Sudetendeutsche Zeitung 2. Februar 2024 Ausgabe 5 Paid

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Reiner Kunze trauert um die Liebe seines Lebens (Seite 5)

Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft

Reicenberger Zeitung HEIMATBOTE

Jahrgang 76 | Folge 5 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 2. Februar 2024

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B 6543

Biathlon-Weltmeisterschaft in Neustadt

Mähren im WM-Fieber

74 . S U D E T E N D E U T S C H E R TAG 17 . B I S 19 . M A I 2 0 2 4 IN AUGSBURG

Sudetendeutsche und Tschechen – miteinander für Europa

Die Schneekanonen rund um die Vysočina-Arena im mährischen Neustadt sind bereits im Dauereinsatz. Von Mittwoch, 7. bis Sonntag, 18. Februar, finden hier zum zweiten Mal nach 2013 die Biathlon-Weltmeisterschaften statt.

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Gedenkstunde

Bundestag erinnert an Holocaust Mit einer Gedenkstunde hat der Bundestag am Mittwoch (nach dem Redaktionsschluß dieser Ausgabe) der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Bereits am Samstag, dem eigentlichen Gedenktag, hatte es zahlreiche Veranstaltungen in Deutschland gegeben. Anlaß war der Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers AuschwitzBirkenau durch die Rote Armee am 27. Januar 1945.

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ls Gastredner sprachen im Bundestag die HolocaustÜberlebende Eva Szepesi und der Sportjournalist Marcel Reif, dessen Vater, ein polnischer Jude, den Holocaust knapp überlebt hatte. Wie in den Vorjahren nahmen an der Gedenkstunde neben den Mitgliedern des Bundestages auch Bundespräsident FrankWalter Steinmeier, Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig, Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesverfassungsgerichtspräsident Prof. Dr. Stephan Harbarth als Vertreter der weiteren Verfassungsorgane teil. Zeitzeugin Eva Szepesi wurde am 29. September 1932 in Budapest geboren und von den Nazis am 2. November 1944 in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Im Gegensatz zu ihrer Familie überlebte das junge Mädchen den Holocaust, weil sie Ende Januar 1945 von den Nazis nicht mit auf den Todesmarsch getrieben wurde. Man hatte sie für tot gehalten, nachdem sie mehr als eine Woche lang ohne Essen und Trinken in der Kälte zwischen Leichen ausgeharrt hatte.

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Rund um die Vysočina-Arena von Neustadt findet die Biathlon-WM ab Mittwoch statt.

Fotos: IBU

eutschland wird mit sechs Frauen und sechs Männern starten. Angeführt wird das schwarz-rot-goldene Aufgebot von Franziska Preuß und Benedikt Doll. Mit Selina Grotian (19) und Johanna Puff (21) sind auch zwei Nachwuchstalente am Start. Als Titelfavoriten gelten die Norweger. Superstar Johannes Thingnes Bö hat gleich fünf WM-

Titel aus dem Vorjahr zu verteidigen. Bei den Frauen dürften Ingrid Landmark Tandrevold (Norwegen), Lisa Vittozzi (Italien) sowie Justine Braisaz-Bouchet und Julia Simon (beide Frankreich) zu den Medaillenkandidaten gehören. Wer die WM am Fernseher erleben will: Eurosport überträgt alle Wettbewerbe, ARD und ZDF übertragen die Medaillenentscheidungen im Wechsel. Sehenswert wird auch die Eröffnungsfeier am Dienstag, 6. Februar, ab 18.00 Uhr auf dem Vratislav-Platz mit der Akrobatik-Show „Biathlon in the Sky“. Anschließend folgt ein Konzert der Sängerin Ewa Farma.

Oberst Jan Muzikář wird vorgeworfen, am Tod von mindestens neun Flüchtlingen mitschuldig zu sein

Prager Staatsanwalt erhebt Anklage gegen ehemaligen Grenzschutz-Oberst Es war die tödlichste Grenze des Eisernen Vorhangs: Bis 1989 starben mindestens 390 Menschen bei dem Versuch, von der Tschechoslowakei nach Österreich oder Bayern zu flüchten. Sie wurden von Grenzsoldaten erschossen, von Hunden zerfleischt, traten auf Minen oder erlitten einen tödlichen Stromschlag. Die juristische Aufarbeitung kommt nur mühsam voran.

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pätestens seit 23. März 1976 war es auch nach tschechoslowakischem Recht verboten, Menschen auf der Flucht zu töten. An diesem Tag trat der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte als völkerrechtsverbindlicher Vertrag in Kraft. In Artikel 12, Absatz 2 heißt es dort: „Jedermann steht es frei, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen.“ „Nach Prüfung dieses Paktes und in dem Wissen, daß die Bundesversammlung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik mit ihm einverstanden ist, billigen und akzeptieren wir ihn“, hatte die Tschechoslowakei gegenüber den Vereinten Nationen erklärt und den Pakt gezeichnet und ratifiziert. Bereits in der KSZE-Schlußakte von Helsinki, die die Tschechoslowakei 1975 unterschrieben hatte, garantierten die kommunistischen Machthaber in Prag die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Erste Versuche, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, gingen zunächst ins Leere. Im September 1986 waren Grenzsoldaten der Tschechoslowakei bei der Verfolgung zweier polnischer Flüchtlinge auf bundesdeutsches Gebiet vorgedrungen und hatten dabei den unbeteiligten Spaziergänger Johann Dick erschossen. Um die Tat zu verschleiern, wurde der Schwerstverletzte über die Grenze geschafft und verstarb auf dem Weg in ein Krankenhaus. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Weiden blieben erfolglos, da die tschechoslowa-

Příloha č. 1

Personální složení Vojenské rady HS PS OSH

1970 1971 1972 1973 1974 1975 náčelník HS genpor. Ing. František Šádek2) PS OSH1) plk. gšt. Ing. pplk. Ing. pplk. Miroslav Kotěra (od července 1973) náčelník pplk. František Josef štábu Stanislav Niebauer (od Hrkal Kocourek června) náčelník politické správy PS

genmjr. Ing. Jozef Gumulka pplk. František Kuľko

zástupce plk. Augustin Poledník (již plk. Josef od května 1970) Švihovec náčelníka3) náčelník týlu pplk. Ing. Václav Ptáčník

1976

1977

1978

1979

1980

1981

1982 1983 1984 plk./genmjr. PhDr. Anton Nemec (od ledna 1982)

1985

1986

1987

1988

1989

plk. Ing. Jan Muzikář (od 1.10.1980)

plk. Josef Kocour (již od června 1972)

plk. gšt. Doc. PhDr., Ing. František Weis, CSc. (od listopadu 1977)

plk. PhDr. Anton Nemec (od července 1973 do konce 1981)

plk. RSDr. Stanislav Šefraný (od listopadu 1986)

neobsazeno

plk. Ing. Miloslav Bubla (od března 1985)

plk. Ing. Miroslav Janda (od července 1973)

neobsazeno

pplk. Ing. Zdeněk Obruča (od dubna 1985)

zástupce pro plk. Ing. Miroslav Janda (do června 1973) věci technické plk. Miloslav pplk. Josef Malenovský (od října 1974) Hloušek (od července)

náčelník kádrového odboru náčelník plk. František Častulík (od zpravodajské června 1970) správy4)

plk. RSDr. Osvald Petrčka

pplk./plk. František Švamberg (od listopadu 1980)

pplk. Jaroslav pplk. JUDr. František Rezek (od července 1973) Král

plk. JUDr. Ladislav Vaniš (od května 1979)

plk. Milan Měchura (od září 1976 do května 1978)

náčelník SV

pplk. JUDr. Blahoslav Zahradníček

OVKR náčelník inspekce

kpt.-pplk. JUDr. Bohumil Sova (od března 1984)

plk. Josef Erben5)

náčelník sekretariátu

mjr. PhDr. Stanislav Kábele pplk. Jaroslav Navrátil6) (od srpna 1975) (od 1.7.1973 do 31.8.1974)

ÚV KSČ, Vasil Biľak7) oddělení státní administrativy

plk. Miloslav plk. Miloslav Šanta Šanta, plk. Josef Kocour

náměstek MV ČSSR/ sekretariát8)

plk. Ing. Jiří Vrzal

pplk. Ing. Zdeněk Pospíšil

pplk. Ing. Zdeněk Zich

pplk. Josef Pražan

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plk. Ing. Otto Walek

Der heute 90-jährige Oberst Jan Muzikář war von 1980 bis 1989 Stabschef und erster stellvertretender Leiter des Grenzschutzes. MV ČSSR/ konzultant9) tajemník rady mjr. Ing. Milan Nejezchleba

pplk. J. Rybín

pplk. Miloslav Konrád

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kpt. Miroslav Staněk (od července 1973 do února 1977)10)

1)

Do června 1972 nesla funkce název "velitel PS". S funkcí náčelníka se pojila funkce předsedy rady.

2)

Není-li uvedeno jinak, je osoba členem rady od počátku roku.

3) 4)

?

Do června 1972 nesla funkce název "zástupce velitele PS". Do června 1972 agenturně operativní oddělení. Král se zúčastňoval zasedání sporadicky, proto nebylo zjištěno přesněji období jeho účasti na zasedáních.

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pplk. Novák?

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mjr. Dymák? ?

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pplk. František Malecha (do konce roku 1987)

5)

Erben byl náčelníkem inspekce od zač. roku 1979, doklady o členství ve vojenské radě jsou až z roku 1981.

6) 7)

Náčelníci sekretariátu nebyli, až na Pospíšila členy rady. J. Navrátil byl od 1.11.1979 jmenován sekretářem vojenské rady. Již od února 1977 se zúčastňoval zasedání rady. Roční mezera mezi Kábelem a Navrátilem není zatím vyjasněna. Biľak se zasedání nikdy neúčastnil, přítomnost zástupce ÚV je doložena od roku 1972. Ondrůšek, Šanta i Žák byli instruktory pro bezpečnostní politiku v oddělení státní administrativy ÚV KSČ. Časové období jejich účasti na schůzích rady nelze vymezit přesněji než rokem; je to dáno kvalitou a počtem dochovaných zápisů ze zasedání rady.

8) 9)

Náměstek MV, do jehož kompetence Pohraniční stráž patřila, vysílal na zasedání zpravidla členy svého sekretariátu. Koncem 80. let nelze identifikovat zcela jistě, zda jde o člena sekretariátu náměstka MV nebo o konzultanta ministra.

10)

Není zřejmé, dokdy Staněk působil jako tajemník rady.

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Údaj není znám.

In dem von Muzikář gezeichneten Befehl ist auch vom Schußwaffengebrauch und dem Einsatz von Hunden die Rede. kische Seite sich weigerte, Anfragen der deutschen Behörde zu beantworten. Während in Deutschland solche Taten in der Regel nach 20 Jahren nicht mehr verfolgt werden können, sind in Tschechien Straftaten des kommunistischen Regimes von der Verjährung ausgenommen. Die Europäische Plattform für Erinnerung und Gewissen arbeitete die Todesfälle am Eisernen Vorhang auf und erstattete Ende September 2017 Strafanzeigen gegen rund 250 Personen, die für den Tod und die Verletzung von Menschen an der tschechoslowakischen Grenze mitverantwortlich sind. Mit Erfolg. So erhob die Prager Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr Anklare gegen Vratislav Vajnar. Dem tschechoslowakischen Innenminister von

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plk. Miloslav plk. RSDr. Miloslav Ondrůšek Šanta, pplk. Jaroslav Žák

1983 bis 1988 wurde Amtsmißbrauch durch Unterlassen vorgeworfen. Der zu diesem Zeitpunkt 92jährige wurde trotz seiner Demenzerkrankung vom Bezirksgericht 1 in Prag für verhandlungsfähig geklärt, verstarb aber vor der Urteilsverkündung im Juni. Bereits zuvor hatten die Verfahren gegen den ehemaligen Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, Miloš Jakeš, und gegen den ehemaligen Premierminister Lubomír Štrougal eingestellt werden müssen, weil die Beschuldigten inzwischen verstorben waren. Zwei weitere ehemalige kommunistische Spitzenfunktionäre konnten wegen psychischer Erkrankungen nicht angeklagt werden. Am vergangenen Donnerstag hat die Staatsanwaltschaft ge-

gen den nächsten Beschuldigten auf der Liste Anklage erhoben. Der heute 90jährige Jan Muzikář war im Rang eines Oberst von 1980 bis 1989 Stabschef und erster stellvertretender Leiter der Hauptverwaltung des Grenzschutzes und des staatlichen Grenzschutzes. „Allein zwischen 1976 und 1989 sollen neun Menschen an der Grenze erschossen oder von Hunden zerfleischt worden sein, mindestens sieben wurden verletzt. Laut Anklageschrift trägt Jan Muzikář dafür eine Mitverantwortung. Ihm wird Machtmißbrauch vorgeworfen“, berichtete das tschechische Fernsehen ČT24 in der vergangenen Woche. „Durch seine leitende Tätigkeit, die sich aus seiner Position ergab, war er für die Durch-

Fotos: Archiv bezpečnostních složek führung von Amtshandlungen durch Grenzschutzbeamte verantwortlich, die mit dem Einsatz von frei angreifenden Hunden oder Waffen gegen Personen verbunden waren, die die Staatsgrenze der Tschechoslowakischen Republik illegal überschritten“, erklärt Jan Lelek, Bezirksstaatsanwalt für Prag 1. So hat Muzikář am 3. Juli 1985 einen Befehl gezeichnet, in dem der Grenzschutz im Detail vorgeschrieben wird. Dabei erwähnt Muzikář auch den Einsatz von Schußwaffen und Kampfhunden. Welche Strafe Muzikář im Falle einer Verurteilung droht, ist noch offen. Bei Ex-Innenminister Vratislav Vajnar stand wegen der langen Zeitspanne nur noch eine Bewährungs- oder Geldstrafe im Raum. Pavel Novotny/Torsten Fricke


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AKTUELL · MEINUNG

Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2.2.2024

AUS UNSEREM PRAGER BÜRO

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ie im vorigen Jahr neu angetretene Leiterin der Kulturabteilung der Deutschen Botschaft in Prag, Susanne Lindsay, hat das Büro der Sudetendeutschen Landsmannschaft in der Thomasgasse besucht. Büroleiter Peter Barton empfing die Botschafts-Vertreterin gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Irene Novak, die zugleich Vorstandsmitglied des Kulturverbandes der Deutschen in der Tschechischen Republik ist. Susanne Lindsay interessierte sich für die Geschichte und Gegenwart dieser sudetendeutschen Einrichtung, die sich bereits seit 21 Jahren um Verständigung zwischen Sudetendeut-

PRAGER SPITZEN

schen und Tschechen bemüht. Während dieser Zeit hat sich die tschechische Gesellschaft erheblich verändert, und dies eindeutig zu Gunsten des freundschaftlichen Dialoges zwischen den beiden Volksgruppen. Zu diesem Wechsel hat auch das Sudetendeutsche Büro beigetragen, dem es gelungen ist, mit zahlreichen bedeutenden tschechischen Politikern zu reden und sie für wichtige gemeinsame Projekte zu gewinnen. Hier spielt auch die Kultur eine große Rolle, denn sie öffnet manch verhärtete Herzen. Barton informierte seine Gesprächspartnerin über die Pläne seiner Einrichtung und erwähnte die Zusammenarbeit mit den Heimatvertriebenen auf kultureller Ebene.

Ano-Chef Andrej Babiš auf den Spuren von Donald Trump Die Debatte im Abgeordnetenhaus dauerte 63,5 Stunden. Erst am sechsten Plenartag konnte die Regierungskoalition am vergangenen Donnerstag in der ersten Lesung ihre Wahlrechtsreform durchsetzen, die es im Ausland lebenden Tschechen möglich macht, an der Briefwahl teilzunehmen.

Man kennt sich: Bei einem USA-Besuch wurde der damalige Premierminister Andrej Babiš vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump im Weißen Haus begrüßt. Foto: Vlada ČR Dennoch kämpft Babiš mit aller Kraft gegen die Briefwahl, „die eine Gefahr für die Demokratie“ darstelle. In seiner Rede vor dem Parlament wiederholte er die Argumente von Trump und anderen US-Republikanern, die behaupteten, die letzte amerikanische Wahl sei zugunsten von Biden „manipuliert“ worden, und rief die Tschechen auf, „nach Hause zu kommen und zu wählen“. Außerdem sei eine Stimmabgabe bei einer Briefwahl verfassungswidrig, weil nicht garantiert wird, daß diese geheim durchgeführt wurde. Diese Einschätzung vertritt die Ano-Partei von Babiš übrigens erst seit kurzem. Im vergangenen Wahlkampf hatte man sich noch für die Briefwahl ausgesprochen und die Einführung im Parteiprogramm angekündigt. Jetzt will Ano ein landesweites Referendum, um die Initiative der Regierung zur Briefwahl zu stoppen. Hinzu kommen weitere Themen, mit denen Babiš beim Wähler punkten will. So kämpft Ano gegen die Aufnahme

von Migranten, die Abschaffung des Vetorechts in der EU und die mögliche Einführung des Euro in Tschechien. Die Forderungen der Ano nach einem Referendum seien „unrealistisch, da man dafür ein Verfassungsgesetz ändern müßte“, zitiert Politico den Politikwissenschafter Kopeček, „aber es ist eine gute Vorwahlkampagne. Bereits in der Vergangeneheit wurde Babiš wegen seines Hangs zum Populismus und seiner Vita als milliardenschwerer Geschäftsmann als „tschechischer Trump“ bezeichnet, zumal auch Babiš mit dem Versprechen in die Politik ging, „die Regierung wie ein Unternehmen zu führen“. Drei Jahre später scheint er wieder in Trumps Fußstapfen zu treten. „Es gibt eine offensichtliche Inspiration durch Trump. Die Partei Ano hat in den letzten Monaten ihre Rhetorik radikalisiert und versucht, der rechtsextremen SPD Wähler abzujagen“, analysiert der tschechische Politologe Ladislav Mrklas gegenüber Politico und vermutet, daß der Streit um die Briefwahl we-

gen der geringen Zahl der betroffenen Wähler nur ein Vorwand für Babiš sei, Stimmung gegen die Regierung zu machen. „Die Symbolik, die aktuelle Regierungskoalition in Frage zu stellen und sie als Feind der Demokratie darzustellen, ist etwas, das wir in den Vereinigten Staaten sehen, und die Partei Ano läßt sich davon inspirieren – besonders jetzt vor den EU-Wahlen“, so Mrklas. Die rechtsextreme Partei SPD (Freiheit und direkte Demokratie), der Babiš die Wähler abspenstig machen will, ist ebenfalls entschieden gegen die Einführung von Briefwahlen. Dennoch hat das Briefwahlgesetz die erste Hürde genommen, und die Experten gehen nicht davon aus, daß Premierminister Petr Fiala mit seiner Reform scheitert. Derzeit ist die Tschechische Republik eines der wenigen Länder in Europa, die keine Briefwahl zulassen. Die anderen sind Frankreich, Kroatien, Malta und Island. Torsten Fricke

Präsident unterstützt Sparpaket

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er Staatshaushalt 2025 müsse, so das tschechische

T-Mobile bietet das beste Netz

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er ehemalige Polizist und Vorsitzende der Bewegung „Přísaha“ (Der Eid), Robert Šlachta, will im Herbst im südmährischen Bezirk Lundenburg für den tschechischen Senat kandidieren. Bei der Europawahl im Juni hingegen stellt „Přísaha“ eine gemeinsame Liste mit der Autofahrergruppe „Motoristé sobě“ auf. Diese wird von dem Rennfahrer Filip Turek angeführt, an zweiter Stelle steht die „Přísaha“Vorsitzende in Südböhmen, Nikola Bartůšek.

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Rückendeckung für die unpopulären Entscheidungen der Regierung von Premierminister Petr Fiala

Die Regierung von Premierminister Petr Fiala muß nicht nur den Mut haben, die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu bringen, sondern sie muß der Bevölkerung auch die Notwendigkeit des Sparpakets erklären, hat Staatspräsident Petr Pavel gegenüber dem Tschechischen Rundfunk gefordert.

Robert Šlachta will in den Senat

Bahn meldet wieder mehr Fahrgäste

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iner der härtesten Kritiker der Briefwahl ist Oppositionsführer und Ano-Chef Andrej Babiš. In seiner Rhetorik nahm sich der Ex-Premierminister ein Beispiel am ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, der seinem Nachfolger Joe Biden bereits öffentlich vorgeworfen hatte, über die Briefwahl „Stimmen zu stehlen“. Die aktuelle tschechische Regierung wolle die Briefwahl, so Babiš, „um sich an der Macht und in öffentlichen Ämtern zu halten, um das Wahlsystem zugunsten der Regierungsparteien zu manipulieren“. Nach dem Wahlrechtsvorschlag der Regierung sollen im Ausland lebenden Tschechen ab den Parlamentswahlen 2025 die Möglichkeit haben, per Post zu wählen. Derzeit können Auslandstschechen nur in einer Botschaft oder im Konsulat ihre Stimme abgeben. Bei Wahlen zum Europäischen Parlament und zum Senat ist der Urnengang sogar nur innerhalb der Tschechischen Republik möglich. Die geplante Neuregelung würde theoretisch etwa 400 000 bis 600 000 im Ausland lebende Tschechen betreffen, aber bei der vergangenen Parlamentswahl im Jahr 2021 haben nur rund 13 000 Auslandstschechen ihre Stimme abgegeben. „Der Vorschlag in seiner jetzigen Form ist unglaublich kompliziert ... viele Menschen werden es sich zweimal überlegen, bevor sie ihn tatsächlich umsetzen“, kritisierte der Politikwissenschaftler Lubomír Kopeček gegenüber dem in Brüssel erscheinenden Magazin Politico.

uch nach einer außerordentlichen KDU-ČSLParteikonferenz bleibt Marián Jurečka sowohl als Parteivorsitzender wie als Sozialminister im Amt. Allerdings fiel das Votum deutlich knapp aus. Von den 84 anwesenden Mitgliedern stimmten nur 46 für Jurečka. Über die weitere Zukunft soll im Oktober der Parteitag entscheiden. Jurečka war hart kritisiert worden, weil am Tag des Prager Attentats eine Weihnachtsfeier in seinem Ministerium nicht vorzeitig beendet wurde.

ferknochen eines bisher unbekannten Tieres aus der Zeit des frühen Tertiärs entdeckt. Der Fund sei der zeitlich am längsten zurückreichende Nachweis für eine Wildkatze in Europa, sagte eine Sprecherin des tschechischen Nationalmuseums. Auf die Knochen ist ein Paläontologenteam des Nationalmuseums und der Karlsuniversität bei geologischen Forschungen gestoßen. Umfassende Untersuchungen hätten dann ergeben, daß es sich um eine noch nicht beschriebene Raubkatzenart handle. Der Fund werde ab Juni in der naturwissenschaftlichen Abteilung des Nationalmuseums ausgestellt.

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Um vor der EU-Wahl Stimmung zu machen, nutzt der Ex-Premierminister die Rhetorik des ehemaligen Präsidenten

Marián Jurečka bleibt im Amt

Staatsoberhaupt, verantwortungsvoll und entsprechend der öffentlichen Finanzen gestaltet werden. Ein weiteres Thema in dem Interview war der Kampf gegen Desinformationen. Die Regierung habe dabei noch nicht genug getan, äußerte Pavel mit Blick auf den beginnenden Wahlkampf zur Europawahl. Dieser Bereich hänge derzeit ein wenig im luftleeren Raum, was nicht

gut sei. Der Kampf gegen Desinformationen sei geradezu an einem Gefrierpunkt angelangt, kritisierte der Präsident. In der Vergangenheit hatte Pavel bereits mehrfach davor gewarnt, daß feindliche Staaten versuchen, über gezielte und massenhafte Desinformationskampagnen die Demokratie in Tschechien und den anderen EU-Staaten anzugreifen. Dies sei eine konkrete Gefahr.

Präsident Petr Pavel.

ie Tschechischen Bahnen (ČD) haben 2023 insgesamt 164,4 Millionen Fahrgäste transportiert. Das sind fünf Prozent mehr als im Jahr davor, aber nur 90 Prozent des Wertes aus dem Vor-Corona-Jahr 2019. Ein Grund: In der Zwischenzeit sind einige Trassen von anderen Betreibern übernommen worden, betonte der stellvertretende Generaldirektor Jiří Ješeta. Dies betreffe vor allem Kurzstrecken. Die Durchschnittslänge einer Fahrt mit ČD sei 2023 auf 49,1 Kilometer gestiegen. Insgesamt bilanzieren ČD für das vergangene Jahr 8,1 Millionen Personenkilometer, was im Jahresvergleich ein Anstieg von 4,6 Prozent ist.

Forscher entdecken Urzeit-Raubkatze

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schechische Paläontologen haben bei Karlsbad die Kie-

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as schnellste Internet bietet in Tschechien T-Mobile an. Dies hat das Unternehmen Ookla bei den regelmäßigen Messungen für seine Speedtest-Awards festgestellt. Beim Speedtest wird ein durchschnittlicher Schnelligkeitswert erstellt, der die Geschwindigkeit von Downloads und Datenübertragung zusammenfaßt. T-Mobile liegt demnach mit einem Wert von 73,67 Punkten vorn. Es folgen die Anbieter O2 mit 71,01 Punkten und Vodafone mit 34,29 Punkten. In der selben Reihenfolge sind die ersten drei Plätze auch bezüglich der Netzabdeckung belegt. Laut Speedtest haben 99,5 Prozent aller Datennutzer in Tschechien Zugang zum 4G-Netz.

Neue Datenbank registriert Touristen

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as tschechische Ministerium für Regionalentwicklung will 2025 die Online-Datenbank „e-Turista“ in Betrieb nehmen. In dem Register werden die Angaben aller Touristen, die in Tschechien eine bezahlte Unterkunft nutzen, aufgenommen. Dies sind etwa Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Aufenthaltszweck. Wie das Nachrichtenportal iRozhlas.cz am vergangenen Freitag berichtete, werden Finanzamt, Statistikamt und Polizei Einsicht in die Daten haben. Der Gesetzesentwurf des Ministeriums sehe außerdem Geldstrafen für Unterkunftsbetreiber vor, die ihre Gäste nicht registrieren.

Sudetendeutsche Zeitung ISSN 0491-4546 Erscheint wöchentlich freitags. Redaktionsschluß Veranstaltungstermine: Freitag 18.00 Uhr. Redaktionsschluß Montag 18.00 Uhr. Chefredaktion und verantwortlich für den Inhalt: Torsten Fricke, Nadira Hurnaus. Kulturredaktion: Susanne Habel. Korrespondent in Prag: Dr. Jaroslav Šonka; Korrespondentin in TeplitzSchönau: Jutta Benešová; Korrespondenten im Isergebirge: Stanislav Beran, Petra Laurin; Korrespondent in Berlin: Ulrich Miksch. Ständige Mitarbeit: Peter Barton, Markus Bauer, Josef Grimm, Professor Dr. Rudolf Grulich, Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Kathrin Hoffmann, Peter Pawlik, Karl Reitmeier, Hildegard Schuster, Lexa Wessel. Anschrift für alle: Hochstraße 8, 81669 München. Redaktion: eMail zeitung@sudeten.de; Verlag: Telefon (0 89) 48 00 03 80, eMail svg@sudeten.de. Jahres-Abonnement 2023 Inland als Postvertriebsstück im Lastschriftverfahren 125,00 EUR einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 154,00 EUR, Luftpost auf Anfrage. Reichenberger Zeitung (24 Ausgaben jährlich) 62,50 EUR, Neudeker Heimatbrief oder einer der Regionalblöcke (Block 1 – Aussiger Bote, Leitmeritzer Heimatbote; Block 2 – Elbogener Heimatbrief, Falkenauer Heimatbrief, Karlsbader Heimatzeitung/Karlsbader Badeblatt, Luditzer Heimatbrief, Der Egerländer, Egerer Zeitung; Block 3 – Isergebirgs-Rundschau, Sternberger Heimat, Zuckmantler Heimatbrief; Block 4 – Riesengebirgsheimat) (12 Ausgaben jährlich) 31,25 EUR. Je Rechnung 2,00 EUR Aufschlag. Bankverbindung: Postbank München – IBAN: DE13 7001 0080 0005 7278 08, BIC: PBNKDEFF; Abbestellungen mit einer Frist von vier Wochen zum Vierteljahresschluß schriftlich an den Verlag. Anzeigenpreisliste Nr. 13 vom 1. Januar 2021; Anzeigengestaltung erst nach Auftrag. © 2023 Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft. Diese Zeitung ist mit allen Texten und Bildern urheberrechtlich geschützt. Nachdruck, Vervielfältigung und Verwertung – insbesondere auch Weitergabe in Form von Kopien oder Einstellen ins Internet – sind ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urheberrecht nichts anderes ergibt. Mit vollem Namen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder der Sudetendeutschen Landsmannschaft wieder. Gerichtsstand und Erfüllungsort München. Kein Entschädigungsanspruch bei Nichterscheinen oder Nichtlieferung infolge Streik oder höherer Gewalt. Keine Gewähr für nicht angeforderte Manuskripte, Bilder, Dokumente, Datenträger und Daten. Alle datenschutzrechtlichen Vorschriften werden beachtet; Einzelheiten unter www.sudeten.de Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft mbH, HRB München 3796. Geschäftsführer und verantwortlich für Anzeigen: Torsten Fricke. Alleiniger Anteilseigner: Sudetendeutsche Landsmannschaft, Hochstraße 8, 81669 München. Druck und Versand: Presse-Druck- und Verlags-GmbH, 86167 Augsburg.

Dieses Projekt wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.


AKTUELL

Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2.2.2024

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Schwankendes russisches Geschichtsbild

Lenin, Stalin und Putin Von Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe Seit dem Tod von Wladimir Iljitsch Uljanow, der sich selbst Lenin nannte, sind 100 Jahre vergangen. Er starb am 24. Jänner 1924, und schon zwei Tage später wurde Petrograd, das vorherige und heutige St. Petersburg, in „Leningrad“ umgetauft. Dies zeigt die Verehrung, die seine Genossen dem Vater der kommunistischen Oktoberrevolution entgegenbrachten. Dessen ungeachtet schwankt bis heute sein Bild in der Geschichte.

V Wladimir Iljitsch Lenin wurde am 22. April 1870 in Simbirsk an der Wolga geboren und verstarb am 24. Januar 1924 in Gorki bei Moskau.. Fotos: Wikipedia

iele westliche Linke idealisieren den Staatsgründer Sowjetrußlands immer noch und meinen, erst der gewalttätige Georgier Stalin habe dessen Ideen ins Unmenschliche gewandelt. Dabei bezeichnete der Er-

finder des Marxismus-Leninismus seinen Versuch, die an sich schon nicht harmlose Marx‘sche Philosophie mit der Praxis einer Revolution und einer Diktatur in Einklang zu bringen, selbst stolz als „Roten Terror“. Die unter seinem Regime begangenen Massenverbrechen folgten nicht dem Grundsatz „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“, sondern waren untrennbarer Bestandteil seines Gedankengebäudes, wie einer von dessen besten Kennern, der verstorbene Prof. Nikolaus Lobkowicz, in vielen Publikationen herausgearbeitet hat. Als Lenin nach langer Krankheit verschied, sah Stalin seine Stunde gekommen. Er war weder Lenins gläubiger Jünger noch sein Wunschnachfolger, er instrumentalisierte ihn vielmehr. Statt die Asche seines Vorgängers nach dessen Verfügung in

alle Winde zu zerstreuen, ließ er das bis heute existierende, pompöse Lenin-Mausoleum bauen, und seine eigenen totalitären Vernichtungsmaßnahmen, denen eine zweistellige Millionenzahl von Menschen zum Opfer fiel, begründete er mit Lenins Gedankengut, ohne je tiefer darin einzudringen. Während die offizielle russische Geschichtsideologie vor und nach Ende der Sowjetunion meist Lenin eine gewisse Verehrung zukommen ließ, von Stalin jedoch abrückte, hält Wladimir Putin es umgekehrt. Für ihn ist Lenin der Verräter, der 1918 in Brest-Litowsk die Ukraine, die Baltischen Staaten, Finnland und andere Länder preisgab. Putin will sie unter Berufung auf sein Idol, Josef Stalin, wie dieser unter Moskauer Herrschaft zurückholen.

Josef Wissarionowitsch Stalin (18. Dezember 1878 – 5. März 1953).

Wladimir Wladimirowitsch Putin, geboren am 7. Oktober 1952.

Premierminister Petr Fiala würdigt den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union vor zwanzig Jahren

„Die positiven Auswirkungen der EU sind überall sichtbar“ Im Vorfeld des 20. Jahrestages des Beitritts der Tschechischen Republik zur Europäischen Union hat Tschechiens Premierminister Petr Fiala auf einer Konferenz in Prag eine Grundsatzrede zu Tschechiens Rolle in der EU gehalten.

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er Jahrestag jährt sich am 1. Mai und soll per Gesetz als nationaler Gedenktag begangen werden. Rund um das Jubiläum sind mehr als hundert Veranstaltungen geplant. In seiner Rede sagte Fiala, er habe „ein gewisses Problem mit der Vorstellung, daß wir erst seit 20 Jahren Europa sind“. „Tatsache ist, daß wir immer Europa waren“, stellte der Premierminister fest und erklärte: „Wir haben in der Regel auch zum Mainstream der europäischen Zivilisation gehört. Angesichts der tausendjährigen Geschichte unseres Landes und unserer Lage in der Mitte des Kontinents konnte es gar nicht anders sein. Die böhmischen Länder haben die europäische Geschichte stets beeinflußt – sei es als unabhängiger Staat, als Teil des Heiligen Römischen Reiches – dessen Zentrum mehrmals nach Prag verlegt wurde – oder als Teil der Habs-

burger Monarchie.“ Auch wenn Fiala den Zweiten Weltkrieg und die anschließende Vertreibung der sudetendeutschen Bevölkerung nicht erwähnte, machte der Regierungschef deutlich, daß die Zeit vor Hitlers Machtergreifung auch wirtschaftlich ein Erfolg war: „Wir hatten eine starke Stimme in der europäischen Wissenschaft und Kultur und galten im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sogar als führend in Industrie und Innovation.“ In diesem Sinne sei man immer ein Teil Europas gewesen. Aber die eigene Geschichte mache die Tschechen wohl skeptischer als die Bürger in den westlichen Demokratien, so Fiala: „Und noch mehr die Erfahrung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als wir eine Zeit lang aus der europäischen Zivilisation herausfielen und uns zwischen sowjetischen Satelliten wiederfanden.“ Als Jahrzehnte nach der Samtenen Revolution Tschechien am 1. Mai 2004 der Europäischen Union beitrat, hätten die Bürger dabei „nicht nur Freude und Erleichterung, sondern auch Erschöpfung und Desillusionierung“ empfunden, so Fiala: „Denn wir lernten gerade, in

einem Club zu funktionieren, der noch auf der Suche nach seinem Wesen und seiner inneren Logik war.“ In den vergangenen zwanzig Jahren habe Tschechien einen langen Weg zurückgelegt. Fiala: „Allmählich haben wir gelernt, als selbstbewußtes mittelgroßes Land in der Union zu agieren – und zwar so, daß wir davon profitieren und auch zum Nutzen der EU als Ganzes beitragen. Wir wissen, daß die EU weder perfekt ist noch ein notwendiges Übel darstellt. Sie ist das, was wir aus ihr machen.“ Die Tschechische Republik habe wiederholt bewiesen, daß sie ein ehrlicher und zuverlässiger Partner für andere europäische Länder sei. Man wisse als EU-Mitglied, „wie man in Krisen das Richtige tut und wie man den Schwachen hilft, was meiner Meinung nach heute, während des Krieges, deutlich sichtbar ist“. Die heutige Tschechische Republik habe eine klare Vorstellung von der Richtung, in die sich die Europäische Union entwikkeln solle, erklärte der Premierminister: „Oberste Priorität haben dabei der Wohlstand und die Zukunft der europäischen Wirt-

schaft. Wir profitieren jeden Tag vom freien Verkehr von Menschen, Dienstleistungen und Kapital. Die positiven Auswirkungen der EU sind überall sichtbar – in der Infrastruktur, bei den Dienstleistungen, beim Schutz von Landschaften und kulturellem Reichtum, bei der Entwicklung von Regionen. Wir müssen uns bemühen, daß dies auch in Zukunft so bleibt. Der Wohlstand der europäischen Länder hängt heute von zwei wichtigen Säulen ab: Erstens unsere Sicherheit und zweitens unsere Wettbewerbsfähigkeit.“ Die Europäische Union habe in den vergangenen Jahren sehr viel für die Sicherheit getan, insbesondere auch im Bereich der Energiesicherheit, so Fiala: „Die europäischen Länder haben verstanden, daß wir auf Rohstoffe aus Risikoländern verzichten und unsere strategische Unabhängigkeit aufbauen müssen. Gleichzeitig vollzieht sich im Energiesektor ein Wandel hin zu sauberer Energie. Alles in allem ist dies eine der schwierigsten, aber auch eine der wichtigsten Aufgaben, die vor uns liegen. Hier kann ich an unsere Mitgliedschaft in der nuklearen Allianz erinnern, einer informellen Gruppe von Län-

Tschechiens Premierminister Petr Fiala im vergangenen Mai bei seinem Besuch in Regensburg. Foto: Torsten Fricke

dern, die in der Kernenergie eine logische Antwort auf die Anforderungen der europäischen Wirtschaft und der Klimapolitik sehen. Gemeinsam gelingt es uns, die Kernenergie auf das Niveau anderer sauberer Energiequellen zu heben.“ Der globale Wettbewerb sei unerbittlich, und man müsse dafür sorgen, daß die Europäische Union mit dynamischeren Volkswirtschaften, wie mit China, Indien und den Vereinigten Staaten, konkurrieren kann. „Hier müssen wir einen Schritt nach vorne machen. Wir müssen lernen, mehr Risiken einzugehen, weniger zu regulieren und die Möglichkeiten des Risikokapitals besser zu nutzen, um die Innovation

zu fördern, die wir brauchen“, erklärte der Regierungschef und mahnte im Vorfeld der Europawahl, nicht den Populisten und Demagogen zu folgen: „Die Aufgabe verantwortungsbewußter Politiker bei diesen Wahlen ist es, die Union den Bürgern näherzubringen, glaubwürdige Rezepte für unseren langfristigen Wohlstand anzubieten und die Grundlagen der EU-Zusammenarbeit gegen den Populismus und Extremismus zu verteidigen, die uns direkt bedrohen.“ Denn es gebe, so Premierminister Petr Fiala ,viel zu verlieren: „Wenn wir nicht wachsam sind, könnte die Europäische Union unter unseren Händen zerbröckeln.“ Torsten Fricke

Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz will bei der Ausbildung der F-35-Piloten mit Prag kooperieren

Deutschland und Tschechien schmieden Luftwaffen-Allianz Klare Botschaft der Nato-Verbündeten: Die tschechische Luftwaffe kauft 24 Kampfflugzeugen des Typs F-35A Lightning II. Außerdem schlossen die Inspekteure der deutschen und der tschechischen Luftwaffe eine Kooperation, um die Ausbildung auf den hochmodernen Flugzeugen sicherzustellen.

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Deutschland und Tschechien setzen bei der Verteidigung des Nato-Luftraums auf hochmoderne F-35-Mehrzweckkampfflugzeuge. Foto: Lockheed Martin

ie F-35-Mehrzweckkampfflugzeuge sind die einzigen in Serie gefertigten Flugzeuge der 5. Generation weltweit. Deutschland hat 35 Maschinen beim US-amerikanischen Hersteller Lockheed Martin bestellt und will die ersten F-35 bereits 2026 in Dienst stellen. Im tschechischen Verteidigungsministerium geht man davon aus, die ersten Maschinen 2031 zu bekommen und ab 2035 die volle Einsatzfähigkeit erreicht zu haben. Einen entsprechenden Kaufvertrag über 150

wurde der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, vom Chef des Generalstabs der tschechischen Streitkräfte, Generalleutnant Karel Rehka, und seinem tschechischen Amtskollegen, Generalleutnant Ingo Gerhartz und Generalleutnant Ka- Generalmajor rel Rehka. Foto: Vlada CZ Petr Čepelka, empfangen. Milliarden Kronen (6 Milliarden Einer der wichtigsten PunkEuro) hat Verteidigungsministe- te des Gesprächs war die Strarin Jana Černochová (ODS) am tegie der gemeinsamen AusbilMontag mit dem US-Botschafter dung, die den Piloten beider Arin Prag, Bijan Sabet, unterschrie- meen überlegene Fähigkeiten ben. Es ist die größte Investition und die nötige Erfahrung vermitim Militärbereich in der tschechi- teln wird. „Dies wird nicht nur schen Geschichte. zur Stärkung der VerteidigungsBei seinem Besuch in Prag fähigkeiten beider Länder bei-

tragen, sondern auch zu einer besseren Koordinierung und Effizienz internationaler Operationen“, so General Čepelka. Die Einführung der F-35-Flugzeuge komme nicht nur beiden Streitkräften zugute, sondern werde auch zur Stärkung der strategischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik beitragen. „Diese Investition in eine moderne Luftwaffe zeigt das Engagement beider Länder für die Aufrechterhaltung einer sicheren und stabilen Region“, betonte General Čepelka. Der gemeinsame Einsatz der F-35-Flugzeuge schaffe nicht nur ein starkes Bündnis zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik, sondern stelle auch einen wichtigen Schritt für die künftige Entwicklung der Luftwaffe in Europa dar“, sagte General Gerhartz. Torsten Fricke


4 Bis Montag, 5. Februar, Egerland-Museum: „Die Marktredwitzer Krippensammlung – Eine Erinnerung an Karl Schenkl“. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 14.00 bis 17.00 Uhr. Egerland-Museum, Fikentscherstraße 24, Marktredwitz. Bis Dienstag 13. Februar, Sudetendeutsches Museum: Sonderausstellung „So ein Theater! – Marionetten aus Böhmen und Mähren“. Sudetendeutsches Haus, Alfred-Kubin-Galerie, Hochstraße 8, München. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10.00 bis 18.00 Uhr. Eintritt frei. Bis Sonntag, 7. April, Sonderausstellung „Ein bißchen Magier bin ich schon... Otfried Preußlers Erzählwelten“. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 13.00 bis 17.00 Uhr. Isergebirgs-Museum Neugablonz, Bürgerplatz 1, Kaufbeuren. Freitag, 2. bis Sonntag, 4. Februar, Sudetendeutsche Landsmannschaft Bundesverband: Infostand auf der Augsburger Frühjahrsausstellung (Afa). Messe, A11, Am Messezentrum, Augsburg. Samstag, 3. Februar, 14.00 Uhr, Heimatpflegerin der Sudetendeutschen: „Faschingsreise durch das Sudetenland“. 14.00 Uhr: Kinderprogramm in Kooperation mit der Museumspädagogik des Sudetendeutschen Museums. 18.00 Uhr: Tanzmusik mit dem Enno-Strauß-Duo. Anmeldung per eMail an anmeldung@ sudeten.de oder per Telefon unter (0 89) 48 00 03 65. Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8, München. Samstag, 3. Februar, 14.30 Uhr, SL-Ortsgruppe StuttgartWeilimdorf: Monatsnachmittag mit Stadtrat Jürgen Sauer zur Sanierung des Littmannbaus. Haus der Begegnung, Giebelstraße 14, Stuttgart. Dienstag, 6. Februar, 19.00 Uhr, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus: „Blutige Farce. Der Hitler-Putsch und seine Folgen 1923/24“. Buchvorstellung und Vortrag mit Dr. Wolfgang Niess. Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, Düsseldorf. Donnerstag, 8. Februar, 15.00 Uhr: Adalbert Stifter Verein: „Otfried Preußler: Die heilende Kraft der Phantasie“. Eintritt 2 Euro. Anmeldung per eMail an verwaltung@isergebirgsmuseum.de oder telefonisch unter (0 83 41) 96 50 18 27 27. Isergebirgs-Museum Neugablonz, Bürgerplatz 1 (Gablonzer Haus), Kaufbeuren-Neugablonz. Donnerstag, 8. Februar, 18.00 Uhr: Sudetendeutsche Heimatpflege: Eröffnung der Wanderausstellung „verloren, vermißt, verewigt. Heimatbilder der Sudetendeutschen“. Stadtmuseum Aussig, Ulice Masarykova 1000, Aussig/Ústí nad Labem. Samstag, 10. Februar, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Krefeld: Faschingsfeier. Anmeldung bei Gerda Nilges unter Telefon (0 21 58) 25 73 oder per eMail an: werner.appl@sudeten-kr.de Niederrheinischer Hof, Hülser Straße 398, Krefeld. Donnerstag, 15. Februar, 18.00 Uhr, Stiftung GerhartHauptmann-Haus: Im Gespräch mit der ukrainischen Generalkonsulin Iryna Shum. KAP 1, Konrad-Adenauer-Platz 1, Düsseldorf. Samstag, 17. Februar, 10.30 Uhr, SL Bayern: Landesfrauentagung. Anmeldung an SL Bayern, Hochstraße 8, 81669 München oder per eMail an Geschaeftsstelle@sudeten-by.de Kolpinghaus, Adolph-KolpingStraße 1, Regensburg. Samstag, 17. Februar, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Erlangen und Ackermann-Gemeinde: „Über unsere Schwellen hinaus. Erste Schritte“. Deutsch-tschechischer Dokumentarfilm. Café Rathsstift, Rathsberger Straße 63, Erlangen. Mittwoch, 21. Febru-

TERMINE VERANSTALTUNGSKALENDER ar, 14.00 Uhr, SL-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen: Landesvorstandsitzung. Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, Düsseldorf. Samstag, 24. Februar, 14.00 Uhr, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus: „Die geheimen Seiten des Lebens“. Karin Gündisch liest aus ihrem neuen Roman. Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, Düsseldorf. Dienstag, 27. Februar, 19.00 Uhr, Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste: Ringveranstaltung zum 80. Geburtstag der Vizepräsidentin Ursula Haas mit Kunstliedern von Alfred Richter. Freier Eintritt mit anschließendem Empfang. Anmeldung per eMail an sudak@mailbox.org oder unter Telefon (0 89) 48 00 03 48. Sudetendeutsches Haus, AdalbertStifter-Saal, Hochstraße 8, München. Donnerstag, 29. Februar, 19.00 Uhr, Trifelsverein: MdEP a. D. Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe und Vorsitzender der Paneuropa Union Deutschland, spricht über Europa. Hohenstaufensaal, Landauer Straße 1, Annweiler am Trifels. Sonntag, 3. März, 10.30 Uhr, SL-Ortsgruppe StuttgartWeilimdorf: 4.-März-Gedenkfeier mit Prof. Dr. Andrea Wechsler, Spitzenkandidatin der CDU Baden-Württemberg zur Europawahl. Haus der Heimat, Großer Saal, Schloßstraße 92, Stuttgart. Montag, 4. März, 14.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Augsburg: Eröffnung der Ausstellung „Wir Sudetendeutschen“ durch Bürgermeister Franz Feigl. Die Ausstellung läuft bis zum 15. März. Bürgerzentrum, Marktstraße 3, Königsbrunn. Montag, 4. März, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Augsburg: Märzgedenken mit einem Referat von Steffen Hörtler, Landesobmann der SL Bayern, über den März 1919. Bürgerzentrum, Marktstraße 3, Königsbrunn. Mittwoch, 6. bis Donnerstag, 7. März, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus: Seminar „Kafka, Käfer und Kakanien. Eine Annäherung an Franz Kafka (1883–1924) zum 100. Todestag“. Anmeldung unter Telefon (0 22 44) 88 60 oder per eMail an info@hausschlesien.de Haus Schlesien, Dollendorfer Straße 421, Königswinter. Samstag, 9. März, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Erlangen und Ackermann-Gemeinde: „Unter dem steinernen Meer“. Lesung von Dr. Peter Becher. Café Rathsstift, Rathsberger Straße 63, Erlangen. Samstag, 9. März, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Krefeld: „Schockanrufe und Betrug am Telefon“. Vortrag eines Experten des Polizeipräsidiums Krefeld. Anmeldung per Telefon unter (0 21 51) 3 26 99 70 oder per eMail an werner.appl@sudeten-kr.de Niederrheinischer Hof, Hülser Straße 398, Krefeld. Samstag, 16. März, 10.00 bis 16.00 Uhr, SL-Landesgruppe Baden-Württemberg: 15. Ostdeutscher Ostermarkt. Haus der Heimat, Schloßstraße 92, Stuttgart. Sonntag, 17. März, 17.00 Uhr, Sudetendeutsches Musikinstitut (Träger: Bezirk Oberpfalz) in Kooperation mit dem Kultur-Schloß Theuern (LRA Amberg-Sulzbach): „Auf a Melange im Café Central. Ein musikalischer Streifzug durch die Kaffeehauskultur der Donaumonarchie“. Iris Marie Kotzian (Sopran), Anna-Sophia Kraus (Violine) und Christoph Weber (Klavier) schwelgen in Melodien aus 300 Jahren Kaffeehausmusik und führen mit Czardas, Walzer und Mazurka in die Weiten der Donaumonarchie. Eintritt 10 Euro. Vorverkauf über www. okticket.de und Abendkasse. Kultur-Schloß Theuern, Portner-

straße 1, Kümmersbruck. Montag, 18. März, 19.00 Uhr, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus: Deutsch-Tschechischer Marionettenabend „Spejbl und Hurvínek treffen auf Mozart und Musik“. Anmeldung per eMail an sekretariat@gh-h.de oder unter Telefon (02 11) 1 69 91 11. Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, Düsseldorf. Montag, 18. März, 19.00 Uhr, Sudetendeutsches Musikinstitut (Träger: Bezirk Oberpfalz): „Am Tanze fehlte es nicht ….“ Der junge Friedrich Smetana (1824–1884) in Tagebuch und Musik – Lesung und Konzert zum 200. Geburtstag. Mit Thoma Jaron-Wutz (Tenor), Marek Kozák (Klavier), Helmut Becker (Lesung) sowie Olga Mojžíšová und Václav Petrbok (Einführung). Eintritt frei. Festsaal des Bezirks Oberpfalz, Ludwig-Thoma-Straße 14, Regensburg. Mittwoch, 20. März, 19.00 Uhr, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus: „Diese Minderheit, die durch Morden, Plündern und Sengen den deutschen Namen besudelt, wird das Unglück des ganzen deutschen Volkes werden … – Hellmuth Stieff (1901–1944) und das NS-Regime“. Vortrag und Lesung mit Kuratorin Dr. Katja Schlenker und Stiftungs-Direktor Prof. Dr. Winfrid Halder. Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, Düsseldorf. Samstag, 23. März, 14.30 Uhr, SL-Ortsgruppe StuttgartWeilimdorf: Monatsnachmittag. Haus der Begegnung, Giebelstraße 14, Stuttgart. Dienstag, 26. März, 19.00 Uhr, Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste: Ringveranstaltung Peter Becher stellt sein neues Buch „Unter dem Steinernen Meer“ vor. Freier Eintritt mit anschließendem Empfang. Anmeldung per eMail an sudak@ mailbox.org oder unter Telefon (0 89) 48 00 03 48. Sudetendeutsches Haus, Adalbert-StifterSaal, Hochstraße 8, München. Sonntag, 7. April, 11.00 bis 14.00 Uhr, SL-Ortsgruppe Stuttgart-Weilimdorf: Fest der Nationen. Gemeindehaus Salvator Giebel, Giebelstraße 15, Stuttgart. Donnerstag, 11. April, 18.00 Uhr, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus: Eröffnung der Ausstellung „Hitler-Stalin-Pakt und seine Folgen für Ostmitteleuropa: Geschichte und Erinnerung“. Die Ausstellung läuft bis zum 28. Juni. Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, Düsseldorf. Freitag, 12. bis Sonntag, 14. April: Bundesversammlung der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8, München. Samstag, 13. April, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Erlangen und Ackermann-Gemeinde: Film: „Verschwundener Böhmerwald“. Emil Kintzl erzählt Episoden aus der Grenzregion. Café Rathsstift, Rathsberger Straße 63, Erlangen. Samstag, 13. April, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Krefeld: Jahreshauptversammlung mit Vorstandswahlen. Anmeldung unter Telefon (0 21 51) 3 26 99 70 oder per eMail an werner.appl@ sudeten-kr.de Niederrheinischer Hof, Hülser Straße 398, Krefeld. Samstag, 20. April, 10.00 Uhr, SL-Landesgruppe BadenWürttemberg: Landesversammlung. Haus der Heimat, Schloßstraße 92, Stuttgart. Montag, 22. April, 19.00 Uhr: Vortragsreihe „Böhmen als Ort der Begegnung – Teil 1: Europäische Wegbereiter“ von Prof. Dr. Stefan Samerski. Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8, München. Samstag, 27. April, 14.30 Uhr, SL-Ortsgruppe StuttgartWeilimdorf: Jahreshauptver-

sammlung mit Ehrungen. Haus der Begegnung, Giebelstraße 14, Stuttgart. Samstag, 4. Mai, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Erlangen und Ackermann-Gemeinde: Muttertagsfeier. Café Rathsstift, Rathsberger Straße 63, Erlangen. Donnerstag, 9. Mai, 19.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Augsburg: Maiandacht mit Blasmusik und Chorgesang. St. Ulrich, Ulrichsplatz 3, Königsbrunn. Samstag, 11. Mai, 14.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Augsburg: Wir feiern die Mütter und Väter. Fischerheim, In der Aue 2, Wehringen. Samstag, 11. Mai, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Krefeld. Muttertags-Feier. Anmeldung bei Gerda Nilges per Telefon unter (0 21 58) 25 73) oder unter eMail an werner.appl@ sudeten-kr.de Niederrheinischer Hof, Hülser Straße 398, Krefeld. Freitag, 17. bis Pfingstsonntag, 19. Mai: 74. Sudetendeutscher Tag in Augsburg. Feste Programmpunkte sind die Kulturpreisverleihung am Freitagabend, die Verleihung des Europäischen Karls-Preises der SL und der HEIMAT!abend am Samstag sowie die Hauptkundgebung mit den Festreden des Sprechers der Sudetendeutschen Volksgruppe und des Bayerischen Ministerpräsidenten am Pfingstsonntag. Ausführliches Programm folgt. Sonntag, 19. Mai, SL-Ortsgruppe Stuttgart-Weilimdorf: Fahrt zum Sudetendeutschen Tag nach Augsburg. Abfahrt: Weilimdorf-Giebel, Ecke Giebelstraße/Krötenweg 6.00 Uhr. Zustieg: Bahnhof Stuttgart-Feuerbach 6.15 Uhr. Anmeldung bei Waltraud Illner unter Telefon (07 11) 86 32 58 oder per eMail an illner@sudeten-bw.de Samstag, 8. Juni, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Erlangen und Ackermann-Gemeinde: „Die Falkenauer Heimatstube in Schwandorf“. Vortrag von Gerhard Hampl. Café Rathsstift, Rathsberger Straße 63, Erlangen. Samstag, 15. Juni, 14.30 Uhr, SL-Ortsgruppe StuttgartWeilimdorf: Monatsnachmittag mit Thomas Schembera vom Polizeirevier 8 zum Thema Enkeltrick und Telefonbetrug. Haus der Begegnung, Giebelstraße 14, Stuttgart. Montag, 17. Juni, 19.00 Uhr: Vortragsreihe „Böhmen als Ort der Begegnung – Teil 2: Der Frieden kommt aus Böhmen“ von Prof. Dr. Stefan Samerski. Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8, München. Freitag, 21. bis Sonntag, 30. Juni, „Meeting Brno“ in Brünn mit dem Brünner Versöhnungsmarsch am Samstag, 22. Juni. Die SL-Landesgruppen Bayern und Baden-Württemberg organsieren wieder eine mehrtägige Busfahrt nach Brünn in Mähren. Ausschreibung und Programm folgen. Sonntag, 1. September, 10.30 Uhr, Monsignore Herbert Hautmann, Vertriebenenseelsorger der Erzdiözese Bamberg: Vertriebenenwallfahrt. Hauptzelebrant ist Regionaldekan Holger Kruschina aus Nittenau, der 1. Vorsitzende des Sudetendeutschen Priesterwerkes. Wallfahrtsbasilika Heilige Dreifaltigkeit, Gößweinstein. Freitag, 13. bis Sonntag, 15. September, Sudetendeutsche Landsmannschaft Bundesverband: Sudetendeutscher Kongreß. Kloster Haindorf, č.p. 1, Hejnice, Tschechien. Dienstag, 12. bis Freitag, 15. November, Sudetendeutsche Landsmannschaft Bundesverband: Multiplikatorenseminar. Bildungsstätte Der Heiligenhof, Alte Euerdorfer Straße 1, Bad Kissingen. Programm und Anmeldungsmöglichkeiten folgen. Freitag, 15. bis Samstag, 16. November, Sudetendeutscher Heimatrat: Jahrestagung. Bildungsstätte Der Heiligenhof, Alte Euerdorfer Straße 1, Bad Kissingen.

Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2.2.2024

Kostenlose Kuratorenführungen

Kunstvoll bis skurril Donnerstag, 8. Februar, und Dienstag, 13. Februar, jeweils 16.30 bis 17.30 Uhr: „Von kunstvoll bis skurril – kostenlose Kuratorenführungen“. Treffpunkt an der Museumskasse, Hochstraße 10, München. Die Sonderausstellung „Marionetten aus Böhmen und Mähren aus der Sammlung Naefe“ läuft noch bis Faschingsdienstag, 13. Februar. Im Rahmen der kostenlosen Führungen erläutern die Kuratoren das Ausstellungskonzept, und die Besucher erhalten einen Überblick über die rund 200 kunstvoll bis skurrilen Marionetten. In der theatralisch-geheimnisvollen Raumgestaltung zeigt das Sudeten-

deutsche Museum zudem 15 Marionettenkästen. Die Ausstellung thematisiert verschiedene Aspekte des Zaubers, der auch hinter den Kulissen steckt, in spannender und unterhaltsamer Weise. Besucher erfahren, welche verschiedenen Marionettentypen es gibt. So werden Stabmarionetten durch Stäbe von unten und Fadenmarionetten durch Fäden von oben geführt. Stangenmarionetten haben außerdem einen Draht im Kopf. Weitere Veranstaltungen und Informationen zur Sonderausstellung auf der Webseite https://www. sudetendeutsches-museum. de/veranstaltungen/

Die Rolle der Kirchen im östlichen Europa Freitag, 16. bis Sonntag, 18. Februar 2024: „Die Rolle der Kirchen im östlichen Europa.“ Seminar in Zusammenarbeit und mit Förderung des Evangelischen Freundeskreises Siebenbürgen e. V. und dem GustavAdolf-Werk e. V. Bis in die Gegenwart sind die Kirchen in Europa bedeutende gesellschaftliche Akteure. In den 1980er Jahren wäre ein politischer Wandel in Polen ohne die katholische Kirche und den polnischen Papst nicht vorstellbar gewesen. In der DDR spielte in der Wendezeit von 1989/90 die evangelische Kirche eine besondere Rolle. Nach dem Ende des Kommunismus gab es in einigen Staaten Ost- und Ostmitteleuropas eine regelrechte Renaissance der historischen Kirchen. Manche avancierten fast zu einer Art Staatskirche. Die Tagung mit Referenten aus Rumänien, Polen, Ungarn und Tschechien blickt auf Entwicklungen und Wechselspiele von Kirchen und Gesellschaften des östlichen Europas. Wie ist die Geschichte rund 30 Jahre nach dem Fall des Kommunismus zu bewerten? Auch anhand einiger Länderschwerpunkte sollen exemplarisch einige dieser Entwicklungen vorgestellt und analysiert werden. Als Referenten haben ihre Teilnahme zugesagt: Enno Haaks, Generalsekretär GAW Deutschland: „Eine europäische Perspektive auf die Kirchen im östlichen Europa“; Prof. Krisztian Kovacs (Debrezin): „Die Rolle der Reformierten Kirche in einer ,illiberalen‘ Demokratie“; Dr. Alexandru Ioniță (Hermannstadt): „Die Rumänisch-Orthodoxe Kirche als Mehrheitskirche in einer multireligiösen und -ethnischen Gesellschaft“; Landeskirchenkuratorin Dr. Carmen Schuster (Hermannstadt): „Die Rolle der evangelischen Kirche in Rumänien“ sowie Pfarrerin Tatiana Petrenko vom Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung: „Die Evangelische Kirche in Rußland“. Außerdem wird Wolfgang Martin Roth aus dem Roman „In den Schuhen der Väter“ lesen. Aufgrund der ausbleibenden öffentlichen Förderung ist ein erhöhter Tagungsbeitrag in Höhe von 143,90 Euro bei Unterbringung im Doppelzimmer und 163,90 Euro bei Unterbringung im Einzelzimmer inklusive Unterkunft, Verpflegung und Programm zu entrichten. Die Anmeldungen werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt. Die Anmeldungen sind zu richten an: Der Heiligenhof, Alte Euerdorfer Straße 1, 97688 Bad Kissingen, Telefax: (09 71) 71 47 47, über die Webseite https:// heiligenhof.de/unsere-seminare/seminarprogramm/die-rolle-der-kirchen -im-ostlichen-europa oder per eMail an: hoertler@heiligenhof.de. Heiligenhof · Alte Euerdorfer Straße 1 · 97688 Bad Kissingen Telefax (09 71) 71 47 47 info@heiligenhof.de · www.heiligenhof.de

Ausstellung zu Flucht, Vertreibung und Integration

Teil 2: „Ungehört – die Geschichte der Frauen“ Bis Freitag, 12. April, zweiter Teil der Ausstellung „Ungehört – die Geschichte der Frauen. Flucht. Vertreibung und Integration“. Veranstaltungsort: Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, München. Öffnungszeiten: montags bis freitags von 10.00 bis 20.00 Uhr. Die Ausstellung, die das Team Dr. Lilia Antipow

(HDO), Patricia Erkenberg M.A. (HDO), Prof. Dr. Daniela Neri-Ultsch (Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung Universität Regensburg) und Prof. Dr. Andreas Otto Weber (Direktor des Hauses des Deutschen Ostens) kreiert hat, wird nach dem Erfolg im Sommer in einer erweiterten Version gezeigt.


AKTUELL · KOLUMNE

Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2.2.2024

Der große Lyriker Reiner Kunze trauert um seine im mährischen Znaim geborene Ehefrau Elisabeth

„Woher die Kraft kam zu widerstehen“ Elisabeth Kunze, die am 19. Mai 1933 im mährischen Znaim geborene Ehefrau des Schriftstellers Reiner Kunze, ist am 24. Januar im Alter von 90 Jahren in Erlau (Landkreis Passau), der zweiten Heimat des Paares, gestorben.

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ie Tochter einer in Wien geborenen Tschechin und des deutschen Feinmechanikers Mifka, der in Mähren ein Schreib- und Nähmaschinengeschäft betrieb, wuchs zweisprachig auf. Nach dem Studium der Medizin und Zahnmedizin in Prag und Olmütz war Dr. Elisabeth Kunze zunächst auf der kieferchirugischen Abteilung des Bezirkskrankenhauses in Aussig an der Elbe tätig. Reiner Kunze wurde am 16. August 1933 in Oelsnitz im Erzgebirge geboren. Sein Vater war Steinkohlebergmann. Kunze studierte an der Universität Leipzig Philosophie und Journalistik und war anschließend vier Jahre Lehrbeauftragter, bis er mit dem sozialistischen Herrschaftssystem der DDR brach. Kurz vor dem Abschluß seiner Promotion mußte er den Lehrstuhl verlassen und als Hilfsschlosser im VEB Schwermaschinenbau Verlade- und Transportanlagenbau arbeiten. Tagsüber montierte er Achsen für Schreitbagger, nachts schrieb er. Seit 1954 war er mit Ingeborg, geborene Weinhold, verheiratet. Die Ehe, aus der Sohn Ludwig hervorging, wurde 1960 geschieden. Eine erste Öffentlichkeit erreichte Reiner Kunze im Juni 1959, als der Berliner Rundfunk Liebesgedichte aus seinem ersten Lyrikband „Vögel über dem Tau“ rezitierte. Elisabeth Littnerová, eine junge Zahnärztin und Mutter einer Tochter, war unter den Radiohörern und bat den Rundfunksender via Postkarte um die Zusendung des Gedichts „Das Märchen vom Fliedermädchen“. Auf Umwegen erreichte ihre Karte fast ein halbes Jahr später Reiner Kunze. Es entwickelte sich ein reger Briefaustausch mit über 400 Briefen. Wegen der geschlossenen Grenzen war ein direkter Kontakt zunächst nicht möglich. Eines nachts rief Kunze seine Brieffreundin an und machte ihr einen Heiratsantrag. Eine Lesung in Aussig, zu der Reiner Kunze auf Vermittlung von Elisabeth Littnerová eingeladen wurde, war das erste persönliche Treffen. Am 8. Juli 1961 heiratete das Paar in Aussig. Im Juni 1962 zog Reiner Kunze mit seiner zweiten Frau Elisabeth und deren Tochter Marcela nach Greiz in Thüringen. Das Gehalt der Kieferorthopädin, die in der Kreisjugendzahnklinik und im Kreiskrankenhaus Greiz arbeitete, sicherte das Familieneinkommen. Ab 1963 veröffentlichte Kunze auch in der Bundesrepublik, was zwar offiziell vom Büro für Urheberrechte der DDR genehmigt, den Funktionären aber dennoch ein Dorn im Auge war. Neben dem Schreiben spezialisierte sich Kunze auf Nachdichtungen tschechischer und slowakischer Lyrik der Autoren Ludvík und Milan Kundera, Vladimír Holan, Miroslav Holub, František Hrubín, Jaroslav Seifert und vor allem Jan Skácel. 1968 wurde Kunze für die Überset-

Eine Lebensliebe: Das Stifter-Ehepaar Reiner und Elisabeth Kunze in ihrer zweiten Heimat in Erlau im Landkreis Passau.

Reiner Kunze wird von Verlegerin Angelika Diekmann mit dem Menschen-in-EuropaAward für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Alt-Bundespräsident Joachim Gauck. Foto: MiE/Thomas Jäger

Das Kunze-Haus in Erlau im Landkreis Passau liegt am Ufer der Donau. Fotos: Reiner und Elisabeth Kunze-Stiftung

zung Jan Skácels Gedichtsband „Fährgold für Charon“ vom tschechischen Schriftstellerverband ausgezeichnet. Nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen und der gewaltsamen Beendigung des Prager Frühlings wurde der tschechische Schriftstellerverband aufgelöst. Kunze vollzog nun auch de jure den längst ideell vollzogenen Austritt aus der SED und gab am 26. August sein Parteibuch zurück. Am 19. November wurde er wegen „parteifeindlichen Verhaltens“ aus der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands ausgeschlossen und fortan von der Staatssicherheit bespitzelt. Mit dem Lyrikband „sensible wege“, der im Frühjahr 1969 bei Rowohlt erschien, gelang Reiner Kunze im Westen der literarische Durchbruch, aber das Werk machte ihn in der DDR endgültig zur persona non grata. Am 8. September 1976 erschien Reiner Kunzes Prosaband „Die wunderbaren Jahre“ bei S. Fischer in Frankfurt am Main. Das Buch wurde ein sensationeller Erfolg und verkaufte sich mehr als eine halbe Million mal. Daß es dem Autor

dere zeitgeschichtlich belangvolle Materialien, die sich in den vergangenen fünzig Jahren im Umfeld der Bücher des Schriftstellers Reiner Kunze angesammelt haben, nicht verstreut werden oder verlorengehen, sondern nach dem Tod der Stifter in ihrem Wohnhaus, das in ein Ausstellungshaus umgewandelt wird, in Dauerausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“ Das Motiv des Stifterpaares: „Die ,Geschichten‘ hinter den Geschichten sollen darin bestärken, totalitäre Gesellschaftsentwürfe abzulehnen, und zum Widerstand gegen ideologische Indoktrination ermutigen. Auch soll nachvollziehbar werden, woher die Kraft kam zu widerstehen“. Welche große Rolle Elisabeth Kunze im Leben des Lyrikers gespielt hat, machte im vergangenen Jahr eine Ausstellung in der Universität Passau deutlich, die das Lebenswerk des Paares unter dem Titel „Ich habe die tschechische Sprache geheiratet“ ehrte. Die Ausstellung, die Dr. Linda von KeyserlingkRehein kuratiert hat und deren Katalog im Sommer im Berliner Lukas Verlag erscheint, soll im August dieses Jahres in Kunzes Geburtsort Oelsnitz und im Mai 2025 in der Mährischen Landes- und Universitätsbibliothek in Brünn gezeigt werden. Am 9. November 2023 wurde Reiner Kunze im Medienzentrum der Verlagsgruppe Passau mit dem Menschen-inEuropa-Award für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Die Laudatio hielt Alt-Bundespräsident Joachim Gauck, und den Preis überreichte die Menschen-in-Europa-Initiatorin und Verlegerin Angelika Diekmann. Für seine Dankesrede brauchte Kunze nur dreizehn Worte: „Wenn es meine Frau nicht gäbe, so würde ich heute hier nicht stehen.“ 2006 schrieb Kunze sein wohl schönstes Gedicht „Tapfer Vorsatz“. Es handelt von Liebe und Tod: „Wir wollen, wenn die stunde naht, mit ihr nicht hadern Möglich, daß irgendwann beim anblick eines leeren schuhs das universum über uns zusammenstürzt Dann laß uns denken an den fuß, zu dem der schuh gehörte, und an das zehenspiel, das ungezählte male, als wir beieinanderlagen, das universum zurückkatapultierte an seinen platz“ Torsten Fricke

gelungen war, vom DDR-Büro für Urheberrechte eine Druckgenehmigung für den westdeutschen Verlag S. Fischer zu bekommen, ohne das Manuskript vorgelegt zu haben, sorgte für einen innerparteilichen Eklat. Reiner Kunze wurde daraufhin am 3. November aus dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen, was einem Berufsverbot gleichkam. Am 7. April 1977 stellte Kunze für die gesamte Familie einen Ausreiseantrag, der bereits drei Tage später, am 10. April, genehmigt wurde. Am 13. April verließen Marcela Kunze und ihr Verlobter sowie das Ehepaar Elisabeth und Reiner Kunze die DDR. Im Oktober erhielt Kunze für das Buch „Die wunderbaren Jahre“ den Georg-Büchner-Preis; die Laudatio hielt Heinrich Böll. Es folgten der Georg-Trakl-Preis und zahlreiche weitere Auszeichnungen. 1978 ließ sich das Ehepaar in Erlau im Landkreis Passau nieder. 2006 gründeten sie die Reiner und Elisabeth Kunze Stiftung, um, wie es im Stiftungsportrait heißt, „sicherzustellen, daß die historisch relevanten Bild-, Ton- und Schriftdokumente, Werke der Bildenden Kunst und an-

Reiner und Elisabeth Kunze-Stiftung

Lithographie von Alfred Kubin Zur Sammlung der Reiner und Elisabeth Kunze-Stiftung gehört auch die Lithographie „gesperrte Straße“ des böhmischen Grafikers und Schriftstellers Alfred Kubin.

A

lfred Leopold Isidor Kubin wurde am 10. April 1877 in Leitmeritz geboren und verstarb am 20. August 1959 im österreichischen Wernstein am Inn. Aus der von ihm, Wassily Kandinsky und weiteren Künstlern gegründeten Neue Alfred Kubin. KünstlervereiniFoto: Wikipedia gung München ging 1911 die Redaktion des Blauen Reiters hervor. Kubin war zudem Mitglied der Prager Secession. Die Nationalsozialisten diffamierten Kubins Werke als entartete Kunst.

An Kubin erinnert unter anderem die Alfred-Kubin-Galerie im Sudetendeut-

schen Haus, in der regelmäßig Sonderausstellungen stattfinden.

5 Mut tut gut

Blasius und sein Segen J

edes Jahr bin ich als Seelsorger von Neuem beeindruckt, wie viele Gläubige Anfang Februar, einem alten Brauch folgend, den Blasiussegen empfangen wollen. Dieser Segen wird sowohl am 3. Februar, dem Gedenktag des heiligen Blasius, wie auch in den Tagen vorher und nachher gespendet. Offensichtlich entspricht es einem tiefen menschlichen Bedürfnis, gelegentlich persönlich gesegnet zu werden, also von Gott ein gutes Wort gesagt zu bekommen. Der Blasiussegen wird mit zwei schräg übereinander gekreuzten, brennenden Kerzen gespendet, die vor den Hals des zu Segenden gehalten werden. Die Segensformel heißt: „Auf die Fürsprache des heiligen Bischofs und Märtyrers Blasius bewahre dich Gott vor allen Halskrankheiten und sonstigen Erkrankungen und Beschwerden. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“ Daß es bei diesem Segen besonders um Halskrankheiten geht, kommt von einer Legende. Blasius war um die Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert Bischof der Stadt Sebaste in Kleinarmenien, dem heutigen Sivas im Nordosten der Türkei. Er erlebte noch die Zeit der Christenverfolgung und wurde wegen seines Glaubens immer wieder ins Gefängnis geworfen. Aufgrund seiner Güte suchten viele Leute aber auch dort seine Nähe. Eines Tages kam eine Mutter mit ihrem Sohn, dem eine Fischgräte im Hals steckte. Blasius sprach durch die Gitterstäbe seiner Zeller einen Segen über den Knaben, und dieser wurde von dem Ersticken gerettet. Es muß nicht immer eine Fischgräte oder ein anderes Halsleiden sein. „Mir ist etwas im Hals stecken geblieben“, sagen wir, wenn uns die Aussage oder das Verhalten eines anderen Menschen belastet. Oder wir stellen fest, „Es schnürt mir den Hals zu“, wenn uns angst und bange ist, oder wenn wir einem kaum erträglichen Leiden zusehen müssen oder es selbst erfahren. Physische Schluckbeschwerden kommen nicht selten daher, daß wir oft viel Schwieriges zu schlucken haben, zwischenmenschlich und persönlich, und daß wir Angst haben, daran seelisch zu ersticken. Dem Brauch des Blasiussegens wird manchmal vorgehalten, es handle sich um einen magischen Ritus. Ist das wirklich so? Ich meine nein. Sicher bleiben uns nicht Halsleiden und andere Beschwerden erspart, selbst wenn wir schon oft diesen besonderen Segen gespendet bekamen. Gott verspricht uns nicht, daß er alle Schwierigkeiten von uns fernhält. Was er aber verspricht, ist, daß er uns in den schweren Stunden unseres Lebens nahe ist. Die Kerzen, die beim Blasiussegen verwendet werden, sind ein Symbol für das Licht Gottes, das uns gerade in Schwierigkeiten umgibt und Trost spendet. Besonders schön finde ich es immer, das Gesicht eines jeden Menschen, der vor mir steht, während des Segens im Licht der Kerzen erleuchtet zu sehen. Oft scheinen die Augen besonders erleuchtet vom Glanz dieses Lichtes, und ich denke mir dann, daß der oder die Betreffende einen besonderen Heilsmoment erfährt. Mir fällt dazu der Psalm 27 ein, in dem es heißt: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil. Vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist die Kraft meines Lebens. Vor wem sollte mir bangen?“ Dr. Martin Leitgöb CSsR Provinzial der Redemptoristen Wien-München


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FORUM

Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2. 2. 2024

Unser Angebot Sudetendeutsche Zeitung mit Aussiger Bote · Der Egerländer · Egerer Zeitung · Elbogener Heimatbrief · Falkenauer Heimatbrief · Heimatbote · Heimatruf · Isergebirgs-Rundschau · Karlsbader Badeblatt · Karlsbader Heimatzeitung · Leitmeritzer Heimatbote · Luditzer Heimatbrief · Nordböhmische Umschau · Reichenberger Zeitung · Riesengebirgsheimat · Sternberger Heimatblatt · Zuckmantler Heimatbrief

Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft

wöchentlich (125,00 EUR im Jahr) mit folgendem Zahlungszeitraum:

Kostüme aus dem Geschäft der Großeltern.

Noch leitet Mutter Gertrud den Laden.

Gitta übernimmt das Zepter

jährlich durch Lastschrift halbjährlich durch Lastschrift vierteljährlich durch Lastschrift Aussiger Bote, Leitmeritzer Heimatbote 12 Ausgaben (31,25 EUR im Jahr) Elbogener Heimatbrief, Falkenauer Heimatbrief, Karlsbader Heimatzeitung, Karlsbader Badeblatt, Luditzer Heimatbrief, Der Egerländer, Egerer Zeitung 12 Ausgaben (31,25 EUR im Jahr) Isergebirgs-Rundschau, Sternberger Heimatblatt, Zuckmantler Heimatbrief 12 Ausgaben (31,25 EUR im Jahr) Neudeker Heimatbrief, für die Heimatfreunde aus Stadt und Landkreis Neudek 12 Ausgaben (31,25 EUR im Jahr) Reichenberger Zeitung, Nordböhmische Umschau 24 Ausgaben (62,50 EUR im Jahr)

Steampunk-Accessoires aus Simon Fischers Werkstatt.

Simon Fischer peppt auf.

Gitta Streb mit einer Steampunk-Lady und einem Mozart.

Petra Fischer erklärt Steampunk.

Riesengebirgsheimat 12 Ausgaben (31,25 EUR im Jahr) Diese Preise gelten bei Erteilung eines Bankeinzugsauftrags (SEPA-Lastschriftmandat) und Lieferung innerhalb Deutschlands. Preise für Auslandsabonnements auf Anfrage! Adresse: Name, Vorname

Straße, Hausnummer

70 Jahre Kostümverleih

Steampunk ist der Renner

Postleitzahl, Ort

Telefon

Jeden Januar und Februar brummt Gitta Strebs Laden im unterfränkischen Roth. Sie verleiht nämlich Kostüme. Und das macht ihre Familie seit 70 Jahren.

E-Mail

Z

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Ich/Wir ermächtige/n die Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft mbH (SVG), Hochstraße 8, 81669 München, Gläubiger-Identifikationsnummer DE04SVG00000003583, Zahlungen von meinem/unserem Konto mittels Lastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein/weisen wir unser Kreditinstitut an, die von der SVG auf mein/unser Konto gezogenen Lastschriften einzulösen. Ich kann/Wir können innerhalb von acht Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen. Dabei gelten die mit meinem/unserem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen. Wenn sich meine Kontodaten ändern, teile ich dies der SVG unverzüglich mit.

Kontoinhaber

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ur Welt kam Brigitte „Gitta“ Streb/Tschammerhöll am 10. November 1943 in Schlakkenwerth im Kreis Karlsbad. Ihre Großeltern hatten dort ein Textilgeschäft und dafür Schneiderinnen angestellt. „Schlackenwerth war eine Faschingshochburg“, sagt sie einem Reporter von „Frankenschau aktuell“ im Bayerischen Rundfunk. „Da haben die Großeltern natürlich auch Faschingskostüme schneidern lassen und verkauft.“ Die Familie sei nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit ihren Vertreibungskisten auf einem Lastwagen vertrieben worden. Ihre Großeltern hätten ihre Kiste mit Faschingskostümen gefüllt. 1954 habe die Großmutter angefangen, Kostüme zu verleihen. Die Großmutter habe noch selber geschneidert. Dann habe ih-

re Mutter Gertrud Tschammerhöll den Verleih übernommen, auch die habe geschneidert. Sie selber, so die lebhafte 80jährige Gitta Streb, schneidere nicht, sie kaufe die Kostüme. Mittlerweile stehen ihr ihre Tochter Petra Fischer und ihr Enkel Simon Fischer beim Kostümverleih zur Seite. Petra Fischer erklärt dem BRReporter, daß seit zwei Jahren SteampunkKostüme der Renner seien, eine Mischung aus viktorianischem Stil und altmodischer Zukunftsvision oder neo-viktorianisch mit Retro-Futurismus. Und da kommt Simon Fischer ins Spiel, der im zivilen Beruf Filmemacher ist. Er tobt seine Künstlerseele beim „Upcycling“ auf. In seiner Werkstatt neben dem Kostümverleih im Keller des StrebHauses peppt er alte Kostüme

und Accessoires zu SteampunkTeilen auf. Gegenwärtig habe sie rund 150 Hüte und Perücken sowie 250 Kostüme, sagt Gitta, die seit 1965 Streb heißt. Damals heiratete sie den Rother Georg Streb. Mit dem hat sie neben Tochter Petra und Enkel Simon den Sohn Lothar und weitere drei Enkel und eine Enkelin. Tochter Petra und die Enkel marschierten auch schon beim Rother Kirchweihfestzug in den Reihen der Trachtengruppe der SL-Ortsgruppe Roth mit, Enkelin Nina in einer Mieser Kindertracht. Seit 1979 ist Streb Mitglied der Rother SL-Ortsgruppe. Bereits ihre Eltern Gertrud und Adolf Tschammerhöll waren Mitglieder. Gitta Streb verleiht nicht nur Kostüme, sondern trägt auch

selber Tracht sowie seit 1990 das kleine und seit 2022 das große Ehrenzeichen der SL. Außerdem ist die Egerländerin Vorstandsmitglied der Rother SL, Stellvertreterin beim Geburtstagsbesuchsteam und Gründungsmitglied des seit 1985 bestehenden Kochkreises der Ortsgruppe. Sie hilft beim Liwanzenbacken für SL-Feste und machte ihren unterfränkischen Georg zu einem angeheirateten Sudetendeutschen. Georg Streb ist Schriftführer in der Ortsgruppe Roth ( Seite 9) und in der Kreisgruppe Roth-Schwabach sowie ein verläßlicher Mann für alle SL-Fälle. Mit seiner umtriebigen Frau teilt er die Leidenschaft für die Enkel. Apropos Enkel und Steampunk: 2022 wurde die Rockoper „Krabat“ der Berliner Steampunkband Coppelius am Musiktheater im Revier uraufgeführt. Diese Rockoper ist eine faszinierende Adaption des Jugendbuches „Krabat“ des gebürtigen Reichenbergers Otfried Preußler. Nadira Hurnaus

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Die SL-Ortsgruppe Roth ist bereit für die Kirchweih 2016. Rechts Gitta Streb in Tachauer Tracht, daneben ihre Tochter Petra Fischer und ihr Enkel Simon sowie ihre Enkelin Nina in einer Mieser Tracht im Blumenwagen. Bild: Brigitte Neudert


Nur in einem geringen zeitlichen Abstand erschienen in jüngster Zeit zwei Romane, die sich mit den tschechisch-sudetendeutschen Verwerfungen in Böhmen in den 1930er und 1940er Jahren beschäftigen: von Peter Becher „Unter dem Steinernen Meer“ und von Tove Alsterdal „Blinde Tunnel“.

� Neue Lyrik

Blaue Stunde

P

eter Becher wurde im Jahr 1952 in einer in Karlsbad verwurzelten Familie geboren und ist durch seine berufliche, wissenschaftliche sowie schriftstellerische Tätigkeit engstens mit den geschichtlichen und kulturellen deutsch-tschechischen Verhakungen vertraut. Der Vorsitzende des Adalbert-Stifter-Vereins siedelt seinen Roman im Böhmerwald an, im Gebiet zwischen dem Plöckenstein und Budweis. Dort liegt auch Oberplan, der Geburtsort von Adalbert Stifter, dem Peter Becher mehrere Publikationen widmete. Im Zentrum seiner Geschichte liegen die Begegnungen von tschechischen und deutschen Jugendlichen, zunächst in der Endphase der Tschechoslowakischen Republik eher als sportlich rivalisierende Gruppen, später in der Zeit der deutschen Herrschaft ebenso wie nach der Wende 1945 in der ernsten, ja tödlichen Auseinandersetzung. Er schildert laut Klappentext „die unauflösbare Verstrickung von Freundschaft und Verrat, Triumph und Niederlage, Gewalt und Schwäche, welche die böhmische Geschichte des 20. Jahrhunderts so verhängnisvoll machte“. Dabei ist Peter Becher akribisch darauf bedacht, die Urteile der Deutschen über das Verhalten der Tschechen und umgekehrt genauestens ausgewogen und ohne Empathie für die eine oder andere Seite darzustellen, so daß sich manche Dialoge der beiden Hauptprotagonisten, ein deutscher Arzt und ein tschechischer Ingenieur, wie eine Zusammenstellung von Zitaten aus sudetendeutschen wie tschechischen Geschichtswerken der Nachkriegszeit – teilweise mühsam – lesen. Während es sich bei Peter Becher um seinen ersten Roman handelt, gehört Tove Alsterdal, im Jahr 1960 im schwedischen Malmö geboren, zu den renommiertesten schwedischen Spannungsautorinnen. Ihre Romane waren in Schweden sensationelle Erfolge, schafften es in Deutschland in die Top Zehn der „Spiegel“-Bestenliste und erschienen in 25 Ländern. Die Filmrechte sicherte sich schon eine Im Haus des Deutschen Ostens (HDO) in München fand im Begleitprogramm der Ausstellung „Ungehört – die Geschichte der Frauen. Flucht, Vertreibung und Integration“ das neue Erzählcafé statt. Die ungarndeutsche Zeitzeugin Theresia Harting war diesmal Gesprächspartnerin der Moderatorin Renate von Walter. HDO-Direktor Andreas Otto Weber begrüßte die zahlreichen Gäste, darunter Georg Hodolitsch, Vorsitzender der Landsmannschaft der Ungarndeutschen in Bayern, sowie Vertreter der Kulturzentrums Haus der Donauschwaben in Haar bei München, im Namen seines Hauses.

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KULTUR

Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2. 2. 2024

Im Böhmerwald – hier der Große Arber – spielt ein Teil von Dr. Peter Bechers Buch.

� Buchvorstellungen

Umbruchzeit

Peter Becher: „Unter dem Steinernen Meer“. Vitalis Verlag Prag 2022; 200 Seiten, 19,90 Euro. (ISBN 978-389919-646-7)

Tove Alsterdal: „Blinde Tunnel“. Kindler Verlag München 2023; 352 Seiten, 22,00 Euro. (ISBN 978-3-46300050-3)

Produktionsfirma in Hollywood. Ohne jeglichen persönlichen sudetendeutschen oder tschechischen Hintergrund taucht die Ich-Erzählerin unbeabsichtigt in die Wirren rund um das Jahr 1945 ein, nachdem sie mit ihrem Mann am Südrand des Erzgebirges in einem kleinen fiktiven Ort an einem Fluß ein Weingut erworben hat, um ein neues Leben zu beginnen. Nachdem sie im Keller ihres neuen Hauses eine verweste Jungenleiche gefunden hat, brennt sie geradezu, dieses Schicksal aufzuklären. Auf diese Weise gerät sie einerseits tief in die Verwobenheit von mehreren deutschen

und tschechischen Jugendlichen rund um das Kriegsende, wobei sie andere Ereignisse dieser Zeit wie das Massaker an der Elbebrücke in Aussig in den Handlungsort verlagert. Andererseits wird sie Teil einer Auseinandersetzung um den Besitzanspruch auf dieses Weingut, die ebenfalls ein Todesopfer fordert und letztlich dank der Machenschaften eines ehemaligen tschechischen Geheimdienstmitarbeiters zu einem für alle Beteiligten befriedigenden Ende gesteuert wird. In ihrer Danksagung wundert sich die Autorin, daß man erstaunlich wenig über das Sudetenland und über die Vertrei-

bung der Sudetendeutschen aus ihrer Heimat findet. Sie habe sich orientiert an den Publikationen „Cleansing the Czechoslovak Borderlands“ von Eagle Glassheim, „Ordnungsgemäße Überführung: Die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg“ von R. M. Douglas, „Die deutschen Vertriebenen: Keine Täter – sondern Opfer“ von Alfred-Maurice de Zayas, „The missing peace of a heritage puzzle“ von Frank Koer­ ner und „Das verschwundene Sudetenland“, herausgegeben von der Organisation „Antikomplex“ in Prag. So drängt sich phasenweise der Eindruck auf, daß Tove Alsterdal viele Darstellungen aus diesen Arbeiten zusammengefügt und zu einem äußerst spannenden Kriminalroman verwoben hat, wobei ihre Sympathien erkennbar den Sudetendeutschen gelten. Beide Autoren bemühen sich sehr darum, die jeweiligen Landschaften, die Eigenheiten ihrer Bewohner oder die Interieurs ihrer Wohnungen zu schildern, wobei Tove Alsterdal vor allem von dem Anblick der verwohnten und heruntergekommenen Häuser bedrückt ist. Während Peter Becher seine Geschichte in dem von ihm gewohnten ruhigen und abwägenden Stil aus der Distanz niederschreibt, hetzt Tove Alsterdal geradezu durch die Vergangenheit und wird in die Ereignisse der Gegenwart nahezu unentrinnbar verstrickt. Als Leser hat man mitunter den Eindruck, daß man genauso unter Atemnot leidet wie die Autorin. In beiden Büchern ist das Gasthaus ein wichtiges Kommunikationszentrum. Trotz aller Unterschiede der dortigen Offenbarungen ist bei diesen Handlungsorten eines gleich: Böhmisches Essen und böhmisches Bier. Günter Reichert

In ihrem neuesten Büchlein versammelt Marie-Sophie Michel Impressionen aus den letzten Jahren, die weiterhin aktuell sind. Die Autorin ist die Enkelin des Schriftstellers Erich Michel, der 1904 in Schönlinde im Kreis Rumburg zur Welt kam. Marie-Sophie Michel kam 1966 in Paris zur Welt. In jungen Jahren kam sie nach München an die Isar, wo sie lebt, schreibt und publiziert. Sie veröffentlichte Anthologien mit Gedichten oder Prosatexten und eigenen Fotos wie „Flügelschlag in Blau“ (2019) und „Der beatmete Mai“ (2020).

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as neue Buch wird seinem Titel gerecht. „Stunden in Blau“ führt lyrisch in die blauen Stunden, die die Dichterin besonders liebt: die Minuten nach Sonnenaufgang, vor allem aber zwischen Sonnenuntergang und der beginnenden Nacht am Abend, wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, und die Luft erblaut. Bei der Poetin Michel bedeutet „blau“ noch mehr. Blau ist die Weite des Himmels, die Ferne und mit ihr die Sehnsucht. Blau ist die Farbe der Romantik, sie steht für Melancholie, für Trunkenheit – und für die Liebe. Ein wichtiger Aspekt ist auch der Bezug zu Gewässern. Am See, am Fluß, am Meer: alles Orte, die Marie-Sophie Michel inspirieren. So heißt es etwa in einem Gedicht, das im Herbst spielt: „Einsam der Fluß / die Spaziergänger vom Sommer sind fort / die Kiesbankschmuser / die Krähen / die Blätter von den Bäumen / nur ich stehe da / und schaue / schaue und denke / an das Sein / die Liebe / alles im Fluß.“ Das Gedicht erscheint im ersten Kapitel des Buches mit dem Titel „...wird das Leben wieder hell“. Darin läßt die Dichterin ein Jahr passieren, von den knospenden Bäumen im Frühjahr bis zum Grau des Novembers. Um Liebe und ihre Auswirkungen geht es in Teil zwei „...neue Seufzer ersin-

� Erzählcafé im Haus des Deutschen Ostens in München

Ins Sudetenland deportiert

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heresia Harting wurde 1935 in Pußtawam/Pusztavám in Ungarn als Theresia Farkasch in eine ungarndeutsche Familie geboren. Pustavám liegt in der Nähe der Stadt Moor/Mór im Kreis Stuhlweißenburg/Székesfehérvár. „Die Russen kommen!“ Diese Worte hat die damals neunjährige Theresia Farkasch noch sehr gut in Erinnerung. Im November und Dezember 1944 war diese Warnung in aller Munde. In Pußtawam/Pusztavám wurden deshalb die ersten Eisenbahntransporte mit schwangeren

Georg Hodolitsch, Vorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn in Bayern, die Tochter von Theresa Harting, Dr. Renate von Walter, Professor Dr. Andreas Otto Weber, Theresa Harting und eine Vertreterin des Hauses der Donauschwaben in Haar. Bild: Dr. Lilia Antipow

nen“, in denen auch gereimt wird. Teil drei – „...wir kämpfen mit der Wirklichkeit“ – widmet sie sich den aktuellen Problemen wie dem Neun-EuroTicket im vergangenen Jahr, den Corona-Nachwehen und dem Krieg in der Ukraine. Poetischer geht es zu im vierten Teil, „...Spinnweben im Glas“, in dem es etwa heißt: „In mir der Übermut / vergangener Sommertage. / Ich gehe zurück in die Kindheit / Fußball und Baumhausbaustelle / Capri-Eis und aufgeschürfte Knie, / Schnecken in Einmachgläsern / und Pfeil und Bogen / aus dem Haselnußstrauch geschnitzt / das Leben war immer draußen.“ Und so führt alles zum letzten Teil „...Träume mit Blau“, der viele Motive des Buches wieder aufnimmt und neu kombiniert: „An goldenen Tagen / ist das Moos ein weiches Bett / Bucheckern und Nüsse spielen Fangen / Ich klaube meine Worte zusammen / und laß Rotweintropfen regnen / Schmeckst du den Sommer im Abgang / Ich rieche das Meer in deinen Augen / Die Brandung spült mich zu dir / Wir steigen in das Ruderboot / vertaut am Steg / am See / Ruhig gibst du den Takt vor / an den Seerosen vorbei / mir scheint fast / sie lächeln.“ Susanne Habel

Marie-Sophie Michel: „Stunden in Blau“. Verlag Kleine Schritte, Trier 2023; 64 Seiten, 18 Euro. ­(ISBN 978-3-6698-167-3)

Frauen, Kindern und Alten aus der Stadt Moor nach Österreich, Böhmen und Schlesien in Sicherheit gebracht. Ende 1944 wurde Theresia, damals neun Jahre alt, gemeinsam mit anderen Schülerinnen aus Pußtawam ins Sudetenland evakuiert. Theresas Familie kam mit einem Flüchtlingstreck, der zunächst mit Pferdegespannen und später mit dem Zug unterwegs war, ins Kloster Beuerberg, ein ehemaliges Augustiner-Chorherren-Stift und Kloster der Salesianerinnen in der Ortschaft Beuerberg, einem Gemeindeteil von Eurasburg im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen in der Erzdiözese München und Freising Das Kloster diente als Flüchtlingslager. Dorthin wurden einige Wochen später auch Theresia und ihre Freundinnen geholt. Heute lebt Theresia Harting in Geretsried in der ehemaligen sogenannten Ungarnsiedlung, die seit dem Jahr 1956 offiziell Dr.Bleyer-Siedlung heißt. Dort engagiert sie sich auch für die Ungarndeutschen, unter anderem für den Erhalt der Trachten. Im Gespräch mit Renate von Walter berichtete Theresa Harting über ihre langwierige Flucht aus Ungarn und das Ankommen in Bayern.


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KULTUR

Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2. 2. 2024

geratener Kabelsalat von wirren Kommunikationswegen und Verstrickungen der Bürokratie erzählt. Assoziationen zu dem bei Kafka ebenfalls zentralen Thema der von Willkür geprägten Macht der Bürokratie, gegenüber der der Einzelne vergeblich um Erklärungen und Rechtfertigungen ringt, entstehen bei der Betrachtung des Gemäldes „Erniedrigte und Beleidigte“ von Maria Lassnig, zweier Fotografien von Andreas Gursky sowie bei „All the days of Franz Kafka“, einem Tagebuch von Ignacio Uriarte in Form einer Excel-Tabelle, die das exakte Datum aller Tage im Leben Franz Kafkas benennt.

Anläßlich des 100. Todestages von Franz Kafka (1883–1924) im Juni verweist das Museum Villa Stuck in München in einer großen Ausstellung mit zeitgenössischen Künstlern auf die grenzenlose Aktualität und außerordentliche Wirkmacht des Schriftstellers. Kafkas Werk prägte nicht nur Generationen von Literaten weltweit, sondern ging in zahlreiche weitere Bereiche der Kunst ein und ist Teil des kollektiven Gedächtnisses.

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ie Ausstellung zeigt Positionen der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, die sich auf Franz Kafka beziehen. Scham und viele andere mit dem Werk Kafkas verbundene Themen haben den Schriftsteller überlebt und als „kafkaesk“ eine allgemeingültige und immerwährende Eigenständigkeit erlangt. Dort, wo Angst, Verzweiflung, unheimliche und klaustrophobische Verhältnisse, bürokratische Enge sowie Machtmißbrauch herrschen, wird oft eine gedankliche Brücke zu Kafka geschlagen. Daraus haben viele Künstler, die im Zentrum der Ausstellung stehen, wichtige Impulse erhalten. Kafka war seit seiner Gymnasialzeit in Prag sowohl als Betrachtender wie auch als Zeichner eng mit der bildenden Kunst verbunden. Er studierte ein Semester Kunstgeschichte und pflegte einen intensiven Austausch mit Zeitgenossen der Prager Kunstszene. In einem einleitenden Bereich der Ausstellung wird sein Verhältnis zur bildenden Kunst anhand von Büchern aus seiner fragmentarisch erhaltenen Bibliothek, eigenen Zeichnungen sowie Mappen mit Blättern von Max Horb und Al­fred Kubin beleuchtet.

Andreas Gursky: „Pförtner, Spaeter“ (1982). Bild: Andreas Gursky / VG Bild-Kunst, 2023, Courtesy Sprüth Magers.

Chiharu Shiota: „During Sleep“ (2023). Installationsansicht. Bild: Jann Averwerser © VG Bild-Kunst, Bonn, 2023 and the artist.

� Ausstellung im Museum Villa Stuck in München

Kafkas 100. Todestag

Franz Kafka als Zeichner Zu sehen sind etwa einige Bände mit besonderen Widmungen: Lew Nikolajewitsch Tolstoi und Fjodor Michailowitsch Dostojewski als wichtige Vorbilder, Kafka gewidmete Exemplare seines lebenslangen Freundes und Unterstützers Max Brod sowie zwei Bücher, die er seiner Schwester Ottla schenkte. In einigen kleinen Zeichnungen hielt er visuelle Eindrücke sowie phantasievolle Figuren auf eigentümliche Weise fest. Von dem Grafiker, Buchillustrator und Schriftsteller Alfred Kubin, mit dem er sich eng verbunden fühlte und dessen Bilderwelten ihn besonders beeindruckten, sind auch sechs Illustrationen zu Kafkas Erzählung „Ein Landarzt“ aus dem Jahr 1932 zu sehen, die wegen der Verbannung von Kafkas Büchern in Deutschland zunächst in Vergessenheit geraten waren und erstmals 1997 in Erscheinung traten. Jeff Wall ist in der Ausstellung mit der vermeintlich dokumentarischen Fotografie „Odradek, Taboritskà 8, Prag, 18. Juli 1994“ sowie einer Nachbildung nach Kafkas Odradek-Beschreibung vertreten. Er nimmt in seinen Arbeiten Bezug auf das fiktive Wesen namens Odradek aus Kafkas 1920 publizierter Kurzgeschichte „Die Sorge des Hausvaters“. Die aus Kafkas Erzählung „In der Strafkolonie“ stammende Be-

Alfred Kubin: „Macht“ (um 1903). Bild: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau.

Harald Szeemann: „ Foltermaschine aus der Erzählung ,In der Strafkolonie‘ von Franz Kafka“ (1975). Bild: Albert Winkler

schreibung einer Prozedur, bei der ein Apparat mit spitzen Nadeln einem noch lebenden Verurteilten sein Vergehen auf den Rücken schreibt, regte mehrere Künstler zur Entwicklung einiger ebenso grausamer wie ironischer Apparaturen an. Neben einer Nachbildung Harald Szeemanns ist „The Killing Machine“ von Janet Cardiff & George Bures Miller hervorzuheben. Die unheimliche Funktion der rudimentären Mechanik einer Spieluhr trifft hier, auf ironische Weise, auf verspielte Elemente wie Kunstpelz und Discokugel. Auch in weiteren, ebenfalls in diesem Bereich der Ausstellung zu sehenden Tötungs-, Folterund Suizidmaschinen sowie in Werken von Berlinde De Bruyckere, Via Lewandowsky, Heidrun Sandbichler und Maja Vukoje klingt das immer wiederkehrende Thema des Leidens als Weg

Ein zentrales Thema in Kafkas Schaffen ist die Scham. Sie stellt sich mit der Erkenntnis ein, anders zu sein, den Erwartungen des Systems nicht zu entsprechen, der Gruppe nicht anzugehören und geht einher mit der Erkenntnis, daß die Bildung einer stabilen Identität und emotionaler Beziehungen zum Scheitern verurteilt ist. Als Grunderfahrung prägt sie die Figuren in Kafkas Schriften – von Joseph K. über Karl Roßmann bis Gregor Samsa.

Andreas Gursky: „Pförtner, Paßkontrolle“ (1982). Bild: Andreas Gursky / VG Bild-Kunst, 2023, Courtesy Sprüth Magers.

zur Kunst an, eine Analogie zu Kafkas ringen mit dem Schreiben, das er stets als körperlich schmerzhaft empfanden. Um das aus Kafkas Schriften bekannte Thema der Introspektion bis hin zum Erreichen einer körperlichen und seelischen Schmerzgrenze geht es in den Werken von Mona Hatoum. In Hatoums „Deep Throat“ erscheint auf einem von Messer und Gabel umrahmten Teller das Videobild einer endoskopischen Reise durch den Mund in den Magen. Die gesellschaftlichen Annehmlichkeiten des Essens werden konterkariert durch die Offenlegung dessen physischer Realität und damit die Tabuisierung des Körpers hinterfragt. Aus Kafkas bekannter Kurzgeschichte „Die Verwandlung“, in der sich der Protagonist Gregor Samsa eines Morgens in seinem Bett als „ungeheures Ungeziefer“ wiederfindet, stammen Themen wie die Vereinsamung und Zerstörung des Einzelnen durch gesellschaftliche und persönliche Zwänge. Machtmechanismen innerhalb der Familie greifen stellvertretend für soziale Zwänge und führen zu Unfreiheit, Erniedrigung und Mißbrauch. In diesem Zusammenhang gesehen werden können die in der Ausstellung präsentierte Videoarbeit „Long Sorrow“ von Anri Sala, die Skulptur „Drain“ von Robert Gober, eine vielschichtige Installation von Cathy Wilkes sowie das von Teresa Hubbard und Alexander Birchler nachgebaute Zimmer Gregor Samsas, das durch permanente Verwandlung zu einer dreiteiligen Arbeit wird.

Scham und Ohnmacht Paula Rego, für die die Scham eines der interessantesten Erlebnisse ist, weiß das Motiv produktiv zu nutzen für ihre in der Ausstellung zu sehenden Horrormärchen. Ihre Bilderwelten drehen sich um Gewalt in Beziehungen, familiäre Zwänge, Vergewaltigung, Abtreibung und Tod. Groteske Elemente stehen hier als humorvoller Bruch dem Elend gegenüber. Germaine Richiers hybride Mischwesen wie Ameisen, Heuschrecken, Spinnen mit menschlichen Gliedmaßen, Gesichtern und Brüsten führen Identität als fragiles Konstrukt vor Augen. In dem Künstlerbuch „Ode an meine Mutter“ von Louise Bourgeois dient eine Spinne als Projektionsfläche und Chiffre für Spannungen innerhalb familiärer Beziehungen. Chiharu Shiota führt die Idee des Webens in die Welt der Träume. Mit ihrer Installation „During Sleep“ verwandelt sie einen ganzen Raum der Villa Stuck in ein albtraumähnliches Labyrinth.

Schlafen wird hier wörtlich zur Grenzerfahrung. Bezüge zu Franz Kafkas Erzählung „Der Bau“, in dem ein nicht näher bezeichnetes Tier sein Versteck durch den Bau immer komplizierterer labyrinthischer Gänge vor Eindringlingen zu schützen versucht, sowie zum Romanfragment „Das Schloß“, in dem der Landvermesser K. sich als lediglich geduldeter Fremder einer geheimnisvollen Machthierarchie unterwerfen muß, sind erkennbar in der Ausstellung. Von Roni Horn ist dort eine Ameisenzucht ausgestellt, deren Mitglieder nach einem unterirdischen Masterplan labyrinthische Gänge bauen, von Thomas Schütte das Modell eines Kellers mit vielen Treppen, die auf merkwürdige Weise in unlogische Richtungen führen, und von Konrad Klapheck ein Telefon, bei dem ein aus den Fugen

Im Verhör Zwei filmische Arbeiten von David Rych und Franz Wanner beschäftigen sich in Anlehnung an Verhörszenen bei Franz Kafka mit der Machthierarchie zwischen Behörden und Flüchtlingen. Es wird dokumentiert, wie Institutionen diskriminierende Annahmen des „Fremden“ bei ihren Befragungen reproduzieren und diese konstitutiv für das nationalstaatliche Narrativ genutzt werden. Sebastian Jung gestaltet zwei Raumhälften der Ausstellung als Chaosraum, kafkaeskes Jugendzimmer oder „Dachrumpelkammer“. Franz Kafka und seine Erzählungen dienen ihm als Fundament. In wildem Arbeitseifer greift er Themen aus Kafkas Schriften wie Ohnmacht, Kontrollverlust, Machtmißbrauch, Anonymität und soziale Gerechtigkeit auf und überträgt diese auf heutige Lebensrealitäten. In einer von Waren, Konsum, Kapitalismus definierten Kultur à la „all you can eat“ fragt Jung, wie sich das Individuum in dieser Welt fühlt. In seiner visuellen Interpretation der düsteren Prognosen Kafkas gibt er diesen recht, und man ahnt, daß die aktuelle Realität die Absurdität von Kafkas Erzählungen sogar übertreffen könnte. Die Ausstellung kommt zu einem Ende mit Rodney Grahams Film „A Reverie Interrupted by the Police“. Mit Handschellen gefesselt, wird ein Mann von einem Polizisten auf die beleuchtete Theaterbühne geführt. Er soll dort ein Musikstück auf einem Klavier spielen. Zu seiner Überraschung befreit ihn der Polizist nicht von den Handschellen. So ist er gezwungen, die körperliche Einschränkung in sein Spiel zu integrieren. Kafkas Sinn für das Groteske, Tragikomische und allzu Menschliche begleitet die Besucher bis zum Schluß. Schluß ist nach dieser Ausstellung eine ganze Weile in der Villa Stuck: Das Haus schließt für eine umfassende Renovierung mindestens ein Jahr lang. Bis Sonntag, 11. Februar: „Kafka: 1924“ in München, Museum Villa Stuck, Prinzregentenstraße 60. Dienstag bis Sonntag 11.00– 18.00, Freitag bis 22.00 Uhr. Eintritt 9 Euro, ermäßigt 4,50 Euro. Bus 100, Tram 37: Haltestelle Friedensengel, U4: Haltestelle Prinzregentenplatz, U5: Haltestelle Max-Weber-Platz. Internet www. villastuck.de

Maria Lassnig: „Erniedrigte und Beleidigte“ (2022). Bild: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Sammlung KiCo


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VERBANDSNACHRICHTEN

Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2. 2. 2024

Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland

Neue Mitglieder

Herbert Sedlmair, Professor Dr. Ulf Broßmann, Edmund Schiefer, Herbert Wintersohl und Ulrich Müller. Bilder: Johann Stoll

Diakon Günther Mayer, Dekan Andreas Straub, Dietmar Heller vom SL-Landesvorstand, Ulf Broßmann, Edmund Schiefer und Helmut Saiko.

SL-Kreisgruppe Mindelheim/Bayerisch-Schwaben

ten als Kaplan, Pfarradministrator und Pfarrer in Deutschland konnte er vor allem bei seinen Aufenthalten in der Priestergemeinschaft des Oratoriums in London, dem Brompton Oratory, und in der Pfarreien in Wien und Sydney Auslandserfahrungen machen. Seit 2009 leitet er das Katholische Auslandssekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn. Zur weiteren Erit dem Bischof der gänzung des KuratoEvangelisch-Luriums konnte die Stiftherischen Kirche in tung Verbundenheit Georgien und dem südmit Alexander Schumalichen Kaukasus, Rolf cher den langjährigen Bareis, gewann die StifLeiter des für deutsche tung einen Vertreter Monsignore Pe- Minderheiten in Mitder Evangelisch-Luthe- ter Lang tel- und Osteuropa, den rischen Kirche für das GUS und dem BaltiKuratorium. Dank der kum zuständigen RefeHilfe des Prälaten Karl rats im BundesministeJüsten, Leiter des Komrium des Innern und für missariats der deutHeimat (BMI) gewinschen Bischöfe – Kanen. tholisches Büro in BerNach seinem Germalin, kann die Stiftung nistikstudium und seinun Monsignore Pener Promotion an der ter Lang als Repräsenstaatlichen Tolstoi-UniAlexander versität in tschetschetanten der Römisch- Dr. Katholischen Kirche Schumacher nischen Hauptstadt im Kuratorium begrüGrosny hatte Schumaßen. cher für vier Jahre einen LehrLang studierte Katholische stuhl an dieser Hochschule inne. Theologie an den Universitäten Nach seiner Aussiedlung nach in Mainz, in München und an Deutschland war er ab 1994 Geder Philosophisch-Theologi- schäftsführer des BdV-Landesschen Hochschule in Heiligen- verbandes Nordrhein-Westfalen kreuz in Österreich. An der Uni- und wechselte 1998 in das BMI. versität in Wien machte er den 2011 bis 2023 war er als BMI-ReMagister der Theologie. An- feratsleiter für die Förderung der schließend wurde er zum Priester deutschen Minderheiten zustängeweiht. Neben seinen Tätigkei- dig.

Kürzlich stellte die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland ihr neues Kuratorium vor ( SdZ 04/2024). Mitglieder dieses Kuratoriums sind erfahrene Personen, die sich für die Anliegen der deutschen Minderheiten und deutschsprachigen Gemeinschaften weltweit interessieren und engagieren. Damit sichert die Stiftung eine innovative Zukunft.

Autoren geehrt und Mahnmal geweiht M Die bayerisch-schwäbische SLKreisgruppe Mindelheim ehrte im Auftrag von Volksgruppensprecher Bernd Posselt in der Mindelheimer Gaststätte Storchenbräu die drei Autoren des jüngst erschienenen Buches „Flucht und Vertreibung 1945/46. Erinnern und Versöhnen“. Johann Stoll von der „Mindelheimer Zeitung“ berichtet.

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as Buch sei der achte Band in der Reihe „Historische Hefte“ und eine Frucht immenser Fleißarbeit und profunden Wissens der drei Autoren Herbert Sedlmair, Herbert Wintersohl und Ulrich Müller vom Heimatverein Buchloe, sagte SLBezirks- und SL-Kreisobmann Edmund Schiefer. Diese hätten in versöhnlichem Geist ein beispielhaftes Standardwerk über die Sudetendeutschen in Buchloe geschrieben. Laudator war SL-Bundeskulturreferent Ulf Broßmann. Broßmann unterstrich die herausragende Leistung der ehrenamtlichen Autoren. Sedlmair sei Schulamtsdirektor, Wintersohl Stadtrat in Buchloe und Müller Studiendirektor a. D. am Mariengymnasium in Kaufbeuren. Das Werk überzeuge aus mehreren Gründen. Viele Zeitzeugen seien

zu Wort gekommen. „Sie haben schen zu einem freien und verihnen Gesicht und Stimme gege- einten Europa. Auf Rache und ben“, lobte der Laudator. Vergeltung hätten sie verzichDie Fakten seien fundiert. Die tet. Ahne griff aber auch den akExistenzangst der Menschen sei tuellen Rechtsruck in Deutschdeutlich geworden, als die Ver- land auf. Indirekt erwähnte er die triebenen mit 50 Kilogramm Ge- AfD, die er in der Tradition der päck bei Null hätten anfangen NSDAP verortete. Despoten und müssen. Auch die Probleme der Autokraten seien für das Leid der Integration seien nicht ausge- Menschen verantwortlich, nicht blendet worden. Anfangs habe Demokratien. Ahne sprach sich es an Wohnraum und gegen Vergessen und Arbeitsplätzen gemanVerdrängen aus. Die gelt. Auf vieles hätten Sorge um die Demokradie Menschen verzichtie teilte auch Buchloes tet, um Fuß zu fassen Bürgermeister. in dem neuen Zuhause. Schon zuvor hatten Viele hätten Betriebe die SL-Kreisgruppe mit gegründet und so zum Edmund Schiefer und Wirtschaftswunder in die SL-Ortsgruppe mit der Nachkriegszeit beObmann Helmut Saiko getragen. All das werde Martina Pfleger auf dem Mindelheimer in dem Buch, begleitet Friedhof einen erneuvon reichlichen historischen Auf- erten Gedenkstein für die Opnahmen, erzählt. fer von Krieg und Gewalt eingeDas unterstrich auch Buchloes weiht. Steinmetz Jan Joska aus Bürgermeister Robert Pöschl. Die Mindelau hatte die Arbeit ausgeSudetendeutschen hätten gro- führt, Dekan Andreas Straub und ßen Anteil an der positiven Ent- der Dillinger Diakon Günther wicklung Buchloes. „So schlimm Mayer segneten das Mahnmal Flucht und Vertreibung waren, im Rahmen einer kleinen Feier, in ihrer neuen Heimat haben sie der gut 50 Interessierte beiwohnangepackt und ein neues Leben ten. aufgebaut.“ Geehrt wurde auch die 83jähMindelheims Zweiter Bürger- rige Martina Pfleger aus Nassenmeister Roland Ahne erinnerte beuren. Sie hatte sich über viele an den Beitrag der Sudetendeut- Jahre große Verdienste um die

Ortsgruppe erworben. Edmund Schiefer sagte, Martina Pfleger sei Kreiskassiererin gewesen, habe ihren Mann Wilhelm über viele Jahre im Ortsverein unterstützt und monatliche Frauentreffen und Busfahrten organisiert. In ihrer Dankansprache erzählte die rüstige Dame, wie sie im Alter von sechs Jahren in Nassenbeuren erstmals auf Heimatvertriebene getroffen sei. Sie habe Menschen angetroffen, denen sie sofort zugeneigt gewesen sei. Bei einer Familie, die gelernte Schneider gewesen seien, habe sie den Umgang mit Faden und Nadel erlernt. Daß sie den Vertriebenen Wilhelm Pfleger geheiratet habe, sei wohl eher Zufall oder Fügung gewesen. Wilhelm habe sie an der Berufsschule kennengelernt. Später sei er bei der Firma Glass in Mindelheim beschäftigt gewesen. Diese Verbindung sei eine besondere Prüfung gewesen, weil es für ein „Bauramädla“ verpönt gewesen sei, einen Vertriebenen zu heiraten. Die Akzeptanz sei in ihrer Jugendzeit nicht sehr groß gewesen. „Ich habe das alles überstanden – meinem Mann zuliebe“, sagte sie und bekam dafür lang anhaltenden Beifall.

SL-Ortsgruppe Roth/Mittelfranken

Ein ganz normales Jahr Vorstand und den aktiven Mitgliedern. Finanzverwalterin Hannelore Heller trug ihren umfassenden Vermögensbericht vor. Alf-

Volkmar Steffanides berichtete von der Kassenprüfung, die er mit Annemarie Thiel-Walter machte. Sie bestätigten eine einwandfreie Kassenführung. Auch

Der Bundestagsabgeordnete Ralph Edelhäußer dankte in seinem Grußwort für das Mitteilungsblatt, aus dem er immer die anstehenden Termine entnehme. rtsobmann Dieter HelEr wies auf die Bedeutung der ler begrüßte Ralph EdelSL hin, deren Repräsentanhäußer MdB als Ehrengast, ten auf allen Ebenen für ein Bürgermeister Andreas Buckfriedliches Europa trotz des reus hatte sich entschuldigt. schmerzlichen Schicksals einHellers Stellvertreter Norbert träten und daß von der SL kein Schindler gedachte der Toten. Haß geschürt werde. Ihre GeAnschließend trug Schriftfühschichte gehöre zu Deutschrer Georg Streb das Protokoll land. Er wünschte allen noch der letztjährigen Jahreshauptein gesundes neues Jahr. versammlung vor. Folgende Veranstaltungen Heller berichtete, daß nach der Ortsgruppe, so Dieter HelCorona und der mehrmals verler, fänden heuer statt: Filmschobenen 70-Jahr-Feier 2023 nachmittag mit Eberhard Heiwieder ein ganz normales Jahr ser über „Kunreuth – eine mit den üblichen VeranstalEvangelische Enklave“, Maitungen gewesen sei wie Jahandacht am Vogelbeerbaum reshauptversammlung, Filmmit anschließender Mutternachmittag, Muttertagsfeier tagsfeier, Vogelbeerbaummit Maiandacht, Vogelbeerfest, Teilnahme an der Rother baumfest, Treffen zur Kirch- Stadtrat und SL-Mitglied Heinz Bieberle, Schriftführer Georg Streb, Vermögens- Kirchweih, Adventsfeier und verwalterin Hannelore Heller, Ralph Edelhäußer MdB, Ortsobmann Dieter Heller Teilnahme an der Kreishauptweih und Adventsfeier. Bild: Erika Heller versammlung. Besonders erfolgreich sei und sein Stellvertreter Norbert Schindler. eine Veranstaltung im NovemAußerdem wies Obmann ber beim Erzählcafé der Stadt red Blasig berichtete, daß im Jahr die Kochkreiskasse wurde ge- Heller auf die überregionalen Roth mit Roth ist bunt in den 2023 elf Mitglieder einen runden prüft und für einwandfrei erklärt. Veranstaltungen hin wie LandesRatsstuben über in Bayern erfaß- Geburtstag über 70 Jahre gefei- Der Vorstand wurde nach Aus- frauentagung in Regensburg, Sete Denkmale gewesen. Eine Aus- ert hätten. Das Ehepaar Blasig, sprache über die Berichte ein- minar „Wurzeln in Böhmen“ des stellung über gerettete Denkma- Hannelore Heller und Brigitte stimmig entlastet. SL-Bundesverbandes auf dem le in der Tschechischen Republik Streb hätten die Jubilare besucht. Norbert Schindler dankte Al- Heiligenhof für die Kinder- und habe die Veranstaltung abgerun- Dann berichtete Hannelore Hel- fred Blasig, daß er trotz gesund- Enkelgeneration, 75-Jahr-Feidet. Das Vogelbeerbaumfest ha- ler über die Pressearbeit. heitlicher Probleme weiterma- er der SL-Landesgruppe Bayern, be im Schützenhaus geendet. Der Kochkreis, so Dieter Hel- che. In einer von Blasig ange- Sudetendeutscher Tag in AugsFrank und Erika Grasser hätten ler, lebe nach wie vor ohne Kü- regten Diskussion neigten die burg, Brünnfahrt der SL-Landesfür die Bewirtung gesorgt. Außer che weiter und treffe sich monat- Landsleute dazu, weiterhin den gruppe Bayern. Heller bat auch den Mitgliedern seien auch an- lich zum Essen in einer Gastwirt- Kranz zu Allerheiligen an der Ge- hier um rege Teilnahme. dere Gäste gekommen. schaft. Einmal hätten die Strebs denktafel zur Vertreibung an der Am Ende dankte Norbert Die Ortsgruppe habe ein neu- zu einem Grillabend eingeladen. katholische Kirche niederzule- Schindler Hannelore und Dieter es Mitglied und vier Sterbe- Heuer treffe sich der Kochkreis gen, damit das Schicksal der Ver- Heller und wünschte den Landsfälle zu verzeichnen. Schließ- zum ersten Mal im Gasthof Aero- treibung nicht in Vergessenheit leuten alles Gute und daß es weilich dankte Heller dem plio-Zeppelin. gerät. tergehe.

Ende Januar fand die Jahreshauptversammlung der mittelfränkischen SL-Ortsgruppe Roth im Gasthof Waldblick statt.

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Egerländer Heimatchor in Bubenreuth/Mittelfranken

Neuer Leiter Im Rahmen seiner jüngsten Hauptversammlung zeichnete der Egerländer Heimatchor in der mittelfränkischen Musikinstrumentenbauerstadt Bubenreuth zahlreiche Mitglieder aus

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ter der Fachrichtung Klassik mit Auszeichnung ab. Seit einiger Zeit lebt der 28jährige in Frauenaurach und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der neuen Technischen Universität Nürnberg mit dem Ziel, dort seinen Doktor zu machen. Der Egerländer Heimatchor, so Maria Hauke, habe 25 aktive Sänger und 34 Fördermitglieder. Zwei neue Sängerinnen seien 2023 nach einer Schnupperchorprobe gewonnen worden. Der gemischte Chor sei vergangenes Jahr zwölf Mal aufgetreten, großen Anklang habe eine musikalische Weinprobe gefunden, die man heuer wiederholen wolle. Um eine qualifizierte Chorleitung auch in Zukunft finanzieren zu können, beschloß die Versammlung einstimmig eine Beitragserhöhung. In Zukunft soll der Chor auch in den sozialen Netzwerken präsent sein. Bei der Neuwahl wurde Maria Hauke als Vorsitzende bestätigt. Ihr Stellvertreter ist Hans Eger, Schriftführerin Barbara Linhardt, Kassier Stefan Junger und Kassenprüfer sind Jesko Söllner und Gudrun Müller. Heinz Reiß

ine lange Liste von Tagesordnungspunkten hatte die Hauptversammlung des Egerländer Heimatchores. Die scheidende Chorleiterin Petra Protze wurde für ihre außerordentlichen Verdienste zum Ehrenmitglied ernannt. Ferner wurden vom Fränkischen Sängerbund für langjähriges aktives Singen Barbara Linhardt für zehn, Ilona Schmidt für 25, Elke Langhammer für 40 sowie mit der Ehrennadel Petra Protze für 50 und Evelyn Arand für 65 Jahre geehrt. Mit Johannes Hahn stellte Chorvorsitzende Maria Hauke den neuen Dirigenten des traditionellen Heimatchores vor. Hahn kam in der Nähe von Donauwörth zur Welt, besuchte in Dillingen ein musisches Gymnasium und lernte dort das Spielen von mehreren Instrumenten, vor allem aber das Chorsingen. Nach der Schule entschied sich Hahn für Mathematik, wobei er aber seinen wichtigen Gegenpol, die Musik, beibehielt. Nach dem Bachelorund Master-Studium der Mathematik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ging Hahn für ein Jahr nach Plattling an eine Berufsfachschule für Musik und Der neue Chorleiter Johannes Hahn, Heimatchorvorschloß diese als sitzende Maria Hauke und das neue Ehrenmitglied, Staatlich geprüf- die scheidende Chorleiterin Petra Protze. Bild: Heinz Reiß ter Ensemblelei-


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HEIMAT UND HANDWERK

Heinz Reiß besucht die Werkstatt des weltbekannten Kolophonium-Herstellers Walter Geipel im mittelfränkischen Bubenreuth.

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Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2. 2. 2024

Gleitet der Bogen beim Anspielen ganz leicht und erzeugt gar keinen Ton oder nur einen leisen, dünnen Ton, dann haben die Bogenhaare noch nicht genügend Kolophonium. Wenn der Bogen aber sehr kratzt, dann hat er eventuell schon zu viel Kolophonium abbekommen. Oder man kratzt mit dem Daumennagel quer über die Bogenhaare. Bleibt Kolophoniumstaub hängen, dann ist genügend Kolophonium auf den Haaren vorhanden. Wie säubert man sein Instrument vom Kolophonium? Walter Glaßl: Nach jedem Spiel sollte man daher die Saiten und auch den Korpus sowie die Bogenstange mit einem weichen Tuch abwischen. Dafür benutzt man idealerweise zwei Tücher, eins für die Saiten und eins für den empfindlichen Lack. Wenn sich Kolophoniumstaub an den Saiten festsetzt, kann das die Ansprache des Instruments beeinträchtigen. Dann kann man die Saiten vorsichtig mit etwas Alkohol oder speziellen Saitenreinigern säubern. Dabei darf nichts von der Flüssigkeit auf den empfindlichen Lack tropfen. Ist Kolophonium gesundheitsschädlich? Walter Glaßl: Kolophoniumstaub kann die Nasenschleimhäute reizen. Manche Menschen zeigen allergische Reaktionen darauf. Wir haben in unserem Portfolio ein antiallergisches Kolophonium, es staubt daher beim Auftragen und Spielen besonders wenig. Um weitere Allergien zu vermeiden, werden unsere Kolophoniumstücke auf ein Tuch oder einen Halter geklebt, damit die Finger nicht direkt damit in Berührung kommen.

m Saiteninstrumentenbau gibt es viele Geheimnisse. Um die Geigen des berühmtesten Geigenbauers Antonio Stradivari ranken sich ganze Legenden. Die einen behaupten, es liege am Holz, welches Stradivari persönlich in den Südtiroler Bergen bei Mondlicht durch Klopfen an den Stämmen ausgesucht habe, andere Forscher behaupten, Stradivaris Lack erzeuge den hervorragenden Klang. Und Simone Fernando Sacconi, einer der bekanntesten Stradivari-Kenner, weißt in seinem Buch „I ‚segreti‘ di Stradivari“ darauf hin, daß Die Eingangsprüfung seines Rohmaterials Pinienharz aus Indonesien nimmt Geschäftsführer Walter Glaßl ebenso persönlich vor wie die Endkontrolle mit Bilder (6): Heinz Reiß Stradivari seine lackierten Gei- dem Einkolophonieren eines Streichbogens. gen im Schlafzimmer zum Trocknen aufgehängt habe. Einig sind sich die Musi- � Kirchberg im Egerland und Bubenreuth in Franken ker und Solisten aber auch, daß sich in der filigranen Kunst des Streichbogenbaues so einige Geheimnisse verbergen. Auch hier spielen das Holz, meist Fernambuk, Pferdehaar und Perlmutt eine wichtige Rolle. Was aber in der vielfältigen Literatur wenig Beachtung findet und in dessen Herstellung sich auch Geheimnisse verbergen, ist das für das größerung der Kapazität. Seit Ja„Bäume“, so beginnt Glaßl, unhörbar über die Saiten strei- entscheidend ist auch die Wahl Saiteninstrumentenspiel benö- nuar 1995 führt Walter Glaßl die „produzieren zu ihrem Schutz chen. Die natürlichen Schweif- der aufgezogenen Saiten. Hier tigte Kolophonium. Ohne Baum- Firma allein, er ist der Enkel des ein Harz, welches bei Verletzun- haare von Hengsten werden zwi- kann man nur empfehlen, durch harz, das Gold gen der Rinde schen Frosch und Spitze der Bo- Testen der verschiedenen Kodes Waldes, diese Wun- genstange fixiert und durch ein lophonen seinen ganz persönligibt auch die den wieder Schräubchen, das Beinchen, ge- chen Favoriten auszuwählen. Zur spannt. Die Haare sind aber in Auswahl stehen im Hause Geiteuerste Straverschließt. divari keinen Dieses Baum- ihrer Oberfläche so glatt, daß sie pel unterschiedliche Qualitäten guten Ton harz ist un- keinen sauberen Ton erzeugen für Geige bis hin zum Kontrabaß. von sich. Das ser Grund- können. Um die nötige Reibung Die einzelnen Qualitäten des KoBogenharz, produkt, wir zu erzeugen, wird das Kolopho- lophoniums sind bei Geipel in besser bebeziehen es nium auf die Haare der Bogen- verschiedenen Härtegraden, in kannt als Kovon Pinien stange vom Frosch bis zur Spitze heller oder dunkler Ausführung lophonium, aus Indone- aufgetragen. Dabei stellen sich erhältlich. Wann verlangt der Streichbosorgt für eine sien. Haupt- die Schuppen auf und werden Daß Kolophonium aus dem durch das Harz fixiert. Jedes ein- gen nach Kolophonium? ausreichend bestandteiWalter Glaßl: Dies ist abhän- kleinen Bubenreuther Familienstarke Hafle von Baum- zelne Haar ist jetzt deutlich rauer tung der Boharz sind als vorher und erzeugt entspre- gig von der Häufigkeit und Dau- betrieb Geipel weltweit für einen er des Spielens sowie von der In- guten Ton sorgt, dafür spricht ein chend Reibung. genhaare auf Terpentin Welches Kolophonider Saite des und KoloInstruments. phonium. Das um paßt zu welchem InstruEs muß regelwie Bernstein ment? Walter Glaßl: Ein Konmäßig aufgeschimmerntragen werde Harz be- trabaß hat stärkere Saiden, damit ziehen wir in ten als ein Cello oder gar das InstruFässern zu als eine Geige. Aus diesem ment sein volles Klangspektrum Firmengründers, und zusam- je 250 Kilogramm. Im Lieferzu- Grund gibt es auch unterschiedliches Kolophonium. entfalten kann. Daß Kolophoni- men mit seiner Frau Eva und der stand ist es steinhart.“ Je länger die Saite, um so um nicht gleich Kolophonium Tochter Juliane stellt die Firma größer ist die erforderliche ist und für die einzelnen Saiten- Walter Geipel in dritter GeneraWelche Aufgabe hat Kolopho- Haftkraft, um die Saite zum instrumente es die verschieden- tion Kolophonium für StreichinSchwingen zu bringen, um sten Ausführungen gibt, dafür strumente her. Den mittlerwei- nium? Walter Glaßl: Das mit Zusät- so weicher sollte das Kolohat die Spezialfirma Geipel auch le weltbekannten Namen Walter ihre Geheimnisse. Geipel hat man als Firmenna- zen veredelte mehr oder weniger phonium sein. Anders geWir haben in dem fränkischen men beibehalten. Stolz ist man klebrige Harzprodukt dient da- sagt eignet sich daher für Zentrum des Saiteninstrumen- im Hause Geipel auf die ausge- zu, die Haare des Streichbogens Violinsaiten ein eher hartes tenbaues, der Geigenbauerge- zeichnete Qualität der Produkte, griffig zu machen, daß sie die Sai- Kolophonium mit geringer meinde Bubenreuth, die weltbe- was Professoren und Dozenten ten eines Streichinstruments in Haftkraft. Nicht nur das Inkannte Firma Walter Geipel be- musikalischer Hochschulen und Bewegung bringen können, wo- strument, auch der Saitensucht und dem Inhaber Walter Solisten namhafter Orchester in durch überhaupt erst ein Ton typ hat Einfluß auf die Wahl Glaßl über die Schulter geblickt. vielen Schreiben immer wieder entsteht. Das Kolophonium be- des Kolophoniums. Für wirkt, daß die Saite für einen Mo- Stahlsaiten eignet sich här- Zum Schluß werden die Kolophoniumstücke mit Mikrofasertüchern in rechteckiVor 115 Jahren gründete Walter bestätigen. Geipel in Kirchberg, im böhmiWenn man Walter Glaßl auf ment am Bogen klebt und mitge- teres Kolophonium, mittel- ge oder runde Döschen verpackt. schen Musikwinkel nahe der Gei- sein Kolophonium anspricht, so zogen wird. Wird die Spannung hartes Kolophonium empgenbauerstadt Schönbach, seine spürt man sofort, daß er nicht zu groß, löst sich die Saite und fiehlt sich für Kunststoffsaiten, tensität des Bogenstriches. All- prall gefüllter DIN-A4-LeitzordFirma zur Herstellung von Kolo- nur mit Herz und Seele an seinen schwingt zurück. Dieser als Stick- während Darmsaiten gut bei der gemein läßt sich sagen, daß man ner mit Dankschreiben aus der phonium für Streichinstrumente. Produkten hängt, sondern auch Slip-Effekt bezeichnete Vorgang Verwendung eines weichen Ko- lieber etwas mehr als zu wenig ganzen Welt, welchen uns GeKolophonium auftragen sollte. schäftsführer Walter Glaßl sehr Die hervorragende Qualität sei- ein exzellentes Fachwissen be- wiederholt sich, was auch einen lophoniums ansprechen. Hier beginnt auch ein Ge- Denn wenn der Bogen nicht ge- stolz präsentierte. So schreibt der ner Erzeugnisse garantierte bald sitzt. Wir baten ihn, uns doch et- langanhaltenden Ton erzeugen deren weltweite Verbreitung und was über das Gold des Waldes zu kann. Ohne Kolophonium wür- heimnis unserer Firma. Um für nügend einkolophoniert ist, fehlt französische Cellist Walter Grimden die Haare des Bogens fast die einzelnen Saiteninstrumen- die notwendige Reibung, und mer: „Ich hatte vor einem großen den Erfolg des Betriebes. Nach erzählen. te das richtige Kolopho- der Musiker spielt mit erhöh- Konzert mein Kolophonium verdem Zweiten Weltkrieg nium herzustellen, mi- tem Druckeinsatz, um dies aus- gessen, eine Kollegin lieh mir ihr und der Vertreibung ins schen wir bestimmte Zu- zugleichen. Ein „Zuviel des Gu- Golden Basic Rosin. Ich bin beniederbayerische Pfarrtaten und diese auch in ten“ ist aber auch die falsche geistert, verwende kein anderes kirchen wurde die Firunterschiedlichen Men- Wahl. Deutlich zu viel Kolopho- mehr.“ Der Geiger Sascha Kelma 1953 nach Bubengen bei. Diese Rezep- nium auf dem Bogen kann unan- lermann ist des Lobes voll über reuth verlegt. Am neuturen verrate ich aber genehme Nebengeräusche wie die sofortige Ansprache der Saien Standort begann Rauschen zur Folge haben. Als ten und das bis in die höchsten nicht. man neben der KoloAuf eines muß der Faustregel schlage ich vor, sechs Lagen. Der aus Baden-Württemphonium-Produktion Musiker achten. Kolo- bis sieben Bogenstriche über die berg stammende Geiger Siegauch Deckenschoner für phonium trocknet mit gesamte Länge bei einem bereits fried Schmollinger hat alles, was Elektro-, Western- und der Zeit aus und wird vorkolophonierten Bogen, neue es auf dem Markt gibt, getestet Wandergitarren zu prounbrauchbar. Trocke- oder neu behaarte Bögen benöti- und kam zur Erkenntnis, Golden duzieren. Die Fertigung nes Kolophonium staubt gen in der Einspielphase ein paar basic aus dem Hause Geipel ist von auch Picks genanndas Beste. Besonders angetan ist sehr stark und verliert Bogenstriche mehr. ten Spielplättchen, FinWie trägt man Kolophonium eine Allergikerin von dem spezidie Haftkraft und dager- und Daumenringen ell dafür hergestellten Kolophodurch seine positiven auf? für Gitarre ergänzte die Walter Glaßl: Zum Auftragen niums. Alle Rötungen auf ihrer Eigenschaften. Produktpalette. Welches Kolophoni- des Kolophoniums spannt man Haut seien verschwunden, sie haIm Jahre 1960 ging den Bogen und streicht das Kolo- be keinerlei Beschwerden mehr. um ist das richtige? die Geschäftsleitung Für diese Berichte ist WalWalter Glaßl: Jeder phoniumstück ruhig und gleichauf den SchwiegerMusiker hat sein eige- mäßig über die gesamte Länge ter Glaßl dankbar. Für Werbung sohn, Ferdinand Glaßl nes Klangempfinden. des Bogens hin und her. Um fest- muß er kein Geld ausgeben. Der und dessen Sohn Walter über. Ihr dynamisches Der Stammbaum der Geipels reicht bis in das 16. Jahr- Ein Violinbogen und Stück eines Der eine will einen kräf- zustellen, ob der Geigenbogen Name Walter Geipel ist in der Temperament führte hundert zurück. Die einzelnen Attribute des Wappens Stammes des Baumes Paubrasilia tigen, lautstarken Ton, ausreichend kolophoniert ist, Branche weltbekannt. Und wie 1965 zu einem Erweite- weisen darauf hin, daß Müller, Richter und Ritter zur echinata, dessen Holz man Fernam- der andere einen fei- gibt es eine akustische und eine bei Stradivari wird seine Mixtur bukholz nennt. auch sein Geheimnis bleiben. nen, weichen Ton. Mit- optische Prüfung: rungsbau und der Ver- Familie gehörten.

Das Gold des Waldes läßt Streichinstrumente klingen

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HEIMAT

Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2. 2. 2024

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Königswalde/Böhmisches Niederland

Die Auferstehung eines Kreuzweges Soldaten von Königswalde wur- zwei Jahre zuvor als unbewegli- Körbchen Tomaten aus seinem chern die restaurierte Gefängnisde das Gefallenendenkmal in das ches Gut unter Denkmalschutz Pfarrgarten. Wieder begleite- Kapelle. Im August 2020 erlebten Areal des Kreuzweges integriert. gestellt worden sei und nun Geld te Patrik Engler mit seinem EnIn den Jahren nach dem Zwei- für die weitere Restaurierung semble die Feier musikalisch. wir das zweite Kreuzbergwunten Weltkrieg und der Vertrei- beantragt werden könne. Die Mich ergriff es abermals sehr, der: Man hatte die Statue „Jesus in Ketten“ gefunden. Am Anbung fiel der Kreuzberg Vanfang des Kreuzweges stand wiedalen zum Opfer. Der damalige der ein Trog, den Quellwasser Pfarrer Albert Eyting brachte vorspeist, gleich daneben eine Bank ausschauend die hölzernen Rezum Verweilen und mit Sicht auf liefs aus den einzelnen Statiodas Niederdorf von Königswalnen in sichere Verwahrung. Nach de, Schluckenau und die umlieDiebstahlversuchen 2003 wurgenden Berge. Auf dem Weg zur den alle Säulen und Sockel zerGrabeskapelle hörte man schon legt und von der Stadt Schlukaus der Ferne Flötenklänge. Unkenau außerhalb des Areals gefarrer Wenzel Karl schrieb in gewöhnlich, dachte ich, aber so lagert, ebenso die Überreste der der Königswalder Kirchenschön und passend! Der sechsStatuen aus dem Ölgarten. chronik: „Als ich am 9. Mai 1855, jährige Joachim Pánek aus NixAm 13. September 2009, nach dem Fest Christi Himmelfahrt, dorf flötete das tschechische Lied mehr als 60 Jahren, wurde wieder von meiner bisherigen Pfar„Göttliche Freude ist wie ein ein Gottesdienst auf dem Königsrei Fugau in einer Prozession Fluß“. walder Kreuzberg gefeiert. Zuvor zu meiner neuen Pfarrstelle KöDie neue Kapelle des Grabes mußten die Freiflächen und die nigswalde geleitet wurde, empChristi erstrahlte schon von weizugewuchterten Wege wieder fing mich die Königswalder Getem mit ihrem hellbeigen Außenfreigelegt werden. Die XII. Stameinde auf der Anhöhe des jetputz und dem verzinkten Türmtion des Kreuzweges wurde rezigen Kreuzberges. Damals hatte chen durch den Buchenwald. stauriert. Dies konnte dank der ich schon das sehnliche VerlanDie Fenster sowie die EingangsInitiatoren Milan Kořínek, dagen in mir, hier einen Kreuzweg tür sind halbrund, die Giebel mit maliger Schluckenauer Bürgeranlegen zu lassen. Von dieser hoStuckwerk verziert und das Dach meister, und Erzdekan Pavel Prohen Stunde an, datiert die Entstemit Schiefer gedeckt. Der Innencházka, Pfarrer in Schluckenau, hung des Kreuzweges in Königsraum ist weiß gestrichen, die Sokmit Unterstützung der hollän- Die Grabeskapelle walde.“ Als er im November 1858 kel und der Fußboden mit Terdischen Firma Regenboog und in einer Predigt seinen Wunsch der Nördlichen Baugesellschaft/ Stadt beabsichtige den gesamten als das Musikensemble „Gro- racotta gefliest. Gegenüber der erwähnte, fielen seine Worte auf Severní stavební společnost be- Kreuzweg zu rekonstruieren. Zu- ßer Gott wir loben Dich“ auf dem Eingangstür unter dem Türmfruchtbaren Boden. werkstelligt werden. nächst sollten die einzelnen Sta- Kreuzberg erklingen ließ. Dann chen auf dem Dach liegt die FiDie folgende SpendenDen Denkanstoß hat- tionen, deren Granitsockel noch kehrte auf dem Kreuzberg wie- gur des Leichnams Christi. sammlung in KönigsDiese Figur hatte man im Septe der in Königswalde gut erhalten seien, mit Kopien der Ruhe ein, nur das Klirren walde und Umgebung geborene Pfarrer Karl der originalen Holzreliefs wie- der Maurerkellen an der Geiße- tember 2019 unter den Trümwar erfolgreich. mern der alten Kapelle gefunKindermann gegeben. derhergerichtet werden. lungskapelle war zu hören. Die kinderlosen BeRechtzeitig zum Der Zahn der Zeit nagte an Beim Heimattreffen im Au- den. Nun lag sie kunstvoll resitzer der Bauernwirt150jährigen Jubilä- den Holzreliefs im Depot, Fäul- gust 2019 wurde die Gefängnis- stauriert wieder auf ihrem Platz schaft Haus Nr. 224, um der Weihe war das nis und Holzwürmer hinterließen Kapelle auf dem Kreuzberg ge- in der neuen Kapelle. Ein WunTheresia und Josef JeProjekt fertig. Zum Ju- Spuren. Die Stadt wollte die Re- weiht. Sie steht links vom Kreuz- der! Auf den Podesten beidseitig nich, schenkten das biläumsgottesdienst liefs aufwendig restaurieren las- weg unter der ersten Station und der Christusfigur standen zwei Grundstück am Buchauf dem Gipfel trafen sen. Das Anbringen der origina- ist mit ihrem gelben Anstrich wie Vasen mit Blattgrün. Der Lichtberg. Im Schenkungssich rund 120 Tsche- len Reliefs an den renovierten einst schon von weitem zu sehen. einfall durch das Türmchen setzvertrag wurde die freie chen und Deutsche. Steinsockeln war wegen Vanda- Besonders gelungen ist die Kom- te alles wunderbar in Szene. Zufahrt zum Kreuzberg Erzdechant Pavel Procházka Den Gottesdienst zele- lismus und Diebstahl zu riskant. bination des gelben Rauhputfestgeschrieben, ebenbrierten Erzdekan Pa- Deshalb plante die Stadt, Kopi- zes mit dem weißen Feinputz der und Monsignore Karel Havelso die Wasserversorvel Procházka, Pfar- en anfertigen zu lassen. Da es für Außenfassaden. Grauer Schie- ka segneten die Kapelle. Michal gung durch die angrenrer Karl Kindermann Kopien keine Fördermittel gab, fer bedeckt das Dach, und ei- Bušek erläuterte die Bauabzenden Wassergräben. und der Leitmeritzer rief die Stadt eine tschechisch- ne Dachrinne aus Zink sorgt für schnitte bis zur Fertigstellung Theresia Jenich unterGeneralvikar Stanis- deutsche Patenschaftsaktion ins den Abfluß des Regenwassers. der Kapelle und versicherte, daß zeichnete diesen Ver- Ortsbetreuerin Bärbel Henß und ihr Mann Herbert vor ei- lav Přibyl CSsR. Der Leben. Die Produktion eider Kreuzweg auch zutrag mit drei Kreuzen, ner Kreuzwegstation. künftig gepflegt gehalten Redemptoristenpater ner Kopie kostete umgeda sie nicht schreiben werde. Přibyl wird übrigens am rechnet 930 Euro. Innerkonnte, und übernahm lebens- Kooperator Pater Josef Riedel. Helga Hošková dol2. März zum Bischof der Diöze- halb eines Jahres hatten lang die Pflege der Grünanlage metschte. Unter den EhIm Herbst wurde der Kreuz- ses Leitmeritz geweiht. Bürger- wir das Geld für die 14 des Kreuzberges. rengästen waren Bürgerweg vollendet. Am 25. Septem- meister Kořínek hielt damals die Reliefs zusammen, je zur Im Mai 1859 begannen die ber 1859 weihten der Schlucke- Festrede. Böhmische Musikan- Hälfte aus der Tschechimeisterin Eva Džumanová Erdarbeiten und die Errichtung nauer Kaplan Arsenius Gam- ten aus dem Schluckenauer Zip- schen Republik und aus und Martin Chroust, Leides Kreuzweges. Fast täglich ka- pe, der Kooperator Josef Riedel fel begleiteten den zweisprachi- Deutschland. Das war für ter der Abteilung für Entmen 30 bis 50 freiwillige Hel- und der Guardian des Rumbur- gen Gottesdienst. Dieser Tag war mich ein Wunder. wicklung und Umwelt der fer. Die Steine aus heimatlichem ger Kapuzinerklosters, Pater An- kühl und trübe, aber in unseren Stadt. Chroust sagte, die Beim Heimattreffen im Granit wurden aus dem benach- gelus Michel, den Kreuzweg. Herzen schien die Sonne. Stufen des Gartens GethAugust 2018 nahmen wir barten Taubenberg gebrochen. semane seien bereits freiWenzel Karl konnte aus gesundDies war der erste Schritt zur an der Weihe der renoDas Ehepaar Jenich bezahlte heitlichen Gründen nicht an der Auferstehung des Königswalder vierten Kreuzwegstatiogelegt worden, dort würauch die I. und XIII. Kreuzweg- Feier teilnehmen. Erst ein Jahr Kreuzweges, der zweite Schritt nen teil. Der Anblick des den bald wieder die schlastation, die II. Ferdinand Kinder- später besuchte er unter großen folgte sieben Jahre später. Im No- bergaufführenden Kreuzfenden Jünger stehen. mann aus Haus Nr. 117, die III. Schmerzen den Kreuzweg. Im August 2022 erwarvember 2016 segnete Erzdechant weges mit den restaurierJosef Langer aus Haus Nr. 92. Die tete die Landsleute eiSeitdem pilgerten jedes Jahr Pavel Procházka die renovier- ten Stationen unter den IV. und XI. Station finanzierten Gläubige aus nah und fern auf te Kapelle der Geißelung Chri- hohen Bäumen war überne große Überraschung. die Schwestern Anna und Bar- den Kreuzberg zum Gebet, zur sti. Patrik Engler, Direktor der wältigend. Die steinerNach 33 Jahren waren die bara Kumpf, geboren in Königs- Rast und zum Innehalten. Das Schluckenauer Musikschule, be- nen Stationen standen alle Sandsteinstatuen der Apowalde, wohnhaft in Schluckenau Kreuzbergfest wurde jährlich gleitete mit seinen Mannen die frisch gereinigt auf ihren stel Johannes, Petrus und Nr. 111. Die beiden Schwestern um den 14. September gefeiert. Feier. Michael Bušek, Stadtre- Plätzen, die von Sicher- Der leidende Christus und Miroslava Martincová. Jakobus sowie die Skulphatten zuvor bereits der Kirche In den folgenden Jahren wurde ferent für Entwicklung und Um- heitsglas geschützten Relitur von Jesus Christus mit eine Glocke gespendet. Johann der Kreuzweg um die Grotte der welt, hatte das Projekt geplant efkopien in den Nischen und mit Die Rückwand ist halbrund. In einem Engel auf ihre Plätze im Richter sammelte Geld in den Auspeitschung Christi, die Grot- und umgesetzt. Er erläuterte die einer Blume dezent geschmückt. den weißen Fensternischen sind hergerichteten Garten Gethseumliegenden Gemeinden für die te des heiligen Petrus und die umfassende Renovierung der Auf den Metallplaketten an den braune runde Fenster, die Ein- mane zurückgekehrt. Der SteinV. Station. Die VI. finanzierte die Grotte der heiligen Maria Mag- Kapelle. Sie habe 348 000 Kronen Steinsockeln stehen die Namen gangstür ist ebenfalls braun. Ein metz Radomil Šolc aus Dauba Bauernfamilie Hentschel, Haus dalena, die der Großschönauer gekostet, 200 000 habe das Kul- der Spender. schmiedeeisernes Gitter schützt hatte sie 2021 restauriert. Nr. 79, die VII. der Bauer Josef Bildhauer Rudolf Otto geschaf- turministerium bezahlt. Monsignore Karel HavelBürgermeisterin Eva Džuma- vor Vandalen. Der Innenraum ist Mautsch, Haus Nr. 193, die VIII. fen hatte, erweitert. Es entstand Bušek berichtete, daß der Kö- nová dankte den Spendern. glatt verputzt und weiß gestri- ka segnete den Garten Gethsedie Witwe Magdalena Mautsch, noch ein Brunnen, gespeist mit nigswalder Kreuzweg bereits Michal Bušek dankte ebenfalls. chen. Die blau-beigen Fußbo- mane. Michal Bušek war diese die IX. das Ehepaar Magdalena Wasser des benachEr versicherte, daß er denfliesen sind noch im Original Überraschung gelungen. Auch und Josef Müller, Gärtner aus barten Grundstückes Martin Chroust hielt eine Übersich auch weiter um erhalten. dem Haus Nr. 260. Helene Ra- von Josef Vogel. Fördergelder für die Michal Bušek präsentierte der raschung bereit. Sieben Studenfelt, Haus Nr. 259, und Apollo1885 verzierte der noch erforderliche Besucherschar sein gelungenes ten der Akademie der Bildenden nia Rudolf, Haus Nr. 128, bezahl- Maler Conrad BirnRenovierung bemü- Restaurierungsprojekt und er- Künste in Prag stellten unter der läuterte Schritte der Planungs- Leitung von Jan Kracík ihre Entten gemeinsam die X. Station. baum aus Georgenhen werde. Die Kosten der XII. teilten sich thal die Reliefs des Erzdechant Pa- und Bauphasen. Die Kapelle ha- würfe der Christusstatuen vor, das kinderlose Ehepaar Barba- Kreuzweges neu. Zur vel Procházka, Pfar- be 372 000 Kronen gekostet, das die sie für die Geißelungskapelra und Anton Lißner, der Häus- Erhaltung und Pflerer Jozef Kujan aus Kulturministerium habe davon le entworfen hatten. Von der urler Zacharias Hesse, das Gärt- ge des Kreuzberges Rumburg und Jür- 240 000 Kronen bezahlt. Er be- sprünglichen Holzstatue der Kanerpaar Wünsche, die Familie gründeten die Gläugen Richter weihten dauere, daß die Statue „Jesus in pelle existiert lediglich ein Foto. Richter und Eleonara Langhans. bigen einen KreuzDie Besucher des Kreuzberges die Stationen. Sie zo- Ketten“, die einst in der Nische Zu dem Altar aus Syenit in der bergfonds. In diegen von Station zu der Kapelle gestanden sei, trotz konnten nun vor Ort abstimmen, XII. Station, der Kalvarienkapel- sen Fonds wurde fleiStation und spra- seiner Bemühungen nicht wie- welcher Vorschlag umgesetzt le mit den Skulpturen des ge- ßig gespendet, auch chen die Segenswor- deraufgetaucht sei. Nun plant und beim nächsten Treffen in der kreuzigten Christus, seiner Mut- Geldvermächtnisse te abwechselnd, ein Bušek, anhand des in der Nische Kapelle platziert wird. Im August ter Maria, dem Apostel Johannes flossen hier ein, und jeder in seiner Mut- aufgehängten Fotos eine Kopie 2023 weihte Monsignore Havelund Maria Magdalena, führte ein so blieb die Blüte des tersprache. Procház- anfertigen zu lassen. Dafür sam- ka die neue Statue des leidenden Weg aus Quardersteinen. Kreuzberges erhalka segnete auch die melte er sogleich Spenden. Mon- Christus der Studentin Miroslava Die Kapelle des Grabes Chri- ten. Zum Gedenken Maurer, die an der signore Karel Havelka, Dekan Martincová ( SdZ 3/2024). Das des Domkapitels in Leitmeritz, war sicher nicht das letzte Wunsti finanzierte Anton Kimpfel. der im Ersten WeltGefängnis-KapelBestandteil des Kreuzweges war krieg umgekomme- Jesus und ein Engel im Garten Gethsemane. le arbeiteten, und segnete im Beisein einer stattli- der auf dem Kreuzberg in KöBild: Nadira Hurnaus schenkte ihnen ein chen Anzahl von Kreuzbergbesu- nigswalde. auch der Ölgarten. Die dort auf- nen und vermißten

Anläßlich des Heimattreffens der Königswalder und der 175-Jahr-Feier der Königswalder Sankt-Laurentius-Kirche im August im Böhmischen Niederland segnete Monsignore Karel Havelka, Dekan des Domkapitels in Leitmeritz, Stationen des Kreuzwegs auf dem Kreuzberg in Königswalde ( SdZ 3/2024). Ortsbetreuerin Bärbel Henß schildert die wechselvolle Geschichte dieses Kreuzweges von seiner Entstehung bis heute.

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gestellten Statuen zeigten Christus, Engel und drei schlafende Apostel. Diese hatte der Bildhauer und Steinmetz Josef Salm aus Nieder Ehrenberg 1859 geschaffen. Mit großer Wahrscheinlichkeit schuf er auch den verstorbenen Christus und den Engel in der Kapelle des Grabes Christi. Von Spendengeldern wurde auch die Gefängniskapelle erbaut, in ihr fand die wertvolle Christusstatue aus der Hauskapelle des Bauern Josef Vogel seinen Platz. In den einzelnen Kreuzwegstationen befanden sich hölzerne Reliefs des Schluckenauer Schnitzers Josef Mai. Das Relief „Letztes Abendmal“ am Fuße des Kreuzweges stammte ebenfalls von ihm. Mai nahm auch Vergoldungen vor. Die Baukosten des Kreuzbergareals betrugen 3265 Gulden und 14 Kreuzer. Der Vater des Kreuzweges, Pfarrer Wenzel Karl, freute sich, daß die Arbeiten voranschritten, und begab sich zu einem Revisionsrundgang auf den Kreuzberg. Dort erlitt er bei schwülem Wetter einen Schwächeanfall, stürzte und wurde bettlägerig. Die Aufsicht über den Bau übernahm der


Reicenberger Zeitung

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Stadt und Kreis Reichenberg

Kreis Deutsch Gabel

Nordböhmi[e Um[au

Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de

Karte der Niederlausitz mit Senftenberg. Es war der 17. August 1946. Auf dem Bahnhof der südbrandenburgischen Stadt Senftenberg in der Niederlausitz waren zwei Waggons mit je 30 Menschen abgestellt worden. Unter ihnen befand sich meine Familie: Vater und Mutter, 39 und 37 Jahre alt, mein Bruder mit fünf und ich mit fast elf Jahren. Seit dem 30. Juli waren wir unterwegs.

M

it der Zustellung des Ausweisungsbefehles aus der ČSSR am 26. Juli 1946 begann unsere Vertreibung. Nach kurzem Aufenthalt im Sammellager unserer kleinen nordböhmischen Stadt Zwickau wurden wir mit zirka 300 Menschen aus unserer Stadt und der Umgebung mehrere Tage lang in Güterwaggons durch die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) bis in die Nähe von Berlin transportiert. Für mich unvergeßlich war die stundenlange Fahrt durch die Ruinen von Dresden. Die Verpflegung war sehr dürftig und Hunger unser ständige Begleiter; auch in den 14 Tagen im Quarantänelager in Treuenbrietzen bei Berlin. Dort wurde der Transport aufgeteilt. Der größte Teil der Menschen sollte nach Mecklenburg. Männer mit technischen Berufen, zu denen zählte mein Vater, und ihre Familien kamen nach Senftenberg. Bei der Fahrt dorthin wurden verschiedene Meinungen und Gerüchte laut. Jemand wollte erfahren haben, daß dort schon Arbeit und Wohnung für uns bereit stünden. Andere freuten sich, wieder näher zur Heimat zu kommen, dann hätten sie es nicht so weit, wenn wir wieder nach Hause dürften. Keiner konnte sich damals vorstellen, daß die Vertreibung von so vielen Menschen etwas Endgültiges sein konnte. Alle, die hier zusammen waren, hatten seit Kriegsende, also über ein Jahr lang, unter Repressalien der Tschechen in verschiedener Weise gelitten, ständig in der Angst, daß auch sie der Ausweisungsbefehl erreichen würde. Es war jedoch allen klar, daß es denen, die bereits 1945 zu Fuß unter unmenschlichen Bedingungen aus der Heimat in die SBZ vertrieben worden waren, noch viel schlechter erging. Auf dem Bahnhof in Senftenberg wurden alle optimistischen Erwartungen zunächst sehr gedämpft. Niemand wartete auf

Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2. 2. 2024

Kreis Friedland

Kreis Gablonz

Bahnhof in Senftenberg

Erinnerungen der Zwickauerin Waltraud Joist/Hanisch – Teil I

Leben nach dem Überleben uns. Da es zudem Sonntag war, dauerte es lange, bis man jemanden aus der Stadt erreichte, und der wußte dann erst einmal nicht, wo man uns unterbringen sollte. Schließlich erinnerte man sich an ein paar Baracken, in denen schon Schlesier wohnten. Dort sollte noch Platz sein. Es sei nicht sehr weit dorthin, man wies uns den Weg, und wir zogen los, während ein Teil der Männer das Gepäck auf einem Lastwagen begleiten sollte. Auf dem Weg kamen wir an einer Kirche vorbei, die innerhalb eines abgeschlossenen Geländes lag, auf dem noch zwei andere Gebäude standen. Das eiserne Tor stand einladend offen, die meisten gingen hinein und betraten auch die Kirche. Ein vertrautes Gefühl überkam uns, als wir das ewige Licht sahen und erkannten, daß wir eine katholische Kirche gefunden hatten. Das verstärkte sich noch, als der Pfarrer erschien, uns begrüßte und sich nach unserem Schicksal erkundigte. Ein Stück Heimat war mit uns gegangen, das konnte man uns nicht nehmen. An unserer nächsten Bleibe, einigen Baracken angekommen, wurde je zwei Familien, ein Raum zugewiesen. Es gab einfache Betten und Schränke, eine Gemeinschaftsküche und primitive sanitäre Anlagen. Bereits am 18. August mußten wir uns beim Wohnungsamt melden, am 19. bei Polizei, Arbeitsamt und Kartenstelle. Die Lebensmittelkarte bestand aus nummerierten Abschnitten, auf die es je nach Aufruf das eine oder andere zu kaufen gab. Die Organisation dieser Dinge klappte also schon recht gut. Am 3. September konnte mein Vater eine Arbeitsstelle antreten, die seinem Beruf entsprach. Am 28. September wurden wir in die Wohnung einer fünfköpfigen Familie eingewiesen. Natürlich waren wir nicht sehr willkommen, denn die Familie fühlte sich durch uns doch sehr eingeschränkt. Hinzu kam, daß es oft

abends sehr laut wurde, denn der Wohnungsinhaber trank gerne über den Durst und randalierte dann. Wie bedrückend diese Situation besonders für die Eltern war, konnte ich erst später richtig erfassen. Zu Hause hatten wir ein

Die Ernährungssituation war schlimm, da die Zuteilungen auf die Lebensmittelkarten völlig unzureichend waren. In der ersten Zeit konnten wir auf ein paar mitgebrachte Vorräte zurückgreifen. So gab es noch ein paar Kilogramm Weizenkörner von der Die katholische Sankt-Peter-und-Paul-Kirche in Senftenberg.

kleines Haus mit großem Garten für uns. Mein Vater hatte das Haus an- und ausgebaut. Es bot genügend Platz für alle Familienmitglieder, und es gab, was für diese Zeit eine Seltenheit war, ein Badezimmer und immer warmes Wasser aus der Leitung. Und nun diese Einschränkungen. So wenig wie möglich störten wir die Wirtsfamilie. Die kargen Mahlzeiten wurden im Zimmer auf einem Elektrokocher zubereitet.

vorjährigen Ernte aus der Heimat. Die wurden mühsam in der Kaffeemühle gemahlen und mit Wasser und Salz zur Schrotsuppe gekocht oder verbacken. Doch gab es leider keine biblische Körnervermehrung, und diese Quelle versiegte bald. In der Gegend, in die es uns verschlagen hatte, gab es keine Landwirtschaft, aber riesige Sandhalden vom Braunkohletagebau. Viele Menschen fuhren mit der Bahn kilometerweit in

Bauerndörfer, um zu hamstern. Das war zwar verboten, und manchmal nahm die Polizei den Leuten die mühsam erbettelten Sachen wieder ab. Einmal schloß sich meine Mutter mit meinem Bruder und mir einer solchen Hamsterfahrt an. Am Zielort, einem Bauerndorf, verteilten sich die Mitfahrenden und strebten zu den einzeln liegenden Höfen. Wie schwer muß es meiner Mutter gefallen sein, hier regelrecht zu betteln. Wir wurden gefragt, ob wir etwas zum Tauschen hätten. Doch da das nicht der Fall war, wurden wir meistens abgewiesen. Einer Bäuerin stachen die einfachen Ohrringe, die meine Mutter trug, in die Augen. Dafür gab sie uns ein paar Kilogramm Kartoffeln. So kamen wir wenigstens nicht mit leeren Taschen nach Hause. Meine Eltern hungerten sicher viel in dieser Zeit. Uns Kindern versuchten sie, das soweit wie möglich zu ersparen. Das war aber nicht immer möglich. Zeitweise gab es eine Schulspeisung, die eine humanitäre Organisation aus dem Ausland finanzierte. Der Gemeindepfarrer rief hin und wieder die Kinder zum Essen einer Gemüsesuppe zusammen, die er mit seiner Haushälterin im Waschkessel zubereitet hatte. Die Zutaten dazu waren ihm aus irgendwelchen Quellen gespendet worden. Meine Tante hatte es nach Thüringen verschlagen. Dort gab es große Felder, und man konnte sich durch Ährenlesen, Kartoffel- und Zuckerrübenstoppeln zusätzlich etwas Nahrung verschaffen. Sie teilte uns davon mit. Mein Vater und ich besuchten sie in den Ferien, und wir gingen mit auf die Felder. Beim Ährenlesen sucht man auf den abgeernteten Feldern liegengebliebene Ähren, beim Stoppeln hackt man die leeren Äcker nochmals durch, um vergessene Kartoffeln oder Rüben zu finden. Welch eine Köstlichkeit war der aus Zuckerrüben selbst gewonnene Sirup.

Eine andere Schwierigkeit war die Bekleidung. Es gab einfach nichts zu kaufen. Besonders bei heranwachsenden Kindern war der Schuhmangel ein Problem. Ich trug zwei Paar Schuhe meiner 1944 verstorbenen Großmutter bis sie mir absolut von den Füßen fielen und zu klein waren. Ein Onkel hatte mir noch daheim ein paar sehr schöne Schuhe aus Prag mitgebracht. Dort konnte man auch im Krieg immer noch etwas ohne Bezugsschein kaufen. Leider verschätzte er sich in der Größe, und sie paßten mir nie. Durch Mundpropaganda hörten wir von einem Schuhmacher im Nachbarort. Der nahm die Schuhe und schusterte mir dafür ein Paar in meiner Größe. Ich fühlte mich großartig, als ich endlich wieder passende Schuhe hatte. Meine Wiedereingliederung in die Schule in die fünfte Klasse verlief problemlos, obwohl ich ein ganzes Jahr seit Kriegsende nicht mehr zur Schule gegangen war. Interessant war die weitere Entwicklung dort. Nach einiger Zeit wurden die meist älteren Lehrer durch Junglehrer ersetzt, die vor allem politisch gut geschult waren und uns mit den Segnungen des Kommunismus vertraut machen sollten. So war das Fach Gegenwartskunde absolutes Hauptfach. Sie versuchten die Schüler zu motivieren, Mitglied der Jungen Pionieren zu werden. Diese waren eine Vorstufe der neu gegründeten kommunistischen Freien Deutschen Jugend (FDJ). Zunächst sagten die meisten Kinder, sie wollten nicht mitmachen. Ihre Eltern hätten gesagt, das sei doch wieder so ähnlich wie bei der Hitlerjugend. Doch so nach und nach kamen immer mehr dazu, nicht zuletzt wegen Freizeitangeboten und anderen Vergünstigungen. Einige wenige Kinder gingen zum Religionsunterricht in den Räumen der Kirche und zu den dort stattfindenden Kindergruppen. Im Winter brachte wegen der Kohlenknappheit jeder ein Brikett mit. In der Schule gab es als einzige Fremdsprache Russisch, das kaum jemand schätzte. Ab der siebten Klasse stiegen die Anforderungen steil an, besonders in Mathematik und den naturwissenschaftlichen Fächern. Nur wenige Kinder kamen noch mit. Fortsetzung folgt


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REICHENBERGER ZEITUNG

Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2. 2. 2024

Reichenberg

Äpfel aus dem All Besucher des Botanischen Gartens in Reichenberg können im Februar Äpfel kosten, die Astronauten einst ins All mitnahmen. Gleichzeitig erfahren sie alles über die Geschichte von 60 historischen und heute beliebten Apfelsorten. Petra Laurin berichtet.

von Schafen nehmen“, sagt Zima, ein erfahrener Züchter, der bei der Ausstellung Ratschläge für den Apfelanbau geben wird. Es ist das erste Mal, daß der Botanische Garten solch eine Ausstellung vorbereitet. Laut Zima wäre es besser, wenn sie in Zukunft im Herbst stattfinden

Apfel, den die NASA-Astronauten 2015 als Zusatznahrung in die Internationale Raumstation mitgenommen haben“, ergänzt Václav Lenk, seit einem Jahr Direktor des Botanischen Gartens. Die in Strieschowitz angebauten Opal-Äpfel hätten sich in Südeuropa, im südlichen Afrika

U

nsere neue Sonderausstellung findet vom 8. bis zum 18. Februar statt. Zum Begleitprogramm werden wir auch Kostproben anbieten“, sagt Pavlína Sacherová von der Abteilung Öffentlichkeits- und Medienarbeit des Botanischen Gartens/Botanická zahrada Liberec. Der Garten wolle damit der Öffentlichkeit die Bedeutung der modernen Apfelzucht näher bringen. „Unser Ziel ist, daß die neuen Sorten nicht so anspruchsvoll im Anbau sind, die Früchte sollen aber fester, süßer und saftiger als früher sein. Die Kunden erwarten Geschmack und eine Genußvielfalt“, erklärt Jan Zíma vom Institut für experimentelle Botanik der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. Die Wissenschaftler züchten die neuen Sorten von Apfelbäumen seit mehr als 60 Jahren in den Obstgärten in Strieschowitz, einem kleinem Ort in der Nähe des Schlosses Sichrow. „Äpfel, die uns Supermärkte anbieten wie Gala oder Jonagold, sind bis zu 40 Mal gespritzt, weil sie sehr empfindlich auf Schorfpilz und andere Pilzkrankheiten reagieren. Das erfordert aber einen hohen Arbeitsaufwand und Ressourceneinsatz. Wir züchten neue Sorten, die keinen aufwendigen chemischen Eingriff benötigen. Sie sind ge- Astronaut mit Apfel im All. gen Krankheiten resistent. Sie müssen höchstens ein ein- könnte, wenn die Ernte frisch ist. ziges Mal gegen Schädlingsbe- „Letztes Jahr war sie ziemlich mifall gespritzt werden“, betont Zi- serabel, ein großer Teil der Ernma. Der Experte für Apfelzucht te wurde von Würmern vertilgt“, warnt auch vor den Bemühungen bedauert er. Die Apfelsorten werder Biozüchter um die Rückkehr den in der Ausstellung optisch von alten einheimischen Sorten. attraktiv präsentiert, und zwei„Das ist ein totaler Unsinn. Da- mal täglich wird für die Besucher mals hatten die Leute keine an- eine kleine Verkostung von Äpdere Möglichkeit, es gab keine feln aus dem Institut für experiWahl von Sorten. Die Äpfel wa- mentelle Botanik vorbereitet. ren klein und bitter. Heute wür„Sie werden zum Beispiel die de man sie nur noch zum Füttern Sorte Opal ausprobieren, einen

Gewächshaus mit Fischteich.

AUFRUF

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skar Schönweitz/Pöpperls Großeltern Dionys und Wilhelmine Pöpperl hatten in der Rollgasse 16 in Reichenberg das Gasthaus Zum Egerland. Dort arbeiteten sein Vater Oskar Pöpperl (*30. April 1902) als Kellner und die Haushaltshilfe Herta Hüttmann. Leider sind durch die Kriegswirren Dokumente und Bilder verloren gegangen. Nun forscht Oskar Schönweitz/Pöpperl nach Nachkommen ehemaliger Nachbarn, welche eventuell Auskunft geben könnten. Wer kann ihm helfen? Seine Adresse: Karl-Link-Straße 15, 97475 Zeil am Main, eMail c.o.schoenweitz@t-online.de

und in Neuseeland gut durchgesetzt. In Chile, Argentinien und den Südstaaten der USA gehörten sie heute sogar zu den meistangebauten Sorten. „Die Kapazität der Kostproben ist begrenzt, daher sollte man sich im voraus Karten besorgen, zum Beispiel bei www. botanickaliberec.cz“, empfiehlt Sacherová. Der Botanische Garten arbeite intensiv an verschiedenen Sprachversionen der

Webseiten. „Sie werden hoffentlich im Laufe des Frühjahrs fertig sein auf Deutsch, Englisch und Polnisch“, verrät sie. Der Botanische Garten in Reichenberg ist die älteste wissenschaftliche Einrichtung dieser Art in der Tschechischen Republik. Er wurde bereits 1876 gegründet und 1895 an einen neuen Standort verlegt. Dort, in der Nähe des Zoologischen Gartens an der Purkyňova Straße, ist er bis heute. Seine frühe Entwicklung geht auf den Verein der Naturfreunde in Reichenberg zurück. Die Institution hat in ihren Sammlungen etwa 9000 Pflanzenarten, rund 7500 davon in neun Gewächshäusern, jedes mit seinem eigenen Mikroklima. Weitere 1500 wachsen im Freien. Zu den Besonderheiten gehören über 300 Jahre alte Bonsais, über 200 Jahre alte Kamelien, seltene Seerosen aus Frankreich und hochwertige Sorten von fleischfressenden Nepenthes aus dem viktorianischen England. „Dies sind Pflanzen, die hier von Generationen von Gärtnern gepflegt wurden, die in unserer Pflege Weltkriege, -Krisen und Regimewechsel überstanden haben. Keinem von unseren Mitarbeitern unterlief ein Fehler, deshalb können wir diese Pflanzen heute noch bewundern“, bemerkt Lenk. Der Botanische Garten hatte vergangenes Jahr die höchsten Besucherzahlen in den letzten 13 Jahren. Es kamen 69 807 Menschen, etwa zehn Prozent mehr als 2022. In diesem Sommer wird das Depotgewächshaus renoviert, in dem etwa 800 Pflanzen, darunter auch Orchideen, untergebracht sind. Weitere Frühjahrsausstellungen werden sich auf Zwiebelpflanzen und Kakteen konzentrieren. Eintritt im Online-Vorverkauf 140 Kronen für Erwachsene, 70 Kronen für Kinder und Senioren. Die Familienkarte kostet 320 Kronen, Kinder im Vorschulalter haben freien Eintritt. An der Kasse sind die Preise 10 Kronen teurer. Im Winter täglich 8.00– 16.00 Uhr.

Direktor Václav Lenk in einem Gewächshaus.

KREIS DEUTSCH GABEL Heimatkreis und Gemeindebetreuer gratulieren allen treuen RZ-Abonnenten, die im Februar Geburtstag oder sonst ein Ereignis begehen, und wünschen von Herzen alles Gute und Gesundheit. Den Trauernden entbieten wir unser tiefes Beileid. Deutsch Gabel – Geburtstag: Am 28. Gisela Koch/Müller (Witwe von Helmut Koch, Rinnegasse 343), Waldring 12, 39340 Haldensleben, 95 Jahre. Othmar Zinner Helga Hecht Kunnersdorf – Geburtstag: Am 16. Greta Düll/Sitte (Haus-

Nr. 72), Waldstraße 5a, 91341 Röttenbach, 74 Jahre. Steffi Runge Zwickau – Sterbefall: Am

31. Dezember verstarb überraschend im Alter von 88 Jahren Waltraud Joist/Hanisch, von der die Reichenberger Zeitung regelmäßig Beiträge veröffentlicht ( Seite 12). Am 17. November 1935 war sie in Zwickau zur Welt gekommen. Zuletzt lebte sie im badenwürttembergischen Gaggenau. Auf ihrer Parte steht: „Du siehst den Garten nicht mehr

grünen, in dem Du einst so froh geschafft. Siehst Deine Blumen nicht mehr blühen, weil Dir der Tod nahm Deine Kraft. Was Du aus Liebe uns gegeben, dafür ist jeder Dank zu klein. Was wir an Dir verloren haben, das wissen wir nur ganz allein.“ Ihrem Bruder Theo mit Familie, ihren Kindern Maria, Michael, Johannes, Christoph, Elisabeth und Annette mit Familien sowie ihren zwölf Enkelkindern mit Familien und ihren sechs Urenkelkindern gilt unsere herzliche und aufrichtige Anteilnahme.

2016 feiern Monika und Franz Hanika mit Pfarrer Pavel Andrš in der Heindorfer Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung goldene Hochzeit.

Wahl-Isergebirgler

Franz Hanika 80 Am 5. Februar feiert Franz Hanika im hessischen Burghaun seinen 80. Geburtstag. Der gebürtige Egerländer kam in Schmiedles im Kreis Luditz zur Welt und 1946 als Kleinkind nach Hessen.

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ranz Hanika blieb in Hessen, heiratete Monika Scholz mit Wurzeln im Isergebirge, gründete eine Familie und lebt heute im eigenen Drei-GenerationenHaus mit Rhönblick. Er hat zwei Kinder und einen Pflegesohn, drei Enkel und fünf Urenkeln. Das Ehepaar Monika und Franz Hanika teilt und ergänzt in idealer Weise das Interesse und Engagement für sowie die Liebe zur sudetendeutschen Heimat und zu ihrem Kulturgut. Es setzt sich für dessen Erhalt und Weitergabe an nachfolgende Generationen ein. Franz Hanika ist ohne seine Monika im sudetendeutschen Kontext nicht denkbar.

Kraft aus Wurzeln Wir lernten Monika und Franz 2012 in München bei ihrem Vortrag über ihre engagierte Heimatarbeit kennen. Damals hatten sie schon jahrelang Erfahrungen in der Tschechischen Republik gesammelt. Ihr Herzensanliegen war, freundschaftliche Kontakte zum Nachbarland zu knüpfen und in deutsch-tschechischen Begegnungen zu vertiefen. Für ihr Seminar-Projekt „Kraft aus den Wurzeln/Síla z kořenů“ gewannen sie Jahr für Jahr zahlreiche deutsche und tschechische Teilnehmer, Fachreferenten, Psychologen, Geistliche und Dolmetscher. Die Seminare führten im Laufe der Zeit zu guten Beziehungen unter den Teilnehmern. Auch kritische Themen und schmerzliche Lebenserfahrungen wurden in der Seminararbeit nicht ausgespart. An wechselnden Tagungsorten konnten die Teilnehmer eine Fülle von Gedenkstätten, historischen Gebäuden, Kirchen und bedeutenden einst deutschbesiedelten Städten Böhmens kennenlernen. Für diese qualitätvolle Projektarbeit, die Monika und Franz mit hohem persönlichen Aufwand und Einsatz über viele Jahre leisteten, gebührt ihnen größte Anerkennung.

Friedlandstube Die bilaterale Verständigung bildet indes nur einen Schwerpunkt im vielseitigen Engagement von Franz Hanika. Viele Jahre widmete er als Leiter der Hünfelder Friedlandstube sein ganzes Herzblut und führte diese mit größtem Interesse, mit Umsicht und ehrenamtlichem Einsatz. Er kannte sich bestens aus in den Schätzen dieser Heimatstube, erzählte gerne die Hintergrundgeschichten über die einzelnen Exponate und zeig-

te Forschenden gerne auch verschlossene Raritäten. Er digitalisierte über viele Jahre umfangreiches, wertvolles Schriftgut der dort verwahrten Sammlungen, beantwortete alle Anfragen, führte Gäste durch die Friedlandstube und sorgte für eine ansprechende Präsentation der Exponate.

Heiligenhof Franz und Monika sind seit eh und je Teilnehmer der sudetendeutschen Multiplikatoren-Seminare und der Mundart-Tagungen auf dem Heiligenhof im unterfränkischen Bad Kissingen. Mit ihren Beiträgen bringen sie sich produktiv für die Heimatund Kontaktpflege unter den Landsleuten und tschechischen Kooperationspartnern ein.

Isergebirge Ihre ausgeprägte Liebe zum Isergebirge vermittelten die Hanikas auch ihren drei Enkeln bei ausgedehnten Familien-Wanderungen und bei den jährlichen Wallfahrten nach Haindorf. Die familiäre Verwurzelung mit der Haindorfer Wallfahrtskirche veranlaßte sie, ihre goldene Hochzeit im August 2016 mit einer stattlichen Gästeschar in einem Gottesdienst, zelebriert von Pfarrer Pavel Andrš, zu feiern. Ihre Freundschaft mit Andrš führt sie auch häufig nach Raspenau, wo sie bei Veranstaltungen im Pfarrhof helfen. In Raspenau finden sie bei ihrer Enkelin Natascha, die dort mit ihrem tschechischen Mann und vier Söhnen lebt, Unterkunft. Franz Hanikas Vater, der im Krieg einen Arm verloren hatte, wurde das Vorbild für die berufliche Schlosser- und Werkzeugmacher-Laufbahn des Sohnes sowie für sein findiges ReparaturKnow-how bei allen Arten von technischen Pannen. Später sattelte Franz um und erwarb sich ausgezeichnete Kenntnisse als EDV-Spezialist, die er seit dem Eintritt in den Ruhestand bei der Pflege für das sudetendeutsche Kulturgut einsetzt. Zu seinen weiteren Qualitäten und Aktivitäten zählen seine Filme von Familienaufenthalten im Isergebirge, bilateralen Seminaren, Besuchen an Gedenkstätten und Vorträgen. Er ist interessiert, neugierig und offen für alle Angelegenheiten, die Heimatfreunde gerne untereinander austauschen. Mit seiner positiven Lebenseinstellung und seinem Humor sorgt er gerne für Erheiterung bei seinen Gesprächspartnern. Wir wünschen dem Jubilar gesundheitlich alles erdenklich Gute, weiterhin Schaffenskraft und Freude bei den kommenden Ereignissen und Begegnungen sowie Gottes Segen. Uwe Beck Renate Beck-Hartmann


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Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2. 2. 2024

Dux

Ladowitz

Klostergrab

Ossegg

für die Kreise Dux, Bilin und Teplitz-Schönau

Bilin

Heimatlandschaft Erz- und Mittelgebirge – Landschaftsbetreuer: Dietmar Heller, Hillenloher Straße 10, 87733 Markt Rettenbach, Telefon (0 83 92) 9 34 72 77, Telefax 9 34 72 78, eMail dietmar.heller@deheller.de. Heimatkreis Bilin – Patenstadt Gerolzhofen; Heimatkreisbetreuer: Dietmar Heller. Internet www.heimatkreisbilin.de. Heimatkreis Dux – Patenstadt Miltenberg; Heimatkreisbetreuer: Klaus Püchler, In den Seegärten 35a, 63920 Großheubach, Telefon (0 93 71) 9 94 01, eMail klauspuechler@web.de. Heimatkreis Teplitz-Schönau – Patenstadt Frankfurt am Main; Heimatkreisbetreuer: Erhard Spacek, Franz-Schubert-Straße 13, 01796 Pirna, Telefon (01 60) 95 32 07 27, eMail erhard. spacek@gmx.de Redaktionsschluß: Freitag der Vorwoche. Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de

Urquellschacht nach dem Versiegen der Quelle.

Besorgte Teplitzer Bürger.

Teplitz-Schönau

Graupen

Niklasberg

Zeichnungen aus „Kapitel aus der Geschichte des Bäderwesens“, Jitka Budinská 2006

Teplitz 1879 – Teil I

145 Jahre nach der Quellenkatastrophe Unsere Korrespondentin Jutta Benešová berichtet über die Quellenkatastrophe vor 145 Jahren in Teplitz. Hier der erste von zwei Teilen.

T

eplitz als ältestes Heilbad in Mitteleuropa hatte seinen Weltruhm dank der wundersamen Heilkraft seiner Thermalquellen, vor allem der Urquelle im Stadtbad errungen. Als es Ende des 19. Jahrhunderts durch die zunehmende Bergbautätigkeit in der Nähe von Teplitz zu einem Versiegen der Quelle kam, wurden sofort Maßnahmen zu ihrer Rettung eingeleitet. Wir wissen zwar, daß die Urquelle auch heute noch ihre heilende Wirkung fortsetzt, aber kaum jemand hat eine Vorstellung davon, welche Anstrengungen, Mühen, Enttäuschungen es damals kostete, unter welch unvorstellbar schweren Bedingungen es den damaligen Berg-Ingenieuren gelang, dieses Werk zu vollbringen. Und nicht nur das. Erstaunlich ist auch, mit welcher Geschwindigkeit alle administrativen und manuellen Arbeiten abliefen – heute kaum vorstellbar! Am 16. Mai 1879 konnte der Bäderbetrieb wieder aufgenommen werden. Ein Bericht des damaligen Städtischen Oberingenieurs A. Freyer von 1888 läßt uns in zeitlicher Reihenfolge die Arbeiten im Teplitzer Stadtbad-Quellenschacht miterleben. Dieses Mit-

erleben ist um so eindrucksvoller durch die Originalschreibweise und Ausdrucksform des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Hier der Bericht, der im Original zwölf gedruckte Seiten umfaßt, in gekürzter Form.

Zur Geschichte der Abteufung des Stadtbad-Quellenschachts Als am 10. Februar 1879 der unglückselige Wassereinbruch im Döllinger-Schachte bei Dux herbeigeführt wurde, da erwachte in Teplitz ernste Besorgnis, daß durch die Ereignisse in den Dux-Ossegger Schächten den Teplitzer Thermen eine unabsehbare Gefahr drohe. Als aber am 13. Februar gegen sechs Uhr morgens der Wasserspiegel der Urquelle im Stadtbade ein continuierliches Sinken zeigte, da bemächtigte sich ein allgemeiner und berechtigter Schrecken der gesammten Bevölkerung von Teplitz, und alles strömte von nah und fern zum Stadtbade, um sich mit eigenen Augen von dem so plötzlich hereingebrochenen Unglükke zu überzeugen; das Unmögliche war möglich geworden, und eine seit mehr als 1000 Jahren sprudelnde Segensquelle war im Versiegen begriffen. Um elf Uhr vormittags versammelte sich das Stadtverordneten-Collegium und wurde über Antrag des Stadtrathes Herrn C.

Stöhr beschlossen, eine telegra- bahn sämmtliche Nivellements nen Wassereinbruchs im Döllinphische Anzeige von dem ein- von Teplitz bis zum Döllinger- ger-Schachte sei. getretenen Rückgange der Ther- Schachte bei Ossegg, sämtliche Über Anordnung des Bergmalquellen in Teplitz an den Mi- Pläne, Karten etcetera zur Verfü- rathes Wolf wurden vom städnisterpräsidenten mit der Bitte zu gung gestellt wurden, gaben die tischen Bauamte täglich Brunrichten, sofort eine Comnenmessungen vorgemission zur Untersuchung nommen, welche zum der ernsten Sachlage herNachweise dienen sollten, zusenden. nach welcher Richtung Vom k. k. Bezirkshauptein weiteres Absinken der mann Regierungsrath Quellenspiegel, sowie das Herrn Merbeller wurde allmähliche Versiegen der bei der böhmischen StattBrunnen erfolgt, die mit halterei ebenfalls telegraden Thermen durch Klüfte phisch um die Entsendung im Porphyr in Verbindung von Geologen angesucht. stehen. Über Antrag des CivilEbenso sollte hiedurch Ingenieurs Herrn A. Siegklargelegt werden, ob mund wurde eine ständige nicht durch das Ansteigen Quellen-Commission gedes Wasserspiegels in den wählt. Dux-Ossegger SchächIn erster Reihe erließ ten ein Rückstau auf die die Quellen-Commission Thermalwasser führenden eine Kundgebung an die Brunnen in Teplitz zu beBevölkerung von Teplitz, obachten wäre. er Legende nach soll die Teplitzer Urquelle – in welcher die über Teplitz Zu diesem Behufe wurwie in der Böhmischen Chronik des Wences- de vom städtischen Bauhereingebrochene Katastrophe in ernster Weise laus Hagek von Libotschan beschrieben – 762 amte eine Karte von Tebesprochen und die Ver- entdeckt worden sein, als sich die Schweine des plitz angefertigt, in welsicherung gegeben wurde, Schweinehirten Kolostůj im Wald in einem Tümpel cher sämtliche Brunnen daß das Stadtverordneten- verbrühten, während sie dort weideten. Tatsäch- eingezeichnet erscheinen Collegium alle Maßregeln lich waren die heißen Quellen von Teplitz bereits und wurde dieselbe auch ergreifen werde, um die seit dem Beginn der Zeitrechnung bekannt, was dazu benützt, die geologiQuelle wieder zum Aus- die keltischen und römischen Goldmünzen bele- schen Verhältnisse von Tegen, die man in den Felsspalten der Quelle fand, plitz klarzulegen. flusse zu bringen. Die mittlerweile ein- als 1879 während einer Katastrophe die Quellen Vom städtischen Baugetroffenen Sachverstän- versiegten. amte wurde eine genaue digen, Bergrath H. Wolf Aufnahme der Thermalund Professor Dr. Laube, wel- beruhigende Versicherung, daß spalten der nun versiegten Urchen vom städtischen Bauam- die Teplitzer Quellen-Katastro- quelle angefertigt, um aus dem te, von der Aussig–Teplitzer phe eine unmittelbare Folge des Streichen und Verflächen der und Dux–Bodenbacher Eisen- am 10. Feber 1879 stattgefunde- Quellenspalten und deren Ge-

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LESERBRIEF Zeitzeuge des Explosion berichtet

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um Artikel „Schacht Nelson III“ über die Trauerfeier anläßlich des Bergwerksunglücks vor 90 Jahren in Ossegg von Martin Vokurka ( RZ 4/2024). Ich bin Jahrgang 1925 und war im Nachbarort Neudorf-Herrlich zu Hau-

Josef Ittner mit seiner „Family“, wie er nach jahrzehntelanter Arbeit für die USA sagt.

steinswinkel die nöthigen Anhaltspunkte für eine eventuelle Schachtabteufung zu erhalten. Die alte Quellenfassung im Stadtbade, circa 1,2 Meter breit und 3,75 Meter lang, war ganz in Porphyr gelegen, mit der Sohle von Nord nach Süd, das ist vom Stadtbade nach der Straßenseite unter einem Winkel von sechs bis sieben Grad fallend. Die südliche Felswand war auch nicht senkrecht, sondern zeigte eine geneigte Fläche unter einem Winkel von 18 Grad gegen die vertikale von Nord nach Süd abweichend, das ist von der Straßenseite nach dem Stadtbade abfallend. Am 22. Februar um elf Uhr vormittags wurde zur Inangriffnahme der Teufungs-Arbeiten geschritten. Nach der Abräumung des Straßenpflasters am Stadtbade, welches in der Seehöhe von 205 Metern liegt, zeigte sich festes Gestein, und zwar Porphyr, welcher mittels Dynamit gesprengt werden mußte. Die nun an die Sprengtechniker Mahler und Münch übertragenen Sprengungsarbeiten nahmen einen derartigen Verlauf, daß am 27. Februar der Schacht bei einem Profil von 4,48 Meter Länge und 3,05 Meter Breite eine Tiefe von 6,00 Meter erreichte, was einer Seehöhe von 199,018 Meter entspricht. Fortsetzung folgt

WIR GRATULIEREN se. Sehr gut erinnere ich mich an die Explosion im Nelson-Schacht. Die Dorfjugend war wie an vielen anderen Tagen auf einem in der Nähe befindlichen Dorfteich beim Schlittschuhlaufen. Wir nannten es damals „Schleifschuh fohren“. Von dort hatte man eine ungehinderte Sicht zum Schacht. Ich hörte einen gewaltigen

Knall und sah eine Feuersäule, die kerzengerade nach oben schoß. Als Naseweis sagte ich zu meinen Freunden: „Jetzt hat der Hitler eine Bombe geschmissen.“ Das allgemeine Kopfnicken war als Zustimmung zu verstehen. Also selbst bei der Jugend war damals gedanklich eine kriegerische Handlung nicht mehr ausgeschlossen. Josef Ittner 86176 Augsburg

Allen treuen Heimatruf-Abonnenten wünschen wir herzliche Glück- und Segenswünsche zum Geburtstag im Februar: Bilin. Professor Dr. KarlHeinz Plattig, Steinforststraße 30, 91056 Erlangen, 6. Februar 1931. Meronitz/Kreis Bilin. Josef Liebscher, Grießweg 8, 88486 Kirchberg, 11. Februar 1949.


HEIMATBOTE

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Bischofteinitz

Ronsperg

FÜR DEN KREIS BISCHOFTEINITZ

15 Hostau

Heimatkreis Bischofteinitz – Patenstadt Furth im Wald. Heimatkreisbetreuer: Peter Pawlik, Palnkamer Straße 73a, 83624 Otterfing, Telefon (0 80 24) 9 26 46, Telefax 9 26 48, eMail peter-pawlik@t-online.de, Internet www.bischofteinitz.de. Spendenkonto: Heimatkreis Bischofteinitz, Raiffeisenbank Chamer Land – IBAN: DE55 7426 1024 0007 1343 20, BIC: GENODEF1CHA. Heimatbote für den Kreis Bischofteinitz – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Verantwortlich von seiten des Heimatkreises: Peter Pawlik. Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de

Hinter einer alten Ansicht des Schlosses die Reste der nördlichen …

… und der westlichen Schloßmauern.

Bis 29. Februar läuft im Nationalmuseum in Prag eine Ausstellung über die ehemalige Schloßbibliothek des heute zerstörten Schlosses Heiligenkreuz.

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ie Ausstellung „Die Geschichte der Schloßbibliothek Heilgenkreuz“ im historischen Gebäude des Nationalmuseums dokumentiert anhand erhaltener Exponate, zeitgenössischer Fotografien und Reproduktionen von Gemälden das Schicksal der Büchersammlung, aber auch des heute nicht mehr existierenden Barockschlosses in der Region Taus. Die Ausstellung bietet einige Werke dieser einzigartigen Bibliothek, hauptsächlich aus den Bereichen Geschichte, Heraldik, Recht, Medizin, Theologie, aber auch Werke, die der Alchemie, der Chemie, der Kabbala, der Botanik und der Technologie gewidmet sind. Aufgrund der bewegten Geschichte der Bibliothek sind auf einigen Büchern noch heute die Auswirkungen eines Brandes in den 1950er Jahren sichtbar, der etwa 800 Bände in Mitleidenschaft gezogen hat. Auch anderes ist aus Heiligenkreuz verschwunden. Zum Beispiel die beiden Glasfenster mit dem Wappen der Barone Kotz – ein goldenes Rad in blauem Feld. Sie befanden sich früher in der Heilig-Kreuz-Kirche. Die Freiherren Kotz von Dobrz hatten die Fenster in den Jahren 1864 bis Heiligenkreuz ist heute ein Gemeindeteil von Weißensulz. Der Ort liegt am Waldweiher- oder Engelbach rund vier Kilometer südöstlich von Weißensulz oberhalb des Radbusatals auf 450 Metern über dem Meeresspiegel. Er ist 640 Hektar groß und hat knapp 200 Einwohner.

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rchäologische Funde wie Hügelgräber oder eine bronzezeitliche Axt deuten auf eine frühe Besiedelung der Gegend hin. Der Ort bestand schon im 11. Jahrhundert. Er war eine Chodensiedlung, die im Jahr 1200 Aujezd genannt wurde. Heiligenkreuz war besonders bedeutsam, weil es ganz am linken Flügel der 13 Pfraumberger Chodendörfer in der Nähe der alten Handelsstraße zwischen Schönsee, Straßhütte, Wasserau und Muttersdorf lag. Bereits 1331 erwähnt eine königliche Verfügung neben den Choden auch deutsche Siedler in Heiligenkreuz. Aus dem Kloster Schönthal kamen Augustinereremiten in diese Gegend. Sie gründeten das heute noch als Ruine erhaltene Kloster Stockau und von dort aus in den umliegenden Ortschaften Einsiedeleien, Kapellen und Kirchen. Eine Legende berichtet von einem steinernen oder eisernen Kreuz, das einem Einsiedler gehörte und an

Das Vogelgemälde und das Uhrwerk waren früher im Schloß. Das Wappenfenster ist verschwunden, und der Wappenpokal ist in Bischofteinitz.

Heiligenkreuz

Geschichte der Schloßbibliothek

Die Ausstellung „Die Geschichte der Schloßbibliothek Heilgenkreuz“ läuft im Historischen Gebäude des Nationalmuseums auf dem Prager Wenzelsplatz 68 bis 29. Februar täglich 10.00–18.00 Uhr.

Eines der Exponate der Heiligenkreuz-Ausstellung in Prag ist diese Zeichnung in einem der Bücher aus der Schloßbibliothek.

Heiligenkreuz

Geschichte des Ortes der Stelle der heutigen Kirche gefunden wurde. Davon wird der deutsche Name Heiligenkreuz abgeleitet. 1384 war Heiligenkreuz bereits Kirchdorf für Weißensulz, Zetschin, Zemschen, Pössigkau und Molgau. Mitte des 16. Jahrhunderts wurden auch Wistersitz, Eisendorf, HammersbrunnNeubäu und Fuchsberg nach Heiligenkreuz eingepfarrt. In den Hussitenkriegen 1429 und 1433 wurde Heiligenkreuz wie viele Orte dieser Gegend zerstört und gebranndschatzt. 1454 endete die Freiheit des Chodendorfes, und ein Laminger von Albenreuth wurde erster Lehnsherr. Unter ihm wurden das verbrannte Dorf und seine Kirche wieder aufgebaut. Für sich selbst baute er ein befestigtes Herrenhaus. Von 1454 bis 1678 herrschten nun die Lamingers in Heiligenkreuz. Wolf Joachim Laminger kaufte das gesamte Lehen Heiligenkreuz 1596 um 1062 Taler. Er und sein Vorgänger waren evangelisch. Sie zwangen ihre Untertanen, evangelisch zu werden, worüber diese sich bei Kaiser Ferdinand (1503–1564) be-

schwerten. Die Kirche von Heiligenkreuz war 1570 bis 1629 evangelische Pfarrkirche. Mit der Gegenreformation wurde Wolf Joachim Laminger aus dem Land gejagt. Sein jüngerer Bruder Wolf Wilhelm Laminger, der katholisch geblieben war, kaufte Anfang des 17. Jahrhunderts Heiligenkreuz, Weißensulz, Neudorf und Eisendorf. 1622 zwang er seine Untertanen, wieder zum katholischen Glauben zurückzukehren, worüber diese sich am Wiener Hof beschwerten. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Kirche von Heiligenkreuz zerstört und 1630 wieder aufgebaut. Zur Pfarrei Heiligenkreuz gehörten nun auch Weißensulz, Zetschin, Zemschen, Pössigkau, Molgau, Wistersitz, Eisen-

1867 der Kirche gestiftet. Das barocke Uhrwerk aus dem Schloßtürmchen ist eines der wenigen Objekte aus dem Schloß, die die Zerstörung überlebten, weil dieses Uhrwerk 1882 in den Kirchturm kam. Dort steht es heute noch ohne Funktion. Neben den Büchern haben noch einige Möbel und Gemälde ebenfalls überlebt. Sie befinden sich entweder im Depot des Schlosses Bischofteinitz oder als Leihgaben in anderen Schlössern Westböhmens. So entdeckte Pfarrer Klaus Oehrlein 2020 im Schloß Nebillau bei Pilsen zufällig anhand der Inschrift auf einem der Bilder zwei Gemälde mit Wildvögeln, die aus dem Heiligenkreuzer Schloß stammen. Die Führerin, die er darauf angesprochen hatte, war sehr nett und – er war der einzige Besucher – brachte ihm sogar den Inventarbogen, wo die Herkunft aus Schloß Heiligenkreuz vermerkt ist. Ebenfalls zufällig entdeckte Oehrlein bei einer Führung einen schönen Glaspokal mit dem Kotz-Wappen in der Dauerausstellung des Bischofteinitzer Schlosses.

dorf, Hammerbrunn, Neubäu, Fuchsberg, Straßhütte, Ruhstein, Tschernahora, Dobraken, Siehdichfür, Neuhof, Plöß, Schmolau, Haselberg, Wabitz und Rosendorf. Wolf Wilhelm Laminger machte die Kirche von Heiligenkreuz zu einer Wallfahrtskirche und wundertätigen Stätte des Heiligen Kreuzes. Die Wallfahrt wurde 1791 verboten. Der Nachfolger von Wolf Wilhelm Laminger war Wolf Maximilian Laminger von Albenreuth. Er verkaufte 1678 Heiligenkreuz an Zdenko Kaplirsch von Sulewitz. Zdenko Kaplirsch von Sulewitz starb 1685. Seine Witwe Anna Theresia, geborene Zucker von Tamfeld, heiratete den Grafen Philipp Emmerich von MetternichWinneburg. Sie starb 1712 ohne Nachkommen, und ihr folgte

der Sohn ihres Bruders Wenzel Josef Graf Zucker von Tamfeld, vermählt mit Maria Anna Gräfin von Trauttmansdorff. Über den Sohn Johann Wenzel und dessen früh verstorbenen Sohn Johann Erasmus der Jüngere gelangte die Herrschaft 1770 an Johann Erasmus den Älteren, der das letzte männliche Glied der Familie Zucker war. Nach dessen Tod 1781 erbte seine Nichte Franziska Romana Gräfin Zucker die Herrschaft. Franziska Romana Gräfin Zukker war verheiratet mit Johann Josef Freiherr Kotz von Dobrz. Nach ihrem Tod 1796 erbte ihr Sohn Zacharias Wenzel Heiligenkreuz, womit die Herrschaft an die Freiherren Kotz von Dobrz überging, die sie bis 1945 behielten. Diese Geschlechterliste ist so ausführlich, weil im gesamten böhmischen Grenzland die Namen Laminger, Zucker von Tamfeld, Trauttmansdorff und seit Ende des 18. Jahrhunderts besonders Kotz von Dobrz ständig auftauchen und eine große Rolle spielen. Nach dem Münchener Abkommen wurde Heiligenkreuz

dem Deutschen Reich zugeschlagen und gehörte bis 1945 zum Landkreis Bischofteinitz. Zu Heiligenkreuz gehörte der Ortsteil Haselberg. 1678 gab es in Heiligenkreuz 53 Häuser, 33 Besitzer, zwei Müller, 18 Chalupner oder Häusler. 1881 gab es 93 Häuser und 707 Einwohner. 1930 gab es 113 Häuser, 549 Deutsche, sieben Tschechen und einen Ausländer. 1945 gab es 125 Häuser und 614 Einwohner, fünf Gasthäuser, zwei Kaufläden, eine Mühle, zwei Schmieden, zwei Wagner, zwei Böttcher, einen Klempner, zwei Fleischer, zwei Bäcker, einen Konditor, drei Schneider, zwei Schuster, zwei Tischler, zwei Tabaktrafiken, einen Zimmermeister, einen Maurermeister und zwei Musikkapellen. In Heiligenkreuz wurde im 16. Jahrhundert eine einklassige Schule erbaut. 1871 hatte sie 191 Kinder, 1873 wurde sie zweiklassig und hatte 1877 201 Kinder. Eine Industriallehrerin für Handarbeit nahm 1880 ihre Tätigkeit auf. 1894 wurde die Schule umgebaut und erhielt eine dritte Lehrkraft. Der jetzige Bau der Pfarrkirche wurde 1860 errichtet, nachdem die Kirche 1859 abgebrannt war. Von 1993 bis 2000 wurde die Pfarrkirche in Heiligenkreuz renoviert.


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Heimatbote für den Kreis Ta<au

Heimatkreis Tachau – Patenstadt Weiden in der Oberpfalz. Heimatkreisbetreuer: Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Aubergstraße 21, 83352 Altenmarkt, Telefon (0 86 21) 6 36 27, Telefax 64 75 27, eMail wolf-dieter.hamperl @online.de. Internet www.tachau.de. Tachauer Heimatmuseum: Kulturzentrum Hans Bauer, Schulgasse 3a, 92637 Weiden, Telefon (09 61) 81 41 02, Telefax 81 41 19, eMail museum@tachau.de. Spendenkonto: Heimatkreis Tachau, HypoVereinsbank Nürnberg – IBAN: DE38 7602 0070 0002 0824 54, BIC: HYVEDEMM460. Heimatbote für den Kreis Tachau – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de

P

aulusbrunn. Das erste Haus von Paulusbrunn war ein Forsthaus der Tachauer Herrschaft. Dieses entstand 1681. Im Laufe der Zeit entstanden die Ortsteile von Paulusbrunn, das 1930 1451 Bewohner in 249 Häusern zählte. Nach der Vertreibung wurden die Häuser abgetragen, der Kirchturm wurde am 30. März 1977 gesprengt. Alles wurde eingeebnet. Heute weiden hier Rinderherden.

R

eichenthal. Bis 1716 war hier Urwald. 1716 ließ Graf Kolowrat in seinem Wald eine Glashütte errichten. So entstand der Industrieort Reichenthal. 1930 lebten dort 334 Menschen in 53 Häusern. Nach der Vertreibung der Bevölkerung 1945 und 1946 blieb das Dorf unbewohnt. Vom 24. März bis zum 15. April 1983 sprengte das Militär die Häuser. Seitdem ist Reichenthal eine Wüstung. Die Bilder zeigen den Röhlingsbach unterhalb des Franzenweihers und den idyllischen Franzenweiher, dessen Wasser die Glasschleifen betrieb. Im Frühjahr tosen die Wasser des Röhlingbachs durch die Öde.

Centrum Bavaria Bohemia

Wird das Grüne Band UNESCO-Welterbe? Wie steht es mit dem Grünen Band an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze als UNESCO-Welterbe? Damit befaßte sich der letzte Vortrag der dritten Jahreskonferenz Grünes Band Bayern–Tschechien Mitte Dezember im Centrum Bavaria Bohemia (CeBB) im oberpfälzischen Schönsee ( HB 2/2024). Heimatkreisbetreuer Wolf-Dieter Hamperl nahm teil und berichtet.

ankert, sei Teil der grünen Infrastruktur und stehe im Koalitionsvertrag. Was fehle, sei eine ge-

Grünes Band. Als Vorbild diene ein ähnliches Projekt: der Limes. Vor 2035 werde ein so gro-

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ie Agrarwissenschaftlerin Alexandra Kruse vom Insitu Heritage Consulting war online zugeschaltet. Sie war der Meinung, daß es sich beim Grünen Band nicht nur um Naturschutz handele, sondern um mehr, um ein Kulturerbe. Es handle sich um ein Symbol für die Überwindung von Grenzen, also des Eisernen Vorhangs. Das Grüne Band sei der längste durchgehende Biotop-Verband Europas. Es sei bereits im Bundesnaturschutzgesetz ver-

Sie empfehle von privater Seite die Errichtung von Bilddatenbanken. Positiv sei, daß es bereits Initiativen gebe. In den vergangenen Jahrzehnten habe sich das Aussehen der Landschaft geändert. Das sei dokumentiert. Was fehle, sei auch hier die kulturelle Seite, die Kartierung der Wüstungen. Hier fühlte ich mich angesprochen. Denn nur der Heimatkreis Tachau verfügt über die Dokumentation der ehemaligen Dörfer und Einöden in dieser Region. Es ist also unsere Aufgabe, uns hier einzuklinken.

Was kann der Heimatkreis Tachau beitragen?

mischte Antragstellung, von der Kulturseite her. Eine Chance bestehe nur in der Verbindung von Natur und Kultur und im Bezug auf das gesamte Europa, anzustreben sei also ein Europäisches

ßes Projekt nicht realisiert werden können. Was den Sachstand auf tschechischer Seite betreffe, so Alexandra Kruse, habe sie bei dieser Jahreskonferenz viel gelernt.

Im Jahr 2004 brachte ich das Buch „Die verschwundenen Dörfer im ehemaligen Bezirk Tachau im südlichen Egerland“ heraus. Es fand großes Interesse, so daß 2008 eine zweite Auflage erschien. In diesem Buch sind die Orte dokumentiert: Ortspläne, Hausbesitzer,

Hausnamen, Flurnamen, Bevölkerungszahlen seit 1890, allgemeine Geschichte, wirtschaftliche, schulische und religiöse Verhältnisse, Gefallene des Ersten Weltkrieges, das Ende des Zweiten Weltkrieges vor Ort und der heutige Zustand. Eine zweisprachige Ausstellung und viele Vorträge schlossen sich an. Das umfangreiche Fotoarchiv zu diesen 32 verschwundenen Ortschaften

Aufruf W

er noch Fotografien von daheim hat, von Paulusbrunn bis Neudorf und von Hesselsdorf bis Roßhaupt, der möge sie Heimatkreisbetreuer WolfDieter Hamperl zur Verfügung stellen. Er verspricht, daß sie digital erfaßt und in säurefreien Hüllen im Heimatkreisarchiv für die Nachwelt erhalten werden. Hamperls Adresse oben im Impressum.

WIR GRATULIEREN

LESERBRIEF Staatspräsident Petr Pavel gibt Hoffnung

Z

u den Berichen über „Das Grüne Band Bayern–Tschechien“ von Wolf-Dieter Hamperl und anderen ( HB 1+2 ff/2024). Einige Perspektiven wurden für die weitere Entwicklung dieser Naturlandschaft gezeigt. Was die Natur mit zerstörten Dörfern oder Siedlungen in 75 Jahren macht, ist Faszination und Tragödie zugleich. Dies zu visualisieren in Verbindung mit der Historie der kollektiven menschenunwürdigen Vertreibung und des über Jahrzehnte herrschenden totalitären Kommunismus in diesem Gebiet kann man hier den Menschen hüben wie drüben immer vergegenwärtigen. Das geschichtliche Gedächtnis sollte in Form von Information, Erinnerung und Mahnung geschärft werden. Die langfristige Belastung aus Fehlentwicklungen in der Geschichte muß allen Nationen, allen Volksgruppen zu jeder

Sekunde bewußt werden. Das ist aktueller denn je. Im Tachauer Raum interessiere ich mich für die Siedlungen der ehemaligen Pfarrei Paulusbrunn im Grünen Band. In Ansätzen wurde hier versucht, daran zu erinnern, was einmal war und was daraus wurde: mit Infotafeln, dem wiederhergestellten Friedhof mit Parkplatz, einer ordentlicher Zufahrt und dem historischen Böttgerweg. Noch nicht zugänglich sind – wohl aus Sicherheitsgründen – die sichtbaren Reste von Zerstörung im Siedlungsgebiet. Dazu gehören Keller, mehrere Tiefbrunnen, Mauerfundamente, im Boden liegendes Werkzeug, Geschirr, Porzellanisolatoren vom Eisernen Vorhang, die Kupferdrahtleitung, die zur Schule führte, und vieles mehr. Einiges habe ich schon entdeckt. Viel ist versteckt in wilder Natur teilweise in Vorderpaulusbrunn, beim Paulusbrunnen, in Wittichsthal und in Hinterpau-

lusbrunn. Gebäude, auch die zur Wiese wurden, ehemalige Wege, Brunnen und ähnliches könnten nahezu metergenau vor Ort lokalisiert werden. Allerdings müßte Geld fließen für neue Gehwege, das Freilegen der Gewölbekeller, das Absichern der Brunnen, InfoSchilder oder Schaukästen. Dabei sollte die besondere Flora weitestgehend bewahrt werden. Das betrifft die Natur, die in rund 75 Jahren hier versucht, alles zu verdecken und zu verschlingen, als sollte verhindert werden, daß man durch Sichtbares an Schreckliches denkt. Die Kombination der unveränderten gegenwärtigen natürlichen Entwicklung im Laufe der Zeit mit Sichtbarmachen von Resten ehemaliger Ansiedelungen wäre in einer Dokumentation hier machbar und sicherlich ein Hingucker. Voraussetzung ist ein länderübergreifender politischer Wille mit noch mehr Entspannung und Entkrampfung, die Besei-

umfaßt 379 Fotos der Zeit vor 1946 und 460 Fotos der Zeit um 1990 und danach. Letztere dokumentieren die Errichtung von Wegkreuzen, die Renovierung von Gefallenendenkmalen, Heimattreffen und Gedenkgottesdienste. Im Laufe der Jahre entstanden viele Ortschroniken über die verschwundenen Dörfer. Sie genügen vielleicht nicht strengen wissenschaftlichen Kriterien, aber wir erfahren in ihnen von den Bewohnern der Orte, ihren Bräuchen und Gewohnheiten, von außergewöhnlichen Persönlichkeiten und den vielen Musikvereinen und -kapellen. Auch in den Chroniken finden sich viele Fotografien, die nicht im Fotoarchiv enthalten sind. Weitere großartige Bücher erschienen: 1962 kam das Buch „Tachau-Pfraumberger Heimat“ von Franz Schuster heraus und später der „Heimatatlas des Bezirks Tachau“. Nach meiner Vorstellung ist es im Sinne unserer Vorfahren, alle diese Fotos und Publikationen zu digitalisieren und der Datenbank des Český les zur Verfügung zu stellen.

tigung der störenden BenešDekrete und vielleicht damit verbunden die Verhinderung von Vandalismus, wie wir ihn bei unseren Infotafeln über Václav Havel und Josef Böttger erlebten. Grundsätzlich müßte der Zusammenhalt durch positive politische Vorgaben von höchster Stelle über die Medien noch intensiviert werden. Wir sind bestenfalls in einem nicht verbindenden Nebeneinander, was die geschichtliche Entwicklung auf der Basis von Wahrheit betrifft. Desinteresse in der Tschechischen Republik, vielleicht auch in Deutschland, und einige Störungen sind hinderlich. Diese Entwicklung ist rückwärts gewandt. Hoffnung gibt mir der neue tschechische Staatspräsident Petr Pavel, der im Tachauer Raum aufgewachsen ist und ein Statement äußerte, in dem die Wahrheit als Basis für Fortschritt eine wesentliche Rolle spielt. Norbert Steinhauser 93158 Teublitz

Wir gratulieren folgenden treuen Abonnenten des Tachauer Heimatboten, die im Februar Geburtstag feiern, und wünschen ihnen allen von ganzem Herzen alles Schöne und Gute, Glück und Gesundheit sowie Gottes überreichen Segen. Godrusch. Am 28. Roland Sperl (Storzen, Haus-Nr. 5), 97 Jahre. Franz J. Schart Ortsbetreuer

Pfraumberg, Mühloh. Am 12. Josef Hüttl (Konsum Peppe, Haus-Nr. 137), 98 Jahre, und am 24. Erich Roppert (Lenkerer, Mühloh Haus-Nr. 18), 90 Jahre. Christine Obermeier Stellvertretende Stadtbetreuerin Hesselsdorf. Am 2. Josef Magerl (Posterer), 92 Jahre, und am 7. Brigitte Langguth, Brükkenstraße 35, 99098 Erfurt, 78 Jahre. Anni Knarr Ortsbetreuerin

Ortsbetreuerecke

H

erzlich gratulieren wir im Februar Dr. Wolf-Dieter Hamperl, unserem Heimatkreisbetreuer, am 1. zum 81. Geburtstag und Sieglinde Wolf, Marktbetreuerin von Altzedlisch und Ortsbetreuerin von Innichen, Uschau

und Reichenthal, am 15. zum 69. Geburtstag. Wir wünschen Gesundheit, Gottes Segen und danken für alle Arbeit für unsere Heimat! Manfred Klemm Stellvertretender Heimatkreisbetreuer


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Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2.2. 2024

Betreuerin Heimatkreis Leitmeritz: Yvi Burian, Eugen-Kaiser-Str. 21, 63526 Erlensee, Tel. 06183 8995283, eMail: sudetenburi@gmail.com. Betreuer Wedlitz, Drahobus, Straschnitz, Laden, Julienau, Brzehor: Sven Pillat, OT Chursdorf 44, 07580 Seelingstädt, eMail: svenpillat@gmx.de. Redaktion: Heike Thiele, Eulengasse 16, 50189 Elsdorf, Tel. 02271 805630, eMail: thiele.heike@gmx.de. Redaktionsschluß: 15. Vormonat.

 Wie es früher war/Alt-Thein

Vom Grundschüler zum Fachlehrer Kurt Hammer berichtet von seiner Schulzeit und Jugend in AltThein zu Kriegsbeginn.

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Links: Prag, im Senat: Yvi Burian, Senator Chlupáč. Mitte: Leitmeritz, Blick auf Dom und Bischofsresidenz. Rechts: Leitmeritz-Fahne.

Fotos: Rudolf Bauer

 Leitmeritz/Herbstfahrt 2023

Reise- und Bilderbericht – Leitmeritz und Prag mit dem Freundeskreis Nachdem die Reise des Freundeskreises Fulda-Leitmeritz 2019 zur 800-Jahrfeier der Stadt Leitmeritz (Litoměřice) ein voller Erfolg gewesen ist, hat sich der Freundeskreis unter Leitung der Vorsitzenden Otto Gruß und Peter Kubicek erneut auf den Weg dorthin gemacht.

In Postelberg an einer Friedhofsmauer fanden wir eine kleine Gedenktafel, die an das Massaker Tausender Menschen nach dem langen Marsch von Saaz nach Postelberg erinnert. Erschüttert von den Berichten, beteten wir gemeinsam ein Vaterunser für die Opfer.

den Gewölben der Stadt begann die deutsche Stadtführung durch den Park des Waldstein-Palais, über die Karlsbrücke mit herrlichem Ausblick, Moldau, Burganlage und Altstadt. Auffallend waren die hübsch restaurierten Häuser verschiedener Stilepochen und die modernen Häuser

war der Besuch der Leitmeritzer Burg, wo ein Rundgang durch die Ausstellung einiges über die Weinanbaugebiete der Gegend lehrte. Anschließend gab es, sehr zur Freude der Teilnehmer, eine Weinprobe. In der Stadt erlebten wir den krönenden Abschluß des Tages: einen emotionalen Got-

Oben v. l. n. r.: Wallenstein-Palais, Prag. Im Senat: Otto Gruß, Peter Kubicek, Senator Chlupáč. Weiher und Salla Terrena des Wallenstein-Palais. Unten v. l. n. r.: Prag, im Senat. Köstliches Essen im Prager Restaurant „U Glaubicu“, daneben: gute Stimmung im Restaurant „Pivnice“, Prag. Fotos: R. Bauer

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chatzmeister Rudolf Schön, der maßgeblich an der Organisation der Reise beteiligt war, konnte leider nicht teilnehmen. Diesmal war auch ein Besuch in Prag eingeplant, da der ehemalige Bürgermeister von Leitmeritz, Herr Chlupáč, eine Einladung an den Vorstandsvorsitzenden Otto Gruß und Mitglieder des Freundeskreises ausgesprochen hatte. Die Fahrt ging über Karlsbad zunächst nach Saaz (Žatec). Der Weg dorthin führte uns durch ein teilweise renaturiertes Braunkohlerevier. Auf dem Markplatz von Saaz, bekannt für Hopfenanbau, wurden wir von Dr. Märc, einem kompetenten Stadtführer, empfangen. Er erzählte auch von den Gräueltaten zulasten der deutschsprachigen Bevölkerung nach dem Krieg, speziell 1945 in Saaz und dem nahe gelegenen Postelberg (Postoloprty), wohl als Rache für die Demütigungen der deutschen Besatzung. Bevor wir uns jedoch nach Postelberg aufmachten, erfreuten wir uns an der guten Böhmischen Küche.

Auf der Fahrt nach Leitmeritz fielen uns die großen, ausländischen Firmengebäude auf. Wir erfuhren, daß sie leider wenig zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen, da überwiegend Arbeitskräfte aus Asien dort arbeiten und die ansässige Bevölkerung zunehmend die Gegend verlässt, um in Prag ihr „Glück“ zu suchen. Der nächste Tag gehörte Prag, wo die Gruppe aufgrund des Verkehrsaufkommens nur mit Mühe pünktlich zum Empfang bei Senator Chlupáč im Palais Waldstein erscheinen konnte. Nach einer freundlichen Begrüßung mit einem Glas Wein, der Übergabe eines Gastgeschenks und Austausch über die Bedeutung der Freundschaft erfolgte eine Führung in deutscher Sprache, wobei der Senator die Gruppe bis zum Schluß begleitete und jeden mit Handschlag verabschiedete. Besonders gefiel den Teilnehmern die Besichtigung des sonst nicht für jeden zugänglichen Sitzungssaals. Nach einem Essen in

am Wenzelsplatz. Auffallend war der Anteil der schick gekleideten, jungen Touristen. Nach dem Abendessen ging es müde, aber erfüllt von einem außergewöhnlichen Tag zurück nach Leitmeritz. Die Teilnehmer waren sich einig, noch einmal für einen längeren Aufenthalt nach Prag kommen zu wollen, um mehr davon kennenzulernen. Der dritte Tag bot ein beeindruckendes Programm: die Erkundung von Leitmeritz. Während der Stadtführung erschien Leitmeritz in herbstlicher Stimmung beschaulich. Trotz der Zerstörung im Krieg fühlte man sich beim Rundgang in frühere Zeiten versetzt. Nach dem Essen mit Böhmischen Schmankerln stand ein Empfang bei Bürgermeister Löwy und dessen Stellvertreter Jiří Adámek auf dem Programm. Auf dem Marktplatz, eingerahmt von hübsch restaurierten Häusern, genossen die Teilnehmer vor der Führung durch das Theater letzte Sonnenstrahlen in einem Café. Ein weiterer Punkt

tesdienst in der Stadtkirche. Aufgrund der Freundschaft zwischen Otto Gruß und Pfarrer Havelka hielt dieser den Gottesdienst zweisprachig. Danach freuten sich alle, auch Pfarrer Havelka, auf ein gemeinsames Abendessen, bei dem auch Deutschlehrerin Rita Vlčková des JungmannGymnasiums zu unserer Gruppe stieß. Leider mußten wir am nächsten Tag Abschied nehmen von Leitmeritz. Die Fahrt ging nach Norden, entlang der Elbe, die an diesem Morgen einem Gemälde glich. Unser Ziel war Aussig (Ustí nad Laben), wo im Museum Collegium Bohemicum in der Ausstellung „Unsere Deutschen“ die Geschichte der deutschsprachigen Bevölkerung in den böhmischen Ländern beeindruckend dargestellt wird. Nähere Erläuterungen erhielten wir von einem deutschsprachigen Historiker. Zum Abschluß gab es eine letzte Gelegenheit für leckere böhmische Knödel mit tschechischem Bier. Hanne Gruss

m ersten September 1939 war mein erster Schultag und der Zweite Weltkrieg fing an. Das Schulgebäude in Alt-Thein hatte zwei Klassenzimmer (1.-4. und 5.-8. Klasse). Der Unterricht war für mich Pflicht, aber das Spielen draußen war halt schöner (Hausaufgaben, was ist das?). Unser Lehrer, Herr Patzenhauer, hat einmal mein Diktatheft zerknäult und hinter den Ofen geworfen.

mit Lesen (Karl May), Uhren auseinandernehmen und wieder zusammenbauen, mit den Haustieren spielen und so weiter. Am 8. September um vier Uhr mußten wir am Sammelplatz in Stary-Tyn, so heißt das jetzt, abmarschbereit sein. Im Viehwaggon von Leitmeritz bis Hernskretschen. Da haben wir die weißen Binden von unseren Armen abgenommen und weggeworfen. Von da an war ich wieder schulpflichtig in der sowjetisch besetzten Zone. Im Durchgangslager in Rostock-Dierkov war keine Schule.

Griffel (Schiefermuseum Steinach). Foto: Bernd Hutschenreuther, Wikipedia Der Übergang in die 5. Klasse der Bürgerschule nach Auscha war geplant. Da wurde ich laut einer Prüfung als nicht geeignet zurückgeschickt. Also ging es weiter auf die Dorfschule! Ab Februar 1945 gab es keinen Unterricht mehr wegen der Unterkunftseinrichtung für Flüchtlinge aus Schlesien. Ein Lehrer, Herr Schönfelder mit Frau, hatte bei uns im Haus Quartier bekommen. Diese war die Schwester eines Herrn Schenker, der zwei schöne Pferdegespanne hatte. Vielleicht gibt es heute eine Verbindung zu DB Schenker? Herr Schönfelder bot mir an, etwas Unterricht zu geben. Leider habe ich abgelehnt. Im Mai und Juni wurden Deutsche aus Alt-Thein ausgewiesen. Einige, darunter auch wir, durften bleiben. Da begann eine schöne Zeit für mich. Wir mußten das Haus und die Schmiede verlassen und in einem großen Bauernhof wohnen. Ein 19jähriger Soldat hatte den Hof übernommen. Mutter, Vater und Erich mußten arbeiten, ich hatte Freizeit. Die Zeit wurde ausgefüllt

Aber dann, in der Alexandrinenstraße 30, bin ich wieder gemäß der Pflicht hingegangen. Unsere Klassenlehrerin, Frau Tumow, war knallhart – es gab Noten ab Fünf. Nur in Russisch haffe ich eine gute Vier, weil ich durch Tschechisch in der Aussprache besser war als die anderen Schüler. Am 13. Januar 1947 kam der Umzug nach Tarnow. Wieder ging es in eine Dorfschule (6., 7. und 8. Klasse, ein Raum). Da war ein gutes Klima. Die Lehrer hießen Loheid, Korn und Weidner. Für Musik gab es Fräulein Wutke, für Zeichnen Fräulein Freyer. Alle konnten uns mitreißen und begeistern. Pflichtgemäß lernten wir auch Russisch. Es gab eine Frau, ungefähr 60 Jahre alt, die in St. Petersburg gelebt hatte. Die Ärmste wurde mit uns nicht fertig, da sagte Herr Loheit: „Jetzt gebe ich euch Englisch“. Das war sehr erfolgreich, selbst in den Pausen sprachen wir Englisch miteinander. Manche Lektionen kann ich heute noch nacherzählen. Kurt Hammer, Fortsetzung folgt

 Kultur

Karnevalszeit daheim Margarethe Semsch berichtet, wie Karneval in der alten Heimat gefeiert worden ist.

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asching, welch herrliche Zeit! Die Feuerwehr, der Schullehrerverein, der Gesangsverein, die „Veteranen“, alle veranstalteten einen Ball. Die Damen natürlich in langen Kleidern, das war bei Schnee und oft auch bei Matsch nicht immer so einfach, denn Fahrgelegenheiten gab es ja nicht. War ein „Nuppernball“ (Nuppern: Nachbarn) angesagt, wurde in Truhen und Schränken nach alten Kleidern gesucht, eine richtige Tracht gab

es bei uns nicht mehr. Ich habe bei der Krieschen Grußl (Großmutter Kriesche) gestöbert. Sie hatte noch so alte Schätze. Wir schwitzten zwar in den wattierten Spenzern, Hauben und langen Röcken, das tat aber der Schönheit keinen Abbruch. Maskenbälle fehlten auch nicht. Mit „Larven“ und „verchamriert“ (verkleidet), war nach der Demaskierung oft ein großes Staunen, was sich aus einer schönen oder gruseligen Maske manchmal herausschälte. Margarete Semsch Prost! Ein Andenkenglas aus Leitmeritz. Foto: Sven Pillat


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Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 2.2. 2024

� Aus der kirchlichen Welt/Leitmeritz Am 23. Dezember 2023 ließ Papst Franziskus durch seinen stellvertretenden Päpstlichen Botschafter Tschechiens, Giuseppe Silvestrini, in der Stephans-Kathedrale zu Leitmeritz die Ernennung von Pater Dr. Stanislav Přibyl zum 21. Bischof der Diözese Leitmeritz verkünden.

� Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag

P. Dr. Stanislav Přibyl wird neuer Bischof von Leitmeritz

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s war genau der Tag und die Stunde, an denen man in Prag und im ganzen Land der Opfer der Tragödie in der Prager KarlsUniversität besonders gedachte. Stanislav Přibyl tritt die Nachfolge von Bischof Jan Baxant an, welcher mit dem Erreichen der

Stanislav Přibyl als Leitmeritzer Generalvikar mit seinem aus einer tschechisch-deutschen Familie stammenden Vorgänger Domkapitular Karel Havelka. Altersgrenze von 75 Jahren vom Papst emeritiert worden ist. Der neue Bischof von Leitmeritz wurde am 16. November 1971 in Prag geboren. Hier absolvierte er zunächst die Fachoberschule für Vermessung. Nach seinem Abschluß trat er 1990 in das Noviziat des Redemptoristenordens (CSsR) in Lubaszow (Polen) ein und legte hier die Ordensgelübde ab. In den Jahren 19911996 studierte er an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karls-Universität und absolvierte gleichzeitig die Ausbildung am Erzbischöflichen Priesterseminar in Prag. Nach seiner Priesterweihe im Jahr 1996 war er Pfarrvikar in Svatá Hora (1996-1999) und dort Pfarrer (1999-2008). In den Jahren 2002 bis 2011 bekleidete er das Amt des Provinzials der Prager Provinz der Redemptoristen. Im Jahr 2012 erlangte er das Lizentiat in Theologie an der Karls-Universität in Prag und im Jahr 2014 promovierte er dort zum Doktor der Theologie. 2019 schloß er sein Masterstudium an der Fakultät für Sozialökonomie der Jan-EvangelistaPurkyně-Universität in Aussig im Bereich Finanzen und Management ab. Von 2009 bis 2016

Die von Stanislav Přibyl renovierte Wallfahrtsanlage Oberpolitz an einem deutsch-tschechischen Wallfahrtstag, mit dem Hockewanzel-Nachfolger und der historischen Oberpolitzer Wallfahrtsmadonna. war Přibyl Generalvikar in Leitmeritz und somit bereits in einer hohen leitenden Funktion in der nordböhmischen Diözese. Seit dem 1. Oktober 2016 ist er als Generalsekretär der Tschechischen Bischofskonferenz in Prag

und die Fotografie. Seine Weltoffenheit zeigt sich auch in seinen Sprachkenntnissen: Neben Tschechisch beherrscht der neue Bischof Polnisch, Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch.

P. Dr. Stanislav Přibyl mit Bischof emeritus Jan Baxant im Gebet, unmittelbar nach der Verkündigung der Bischofsernennung am 23.12.2023 in der Leitmeritzer Kathedrale. Fotos: Alois Hofmann tätig, leitet das Sekretariat dieser Dachorganisation für die Aktivitäten der katholischen Kirche in der Tschechischen Republik und vertritt sie in den Medien. Zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zählen die Musik, hier insbesondere das Orgelspielen,

� Geschichte

So wie seine Vorgänger im Leitmeritzer Bischofsamt nach dessen Wiederbesetzung im Jahre 1989 (nach dem märtyrerhaften Tod von Kardinal Stepan Trochta im Jahre 1974 ließ die kommunistische Diktatur eine Neubesetzung nicht mehr zu)

dem Eingang in den Paß auf deutscher Seite finden wir Aussig, oberhalb Aussigs liegt über der Elbe die durch das Richtersche Bild weitbekannte Burg 1930 ist bei der Deutschen Ver- das vulkanische Böhmische Schreckenstein. Die Hussiten lagsanstalt in Stuttgart/Berlin Mittelgebirge abgeschnitten ist. schlugen bei Aussig im Jahre ein von Professor Dr. Albert von Leitmeritz liegt für uns jenseits 1426 den Markgrafen und zerHofmann verfaßtes, dreibändi- des Durchbruchs, in dem die El- störten die Stadt. ges Werk erschienen. be abwärts den Basalt des böhDas Mittelgebirge hat auch insofern eine besondere s trägt den Titel „Das Bedeutung, als es sich, deutsche Land und die nach Westen sehend, deutsche Geschichte“. Bei zwischen die Egersender Darstellung der geoke und die Egermüngraphischen und histodung stellt. Die Egersenrischen Zusammenhänke setzt sich im Teplitge zwischen Deutschland zer Becken fort, während und dem benachbarten die Egermündung auBöhmen wird auf der Seißerhalb der Senke oberte 274 des ersten Bandes halb des Mittelgebirauch unsere engere Heiges liegt. Umso größemat wie folgt erwähnt. re Bedeutung hatte aber „In Leitmeritz gegen- Rolandstatue am Leitmeritzer Rathaus, hat die Egermündung Foto: Sven Pillat von der anderen Seite über der Egermündung vermutlich beim Festumzug 1927. steht der letzte deuther. Abwärts von Leitsche Roland vor dem Slaven- mischen Mittelgebirges durch- meritz, links der Elbe, liegt das land. Die Bedeutung dieser Stel- bricht. Das Mittelgebirge bil- Schlachtfeld von Lobositz, und le für das Deutschtum wird in- det eine natürliche Grenze, bis gegenüber von Leitmeritz legdes dadurch geschwächt, daß sie hier hat einst die Macht der Mei- te an der Egermündung Joseph vom deutschen Elbland durch ßener Markgrafen gereicht. An II. die Festung Theresienstadt

Der letzte deutsche Roland

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hat auch Stanislav Přibyl schon in seiner Zeit als Leitmeritzer Generalvikar gezeigt, daß ihm die historischen deutschen Anteile an der Geschichte der einst größten deutsch-tschechischen Diözese Böhmens sehr am Herzen liegen. Unzählige Begegnungen mit Gruppen aus Fulda, der früheren Zentrale des einstigen Heimatkreisverbandes Leitmeritz e. V., und seine eigenen Besuche in Fulda, der heutigen Partnerstadt von Leitmeritz/ Litoměřice, belegen dies. Besonders augenfällig wird seine Affinität durch ein Werk, das für immer mit Stanislav Přibyl verbunden sein wird und das er während seiner Generalvikarszeit begonnen hat und bis heute fortführt: Die großartige Renovierung und die damit verbundene Neu-Belebung des religiösen Lebens der einstigen Hockewanzel-Erzdechanei und des sehr bedeutenden MarienWallfahrtsortes Oberpolitz/Horni Police sind eine seiner bleibenden Lebensleistungen. Mit Hilfe seiner ökonomischen Fähigkeiten und guter Vernetzungen bis hin zu Institutionen wie der Europäischen Union hat er es geschafft, daß im Jahre 2020 der barocke Wallfahrtskomplex in prächtig renovierter Form wieder geweiht werden konnte und so vor dem Verfall gerettet wurde. So wurde auch schon in den Jahren vor 2020 die Wallfahrt zum MariaHeimsuchungsfest am ersten Sonntag im Monat Juli wiederbelebt, an der tschechische und deutsche Pilger an die Traditionen der alten Wallfahrten in der Hockewanzel-Zeit anknüpfen. Auch in seiner Funktion in Prag läßt es sich Stanislav Přibyl nicht nehmen, zu Sonn- und Feiertagsgottesdiensten nach „seinem“ Oberpolitz zu fahren und dort in der Nachfolge von Erzdechant „Hockewanzel“ Wenzel Hocke – die Episoden um den kauzigen Priester (1732-1808) sind vielen Deutschböhmen und ihren Nachkommen vertraut – seelsorgerisch zu wirken. Der neue Bischof von Leitmeritz, P. Dr. Stanislav Přibyl CSsR, wird am 2. März 2024 in der Stephans-Kathedrale im sein Amt eingeführt und erhält durch den Prager Erzbischof Jan Graubner die Bischofsweihe. Alois Hofmann, Fulda Herzliche Glückwünsche dem neuen Bischof von Leitmeritz!

101 Jahre 01.02.1923, Karl Lischka, früher Kosten bei Türmitz 100 Jahre 21.02.1924, Josefine Wilhelm geb. Danner, früher Leitmeritz 95 Jahre 20.02.1929, Christl Glott, früher Tschalositz 13.02.1929, Berta Winkel geb. Stelzig, früher Fröhlichsdorf 10.02.1929, Franz Semsch, früher Ruschowan 09.02.1929, Gertrud Friedrichs geborene Süßemilch, früher Techobusitz 07.02.1929, Edith Grimm geb. Weirauch, früher Leitmeritz 01.02.1934, Alfred Borde, früher Roche 90 Jahre 28.02.1934, Margit Henzchen geb. Grunt, früher Krscheschitz 15.02.1934, Margit Maaß geb. Trojan, früher Zahorschan 10.02.1934, Ingeborg Bremer geb. Haase, früher Schüttenitz 07.02.1934, Margarete Ulber geb. Schlucke, früher Laden 03.02.1934, Doris Mlynarczuk geb. Badel, früher Sobenitz 02.02.1934, Ingeborg Bernhardt geb, Hocke, früher Morgendorf 85 Jahre 23.02.1939, Germana Goblirsch geb. Grünzner, früher Lichtowitz 19.02.1939, Harald Melzer, früher Taschow 18.02.1939, Wilfried Heller, früher Lucka 18.02.1939, Edith Kley geborene Knytl, fr. Skalitz bei Schüttenitz 05.02.1939, Dieter Niklas, früher Leitmeritz 80 Jahre 28.02.1944, Helmut Rauch, früher Nieder-Gügel 28.02.1944, Roswitha Neuffer geb. Rimpel, früher Leitmeritz

Auscha 12.02.1928, Sonja Hünert geborene Siegert 27.02.1940, Ingrid Sattler geborene Eichler Babina 05.02.1935, Ernst Hikisch Binowe 29.02.1940, Franz Laube Brschehor 27.02.1943, Wolfgang Melzer Drahobus 14.02.1932, Emma Bagatsch geborene Peschel Fröhlichsdorf 13.02.1929, Berta Winkel geborene Stelzig Gastorf 23.02.1932, Elfriede Streitenberger geborene Tobsch Graber 13.02.1928, Prof. Dr. Kurt Werner 11.02.1947, Dr. Johannes Kirchhof Groß-Tschernosek 27.02.1950, Hugo Wilfert an. Diese Festung (1780 bis 1882) Grünwald war gegen Preußen gerichtet .“ 09.02.1933, Edeltraud Helmer Helmut Hoffmann geborene Struppe Hlinay Die Rolandsäule in Leitmeritz 02.02.1941, Veronika Hillenbrand geborene Welk An der nördlichen Rathausec- Kninitz ke steht auf einem mächtigen 13.02.1932, Adele Baumann Pfeiler der steinerne Roland. Sei- geborene Wunder ne linke Hand stützt sich auf ei- Kochowitz-Gastorf nen Schild, mit der rechten schul- 13.02.1935, Emil Flache tert er eine Keule. Kotzauer Von diesem Rolandsbildnis er- 05.02.1932, Margit Kurs zählt man, es sei das Vermächt- geborene Kronwald nis eines Vaters, der an seine Krscheschitz Kinder fast sein ganzes, großes 19.02.1927, Eva Hildebrandt Vermögen hingab. Als er dann aber selbst in Not und Elend war und sich von ihnen allen � Mundart schmählich verlassen sah, bestimmte er, daß für sein letztes bißchen Habe als stete Erinnerung an Kindesundank dieses Wahrzeichen hier aufgestellt „Na, Wenz, du hosst gestan ouwerde, sodaß jeder es sehe und bnds, wie ich diech getruffn ho, a sich erinnere: Wer seinen Kin- e tichtiches Stamml Hulz hemmdern alles gibt vor seinem Tod, geschleppt, bist ganz krumm ist wert, man schlägt ihn mit der gangn, woor beschtimmt ausn Keule tot. Sven Pillat Schittenza Puschche!“ Dar Wenz Quelle: Josef Kern, Die Sagen drauf: „S heeßt doch aa hullts, des Leitmeritzer Gaues, 1922 dou mußmas a hulln.“ G. Pohlai

Hulz hulln

geborene Lischke Kutlitz 16.02.1935, Willibald Schubert Leitmeritz 16.02.1927, Friedrich Seidel 25.02.1927, Helga Ott geborene Wilczek 02.02.1931, Elisabeth Maurer 02.02.1933, Hans Usler 07.02.1933, Herbertz Füssel 12.02.1933, Marianne Langer geborene Lorenz 15.02.1942, Barbara Prislin geborene Stummer 03.02.1943, Sieglinde Kerber geborene Wirl 08.02.1943, Ursula Ralkow geborene Fürtig 05.02.1945, Siglind Wanschka geborene Krolopp Lichtowitz 19.02.1932, Gerlinde Chitralla geborene Protschke Lobositz 16.02.1941, Dr. Gerhard Gregori Malitschen 23.02.1933, Gerda Tanger geborene Petersik Molschen 20.02.1952, Annegret Losch Naschowitz 20.02.1931, Walter Klemmer Nieder-Wessig 02.02.1932, Margit Willert geborene Pilz Oberkoblitz 14.02.1958, Robert Tode Pitschkowitz 04.02.1928, Gertrud Gaube geborene Maresch Prosmik 06.02.1935, Marie Savouret geborene Fieber Robitsch 18.02.1941, Erika Becker geborene Pappert Roche 17.02.1940, Helmut Borde Rschepnitz 06.02.1930, Alfred Gudera 01.02.1940, Erika Voigt geborene Nowak Ruschowan 22.02.1930, Herta Senf geborene Schneider Schüttenitz 10.02.1931, Hildegard Pechwitz Sebusein 03.02.1930, Friedrich Neumann Taschow 20.02.1931,Ludmilla Lobers geborene Schröter 22.02.1970, Mario Kurt Melzer Trebnitz 10.02.1940, Dr. med. Edeltraud Haus geborene Petersik Triebsch 20.02.1962, Andreas Pilnei Tschersing 16.02.1941, Siegfried Schneider Tupadl 11.02.1928, Hildegard Schirmer geborene Mohr Wchinitz 19.02.1935, Richard Pieke Webrutz 14.02.1937, Valerie Salewski geborene Hocke Wegstädtl 09.02.1928, Hildegard Fechner geborene Ciboch 21.02.1930, Alfred Strotzer Werbitz 26.02.1936, Leontine Deckert geborene Palme Wocken 04.02.57, Annelies Bretschneider geborene Reichelt Wopparn 13.02.1941, Margarete Gräf geborene Poddany Zebus 15.02.1930, Isfried Grusser 04.02.1933, Margit Detzner geborene Richter

� Unseren Toten

zum ehrenden Gedenken 26.12.2023 Hilda Pillat geb. Mattausch, im Alter von 100 Jahren, früher Molschen bei Gastorf


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Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 02.02.2024

Foto: Dipl. Ing. V. Horak

Heimatblatt der Vertriebenen aus dem Stadt- und Landkreis Aussig an der Elbe

Betreuer der Heimatkreise – Aussig: Brigitta Gottmann, Hebbelweg 8, 58513 Lüdenscheid, Tel. 02351 51153, eMail: brigitta.gottmann@t-online.de – Kulm: Rosemarie Kraus, Alte Schulstr. 14, 96272 Hochstadt, Tel. 09574 2929805, eMail: krausrosemarie65@gmail.com – Peterswald, Königswald: Renate von Babka, 71522 Backnang, Hessigheimerstr. 15, Tel. 0171 1418060, eMail: renatevonbabka@web.de – Heimatgruppe Graupen, Mariaschein, Rosenthal und Umgebung: Sibylle Schulze, Müggelschlößchenweg 36, 12559 Berlin, Tel. 030 64326636, eMail: sibyllemc@web.de – Redaktion: Karin Wende-Fuchs, Agg 3, 83246 Unterwössen, Tel. 08641 6999521, Mobil 0157 32215766, eMail: aussiger-bote@t-online.de – Redaktionsschluß: jeweils der 15. des Vormonats.

� Ein Wahrzeichen der Stadt Der Berg Der Marienberg steigt mit seinen gewaltigen Felsmassen inmitten des Stadtgebietes zu einer Höhe von 264 m empor und trennt die alte Stadt von dem Stadtteil Schönpriesen. Er zeigt nach der Elbseite wie gegen die Dulze schroffe Abstürze, während ihn mit dem Brand ein breiter Rücken verbindet. Der Marienberg am linken Elbufer bildet mit dem gegenüberliegenden Felsen namens Kramolna am rechten Elbufer das sogenannte Aussiger Tor. Beide Felsen waren einst in einem Gebilde verbunden. Ende des 20. Jh. wurde genau an dieser Stelle die neue Marienbrücke gebaut. Der Marienberg ist vulkanischen Ursprungs und seit jeher einer der reichsten Fundorte von Mineralien wie Granat, Hyalit und Fluorit. Der Klingstein, der einst als feuerflüssige Masse aus dem Erdinneren emporgequollen ist, hat in diesem Zustand die Oberfläche nicht erreicht, sondern nur die Tonmergeldecke hochgehoben. Unter ihrem Schutz ist er erstarrrt. Durch die Gase, die nicht entweichen konnten, bildeten sich im Gestein Blasen, die sich sofort mit roten Zeolithkristallen füllten. Eine weitere Merkwürdigkeit des Marienberges ist, daß das Dach des Berges von altem Schotter gebildet wird, den die Elbe zur Zeit, als sie noch aus dem unteren Bielatal kam, hier ablagerte. In ihm wurde ein Zahn des Vorläufers des Mammut gefunden. Auf der Rückseite des Marienberges sind auch noch Spuren jener Tongruben zu finden, aus denen die alte Töpferstadt Aussig (Töpfervorstadt, Töpfergasse, Töpferhorn) ihren Rohstoff bezog. Erst in jüngster Zeit schälte die Elbe den Marienberg aus seinem Mergelmantel heraus. Noch Anfang des 19. Jh. waren die Südhänge des Marienfelsens mit Weinbergen bedeckt. Berühmt war der Podskaler Wein, der auch in den Sagen rund um den Marienberg vorkommt. Noch mehr Märchen und Sagen rankten sich allerdings über die Schätze und Bergzwerge. Laut

Der sagenhafte Marienberg

Blick von der Ferdinandshöhe zum Marienberg, 2016. Im Hintergrund die neue Marienbrücke. einer Sage soll der Felsen über magische Fähigkeiten verfügen und viele Geheimnisse oder unerklärliche Erscheinungen bergen. Das lockte viele Schatzsucher und Abenteurer an. Infolge der wirtschaftlichen Entwicklung verschwanden nach und nach die Weinberge, denn unter dem Felsen wurde die Eisenbahn gebaut und 1894 auf der Oststeite ein Steinbruch eröffnet.

Krieg und Frieden auf dem Marienberg Der Marienberg wurde mehrmals stummer Zeuge der Plagen und Katastrophen des Krieges, die die Stadt Aussig ereilten. Oft diente er fremden Armeen als Beobachtungsstandpunkt bei der Belagerung der Stadt. Im April 1778 besuchte der österreichische Kaiser Josef II. in Begleitung seines Bruders

und höchster Generäle die Stadt Aussig und betrachtete die Gegend vom Marienberg aus. Anschließend empfing er Vertreter des Magistrats. Im August desselben Jahres wurde Aussig von den Preußen besetzt. Die Stadt mußte hohe Abgaben zahlen, zudem tranken die Besatzer eine Menge Bier und einen bedeutenden Teil der Vorräte an Podskaler Wein. Preußische Soldaten, die zur Überwachung des Baus einer Pontonbrücke zwischen Wolfschlinge und Schönpriesen abkommandiert waren, vertrieben ihre Langeweile in den Weingärten am Marienberg, wo die Reben gerade reif waren. Nach Abzug der Preußen besuchte Josef II. noch zweimal die Stadt und dachte wohl darüber nach, auf dem Marienberg eine militärische Festung entstehen zu lassen. Diese Pläne wurden zu Gunsten der später errichteten

� Aus der Historie der Stadt Aussig

Die Bestätigung des Aussiger Stadtwappens

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or 550 Jahren, am 19. Juni 1457, bestätigte König Ladislaus in einer zu Wien ausgestellten Urkunde der Stadt Aussig den ferneren Gebrauch eines Wappens, wie sie es vor dem unglücklichen Hussitenkrieg und der Eroberung ihrer Stadt im Jahre 1426 besessen hatte. Damit ist auch die Beschreibung des alten Stadtwappens verbunden. Dasselbe war von roter Farbe, hatte in der Mitte einen hellgelben Kreis und in dem Kreise selbst einen grünen Schild, in dessen Mitte ein wei-

ßer Löwe in seiner ganzen Länge aufgerichtet stand, bewehrt mit Helm, Panzer und Brustharnisch. Der linke Hinterfuß des Löwen stützt sich nach rückwärts gegen den Rand des Schildes ab, während sich die anderen Füße mit den goldenen Krallen in die entgegengesetzte Richtung des Schildes strecken. Der gespaltene Schweif ist aufwärts gerichtet, in ähnlicher Weise wie im großen königlichen Siegel. Über der Wölbung des Helmes steht ungefähr in der Mitte des oberen

Schildteiles ein kleiner Fischerkahn, aus dem an der linken Seite gegen Ende zu ein kleines Ruder herausragt, welches fast bis zur Mitte zwischen den Enden der Schwanzspitzen reicht. Es war eine ganz besondere Anerkennung für die wackere Aussiger Bürgerschaft, daß Ladislaus in dieser Urkun­de ihre ausgezeichnete Tapferkeit, die sie stets in den Kriegen gezeigt hatte, rühmend hervorhob. Helmut Hoffmann (†) Quelle: Nach Dr. Wilhelm Feistner, Geschichte der königlichen Stadt Aussig bis zum Jahre 1547. Reichenberg. Abb: OME-Lexikon

Festung Theresienstadt fallen gelassen. Die Aussichtsplattform auf dem Marienberg zierte einst eine 1680 erbaute Barockkapelle, die zu Ehren der Mutter Gottes als Dank für die zu Ende gegangene Pest errichtet worden war. Unter Josef II. sollte sie niedergerissen

Foto: kw werden, was aber nicht geschah. Die renovierte Kapelle wurde dann 1815 nach den Napoleonischen Kriegen wiedereröffnet. Vom Marienberg aus kann man nämlich bis zum Schlachtfeld bei Kulm blicken, wo die Franzosen unter Napoleons Leitung besiegt worden waren.

Modell des geplanten Bauprojekts am Marienberg. Foto: Museum Aussig

Vor einiger Zeit wurde im Aussiger Boten über die EckelmannFabrik berichtet. Nach 1945 gab es für die Fabrik einen Neubeginn in Lauchheim.

� Leserbrief

Die Frau Brune

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as weiß ich von Fräulein Mauzi. Frau Brune und ihre Tochter Marie-Luise, genannt Fräulein Mauzi, verbrachten ihre Sommerfrische regelmäßig im Juli und August in Salesel. Aber Fräulein Mauzi mußte trotzdem arbeiten, sie fuhr jeden Tag mit dem Zug nach Aussig ins Büro der Firma Eckelmann. Für mich war die Freude groß, wenn die beiden Damen anreisten. Im Juli 1937, am Ende des 3. Schuljahres, soll ich angeblich ausgerufen haben: „Heite hob ich drei Freed’n: Die gruußen Ferien fangn on, ich hob lauter Eenser und die Frau Brune kimmt!“

Sommerfrische Salesel Postkarte: Archiv Es war eine Ehre, jeden Tag die „Aussiger Zeitung“ im Kaufladen „Hanf“ für sie zu holen. Dafür gab es immer einen Pfefferkuchen, ebenso für Blumensträuße, die ich ihr besorgte oder für besonders schöne Erdbeeren, die ich bei meinen Großeltern im Garten für sie gepflückt hatte.

Jedes Jahr wurde hier das „Franzosenfest“ mit einer feierlichen Prozession begangen, bis die Kapelle in den 1970er Jahren abgerissen wurde. Im Zweiten Weltkrieg kam dem Marienberg eine bedeutende Rolle zu.1940 stellte der angesehene Architekt Paul Bonatz ein Gipsmodell vor, das einem protzigen und überdimensionalen Palast der klassischen Antike, etwa der Akropolis, nachempfunden war. Hoch oben auf dem Marienberg sollte der neue Sitz des Aussiger Regierungsbezirkes sein. Der Plan wurde aus Geldmangel nie in die Tat umgesetzt. Trotzdem planten die Nationalsozialisten weiter. Diesmal ging es um einen zweispurigen Straßentunnel von Aussig nach Schönpriesen, was auf Grund des fortschreitenden Krieges und ebenfalls mangels finanzieller Mittel nicht realisiert wurde. 1944 baute man schließlich unter dem Marienberg einen weiträumen Luftschutzbunker an der Stelle des Tunnels. Ursprünglich für 10.000 Personen geplant, wurde er nur zur Hälfte fertiggestellt. Aus Mangel an Arbeitskräften rekrutierte man zum Bau vor allem Gefangene und Zwangsarbeiter. Ob der Bunker bei der Bombardierung Aussigs am 17. und 19. April 1945 in größerem Umfang genutzt wurde, ist nicht bekannt. Der ursprüngliche Plan, den Bunker später als Verkehrstunnel zu nützen, wurde schon zu Kriegszeiten vom Wiener Luftgau-Kommando abgelehnt und fallen gelassen. Die Besucher der alten Heimat erfreuen sich immer wieder am Blick vom Marienberg aus auf Aussig, Schönpriesen und auf die Ferdinandshöhe. Von der Ferdinandshöhe bietet der Blick auf den Marienberg ein ebenso schönes Fotomotiv. Im nächsten Aussiger Boten veröffentlichen wir noch einmal die Geschichte von unserer unvergessenen Erzählerin Grete David-Stelzig „Das Franzosenfest“. kw Quellen: „Aussig - Ein Heimatbuch“ von Eduard Wagner 2. Teil, 1922. muzeumusti.cz.

Frau Brune wohnte in Aussig in der Dresdner Straße in einer wunderbaren Wohnung. Ab 1939 ging ich in Aussig zur Schule. Von Zeit zu Zeit brachte ich Frau Brune eine Schachtel Eier von Großmutters Hühnern vorbei und bekam von ihr immer eine kleine Belohnung. 1953 habe ich Frau Brune und ihre Tochter wiedergefunden und sie besucht. Sie lebten jetzt sehr bescheiden in einem Zimmer mit zwei Schränken, zwei Betten, einem Sofa, drei Stühlen und einer Katze. Ihr kleiner Foxl war 1945 von der Hausdame vergiftet worden. Fräulein Mauzi arbeitete wieder bei der Firma Eckelmann in Lauchheim. So schließt sich der Kreis. Traudl Ulbrich-Fritsch, früher Salesel


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AUSSIGER BOTE

Sudetendeutsche Zeitung Folge 5 | 02.02.2024

� Fasching daheim

� Meldungen

Die Faschingszeit in Kosten wurde. Sie mußte die Veranstaltung sehr früh verlassen. Ganz im Gegensatz zu meinem Vater, der beim Tanzen lang durchhielt und mindestens einmal in der Nacht nach Hause eilte, um sein durchgeschwitztes Hemd zu wechseln. Ernst Kerschner († 2020)

Wenn der Weihnachtsbaum zu Heilig Dreikönig abgeräumt war, und der Winter bald zu Ende ging, haben sich die Leute im Dorf auf die Faschingszeit eingerichtet. Zwar ging es bei uns nicht so verrückt zu wie zum Beispiel im Rheinland, aber so ein bißchen Fasching feierten wir Anfang der Dreißigerjahre in Kosten bei Türmitz auch.

Fasching in Leukersdorf

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ch war damals 9 Jahre alt und habe schon mitgekriegt, wie es da zuging. Der Höhepunkt war natürlich der Faschingsumzug mit dem anschließenden Maskenball. Er fand meist Ende Februar statt. Da lag schon ein Hauch von Frühling in der Luft, und das war für die Maskierten im Festumzug und auch für die Zuschauer angenehm. Die Vorbereitungen gingen immer ganz geheim vor sich, weil ja nicht vorzeitig bekannt werden sollte, wer hinter der Maske steckte. Trotzdem hat man in der Nachbarschaft ganz vorsichtig herumgehorcht, als was die Leute gehen, denn man wollte nicht unbedingt im selben Kostüm erscheinen. Gegen Bezahlung konnte man sich im Aussiger Stadttheater alle möglichen Verkleidungen ausleihen. Manche kauften sich ihr Faschingskostüm im Geschäft, doch die Mehrzahl bastelte oder schneiderte sich selbst etwas zusammen; das war am billigsten und manchmal sogar am schönsten oder am originellsten. Die Maskierten taten sehr geheimnisvoll. Sie gingen nie aus ihren eigenen Haustüren, sondern aus Hintereingängen, durch Gärten oder hinter den Häusern vorbei, damit sie ja nicht vorzeitig erkannt wurden. Schließlich sollten die zahlreichen Zuschauer erraten, wer sich hinter der Maske verbarg. Beim Maskieren ließen die Teilnehmer ihre ganze Phantasie spielen, ich kann mich noch an einige Faschingskostüme erinnern. Da war zum Beispiel einer als Zigarette verkleidet, mit der Aufschrift der Zigarettenmarke „Zora“. Ein anderer ging als Abort. Er hat das ganz prima gemacht, nämlich so, wie die Aborte früher meistens auf dem Dorf ausgesehen haben, mit Holzdeckel, einem Haken mit Zeitungspapierabschnitten und einer Tür mit einem ausgeschnittenen Herz. Natürlich haben auch die gängigen Masken nicht gefehlt, wie etwa Seeräuber, Abenteurer, Tarzan oder Märchenfiguren.

Elberadweg wird fertig

Mitte Jänner begann die Ballsaison. Da waren auch jung und alt am Wirken, um den FeuerwehrJagd- oder auch einen Lumpenball so gemütlich wie nur möglich zu gestalten. Die Musiker brachten dann die richtige Stimmung, wenn sie zu den Blasinstrumenten griffen und alte, vertraute Weisen erklingen ließ, darunter Walzer, Ländler und die fröhlichen „Rheinländer“. Bei solcher Stimmung war dann keiner mehr zu halten, sogar die „Weißköpfe“ wurden nochmal jung und schwangen das Tanzbein, daß die Tanzfläche krachte. Dieser Rummel endete meistens erst zum Morgengrauen und die

Die Giraffe aus der Chronik „Habrowan“ von Heinz Wanschura.

Seit dem schweren Unfall im Jahr 2021, bei dem ein Mensch ums Leben kam, ist die Seilbahn außer Betrieb. Die Stadt Liberec (Rei-

Neue Regionalbusse im Bezirk Aussig Seit September fahren im Bezirk Aussig 90 nagelneue Busse, die mit allem Komfort ausgestattet sind, wie Klimaanlage und USBSteckdosen zum Aufladen von Handys. Die Busse wurden in der Türkei von der Firma Otokar gefertigt. Otokar heißt auf Tschechisch „Otto“. Der Spitzname ist damit schon vorprogrammiert… Vor einigen Jahren hat der Bezirk Aussig die Verträge mit seinen Bus-Dienstleistern gekündigt und eine eigene Busgesellschaft gegründet, allerdings ohne über eigene Fahrzeuge zu verfügen. Diese mußten angemietet werden. Das ist nun vorbei. Wir wünschen den neuen Bussen gute Fahrt! kw Quelle: Sächsische Zeitung, 21.7.2023

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Fasching wurde auch nach 1945 gefeiert. Plakat zum Makenball im Münchner Augustinerkeller 1955.

Kinderfasching in der Heimat um 1930. Ernst Riedel und Gretl Bernreuther geb. Neumann aus Tellnitz im Alt-Wiener Faschingskostüm. Leider sind beide schon verstorben. Fotos: Archiv

Die Aufstellung des Umzugs war immer oben an der Bahn. Vorn an der Spitze marschierten die Musikkapelle und der Dorfpolizist. Uns Kindern gefiel besonders der Trommler, der die große Trommel auf dem Rücken trug, und hinter dem einer marschierte, der sie schlug. Der Umzug ging die Dorfstraße hinunter, an den Bauernwirtschaften, Kaufläden und am Gasthaus „Zum Bielatal“ vorbei über die Brücke und zum Dorfplatz, dann weiter bis zu „Strakas Gasthaus“, wo auch der Maskenball stattfand.

Es war nur schade, daß wir Kinder nach dem Umzug nicht mehr mit zum Ball im großen Saal gehen durften. Wir hätten damals zu gern den Höhepunkt, die Demaskierung, miterlebt. Aber es herrschten damals strenge Sitten und wir Kinder mußten uns darauf beschränken, einen Blick durch die Saalfenster zu werfen. Ich weiß noch, daß ich einmal vom Nebenraum des Saales aus ein paar Eindrücke erhaschen konnte, weil ich meine Mutter abholen sollte, der es vom Tanzen immer schwindlig

Unermüdlichen schafften es sogar bis Mittag. Nach den „tollen Tagen“ kam die Fastenzeit und rief den Menschen zur Besinnung. Diese Zeit wurde dann auch recht besinnlich verbracht. Trotzdem veranstalteten die Vereine kleine Unterhaltungen und so schwanden auch die Wochen bis Ostern dahin. Für uns war es eine Lehre, daß es im Leben Abwechslung geben muß – denn ewig schön wäre mit der Zeit niemals schön. Adolf Pieschel († 1986) aus der Chronik „Leukersdorf“

n 101. Geburtstag: Am 12. 2. Gerhard STEPPES-MICHEL aus Aussig, Dr. Hasner-Straße.

n 88. Geburtstag: Am 8. 2. Liane JUNG geb. Franze (Richter Liane) aus Peterswald Nr. 400.

n 99. Geburtstag: Am 22. 2.

n 87. Geburtstag: Am 11.2.

Ilse BERLIN geb. Hasche aus Tillisch in 18059 Rostock, Kurt-Tucholsky-Str. 25.

n 98. Geburtstag: Am 28. 2. Doris KLIEMANNEL aus Aussig, Tel. 001 514 979 8077. n 97. Geburtstag: Am 17. 2. Charlotte REIF geb. Grimm aus Aussig / Schönpriesen in 65187 Wiesbaden, Feldbergstr. 13. n 96. Geburtstag: Am 20. 2. Maria STRAHL geb Mattausch aus Morawan in 17373 Ueckermünde, Lübecker Str. 16. n 95. Geburtstag: Am 18. 1. Liesl Wenzel geb. Eibicht aus Schönpriesen / Schwaden. n 94. Geburtstag: Am 18. 2. Wolfgang EGGERT aus Schwaden.

Schönfeld im Winter

n 93. Geburtstag: Am 5. 2. Herbert STOLLE aus Saubernitz. – Am 10. 2. Walter SCHMIDT aus Liesdorf in 71711 Steinheim, Riedstr. 49.

Mit der verschneiten Pfarrkirche von Schönfeld und dem zugefrorenen Schönfelder Teich, auf dem sich jung und alt tummelten, erinnern wir an das „verschwundene“ Schönfeld.

n 92. Geburtstag: Am 20. 2. Antonia DIEMUNSCH geb. Hrdlicka aus Aussig-Lerchenfeld, Am Laden 55 in 64380 Roßdorf bei Darmstadt, Riedgasse 28 a.

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Die Pfarrkirche in Schönfeld.

Neues von der Seilbahn auf den Jeschken

Tumhotel auf dem Jeschken, 2008. Foto: kw

� Erinnerungen

er Katechet Josef Schütz schreibt über Schönfeld, daß der Ort 1352 als Kirchenort erstmals genannt wurde. Er lag auf 174 m Höhe an der Straße

Im Frühling soll der Elberadweg von der sächsisch-tschechischen Grenze bis in den Mittelböhmischen Bezirk hinein komplett fertiggestellt sein. Der Bau des letzten Abschnitts bei Křešice (Kreschitz), östlich von Litoměřice (Leitmeritz), ist zwar nur einen Kilometer lang, aber anspruchsvoll, weil zugleich eine neue Brücke über den Bach Úštěcký potok (Auscha) gebaut werden muß. Neben der Brücke werden ein überdachter Rastplatz und ein Autoparkplatz entstehen. kw Quelle: Sächsische Zeitung, 21/22.10.2023

chenberg) möchte nun dem Betreiber, der Tschechischen Bahn, die Seilbahn abkaufen. Noch wird über den Kaufpreis von angeblich 17 Millionen Tschechische Kronen verhandelt. Parallel dazu entwerfen Ingenieure der Technischen Universität von Liberec konkrete Pläne, wie die Bahn in Zukunft aussehen soll. Man kann gespannt sein, denn sie soll ähnlich ungewöhnlich werden wie das futuristische Turm-Hotel am Gipfel des Jeschken. kw Quelle: Sächsische Zeitung, 3.11.2023

Winterfreuden auf dem Eis. Türmitz – Raudnig – Modlan am Senselner Bach. Dieser wurde mit dem Modlaner Bach bereits vor 1647 zum Schönwalder Teich gestaut. Er diente als Wassersammelbecken für die ehemals im Osten des Ortes befindliche Mahl- und Brettmühle. Der Teich war der zweitgrößte im Kreis Aussig. Ursprünglich war Schönfeld ein alter Herrensitz aus dem 12. Jahrhundert und gehörte 1315 zur Herrschaft Geiersburg, später zur Herrschaft Türmitz. Im Hussiten- und dem Dreißigjährigen Krieg hatte Schönfeld sehr

Fotos: Archiv gelitten. 1839 und 1866 wütete zudem die Cholera. Die Pfarrkirche stammte bis auf den Turm aus dem 18. Jahrhundert, das schmiedeeiserne Kreuz bei der Kirche von 1696. Schon bald nach 1800 setzte der Kohlenbergbau auch in Schönfeld ein, 1872 gab es bereits 19 Zechen im Gemeindegebiet. Durch eine Drahtseilbahn war der Albert-Schacht mit der Fabrik in Aussig verbunden. Er gehörte den Grafen Nostitz in Türmitz und dann den Chemischen Werken in Aussig. 1808 legte ein Orkan den hohen Schornstein

Der Milada See.

Foto: OSR-PIP

des Albert-Schachtes um. Um 1945 zählte Schönfeld 162 Häuser und 1468 Einwohner, die zum Teil in der Landwirtschaft, zum größten Teil aber in der Industrie in Aussig und Teplitz als Bergarbeiter und Angestellte arbeiteten. Schönfeld ereilte dasselbe Schicksal wie Wicklitz und Herbitz: Zwischen 2001 und 2010 wurde das gesamte Gebiet mit den ehemaligen Braunkohlebecken auf 252 ha geflutet und bildet heute den Milada See. kw Quelle: Josef Schütz, AB 04/2012

n 91. Geburtstag: Am 16. 2. Hilde LASER geb. Wallisch aus Peterswald Nr. 448 in 01896 Ohorn, Weberstr. 1. – Am 16. 2. Christel EHRT geb. Klösel aus Schönpriesen in 90449 Nürnberg, RöthenbacherHauptstr. 33 a. – Am 21. 2. Walli GROHMANN geb. Galfe aus Stöben. n 90. Geburtstag: Am 15. 2. Hildegard GOMILLE geb. Heinzel aus Aussig-Kleische, Laubenhof. n 89. Geburtstag: Am 7. 2. Willi HOHLEY aus Nestomitz.

Leo PAUL aus Schöbritz. – Am 25. 2. Waltraud DISCHERT geb. Netter aus Schönpriesen in 36251 Bad Hersfeld, Überm Dorf 6. – Am 26. 2. Christa HORN geb. Burghart aus Karbitz, Aussiger Straße. n 86. Geburtstag: Am 23. 2. Ingeborg THIELSCH (Tochter von Rat Martl) aus VoitsdorfSchönwald. – Am 26. 2. Gretl PFEIFFER geb. Rechner aus Aussig in 07318 Saalfeld, Pirmasenser Str. 12. n 85. Geburtstag: Am 6. 2. Dipl.-Ing. Christian KROITZSCH aus Aussig, Dresdner Straße in 89081 Ulm, Johannes-Weißer-Weg 2. n 83. Geburtstag: Am 8. 2. Manfred HRDINA aus Aussig, Kleischer Str. 61 in 85221 Dachau, Paula-WimmerStr. 24. – Am 20. 2. Heide LUNGHAMER geb. Ulrich aus Aussig, Helmut-Lang-Str. 3 in 74193 Schwaigern, Oststr. 24. – Am 1. 3. Christa DOERING aus Aussig in 06237 Leuna, Bunsenstr. 27. n 79. Geburtstag: Am 25. 2. Rosemarie HRDINA (Ehefrau von Manfred HRDINA aus Aussig) aus Hochofen, in 85221 Dachau, Paula-Wimmer-Str. 24. n 73. Geburtstag: Am 5. 2. Regina SIELAND geb. Ibl aus Modlan (Tochter von Sieglinde Ibl geb. Vojik aus Modlan) in 37281 Wanfried, Wallstr. 8 a. n 59. Geburtstag: Am 22. 2. Gernot HEGENBART (Vater Horst Hegenbart aus Schreckenstein) in 71229 Leonberg, Dietrich-Bonhoeffer-Str. 10.

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