. Da ren, zu Ostern zum Beispiel. Zielgruppe der neuen zweispraist nichts mehr. Da stehen Ich hatte keine Schwierig- chigen Broschüre zählen auch jetzt Bäume“, sagt die 88jähkeiten. Wir wurden auch nie die Einwohner seiner Gemeinrige Emmi Rößler. Sie lebt als ‚Bejm‘ oder sowas be- de. seit 1946 in Bärnau im Oberzeichnet, denn wir waren bepfälzer Wald direkt an der „Man kann in unserer Gekannt. Anderswo war es viel- meinde die Leute an einer Hand tschechischen Grenze. Ihre leicht schlimmer, aber ich abzählen, die sich erinnern, als in Kindheit verbrachte sie nur hatte keine Schwierigkei- Paulusbrunn noch etwas stand. ein paar Kilometer weiter ten.“ östlich in Paulusbrunn. Vor Die neue Generation der nach Von Rückkehr war bald 1950 Geborenen hat keine direkkurzem besuchte sie wieder nicht mehr die Rede. Vom te, konkrete Erinnerung mehr. einmal den Friedhof dort. Grenzkamm konnten die Diese Gemeinde wurde unmitDie Häuser ringsherum gibt Paulusbrunner nur zuse- telbar nach dem Krieg zerstört, es nicht mehr. hen, wie ihre Häuser nach und das Trauma war auf beiden „Aber ich könnte noch jeund nach verschwanden. Seiten – da gibt es nichts zu des Stückchen sagen: Das „Da war nichts mehr. Alles beschönigen. Heute sehen die war hier, das war dort, so hat wurde abgerissen. Ich weiß Menschen darin eine Landschaft, es ausgesehen. Wenn ich noch, als einmal an Chri- die sie gerne besuchen, zum Radnur zeichnen könnte, doch sti Himmelfahrt die Kirche oder Skifahren. Für sie ist es ein ich kann es leider nicht. Ich gesprengt wurde. Das kann schön hergerichteter Ort, zu dem bräuchte einen Computer, man nicht vergessen. Der sich ein Spaziergang oder ein aus dem ich es rauslassen Friedhof wurde eingeebnet, Ausflug lohnt.“ könnte.“ Bild: Ingrid Leser er war dann eine Wiese. Bei Die Dörfer der Gemein- Blick auf das verschwundene Paulusbrunn mit Tachau und dem Wolfsberg im Hintergrund. Gut möglich, daß Ausflügden Grüner, wenn man ins ler auf Emmi Rößler treffen. Sie de Paulusbrunn schmiegten sich unterhalb des Grenz- Gemeinde und die Pfarrei Pau- au. Er trieb den Bau einer Stra- wünschte – Angliederung des Wittichsthal runterfährt, war ein plant schon wieder die nächsten kamms in die Hügellandschaft lusbrunn entwickelt. ße zwischen den Paulusbrunner Sudetenlands ans Deutsche großer Erdhaufen. Das war der Touren, die endlich wieder mögdes Böhmischen Waldes. Längst „Vielfältig waren auch immer Ortschaften voran und verbesser- Reich erzwang, war er noch nicht Dreck, der vom Friedhof runter- lich sind. Oft ist sie am Grenzeroberte sich die Natur das Ter- die Beziehungen zu Bärnau. Die te den Lebensstandard in der zu- geboren. Er kam 1939 zur Welt geschoben wurde. Und erst vor kamm mit ihrer Tochter im Auto rain zurück. Umgeben war die Bärnauer gingen ebenfalls gern vor ärmlichen Gegend. Die klas- und lebte in Hinterpaulusbrunn. ein oder zwei Jahren hat jemand unterwegs. Dann suchen die beiGemeinde von dichten Wäldern, hinauf, vor allem zum Feiern. In sizistische Böttgersäule, die dar- An die Vertreibung 1946 erinnert aus Bärnau den Grabstein meiner den Spuren von Paulusbrunn. Großmutter gefunden.“ allesamt im Besitz der Familie Bayern war nicht viel los, aber an erinnert, blieb als eines von er sich gut: „Sie weiß es ja oft auch nicht, Der Friedhof wurde schon An- und ich bin dauernd am ErzähWindisch-Grätz. Vorderpaulus- oben an der Grenze, da war was wenigen Relikten erhalten. Ihr „Von heute auf morgen kamen brunn war der größte Ort. Emmi los. Da gab es Tanz und Musik. Zustand war jedoch schlecht. sie und sagten, morgen früh wer- fang der 1990er Jahre symbolisch len: ,Das wird das sein, das wird allerdings das sein. Wo geht es denn jetzt Rößler: „Da waren Geschäfte, ei- Zu Ostern ging man sogar hinauf 2017 initiierte die tschechische det ihr abgeholt. Wir durften 30 wiederhergestellt, nige schöne Wirtshäuser und ei- zum Beichten, denn das war auf Gemeinde Thiergarten die Reno- Kilogramm Gepäck mitnehmen. nicht in den früheren Ausma- nach Hermannsreuth?‘ Ich hane Art Rathaus. Es gab ein Pfarr- der böhmischen Seite wesentlich vierung und fand im Verein Gol- Wir mußten dann hierher und ßen. Er liegt auf der Nordroute be gesagt, wenn wir da weiterhaus, es gab Lehrer, ein eigenes leichter“, erzählt Christoph. dene Straße einen Projektpart- wurden von der Böttgersäule aus des Böttgerwegs auf dem heuti- fahren, kommen wir nach HerLehrerhaus, alles war da. Arzt Eng verflochten war auch ner auf deutscher Seite. Thier- verladen auf Lastwagen bis nach gen Gemeindegebiet von Hals. mannsreuth. Da fahren wir mal, František Čurka ist dort Bürger- die Straße muß es doch noch gegab es keinen, da mußte man die Wirtschaft. So pendelten in gartens Bürgermeisterin Dana Tachau.“ nach Bärnau. Es hat schon man- der Zwischenkriegszeit aus der Lesak-Müller: „Die Böttgersäule Nach einigen Wochen im In- meister. Im Mai kam er wieder ben, oder nicht? Ich weiß nicht, ches gefehlt. Aber sonst war Pau- Tschechoslowakei um die 200 liegt auf dem Gebiet unserer Ge- ternierungslager in der Tachau- einmal nach Bärnau ins Rathaus, ob es die noch gibt.“ lusbrunn ein aufstrebender Ort.“ Paulusbrunner zur Arbeit in die meinde und gehörte historisch er Tabakfabrik kamen Zwerenz Emmi Rößler hat alles vor Au- Bärnauer Knopffabriken. Nach zu Thiergarten. Sie ist heute Teil und seine Familie zunächst nach gen, die Nachbarn, deren Häuser Kriegsende, als die Aussiedlung des circa 16 Kilometer langen hi- Magdeburg in die Sowjetische TERMINE und Höfe. „Gegenüber waren die der Deutschen aus der Tschecho- storischen Böttgerrundwegs von Besatzungszone. Weil der Vater n Samstag, 9. Juli, 10.00 Wallfahrt in Haid: Freitag, Resnhahn, auf der anderen Sei- slowakei bereits erwartet wur- Hermannsreuth über den Fried- zuvor für eine Schmuckfabrik auf Uhr, Altzedlisch: Gottesdienst 17.30 Uhr, tschechischer Gotte die Wettinger. Über den Wet- de, flohen viele schwarz über hof Paulusbrunn zur Böttgersäu- Bärnauer Gebiet gearbeitet hatin der Heimat, anschließend tesdienst in Sankt Nikolaus. tinger waren die Grüner, da wo die grüne Grenze. 1950 stammte le, zur Prinzfabrik und zurück. Im te – die Prinzfabrik, heute ebenTreffen in der Schule mit Kaf- Samstag, 19.00 Uhr, deutscher der Dreckhaufen ist. Dann war rund ein Viertel der knapp 2000 weiteren Teil des Projekts haben falls Teil des Rundwegs –, durffee und Kuchen. Sonstige Ver- Gottesdienst in der Loretodie Straße, im Eckhaus waren die Einwohner von Bärnau aus Pau- wir rund 25 Tafeln installiert, die te Familie Zwerenz nach Bayern pflegung bitte selbst mitbrin- Wallfahrtskapelle mit Pfarrer Kühlerer, dahinter Blommer. Ne- lusbrunn. über die Geschichte der Orte und umziehen. gen. Auskunft: Sieglinde Wolf, Georg Hartl und den Waidben Kühlerer hinauf waren die „Peter, Tanja, wo kommt ihr Menschen vor 1945 wie auch da„Der Vater hat in der PrinzfaWettersteinstraße 51, 90471 hauser Fußpilgern, anschlieMaas, dann die Post und dann denn her? – ‚Wir kommen aus nach informieren.“ brik an der Grenze gearbeitet. Nürnberg, Telefon (09 11) ßend Lichterprozession zum wir. Wir waren ein bißchen zu- Paulusbrunn. Da hat meine Oma Der Böttgerrundweg führt auf Da hat ihm die Chefin einen Zet81 68 68 88, eMail si.wolf@web. Schloß. Sonntag, 9.30 Uhr, rückgesetzt, davor war noch ein früher gewohnt.‘ – Paulusbrunn, bis zu 800 Meter Höhe mit Aus- tel mitgegeben, sie brauche ihn tschechisch-deutsch-lateide Garten und ein Einfamilienhaus. was soll denn das sein? – ‚Was, sicht auf die Mittelgebirge bei- wieder als Arbeiter, er bekomme n Sonntag, 17. Juli, 15.00 nisch-sprachiger Gottesdienst Ich könnte es aufzeichnen.“ 1939 du kennst Paulusbrunn nicht? derseits der Grenze, etwa auf den die Wohnung und alles gestellt. Uhr, Haid: Deutscher Got- in der Loreto-Wallfahrtskahatte die Gemeinde Paulus- Das ist ja eine echte Bildungslüc- Steinwald und den markanten Wir waren vielleicht drei Monate tesdienst in der Loreto-Wall- pelle mit Pater Václav Slábrunn im damaligen Bezirk Tach- ke.‘“ Schüler aus Bärnau bringen Pfraum berg. Fahrradfahrer und in der ,DDR‘, aber dann sind wir fahrtskapelle. dek; anschließend Empfang au mehr als 1500 Einwohner. Die die Spurensuche szenisch auf Wanderer sind ganzjährig unter- wieder in Bärnau angekommen.“ n Sonntag, 21. August, und Imbiß in der Loreto-Anlaletzten Zeitzeugen von heute wa- die Bühne. Auch Fachoberschu- wegs. Die Mitglieder der Arge Zurück von der Führung auf 15.00 Uhr, Haid: Deutscher ge. ren damals Kinder. len und Gymnasien stellten ei- bieten Führungen an. „Die Bött- dem Böttgerweg zu Emmi Rößn Sonntag, 16. Oktober, Gottesdienst in der LoretoIm Oktober 2021 wird im gene Projekte über Paulusbrunn gersäule ist übrigens renoviert. ler. Nach der Ankunft 1946 und 15.00 Uhr, Haid: Deutscher Wallfahrtskapelle. Schulhaus von Bärnau gefei- auf die Beine, Ausstellungen und Sie war schief und vermoost“, so mehreren Jahren in einer Flüchtn Freitag, 9. bis Sonn- Gottesdienst in der Loretoert. Nach vier Jahren präsentiert Publikationen entstanden. Norbert Steinhauser, der regel- lingsunterkunft bauten ihre Eltag, 11. September, Loreto- Wallfahrtskapelle. die Arbeitsgemeinschaft PaulusChristoph: „Wir haben Kunst- mäßig Führungen auf dem Bött- tern in Bärnau das Haus, in dem brunn (Arge) ihre Ergebnisse. projekte und sogar einen Ge- gerweg gibt. Seine Eltern stamm- sie bis heute lebt. Die Vertrei„Ich könnte es aufzeichnen. Vom Erinnern an Paulusbrunn“ titelt folgender Beitrag von Annette Kraus, den Radio Prag veröffentlichte.
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„Können bitte alle Paulusbrunner mal die Hand heben?“ Es zeigt sich, daß ein Dutzend ehemalige Bewohner sind gekommen. Rainer Christoph, Heimatforscher und früher Direktor der Hauptschule Bärnau, ist Vorsitzender der Arge: „Es war uns ein Anliegen, den Ort wieder ein bißchen hervorzuholen. Und ich denke, es ist uns gelungen.“ Vor Gästen und Unterstützern der Initiative wie dem DeutschTschechischen Zukunftsfonds und dem Adalbert-Stifter-Verein referiert Rainer Christoph die geschichtlichen Hintergründe. Nach dem Dreißigjährigen Krieg habe sich aus zehn Ortsteilen die
schichtswettbewerb mit Grundschulen durchgeführt. Das Ergebnis wurde mit einem bayerischen Landessieg preisgekrönt. Diese Schüler waren dermaßen begeistert, drei hatten auch Eltern mit Vertreibungsschicksalen. Die haben das Schicksal ihrer Eltern zusätzlich aufgearbeitet und mir dann übergeben. Wir haben auch immer versucht, die Eltern einzubinden, und dabei große Unterstützung bekommen.“ Ihren Anfang nahm die Arge mit der Renovierung der Böttgersäule. Sie war das Zentrum von Paulusbrunn. Benannt ist sie nach Josef Carl Böttger, von 1885 bis 1896 Bezirksobmann in Tach-
ten aus dem Paulusbrunner Ortsteil Schanzhäuser. Nun steht er an einer Tafel neben der Böttgersäule an der Straße von Bärnau nach Tachau und sagt: „Dieser rote Punkt ist unsere Säule. Vergleichen Sie einmal den Verlauf des Böttgerwegs. Der Weg ist unser zweidimensionaler Zeitzeuge. Wenn man ihn wandert, ist quasi die gesamte tragische Geschichte enthalten, bis hin zum Nazi-Einmarsch. Ferdl ist Zeitzeuge!“ Auch Ferdinand Zwerenz ist zur Böttgersäule gekommen. 1938, als Hitler mit dem Münchener Abkommen die – von den meisten Einheimischen er-