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Eine Heugabel im Popo
Wolf-Dieter Hamperl schildert seine Kindheit im oberpfälzischen Waidhaus. Wir veröffentlichen die Schilderung in mehren Folgen.
Am 5. Dezember 1945 kamen meine Mutter Anna Hamperl, meine knapp zweijährige Schwester Ingrid und ich, der knapp dreijährige Wolf-Dieter, samt Tante Marie Bär mit ihrer fünfjährigen Tochter Traudl und dem zehn Monate alten Kleinkind Margit an der Grenze in Waidhaus an. Wir hatten beim Narodny Vybor/Nationalausschuß in Haid/Bor eine Reiseerlaubnis/Travel permission nach Waidhaus bekommen, weil uns die Kreuzwirttante eine Aufenthaltserlaubnis für Waidhaus besorgt hatte.
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Anna Grötsch, die Kreuzwirttante, war eine geborene Höring und in der Neumühle geboren. Sie war die einzige Schwester meiner Großmutter und eine Tante meiner Mutter. Bei ihr fanden wir Aufnahme. Wegen der vielen amerikanischen Soldaten, die im Gasthaus Zum Weißen Kreuz verkehrten, zogen wir in das große Haus von Heinrich Wolf, Besitzer der Dampfsäge und ein Onkel meiner Mutter, in der Eslarner Straße 130, heute 18 bis 20. Im Dachgeschoß hatte Heinrich Wolf zwei Zimmer uns sechs zur Verfügung gestellt. Dort wohnten wir schlecht und recht zusammen. Die ständigen Streitereien unter den Kindern und die unterschiedlichen Wesensarten der Schwestern veranlaßten meine Mutter, eine eigene Wohnung zu suchen. Das war im Waidhaus der damaligen Zeit, der Ort war voller „Flüchtlinge“, eine schwierige Angelegenheit.
Schöne Jahre im Lermerhaus
Schließlich fand sich mit Hilfe der Gemeinde eine schöne Einzimmerwohnung im ersten Stock des Lermerhauses in der Eslarner Straße 7. Dieses Haus war im Besitz von Heinrich Wolf ju- nior, einem Cousin meiner Mutter. Im ersten Stock bewohnte Lina Ries/Ganther mit ihrem Mann eine sehr schön eingerichtete Dreizimmerwohnung. Ihr Mann und sie erledigten die Buchhaltung der Firma J. A. Wolf. Sie waren vor dem Krieg von Donaueschingen hierher gezogen, doch Robert Ries fiel im Zweiten Weltkrieg, und uns wurde das Wohnzimmer der Wohnung zugewiesen. Am 2. Februar 1947 zogen wir ein.
Auf einem Schlitten sitzend und mit einer Decke über dem Kopf brachte uns Mutter in das neue Zuhause. Mit Lina Ries verstanden wir uns von Anfang an sehr gut. Wir Kinder durften tagsüber in ihrer großen Küche spielen. Ein besonderes Erlebnis war, als Heinrich Wolf aus der britischen Kriegsgefangenschaft heimkam. In der großen Küche standen Frau Wolf und ihre Kinder, seine Eltern und andere Wolfverwandte, darunter auch meine Mutter und ich im Halbkreis und begrüßten den Heimkehrer. Die Freude war groß und der Worte viele.
Dieser Heinrich Wolf junior soll, so wurde erzählt, seinen Onkel Anton Wolf in einem Brief über die drohende Vertreibung informiert haben. Die britische Presse habe dies berichtet, und der Onkel möge doch seine bewegliche Habe mit seinem Bulldog nach Waidhaus bringen. Doch Großvater glaubte das nicht, er konnte sich das einfach nicht vorstellen.
Unsere Einzimmerwohnung
Die Kücheneinrichtung und Schlafzimmermöbel wurden von einem Schreiner aus Siebenbürgen, der sich in Miesbrunn niedergelassen hatte, gefertigt. Die Couch stammte von einer Waidhauser Polsterei. Den gemütlichen Polsterstuhl lieferte der Dachboden, wo die Möbel eines Generals aus Dresden zwischengelagert waren. Der Blechherd war ein Werk des Neustadt- lers Karl Prinz. Das alles paßte in das schöne, sonnige Südzimmer, der vordere Teil war Kochund Wohnbereich, der hintere das Schlafzimmer. Ein blau gefliester Kachelofen stand links in der Mitte und sorgte für Wärme. Diese Einrichtung konnte erst im Lauf der Jahre angeschafft werden. Woher die früheren Möbel stammten, weiß ich nicht mehr.
Mein Vater kam am 3. April 1947 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zu uns. Das war natürlich eine große Freude. Aber ich hatte meinen Vater bis dahin nur von Fotografien, den Schilderungen meiner Mutter und den vielen Briefen gekannt. Mein Vater war dann viel zu Hause, weil er noch nicht entnazifiziert war. Das Verfahren lief am Landratsamt in Vohenstrauß. Er war von Beruf Volks- und Bürgerschullehrer, beim Militär war er Oberleutnant der WaffenSS. Deshalb war er auch in den Kriegsgefangenenlagern im hessisch Darmstadt, im württembergischen Kornwestheim und im oberbayerischen Moosburg.
Seine Tätigkeiten wechselten zwischen denen eines Waldaufsehers und eines Sägewerksarbeiters, meist mußte er Bretter aufschichten. Gerne denke ich an die Radfahrten vorne auf der Stange sitzend zu dem Waldstück in Richtung Spielhof, wo wir auch viele Pilze fanden. Einmal zeigte er mir eine Kreuzotter, die mit ihren Jungen an einer Böschung in der Sonne lag. Nebenher sammelten wir noch Schwarz-, meist Preiselbeeren. Auf dem großen Sägewerksplatz fanden wir viele Spielmöglichkeiten, meist „Versteckeles“.
Da mein Vater von der Spruchkammer in Vohenstrauß unter dem Vorsitz von Christian Kreuzer, dem späteren Landrat, als Mitläufer eingestuft wurde, durfte er ab dem 1. Januar 1950 wieder unterrichten. Das tat er in den Ortschaften Waidhaus, Eslarn, Reinhardsrieth und Burkhardsrieth. Er unterrichtete die bäuerlichen Berufsschüler und die Bauhilfsarbeiter. Zu den Schulorten war er mit dem Fahrrad unterwegs. Er war streng, aber beliebt. Noch lange erinnerte man sich an den „Hamperllehrer“.
Obwohl die Wohnverhältnisse beengt waren, habe ich nur schöne Erinnerungen an die Waidhauser Zeit. Die Familie Wolf, die im Erdgeschoß mit Dienstmädchen, Bad und einem feudalen Wohnzimmer wohnte, hatte die Söhne Heinrich, Heiner oder Heini gerufen, und den jüngeren Walter, Walti genannt. Mit Heiner konnten wir nicht so viel spielen, weil er oft im Wohnzimmer wegen seines Asthmas inhalieren mußte oder dort krank lag. Walti war der jüngere, stotterte etwas und wir sausten viel im Garten herum. Der war für uns ein echter Spielplatz, und es war auch immer etwas los. Einmal schlug bei einem heftigen Gewitter der Blitz in den großen Kirschbaum im hinteren Garten ein. Er spaltete den Stamm, so daß die eine Hälfte sich zur Erde neigte und wir großartige Klettermöglichkeiten bis hoch in die Krone hatten. Leider stürzte Walti ab und brach sich den Unterarm. Die Folgen waren Gipsverband und Bettruhe.
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Ein anderer Spielplatz war im ersten Stock der Scheune, die zur kleinen Landwirtschaft gehörte und heute noch steht. Dort befand sich ein großer Heuhaufen, den wir hinaufkletterten. Bei einem kleinen Fenster richteten wir uns einen Spähposten ein und beobachteten den Garteneingang. Das Hinabrutschen war immer ein großes Vergnügen. Doch einmal passierte es: Die Magd hatte die Heugabel mit den Zinken nach oben angelehnt, und Walti verletzte sich am Popo. Wieder war ich dabei gewesen und durfte mich bei Waltis Eltern nicht blicken lassen. Walti lag mindestens zwei Wochen krank im Wohnzimmer. Täglich kam der Hausarzt, einmal durfte ich den Freund besuchen. Walter hat alles gut überstanden. Fortsetzung folgt n Schönnbrunn. Wie berichtet, starb Franz Härtl, Ortsbetreuer von Großgropitzreith, am 6. Oktober mit 86 Jahren (Ý HB 3/2023). Seine Mutter, eine geborene Haubner aus Schönbrunn Nr. 107, hatte Stephan Härtl aus Großgropitzreith Nr. 36 geheiratet. Sie weilte zur Entbindung am 13. Februar 1936 in ihrem Elternhaus und überlebte die Geburt ihres Sohnes nur um zwei Stunden. Getauft wurde Franz Härtl in Tachau in der Erzdekanalkirche Mariä Himmelfahrt, die erste Heilige Kommunion empfing er in der Klosterkirche der Franziskaner.
Stiefmutter Berta aus Albersdorf brachte ein Kind mit in die zweite Ehe von Vater Stephan. Sie war Franz und seinen Halbgeschwistern eine gute und fürsorgliche Mutter. Die Ferien verbrachte Franz oft bei seinen Großeltern in Schönbrunn. Gerne erzählte er auch von seinem 1942 verstorbenen Großgropitzreither Großvater, der Finanzbeamter in der k. u. k. Monarchie war. Erinnerungen an die Vertreibung über Wiesau, Königshofen und Mellrichstadt blieben in seinem Gedächtnis haften. Nach dem Schulabschluß machte er eine Fleischerlehre, legte die Meisterprüfung ab und wurde als Metzgermeister mit einem Fleischerfachgeschäft in Hessen selbständig.
Sohn Achim aus erster Ehe und den angeheirateten zwei und war glücklich im Kreise seiner Familie.
Im Ruhestand widmete er sich vermehrt der Heimat. Mit Gabi nahm er oft Quartier im Kastanienhof in Georgenberg und bereiste von dort aus die Orte seiner Kindheit. Mit Karl Wilfling, Sohn der allzeit hilfsbereiten und nach dem Krieg in Tachau verbliebenen Anna Wilfling, hielt er stets Kontakt und überbrückte so die sprachlichen Barrieren. Der Kapelle in Großgropitzreith galt seine besondere Aufmerksamkeit, eine große Verehrung zeigte er für Pfarrer Johann Andreas Blaha.
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Franz Härtl war ein humorvoller Mensch mit einer großen Lebenserfahrung. Aufrecht, immer mit einem Hut auf dem Haupt, blickte er dankbar, stolz und zufrieden auf seine Lebenszeit. Schmunzelnd und mit besonderer Freude sagte er oft zu mir: „Du bist meine Ortsbetreuerin.“
Diese Aussage drückte nicht nur die gegenseitige Wertschätzung aus, es war vielmehr auch die Referenz an seinen Geburtsort Schönbrunn. Dabei verbargen sich hinter seinem Frohsinn der Hauch von Wehmut und die Sehnsucht nach der leiblichen Mutter. Die Ewigkeit hat sie wieder vereint. Ludmilla Himmel
Wir Gratulieren
Wir gratulieren folgenden treuen Abonnenten des Tachauer Heimatboten, die im Monat Februar Geburtstag feierten und feiern, und wünschen von ganzem Herzen alles Gute, Gesundheit und Gottes überreichen Segen.
n Pfraumberg, Mühloh. Am 12. Josef Hüttl (Konsum Peppe, Haus-Nr. 137), 97 Jahre, und am 24. Erich Roppert (Lenkerer, Mühloh Haus-Nr. 18), 89 Jahre.
n Hesselsdorf. Am 2. Josef Magerl (Posterer), 91 Jahre, und am 7. Brigitte Langguth, Brükkenstraße 35, 99098 Erfurt, 77 Jahre. Anni Knarr Ortsbetreuerin n Godrusch. Am 28. Roland Sperl (Storzen, Haus-Nr. 5), 96 Jahre. Franz J. Schart Ortsbetreuer