Postelberg: Aufarbeitung eines tschechischen Massenmordes (S. 5)
Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Reicenberger Zeitung HEIMATBOTE
Jahrgang 76 | Folge 7 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 16. Februar 2024
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Gorilla-Nachwuchs im Prager Zoo
Schockverliebt in Mobi
74 . S U D E T E N D E U T S C H E R TAG 17 . B I S 19 . M A I 2 0 2 4 IN AUGSBURG
Das Gorillaweibchen, das am 2. Januar im Dja-Reservat im Prager Zoo geboren wurde, ist jetzt auf den Namen Mobi getauft worden. Im Badjoué-Dialekt, der rund um das Dja-Biosphärenreservat in Kamerun gesprochen wird, bedeutet dies „Erbin“ oder „Nachfolgerin“.
Sudetendeutsche und Tschechen – miteinander für Europa
Sudetendeutsche Zeitung
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Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
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Mitteilungsblatt für den früheren Gerichtsbezirk Zuckmantel im Altvatergebirge
Tschechische Regierung:
Weitere Schritte für Reaktorbau Nach der Entscheidung, die Atomkraftstandorte in Dukowan und Temelin statt um einen gleich um vier Reaktorblökke zu erweitern (Sudetendeutsche Zeitung berichtete), hat die tschechische Regierung weitere Maßnahmen beschlossen.
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er Bau der neuen Reaktoren und der notwendigen Anlagen erfordere, so Verkehrsminister Marin Kupka nach einer Kabinettssitzung, auch einen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, „um den Transport von überdimensionierten Bauteilen und anderen Baumaterialien, aber auch den Transport der Bauarbeiter von ihren Unterkünften und andere Anforderungen, die ein solch großes Investitionsprojekt mit sich bringt, zu ermöglichen“. Nach einer ersten Schätzung kalkuliert Kupkas Verkehrsministerium mit Investitionen von insgesamt 13,54 Milliarden Kronen (500 Millionen Euro) bis 2034. Der diesjährige Finanzbedarf werde aus dem Haushalt des Staatlichen Fonds für Verkehrsinfrastruktur bereitgestellt und sowohl der Direktion für Straßen und Autobahnen als auch den zuständigen Regionen zugewiesen. Die beiden verbleibenden Bieter, der französische Konzern EDF und Korea Hydro & Nuclear Power, müssen bis 15. April ihre aktualisierten Angebote einreichen. Bis 2036 soll dann der erste Reaktorblock ans Netz gehen.
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Mobi mit Gorilla-Mutter Duni.
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Fotos: Oliver Le Que/Prager Zoo
orgeschlagen hatte den Namen ein Schüler aus Kamerun. In Zentralafrika engagiere sich der Prager Zoo seit langem für den Schutz der wilden Gorillas, erklärte Direktor Miroslav Bobek, der als Dank von einem kamerunischen Häuptling ein traditionelles Gewand geschenkt bekommen hatte. Das Gourilla-Weibchen war am 2. Januar zur Welt gekom-
Im Gewand eines kamerunischen Häuptlings präsentierte Zoo-Direktor Miroslav Bobek den Namen. men und ist der erste Nachwuchs im neuen Dja-Reservat. „Die Geburt verlief schnell, und obwohl das Weibchen Duni eine Erstgebärende war, hat sie alles ohne die geringsten Schwierigkeiten bewältigt“, sagte Pavel Brandl, Kurator für Säugetiere im Prager Zoo.
Rund 50 Staats- und Regierungschefs sowie 100 Minister treffen sich an diesem Wochenende in München
Siko-Chef Christoph Heusgen: „Putin hält uns für Weicheier“ Direkt im Vorfeld 60. Münchner Sicherheitskonferenz, zu der Vertreter Rußlands im Gegensatz zu früheren Jahren nicht eingeladen sind, hat Präsident Wladimir Putin dem rechtsgerichteten US-Moderator Tucker Carlson ein Interview gegeben. Es war das erste Mal seit Kriegsbeginn, daß sich Moskaus Machthaber über ein westliches Medium zu Wort meldete. Während Putin versicherte, er habe kein Interesse an einem Angriff auf einen Nato-Staat, wächst im Westen die Sorge vor einer Ausweitung des Krieges auf Mitteleuropa, zumal Donald Trump in einer Wahlkampfrede die Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 in Frage gestellt hat.
Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz. Fotos: MSC/Kuhlmann.
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r sei, so Trump am Samstag in South Carolina, von einem Präsidenten eines großen europäischen Staates gefragt worden, ob die USA seinem Land bei einem russischen Angriff beistehen werde, wenn man das ZweiProzent-Ziel der Nato nicht erfüllt habe: „Sie haben nicht gezahlt? Sie sind säumig? Ich würde Sie nicht verteidigen. Ich würde die ermuntern, das zu tun, was immer sie zur Hölle tun wollen. Man muß seine Rechnungen bezahlen.“ Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg konterte postwendend: „Jede Andeutung, daß Verbündete sich nicht verteidigen werden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit, einschließlich der der Vereinigten Staaten, und setzt US-Soldaten und europäische Soldaten einem erhöhten Risiko aus.“ Der von vielen Medien verbreitete Vorwurf, Trump habe sich mit seinem Aufruf „Ich würde sie („them“) ermuntern“ an die Russen gewandt und Putin somit zum Angriff auf einzelne Nato-Länder aufgefordert, läßt sich anhand der Originalrede allerdings nicht belegen.
In jedem Fall wird das TrumpZitat aber in München für Gesprächsstoff sorgen, zumal die USA mit Vize-Präsidentin Kamala Harris und Außenminister Antony Blinken hochrangig vertreten sein werden. Bereits in der vergangenen Woche hatte Tschechiens Präsident Petr Pavel, der ebenfalls nach München reisen wird, Europa aufgerufen (Sudetendeutsche Zeitung berichtete), in die strategischen Überlegungen auch einen Wahlsieg von Trump einzubeziehen. Zu der 60. Münchner Sicherheitskonferenz, die von Freitag, 16. bis Sonntag 18. Februar im Hotel Bayerischer Hof stattfindet, werden rund 50 Staats- und Regierungschefs sowie 100 Minister aus der ganzen Welt erwartet. Eröffnet wird das weltweit wichtigste Politiker- und Exper-
2023: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Polens Präsident Andrzej Duda und Kanzler Olaf Scholz. Fotos: MSC/Gülland/Mediaservice Novotny.
Kommt wieder nach München: USVizepräsidentin Kamala Harris.
tentreffen von UN-Generalsekretär António Guterres. Konferenzleiter ist der ehemalige deutsche Botschafter Christoph Heusgen, der einen russischen Angriff auf Nato-Gebiet für nicht ausgeschlossen hält. Der Rheinischen Post sagte Heusgen: „Sollte Putin den Krieg in der Ukraine nicht verlieren, müssen wir damit rechnen, daß er auch nach der Republik Moldau oder den baltischen Staaten greift.“ Als Beleg zitierte Heusgen den russischen Präsidenten, der mehrfach gesagt hatte, „daß die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts der Zerfall der Sowjetunion war, weil damit viele Russen außerhalb der Grenzen Rußlands gestrandet“ seien. Demnach wolle Putin ein Groß-Rußland in den Grenzen der ehemaligen Sowjetunion wiederherstellen, ein russisches Weltimperium, in dem er zarengleich herrsche, sagte der langjährige außenpolitische Berater der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel der Zeitung.
ne Politik der Stärke“, so Heusgen. Auch Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, hatte in seinem Bericht zur Lage auf der Vorstandssitzung der Sudetendeutschen Landsmannschaft eindringlich vor Putin gewarnt (Sudetendeutsche Zeitung berichtete): „Wir sind nicht Kriegspartei, aber Kriegsziel.“ Putin träume von einem eurasischen Reich von Wladiwostok bis Lissabon. Der langjährige Münchner Europaabgeordnete gehört bereits seit über zwei Jahrzehnten, mit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges, zu den profiliertesten Warnern vor Putin. Der Moskauer Machthaber setzte daraufhin 2015 Posselt und eine Reihe weiterer europäischer Politiker auf eine schwarze Liste und verhängte ein Einreiseverbot, was Posselt souverän konterte: „Ich empfinde es als Ritterschlag für meine jahrzehntelange Menschenrechtsarbeit, nicht nur in Rußland.“ Torsten Fricke
Er, Heusgen, wolle nicht darüber spekulieren, was Putin wirklich wage. „Aber wir müssen alles tun, damit die Ukraine jene Waffen und Militärhilfe bekommt, die sie bräuchte, um sich gegen die russischen Aggressoren erfolgreich zu wehren und sie von ihrem Staatsgebiet wieder zu vertreiben.“ Gegenüber der Wirtschaftswoche wurde Heusgen noch deutlicher und sagte: „Wladimir Putin wittert Schwäche. Putin hält uns für Weicheier und glaubt, daß er am längeren Hebel sitzt.“ Der Westen müsse Putin deshalb zeigen, „wie falsch er damit liegt“. Erst wenn Putin merke, daß er den Krieg gegen die Ukraine nicht gewinnen werde, gäbe es „eine echte Chance für Verhandlungen und Vereinbarungen“. Habe Putin dagegen Erfolg in der Ukraine, werde er sein Ziel weiterverfolgen: die Wiederherstellung des russischen Imperiums. „Und dazu gehören einige Länder, die heute Mitglied der Nato sind. Putin versteht nur ei-
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AUS UNSEREM PRAGER BÜRO
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er 1942 in Klösterle geborene freiheitlich engagierte Journalist Petr Anderle mußte während der Zeit der kommunistischen Herrschaft im Bergwerk arbeiten. Nach der Samtenen Revolution widmete er seine Arbeit vollständig der deutsch-tschechischen Verständigung. Seine heimatpolitische Tätigkeit richtete sich auf das früher von Deutschen besiedelte Gebiet Nordmährens und Schlesiens. Anderle
konnte in kurzer Zeit mehrere wertvolle Publikationen veröffentlichen, die sich mit den Leistungen der Sudetendeutschen zur Zeit ihrer Besiedelung befassen. Später verlegte er seinen Wohnsitz nach Czeladna (Čeladná) im Kreis Mistek und setzte auch dort sein menschenverbindendes Engagement fort. Sein langjähriger Einsatz galt auch der Arbeit im Vorstand der tschechischen Paneuropa-Union (PANEVROPA), da ihm das vereinte Europa am Herzen liegt.
PRAGER SPITZEN SL-Büroleiter Peter Barton besuchte unseren Freund und Landsmann in seinem Wohnort und unterhielt sich mit ihm über die Möglichkeit einer weiteren Zusammenarbeit. In diesem Zusammenhang erwähnte Barton, wie sehr Anderle ihm bei seiner Mission geholfen hatte, alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, und wie er ihm als Mitarbeiter und Freund immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden habe.
Namensstreit am Otfried-Preußler-Gymnasium in München-Pullach
Hexenjagd gegen den Vater der „Kleinen Hexe“
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erzeit finde, ausgehend von einigen Lehrern, die das Pullacher Gymnasium, das nach Preußler heißt, umbenennen wollen, eine „richtiggehende Hexenjagd gegen den Vater der ‚Kleinen Hexe‘ und zahlreicher anderer Kinderbücher mit einer internationalen Millionenauflage statt“, so Bernd Posselt. Preußler habe niemals geleug-
net, als Teenager 1940 den Roman „Erntelager Geyer“ verfaßt zu haben, der seine Erlebnisse mit dem sogenannten „Jungvolk“ entsprechend dem nationalsozialistischen Zeitgeist wiedergibt: „An diesem Erstling Preußlers gibt es nichts zu beschönigen. Man darf aber nicht vergessen, daß der Autor nach drei Jahren Ostfront, fünf Jahren in sowjetischen Kriegsgefangenenlagern und der Vertreibung aus der Heimat mit dem braunen Gedankengut restlos gebrochen und ein auf Toleranz und Völkerverständigung hinorientiertes Lebenswerk aufgebaut hat“, stellt Posselt fest. Insbesondere das an eine sorbischen Legende anknüpfende Meisterwerk „Krabat“ sei eine warnende Auseinandersetzung mit dem Mißbrauch junger
Menschen durch dunkle Mächte. Von Preußler lasse sich lernen, wie verheerend der Nationalismus und die nationalsozialistische Ideologie waren, denen er in den 1930er Jahren selbst erlag. Mit Blick auf die Gefahr, daß derartiges Gedankengut in unserer Zeit wiederkehrt, ist das literarische Erbe Preußlers umso bedeutsamer. Die „Flucht nach Ägypten, königlich böhmischer Teil“ sei ein Roman für Erwachsene und als solcher das eindrucksvollste literarische Denkmal der Welt der Sudetendeutschen und der Tschechen vor der Vertreibung. Der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe zeigte sich in diesem Zusammenhang erfreut über die hohe Anerkennung, die Preußler in der Tschechischen Republik genießt.
as tschechische Außenministerium hat angekündigt, daß Russen und Weißrussen auf unbestimmte Zeit keine Visa erhalten. Die ursprüngliche Sperre läuft am 31. März aus. Die tschechische Regierung hatte kurz nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 diese Maßnahme beschlossen. Ausgenommen sind humanitäre Notfälle sowie Angehörige von EU-Bürgern.
In den 54 Jahren seit der Entlassung aus sowjetischer Gefangenschaft habe der Schriftsteller nicht nur auf eindrucksvolle Weise sowohl als Lehrer als auch als Familienvater sein Schicksal gemeistert, sondern vielen Generationen von Jugendlichen, von China über Afrika bis Südamerika, eine Weltsicht vermittelt, die in ihrer friedenstiftenden Weise heute nötiger ist denn je. Mit Umbenennungen von Einrichtungen, die Preußlers Namen tragen, werde pädagogisch das Gegenteil von dem erreicht, was man vorgebe zu wollen: „Lieber sollte man diesen großen Erzähler für das würdigen, was er künftigen Generationen zu bieten hat – was niemanden daran hindern soll, sich auch kritisch mit seiner Lebensgeschichte auseinanderzusetzen“, so Posselt.
Hier lebt das Mittelalter wieder auf
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m März öffnet die Burg ihre Tore nur samstags und sonntags von 10.00 bis 16.00 Uhr. Im April und Mai sind Besichtigungen dann dienstags bis sonntags von 10.00 bis 17.00 Uhr möglich. Und im Sommer werden die Öffnungszeiten auf 18.00 Uhr verlängert. „In diesem Jahr können sich die Besucher auf zahlreiche Veranstaltungen freuen“, sagt Jan Buriánek, stellvertretender Kastellan von Burg Seeberg. So kommen am Freitag, 28. Juni, unter dem Motto „Märchenschloß Seeberg“ vor allem die Kinder auf ihre Kosten. Und am Samstag, 20. Juli, ab
Mittelalterliches Leben auf Burg Seeberg. Die neue Saison startet am Samstag, 2. März. Foto: Václava Simeonová 10 Uhr können sich Groß und Klein auf der Burg ins Mittelalter zurückversetzen lassen. „Es gibt historische Handwerks-Vorführungen, einen mittelalterlichen Jahrmarkt und auch Musik aus der Zeit“, informierte Buriánek. Im Herbst folgen ein großes Weinfest sowie die Veranstal-
tung „Magisches Spukschloß für alle“. Während der jeweiligen Veranstaltungstage wird auch eine Busverbindung von Franzensbad angeboten. Burg Seeberg ist eine der ältesten Wehranlagen in Böhmen. Die Burg wurde Ende des 12. Jahrhunderts ursprünglich im ro-
it 88 von 98 Stimmen ist Andrej Babiš auf dem Ano-Parteitag als Vorsitzender bestätigt worden. Der Milliardär kündigte an, er werde 2025 für das Amt des Premierministers kandidieren und im Wahlkampf mit seinem Wohnmobil „jeden Kreis abklappern“. Im Amt bestätigt wurden auch die Stellvertreter Karel Havlíček und Alena Schillerová, die zudem Fraktionschefin ist. Neuer Vize ist Robert Králiček, der den mährisch-schlesischen Kreishauptmann Ivo Vondrák ersetzt, der die Partei verlassen hat. Babiš war von 2017 bis 2021 Premierminister. Die von ihm gegründete Ano-Partei liegt in allen Umfragen mit großem Abstand vorne. Babiš: „Die Europawahl ist die erste Prüfung, und die wichtigste kommt dann 2025.“
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Auf Burg Seeberg bei Franzensbad beginnt die Besuchersaison
Fünf Kilometer westlich von Franzensbad thront Burg Seeberg, einer der meistbesuchten Touristenmagnete im Egerland. Das heutige Burgareal, dessen Ursprung bis ins 12. Jahrhundert zurückgeht, bildet ein romanischer und gotischer Palast, ergänzt von einem Renaissanceflügel mit schönem Arkadengang. Am Samstag, 2. März, beginnt dort die neue Saison.
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Visa-Sperre soll verlängert werden
In der Ausstellung „Ein bißchen Magier bin ich schon...“ ist auch Otfried Preußlers schwierige Jugend unter den Nazis aufgearbeitet worden. Fotos: Francis König, Torsten Fricke, Archiv
Einen „differenzierten und qualifizierten Umgang“ mit dem herausragenden literarischen und pädagogischen Erbe des 1923 im nordböhmischen Reichenberg geborenen und 2013 in Prien am Chiemsee verstorbenen, weltberühmten Schriftstellers Otfried Preußler hat der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, angemahnt.
Andrej Babiš bleibt Ano-Chef
manischen Stil erbaut. Noch heute zu sehen ist die typische mittelalterliche schwarze Küche. Im 14. Jahrhundert folgte ein Umbau im gotischen Stil und im 16. Jahrhundert im Barockstil. Einzigartig ist auch die Schloßkapelle, die bis ins 15. Jahrhundert für Gottesdienste genutzt wurde. Während der gesamten Saison dient die Burg auch als Museum und bietet ihren Besuchern umfangreiche Ausstellungen, die die Geschichte der Burg, die Entwicklung ihres Interieurs, das Möbeldesign im 19. Jahrhundert mit Empire, Biedermeier, Rokoko, Neorenaissance, Neugotik sowie Chippendale, berühmte Egerländer Intarsienmöbel und die Historie der Porzellanherstellung in Westböhmen präsentieren. Die Räumlichkeiten einer gezimmerten Barockscheune und des Turmspeichers in der Vorburg sind wiederum der traditionellen Kultur, der Landwirtschaft und Handwerken in den ländlichen Gebieten des Egerlands im 19. Jahrhundert gewidmet. Václava Simeonová
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Filmfestspiele in Karlsbad
er Termin steht: Die 58. Karlsbader-Filmfestspiele finden vom 28. Juni bis zum 6. Juli in der Weltkulturerbestadt statt. Gezeigt werden rund 200 Filme, zum Teil als Weltpremieren. Erwartet werden wieder viele amerikanische und europäische Filmstars.
Prager Theater wird kernsaniert
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as 1907 eröffnete Theater in den Königlichen Weinbergen (Divadlo na Vinohradech) soll für 2,7 Milliarden Kronen (107 Millionen Euro) kernsaniert werden, hat der Prager Stadtrat entschieden. Eine entsprechen-
de Ausschreibung soll im April veröffentlicht werden. Geplant ist, daß die Restaurierungsarbeiten bis 2027 abgeschlossen sind. Mit der Sanierung soll auch eine unterirdische Kammerbühne eingebaut werden. Die Entscheidung des Stadtrates muß noch von der Stadtverordnetenversammlung bestätigt werden.
Brünn: „Vom Trauma zur Hoffnung“
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as völkerverbindende Festival Meeting Brno, das vom 21. bis 30. Juni in Brünn stattfindet, steht heuer unter dem Motto „Vom Trauma zur Hoffnung“. „Die Vergangenheit begraben? Manchmal erscheint diese Option verlockend. Aber historische Ereignisse leben in Geschichten von Generation zu Generation weiter“, erklären die Organisatoren das diesjährige Thema. Der traditionelle Versöhnungsmarsch vom Massengrab in Pohrlitz zurück in die Stadt Brünn steht am Samstag, 22. Juni, auf dem Programm. Die SL-Landsmannschaften Bayern und Baden-Württemberg werden mit mehreren Bussen anreisen.
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Becherovka wird polnisch
as tschechische Kartellamt (ÚOHS) prüft den geplanten Verkauf der Produktionsfirma des weltberühmten Kräuterlikörs Becherovka an den polnischen Konzern Maspex. Die Firma Jan Becher – Karlovarská Becherovka, die den traditionsreichen Kräuterlikör aus Karlsbad herstellt, ist seit 2001 im Besitz des französischen Unternehmens Pernod Ricard. Über die geplante Transaktion hatten die beiden Firmen Ende vergangenen Jahres informiert. Vorgesehen ist, den Verkauf noch in der ersten Jahreshälfte 2024 abzuschließen. Maspex will auch „ausgewählte Rechte des geistigen Eigentums der Johann Becher GmbH & Co. oHG Likörfabrik“ mit Sitz in Köln erwerben. Erfinder des Kräuterlikörs war der Apotheker Josef Vitus Becher aus Karlsbad. Dessen Erben wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Egerland vertrieben und enteignet. Um die Marke hatte es immer wieder Rechtsstreitigkeiten gegeben.
Sudetendeutsche Zeitung ISSN 0491-4546 Erscheint wöchentlich freitags. Redaktionsschluß Veranstaltungstermine: Freitag 18.00 Uhr. Redaktionsschluß Montag 18.00 Uhr. Chefredaktion und verantwortlich für den Inhalt: Torsten Fricke, Nadira Hurnaus. Kulturredaktion: Susanne Habel. Korrespondent in Prag: Dr. Jaroslav Šonka; Korrespondentin in TeplitzSchönau: Jutta Benešová; Korrespondenten im Isergebirge: Stanislav Beran, Petra Laurin; Korrespondent in Berlin: Ulrich Miksch. Ständige Mitarbeit: Peter Barton, Markus Bauer, Josef Grimm, Professor Dr. Rudolf Grulich, Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Kathrin Hoffmann, Peter Pawlik, Karl Reitmeier, Hildegard Schuster, Lexa Wessel. Anschrift für alle: Hochstraße 8, 81669 München. Redaktion: eMail zeitung@sudeten.de; Verlag: Telefon (0 89) 48 00 03 80, eMail svg@sudeten.de. Jahres-Abonnement 2023 Inland als Postvertriebsstück im Lastschriftverfahren 125,00 EUR einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 154,00 EUR, Luftpost auf Anfrage. Reichenberger Zeitung (24 Ausgaben jährlich) 62,50 EUR, Neudeker Heimatbrief oder einer der Regionalblöcke (Block 1 – Aussiger Bote, Leitmeritzer Heimatbote; Block 2 – Elbogener Heimatbrief, Falkenauer Heimatbrief, Karlsbader Heimatzeitung/Karlsbader Badeblatt, Luditzer Heimatbrief, Der Egerländer, Egerer Zeitung; Block 3 – Isergebirgs-Rundschau, Sternberger Heimat, Zuckmantler Heimatbrief; Block 4 – Riesengebirgsheimat) (12 Ausgaben jährlich) 31,25 EUR. Je Rechnung 2,00 EUR Aufschlag. Bankverbindung: Postbank München – IBAN: DE13 7001 0080 0005 7278 08, BIC: PBNKDEFF; Abbestellungen mit einer Frist von vier Wochen zum Vierteljahresschluß schriftlich an den Verlag. Anzeigenpreisliste Nr. 13 vom 1. Januar 2021; Anzeigengestaltung erst nach Auftrag. © 2023 Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft. Diese Zeitung ist mit allen Texten und Bildern urheberrechtlich geschützt. Nachdruck, Vervielfältigung und Verwertung – insbesondere auch Weitergabe in Form von Kopien oder Einstellen ins Internet – sind ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urheberrecht nichts anderes ergibt. Mit vollem Namen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder der Sudetendeutschen Landsmannschaft wieder. Gerichtsstand und Erfüllungsort München. Kein Entschädigungsanspruch bei Nichterscheinen oder Nichtlieferung infolge Streik oder höherer Gewalt. Keine Gewähr für nicht angeforderte Manuskripte, Bilder, Dokumente, Datenträger und Daten. Alle datenschutzrechtlichen Vorschriften werden beachtet; Einzelheiten unter www.sudeten.de Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft mbH, HRB München 3796. Geschäftsführer und verantwortlich für Anzeigen: Torsten Fricke. Alleiniger Anteilseigner: Sudetendeutsche Landsmannschaft, Hochstraße 8, 81669 München. Druck und Versand: Presse-Druck- und Verlags-GmbH, 86167 Augsburg.
Dieses Projekt wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.
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Die Künstlerzwillinger Nil und Karin Romano leben in Tel Aviv. Das 2023 entstandene Werk heißt „Žal/Entschuldigung“.
„Kafka in Triest“ hat Jaroslav Róna, der in Prag eigentlich als Bildhauer arbeitet, sein 2020 erschaffenes Werk genannt.
� Die Wirkmacht des vor 100 Jahren verstorbenen Prager Juden ist nach wie vor ungebrochen
Jeder hat seinen Kafka
Am 3. Juni jährt sich der 100. Todestag von Franz Kafka. Seine Wirkmacht ist bis heute ungebrochen. So präsentiert in Kafkas Geburtsstadt Prag die Galerie DOX mit der Ausstellung KAFKAesque mehr als 30 zeitgenössische Künstler und deren Interpretation des Absurden und Unheimlichen sowie von Angst, Unsicherheit und Entfremdung. Die am vergangenen Freitag eröffnete Ausstellung ist bis zum 22. September zu sehen.
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ie Ausstellung biete keine historische Sicht auf das Werk des deutschsprachigen Schriftstellers, „sondern eine Sicht, die unsere heutige Situation mit all ihren Komplexitäten und Ambivalenzen widerspiegelt“, erklären die Kuratoren Otto M. Urban, Leoš Válka und Michaela Šilpochová. Mit den Arbeiten von mehr als dreißig international renommierten Künstlern wolle man zeigen, „daß Kafkas Werk mit seinen Verweisen auf existenzielle Ängste und persönliche Befürchtungen von großer Aktualität“ sei. „Wir haben vor allem Künstler ausgewählt, deren Werk eher indirekt, aber umso intensiver von Kafka beeinflußt ist. Es ging uns nicht um die Illustration, sondern um die Reflexion“, erklärt Kurator Otto M. Urban. Kafka, der am 3. Juli 1883 in Prag als Sohn einer deutschsprachigen jüdischen Kaufmannsfamilien geboren wurde, ist einer der wichtigsten Autoren des 20. Jahrhunderts. Seine Romanfragmente, Erzählungen und Briefe wurden in Dutzende von Sprachen übersetzt, und sein Werk und sein Leben waren Gegenstand zahlreicher Monografien und wissenschaftlicher Studien. Seine Wirkmacht reicht weit über literarische und akademische Kreise hinaus und findet nicht nur in allen Bereichen der kulturellen Produktion, von der bildenden Kunst über den Film bis hin zu Musik und Theater, sondern auch außerhalb der Kunstwelt Resonanz. Schriftsteller wie Gabriel García Márquez und Albert Camus haben über Franz Kafka geschrieben. Er hat bildende Künstler wie Andy Warhol, Filmemacher wie Orson Welles und David Lynch inspiriert sowie Musik- und Theaterkünstler wie David Bowie und die Rolling Stones. Die Phi-
Maciej Toporowicz stammt ursprünglich aus Polen und lebt heute in New York. Sein kafkaeskes Selbstportrait hat er „Verwandlung“ benannt.
losophen Jean-Paul Sartre und Theodor W. Adorno haben sich zu Kafka geäußert. Im Laufe der Zeit hat Kafka seinen Weg in Comics, Videospiele und sogar in die virtuelle Realität gefunden. Michaela Šilpochová, KoKuratorin der Ausstellung und künstlerische Leiterin des DOX: „Seit Jahrzehnten ist der Versuch, Kafkas literarisches Werk und sein Leben zu verstehen, eine intellektuelle und oft auch emotionale Herausforderung und Gegenstand vieler Interpretationen. Jedes Zeitalter hatte das Bedürfnis, sich zu Franz Kafka und seinem Werk zu äußern, und das ist heute nicht anders. Jeder hat seinen Kafka.“ Öffnungszeiten: DOX Zentrum für zeitgenössische Kunst, Poupětova 1, Prag 7. Geöffnet mittwochs bis sonntags von 12.00 bis 18.00 Uhr. UBahnlinie C, Haltestelle Nádraží Holešovice. Torsten Fricke
2009 erschuf der Mannheimer Künstler Volker März das Werk „Verkaufter Kafka“.
� Rund um den 100. Todestag von Franz Kafka
Ausstellungen & Konzerte n Bis Sonntag, 29. September, Jüdisches Museum: „Kafkas Schwestern“. Installation des Künstlers Sebastian Jung im Foyer. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10.00 bis 18.00 Uhr. Eintritt frei. St.-Jakobs-Platz 16, München. n Freitag, 23. Februar, bis Sonntag, 24. März, Gedok-Galerie: „VerWandlungen – Kafka zum 100. Todestag“. Vernissage: Freitag, 23. Februar, 19.00 Uhr. Finissage: Sonntag, 24. März 18.00 Uhr mit einer Lesung der aus Trautenau stammenden Autorin Jenny Schon. Suarezstraße 57, Berlin. n Dienstag, 19. März, Kampus Hybernská: „Die Verwandlung: Kafka Konzert“. Hybernská 998/4, Prag. n Dienstag, 9. April, Gasteig: „Kafka 7/24“. Dokumentarisch-fiktive Performance des 1. Deutschtschechischen Kabaretts Das Thema – To téma. Hans-Preißinger-Straße 8, München. n Samstag, 13. bis Sonntag, 14. April, Münchner Volkshochschule: „Kurze Prosa – Schreibwerkstatt auf den Spuren Franz Kafkas“. Albert-Roßhaupter-Straße 8, München. n Sonntag, 21. April, Münchner Volkshochschule: „Die Großen der Literatur: Franz Kafka – Erzählungen (Das Urteil)“. Vortrag im Gasteig. Hans-Preißinger-Straße 8, München. n Donnerstag, 16. Mai bis Freitag, 12. Juli, Münchner Volkshochschule: „Kaf„Doppelter Kafka oder Vater“ heißt die Statue des belgischen Künstlers Johan Tahon. Als Material be- ka in Zitaten: Partizipativorzugt der 58jährige Gips und Keramik. Fotos: Jan Slavík/DOX ve Ausstellung“. Gasteig,
Hans-Preißinger-Straße 8, München. n Sonntag, 2. Juni, 18.00 Uhr: „Einführungsvortrag: Prof. Kristin Eichhorn“. Stadtmuseum, Hintere Straße 16, Fellbach. n Montag, 3. Juni, 19.30 Uhr: „Die Verwandlung. Lesung mit Wolfram Koch“. Schwabenlandhalle, Guntram-Palm-Platz 1, Fellbach. n Mittwoch, 5. Juni bis Montag, 28. Oktober, Západočeská Galerie: „Mit den Augen von Franz Kafka. Zwischen Bild und Sprache“. Pražská 13, Pilsen. n Freitag, 7. Juni, 20.00 Uhr: „Kafka Band Koncert: Process“. Das tschechische Musikprojekt „Kafka Band“ unter der Leitung des Schriftstellers Jaroslav Rudiš und des Comiczeichners und Sängers Jaromír 99 lädt zu einem besonderen Musikereignis ein. Durch den Abend führt der Literaturwissenschaftler, Publizist und Kafka-Biograf Reiner Stach. Gladhouse, Straße der Jugend 16, Cottbus. n Freitag, 14. Juni, Volkshochschule: „Lesenacht im HP8 – Franz Kafka: Der Process“. Gasteig, Hans-Preißinger-Straße 8, München. n Mittwoch, 26. Juni, Münchner Volkshochschule: „Was habe ich mit Juden gemeinsam?“ Franz Kafkas Identitäten“. Kafka-Biograph und Literaturwissenschaftler Reiner Stach in Zwiegespräch mit Franz Kafka. In Kooperation mit dem Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Gasteig, Hans-Preißinger-Straße 8, München. n Samstag, 12. Oktober bis Sonntag, 12. Januar 2025, Kunstforum Ostdeutsche Galerie: „Illustrationen zu Franz Kafka“. Dr.-Johann-Maier-Straße 5, Regensburg.
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TERMINE
Bis Sonntag, 7. April, Sonderausstellung „Ein bißchen Magier bin ich schon... Otfried Preußlers Erzählwelten“. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 13.00 bis 17.00 Uhr. Isergebirgs-Museum Neugablonz, Bürgerplatz 1, Kaufbeuren. Samstag, 17. Februar, 10.30 Uhr, SL Bayern: Landesfrauentagung. Anmeldung an SL Bayern, Hochstraße 8, 81669 München oder per eMail an Geschaeftsstelle@sudeten-by.de Kolpinghaus, Adolph-KolpingStraße 1, Regensburg. Samstag, 17. Februar, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Erlangen und Ackermann-Gemeinde: „Über unsere Schwellen hinaus. Erste Schritte“. Deutsch-tschechischer Dokumentarfilm. Café Rathsstift, Rathsberger Straße 63, Erlangen. Samstag, 17. Februar, 18.00 Uhr, Vereine der Siebenbürger Sachsen in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland: „Samuel von Brukenthal – ein früher Europäer“. Eröffnung der Wanderausstellung, die bis zum
VERANSTALTUNGSKALENDER 27. Februar gezeigt wird. Haus der Heimat, Steingasse 25, Wien. Mittwoch, 21. Februar, 14.00 Uhr, SL-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen: Landesvorstandsitzung. Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, Düsseldorf. Samstag, 24. Februar, 14.00 Uhr, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus: „Die geheimen Seiten des Lebens“. Karin Gündisch liest aus ihrem neuen Roman. Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, Düsseldorf. Sonntag, 25. Februar, 14.00 bis 18.00 Uhr, SL-Bezirksgruppe Oberfranken: Volkstanzworkshop für erfahrene Volkstänzer. Auf dem Programm: Sternpolka, Jägerneuner, Woaf, Howansook, Zigeunerpolka und Böhmerwaldlandler. Weitere Informationen und Anmeldung bis 22. Februar bei Iris und Robert Wild unter Telefon (0 95 44) 98 50 44 oder per eMail an robert@wildfamily.de Bürgerhaus, Überkumstraße 17, Baunach.
Dienstag, 27. Februar, 16.00
bis 18.30 Uhr, Sudetendeutsches Museum: Schreibcafé „Lebendige Erinnerung“ mit Journalistin und Autorin Gunda Achterhold, Teilnahme: 15 Euro, Anmeldung per eMail an info@sudetendeutsches-museum.de oder unter Telefon (0 89) 48 00 03 37, Treffpunkt Museumskasse. Sudetendeutsches Museum, Hochstraße 10, München. Dienstag, 27. Februar, 19.00 Uhr, Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste: Ringveranstaltung zum 80. Geburtstag der Vizepräsidentin Ursula Haas mit Kunstliedern von Alfred Richter. Freier Eintritt mit anschließendem Empfang. Anmeldung per eMail an sudak@mailbox.org oder unter Telefon (0 89) 48 00 03 48. Sudetendeutsches Haus, AdalbertStifter-Saal, Hochstraße 8, München. Donnerstag, 29. Februar, 19.00 Uhr, Trifelsverein: MdEP a. D. Bernd Posselt, Sprecher der
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ebruar Fr 23. F
Einladung zum Tag der Muttersprache im Sudetendeutschen Museum in Kooperation mit der Heimatpflegerin der Sudetendeutschen
17:00 - 18:15 Uhr | Treffpunkt: Museumsfoyer
Museumsführung in vier Mundarten
Zum Tag der Muttersprache bietet das Museum eine Führung in vier Mundarten: aus dem Böhmerwald, dem Altvatergebirge, der Iglauer Sprachinsel und auf Paurisch-Braunsch. 19:00 Uhr | Treffpunkt: Adalbert Stifter-Saal
Livekonzert der Bandgruppe Mauke
„Mauke“ bedeutet im paurischen Dialekt „Brei“, also eine Mischung verschiedener Zutaten. Bei der gleichnamigen siebenköpfigen Band aus Kaufbeuren-Neugablonz sind das mitreißende Musik, paurischer Dialekt und launiges Kabarett.
Sudetendeutschen Volksgruppe und Vorsitzender der Paneuropaunion Deutschland, spricht über Europa. Hohenstaufensaal, Landauer Straße 1, Annweiler am Trifels. Sonntag, 3. März, 9.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Hof: 4.-MärzGedenkfeier. Gedenkgottesdienst mit Gedenkrede von Bezirks- und stellvertretender Landesvorsitzender Margaretha Michel. Pfarrkirche Maria-Königin des Friedens, Badstraße 21, Bad Steben. Sonntag, 3. März, 10.30 Uhr, SL-Ortsgruppe StuttgartWeilimdorf: 4.-März-Gedenkfeier mit Prof. Dr. Andrea Wechsler, Spitzenkandidatin der CDU Baden-Württemberg zur Europawahl. Haus der Heimat, Schloßstraße 92, Stuttgart. Sonntag, 3. März, 10.30 Uhr, SL-Ortgruppe Naila: Tag des Selbstbestimmungsrechts und Märzgedenken. Gedenkgottesdienst und Kranzniederlegung am Sudetendeutschen Mahnmal mit Bürgermeister Frank Stumpf und Gedenkrede von SL-Bezirks- und Landesvizevorsitzender Margaretha Michel. Katholische Kirche. Ringstraße 14, Naila. Sonntag, 3. März, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe MünchenStadt und -Land: Tag des Selbstbestimmungsrechts. Erinnerung an den 4. März 1919 im Sudetenland und an die Volksabstimmung am 20. März 1921 in Oberschlesien. Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8, München. Montag, 4. März, 14.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Augsburg: Eröffnung der Ausstellung „Wir Sudetendeutschen“ durch Bürgermeister Franz Feigl. Die Ausstellung läuft bis zum 15. März. Bürgerzentrum, Marktstraße 3, Königsbrunn. Montag, 4. März, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Augsburg: Märzgedenken mit einem Referat von Steffen Hörtler, Landesobmann der SL Bayern, über den März 1919. Bürgerzentrum, Marktstraße 3, Königsbrunn. Mittwoch, 6. bis Donnerstag, 7. März, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus: Seminar „Kafka, Käfer und Kakanien. Eine Annäherung an Franz Kafka (1883–1924) zum 100. Todestag“. Anmeldung unter Telefon (0 22 44) 88 60 oder per eMail an info@hausschlesien.de Haus Schlesien, Dollendorfer Straße 421, Königswinter. Freitag, 8. März, 13.00 bis 14.00 Uhr sowie 16.00 bis 17.00 Uhr, Sudetendeutsches Museum: „Frauen-Geschichte(n)“. Sonderführung zum Weltfrauentag mit Dr. Amanda Ramm, Treffpunkt Museumskasse. Sudetendeutsches Museum, Hochstraße 10, München. Samstag, 9. März, 14.00 Uhr, Heimatkreis KaadenDuppau: Gedenkfeier mit Kranzniederlegung anläßlich des 4. März 1919. Treffpunkt am Haupteingang um 13.40 Uhr. Friedhof, Kaaden (Kadaň). Samstag, 9. März, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Erlangen und Ackermann-Gemeinde: „Unter dem steinernen Meer“. Lesung von Dr. Peter Becher. Café Rathsstift, Rathsberger Straße 63, Erlangen. Samstag, 9. März, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Krefeld: „Schockanrufe und Betrug am Telefon“. Vortrag eines Experten des Polizeipräsidiums Krefeld. Anmeldung per Telefon unter (0 21 51) 3 26 99 70 oder per eMail an werner.appl@sudeten-kr.de Niederrheinischer Hof, Hülser Straße 398, Krefeld. Donnerstag, 14. März, 14.30 Uhr, SL-Ortsgruppe Roth: „900 Jahre Kunreuth, eine evangelische Enklave“. Vortrag von Eberhard Heiser, Café Restaurant Waldblick, Ostring 28, Roth. Samstag, 16. März, 10.00 bis 16.00 Uhr, SL-Landesgruppe Baden-Württemberg: 15. Ostdeutscher Ostermarkt. Haus der Heimat, Schloßstraße 92, Stuttgart.
Sudetendeutsche Zeitung Folge 7 | 16.2.2024
Tag der Muttersprache am 23. Februar
So ein Brei Freitag, 23. Februar, 17.00 bis 18.15 Uhr: Führung mit der Heimatpflegerin in vier Mundarten. 19.00 bis 21.00 Uhr: Gablonzer Mundartkabarett „Mauke – die Band“. Zum Tag der Muttersprache bietet das Sudetendeutsche Museum gemeinsam mit der Heimatpflegerin der Sudetendeutschen eine Führung in vier Mundarten: aus dem Böhmerwald, dem Altvatergebirge, der Iglauer Sprachinsel und auf Paurisch-Braunsch. Der Treffpunkt ist an der Museumskasse um 17 Uhr. Die Führung ist kostenfrei, lediglich der Museumspreis ist zu entrichten. Anschließend wird es mit „Mauke – der Band“ auf der Bühne des Adalbert-Stifter-
Saals unterhaltsam. „Mauke“ bedeutet im paurischen Dialekt „Brei“, also eine Mischung verschiedener Zutaten. Bei der gleichnamigen siebenköpfigen Band aus Kaufbeuren-Neugablonz sind das mitreißende Musik, paurischer Dialekt und launiges Kabarett. Diese besondere Mischung verspricht einen sehr vergnüglichen und unterhaltsamen Konzertabend. Mauke präsentieren ihr aktuelles Programm „Ohne Untertitel“. Die Band hat bereits mehrere Preise erhalten, zuletzt 2023 den Sudetendeutschen Kulturpreis für Volkstumspflege. Der Eintritt ist frei. Näheres unter https://www. sudetendeutsches-museum. de/veranstaltungskalender/ mauke/
Der Bundestag entscheidet Montag, 19. bis Mittwoch, 21. Februar 2024: „Politische Akteure und Verfahren in Deutschland und Europa mit dem Planspiel Der Bundestag entscheidet“. Weitere Seminartermine: Mittwoch, 21. bis Freitag, 23. Februar, Montag, 26. bis Mittwoch, 28. Februar sowie Mittwoch, 13. bis Freitag, 15. März. Veranstaltung für Multiplikatoren und politisch Interessierte. Das Seminar vermittelt in erster Linie die grundlegenden Kenntnisse über das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Neben fundamentalen Verfassungs- und Institutionenkenntnissen werden spezifische Probleme des deutschen Regierungssystems beleuchtet. Im Mittelpunkt stehen dabei die Analyse der Struktur und der Arbeitsweise politischer Institutionen, die im politischen System laufenden Prozesse unter Berücksichtigung von einflußnehmenden Akteuren sowie ausgewählte aktuelle Beispiele der innenpolitischen Entwicklung. Eine Konferenzsimulation zum Gesetzgebungsprozeß im Deutschen Bundestag verdeutlicht die theoretischen Ausführungen. Ein ergänzender Blick auf die Geschichte und die Erweiterungsprozesse, den institutionellen Aufbau und verschiedene Politiken der Europäischen Union rundet das Seminar ab und zeigt zudem Hintergründe und Lösungsansätze für aktuelle europäische Herausforderungen. Dabei steht auch die Wahl zum Europäischen Parlament 2024 im Fokus der Betrachtung. Die Anmeldungen sind zu richten an: Der Heiligenhof, Alte Euerdorfer Straße 1, 97688 Bad Kissingen, Telefax: (09 71) 71 47 47 oder per eMail an: info@heiligenhof.de. Heiligenhof · Alte Euerdorfer Straße 1 · 97688 Bad Kissingen Telefax (09 71) 71 47 47 info@heiligenhof.de · www.heiligenhof.de
Ausstellung zu Flucht, Vertreibung und Integration
Teil 2: „Ungehört – die Geschichte der Frauen“ Bis Freitag, 12. April, zweiter Teil der Ausstellung „Ungehört – die Geschichte der Frauen. Flucht. Vertreibung und Integration“. Veranstaltungsort: Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, München. Öffnungszeiten: montags bis freitags von 10.00 bis 20.00 Uhr. Die Ausstellung, die das Team Dr. Lilia Antipow
(HDO), Patricia Erkenberg M.A. (HDO), Prof. Dr. Daniela Neri-Ultsch (Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung Universität Regensburg) und Prof. Dr. Andreas Otto Weber (Direktor des Hauses des Deutschen Ostens) kreiert hat, wird nach dem Erfolg im Sommer in einer erweiterten Version gezeigt.
Sudetendeutsche Zeitung Folge 7 | 16.2.2024
AKTUELL · KOLUMNE
Deutsch-Tschechischer Journalistenpreis für Regisseur Jakub Wehrenberg
Postelberg 1945: TV-Dokumentation bricht mit einem tschechischen Tabu Wie groß das Tabu in der tschechischen Gesellschaft noch heute ist, zeigt die kleine Gedenktafel, die erst 2010 auf dem Friedhof in Postelberg enthüllt worden ist. Als „Postelberger Ereignisse“ wird dort der von Edvard Beneš orchestrierte Massenmord Wochen nach Kriegsende verharmlost. Verschwiegen wird außerdem bis heute, daß die „unschuldigen Opfer“ alles Sudetendeutsche waren. Historiker schätzen die Opferzahl auf bis zu 2000 Tote.
U
mso bemerkenswerter ist es, daß Tschechiens öffentlich-rechtliches Fernsehen eine Spielfilm-Dokumentation in Auftrag gegeben und am 8. November 2022 unter dem Titel „Postelberg 1945 – die tschechische Vergeltung“ über den Sender Česká televize 2 (Sudetendeutsche Zeitung berichtete) ausgestrahlt hat. In dem TV-Beitrag wird die Arbeit der Untersuchungskommission dargestellt, die auf internationalen Druck durch das tschechoslowakische Parlament einberufen wurde und am 30. und 31. Juli 1947 in den Räumen des Saazer Bezirksgerichts tagte. Am Ende mußte sich jedoch keiner der Mörder verantworten, da das Beneš-Dekret 115/46 selbst solche Massaker an Tausenden Sudetendeutschen „für nicht widerrechtlich“ einstufte. Daß der Autor Jan Vávra und der Regisseur Jakub Wehrenberg, der dafür den Deutsch-Tschechischen Journalistenpreis des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds in der Kategorie Multimedia im November 2023 erhielt, zu einer filmischen Rekonstruktion für das Fernsehen kommen konnten, war dem Auffinden der Protokolle vor einigen Jahren geschuldet. Wehrenberg sagt dazu: „Ich fand spannend, daß im Archiv ein kompletter Bericht auftauchte, wie die Untersuchungskommission erfolgte – mit Fragen, Antworten, jedes einzelne Protokoll. Als das Material zu mir kam, war mir klar, daß man es ganz klar und einfach Wort für Wort rekonstruieren kann.“ Dann begannen die Schwierigkeiten, von denen Wehrenberg in seinem Interview zur Preisverleihung erzählt. Es war nicht einfach das tschechische Fernsehen davon zu überzeugen, das Thema zu produzieren. 2020 gab es das fertige Drehbuch, aber gedreht wurde erst 2022. Wehrenberg schildert die fruchtbare Arbeit mit Historikern und Journalisten, die eingefügt in das Dokumentarspiel des Jahres 1947, eine eigene Ebene der Einordnung und Erläuterung des Geschehens für die Zuschauer bietet. Dabei seien Fakten aufgetaucht, die bislang der Öffentlichkeit nicht bekannt gewesen seien. „Eine Situation, die sich die Tschechen scheinbar noch nie eingestanden haben. Sie haben stets woanders die Schuld gesehen. Es war einfach zu sagen, alles war von Emotionen geprägt, Leute totschlagen, aufgrund einer langfristigen Streßsituation et cetera. Das stimmte aber nicht ganz, wie sich gezeigt hat. Es war alles inszeniert. Von den höchsten Stellen dirigiert. Durch die Sowjetarmee beziehungsweise Sowjetführung, die bereits die tschechoslowakische Regierung um den Finger gewikkelt hatte. Und schon diktiert hat, was zu tun ist.“ Am Ende des Films sagt der befrag-
Die Spielfilm-Dokumentation „Postelberg 1945 – die tschechische Vergeltung“ hat in Tschechien eine Diskussion über die Nachkriegsverbrechen unter Edvard Beneš ausgelöst.
Befahl die Ermordung Tausender Sudetendeutscher: General Oldřich Španiel.
te Oberleutnant Jan Čubka, nachdem er vieles geleugnet oder nichts gesehen haben will, plötzlich: „wir – Hauptmann Černý, Oberleutnant Zicha und noch ein Leutnant – waren bei General Španiel, der uns sagte: ,Gehen Sie, und säubern Sie den Rayon, damit die Division umziehen kann.‘ Der General sagte uns damals: ,Ich beneide Sie, Sie haben hier eine große Möglichkeit, und denken Sie daran, daß ein guter Deutscher ein toter Deutscher ist. Je weniger von ihnen übrigbleiben, um so weniger Feinde werden wir haben. Je weniger von ihnen über die Grenze gelangen, um so
dete ohne jegliche Bestrafung, da alle Geschehnisse bis zum 28. Oktober 1945 unter „Kriegsgeschehen“ juristisch eingeordnet wurden, die berüchtigte Völkermord-Gesetzgebung von Edvard Beneš also griff. Und die Ergebnisse der Rekonstruktion der Ereignisse blieben der Öffentlichkeit verborgen, bis der Bericht vor einigen Jahren auftauchte. Der Kommissionsvorsitzende Bohumír Bunža (1908–1990), der für die ČSL in der Kommission saß, wurde 1948 zum Tode verurteilt, konnte aber fliehen und starb 1990 in Flushing/New York. Erst 1992 wurde er postum rehabilitiert. Der Journalist Jan Urban, ein Unterzeichner der Charta 77, resümierte Im Film: „Die tschechische Gesellschaft wird nicht heranreifen, so sie sich nicht eingesteht, daß diese Vertreibung der deutschen Bevölkerung von vorneherein und bis ins Detail geplant war.“ Der Philosoph, Soziologe und Politologe Václav Bělohradský, der lange in Italien lebte und von dem Václav Havel in den 1980er Jahren sehr beeinflußt war, resümiert: „Wenige europäische Nationen sind so unglücklich konstruiert, weil sie einen großen Teil ihrer Realität vergessen müssen, um ihre Identität zu legitimieren.“ Und Urban ergänzt: „In der tschechischen Selbstauffassung ist es am wichtigsten, unschuldig zu wirken.“ Woraufhin ein Text eingeblendet wird: „Alle Bemühungen, der Opfer des Massakers zu gedenken, stießen auf Gleichgültigkeit oder Ablehnung. Schließlich blieb von dem Plan eines würdigen Denkmals nur eine kleine Tafel übrig, die den ,unschuldigen Opfern der Ereignisse in Postelberg‘ gewidmet ist. Niemand wollte zugeben, daß es sich dabei um Deutsche handelte.“ Und das war 2010, als man die Tafel einweihte. Laudator Peter Lange, langjähriger Korrespondent des Deutschlandradios und der ARD in Prag, beschrieb den Film „Postelberg“ als packenden, aufwendig produzierten Dokumentarfilm, der alle stilistischen Mittel gekonnt verbindet, um die Vorgänge von damals aufzuklären. Die Spielfilm-Dokumentation sei wohl die schonungsloseste Aufarbeitung dieses Verbrechens, die es bisher in Tschechien gegeben habe. Der TV-Beitrag ist mit deutschen Untertitel unter folgendem Link abrufbar: https:// vimeo.com/875972126 Ulrich Miksch
richtung – im Gegensatz zu seinen Nachbarn – entging. Klepsch schildert die Erschießung eines Zuspätgekommenen: „Ganzel war ein Postbeamter, ein alter Sozialdemokrat. Er kam zu spät und wurde deswegen erschossen, weil er nicht rechtzeitig kam. Und dann fing einer dieser jungen Tschechen an, mit einem Fahrrad oder Moped hin und her über ihn rüberzufahren, bis nicht mehr viel von ihm übrigblieb.“ Und dann auch die in der Untersuchungskommission thematisierte Erschießung von fünf Jungen, die Klepsch miterlebte: „Sie nahmen fünf Jungen fest, die fliehen woll-
Der Bericht der Sudetendeutschen Zeitung vom 18. November 2022. Oben rechts: Preisträger Jakub Wehrenberg. Unten rechts: Die kleine Gedenktafel in Postelberg.
weniger Feinde werden wir haben.‘“ General Oldřich Španiel war damals Chef des Militärbüros des Präsidenten Edvard Beneš. Wehrenberg integrierte aber auch deutsche Zeugen des Geschehens in den Film, einmal die Aussagen von Uta Reiff (1938–2021), die als Kind mit ihrer Mutter und ihrem Bruder interniert in einem Schweinestall untergebracht die schwierigen Umstände kaum ertragen konnte, und als Zeugen besonderer Exekutionen den Sohn eines Saazer Hopfenbauers, Peter Klepsch (geboren 1928), der als ehemaliger politischer Gefangener ins Totengräberkommando eingeteilt wurde und deshalb der Hin-
ten. Marek, der tschechische Kommandant, sagte: ,Das sollten sie alle hören. Wer versucht zu fliehen, wird erschossen, genau wie diese fünf Jungen.‘ Vorher aber schrie jemand, daß sie verprügelt werden, also dachte ich, daß Marek die Jungen schlagen lassen würde, dann kam aber ein Partisanenoffizier und sagte: ,Nein, sie werden erschossen.‘ Ich weiß, daß zwei Reihen vor mir der Vater einer dieser Jungen saß. Das war schrecklich! Einer rief nach seiner Mutter, das habe ich noch gehört. Einem wurde ins Herz geschossen, und das Blut spritzte nur aus ihm heraus. Es war ganz gräßlich!“ Die Untersuchungskommission en-
Franzensbad
Denkmalgeschützter Bahnhof wird saniert
Nach dem Aufstieg von Franzensbad zur Weltkulturerbestadt (Sudetendeutsche Zeitung berichtete) wird verstärkt in die Verschönerung des Egerländer Kurortes investiert. Aktuelles Projekt ist der Bahnhof.
D
a das historische Bahnhofsgebäude unter Denkmalschutz steht, werde die Sanierung nach den Vorgaben der Denkmalpfleger durchgeführt, erklärt Nela Eberl Friebová von der Eisenbahnverwaltung und sagt: „Das Ergebnis wird beeindruckend sein. Das Dach und die Fassade werden in ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild wiederherge-
Die Animation zeigt, wie der Bahnhof von Franzensbad nach der Renovierung aussehen soll.
stellt, sowohl was die Farbe und die Materialien als auch die Modellierung der historischen Gesimse betrifft. Die Bauarbeiten im Innenbereich umfassen eine vollständige Restaurierung der Böden, Wände und Decken sowie die Erneuerung der Türen. Die Abfertigungshalle und die Ticketschalter werden modernisiert. Insgesamt werden elf Wohnungen in den oberen Stockwerken renoviert.“ Die Arbeiten werden Ende dieses Jahres beginnen und sollen im Frühjahr 2025 abgeschlossen sein. Insgesamt will die Eisenbahngesellschaft in die Sanierung rund 7 Millionen Euro investieren. Václava Simeonová
5 Mut tut gut
Weniger ist mehr D
ie Fastenzeit, die gläubige Christen Jahr für Jahr als Vorbereitung auf das Osterfest begehen, hat viele Bedeutungen. Gemeinsam ist allen Bedeutungen, daß es in dieser Zeit um Verzicht geht. Allerdings ist der Verzicht kein Selbstzweck. Nicht quälende Kasteiung steht im Vordergrund. Fasten hat vielmehr nur einen Sinn, wenn wir zugleich das Wofür dieser Selbstbeschränkung im Blick haben. Fasten ist letztlich kein sinnloses, sondern ein in höchstem Maße sinnerfülltes Tun. Das Leben vieler Menschen kennt heute mehr denn je viel unnützes Herumtun. Die modernen Medien, die wir auf unseren mobilen Telefongeräten rund um die Uhr zur Verfügung haben, sind diesbezüglich eine besonders große Versuchung. Sie verführen uns dazu, unsere Zeit zu vergeuden. Unterm Strich kommt aber selten etwas heraus, wenn wir ständig in den sogenannten sozialen Medien unterwegs sind. Wir könnten die Zeit viel besser nützen, indem wir zielführend arbeiten, echte menschliche Begegnung suchen oder uns einfach nur erholen. Die rechte Umgang mit dem Faktor Zeit ist in unserem Alltag eine hohe Kunst. Diesbezüglich ist die Fastenzeit eine wertvolle Gelegenheit, zu üben und zu lernen. Ein bewußtes Umgehen mit der Zeit heißt nicht nur, Zeitverschwendung zu vermeiden, sondern der Zeit auch eine Ordnung zu geben und damit dem Einerlei des Alltags Widerstand zu leisten. Das beginnt beim Aufstehen am Morgen und endet am Abend beim Schlafengehen. Den Tagesablauf zu ritualisieren, also auf immer gleiche Art zu handhaben, verhilft zu mehr Ordnung im Leben. Nicht wenige Menschen klagen über eine Überfülle an Aufgaben. Leicht kann einem alles zu viel werden. Das „Burnout“-Syndrom lauert um viele Ecken, vor allem in der aktiven Zeit des Erwachsenenlebens. Der Verzicht in der Fastenzeit kann vor diesem Hintergrund zur Konsequenz haben, nicht immer bloß „Ja“ zu sagen, wenn eine Aufgabe an uns herangetragen wird. Manchmal nehmen wir Aufgaben auch nur deswegen an, weil wir unser Selbstwertgefühl davon ableiten. Deswegen wäre das Setzen von Prioritäten wichtig. Welche Aufgaben haben wir wirklich zu erfüllen, weil unsere Rolle und unser Beruf sie erfordern? Und welche Aufgaben dienen ausschließlich dem Zweck, nach Wertschätzung seitens anderer zu heischen. Bei diesem Thema und generell beim Fasten gilt immer der Grundsatz: „Weniger ist mehr.“ Ich lasse mich bewußt auf ein Weniger an Möglichkeiten ein, damit ich ein Mehr an Lebensqualität erlange. Manchmal profitieren dann nicht nur wir selbst, sondern auch unsere Mitmenschen davon. Weniger ist mehr – das gilt natürlich auch für die leibliche Seite des Fastens. Das soll über alles bereits Gesagte nicht vergessen werden, weil es sich um einen zentralen Aspekt der Fastenzeit handelt. Der bewußte Verzicht auf üppiges Essen und Trinken führt zu einem Mehr an körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheit. Wir tun unserem Leben etwas Gutes, wenn wir fasten – in welcher Form auch immer. In diesem Sinne wünsche ich uns für die nächsten Wochen genügend starken Willen. Dr. Martin Leitgöb CSsR Provinzial der Redemptoristen Wien-München
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FORUM � Dobischwald/Kuhländchen
Unser Angebot Sudetendeutsche Zeitung mit Aussiger Bote · Der Egerländer · Egerer Zeitung · Elbogener Heimatbrief · Falkenauer Heimatbrief · Heimatbote · Heimatruf · Isergebirgs-Rundschau · Karlsbader Badeblatt · Karlsbader Heimatzeitung · Leitmeritzer Heimatbote · Luditzer Heimatbrief · Nordböhmische Umschau · Reichenberger Zeitung · Riesengebirgsheimat · Sternberger Heimatblatt · Zuckmantler Heimatbrief
Tür und Herz stehen offen Martina E. Büchel/Klesel berichtet aus Enkelsicht über Reisen in die Wurzelheimat im Kuhländchen.
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Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
wöchentlich (125,00 EUR im Jahr) mit folgendem Zahlungszeitraum: jährlich durch Lastschrift
halbjährlich durch Lastschrift vierteljährlich durch Lastschrift Aussiger Bote, Leitmeritzer Heimatbote 12 Ausgaben (31,25 EUR im Jahr) Elbogener Heimatbrief, Falkenauer Heimatbrief, Karlsbader Heimatzeitung, Karlsbader Badeblatt, Luditzer Heimatbrief, Der Egerländer, Egerer Zeitung 12 Ausgaben (31,25 EUR im Jahr) Isergebirgs-Rundschau, Sternberger Heimatblatt, Zuckmantler Heimatbrief 12 Ausgaben (31,25 EUR im Jahr) Neudeker Heimatbrief, für die Heimatfreunde aus Stadt und Landkreis Neudek 12 Ausgaben (31,25 EUR im Jahr) Reichenberger Zeitung, Nordböhmische Umschau 24 Ausgaben (62,50 EUR im Jahr) Riesengebirgsheimat 12 Ausgaben (31,25 EUR im Jahr) Diese Preise gelten bei Erteilung eines Bankeinzugsauftrags (SEPA-Lastschriftmandat) und Lieferung innerhalb Deutschlands. Preise für Auslandsabonnements auf Anfrage! Adresse: Name, Vorname
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 7 | 16. 2. 2024
7/2024
Mai 1956 ein Treffen organisiert worden sei. Das Heimattreffen zur 50. Wiederkehr der Vertreibung fand im Juli 1996 statt. Laut Onkels Aufzeichnungen kam bei dem Treffen mit etwa 80 Personen, darunter auch die Ehepartner, der Wunsch auf, eine Fahrt nach Dobischwald zu unternehmen. Im Mitteilungsblatt „Alte Heimat Kuhländchen“ berichtet Rudolf Püschel
men Odraus Bürgermeister Libor Helis und seine Stellvertreterin Libuše Králová sowie die Odrauer Brüder Emil und Zdenek. Die Initiatoren und Gäste setzten den seit Jahrhunderten ansässigen, überwiegend deutschen Dobischwäldern – insbesondere den 1946 aus der Gemeinde Vertriebenen – ein Andenken. Nun wieder 40 Jahre zurück: Beim Heimattreffen im Mai 1983 in Tiefenbach stellte Ferdinand Sendensky (1910–2001) sein im Selbstverlag in Stuttgart herausgegebenes „Dobischwälder Heimatbuch“ vor. Er war der erste der von den vertriebenen Dobisch wäldern gewählte Ortsbetreuer und Initiator vieler Heimattreffen in Tiefenbach. Aufgrund seines vielfältigen Engagements wurde er 1998 Ehrenmitglied des Heimatvereins Alte Heimat Kuhländchen. Im Vorwort zum Dobischwälder Heimatbuch schreibt Sendensky, die alte Ortschronik von Otto Lux († 1945) sei verlorengegangen. Deshalb hätten ihn seine Landsleute und der Landschaftsrat Kuhländchen ermuntert, all sein Wissen niederzuschreiben. Dem Wunsch ist er nachgekommen. Im Rentenalter verfaßte er „eine kleine Ortsgeschichte der Gemeinde Dobischwald, eingebunden in die 700jährige Geschichte des Kuhländchens“. Darin schreibt er abschließend: „Das war nun unsere Heimat, in der über 20 Generationen gelebt und gearbeitet haben. Unse-
it all den Erzählungen, der Lektüre und dem Erlebten im Kopf, reiste ich bisher dreimal in das nordmährische Kuhländchen. Bei meinen ersten beiden Reisen nahm mein Onkel Willfried „Willi“ Klesel als Zuhörer an meinen Erlebnissen teil. Meine Artikel und Vorträge über die Fahrten las er als Erster. 2019 unternahmen wir endlich gemeinsam eine Familienreise. Nach meiner Teilnahme an der Sankt-Anna-Wallfahrt nach Altwasser im Kreis Bärn 2017 (Ý SdZ 39/2017) hatte ich zwei Tage später in Eigeninitiative und mit Unterstützung durch meinen Odrauer Freundeskreis bereits ins Odrauer Museum Oderska eingeladen. Das Museum ist auch ein Ort für Dialog und Verständigung. Nun sollte dort ein zweites Treffen mit Familienangehörigen an meiner Seite folgen. Ich begreife meine Initiative als Verständigungsbei- über diese Busreise im Mai 1997. trag. Auch die Nachgeborenen Die nächste – wie die vorheribauen Brücken. ge unter der Federführung von Onkel Willi, ein Kriegskind, Maria Püschel/Hanke – folgkam am 13. November 1944 in te im September 1998. Die HeiDobischwald im Haus Nr. 73 zur matreise im August 2011 leitete Welt. Dieses Haus hatte sein Va- Gottfried Hanke. An den beiden ter gebaut, und dort lebte mein ersten Reisen nahm mein OnOnkel bis zur Vertreibung. kel teil, 2011 konnte er aus geNach der Wende besuchte sundheitlichen Gründen nicht er erstmals 1997, dann 1998 mit mitfahren. Daher war es ihm eieiner Heimatgruppe aus Tie- ne Herzensangelegenheit, trotz fenbach bei Passau das Kuh- gesundheitlicher ländchen und den Heimatort Einschränkungen Dobischwald, aus dem die mei- 2019 noch einmal sten Mitfahrer stammten. Den nach Dobischwald dritten Besuch unternahm er – – heute ein Ortsobgleich gesundheitlich ange- teil von Odrau – schlagen – im Juni 2019. Sein zu fahren. großer Wunsch war, mit seiner Obligatorisch Tochter Ulrike (* 1971), seinem war der Besuch der Sohn Wilfried Karl (* 1968) und 1855/56 erbauten mir (* 1959) in unsere Wurzelhei- Dobischwälder Nimat zu fahren. Seine Kinder soll- kolauskirche und ten die Leute und die Landschaft des angrenzender Heimat ihrer Großeltern ken- den Friedhofs. Die nenlernen, sagte er bei der Be- Führung machgrüßung im Heimatmuseum. ten Josef und Ja- Gedenktafel auf dem Dobischwälder Friedhof. Die Veranstaltung trug das roslav. Jaroslav Motto „Porta patet, cor magis. war ein engagierter Bewohner re Nachkommen sollen ihre HerDveře jsou otevřeny, srdce však der Gemeinde: mit 93 Jahren der kunft nicht vergessen.“ Das mag ještě více. Die Tür steht offen, dienstälteste Mesner im Bistum auch als Wunsch für die jetzigen mehr noch das Herz.“ Zu den Ostrau-Troppau. Mit seiner Frau Bewohner und deren NachkomGästen zählten unsere tschechi- Maria hütete er den Friedhof und men bis heute gelten. schen Großcousins Josef Klézl die örtlichen Wegkreuze. Zudem Bei unseren Besuchen erzähl(* 1968) und Jiří Král (* 1949) mit war er jahrelang in der Freiwil- te Jaroslav, daß Sendensky oft Familien, die Brüder Emil und ligen Feuerwehr. Seit 1946 leb- bei ihm zu Besuch gewesen sei. Zdenek Mateiciuc vom Verein te er mit seiner Familie in Haus Über die vielen geschichtlichen, Rolleder und Mitinitiatoren des Nr. 73. Ich bin dankbar, daß er kulturellen und humorvollen ArOdrauer Verständigung-Muse- mich immer herzlich im ehema- tikel Sendenskys mögen sich die ums, Jaroslav Juroška (1928– ligen Haus meines Großvaters beiden ausgetauscht haben. Sen2021) sowie viele Odrauer. empfing. Auch meine Eltern und denskys Chronik und die heuOnkel Willi hatte seine Mutter Verwandte empfanden das. te wieder zugängliche von Otto oft zu den Heimattreffen begleiWarum erinnere ich an den Lux sind historische Nachschlatet und erlebte bereits als Kind Besuch 2019? Im vergangenen gewerke. Sie sind auch Grundladen Zusammenhalt der vertrie- Sommer wurde auf dem Dobisch gen für die Erkundung des Ortes benen Dobischwälder. Bereits in wälder Friedhof eine zweispra- für die folgenden deutschen und den 1950er Jahren fanden Hei- chige Gedenktafel eingeweiht. tschechischen Generationen. mattreffen statt. In seinen Auf- Sie trägt die Inschrift: „In ErZum Ende dieses Artikels soll zeichnungen sich der Kreis sind nicht alum das Gele Heimattrefdenken an unfen erfaßt. In sere Vorfaheinem Nachruf ren schliezu Landsmann ßen. Kürzlich Franz Klesel in schickte einer Ausgabe mir Jiří die des „Odrauer Zeitschrift Heimatbriefs“, „Poodří“. Dort die Onkel Wilberichtet Rali ohne genaue dim Jarošek Angaben foüber die im tokopierte, Ersten Weltschreibt Ferkrieg gefalledinand Sennen Dobischdensky, daß es Ulrike Edlbauer, Martina E. Büchel, Willfried Klesel, Wilfried Karl Klesel, Ja- wälder Mänviele Dobisch- roslav Juroška und Josef Klézl. ner. Als Quelle wälder Familizur Identifikaen – insgesamt 75 Personen – innerung an die Bewohner der tion der Gefallenen dient eine nach der Vertreibung nach Tie- deutschen Nationalität, die in schlechte Abbildung des Dobifenbach im niederbayerischen Dobisch wald von der zweiten schwälder Gefallenendenkmals Kreis Passau verschlagen habe. Hälfte des 13. Jahrhunderts bis mit Fotos und Namen. In einem Eine andere Kopie besagt, daß 1946 lebten.“ „Odrauer Heimatbrief“ schreibt auch zum zehnjährigen GedenDie Dobischwälder Ortsge- Josef Tomasch, daß von den ken an die Vertreibung und zum meinschaft initiierte die Gedenk- Einberufenen 13 Männer nicht 100. Jahrestag der Erbauung der tafel. Sie wurde mit Spenden fi- mehr zurückgekommen seiKirche in Dobischwald am 20. nanziert. Zur Einweihung ka- en.
Unter den Toten war der Vater des Dobischwälder Chronisten. Bei dem Friedhofsbesuch im Sommer 2019 standen wir auch am heutigen Standort des ehemaligen Gefallenendenkmals. Erhalten sind die bis zu 20 Zentimeter hohe Betonmauer, der Sockel und der oberste Teil. Der ursprüngliche Standort befand sich in der Ortsmitte und wurde in den 1970er Jahren entfernt. Bei der Gedenktafelenthüllung beschloß die Ortsgemeinschaft, in Zusammenarbeit mit Archäologen auf dem Gelände der ehemaligen Mülldeponie nach dem Denkmal zu suchen. Eine Restaurierung werde in Erwägung gezogen, sollte das Denkmal gefunden werden. Dann könnte es wieder auf dem vorhandenen Sockel errichtet werden. Im Ersten Weltkrieg starb Ferdinand Sendensky (1883–1916). Wie der Vater im Ersten Weltkrieg diente, so diente der Sohn im Zweiten Weltkrieg. Der Junior kehrte jedoch im Sommer 1948 aus Kriegsgefangenschaft zurück. Die Kinder und Nachkommen einer Generation, die zwei zerstörerischen Weltkriege erlebten, könnten viel über unendliches Leid und Trauer erzählen. Auch meine Großmutter Aloisia Klesel/Blaschke (*17 Dezember 1910 in Dobischwald, † 11. November 1992 in Passau) trauerte um ihren Mann Emil Alfred Klesel (*11 September 1907 in Dobischwald). Am 3. Januar 1942 wurde mein Großvater einberufen und kam 1943 an die Front. Seit 5. Februar 1945 galt er im Raum Nordpolen bei Mehlsack als vermißt. Auf dem Kriegsgräberfriedhof in Bartossen/Bartosze in Nordpolen steht er auf einer Vermißtenliste. So konnte Onkel Willi unsere Ahnentafel um diese Angaben ergänzen. Im Zweiten Weltkrieg fielen 32 Dobischwälder. Bei unserem Treffen 2019 im Stadtmuseum präsentierte Josef Klézl den weitverzweigten Familienstammbaum, der die Verwandtschaftsgrade der Familien Klesel/Klösel/Klezl dokumentiert. So erfuhr Onkel Willi, daß wir gemeinsame Vorfahren haben: Josef Klesel (1780–1842) und Veronika Czihalová (1786– 1848). Auch Chronist Ferdinand Sendensky zählt zu unseren Vorfahren. Der Familienstammbaum hat meinem Onkel, der 2021 starb, viel bedeutet, denn er war eine Brücke zu seinem Vater und unseren familiären Wurzeln. Onkel Willi lernte zudem noch lebende tschechische Verwandte kennen. Das war ein Geschenk, auch für seine Kinder, Nichte und Nachkommen. In Heimatverbundenheit sei Jaroslav Juroška, Willfried Klesel, Ferdinand Sendensky und der vielen weiteren inzwischen Verstorbenen gedacht. Die Ehrung und das Gedenken, die der ehemaligen deutschen Bevölkerung im Kuhländchen – insbesondere in Dobischwald – 77 Jahre nach der Vertreibung zuteil werden, hätten die drei von Herzen erfreut. Ich schaue auf das Ereignis als eine Nachgeborene aus der sogenannten Kriegsenkelgeneration und danke der Dobischwälder Ortsgemeinschaft und den Initiatoren, die auch für ihre Nachkommen Heimatgeschichte ins kulturelle Erbe geschrieben haben. Aus meiner Sichtist dies ein erneuter Beitrag zur Verständigung.
Das Generalkonsulat von Ungarn in Bayern und das Münchener Haus des Deutschen Ostens (HDO) hatten wieder gemeinsam zum Gedenktag für die vertriebenen Ungarndeutschen in München eingeladen. Ansprachen im Sudetendeutschen Haus hielten dabei der ungarische Generalkonsul Gábor Tordai-Lejkó, Petra Loibl MdL, Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, und der Vizepräsident des Ungarischen Parlaments, Csaba Hende. Den Festvortrag „Deutschsprachige Siedler und der Weinbau im Königreich Ungarn vom Mittelalter zur Neuzeit“ hielt HDODirektor Andreas Otto Weber. Passend dazu gab es eine Weinverkostung mit drei Winzern aus dem südlichen Siebenbürgen, die ihre ungarndeutschen Weingüter mit Bildvorträgen vorstellten. Die Gedenkveranstaltung wurde von Konsul Gergely Juhász munter moderiert und von Andrea Várnagy und Csanád Szekrényessy am Flügel glanzvoll musikalisch begleitet.
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ie Ansiedlung von deutschen Siedlern im Königreich Ungarn ist als Teil einer Annäherung zwischen dem christlichen Westen und dem erst allmählich christianisierten Osten im östlichen Europa zu sehen“, erklärte Andreas Otto Weber zu einer Abbildung der Schlacht am Lechfeld 955 auf der Leinwand. „In deren Zuge kam es in dieser Region vom zehnten Jahrhundert an zu einem intensiven Landesausbau“, so der HDO-Direktor. Dazu habe die Anwerbung von Siedlern aus dem Westen sowie die Übernahme von Innovationen in Landwirtschaft, Siedlungswesen und Recht gehört. Die meisten dieser Deutschen, von denen viele aus mittelrheini-
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KULTUR
Sudetendeutsche Zeitung Folge 7 | 16.2. 2024
Prominente Gäste im Adalbert-Stifter-Saal: Pianist Csanád Szekrényessy, die Winzer Zsolt Gere, Balázs Neuperger und Tamás Fröhlich, Dr. Csaba Hende, Vizepräsident des Ungarischen Parlaments, BdV-Präsident Professor Dr. Bernd Fabritius, Pianistin Andrea Várnagy, Beauftragte Dr. Petra Loibl, Kerstin Schreyer, Schirmherrschaftsministerin a. D., Generalkonsul Gábor Tordai-Lejkó, Professor Dr. Andreas Otto Weber, BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer, SL-Landesobmann Steffen Hörtler und LDU-Landesvorsitzender Georg Hodolitsch.
� Gedenktag für die vertriebenen Ungarndeutschen 2024 im Sudetendeutschen Haus in München
Weinverkostung in München schen und moselfränkischen Regionen gekommen seien, hätten sich im Norden Ungarns, der Grenzregion zu Polen, und in Siebenbürgen im Süden Ungarns angesiedelt. Da unter Erzherzogin Maria Theresia, der Königin von Böhmen und Ungarn, auch viele mit „Ulmer Schachteln“ auf der Donau nach Ungarn gelangt seien, habe man den damaligen Neusiedlern den Namen „Donauschwaben“ gegeben. „Es waren aber nur wenige echte Schwaben“, schmunzelte Weber. Die Deutschen hätten vielfach auch neue Rebsorten nach Ungarn gebracht und dort bald aktiv Weinbau betrieben. An Beispielen der knapp 80 Kilometer
westlich von Bu1780 schon ein bedapest liegenden deutender WeinGemeinde Pußort gewesen. tawam/Pusztavám Drei der dortigen und vor allem des Weinproduzensüdungarischen ten stellten sich im Weinortes WieAdalbert-Stifterland/Villány zeigSaal vor: Tamás te Weber, welche Fröhlich, der ExRolle der Weinportmanager vom bau in der SiedGut A. (Attila) Gelungsgeschichte re, dann der Winder Donauschwazer Balázs Neuperben spielte, und Festredner Professor Dr. An- ger und schließlich welchen Einfluß dreas Otto Weber. Zsolt Gere von Gesie auf die ungarire Tamás und Zsolt sche Weinbaugeschichte hatten. in Wieland. Alle drei Winzer beDer Ort Wieland habe im elf- schrieben die einst blühenden ten Jahrhundert zu einer Bene- Familienbetriebe, die nach der diktinerabtei gehört und sei um Zeit im Kommunismus mit Enteignung und teilweiser Magyarisierung der Namen in harter Arbeit und mit Erfolg nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ihre Güter wieder in Gang brachten. Die historischen Fakten über die Ungarndeutschen hatte schon eingangs der Generalkonsul von Ungarn in München bei seiner Begüßung beschrieben: „1946 begann die traurige Geschichte der Vertreibung der Deutschen aus Ungarn“, erinnerte Gábor Tordai-Lejkó. Die Minderheitenpolitik in Ungarn habe jetzt eine lange Tradition, besonders seit sich – schon 1990 – das ungarische Parlament von der Vertreibung und Verschleppung der Ungarndeutschen distanziert habe. Seit 1993 gebe es auf Basis des MinderheitengeDrei Weinproduzenten stellen ihre jeweiligen Kellereien vor: Tamás Fröhlich am Pult vom Produzenten A. Gere, so- setzes sowie des Wahlgesetzes wie die Winzer Balázs Neuperger und Zsolt Gere von Gere Tamás & Zsolt in Wieland. die Grundlage für Selbstverwal-
tungen. Dem ungarischen Nationalitätenausschuß sei gelungen, die Schulgesetzgebung durchzusetzen, dank derer die Ungarndeutschen von der Wiege bis zur Universität Deutsch lernen könnten. „2023 bekannten sich mehr als 142 000 Menschen in Ungarn als Deutsche“, freute sich TordaiLejkó. Details ergänzte Csaba Hende. Den Gedenktag am 19. Januar habe Ungarn im Dezember 2012 beschlossen, so der Vizepräsident des Ungarischen Parlaments. Er wies unter anderem darauf hin, daß aufgrund der Beneš-Dekrete auch Angehörige der ungarischen Minderheit aus der Tschechoslowakei nach
Ungarn vertrieben worden seien, die dann oft in den Häusern der von dort vertriebenen Ungarndeutschen gelandet seien. „Ich bin als Beauftragte heute zum ersten Mal beim Gedenktag für die nach 1945 aus ihrer ungarischen Heimat vertriebenen Deutschen. Mit diesem Gedenktag hat Ungarn ein einzigartiges Signal gesetzt, das in seinen Folgen nicht zu überschätzen ist“, lobte die Politikerin und Tierärztin Petra Loibl. Vertriebene seien wie Heimatverbliebene auch in Ungarn immer Brückenbauer gewesen. Bayern und Ungarn seien in der Mitte Europas „Herzensländer“, betonte Loibl, die sich auch für Ungarns aktive Rolle beim Fall des Eisernen Vohangs bedankte. Schließlich würden wir dieses Jahr auch zum 35. Mal der Grenzöffnung von 1989 gedenken. Loibl erinnerte sich an ihr „Gänsehautgefühl“ im Jahr 1989. „Damals hat Ungarn auch den Weg zur deutschen und europäischen Einheit geöffnet.“ Die beiden Pianisten Andrea Várnagy und Csanád Szekrényessy lieferten vierhändig mit Werken von Edvard Grieg, Frédéric Chopin und Maurice Ravel den stimmungsvollen Ausklang des Gedenktages. In seinem Schlußwort erinnerte Weber daran, daß das Haus des Deutschen Ostens in München mit dem dortigen Ungarischen Generalkonsulat schon seit 2014 den Gedenktag gemeinsam feiere. „Durch die Musik am Flügel sind wir jetzt alle gut eingestimmt auf weitere Genüsse“, kündigte er verheißungsvoll an. Denn die drei Weingüter aus Wieland hatten viele ihrer edlen Gewächse mitgebracht. Die oft preisgekrönten Weine aus Siebenbürgen und viele regionale Leckereien wurden beim folgenden Empfang verkostet. Susanne Habel
Csanád Szekrényessy und Andrea Várnagy spielen vierhändig am Flügel und ernten reichen Applaus. Bilder (4): Susanne Habel
Professor Andreas Otto Weber zeigt beim Vortrag mit Bildern und Karten die historische Entwicklung des Weinbaus in Ungarn, besonders in den von Deutschen besiedelten Gebieten wie etwa Siebenbürgen.
Weber stellt zwei Winzersiedlungen näher vor und zeigt historische Karten von Pußtawam/Pusztaván (links) und Wieland/Villány (Mitte). Dort gedeiht heute wieder der Wein.
Bilder (6): HDO
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KULTUR
Sudetendeutsche Zeitung Folge 7 | 16. 2. 2024
Mit der Kabinettausstellung „Peter Grau 1928–2016. Die Radierungen“ gibt das Kunstforum Ostdeutsche Galerie (KOG) in Regensburg Einblick in das Schaffen eines begnadeten Grafikers. Seine anspruchsvollen Arbeiten bestechen mit dem Reiz des Unheimlichen. Gezeigt wird eine Auswahl von rund 40 Radierungen aus einer umfangreichen Schenkung an die Grafische Sammlung des KOG aus dem Nachlaß des Künstlers. Einen Überblick über Graus Radierwerk gibt das von Michael Davidis herausgegebene Nachlaßverzeichnis, das man an der Museumskasse kaufen kann.
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eter Grau wurde 1928 in Breslau/Wrocław in Niederschlesien geboren. Von 1946 bis 1952 studierte er bei Willi Baumeister an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Ab 1950 besuchte er parallel die Staatliche Hochschule für Musik, wo er 1955 ein Studium der Violine abschloß. 1968 wurde er als Professor an die Stuttgarter Kunstakademie berufen, an der er bis zu seiner Pensionierung 1994 wirkte. Eine Zusammenarbeit mit dem KOG – damals Ostdeutsche Galerie genannt – begann 1974. Damals erhielt Peter Grau die heute nicht mehr vergebene Ehrengabe des Lovis-Corinth-Preises. Mehrere seiner Arbeiten waren daraufhin 1981/1982 in der Ausstellung „Meisterwerke der Zeichnung aus den Sammlungen der Ostdeutschen Galerie“ zu sehen. 1982 zeigte er eine Einzelausstellung, die seine „Regensburger Blätter“ vorstellte – eine
Peter Grau: „ Augenhaus“ (1976) und „Das Revier“ (1967). Bilder: Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg, © Familienarchiv Grau, Jetzendorf, Angela Grau
� Neu im Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg
Radierungen von Peter Grau Serie großformatiger Federzeichnungen von 1978/1979. Diese wurden damals von dem Künstler angekauft. Einige zusammenhängende Skizzen schenkte er dem Museum. 2016 strag Peter Grau in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart. Geheimnisvoll und unheimlich zugleich ziehen Peter Graus Arbeiten in ihren Bann. Im Spannungsfeld zwischen Licht und
Peter Grau: „Der Bär (Wilhelma)“ (1973). Im Haus des Deutschen Ostens in München wurde im Begleitprogramm zur Ausstellung „Ungehört – die Geschichte der Frauen. Flucht, Vertreibung und Integration“ ein Vortrag geboten. Die Historikerin Katharina Anna Aubele hielt ein Referat über „Vertriebene Frauen in der Bundesrepublik Deutschland“.
Schatten, Schwarz und Weiß bringt er seine Botschaften eindrucksvoll auf Papier und läßt dabei viel Raum für Interpretationen und Assoziationen. Als Zeichner und Radierer wußte Grau seine gestalterischen Mittel virtuos einzusetzen. Landschaften, Tiere und Architektur stehen im Mittelpunkt der gezeigten Werke. Im großen Saal vereint die Kabinettausstellung eine Auswahl von mehr als 40 Radierungen. Dies ist etwa ein Viertel der Schenkung, die die Familie des Künstlers dem KOG 2023/2024 überreichte. Zusammen mit dem bereits seit längerem vorliegenden Bestand an Graus Arbeiten verwahrt die Grafische Sammlung mehr als 200 Drucke und Zeichnungen des Künstlers. Die Radierungen sind dank der jüngsten Schenkung im KOG nun fast komplett versammelt. Die Regensburger Exemplare dienten als Vorlage für die Abbildungen im Nachlaßverzeichnis, das Michael Davidis über Graus Radierwerk verfaßte. Die kürzlich erschienene Publikation wird begleitend zur Ausstellung verkauft. Mit der Technik der Radierung beschäftigte sich Peter Grau intensiv über zwei Jahrzehnte hinweg von den 1960er bis in die 1980er Jahre. Über die Zeit erprobte er verschiedene Möglichkeiten dieses druckgrafischen Verfahrens und erweiterte sein Repertoire entsprechend seinem künstlerischen Vorhaben.
Zunächst ritzte er die Vertiefungen für die Druckfarbe vorwiegend direkt mit der Nadel in die metallenen Druckplatten. Neben der Technik der Kaltnadelradierung bediente er sich später auch der klassischen Strichätzung und weiterer Ätzverfahren. Das ermöglichte ihm nicht nur Linien, sondern auch Grauwerte und wolkige Effekte zu erzielen. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist „Die steinerne Brücke“ aus dem Jahr 1979. Es zeigt die Regensburger Sehenswürdigkeit verfremdet, wie eingetaucht in die Elemente Wasser und Luft. Das Blatt bildet den Auftakt der Ausstellung. An mehreren Stellen werden den jeweiligen finalen Fassungen Zustandsdrucke gegenübergestellt. So kann man nachvollziehen, wie der Künstler vorging, um zur gewünschten Wirkung zu gelangen. Als Leitfaden für die Präsentation griff Kurator Sebastian Schmidt wiederkehrende Motive auf, welche sich über Graus gesamtes Œuvre erstrecken. Dadurch ergeben sich sechs Themen, die jeweils an einer der Wände im großen Ausstellungssaal des KOG aufgefächert werden. Es sind nur wenige Arbeiten, in denen sich Peter Grau auf seine Tätigkeit an der Stuttgarter Kunstakademie bezog. Bemerkenswert ist, daß er hierfür besonders große Papierformate verwendete. Unter den vier Blättern in der Ausstellung fällt „Der große Hof der Akademie“ auf.
Humorvoll und gekonnt erfaßte er hier mit feiner Linienzeichnung das bunte Treiben. Die große Menge an Menschen, die verschiedenen, teils skurrilen Tätigkeiten nachgehen, sowie ein Sammelsurium an merkwürdigen Fahrzeugen erinnern an ein Wimmelbild. Zusammen mit seinen Studenten besuchte Grau gerne den
Peter Grau: „Das Gericht (Apokalypse)“ (1964). zoologisch-botanischen Garten Wilhelma. Errichtet hatte den Landschaftspark König Wilhelm I. von Württemberg im 19. Jahrhundert. Auf ihn gehen auch die Gebäude im sogenannten Maurischen Stil zurück, die sich in Graus Radierungen wiederfinden. Die Bauten, teilweise im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe beschädigt und allmählich zurückerobert von der Natur, wurden inzwischen von
� Vortrag von junger Wissenschaftlerin in München
Engagement vertriebener Frauen
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atharina Aubele hatte 2018 ein Standardwerk über ihre Kernthemen wie politisches, gesellschaftliches und kirchliches Engagement der vertriebenen und geflüchteten Frauen vorgelegt: „Vertriebene Frauen in der Bundesrepublik Deutschland: Engagement in Kirchen, Verbänden und Parteien 1945–1970“. Damit erschloß Aubele ein zuvor von der Forschung unbeachtetes Gebiet. In ihrem Vortrag im HDO behandelte sie einen Themenschwerpunkt aus ihrer Studie. Aubele studierte Geschichte Osteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Baltischen Föderalen Immanuel-Kant-Universität in Königsberg/Kaliningrad bis hin zur Promotion zum Thema „Ver-
exotischen Tieren bewohnt. Die melancholische Stimmung der Anlage inspirierte Grau zu mehreren Radierungen. Überhaupt erfüllt die Architektur in Graus Darstellungen eine wichtige Rolle. Er überzeichnet das Äußere menschenleerer Häuser. Windschief trotzen sie der Natur oder führen scheinbar ein Eigenleben wie das „Augenhaus“. Finstere Öffnungen lassen Unheilvolles im Inneren erahnen. Die bizarren Fassaden regen die Fantasie an, Geschichten über die Erbauer oder die Bewohner zu spinnen. Das Tier ist ein weiteres wichtiges Motiv in Graus Schaffen. Auch die Kreaturen macht er zu Trägern von Emotionen und Gefühlen, die die Betrachter leicht nachempfinden können: Die Freiheit und Entschlossenheit jagender Hunde, die Hoffnungslosigkeit zusammengepferchter Schlachttiere in einem von monströsen Artgenossen bewachten lagerartigen Hof, die Einsamkeit und das Ausgeliefertsein eines verlassenen jungen Seehundes, das Respekt und Angst einflößende Gehabe des Fischwesens, das sein Unterwasserrevier bewacht. Die Nordseeinsel Amrum lieferte Peter Grau ähnlich wichtige Anregungen wie die Stuttgarter Wilhelma. Die letzte Wand, überschrieben mit „Letzte Dinge“, vereint Darstellungen zur biblischen Apokalypse sowie zur mythologischen Gestalt des Totenfährmanns Charon. Die umfangreiche Serie über die Offenbarung des Johannes schuf Grau zu Beginn seiner Tätigkeit als Radie-
HDO-Öffentlichkeitsreferentin Dr. Lilia Antipow, HDO-Kulturreferentin Patricia Erkenberg, die Referentin Dr. Katharina Aubele mit ihrem Buch und HDOBild: HDO Direktor Professor Doktor Andreas Otto Weber.
rer bis Mitte der 1960er Jahre. Er veranschaulichte beliebte Themen der Kunstgeschichte wie die „Reiter“ oder „Das sechste Siegel“. Bis Sonntag, 7. April: „Peter Grau 1928–2016. Die Radierungen“ in Regensburg, Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Doktor-Johann-Maier-Straße 5, Dienstag bis Sonntag 10.00–17.00 Uhr. Internet www.kunstforum.net triebene Frauen in der Bundesrepublik. Engagement in Kirchen, Verbänden und Parteien 1945 bis 1970“ (2018). Sie war auch im Wissenschaftlichen Sekretariat der Deutsch-Tschechischen und Deutsch-Slowakischen Historikerkommission beschäftigt. Die Historikerin beschäftigt sich schon lange mit dem Thema, wofür sie auch mehrfach geehrt wurde. Bereits 2011 war Aubele von der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste mit der Adolf-KlimaMedaille und 2017 von der SL mit dem Förderpreis für Wissenschaft ausgezeichnet worden. Katharina Aubele, die 1982 in München geboren wurde und „aus keiner Vertriebenenfamilie stammt, hat mit der Wahl ihres Forschungsthemas Mut bewiesen und Neuland in der Erforschung der Tätigkeit der Frauen in der Vertriebenenszene zu betreten gewagt“, lobte in seiner Laudatio 2017 der damalige SLBundeskulturreferent Wolf-Dieter Hamperl. Derzeit ist Katharina Aubele Archivrätin beim Staatsarchiv München. Susanne Habel
VERBANDSNACHRICHTEN
Sudetendeutsche Zeitung Folge 7 | 16. 2. 2024
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Ackermann-Gemeinde in der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Verzweifelte Suche nach den Schuldigen Kriegsgewinnler, Wucherer, skrupellose Geschäftsleute und kommunistische Revolutionäre dargestellt worden. Eine 1926 gegründete faschistische Bewegung habe aber keine große Unterstützung erfahren. Die politischen Eliten, angeführt von Präsident Tomáš Masaryk, hätten antijüdische Tendenzen verurteilt und sich allen Bestrebungen, Juden aus der Gesellschaft auszuschließen, widersetzt. Neben der wachsenden Kritik an der parlamentarischen Demokratie habe es jedoch Anfang der 1930er Jahre auch in katholischen politischen Kreisen antijüdische Kampagnen gegeben. Einige katholische Politiker hätten die Juden pauschal als Vertreter der ka-
der Gründung der Zweiten Republik seien alle antisemitischen Tendenzen voll zutage getreten. Kennzeichnend für die Wochen danach sei die verzweifelte Suche nach den Schuldigen für diese Katastrophe der Abtretung des Sudetenlandes an das Deutsche Reich gewesen, die sich in antijüdischen Stimmungen niedergeschlagen habe. In staatlichen Ämtern seien die Angestellten nach rassischen Kriterien qualifiziert worden. Die Idee des katholischen ie Tagung war am Holocaust-GeMilieus habe vor allem darin bestanden, denktag und erhielt eine während die jüdische Volksgruppe diskriminieder Planung für die Tagung unvorherrend aus dem öffentlichen Raum und sehbare Aktualität durch die Schrecken der Wirtschaft auszuschließen, ihre Bürim Nahen Osten. Mit Professor Jaroslav gerrechte einzuschränken und ihre AusŠebek hatte der Vorstand wanderung zu erreichen. der Ackermann-Gemeinde Der katholische Antijudaiseinen Kenner der Geschichmus sei also hauptsächlich te Böhmens in der Zwireligiös, national-kulturell schenkriegszeit gewonnen. und sozioökonomisch moDa Šebek Corona hatte, las tiviert gewesen und habe Rainer Bendel, der die Tameist nicht die rassistischen gung organisiert hatte und Untertöne, die für den mosie moderierte, den Bericht dernen Antisemitismus tyvor. pisch seien, gehabt. Das beWährend der Antisemideute jedoch nicht, daß es tismus in der tschechischnicht auch stark antisemideutschen Konfrontation in tisch motivierte Angriffe geden 1860er und 1870er Jahgeben habe. Die wichtigste ren latent vorhanden geUmsetzung des Antisemiwesen sei, habe er in den tismus sei mit der national1890er Jahren eine konfronsozialistischen Besatzung tative Form angenommen. Pfarrer Gerald Warmuth, Dietlinde Langer und Hermann Lüffe. und der Errichtung des ProBild: Stefan P. Teppert tektorats erfolgt. Die überDamals habe die Jungböhmische Partei versucht, die wiegende Mehrheit der Versäumnisse ihrer Politik durch natio- pitalistischen Ausbeutung angegriffen, tschechischen Juden, etwa 78 000, sei nale Radikalisierung zu kompensieren. die für die soziale Not und das Leid der in den Vernichtungslagern und Ghettos Ein von tschechischen Kaufleuten ange- christlichen Arbeiter verantwortlich sei- umgekommen. führter Wirtschaftsboykott gegen deut- en. Führer der Christlich-Sozialen hätIn der Nachkriegszeit sei der Wiedersche und jüdische Kaufleute habe sich ten Zugangsbeschränkungen für Juden aufbau der jüdischen Religionsgemeinder Stereotype bedient, die im christli- in Bildung und Wirtschaft gefordert. Die schaften auf materielle Probleme gechen Europa vor Jahrhunderten entstan- Grenze zwischen antijudaistischen Ver- stoßen und habe unter dem Mangel an den seien. lautbarungen und rassistischem Antise- Mitgliedern gelitten. Die ersten Jahre Der Jude sei als Wucherer und in jün- mitismus sei schmal gewesen. Kollekti- der kommunistischen Herrschaft nach gerer Zeit als Ausbeuter, Kapitalist und ve Stereotypen hätten einen fruchtba- 1948 seien vom Wiederaufleben des AnBourgeois dargestellt worden. Im Werk ren Boden für die Profilierung autoritär tisemitismus geprägt gewesen, der von Jan Nerudas, eines Klassikers der tsche- orientierter Bewegungen geschaffen, Ideologie und dem Einfluß der sowjechischen Literatur, komme der frühe eu- gleichzeitig hätten die höchsten Ebenen tischen Politik motiviert gewesen sei. ropäische Antisemitismus beispielhaft der Kirche jedoch antisemitische Ten- Ein erneuter jüdischer Exodus aus der zum Ausdruck. Der politische Antise- denzen ab Frühjahr 1938 deutlich ange- Nachkriegstschechoslowakei sei in zwei mitismus sei, so Šebek, mit der Schwä- prangert. Wellen erfolgt: nach der Entstehung Ischung des Liberalismus und dem AufIm Januar 1938 habe die neue rumä- raels 1948 und der sowjetischen Invasistieg der Sozialdemokratie zusammen- nische Regierung unter dem bekannten on 1968. Das Feindbild Jude sei Teil der gehangen. Populistischen Politikern und rumänischen Dichter und Vertreter des Propagandakampagnen der von den Journalisten sei es nicht schwer gefallen, konservativ-nationalistischen Denkens, Kommunisten kontrollierten Medien jüdische Schuldige für alles Negative in Octavian Goga (1881–1938), mit der gewesen. Der Begriff „Zionist“ sei entder Gesellschaft zu identifizieren und Umsetzung einer antisemitischen Poli- wickelt worden, um die Verfolgung ehezu brandmarken. Nach antideutschen tik begonnen. Katholische Kreise hätten maliger Mitglieder der Machthierarchie Massenunruhen hätten 1897 antijüdi- der jüdischen Volksgruppe als liberalem jüdischer Herkunft zu rechtfertigen. Im sche Ausschreitungen von Prag aus auf Träger der Moderne die Verantwortung Zusammenhang mit dem Angriff auf Isandere tschechische Städte übergegrif- für den Verfall der Moral und der sozi- rael nach dem Sieben-Tage-Krieg 1967 fen. Der enorme Aufschwung des Anti- alen Ordnung in der Nachkriegszeit so- hätten die Tschechen für 32 Jahre die semitismus in den böhmischen Ländern wie für die Verbreitung der Ideen des diplomatischen Beziehungen zum jüund der tschechischen Gesellschaft an Sozialismus und Kommunismus zuge- dischen Staat abgebrochen und veheder Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert schrieben. Die politische Krise in Ver- ment die arabische Welt unterstützt. zeige, daß es starke antijüdische Gefüh- bindung mit der Bedrohung des demo- Palästinensische Terrorakte seien bele gegeben habe, die sich vor allem in kratischen Systems habe in der Tsche- schönigt, repressive Maßnahmen der isKrisenzeiten in Äußerungen der Politik choslowakei einen fruchtbaren Boden raelischen Regierung hochgespielt worund der Medien niedergeschlagen hät- für das Wachsen antisemitischer Gefüh- den. ten. le auch in der katholisch geprägten MeIn all diesen Perioden seien Haß und Zu Beginn des Bestehens der Ersten dienlandschaft – bis hin zur Lösung der Gewalt die Auslöser für die Angriffe auf Republik (1918–1938) habe es starke Judenfrage nach deutschem Vorbild – Juden gewesen, heute dagegen sollten antijüdische Ausschreitungen in Ver- gebildet. Respekt, Ehrerbietung und Liebe in den bindung mit antideutschen gegeben. In Das Münchener Abkommen im Sep- Beziehungen vorherrschen. Gleichzeitig der Presse seien die Juden stereotyp als tember 1938 sei ein Wendepunkt gewe- müßten wir die Lösung von Krisen ratioUmstürzler der Gesellschaftsordnung, sen. Nach seiner Verabschiedung und nal und sachlich angehen, schloß Šebeks Vortrag. Leicht möglich sei, daß sich der Haß auch gegen andere ethnische und soziale Gruppen erhebe in einer GesellOctavian Goga (1881–1938) schaft, die dazu neige, „Fake News“ aufoga kam in SiebenAls Lyriker war er so- Begeisterung für Gozusitzen und die Welt nur mit ideologibürgen zur Welt. zial engagiert und be- gas Dichtung. Mehrere schen Augen anzusehen. Seit dem Anschluß Sie- nutzte eine archai- Ausgaben seiner WerIn der anschließenden lebhaften Disbenbürgens an Rumä- sierende Sprache mit ke und zahlreiche Mokussion sprachen die Teilnehmer weitenien war der rumäni- mundartlichen Aus- nographien erschienen. re Aspekte von Antijudaismus und Antische Patriot drücken. Er Auch wenn der Antisesemitismus an und berichteten von pound Nationastellte das mitismus in seiner Positiven Erfahrungen mit gut integrierten list Minister in ländliche Le- litik deutlich ist, spieJuden in ihrer Jugend in Böhmen. AGverschiedenen ben der rumä- gelt sich dieser dennoch Bundesvorstandsmitglied Hermann Regierungen. nischen Bau- in seinen Werken nicht Lüffe verlieh Dietlinde Langer die Gol1937 wurde er ern in Sieben- wider. Seine Dichtung dene Ehrennadel mit Urkunde für ihPremier. Die bürgen in den wird auch heute noch re Verdienste und Treue. In seiner Lauvon seiner ReMittelpunkt in Rumänien hoch gedatio hob er ihre integrative Kompetenz gierung 1938 seiner Dich- schätzt. und kommunikative Art hervor. Sie haverabschiedetung. Diese Octavian Goga überbe großartig verstanden, bei den Menten Gesetze nahmen ei- nahmen die Zeitgenos- setzte Werke bedeutenschen ein Zusammengehörigkeitsgefühl nem Drittel der Juden sen begeistert auf, ei- der ungarischer Schriftzu wecken und zu stärken und die Mitdie Bürgerrechte. Zwar nige Gedichte wurden steller wie Endre Ady, glieder für Themen und Aufgaben zu entließ Carol II. Goga Volkslieder. Im kom- Sándor Petőfi und Imsensibilisieren. Zum Schluß feierte die nach 40 Tagen, doch die munistischen Rumäni- re Madách ins RumäniTagungsgemeinschaft mit Pfarrer GeGesetze blieben. en nach 1947 blieb die sche. rald Warmuth Gottesdienst. Stefan P. Teppert Die diesjährige Tagung der Ackermann-Gemeinde (AG) in der Diözese Rottenburg-Stuttgart fand Ende Januar im Hotel Fortuna in Schwäbisch Gmünd statt. Thema waren Antijudaismus und Antisemitismus in den böhmischen Ländern und in der Tschechoslowakei vor dem Ersten Weltkrieg, während der Ersten und Zweiten Republik sowie während des totalitären kommunistischen Regimes.
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Den Polen spielen wir mal einen Streich und setzen sie zwischen Deutschland und Rußland.
Ackermann-Gemeinde
Darüber lacht Polen den Ländern.“ Gründe seien unter anderem das Bündnis der letzten Regierung mit der Kirche, das überaus strikte Abtreibungsrecht und die Mißbrauchsskandale. „Die junge Generation kommt vom Glauben ab, Polen hat kaum noch Priester – insgesamt oderatorin Sandra Uhlich stellte eine tragische und traurige Entwickden 1969 in Regensburg gebo- lung“, faßte Kneip diesen Bereich zurenen Matthias Kneip, seit März 2000 sammen, bei dem auch Konsum und Wissenschaftlicher MitarKapitalismus hereinspielen. beiter am Deutschen PolenDamit einher gehen aber Institut in Darmstadt sowie auch Belange wie NationalSchriftsteller und Polenrefegeist auf der einen und Geist rent, vor. Nach dem Studium der Freundschaft und Zuder Germanistik, Ostslawisammenarbeit auf der andestik und Politikwissenschaft ren Seite, wie eine Karikatur war er Mitte der 1990er in zeigte. Bei diesem Streit der Oppeln Lektor, 1999 proWerte sei es in den letzten Matthias acht Jahren zu einer Spalmovierte er über „Die poli- Dr. tische Rolle der deutschen Kneip tung des Landes gekommen Sprache in Oberschlesien – bis hin zu zerrütteten Fa1921 bis 1999“. Er engagiert sich im milien und zerbrochenen Freunddeutsch-polnischen Kulturaustausch, schaften. Der Klimawandel und das leitet Polenreisen und hält Lesungen Stopfen des Ozonloches sind bei der an deutschen Schulen. Dafür erhielt Abhängigkeit Polens von der Kohle er den Kulturförderpreis der Stadt ebenfalls problematisch und per KaRegensburg und die Goldene Eule rikatur dargestellt. Als weiteres Thedes Clubs der polnischen Intelligenz. ma sprach Kneip das Verhältnis der Für das Buch „Darüber lacht Polen“ Polen zur EU an: „Die Polen sind auch (2023) schrieb er Texte über die Ka- begeisterte Europäer, haben aber Prorikaturen des polnischen Karikaturi- bleme mit der EU.“ Letzte Themen sten Andrzej Mleczko. waren der Alkohol – „Polen ist eher „Aktuell dürfen wir für Humor ein Bierland.“ – und die Digitalisiedankbar sein“, meinte Kneip ange- rung – „Polen ist eines der schnellsichts der Weltlage. Er stellte den seit 1971 als Karikaturisten wirkenden Andrzej Mleczko vor. „Viele Generationen sind mit seinen Karikaturen aufgewachsen, seine Themen sind breit gestreut. Gut 20 000 Karikaturen hat er geschaffen. Er ist der bekannteste polnische Karikaturist. Seine Karikaturen, in denen er das gesellschaftliche und politische Leben in seinem Land kommentiert, erscheinen in vie- „Paß auf, Ozonloch!“ len wichtigen polnischen Zeitungen und Zeitschriften.“ sten digitalisierten Länder Europas.“. Anhand ausgewählter Karikatu- Er schloß mit der Karikatur von Anren griff Kneip unterschiedliche The- drzej Mleczko, in der Gott die kaputte men auf wie die Lage Polens zwischen Welt zur Reparatur bringt. Deutschland und dem russischen EinNach dem Verhältnis zwischen Poflußbereich mit den polnischen Tei- len und Tschechen fragte Werner Holungen bis zum Hitler-Stalin-Pakt nal. „Die Tschechen gelten in der sla1939. „Polen ist heute wachsamer, wischen Welt als die Deutschen. Es vertraut mehr auf Verträge als auf sind zwei verschiedene MentalitäGott.“ Außerdem habe Polen in solch ten. Die Polen haben mehr Bezug zur schwierigen Zeiten stets die Sprache, Slowakei – auch sprachlich, aber die Kunst und Kultur bewahrt. Henryk Si- längste Grenze mit Tschechien. Es ist enkiewicz‘ Roman „Quo Vadis“ sei ein Verhältnis, wo man aufeinander daher auch als Darstellung des Kon- guckt, es ist aber nicht politisch briflikts zwischen Rußland und Polen in- sant“, erläuterte Kneip. Die im Vorterpretiert worden. trag erwähnte Beziehung zu Rußland, Ein zentrales Thema ist auch die Weißrußland und der Ukraine interkatholische Kirche, die lange Zeit als essierte Bernhard Dick, zumal PoBestandteil des polnischen Natio- len Grenzen zu Weißrußland und zur nalbewußtseins galt. „Aktuell ist ei- Ukraine hat. „Das polnisch-ukrainine große Abwendung von der Kir- sche Verhältnis war auch sehr komche festzustellen, vor allem die junge pliziert. Mit dem Krieg ist es positiver Generation hat nicht mehr den Be- geworden. Die Sprache und Mentalizug. Seit 1989 gilt der Kommerz als tät ist ähnlich, die Ukrainer integriegroße Kraft neben der Kirche“, sag- ren sich gut in Polen. Belarus ist ein te Kneip und zeigte einschlägige Ka- russischer Vasall.“ Abschließend verrikaturen wie vom Export polnischer wies Kneip auf den ganzheitlichen Priester gegen den Import liberaler polnischen Humor, in dem sich NaWerte. „Polen gehört heute zu den tion, Mentalität und Geschichte versich am schnellsten säkularisieren- binden. Markus Bauer Ein wenig dem Fasching angepaßt war der Februar-Kulturzoom der Akkermann-Gemeinde. Matthias Kneip stellte sein Buch „Darüber lacht Polen. Eine Landeskunde in 72 Karikaturen und Texten“ vor.
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VERBANDSNACHRICHTEN
Sudetendeutsche Zeitung Folge 7 | 16. 2. 2024
� SL-Ortsgruppe Rückersdorf/Mittelfranken
Deutsche bringen neues Wissen Krieg und damit die konfessionellen Streitigkeiten. Die Tschechen nennen diese Zeit die Periode der Dunkelheit. Im 19. Jahrhundert beginnt der Nationalitätenstreit. Es tauchen Fragen auf wie: Wer ist ein Deutscher? Jeder, der deutsch spricht, ist auch ein Deutscher. Vereine und Volkstumsgruppen entfesseln einen Volkstumskampf. Tschechen und Deutsche entwickeln sich immer weiter auseinander. Hier liegt bereits der Kippunkt für die spätere Verärbel Anclam begrüßte zu- treibung. nächst ihre sudetendeutDann kommt der Erste Weltschen Landsleute, Mitglieder krieg. 1918 wird die Tschechound sehr viele Gäste. Sie hieß slowakische Republik ausgeAltlandrat Helmut Reich, Altbür- rufen. Die Sudetendeutschen germeister Peter Wiesner, Bür- müssen sich unterordnen. 1919 germeister Johannes Ballas und wollen diese ihr Recht auf SelbstCSU-Vorsitzende Inge Thron bestimmung gegen die Tscheherzlich willkommen. Launig chen durchsetzen. Es kommt zu erzählte sie, daß ihre Mutter die blutigen Auseinandersetzungen. Rückersdorfer SL 25 Jahre ge- Zum Schluß werden die sudetenführt und testamentarisch ver- deutschen Gebiete der Tschechofügt habe, daß ihre Tochter Bär- slowakei einverleibt. Die Spanbel die Gruppe nach ihrem Tod nungen steigen in den nächsten weiterführen solle. Mit Bravour Jahren weiter an. Grund sind erledigt sie diese Aufgabe schon die Weltwirtschaftskrise, die Beeinige Jahre, und die Mitglieder- nachteiligung der Deutschen bei zahlen steigen stetig. Bevor sie staatlichen Aufträgen und tscheaber das Wort an Chriostoph Lip- chische Schikanen. Zunehmend pert übergab, wurden alle zu Ku- orientieren sich die Deutschen chen und Getränken eingeladen. an den Nationalsozialisten. HöDann begann Lippert, der in sei- hepunkt ist 1938 das Münchener ner typischen Egerländer Tracht Abkommen. Die Sudetengebiete gekommen war, seinen Vor- werden dem deutschen Reich antrag. geschlossen, die Tschechei wird Die Geschichte beginnt im 12. zerschlagen. Jahrhundert. Böhmische GrundBereits während des Zweiherren locken Deutsche mit ten Weltkrieges beschließt der Steuerprivilegien und Steuer- im Exil lebende Edvard Beneš, freiheit nach Böhmen, Mähren die Sudetendeutschen aus dem und Schlesien. Vor allem sind es künftigen tschechoslowakischen Kaufleute, Handwerker, Bauern Staat zu vertreiben. 1945, gleich und Bergleute, die bereits über nach der Kapitulation Deutschfortgeschrittene Kenntnisse im lands, beginnt die Vertreibung. Bergbau und Handwerk sowie in Zehntausende sterben an Hunder Landwirtschaft verfügen. Ei- ger, Entkräftung und den Graune blühende Zeit beginnt, die un- samkeiten der Tschechen. Hunter Kaiser Karl IV. noch verstärkt derttausende werden aus dem wird. Land gejagt, und eine beispielDer Kaiser ist sehr sprachbe- lose ethnische Säuberung fingabt und schafft die Handelsrou- det statt. Die damalige Meinung war: „Nur ein ethnisch reiner Staat ist ein homogener und ein friedlicher Staat.“ Die Vertriebenen bilden im Nachkriegsdeutschland ein stabiles Element. Sie tragen zum Aufbau eines demokratischen Deutschland bei. Ab dem Jahr 2000 beginnt in der Tschechischen Christoph Lippert, Bärbel Anclam und Helmut Reich. Republik die Bild: Birgit Schuhmann Aufarbeitung, die 2016 ihren te zwischen Prag und Nürnberg. Höhepunkt hat. Damals besuchte Das böhmische Reich ist in die- mit Daniel Herman erstmals ein ser Zeit sehr groß. Leider können tschechischer Minister den Sudie Tschechen, die ebenfalls hier detendeutschen Tag. leben, nicht an dieser Blüte parChristoph Lippert verstand es tizipieren. Aber die Tschechen gekonnt, die Zuhörer so zu feszeugen über die Jahrzehnte viel seln, daß ihm am Ende seiner mehr Kinder als die Deutschen, Ausführungen die Begeisterung so daß es im Laufe der Zeit mehr und der Beifall aller AnwesenTschechen als Deutsche gibt. den sicher waren. Bärbel Anclam Richtig Ärger kommt auf, als der überreichte ihm einen PräsentReformator Jan Hus die Hussi- korb und bedankte sich übertenbewegung ins Leben ruft und schwenglich für seinen Vortrag. die sogenannten Hussitenkriege Dann rief sie alle auf, noch zu beginnen. bleiben, da die Helferinnen köstIm 15. Jahrhundert entwic- liche Brote vorbereitet hätten. kelt Martin Luther seine The- Die ließen sich alle noch schmecsen, und die protestantische Re- ken, bevor sie den Weg nach formation beginnt. Die böhmi- Hause antraten. schen Stände schließen sich der Beim nächsten Treffen Anfang Reformbewegung an. In der Fol- März wird Susanne Vogel über gezeit wechseln sich streng ka- das Palliativ Care Team Nürnbertholische und protestantische ger Land in Hersbruck informieHerrscher ab, wobei jeder seine ren. Anmeldung: Telefon (09 11) Religion durchsetzt. 1618 kommt 57 63 76, Mobil (01 74) 1 67 50 96, es zum Prager Fenstersturz. Da- eMail otmar.anclam@gmx.de nach beginnt der Dreißigjährige Gabi Waade Anfang Februar fand das zweite diesjährige Treffen der mittelfränkischen SL-Ortsgruppe Rückersdorf im dortigen Schmidtbauernhof statt. Obfrau Bärbel Anclam hatte dazu eingeladen, und sehr viele waren gekommen. Schließlich stand ein Vortrag des ehemaligen SL-Bundesgeschäftsführers Christoph Lippert über die Geschichte der Sudetendeutschen von ihrem Beginn bis zu ihrer Vertreibung auf dem Programm.
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� Ackermann-Gemeinde
Bierdeckel als Eisbrecher Bierdeckel oder Bierfilzl dienen als Untersetzer für Biergläser oder -krüge und sollen das Kondenswasser, das sich außen am Bierglas bildet und beim Anheben des Glases heruntertropft, aufsaugen. Doch damit nicht genug. Es gibt auch Sammler dieser Papperzeugnisse. Und sie können angesichts der darauf abgedruckten und zu lesenden Bilder und Botschaften auch zur Kommunikation anregen.
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ommunikation war für den Bundesverband der Ackermann-Gemeinde (AG) das Hauptmotiv, für das deutschtschechische Picknick in Taus/ Domažlice Anfang August (Ý SdZ 33+34/2023) über ein Mittel nachzudenken, mit dem man an den 50 Tischen die Gäste aus beiden Nationen ins Gespräch bringen könnte. Immerhin wollte man den Guinness-Rekord für den längsten Picknick-Tisch aufstellen. „Es gab ein Vorbild“, sagt Claudia Kern, Assistenz der AGGeschäftsführung. Sie war federführend mit der Umsetzung des Bierdeckel-Projektes betraut. „Der Bundesvorstand war begeistert, das Vorbereitungsteam hat dann Fragen für die Inhalte vorgeschlagen, manche Ideen stam-
men zu 100 Prozent von diesem Bobbycars. Auch der Humor darf Einen Teil der Auflage nahBrainstorming“, so Kern. also nicht fehlen. Bei den Bild- men einige Picknick-TeilnehDie Fragen auf den Bierdec- motiven bediente man sich zum mer gerne als Souvenir mit. Vom keln sollten natürlich nicht zu Teil bei Bildagenturen, aber auch Restbestand hatten die Vertreter schwierig sein. Da half, daß in Fotos von Veranstaltungen der der Ackermann-Gemeinde Exder AG-Bundesgeschäftsstel- Ackermann-Gemeinde flossen emplare beim Jubiläum „25 Jahle in München viele zweispra- mit hinein. re Deutsch-Tschechischer Zuchige Mitarbeiter sind und den Und tatsächlich bewährten kunftsfonds“ am 9. September Feinschliff machen konnten. sich die Bierfilzl oft als „Eisbre- beim Bürgerfest des BundespräIm Frühsommer 2023 fiel der cher für Gespräche am Tisch“, er- sidenten dabei. Auch da stießen Startschuß für die Aktion. Pro zählt Kern. Die Universalität der die Bierdeckel auf große ResoBierfilzlmotiv waren 50 Exempla- Fragen erwies sich als praktisch, nanz. Nebenbei bemerkt: Auch die re vorgesehen – eben für jeden in lockerer Form bestand die Picknick-Tisch. Möglichkeit, miteinander ins Ge- Junge Aktion der AckermannEtwas schwieriger gestalteten spräch zu kommen. Es war qua- Gemeinde ist auf die Werbung sich die Bildmotive. Während et- si eine spielerische Annäherung mittels Bierdeckel aufgesprunwa beim „Lieblingsessen“ Knö- entsprechend dem Charakter ei- gen. Hier zeigen auf der einen Seite vier Bilder Spotlights aus del mit Fleisch auf den ersten nes Picknicks. der Verbandsarbeit, verbunBlick das Thema spiegeln und den mit Hinweisen auf die Präbei der Frage „Was bringt Sie senz im Internet und in den zum Lachen?“ ein Clown absozialen Medien. Auf der angebildet ist, wird der Bezug bei deren Seite werden die wichder Frage „Was schätzen Sie tigsten Veranstaltungen gean Tschechien?“ schon etwas nannt. Dieser Deckel wurde schwieriger. „Hier entstand zunächst in einer Auflage von eher eine Verlegenheitslö200 Stück gedruckt. sung. Wir entschieden uns für Doch von allen Filzln sind Muscheln, die man als Schatz die Grafikdaten natürlich ja gerne aus dem Urlaub mit noch vorhanden, Neuauflanach Hause nimmt“, erläutert gen wären – vorausgesetzt Kern. Dafür gibt es bei der Frader Kostenrahmen paßt – alge „Wer hatte die weiteste Anso für weitere Veranstaltungen reise?“ sozusagen vier Antdenkbar. Prost also auf diese worten: einen VW-Bus, den gelungene Aktion! Zug, Wanderstiefel und – mit Zwei der Bierdeckel und Claudia Kern. Bilder: Markus Bauer Markus Bauer etwas Augenzwinkern – zwei
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VERBANDSNACHRICHTEN
Sudetendeutsche Zeitung Folge 7 | 16. 2. 2024
� SL-Ortsgruppe Bayreuth/Oberfranken
Reise durch Südböhmen und Südmähren tene Weinverkostung Südmährischer Weine? Wie auch immer: Der Abend war gelungen und die Tonbildschau ausgezeichnet. Der Referent Ulrich Schmidt aus Schwarzenbach an der Saale war 1941 im Kreis Kaaden in Nordböhmen zur Welt gekommen. Er begann die Reise in der Moldaustadt Krummau/Český it dem Andrang hatte der Vorstand Krumlov an den drei Biegungen der nicht gerechnet. 65 Gäste waren jungen Moldau/Vltava. Sie setzt sich gekommen. War das ein Zeichen für das fort mit der Reiseroute nach Südmähnoch vorhandene Interesse an Böhmen ren zu den Städten Teltsch/Telč und und Mähren? Oder war es die angebo- Nikolsburg/Mikulov. Auch Schloß Eisgrub/Lednice mit dem größten Landschaftspark Europas wurde ausführlich gezeigt. Die Reise tauchte ein in die Geschichte der großen Fürstengeschlechter geprägt von den Witigonen, Rosenbergern, Eggenbergern und Schwarzenbergern in Krummau und den Babenbergern und Liechtensteinern in Nikolsburg und Eisgrub. Schmidt bezog auch interessante und persönliche Erlebnisse in seine SchildeSL-Ortsobmann Manfred Kees begrüßt die Gäste. rungen ein. Manfred Kees In Kooperation mit dem Evangelischen Bildungswerk und der Deutsch-Tschechischen Gesellschaft zeigte die oberfränkische SL-Ortsgruppe Bayreuth Anfang Februar eine Tonbildschau über eine Reise durch Südböhmen und Südmähren im Evangelischen Zentrum Bayreuth.
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Mitglieder des UdV-Bezirksvorstandes und Vertreter der Sudetendeutschen Landsmannschaft aus Oberfranken im Austausch mit der Stiftung Verbundenheit. Bild: Dominik Duda
� Stiftung Verbundenheit, SL-Bezirksgruppe und UdV-Bezirksverband Oberfranken
� SL-Bezirksgruppe Schwaben/Bayern
Impulse für Völkerverständigung
Ausstellung geplant Vorstandsmitglieder der bayerischen SL-Bezirksgruppe Schwaben stellten sich in Augsburg beim Bezirkstagspräsidenten Martin Sailer vor.
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ach einem sehr freundlichen Empfang wurde über das Jubiläum 80 Jahre Kriegsende in zwei Jahren und über die anschließende Vertreibung 1945/46 gesprochen. Man war sich einig, daß dies ein Grund für eine Zusammenarbeit beider Gremien sei. Der Bezirkstagspräsident schlug vor, daß wir miteinander eine schülergerechte Aus-
stellung über Flucht und Vertreibung unter dem Motto „Erinnern und Versöhnen“ erstellen. Die Kosten übernimmt der Bezirkstag. Diese Wanderausstellung soll dann für alle Schüler in ganz Schwaben zu sehen sein. Dazu will Sailer auch die Landräte in Schwaben mit ins Boot holen. Diese sollen die Verteilung im jeweiligen Landkreis organisieren. Die SL-Bezirksgruppe Schwaben dankt recht herzlich für die offene Art und die große Unterstützung unseres Anliegens, dieses Thema auch an die Schulen zu bringen.
Mitglieder der SL-Bezirksgruppe Oberfranken und des Bezirksverbandes Oberfranken der Union der Vertriebenen und Aussiedler in der CSU (UdV) waren bei der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland in Bayreuth zu Gast.
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eben Mitgliedern des UdV-Bezirksvorstandes mit seinem Vorsitzenden Frank Altrichter waren auch Margaretha Michel, Obfrau der SL-Bezirksgruppe Oberfranken sowie Kulturreferentin und Stellvertretende Obfrau der SL-Landesgruppe Bayern, und Manfred Kees, Obmann der SL-Ortsgruppe Bayreuth, zum Gedankenaustausch mit der Stiftung Verbundenheit gekommen. Dabei stellten Hartmut Koschyk, der Vorsitzende des Stiftungsrats, und Geschäftsführer Sebastian Machnitzke die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland vor. Besonders interessiert zeigten sich die Gäste über die Tätigkeiten der Stiftung Verbundenheit
im Rahmen der beiden Projekte zur Förderung und Unterstützung der deutschen Minderheiten und deutschsprachigen Gemeinschaften in Lateinamerika. Das Engagement in Lateinamerika und der Ansatz der Bürgerdiplomatie fanden bei den Gästen großen Anklang und waren Anlaß für viele Fragen aus den Reihen der UdV und der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Ebenso würdigten sie aber die seit Jahren stabilen und verläßlichen Beziehungen der Stiftung zu den deutschen Minderheiten im ost- und südosteuropäischen Raum. Auch die eigenen Projekte der Stiftung Verbundenheit, die von Lesungen über Workshops, Gesprächsreihen, die Verleihung des Johnny-Klein-Preises bis hin zur humanitären Hilfe reichen, stießen bei den Gästen auf ein sehr großes Interesse. Zum Abschluß konnten Koschyk und Machnitzke den Mitgliedern des UdVBezirksvorstands Oberfranken einige
Veranstaltungen für das neue Jahr vorstellen, insbesondere eine geplante Busreise zum Kultur- und Begegnungsfest der deutschen Minderheit in Kesmark/Kežmarok in der Slowakei sowie eine Tagesfahrt zur diesjährigen Literarisch-Musikalischen Lesung aus Otfrieds Preußlers „Die Flucht nach Ägypten“ nach Karlsbad/Karlovy Vary. Im Namen der Besuchergruppe dankte UdV-Bezirksvorsitzender Frank Alt richter der Stiftung: „Die Stiftung ist eine Säule verläßlicher internationaler Beziehungen Deutschlands.“ Sie sei zugleich aber ein Aushängeschild Oberfrankens, von dem wichtige Impulse für die Völkerverständigung weltweit ausgingen, so Altrichter weiter. Die Stiftung Verbundenheit dankte den Mitgliedern der UdV und der Sudetendeutschen Landsmannschaft für den Besuch und den konstruktiven Austausch. Vor allem freut sie sich auf eine weitere gute Zusammenarbeit. Dominik Duda
� SL-Ortsgruppe Prien und Umgebung/Oberbayern
Spende für Doppeljubiläum Bezirksheimatpfleger Christoph Lang, Thomas Bielo, Günther Mayer, Bezirkstagspräsident Martin Sailer, SL-Bezirksobmann Edmund Schiefer, Helga Knoll-Zettl und Vizebezirksobmann Dietmar Heller.
� SL-Ortsgruppe Stuttgart-Weilimdorf/Baden-Württemberg
Volles Programm Vortrag von CDU-Stadtrat Jürgen Sauer über die „Sanierung, Modernisierung und Erweiterung der Württembergischen Staatstheater“ im Haus der Begegnung in Giebel. Ein Heimspiel werde das Fest der Nationen am 7. April in der bfrau Waltraud Illner berichtete katholischen Kirchengemeinde Salvator über die Verleihung der Sudeten- in Giebel sein, wo die Sudetendeutschen deutschen Förderpreise in München immer mit einem Stand vertreten seien. und über ein bevorstehendes Illner warb auch für den Treffen der LandsmannschafBesuch des Sudetendeutten mit Thomas S trobl, Lanschen Tages in Augsburg am desbeauftragter für VertriebePfingstsonntag, zu dem man ne und Spätaussiedler und Infür 50 Euro auch mit dem Bus nenminister. Dann informierte fahren könne. Sie wies auch sie über Termine: am 3. März auf die Fahrt nach Brünn zum Vierter-März-Feier mit Andrea Versöhnungsmarsch vom Wechsler im Haus der Hei- Waltraud Illner 21. bis 24. Juni hin zum Preis mat in Stuttgart, am 16. März von 100 Euro im Doppel- und 15. Ostdeutscher Ostermarkt im Haus 130 Euro im Einzelzimmer. Außerdem der Heimat, wo Kulinarisches und werde die Ortsgruppe am 11. Juli einen Handwerkliches aus den Herkunftslän- Tagesausflug an den Brombachsee für dern präsentiert werde, und am 23. März 75 Euro unternehmen. Helmut Heisig
Anfang Februar fand das Monatstreffen der baden-württembergischen SLOrtsgruppe Stuttgart-Weilimdorf im Haus der Begegnung in Stuttgart-Giebel statt.
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Anfang Februar nahm Gabriele „Gabi“ Schleich, Obfrau der oberbayerischen SL-Ortsgruppe Prien und Umgebung, einen 1000-Euro-Scheck von der Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling entgegen.
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etra Wagner berichtet in der „Chiemgau Zeitung“: „Der Regionalleiter der Sparkasse Rosenheim-Bad Aibling, Alexander Hagenbrock, überreichte Gabriele Schleich in seiner Geschäftsstelle in Prien im Beisein des Bürgermeisters Andreas Friedrich und Mathias Heider, Vorstandsmitglied der SL-Ortsgruppe einen symbolischen Scheck in Höhe von 1000 Euro. Die Spende könne sie in Anbetracht der Feierlichkeiten zum Doppeljubiläum am 16. März im Trachtenheim gut gebrauchen, denn man wolle nicht nur das Brauchtum und die Historie präsentieren, sondern auch die Gäste bewirten, so Schleich. Neben bayerischen Schmankerln werde es auch typische Leckereien aus ihrer Heimat geben wie Schlesischen Streuselkuchen oder Golatschen. Gefeiert würden 75 Jahre Sudetendeutsche Landsmannschaft Prien und 70 Jahre Bayerns Vierter Stamm. Geplant sei ein sudetendeutsch-schlesisch-bayerischer Kultur- und Brauchtums-Nachmittag, bei dem die Egerländer Trachtenkapelle auftreten werde. Zudem würden die
sudetendeutsch-schlesischen Trachten- engagiert. So beispielsweise im Radfahträger sowie eine bayerische Trachten- rerverein, wo deren diesbezügliche Ergruppe den Nachmittag gestalten. Es sei fahrungen mit Flucht und Vertreibung ein Anliegen, dabei an die heimatlichen auch in die Städtefreundschaft mit dem Wurzeln und die gelungene Integration französischen Graulhet eingeflossen seivor Ort zu erinnern, so Schleich. Gast- en. Die Neu-Priener hätten somit dazu redner seien Bürgermeister Andreas beigetragen, Europa ein Stück weit zuFriedrich sowie SL-Landesobmann Stef- sammenzuführen und insofern zu vereifen Hörtler. Das Gemeindeoberhaupt nen. Das Doppeljubiläum sei eine gute werde auf die geschichtliche Entwick- Gelegenheit, so der Bürgermeister weilung von damals bis heute ter, sich dies wieder in Ereingehen; der Landesobmann innerung zu rufen. Er freue mittels einer kulturellen Reisich, daß eine ortsansässige se durchs Sudentenland den Bank dieses Unterfangen unBlick auf den Böhmerwald, terstütze, beendete Friedrich das Egerland sowie Mähren seine Überlegungen. legen. Alexander Hagenbrock erWie das Gemeindeoberklärte, auch ihn freue, etwas haupt bei der Spendenüberzu dieser gelebten Integragabe erklärte, seien nach dem tion beisteuern zu können. Zweiten Weltkrieg aufgrund Dies zeige, wie gut diese geder Vertreibungen viele Sulingen könne. Er sei begeidetendeutsche auch in Prien stert von der liebevollen Art, gelandet und hätten hier eine Gabriele Schleich mit der Gabriele Schleich sich neue Heimat gefunden. Es sei dieser Aufgabe widme. Man eine große Aufgabe gewesen, die vielen spüre, wie sehr ihr dies am Herzen liege. Menschen zu integrieren. Diese hätten Bürgermeister Andreas Friedrich mit angepackt und geholfen, den Markt schloß sich dem an und wünschte der öfwieder aufzubauen. ,Viele bekannte fentlichen, kostenlosen Veranstaltung Priener haben einen Flüchtlingshinter- ein großes Publikum. Mit Blick auf die grund, den man oft gar nicht kennt‘, er- aktuelle Situation sei es wertvoll, auf zählte Bürgermeister Andreas Friedrich. diese überaus geglückte Integration Die Sudetendeutschen hätten sich auch hinzuweisen und der Frage nachzugein den Vereinen stark eingebracht und hen, wie dies gelungen sei.“
Reicenberger Zeitung
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Stadt und Kreis Reichenberg
Kreis Deutsch Gabel
Sudetendeutsche Zeitung Folge 7 | 16. 2. 2024
Nordböhmi[e Um[au
Kreis Friedland
Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de
Kreis Gablonz
� Erinnerungen der Zwickauerin Waltraud Joist/Hanisch
Leben nach dem Überleben Hanne Biesemans mit Monika Hanika …
… mit Christl Gradl …
… und mit ihrem Vater Valentin.
� Neuer Kurzfilm über die Vertreibung aus dem Sudetenland
Heimatlos in der Heimat Für ihre Bachelorarbeit an der Luca School of Arts in Brüssel drehte Hanne Biesemans einen Kurzfilm, der das Schicksal der Heimatvertriebenen aus dem Sudentenland darstellt. Eigentlich durfte der Film nur drei Minuten dauern, doch Hanne konnte ihren Dozenten überreden, daß sie die doppelte Zeit bekam. Sie ist froh, daß sie sich durchsetzte, denn das Ergebnis spricht für sich. Ihr Film wurde als Bachelorarbeit angenommen und bereits auf dem Online-Filmfestival Lift-Off im November gezeigt.
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Weg von Brüssel zu uns ins hessische Burghaun-Steinbach auf sich genommen, um die Menschen wiederzusehen, die diesen Film möglich gemacht hatten. Für Außenstehende mag die kleine Runde, die sich zum Früh-
nungen wurden zusätzlich pro Sekunde 24 Fotos zu ihrem Filmset hergestellt, das sie zu Hause bei ihren Eltern aufgebaut hatte. Das sind rund 8640 einzelne Bilder. Dabei mußte sie natürlich auch auf die Beleuchtung,
Jahren gemalt hatte.
Eine Ode an den Böhmerwald Hannes Vater Valentin ist Komponist und leitet ein Orchester. Er beherrscht mehrere Instrumente, dazu zählt auch seine „singende Säge“. Auf ihr spielte er das Lied „Es war im Böhmerwald“. Er schrieb auch die Musik für den Film und spielte sie auf der Geige und Mutter Greet auf der Blockflöte. „Wenn im Film die Russen einmarschieren, ist Marschmusik zu hören. Das ist uns mit einem präparierten Klavier gelungen. Dafür wurden Nägel und Alupapier an die Saiten gelegt“, erläuterte Valentin.
as bringt eine 24jährige Belgierin dazu, eine Geschichte der Vertreibung so zu erzählen? In dem Film „Homeless in the Heartland“, deutsch „Heimatlos in der Heimat“, geht Nominierung es um Gretl, benannt nach für Film-Festivals Hannes Großmutter MarBisher wurde Hannes garete Grolig, die aus Winterberg im Böhmerwald Plakat des Films „Homeless in the Heartland“ und die Instagram-Information, daß der Film für etliche internationale Film-Festivals nomistammt. „Gretl übernach- Film beim Milan-Short-Film-Festival Gewinner des Best Student Short ist. niert. „Last but not least“ tet bei ihrer Oma und findet unter dem Bett eine Kiste mit Bil- stück in Burghaun-Steinbach den Schatten und weitere Details als „Best Student Short“ in Maidern und einem Tagebuch. Beim traf, wie ein Familientreffen aus- achten. Sie erklärte, wie die Pup- land. Alle Festivals werden in Lesen erwacht die Geschichte gesehen haben. So fühlte es sich pe, die die kleine Gretl darstellt, den nächsten zwei Jahren stattdank ihrer Fantasie zum Leben“, auch für uns an, die die Begeg- in mühevoller Kleinstarbeit ent- finden. Deshalb durfte der Film erklärt Hanne. Der sechsminüti- nung organisiert hatten. Mit uns standen war. Sie sieht zwar herzig noch nicht veröffentlicht werden. ge Film transportiert viele Emo- saßen Walter und Christl Gradl, aus, aber unter der Kleidung ver- Für die Teilnahme an den Festitionen. Musik, Bild und Effekte: geborene Krömer, am Tisch, so- steckt sich ein metallenes Ske- vals herrschen strenge Kriterialles paßt. Miniaturfiguren sind wie weitere zehn Menschen, die lett. So kann sich die Puppe in al- en. Aus diesem Grund wurde er zu sehen, ein Soldat mit Gewehr, als Kinder selbst aus der Iserge- le Richtungen bewegen. Für das nur im geschützten und privaten der über eine Frau „stolpert“, ein birgsheimat oder aus dem Eger- Gesicht stellte sie Gußformen her Rahmen Anfang des Jahres in Güterzug fährt durchs Bild, ein land vertrieben worden wa- und fertigte mehrere Köpfe an, der Unteren Mühle in BurghaunSchattenmonster bringt Men- ren oder nach der Vertreibung um verschiedene Gesichtsaus- Steinbach gezeigt und die Vorbereitung erklärt. schen an einen unbekannten Ort. in Hessen oder Bayern geboren drücke darstellen zu können. „Homeless in the Heartland“ Gänsehaut und Sprachlosig- wurden. Schon im Januar 2023 war erhielt schon jetzt mehrere Auskeit machen sich breit, als die Winzige Duplikate zeichnungen bei internationalen sechs Minuten vorüber sind, die Hanne mit ihnen ins Gespräch Beim Designen weiterer Film- Online-Festivals. Hanne widmet sich inhaltlich wie 60 Minuten gekommen und griff in ihrem Animationsfilm viele Details von sets ließ sich Hanne auch von diese ihrer 83jährigen Großmutanfühlen. ihnen auf. Die 89jährige Christl meinen Gemälden und meinen ter Gretl. Hoffentlich fällt dieGradl, gebürtig aus Reichenberg, historischen Büchern inspirieren ser ernste Kurzfilm auf „fruchtVon der Idee deren Stimme im Film zu hören und fertigte danach kleine Dupli- baren Boden“ und wird nicht nur bis zum fertigen Film ist, erzählt die Geschichte von kate an. Als Erinnerung schenk- bei den Filmfestivals erfolgreich Als Hanne sich auf die Spuren Gretl. Schließlich soll alles au- te sie Christel Gradl das winzi- sein. Vielleicht findet Hanne Bieihrer Großmutter Gretl begab, thentisch und echt sein, war Han- ge Püppchen und mir das kleine semans auch bei den sudetenlandete sie bei der Facebook- nes Meinung. Eine jugendliche Gemälde von einem alten Mann, deutschen Landsleuten Beachgruppe „Sudeten mit Wohlge- Stimme hätte nicht gepaßt. das ich als Andenken an meine tung. Monika Hanika fallen“. Administrator Jan Polák, Der Film bündelt die Erleb- beiden Großväter vor etlichen der 2021 als Referent auf dem nisse von Christl Heiligenhof war, setzte sich mit Gradl, Monika Hameinem Mann Franz und mir in nikas Bruder HelVerbindung. „Eine junge Frau mut Scholz und aus Belgien sucht Zeitzeugen“, Margarethe Grolig, sagte er. Und so kam der Kontakt Hannes Großmutzustande, der Beginn einer wun- ter, zu einer Gederbaren Freundschaft. schichte. Mit den Erst jetzt fanden wir in un- drei Zeitzeugen serem Seminarraum ein Zettel- soll ein „allgemeichen, das Hanne vor einem Jahr nes Bild“ von der in einem kleinen Bücherkörb- gewaltsamen Verchen versteckt hatte. Darauf treibung gezeichstand: „Lieber Franz, liebe Mo- net werden. nika, wie dankbar bin ich doch Viele Monafür unsere moderne Welt. Dank te arbeitete Hanne Facebook haben wir uns kennen- an ihrem Projekt. gelernt, und als wir uns im wirk- Nach dem gemeinlichen Leben sahen, hat es sofort samen Frühstück Klick gemacht.“ erklärte sie die verHanne hatte mit ihren Eltern schiedenen SchritValentin und Greet Biesemans te. Nach vielen Anfang des Jahres den langen Skizzen und Zeich- Frühstück in Burghaun-Steinbach.
Die Vertreibung verschlug die Familie Hanisch aus Zwickau in die südbrandenburgische Stadt Senftenberg in der Niederlausitz. Hier der zweite und letzte Teil der Erinnerungen von Waltraud Joist/Hanisch.
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b der siebten Klasse stiegen die Anforderungen steil an, besonders in Mathematik und den naturwissenschaftlichen Fächern. Nur wenige Kinder kamen noch mit. Viel später wurde mir klar, daß man einen großen Teil des Stoffes, der früher Gymnasiasten vorbehalten war, jetzt alle lehrte. Ein Übergang zum Gymnasium war erst ab der achten Klasse möglich. Nach etwa einem Jahr fanden wir eine andere Wohnung. Sie bestand aus einem großen ebenerdigen Zimmer, das wir durch Schränke abteilten. Von Vorteil war, daß wir über eine Terrasse einen eigenen Eingang hatten. Es gab Wasser im Raum und ein eigenes WC-Häuschen im Garten. Wir durften uns ein paar Quadratmeter verwildertes Gartenland urbar machen und bepflanzen. Auch fiel aus dem großen Garten der Hauswirtin manchmal etwas Obst für uns ab. Eine weitere Überlebenshilfe waren Päckchen, die uns Verwandte meiner Mutter aus dem Westen schickten. Welch ein Reichtum waren ein Stück Rauchfleisch oder Speck und ein schon trockenes Stück Rosinen stollen. Uns war klar, daß die Menschen, die in die Westzone gekommen waren, sowohl wirtschaftlich als auch politisch das bessere Los gezogen hatten. Hinzu kam, daß fast alle Verwandten dort lebten. Meine Eltern überlegten, ob eine Übersiedlung möglich wäre. Meines Vaters ehemaliger Arbeitgeber aus der Heimat hatte wieder eine Firma aufgemacht und bot ihm einen Arbeitsplatz an. Doch fand er keine Wohnung für uns. Ohne eine solche gab es keine Zuzugsgenehmigung und damit keine Möglichkeit zu einem legalen Umzug. Den Verwandten erging es bei ihren Bemühungen ebenso. Meine Eltern beschlossen, daß mein Vater zunächst allein einen neuen Start versuchen sollte. Im August 1948 verließ er illegal die Ostzone. Für meine Mutter begann eine schwere Zeit, denn sie mußte den Behörden vortäuschen, daß mein Vater die Familie im Stich gelassen hätte. Auf Umwegen konnte mein Vater uns Geld zukommen lassen. Er schickte so viele Päckchen wie erlaubt waren, die unter anderem auch Süßstoff enthielten. Der war damals begehrt, und wir konnten ihn gut verkaufen. Im Sommer 1949 kam mein Vater und holte seine Familien nach. Alles war illegal, seine Einreise, sein Aufenthalt bei uns, unser gemeinsamer Grenzübertritt bei Duderstadt-Worbis in den Westen. Wir mußten die Vorbereitungen streng geheim halten, auch die Übergabe unserer geringen, aber für uns doch wertvollen Habe an die Interzo-
nenspedition, die es zu der Zeit noch gab. Nur wenige Bekannte wußten von unserem Vorhaben und bangten mit uns um ein gutes Gelingen. Alles klappte wie geplant, und so begann das Leben im Westen für uns im August 1949 im Ruhrgebiet. Endlich waren die Hungerjahre vorbei. Leider gab es wohnungsmäßig einen Nachteil, weil wir über ein Jahr in einem Keller hausen mußten. Endlich fanden wir eine kleine Wohnung von 30 Quadratmetern und ohne Bad. Für vier Personen ist das wenig Platz, aber welch einen Fortschritt bedeutete das für uns. Doch nach und nach ersparten sich die Eltern wieder einige Möbelstücke und ersetzten damit die improvisierte Einrichtung. Nach der Flucht aus dem Osten ging ich in unserem neuen Wohnort zur Schule. Die schulischen Anforderungen waren eigentlich vom Stoff her geringer. Es wurde jedoch vieles auf eine andere Art gelehrt, als ich es gewohnt war. Ich hatte Schwierigkeiten mich anzupassen und war froh, als nach einem halben Jahr nach Abschluß der achten Klasse Schulentlassung war. Aber was nun? Eine schulische Weiterbildung kam nicht in Frage. Es gab nicht diese Schulen wie heute, mit denen man auf die Hauptschule aufbauen kann. Ins Gymnasium konnte man nach der vierten Klasse wechseln, nicht nach der achten, aus der ich kam. Davon abgesehen hätten meine Eltern sich das nicht leisten können. Ohne die Vertreibung wäre meine Schulbildung sicher ganz anders verlaufen. Der größte Teil der Klassenkameradinnen hatte in den letzten Monaten bereits eine Lehrstelle gefunden. Natürlich spielten da Beziehungen eine große Rolle, wie sie in dem gewachsenen Umfeld einer mittleren Kleinstadt vielfach vorhanden sind. Diese Beziehungen hatten wir nun nicht, in der Heimat hätte das anders ausgesehen. Da ich gerne nähte, gab ich als Berufswunsch Schneiderin an. Es gab ohnehin damals keine große Auswahl an Mädchenberufen. Das Arbeitsamt hatte keine Stelle für mich. Nach ein paar Wochen wurde mir von privat eine Stelle im Haushalt eines älteren Ehepaares angeboten, die ich schließlich annahm. So lernte ich alle hauswirtschaftlichen Tätigkeiten und legte nach drei Jahren ein Prüfung als Hausgehilfin ab. Darauf aufbauend machte ich anschließend eine Ausbildung zur Kinderpflegerin. Diesen Beruf übte ich bis zu meiner Heirat aus, und später in der eigenen Familie. Erst 15 Jahre nach der Vertreibung fanden meine Eltern wieder eine ausreichende Wohnung und statteten sie nach und nach aus. Leider starben sie schon mit 58 und 68 Jahren. Erst als ich als Erwachsene selbst eine Familie und ein Haus hatte, konnte ich nachempfinden, wie die Eltern sich in jener Zeit gefühlt Lesen Sie auf Seite 13 weiter
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REICHENBERGER ZEITUNG
Sudetendeutsche Zeitung Folge 7 | 16. 2. 2024
� Friedland und Gablonz
Sanierung deutscher Gräber Die Stadt Friedland erwarb vor kurzem 95 alte deutsche Gräber, Gablonz sogar 800 deutsche Grabstellen.
D
ie meisten Gräber sind baufällig. Solange sie uns nicht gehörten, war eine Sanierung nicht möglich“, erklärt Martina Petráš ková, Sprecherin des Stadtamtes in Friedland. Noch heuer will die Stadt in die Reparaturen der Grabstellen eine Million Kronen investieren. „In der ersten Etappe werden wir fünf Gräber für fast 300 000 Kronen erneuern“, ergänzt Friedlands Bürgermeister Dan Ramzer.
Mangel an Schönheit
tig revitalisiert. „Der letzte Fleck auf der Schönheit waren die verlassenen deutschen Gräber, mit deren Pflege wir erst dieses Jahr endlich anfangen können“, sagt der Bürgermeister. Während der Übernahme der deutschen Gräber in das Eigentum der Stadt meldeten sich nur zwei Erben der rechtmäßigen Eigentümer der Gräber, die mit der Stadt einen neuen Pachtvertrag über die Miete der Grabstelle abschließen.
Größere Aufgabe für Gablonz Gablonz übernahm im neuen Jahr 800 Gräber der ursprünglichen deutschen Stadtbewohner, die dank des Vertrags über Freundschaft und gegenseitige Zusammenarbeit zwischen der Tschechischen Republik und Deutschland rechtlich geschützt
Die Stadt Friedland arbeitet seit 2021 an der Digitalisierung des Friedhofskataloges. „Allmählich werden Nachweise über den tatsächlichen Zustand der einzelnen Gräber erstellt, einschließlich der Bezifferung der Reparaturkosten“, sagt Jan Mráz von der Abteilung für Immobilienverwaltung der Gemeinde. Die alten deutschen Gräber befinden sich vor allem rings um die Friedhofsmauer und bei der Mauer des zentralen Teiles des Friedhofs. „Zur Zeit haben wir vier Teile der Datenerfassung beisammen, zwei weitere kommen in diesem Jahr an die Reihe, und die letzten zwei werden 2025 bearbeitet“, ergänzt Mráz. Der Stadtfriedhof wurde in den letzten zehn Jahren mäch- Deutsche Gräber in Gablonz.
waren. „Diese Anzahl ist einzigartig in der ganzen Tschechischen Republik“, bestätigt Stadtamtssprecherin Jana Fričová. In der Stadt befinden sich sieben Friedhöfe, einige – zum Beispiel in Luxdorf oder Grünwald – wurden liquidiert. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist die Lage auf den Gablonzer Friedhöfen teilweise ungeordnet. Hunderte von Gräbern haben keinen Besitzer. Bislang wurden die Friedhöfe auch von einem privaten Bestattungsunternehmen verwaltet. Nun übernahm die Stadt die Friedhofsverwaltung. „Es war eine große Herausforderung, alle Dokumente für die Übernahme zusammenzustellen“, bestätigt Milan Bajer, der mit der Aufgabe beauftragt wurde. „Wir werden mit der Sanierung den wichtigsten oder am stärksten angegriffenen Gräber beginnen.“
Viele der Gräber, die an die Geschichte der Stadt und ihre wichtigen Einwohner erinnern, befinden sich auch hier oft bei den Friedhofsmauern und können nicht leicht verlegt werden. „Die Stadt hat in der Vergangenheit in einige dieser Gräber oder Gruften investiert wie in das Grab von dem Bürgermeister Karl Fischer oder das Grab der Familie Pfeiffer-Kral“, bemerkt Bajer.
Ziel nicht in Sicht
Im Jahr 2021 richtete die Stadt auf ihrer Website eine Friedhofsplan-App ein, die zum Beispiel den Menschen die Suche nach ihren Vorfahren erleichtern kann. Die Lage der Gablonzer Friedhöfe wird auch in einer Ausstellung dokumentiert, die das Haus der deutsch-tschechischen Verständigung in Gablonz-Reinowitz, das sogenannte Riegerhaus, gemeinsam mit der Stadt für den Herbst vorbereitet. „Wenn Gablonz alle vernachlässigten Gräber sanieren wollte, könnte das bis zu 200 Jahre dauern“, schätzt Bajer. Hätte die Stadt die Gräber nicht rechtzeitig übernommen, würden sie nach dem neuen Bestattungsgesetz, das im Januar in Kraft trat, als vernachlässigtes Eigentum an den Staat gehen. Der Staat könnte dann mit ihnen wirtschaften oder sie an neue Interessenten verkaufen. „Und das passiert auch oft“, bemerkte Bild: Jan Mráz Bajer. Petra Laurin
Sohn Thomas Hanika, Pflegesohn Klaus Hanika, Tochter Ulrike Hergert/Hanika sowie deren Eltern Monika und Franz Hanika.
� Wahl-Isergebirgler
Danke Mit dem Zitat „Dankbarkeit macht das Leben reich“ von Dietrich Bonhoeffer dankt Franz Hanika, gebürtiger Egerländer und angeheirateter Isergebirgler, für die guten Wünsche zu seinem 80. Geburtstag (Þ RZ 5/2024).
N
un bin ich wieder ein Jahr älter geworden. Mein Dank gilt allen Gratulanten aus nah und fern, den Briefe-, eMail- und WhatsApp-Schreibern sowie all denen, die gerne dabei gewesen wären. Dank an alle lieben Menschen, die an meinem Ehrentag an mich gedacht und auf unterschiedliche Weise gratuliert und mit mir und meiner Familie gefeiert haben. Die Erinnerung erfüllt mich auch jetzt noch mit großer Freude. Ich blicke voller Zuversicht in die Zukunft. Leider konnten wir wegen gesundheitlicher Einschränkungen von Monika und mir vorerst nicht
im großen Stil feiern. Jedoch haben wie eine Feier in einem uns verträglichen kleineren Rahmen veranstaltet. Nichtsdestotrotz hatte ich einen wunderschönen Geburtstag, nicht zuletzt auch euretwegen. Ihr habt diesen Tag zu etwas ganz Besonderem gemacht und mich ermutigt, mein neues Lebensjahr optimistisch anzugehen. Also mache ich mich mal gleich ans Werk und erledige das, was ich mir in den letzten Monaten vorgenommen habe: gesund zu werden und demnächst mit lieben Verwandten und guten Freunden nach und nach weiter zu feiern. Glücklich bin ich auch, daß ich mit euren großzügigen Geldgeschenken zur Heimatpflege in Haindorf und Raspenau beitragen und dies an unsere tschechischen Freunde Pfarrer Pavel Andrš und Jan Heinzl weitergeben kann.
KURZ NOTIERT n Reichenberg. Mehr als 460 000 Besucher zog die schlaue Unterhaltung im Vorjahr in das Reichenberger Wissenschaftszentrum iQLANDIA. Damit kehrten die Besucherzahlen zum Niveau von vor der Pandemie zurück. Hauptattraktion in der vergangenen Saison war Mathematik. Dutzende von interaktiven Exponaten zeigten, wie nützlich Mathematik für den Alltag ist und daß sie Spaß machen kann. Die diesjährigen Themen sind „Nachhaltige Entwicklung“ und „Suche nach dem Verbrechen“. „Wir werden versuchen zu präsentieren, was wir als Menschheit falsch machen, was passieren
wird, wenn wir unsere Haltung nicht ändern. Gleichzeitig stellen wir Schritte vor, die jeder von uns gehen kann, um die grausamen Aussichten des globalen Klimawandels abzuwenden“, erklärt Direktor Pavel Coufal. Das Zentrum sucht noch Partner für die Finanzierung der einzelnen Exponate. Sie sollen nach und nach in die Ausstellung eingebracht werden, wobei die erste Simulation den Anstieg des Meeresspiegels durch die schmelzenden Gletscher darstellen wird. pl
haben mußten. Da war der Krieg mit seinen Einschränkungen und Nöten, die Angst vor der Einberufung des Mannes zum Militär. Er arbeitete in einem Betrieb, der kriegswichtige Dinge herstellte, und war deshalb zunächst zurückgestellt worden. Hinzu kam die Sorge der Mutter um ihre Brüder, von denen vier als Soldaten im Krieg waren, einer fiel, und ein weiterer war fünf Jahre lang im KZ Dachau. Als der Krieg vorbei war und man meinte, daß es wieder aufwärts gehe und alles besser werde, kamen neue Schrecknisse. Auch in Zwickau geschah Schlimmes, als die Russen die Stadt besetzten und danach die Tschechen die Macht übernahmen. Der Schock war groß, als die Vertreibung begann, bei der die Menschen zu Fuß mit wenig Habe ihren Weg in die Fremde antreten mußten. Wer bleiben durfte, erlebte andere Nöte. So konnten sich Tschechen einfach ein Haus aussuchen, und die deutschen Ei-
� Fortsetzung von Seite 12
n Reichenberg. Die Stadt will den weltberühmten Schriftsteller Otfried Preußler posthum ehren.
Dies beschlossen die Stadträte und legten der Stadtverwaltung Ende Januar einen Vorschlag vor. „Wir schlagen sechs Menschen für die Auszeichnung vor, die mit ihrem Leben und Wirken zur großartigen Darstellung unserer Stadt beigetragen haben. Leider leben fünf von ihnen schon nicht mehr“, sagt Ivan Langr, Vizebürgermeister für Kultur, Bildung und Tourismus. Der in Reichenberg 1923 geborene Schriftsteller Otfried Preußler soll die Medaille für Verdienste in Kultur erhalten. Für Verdienste in den Bereichen Kultur, Demokratie und Menschenrechte wird ebenfalls posthum der Journalist und Überset-
zer Luboš Příhoda ausgezeichnet werden. Unter den Vorschlägen sind die zwei ehemaligen Autorennfahrer Břetislav Enge und Zdeněk Vojtěch sowie die Tänzerin Jana Košková. Aus den Händen des Bürgermeisters Jaroslav Zámečník übernimmt die Medaille nur der Grafiker und Holzschnitzer Václav Plechatý. Reichenberg vergibt die Medaille für bürgerliche und lebenslange Verdienste seit 1996. Otfried Preußler, dessen 100. Geburtstag die Stadt im vergangenen Jahr groß gefeiert hatte, bekam schon 2014 eine Ehrung des Hauptmanns der Region Reichenber, Martin Půta. pl
Die Raspenauer Mariä-Himmelfahrts-Kirche, die auch von Franz Hanikas Geburtstag profitierte, von außen, von innen und ihr Deckenfresko.
Leben nach dem Überleben gentümer mußten es verlassen. Das hatte auch meine Familie im September 1945 erlebt. Bis Ende Juli 1946 wohnten wir noch im Ort in einer winzigen Wohnung. Auch jenes Jahr war voller Not, Sorge und Angst vor einer ungewissen Zukunft. Dann kam ein mühsamer Neuanfang in der Fremde. Herausgerissen aus der kleinen Stadt, in der fast jeder jeden kannte
Zwickau in Böhmen heute.
und wo man eingebettet war in ein Netz von Beziehungen; hineinverwiesen in eine fremde, oft feindliche Umgebung, häufig als Flüchtlinge, als Menschen zweiter Klasse angesehen. Dazu kam der Kampf um das nackte Überleben. Später die Einsicht, daß die Kinder geringere Chancen für eine gute Ausbildung hatten. Jahrelang hegte man die Hoffnung auf eine Rückkehr in die
Heimat, bis man einsehen mußte, daß das ein Wunschtraum war. Bei mir trat das Thema Heimat und Vertreibung in den Hintergrund in den Zeiten des Aufbaus einer eigenen Familie und den Jahren der Fürsorge für dieselbe. Erst später beschäftigte ich mich mit diesem Thema und ebenso mit geschichtlichen und politischen Hintergründen.
Ich sehe die Arbeit der Organisationen als wichtig an, die an das Unrecht der Vertreibung erinnern, das nach Kriegsende nicht nur die Sudetendeutschen betraf. Dabei geht es nicht um materielle Entschädigung, sondern darum, daß die Erinnerung wachgehalten wird als Mahnung an alle Völker, solche, den einzelnen Menschen bis ins Tiefste seiner Existenz treffende Ereignisse
Bild: Miloslav Rejha
in Zukunft nirgendwo mehr zuzulassen. Diese Wirkung kann nur eintreten, wenn Unrecht zugegeben wird und genannt werden darf. So wie die deutsche Regierung die von den Nationalsozialisten begangenen Verbrechen nicht ungeschehen machen kann, aber sie zugibt und sich dafür entschuldigt, so sollte man es auch von den Nationen erwarten können, deren damalige Führungen für die Vertreibung verantwortlich gewesen waren. Allerdings verwundert die geringe Bereitschaft nicht, wenn selbst deutsche Politiker die unmenschliche Vertreibung vereinfachend als Folgen des Krieges und Adolf Hitlers Politik abtun und das Thema am liebsten totschweigen wollen. Vertreibungen gab es immer und gibt es leider immer noch. Die Berichte der immer weniger werdenden Zeitzeugen sollen beitragen, daß späteren Generationen und Völkern ein solches Schicksal erspart bleibt.
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Dux
Ladowitz
Klostergrab
Ossegg
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inen Tag zuvor, am 8. Februar, eröffneten Václav Houfek, der Direktor des Aussiger Museums, und Tomáš Vokurka, Mitglied des Collegiums Bohemicum, im Beisein vieler Gäste, feierlich die Ausstellung. Gekommen waren auch Heimatpflegerin Christina Meinusch aus München, sozusagen als Schirmherrin der Ausstellung, und Martin Dzingel, Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik, aus Prag. Zur Ausstellung war bereits in München ein zweisprachiger Katalog angefertigt worden, der dem Besucher die Thematik der Ausstellung vorstellt. Zunächst wird die „Heimat – ein Begriff im Wandel“ dargestellt. Da im Nationalsozialismus eine Ideologisierung des Heimatbegriffs durch Gleichsetzung mit „Volk“ und „Vaterland“ zu Propagandazwecken mißbraucht
Bilin
Heimatlandschaft Erz- und Mittelgebirge – Landschaftsbetreuer: Dietmar Heller, Hillenloher Straße 10, 87733 Markt Rettenbach, Telefon (0 83 92) 9 34 72 77, Telefax 9 34 72 78, eMail dietmar.heller@deheller.de. Heimatkreis Bilin – Patenstadt Gerolzhofen; Heimatkreisbetreuer: Dietmar Heller. Internet www.heimatkreisbilin.de. H eimatkreis Dux – Patenstadt Miltenberg; Heimatkreisbetreuer: Klaus Püchler, In den Seegärten 35a, 63920 Großheubach, Telefon (0 93 71) 9 94 01, eMail klauspuechler@web.de. Heimatkreis Teplitz-Schönau – Patenstadt Frankfurt am Main; Heimatkreisbetreuer: Erhard Spacek, Franz-Schubert-Straße 13, 01796 Pirna, Telefon (01 60) 95 32 07 27, eMail erhard. spacek@gmx.de Redaktionsschluß: Freitag der Vorwoche. Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de
Vitrine mit Heimatbüchern. „Verloren, vermißt, verewigt – Heimatbilder der Sudetendeutschen“ heißt eine Ausstellung, die im Juni im Sudetendeutschen Haus in München eröffnete. Sie ist ein Projekt von Museologiestudenten der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg, das in Kooperation mit der Heimatpflege der Sudetendeutschen entstand und vom Haus des Deutschen Ostens gefördert wird. Diese Ausstellung wurde als Wanderausstellung konzipiert und ist zweisprachig, also Deutsch und Tschechisch. Seit 9. Februar läuft sie im Museum in Aussig. Jutta Benešová berichtet.
für die Kreise Dux, Bilin und Teplitz-Schönau
Bilder: Jutta Benešová (5), Susanne Habel (1)
Bemalter Dachziegel.
Teplitz-Schönau
Graupen
Eduard Schmidt: „Schneekoppe“, Würzburg um 1970.
� Aussig
Verloren, vermißt, verewigt: Heimatbilder wurde, kam es in der Nachkriegs- fehl erhält: „Die Wohnung muß mat“, mitunter auch nur 30 Kilozeit zu einer Begriffsablehnung. in Ordnung sein.“ gramm. Die Vertreibung der SuIm Kontext eines neuen UmweltUnd dennoch sprechen die detendeutschen erfolgte unter bewußtseins kam es aber bereits Tschechen auch heute noch von strengen behördlichen Vorschrifin den 1970er Jahren zu einem „Aussiedlung/vysídlení“ und ten. Die Mitnahme von GegenWiederaufleben des Heimatbegriffs. Auch die „Frage der Zugehörigkeit – Das Sudetenland ab 1918“ kommt in der Ausstellung zu Wort. Hier werden die nationalen Spannungen zwischen der tschechischsprachigen und deutschsprachigen Bevölkerung nach der Gründung der Tschechoslowakei 1918 angesprochen, das Münchener Abkommen 1938 und die Potsdamer Konferenz 1945, die die Zwangsumsiedlung großer Teile der europäischen Bevölkerung legitimierte. Hier wird auch Tomáš Vokurka, Christina Meinusch, Václav Houfek und Martin Dzingel. ein zweisprachiger „Aussiedlungsbefehl“ gezeigt. nicht von Vertreibung. Das wur- ständen wurde rigoros begrenzt, Wie kann man von „Aussied- de auch bei der Ausstellungser- und oft wurden auch die wenigen lung“ sprechen, wenn man inner- öffnung in München moniert. Wertgegenstände im Gepäck unhalb von 24 Stunden sein Haus, Und es wäre auch hier eine Fra- erlaubt konfisziert. Diese bitteren seine Heimat unfreiwillig verlas- ge an die deutschen Kuratoren Erfahrungen hinterließen bei den sen muß, nur 30 Kilogramm Ge- der Ausstellung, warum man Menschen tiefe Wunden. Ihre päck, 100 Reichsmark und Ver- nicht zumindest auf dem Begriff Heimat ging ihnen nie mehr aus pflegung für die Familie für ma- „Zwangsaussiedlung/Nucené dem Sinn. ximal sieben Tage mitnehmen vysídlení“ bestanden habe? Und so entstand „Mein Bild darf, den Haustürschlüssel abgeUnd das führt zum näch- von der Heimat“. Dies ist wohl ben muß und noch dazu den Be- sten Thema „50 Kilogramm Hei- der emotionalste Teil der Aus-
Helmut Teschner: „Braunauer Friedhofskirche“, 1979.
Niklasberg
stellung. Viele Vertriebene versuchten später, Heimatbilder zu kaufen, oder schufen diese selbst. Blauer Himmel, grüne Felder oder schneebedeckte Berge – solche idealisierten Darstellungen luden zum Erinnern ein. Die Sehnsucht nach der Heimat ist hier sehr deutlich spürbar. Auch Ortsansichten, Sehenswürdigkeiten, das eigene – verlorene – Heim. Im Sudetendeutschen Museum in München, das einige dieser Heimatbilder der Ausstellung zur Verfügung stellte, ist wohl noch mehr davon zu sehen. Und so kommen die Vertriebenen zur Einsicht „daheeme ist es immer noch am schönsten“. Man erinnert sich an die Kindheit. Omas Mohnstriezel, der Duft von Bratäpfeln drängt sich auf. Wie unendlich groß alles erschien. Das Paradies der Kindheit, aber auch Ereignisse wie die eigene Hochzeit, die Geburt der Kinder – das alles verbindet sich zur Vorstellung von der verlorenen Heimat. Damit führt auch die Ausstellung, in deren begrenztem Rahmen natürlich vieles auch nur angedeutet werden kann, zu ei-
Franz Kunz: „Heimat Kaaden“, Regensburg 1950. Das Aquarell zeigt das Franziskanerkloster, den Heiligenturm und Am Graben.
ner Eigenschaft unserer Sudetendeutschen, das Beste aus allem zu machen, sich nicht unterkriegen zu lassen. „Not macht erfinderisch“ ist die letzte Station der Ausstellung. In der Zeit unmittelbar nach der Vertreibung war das Heimweh besonders stark, da man zu ahnen begann, daß es kein Zurück mehr gebe. Groß waren Not und Mangel im kriegszerstörten Deutschland. Da es damals an allem fehlte, bediente man sich improvisierter Bildträger. Grundlage der ersten Heimatdarstellungen wurden umfunktionierte Schuhkartons, Holzreste, Strohmatten oder Kartoffelsäcke. In der Ausstellung ist ein Dachziegel zu sehen, der mit dem Dorfbrunnen von Schönbrunn bemalt ist. Welch‘ sehnsüchtiger Blick mag wohl darauf geruht haben? In Gedanken hört man ihn plätschern. Der Besucher spürt hier ganz deutlich das Gefühl des Heimwehs. Diese Ausstellung ist eine wunderbare Ergänzung der im selben Museum beherbergten Daueraustellung „Unsere Deutschen“, in der zwar die Vertreibung auch in ergreifenden Fotos und Gegenständen dargestellt wird, aber eben nur ein Teil der jahrhundertelangen Geschichte der Deutschen in Böhmen ist. Schade, daß diese Wanderausstellung nur bis zum 17. März in Aussig zu sehen ist. Aber wie ihr Name schon sagt: Sie ist eine Wanderausstellung, und sie trägt die Sehnsucht nach der verlorenen Heimat nun in das ersehnte Land zurück. Würde die Gegenwart diese Träume erfüllen?
HEIMATBOTE
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Bischofteinitz
Ronsperg
FÜR DEN KREIS BISCHOFTEINITZ
15 Hostau
Heimatkreis Bischofteinitz – Patenstadt Furth im Wald. Heimatkreisbetreuer: Peter Pawlik, Palnkamer Straße 73a, 83624 Otterfing, Telefon (0 80 24) 9 26 46, Telefax 9 26 48, eMail peter-pawlik@t-online.de, Internet www.bischofteinitz.de. Spendenkonto: Heimatkreis Bischofteinitz, Raiffeisenbank Chamer Land – IBAN: DE55 7426 1024 0007 1343 20, BIC: GENODEF1CHA. Heimatbote für den Kreis Bischofteinitz – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Verantwortlich von seiten des Heimatkreises: Peter Pawlik. Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de
Sadl
Anna Konopik †
Hindle in Pilsen: Gruppenbild mit Banner.
Bilder: Karl Reitmeier
Pilsen
Auf den Spuren der Deutschen Das grenzüberschreitende zwei- tes Theater genannt, habe es die sprachige Projekt „Hindle“ liegt Aufführungen in tschechischer mit seinen Themen stets richtig. Sprache gegeben. Im Deutschen Wenn es noch eine Beweises be- Haus habe sich das kulturelle Ledurft hätte, dann wurde dieser ben der deutschen Minderheit mit der Veranstaltung „Auf den abgespielt, und dort hätten sich Spuren der Pilsener Deutschen“ auch die Vereine getroffen. erbracht, die rund 70 Gäste anBei der Wilson-Brücke, die gelockt hatte. Entweder mit dem über die Radbusa führt, erfuhZug oder mit dem Auto waren ren die Teilnehmer, daß diese bis die Deutschen und Tschechi- 1918 Kaiser-Franz-Josef-Brükschen, die sich etwa die Waage ke geheißen habe. In den beihielten, in die westböhmische den Türmchen, die diese BrükMetropole gekommen. Mit Christoph Mauerer aus Neukirchen beim Heiligen Blut, der Deutsch an der Philosophischen Fakultät der Westböhmischen Universität in Pilsen lehrt, hatte Projektleiterin Kristýna Pinkrová ei- Blick in die orthodoxe Sankt-Anna-Kirche. nen Referenten gefunden, der mit der Mate- ke zieren, hätten Mautgebühren rie vertraut ist, denn er bereitet entrichtet werden müssen, um über das Thema seine Doktorar- die Brücke passieren zu dürfen. beit vor. Er führte die Teilneh- Von Mauerer erfuhren die Teilmer drei Stunden lang an Orte, nehmer auch, daß Straßen, Plätdie an die deutsche Minderheit ze und Brücken nach 1918, nach in Pilsen erinnern. 1945 und zuletzt nach der Samtenen Revolution 1989 umbenannt ristýna Pinkrová zeigte sich worden seien. bei der Begrüßung in der NäIn Pilsen habe es beispielsweihe des Hauptbahnhofs in Pilsen se auch eine Goethegasse gegeerfreut über die große Resonanz ben. Johann Wolfgang von Goeund übergab danach sogleich das the sei zwar oft in Böhmen geKommando an Christoph Maue- wesen, nie aber in Pilsen. Er rer, der sich dann auf die Spuren habe aber eine lebhafte Briefder deutschen Bevölkerung be- korrespondenz mit den Lehrern gab, die dort vor rund 100 Jahren des Gymnasiums geführt. Nach circa zehn Prozent der Bevölke- 1945 sei der Name Goethegasse rung ausmachte. nicht mehr erwünscht gewesen, Sehr bald bot sich ein Blick und diese sei nach dem russizur KB-Bank, und Mauerer in- schen Schriftsteller Maxim Gorformierte, daß dort einmal das ki benannt worden. Nach der Deutsche Haus und das Deut- Samtenen Revolution im Jahsche Theater gestanden seien. re 1989 sei die Straße wieder in Das deutsche Theater sei sehr Goethestraße, nämlich Goethoangesehen gewesen. Im Josef- va, umbenannt worden. In ZeiKajetán-Tyl-Theater, auch Al- ten der Monarchie habe es auch eine Ferdinand-Straße gegeben, heute sei dies die große Klattauer Straße. Mauerer verwies unter anderem auch auf die Martinsindle bedeutet im chogasse, benannt nach dem Pilsedischen Dialekt der ner Architekten Martin Stelzer, Ort zwischen hier und dort. der in Pilsen viele Bauwerke geHindle ist die Region zwiplant habe, unter anderem auch schen Pilsen und Regensdie Modernisierung der Pilseburg, in der es nicht darauf ner Brauerei. Diesem sei es letztankommt, in welcher Spralich auch zu verdanken gewesen, che man spricht, sondern daß der Braumeister Josef Groll das gegenseitige Verstehen nach Pilsen gekommen sei, der zählt. Trotz der schwierigen dann das Pilsener Urquell erfunVergangenheit gibt es viel den habe, das schließlich seinen mehr, was uns eint, als was Siegeszug über die ganze Welt uns trennt. Hindle ist ein begonnen habe. Mauerer zeigte Ort, an dem es keine Grensich angesichts der Berühmtheit zen geben muß, wenn wir dieses Braumeisters aus dem niedas wollen und etwas dafür derbayerischen Vilshofen übertun. rascht, daß diesem in Pilsen bisher weder eine Straße noch ein
K
Hindle
H
Platz gewidmet sei. Auch gebe es kein Denkmal für ihn. Deshalb hoffe er, daß sich für Josef Groll vielleicht doch noch ein Platz finden lasse. Entdeckt wurde später auch die Aufschrift „Zum öffentlichen Luftschutzraum“ an einem Haus. Diese ist bis heute erhalten. In der Martinsgasse kam das Gespräch auch auf den Pilsener Friedrich Sessl, der in das Deutsche Gymnasium gegangen war.
Tagblatts“. Diese Zeitung sieht Mauerer als eine wertvolle Quelle für seine Dissertation. In den Stellenangeboten werde zum Beispiel nach einer Bürokraft mit deutschen und tschechischen Sprachkenntnissen gesucht. Das zeige, daß im Alltagsleben beide Sprachgruppen miteinander im Kontakt gewesen seien. Danach trafen die Exkursionsteilnehmer auf die Pekařství Bayer, also eine Bäckerei mit dem Nachnamen Bayer. Über den SmetanaPark wurde die Studienund Wissenschaftliche Bibliothek des Bezirks Pilsen erreicht, wo die ganz genaue Höhenangabe 317,8140 Meter sowohl in deutscher als auch tscheBlick auf die Bäckerei Bayer. chischer Sprache auf einer Nach der Vertreibung hatte Sessl Tafel an der Wand steht. Das Geim „Mies-Pilsner Heimatbrief“ bäude diente einst auch als Gymim Jahre 1950 eine Dialekt-De- nasium, das als Schüler der späbatte entfacht mit dem Ergebnis, ter sehr bekannte Komponist daß der nordbairische, Egerländi- Friedrich Smetana besucht hatsche Dialekt Pilsens auch weiter- te. An einem Eingangstor fand hin in der Vertriebenenzeitschrift sich ein großer Stich des Alten benutzt werden durfte. Anhand Pilsen mit deutschen Namen. Bei zeitgenössischer Quellen, ei- der Sankt-Anna-Kirche, die seit nem Leserbrief, konnte Mauerer den 1950er Jahren als orthodoxe dabei bestens informieren, wie Kirche fungiert, traf man auf den der Dialekt der dortigen orthodeutschen Eindoxen Pfarrer, wohner von Pilder sogar Einlaß sen einmal gein die Kirche geklungen hatte. währte und vieAuf der Ebene le Informatioder Standardnen über seine sprache wiederTätigkeit gab. um war das böhSo ist er unter mische Deutsch anderem auch aufgrund der als Seelsorger Zugehörigfür die ukrainikeit zur k. u. k. schen Soldaten Monarchie ein an der Front täMarcela Řezníčková und Chri- tig und begleiösterreichisch stoph Mauerer. geprägtes tet dorthin auch Deutsch, was Hilfstransporte. sich beispielsweise an den MoDie Führung endete schließnatsnamen „Jänner“ und „Fe- lich mit dem Mittagessen im älber“ statt „Januar“ und „Febru- testen Lokal von Pilsen, dem Rear“ zeigt. staurant „U Salzmannu“. Danach Vorbei ging es auch an der wurde wieder die Heimreise anevangelischen Kirche, in der vor getreten, wobei sich alle bei 100 Jahren die deutsch-evange- Christoph Mauerer ganz herzlische Kirche ihre Gottesdienste lich für den informativen Vorgefeiert hatte. 1945 wurde sie in trag in einer lockeren Atmosphäeine Tschechoslowakische Hus- re bedankten. Ein Dank galt auch sitische Kirche umgewandelt. Marcela Řezníčková für die DolDort erzählte der Referent auch metscherdienste. noch eine lustige Geschichte: Auf jeden Fall war die FühDer evangelische Pfarrer sei, oh- rung auf den Spuren der Pilsner ne seine Pfarrei verständigt zu Deutschen sehr interessant und haben, in den Ersten Weltkrieg hat zu gegebener Zeit eine Wiegezogen. Nun sei gerätselt wor- derholung verdient. Die wurde den, ob und wie man den Pfarrer auch bereits in Aussicht gestellt, überhaupt noch bezahlen solle. dann vielleicht bereits mit neuIn der einstigen Schmiedgas- en Erkenntnissen, die Christoph se, heute Kovářšká, befand sich Mauerer bis dahin erforscht hadie Redaktion des „Pilsener ben wird. Karl Reitmeier
Am 26. Dezember starb Anna Konopik/Helget in Michelau im baden-württembergischen Rems-Murr-Kreis im Alter von 96 Jahren. Herbert Gagalick, der Ortsbetreuer von Sadl, gedenkt seiner Landsmännin.
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Zeitlebens war Anni geprägt von ihrer Heimat, dem Böhmerwald. Die regelmäßigen Besuche der Heimatkreistreffen in Furth im Wald mit Abstechern in die alte Heimat oder die sonstigen Besuche mit der Familie und/oder Verwandten in Sadl und der näheren Umgebung einschließlich Taus waren für sie immer Höhepunkte in ihrem Alltagsleben. Sie war Teil der Gemeinschaft der Heimatvertriebenen. Und so lernte Anna Helget Andreas Konopik kennen, der aus Worowitz im Kreis Bischoftei-
eimat ist da, wo dein Herz ist.“ Dieser Satz kam wohl einigen der zahlreichen Verwandten, Freunden und Bekannten in den Sinn, die vor wenigen Wochen Anna Konopik, geborene Helget, auf ihrem letzten Weg in die ewige Heimat begleiteten. Anna, genannt Anni, kam am 10. März 1927 als viertes von sieben Kindern der Eheleute Josef und Barbara Helget in Sadl im Haus Nr. 21 zur Welt. Sie verbrachte eine unbeschwerte Kindheit und Jugend, eingebunden in das arbeitsreiche, aber behütete Leben in ihrer Familie sowie in das von den Jahreszeiten und Traditionen geprägte Leben des kleinen Dorfes im nördlichen Böhmerwald, das im Jahr 1945 rund 200 Einwohner zählte. Das Bild ihrer böhmischen Heimat trug sie stets in ihrem Herzen. Vor allem in den letzten Jahren hat sie sehr viel von „Dahom“ erzählt, besonders ihrem Sohn Markus, der sie nahezu sieben Jahre lang liebe- „Klöppeln ist eine Handarbeitstechnik zur voll umsorgte. „Es war ei- Herstellung feiner Spitzen, mit denen die ne Freude und ein Segen, Mädchen und Frauen des Böhmerwalds die Mutter zu betreuen und in den Wintermonaten Geld verdienten“, zu pflegen“, sagt er. Sie ha- erklärte Anni Konopik, wenn sie bei Heibe viel von ihrem Dorf, vom matabenden den schwäbischen BesucheKaufladen, den ihre Groß- rinnen die Kunst des Klöppelns vorführte mutter und ihre Mutter in und erläuterte. Sadl betrieben hätten, von der Feldarbeit oder vom regel- nitz stammte. 1953 schlossen sie mäßigen Kirchgang nach Rons- den Bund fürs Leben. 1961 bezoperg oder nach Sirb erzählt. Als gen sie ihr Eigenheim in MicheKind habe sie gern gesungen, lau im Rems-Murr-Kreis. Mit der vor allem auf der großen Trep- Geburt ihrer drei Kinder Helga, pe vor dem Kaufladen, und zu- Robert und Markus entstand eisammen mit anderen Kindern. ne Familie, in der man sich geNicht immer zur Freude des be- borgen wußte. nachbarten „Küla-Harl“, der sich Anni Konopik wurde 96 Jahüber den Gesang der Kinder be- re alt, ihr Mann Andreas war beschwert habe. In den Wintermo- reits 2000 verstorben. Bis zuletzt naten hätten sich die Mädchen war sie geistig fit. Bis vor ein paar des Dorfes mit ihren Klöppel- Jahren hat sie noch geklöppelt säcken in der großen Stube ei- und gestrickt. Das Wohl ihrer Fanes ihrer Elternhäuser getroffen, milie, insbesondere das der Enum kunstvolle Spitzendeckchen kel lag ihr sehr am Herzen. In der oder auch Meterware zu klöp- Familie herrschte eine offene und peln. Diese sogenannten Hut- gastfreundliche Atmosphäre, mit scherstubn hätten auch ein ge- Gästen und Feiern am Wochenselliges Miteinander der Dorf- ende in heiterer Stimmung und jugend gebracht, bei dem – oft mit Gitarre. Anni war eine leidenschaftliauch im Beisein der jungen Burschen – in aufgelockerter Atmo- che und gute Gärtnerin – bis die sphäre viel gescherzt und auch Beine nicht mehr mitmachten. Sie war sehr gläubig und hilfsgesungen worden sei. Aber auch schwere Stunden bereit und begegnete ihren Mitgab es für Anni zu bewältigen. menschen mit Interesse und AufSie verlor ihren Bruder Karl, der, merksamkeit. Sie hatte ein Herz als vermißt gemeldet, im Krieg für Menschen in Not. An Heiligabend wurde stets jegeblieben war. Und ihre mand eingeladen, Schwester Resl starb der alleine war. an Leukämie. Anni Konopik 1946 wurde die hat viel erlebt Familie verund geleistet trieben. in einem erNach füllten Leder Vertreiben, dessen bung arbeiFundament teten Anni der christliund ihr Bruche Glaube der Adolf zuwar. Anni und nächst in der ihre willensLandwirtschaft starke Art, ihr lieder Moosmühle benswürdiges Wein Bayern. Anschliesen und ihre Treue zur ßend zogen sie zu ihren Eltern und Geschwistern, die in böhmischen Heimat werden vieBirkenweißbuch im Rems-Murr- len Menschen in guter ErinneKreis ein neues Zuhause gefun- rung bleiben. Wir wünschen ihr Ruhe in der ewigen Heimat. den hatten.
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 7 | 16. 2. 2024
Heimatbote für den Kreis Ta<au
Heimatkreis Tachau – Patenstadt Weiden in der Oberpfalz. Heimatkreisbetreuer: Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Aubergstraße 21, 83352 Altenmarkt, Telefon (0 86 21) 6 36 27, Telefax 64 75 27, eMail wolf-dieter.hamperl @online.de. Internet www.tachau.de. Tachauer Heimatmuseum: Kulturzentrum Hans Bauer, Schulgasse 3a, 92637 Weiden, Telefon (09 61) 81 41 02, Telefax 81 41 19, eMail museum@tachau.de. Spendenkonto: Heimatkreis Tachau, HypoVereinsbank Nürnberg – IBAN: DE38 7602 0070 0002 0824 54, BIC: HYVEDEMM460. Heimatbote für den Kreis Tachau – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de
In den Berichten über das Grüne Band (Þ HB 1+2 ff/2024) tauchte immer wieder die Frage auf, wie der Wald früher ausgesehen habe. Eine Beschreibung der heimatlichen Wälder liefert der Tachauer Lehrer Hans Köferl in seinem 1890 in Tachau herausgegebenen Werk „Der politische Bezirk Tachau“. In diesem Buch schildert er den Wald in den westlichen Bereichen des Bezirks, der heute dem Böhmischen Wald/Český les entspricht. Im folgenden Kapitel widmet er sich der Jagd und der Holzindustrie.
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ng verbunden mit der Forstwirtschaft ist die Jagd. Zur Zeit, als noch unwegsamer Urwald dem Menschen den Zutritt zu den Verstecken reißender Tiere verwehrte, war die Jagd nichts weniger als ein Vergnügen. Nachdem der Wald soweit bewältigt war, daß menschliche Ansiedlungen entstehen konnten, da mag das Nutzvieh, welches Johann Plobner und seine Familie vor dem Hegerhaus in Paulushütte 1932. Der Heger Johann Plobner kam am Bilder: Archiv Wolf-Dieter Hamperl hier gezogen wurde, von allen 28. Juli 1885 in Wosant zur Welt und starb am 24. April 1953. Seiten die wilden Bestien herbeigelockt haben. Noch 1605 bestand in unmit- � Jagd, Forstnutzung und Holzverarbeitung im Böhmischen Wald 1890 telbarer Nähe der Stadt Tachau hinter dem Hofacker eine Wolfsgrube, um Wölfe sowie Füchse zu fangen. Der letzte Wolf wurde 1801 im Paulusbrunner Revier geschossen. Die nahe Stadt Bärnau führt im Wappen einen Bären. len, Habichte, Sperber, Falken, Abgang. Windbrüche und Ab- drähte, Spinnrocken und -räder Auch jenes der Stadt Pfraum- Krammetsvögel und so weiter. fallholz werden teils als Kohl- und dergleichen erzeugt. Diese berg zeigt zwei Bären, die an ei- Größere Treibjagden werden nur holz, teils als Brennholz in den Waren werden in das Egerland nem Baum emporklettern. Grö- in den herrschaftlichen Jagdge- Glashütten benützt oder im Lo- und in die Pilsener Gegend verßere Raubvögel nisteten in den bieten veranstaltet. kalverkauf veräußert. Langholz kauft. Von besonderem Belang großen Wäldern; heute noch heiVom Beginn des gegenwär- geht meist zu den Bahnstationen ist die Holzindustrie in Tachau ßen solche Orte Geiernest oder tigen Jahrhunderts wurde das nach Plan, Mies und Tirschen- und den nächstgelegenen WaldRabennest. jährlich geschlagene Holzquan- reuth in Bayern. Das Holz wird dörfern geworden. Sie teilt sich Die Ausrottung schädlicher tum bis in die 1860er Jahre größ- vor allem im Winter gefällt und bereits in mehrere Zweige auf, Tiere war im Interesse des einzel- tenteils für Eisenwerke und Glas- aufbereitet. Nur dort, wo es sich wobei die Holzdrechslerei die nen sowie des Allgemeinwohls hütten benützt. Die Nutzholz auch um die Gewinnung der Rin- Haupterwerbsquelle der Bewohgeboten und anfangs zur Pflicht de handelt, wird diese Arbeit so- ner wurde. Sie hat noch kein hogemacht. Daher wurde den erwie das Herausnehmen der Stöc- hes Alter hinter sich und reicht sten Bebauern des Landes die ke im Sommer getan. Wegen des nicht über das Jahr 1790 zurück. Ablieferung einer bestimmten hohen Zolls ging in den letz- Erst damals verlegten sich einige Zahl von Raubvögeln oder ten Jahren der Verkauf von Tachauer Bürger auf das Drehen Fellen als Leistung auferSchnittwaren ins Ausland von Holzknöpfen. Den eigentlilegt. Im Zusammenhang leider zurück. Waldfelder, chen Aufschwung erlangte die damit stand die bäuerWaldweiden und Wald- Holzdreherei erst, als Leopold liche Schuldigkeit, bei gräsereien, Rinde, Harz, Schornstein in Tachau Muster Jagden sich der HerrStreu, Torf, Steine, Sa- von Unterlagen für Posamentierschaft zu Diensten zu men liefern ebenfalls ei- arbeiten aus Amerika beschaffte. stellen. Wo die Jagd nen nicht unbedeutenBald wurden weitere Absatzvorschriftsmäßig beden Ertrag. Die armen gebiete für die neuen Erzeugtrieben wird, ist sie Bewohner der Waldge- nisse der Tachauer Drechsler geauch noch ziemlich ergenden finden durch wonnen, wofür Alexander Luggiebig. Denn obwohl an das Sammeln von Erd-, ner und dessen Nachkommen vielen Orten dem Wild Him-, Heidel- und Prei- Deutschland und auch Frankeine geringe Schonung selbeeren sowie von häu- reich bereisten. Wien und Berlin zuteil wird, ist der Wildbefig vorkommenden Pilzen werden mit Tachauer Drechslerstand immer noch ein vereinigen Verdienst. arbeiten beliefert und haben dort hältnismäßig günstiger. Eine gute Absatzquel- ihre Niederlagen. Von der QuaMehrere Gemeinden des Bele für Nutzholz ist die Schuh- ste angefangen bis herab zum zirkes haben jetzt die Jagd in eiund Stiefelleistenfabrik in Rin- kleinsten Knöpfchen liefert der gener Verwaltung, gelberg. Auf den von Tachauer Drechsler in der buntefrüher wurde sie ge- Förster Kraus und seine Frau aus Goldbach. Das Portrait Wasserkraft getriebe- sten Mannigfaltigkeit und endlowöhnlich dem Herr- machte um 1920 der Tachauer Photograph Fleißner. nen Maschinen wer- ser Fülle seine Erzeugnisse. schaftsbesitzer pachtden roh ausgeschnitIm großen Ganzen hat sich weise überlassen. Bei diesen ausbeute war bis zu dieser Zeit tene Leisten aus Rotbuchenholz diese Fabrikation als Hausindusteht es mit der Jagd freilich viel sehr gering und betrug kaum 15 nach eingelegtem Muster genau strie eingebürgert. Doch wird in besser, Tiergärten gibt es im Be- bis 20 Prozent der geschlagenen abgedreht. Aus einem Kubikfuß der Neuzeit [1890] häufig auch zirk mehrere. Der größte ist auf Masse. Sehr primitiv angeleg- Holz können je nach der Größe die Wasserkraft genutzt, um das der Herrschaft des Grafen Ko- te Wasserschneidesägen erzeug- drei bis fünf Paar Schuhleisten Holz zu zersägen und für die eilowrat, der nächstgrößte auf der ten eine verhältnismäßig geringe erzeugt werden. Es verbraucht gentliche Dreharbeit zuzubedes Fürsten Windisch-Grätz. Anzahl von Brettern, welche den diese kleine Fabrik jährlich 600 reiten. Die ehemalige SirupfaDie sogenannte hohe Jagd einzigen Export bildeten. bis 700 Festmeter Buchenholz. brik, die Werkstätte der Gebrügibt an Haarwild Edel- und DamDank der umsichtigen Verwal- Die abgedrehten Leisten wer- der Lugner sowie die der Firma hirsche, Rehe und wilde Schwei- tung der Waldbestände des Groß- den noch geraspelt und geputzt, Schornstein sind auch für Dampfne; an Federvieh Auer- und Birk- grundbesitzes steigt jetzt das Er- dann getrocknet und in alle Welt betrieb eingerichtet. Durch die hühner; Haselhühner sind selten; gebnis des Waldbodens von Jahr versandt. Die Fabrik beschäftigt Hausindustrie hat sich ein eigender Fasan wird seit jüngster Zeit zu Jahr. Der Absatz des Rohhol- an die 20 Arbeiter. Sie ist gegen- tümlicher Zwischenhandel herauch gehegt. Die niedere Jagd zes in starken Stämmen ins Aus- wärtig in der Pacht der Herren ausgebildet, der oft zu verschiegibt Hasen, Eichhörnchen, Füch- land ist bedeutend. Dampfsägen Schüffl und Altnöder. Ein ähnli- denen Klagen Anlaß gibt. Dazu se, Dachse, Fischotter, Stein- und Schindelmaschinen neue- ches Werk stellten die Gebrüder kommt, daß der Rohstoff immer und Edelmarder, Iltisse, Wie- rer Konstruktion sind zahlreich. Lugner in Tachau auf. Auch das seltener wird. sel, Hamster, sogar Rebhühner, Dies fördert die Erzeugung von scheint sich zu rentieren. Die gesuchteste Holzart Ahorn Wald- und Moosschnepfen, wil- Schnittmaterial ungemein. Auch In vielen Gebirgsdörfern wer- ist durch den großen Verbrauch de Enten, Wasserhühner, Rohr- der Absatz an Rundholz hat sich den Wagnergerätschaften, Re- in den Wäldern fast gänzlich verdommeln, Wildtauben, Raben- bedeutend gebessert. Ebenso chen, Heugabeln, Dreschflegel, schwunden, und man muß sich krähen, Möwen, Elstern, Eu- findet hartes Rundholz großen Schaufeln, Holzrolläden, Holz- bereits auf Buchen-, Espen-,
von der Siebmacherei. Der Orgelbau kam durch Anton Gartner aus Tachau zu Ehren. Er stellte 1759 die Orgel im Tepler Stifte und 1765 die große Orgel im Sankt-Veits-Dom auf dem Hradschin auf. Ebenso ist die Orgel in der Stadtpfarrkirche Tachau sein Werk. Anton Gartner war der Großvater des bekannten Josef Gartner, k. k. Hoforgel- und Fortepianobauers und Bürgers in Prag, welcher mit seiner Schrift über die Einrichtung der Orgeln das erste Werk in diesem Fache in Böhmen veröffentlichte. Anton Gartner hatte mehrere Verwandte in Tachau und war Mitglied der Paulaner-Bruderschaft in Heiligen. Gegenwärtig befaßt sich Ferdinand Helfert in Tachau mit dem Orgelbau. Die Holzschnitzerei ist hier ebenfalls zu Hause. Josef Fachet, von Promenhof gebürtig, gründete mit seiner Mutter ein ärmliches Hauswesen am Gänsbühl in Tachau. Mit einem einfachen Taschenseitel schnitzte er die zierlichen Figuren. Der Dechant Josef Händschl in Tachau nahm den armen Knaben als Diener auf. Hier hatte der heranreifende Jüngling genug Zeit und Muße, sich weiter in der Holzschnitzerei zu versuchen. Sein Lieblingswerk war der gekreuzigte Heiland, weshalb er nur der Hergottschnitzer hieß. Ein bleibenWildobst-, Fichten- und Kiefern- des Denkmal hat er sich am Preholz beschränken. Selbst die Er- digtstuhl in der Franziskanerkirle wird immer seltener und hat che in Tachau gesetzt. Ein gleiches Talent ist Johann an den Bächen ihren letzten Zufluchtsort gefunden. Im Interes- Rumpler in Tachau. Er hat die se der Händler und der Arbeiter Kunstfertigkeit von seinem Vater wäre es daher gelegen, die Er- ererbt. Er hat einfach zu schnitrichtung einer Verkaufshalle an- zen begonnen, obwohl er gelernzustreben. Die Vorteile einer sol- ter Tuchmacher war. Der Bruder chen Vereinigung springen ins Johann Rumplers ist Professor Franz Rumpler an der MalerAuge. Wieviel Zeit und Kosten wür- akademie in Wien. In Brand ist den dem armen Meister dadurch ein anderer Tausendkünstler erspart, wenn er nicht ein ent- namens Johann Bock. Die Mosprechendes Holz „ausgehen“ delle zu den Maschinen in der und dann mit größter Mühe von Holzleistenfabrik zu Ringelberg weit und breit zu seiner Werk- stammen von ihm. Der Tachaustätte herbeischaffen müßte. Die er Tischlermeister Ignaz HaubZeit, die darüber versäumt wird, ner bildete sein Handwerk zur könnte dann gänzlich auf die ei- völligen Kunsttischlerei heraus. gentliche Drechslerarbeit ver- Sein jüngerer Sohn sowie Ignaz wendet werden, und ein Holz- Schöffl aus Tachau, der jüngere mangel, der gleichbedeutend Sohn des verstorbenen Wittinmit Arbeitsstockung ist, würde greither Lehrers Schmalholz leileicht nicht eintreten. Stets gäbe sten Bedeutendes in der Schnites genügend und günstigeres Ar- zerei. beitsmaterial, weil sich durch eiZündhölzer werden in der Fanen größeren Einkauf die Fracht- brik des E. Adler bei Altzedlisch kosten verringern müßten. fabriziert. Schächtelchen Zugleich wäre es mögwerden in Tachau gelich, den Menschen macht. Besenbindeder rohen und gerei und Korbflechmeinen Arbeiten terei bilden für zu entheben und manche Waldzur Vorbereitung bewohner einen des Holzes, welWinterverdienst. che Mühe und In Neulosimthal Zeit raubt, mögwerden Schusterlichst Maschinen späne erzeugt, in zu verwenden. Pfraumberg beDie Birkensteht eine Schuhdosen-Fabrikanägelstiftenfation in Tachau brik. In jüngster und Umgebung Zeit ließen sich hier ist ebenfalls beauch einige Arbeikannt. Die Ware finter für Schwarzwälder det nicht nur in Uhren nieder. Österreich, son- Förster Thomas Grünauer aus Auf folgende dern auch im Waldheim. IndustriezweiAusland Absatz ge sei noch aufund ist in der Handelswelt unter merksam gemacht, da sie sich dem Namen Tachauer Dosen be- vielleicht im Bezirk einbürgern kannt. Die erste Birkendose fer- könnten: Faßspunde, Rahmenleitigte Michl Standfest in Tachau sten, Resonanzböden, gedrehte nach einem bairischen Muster. Möbel, gedrechselte HolzbüchDie Schachtelmacherei, welche sen für Zündhölzchen oder Stievor Jahren den Familien Wagner felwichse, Schmieren und Kitin Tachau ein bedeutendes Ein- ten, Spielwaren, Pfeifen, Stöcke, kommen abwarf, geht jetzt im- Holzstoffabriken, Holzschleifen, mer mehr zurück. Dasselbe gilt Papierfabriken und so weiter.
Ahornbäume werden rar
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Heimatkundliches Mitteilungsblatt für die Vertriebenen aus dem Isergebirge/Organ des Gablonzer Heimatkreises e.V. Redaktionsschluß: Jeweils der 5. des Erscheinungsmonats. Redaktion: Kathrin Hoffmann, Telefon (0 81 04) 88 80 10, eMail isergebirge@sudeten.de
Die Bezeichnung Skifahrer des Jahrhunderts für Rudolf Burkert ist gerechtfertigt. Nur ihm gelang es vor Jiří Raška, Medaillen von der Winterolympiade und der Weltmeisterschaft nach Hause zu bringen. Er errang Gold, Silber und Bronze.
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ie Skiläufer aus Polaun, deren Verein „Windsbraut“ 1907 gegründet wurde, waren unter ihrem Vorstand Josef Lauer eine sehr aktive Gemeinschaft. Nach der Anzahl der Mitglieder handelte es sich eher um einen kleinen Club innerhalb der 33 anderen aus dem Jeschken- und Isergebirge. Der Name Windsbraut bezieht sich auf das Klima in Polaun. Auf dem Kamm zwischen Stephansturm und Buchberg stehen verstreut die Häuser der Kleinbauern, Glasmacher, Weber und Waldarbeiter, welche den Wind zu jeder Jahreszeit verspüren. Unter den 40 Mitgliedern des S. C. Windsbraut sind die Brüder Josef und Rudolf Burkert – Langläufer, Skispringer, Kombinierer und am Ende sogar Abfahrer. Spezialisierte Abfahrer gab es zu Anfang dieser Wettkampfsparte nicht einmal bei größeren Clubs und schon gar nicht am Dorf. Das windige Polaun hatte zu Beginn des Skisprungsports keine ständige Sprungschanze. Deshalb trainierte Rudolf Burkert in der Nachbarschaft. Am nächsten war Stephansruh, dort waren Sprünge bis 30 Meter möglich. Am Anfang des Winters gab es schon Schnee im Wittigtal, allerdings war das etwas abseits. Aber die zwölf Kilometer hin und zurück wurden gern in Kauf genommen als Langlauftraining. Die Schanze war allerdings nur klein. Verhältnismäßig nahe war die Teichschanze oberhalb dem Wurzelsdorfer Bade. Diese ließ Walter Riedel für den Nachwuchs bauen. Walter Riedel war auch Arbeitgeber und Sponsor der Spitzensportler des HDW. Die Schanze in Wurzelsdorf erlaubte Sprünge bis 40 Meter. Außerdem standen noch Schanzen in Josefstal, Harrachsdorf am Vogelhart und am Teufelsberg zur Verfügung. Die Polauner Jungs wiederholten die Sprünge bis zur Erschöpfung. Rudolf Burkert, geboren 1904, war wegen seiner abnormalen dynamischen Absprungeigenschaften schon in der Schu-
Rudolf Burkert aus Polaun
Skifahrer des Jahrhunderts le und beim Turnverein aufgefal- sten inländischen Wettkampfli- ben weitergehen wird. Die Fanlen. Er übersprang verschiedene sten. Sogar bei den FIS-Wettbe- gemeinde und Bewunderer des Turngeräte mit Bravour. Wo sei- werben war es einmal B und dann damaligen Skiidols liebten solne Turnerkameraden ein Halb- wieder P. che Bravourstücke. meterfedersprungbrett verwenSeine Durchführung des Leider Gottes geschah 1934 deten, sprang Rudi ohne. Spä- Sprunges bewunderten auch bei einer sehr waghalsigen Fahrt ter sagte er scherzhaft: „Wenn erstrangige Skispringer aus in einer Schlucht bei Grottau ich damals übers Sprungbrett ge- Schweden und Norwegen, zu der das Unglück, Rudi stürzte und gangen wäre, hätte ich wohl die Zeit die Weltelite. Besonders im- brach sich ein Bein. Damit war Farbe an der Decke mit den Fü- ponierten ihnen der rasante Stil die glanzvolle Karriere als Skißen abgekratzt.“ und die wunderbare Technik springer beendet. Diese ernsteDen wettbewerbsmäßigen während der Flugphase. Burkerts re Verletzung hatte auch etwas Wintersport begann Rudi Bur- Souveränität und Persönlichkeit Gutes. Er wurde nicht zur Wehrkert verhältnismäßig spät. Höchstwahrscheinlich erst im Jahre 1925. Er erlebte einige nicht leichte Wendepunkte im Leben, und das nicht nur als Skisportler. Bei ihm und seinem Bruder vertauschte man den Anfangsbuchstaben des Namens von B in P. Leider läßt sich heute nicht mehr feststellen, wie es dazu kam. Fest Rudolf Burkert, geboren am 31. Oktober 1904 in Polaun, gewann bei den Olympisteht nur, daß schen Spielen 1928 in St. Moritz im Skispringen die Bronzemedaille und erreichte die damalige in der Nordischen Kombination Rang 12. Er war damit der erste Bürger der Tschechoslowakei, der eine Medaille bei Olympischen Winterspielen gewann. Auf der tschechische Seite des Tschechischen Olympischen Komitees wird er als einer von vier tschechiZeitschrift „Zimní Sport“ schen Skispringern portraitiert. Bilder: www.olympedia.org (1), www.olympijskytym.cz/athlete/rudolf-burkert(2), und die deutwww.wikipedia.de (2) schen Blätter „Der Winter“ und „Skichronik“ über den Ski- als Skisportler beschreibt Günter macht eingezogen und erlebte springer von der „Windsbraut Po- Krusche in einer Geschichte aus den Zweiten Weltkrieg zu Hause. laun“ namens Purkert schrieben. dem Adlergebirge. Als Burkert Die X. Weltmeisterschaft im Mit dem gleichen Fehler schreibt einen Titel auf der Hindenburg- Skisport 1933 war für die tscheder Autor O. Kulhanek in Publi- schanze im schlesischen Bad choslowakische Mannschaft sehr kationen über den historischen Reinerz verteidigte, nahm er sei- erfolgreich: Bartoň wurde zwei„Tschechischen Skisport“. Eben- ne Verlobte und zukünftige Ehe- ter in der Nordischen Kombinatifalls erscheint in „Malé encyklo- frau auf die Arme und fuhr im ge- on. Die Langlaufstafette, besetzt pedii lyžování“ (Die kleine Enzy- wohnten Abfahrtsstil – leichte mit František Šimůnek, Vladimír klopädie des Skifahrens) und im Schwünge und auch einige klei- Novák, Antonín Bartoň und Cyril „Zlatè knize Lyzovàni“ (Im gol- ne Sprünge – den Aufsprunghü- Musil, über 4 x 10 Kilometer erdenen Buch des Skifahrens) der- gel hinunter. Er brachte so seine rang ebenfalls die Silbermedailselbe Fehler. Der richtige Name liebe und süße Last bis zum Kir- le. Den Erfolg der Tschechosloerscheint im Jahresbericht des chentor der Dorfkirche. Damit waken krönte Rudolf Burkert mit HDW. Der Fehler ärgerte Rudi zeigte Rudi Freunden und Zu- dem zweiten Platz beim Sprinund begleitete ihn auf den mei- schauern, wie es in seinem Le- gen. Er landete damals bei 68
und 70 Metern. Von dieser Zeit her stammt die Freundschaft mit dem aus Hochstadt stammenden Bartoň. Sie unterhielten einen regen Briefwechsel über die Wettbewerbe und auch über Neuigkeiten in der Ausrüstung. Rudla, so nannte ihn Bartoň, schwärmte sehr oft von den Slalomfahrten zur Arbeitsstelle nach Unterpolaun in die Garage der Firma Josef Riedel, wo er als Lastwagenfahrer arbeitete.
Dabei probierte er verschiedene Skiwachsmischungen aus. Sein Ziel war ein Universalwachs für alle Schneearten sowie für Abfahrten und auch als Steigwachs. Für alle Skifahrer damals und heute eine reine Utopie. Burkert war aber davon überzeugt und überließ auch allen das Wachs, die mit ihm von Obernach Unterpolaun mit Skiern zur Arbeit unterwegs waren. Auch die Kollegen von der Windsbraut wurden öfter mal mit dem Spezialwachs beglückt. In seiner Rezeptur verwendete er Schellack,
WIR GRATULIEREN Schumburg-Gistei, Unterschwarzbrunn. Im März gratuliert die Ortsgemeinschaft zum 89. Geburtstag am 1. Erich Streit in Karlsruhe Hans Theileis Ortsbetreuer
Strauß/Jung in Ebersberg; am 25. Willi Schmid in Pforzen und am 28. Peter Theileis in Kaufbeuren-Neugablolnz; zum 17. am 2. Tanja Theileis in Lamerdingen. Hans Theileis Ortsbetreuer
Labau-Pintschei. Die Ortsgemeinschaft gratuliert zum Geburtstag im März: zum 101. am 14. Helene Zimmermann/Hauser in Ennsdorf (Österreich); zum 92. am 7. Luise Woithe/ Vater in Germaringen; zum 83. am 16. Hannelore Janser in Laupheim; zum 77. am 5. Doris Purkart/ Dubetz in Kaufbeuren-Neugablonz; am 12. Dr. Josef FabianKrause in Greiling und am 29. Rudi Stiening in Pforzen; zum 74. am 31. Marianne Theileis in Mettenheim; zum 71. am 5. Dr. Elfi Jung-
Dalleschitz. Im März gratuliert die Ortsgemeinschaft zum 92. Geburtstag am 16. Heinz Kovar in Ersingen/Baden und 86. Geburtstag am 23. Sigrid Hujer in Kaufbeuren-Neugablonz. Hans Theileis Ortsbetreuer Friedrichswald. Am 8. März gratulieren wir zum 79. Geburtstag Manfred Scholz (Gasthaus Trompeter). Grünwald. Wir gratulie-
ren zum 81. Geburtstag am 25.
März Gudrun Krause/Stams in Coburg. Johannesberg. Zum Geburtstag im März gratulieren wir zum 83. am 14. Margit Weiß/ Bergmann in Neugablonz; 90. am 23. Sigrid Rössler/ Schröter; 91. am 13. Brigitte Böhm/ Bittner. Radl. Im März gratulieren wir herzlich zum 92. am 29. Erwin Peukert in Zellerberg und zum 90. am 26. Hilde Walter/ Hütter in Oberhof. Gablonz. Zum Geburtstag gratulieren wir im März zum 94. am 15. Heribert Jung (Neudorfer Straße 9) in Rieden;
Schweinefett und auch Birkensaft. Burkert überraschte die Funktionäre des HDW und des Verbandes mit der im dritten Jahr in Folge andauernden Karriere im Skisport. Im Jahre 1927 bei der Weltmeisterschaft im italienischen Cortina war er Weltmeister bei den Kombinierern, ein Jahr später schockierte er die Fachwelt während der II. Winterolympiade in St. Moritz mit dem Gewinn der Bronzemedaille beim Skisprung. Unzählige Preise und Medaillen aus verschiedenen Wettkämpfen brachte Rudolf Burkert nach Hause. Im Jahre 1927 den Spaniel-Preis bei der Republikmeisterschaft in Harrachsdorf, dreimal HDW-Meister am Keilberg, in Harrachsdorf und in Römerstadt. Er erhielt den Titel „Meister der Karpaten“. Eine Bemerkung zum zwölften Platz Langlauf über 18 Kilometer: Burkert war nach seinem schweren Sturz in Römerstadt gesundheitlich nicht in Ordnung, trotzdem trat er mit großer Selbstverleugnung zum Langlauf an. Bemerkenswert ist auch sein Start bei der 1. Sudetendeutschen Skisportmeisterschaft in Harrachsdorf, bei der Konrad Henlein zuschaute. Burkert erkämpfte die Silbermedaille im Abfahrtslauf in seiner Kategorie. Obwohl ihm Otto Berauer 20 Sekunden abnahm, war der zweite Platz ein Beweis seiner persönlichen Vitalität. Nach dem Krieg arbeitete Burkert als Traktorfahrer in Tannwald und wohnte in Georgental unterm Buchberg. Dort wurde der mittelgroß gewachsene Mann mit bräunlicher Hautfarbe und vollen Lippen von den neuen Bewohnern mißtrauisch beäugt, was in der Nachkriegszeit gängig war. Von den ursprünglichen Einwohnern deutscher Nationalität konnten nur wenige bleiben, und Burkert nannte man schmählich „German“. Nach Augenzeugenberichten hat ihm das nicht gefallen. Vielleicht war das auch mit ein Grund, daß sich Rudolf Burkert 1968 entschloß, in die Bundesrepublik Deutschland umzusiedeln, wo er am 7. Juni 1985 starb. Aleš Suk Aus der Zeitschrift „Krkonoše: Jizerské Hory“ (4/2011).
WAS ZUNN LACHN 89. am 25. Günter Ullrich (Rehgrundgasse 14) in Villingen-Schwenningen; 87. am 16. Herta Richter/ Roscher (Gebirgsstraße 124a) in Neugablonz; 86. am 13. Oskar Maschke (Wiener Straße 45) in Schwäbisch Hall; 82. am 9. Frank Ullrich (Hochstraße 10) in Luppedubrau; 79. am 22. Margit Hledik/ Hofirek (Lastenstraße 11), zu Hause in Gablonz, Waldzeile. Kukan. Im März gratulieren wir zum 87. am 24. Gottfried Zappe in Sommerset/ New York (USA) und zum 79. am 11. Christl Endler/Fuchs in Neugablonz. Ober-Maxdorf. Wir gratulieren herzlich zum 76. Geburtstag am 27. März Christa
Dressler/Umann (Brothäuser) in Neugablonz. Unter-Maxdorf. Im März gratulieren wir herzlich zum 83. Geburtstag am 3. Armgard Hirsch/Huyer und zum 89. Geburtstag am 9. Horst Görner. Karlsberg. Im März gratulieren wir zum 87. am 2. Alfred Posselt; 84. am 5. Renate Sedlacek/ Kubitschek in Steinholz; 81. am 28. Ingrid Arlt/Hamatschek, zu Hause in Karlsberg Nr. 5. Thomas Schönhoff Ortsbetreuer Polaun. Wir gratulieren allen Landsleuten, die im März Geburtstag feiern können, auf das Herzlichste und wünschen alles Gute. Hans Pfeifer Ortsbetreuer
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r Feixn vunn Bramberge wor dr Mon gestorbn. Se krichte zwejmoul de Woche ihr Brut und de Sammln vun Feistner Bäckn aus n Ebr-Wiesthole gebrocht. Bei dan Bäckn hottn se grode ann neun Liehrjung und Feistner, wos a dr Mejstr wor, sohte ibr n: „Horch ocke, wenn de heute zr Feixn de Sammln brengst, dann mußte ihr Beileid winschn, dos gehort siech su.“ No jo, su weit su gutt, dar Junge hotte odr noch nie jemandn Beileid gewunschn und wußte nu ne, wie a dos machn sellte. Ols a zr Feixn kom, gob a ihr de Hand und sohte ganz treuharzich: „Iech winsch Ihn vill Glicke zunn Beileid!“
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e Linkn und de Peukertn stiehn zusomm bann Gortzaume und praatschn. Dou mejnt de Peukertn: „Nej soh mrsch okke, wos macht denn deine Tochtr, die ho iech jo schunt lange ne gesahn.“ „Nu jo, weßt de, die is doche ei Gablunz drinne itze Frisöse, und dou kricht se fr enn Schadl drei Krunn!“, mejnt druf de Linkn. Thomas Schönhoff
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Heimatblatt für den Kreis Sternberg in Mähren (einschl. Neustädter Ländchen) Redaktionsschluß: Jeweils der 5. des Erscheinungsmonats. Redaktion: Kathrin Hoffmann, Telefon (0 81 04) 88 80 10, eMail sternberg@sudeten.de
Zwischen den Kriegen ruhte das Mährisch Neustädter Kulturleben nicht – dem Publikum wurden pro Saison 30 Vorstellungen geboten.
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bwohl im Zusammenhang mit dem Mährisch Neustädter Theater die Premiere der Oper „La Contessina“ von Leopold Gassmann nicht erwähnenswert ist, zu der es im August 1770 anläßlich des Besuchs des Kaisers kam, war dieses Ereignis dennoch ein denkwürdiger Punkt in der Geschichte der Stadt, denn die Produktion war nur für den Adel bestimmt. Später erschienen in der Stadt umherziehende Schauspielergruppen und Puppenspieler, Vorstellungen boten auch Studenten des Gymnasiums, aber von einer tatsächlichen Theatertradition kann man erst in der Zeit zwischen den Kriegen sprechen. Damals bildete sich der örtliche Amateurverein, aber vor allem saisonbedingt wirkte hier auch die Theatergesellschaft berufsmäßig.
Diese sechs schönen Damen traten 1930 im Theaterstück „Hänsel und Gretel“ in Mährisch Neustadt auf. Auch die Bilder: Archiv Sigrid Lichtenthäler anderen Bilder stammen von Theateraufführungen in Mährisch Neustadt.
� Kulturleben in Mährisch Neustadt
Von Possen bis Schiller Mit etwas Übertreibung kann man sagen, daß die richtige Theatersaison vor 100 Jahren begann. Anläßlich der Feiern zum 700. Jahrestag der Stadtgründung trat am 16. August 1923 die Nordmährische Volksbühne auf und spielte das Vierakter-Drama von Hermann Sundermann „Johannisfeuer“. Das Interesse des Publikums übertraf alle Erwartungen, und der Direktor der Gesellschaft, Franz Karl Ihme, und seine Familie, die schon Erfahrungen aus vorhergehenden Generationen hatte, entschieden sich, in Mährisch Neustadt eine ganze Theatersaison zu spielen. Die Vorstellungen fanden im großen Saal des Katholischen Hauses statt, und von Oktober 1923 bis Ende Februar 1924 boten sie mehr als 30 Produktionen. Gespielt wurde am Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag, im Programm waren klassische Stücke wie Schillers „Kabale und Liebe“ bzw. „Wilhelm Tell“, Operettenstücke wie „Madame Pompadour“ von Leo Fall, „Die Gräfin von Luxemburg“ von Franz Lehar und zeitgemäße Komödien im kabarettistischen Stil, neue Musikkomödien vom populären Jean Gilbert wie „Die Frau im Hermelin“ oder „Katja, die Tänzerin“. Einige Schauspieler hatten schon Premieren im großen Theater von Wien bzw. Berlin hinter sich wenige Monate vor dem Auftritt in Mährisch Neustädter Saal. Die Musikbegleitung bei den Produktionen stellte der Klavierspieler und Kapellmeister E. Zeisel sicher und bei großen Operetten das Kauerorchester aus Deutsch Liebau. Die Zahl der Darbietenden war klein, neben Direktor Ihme, der Liebhaberrollen spielte und Tenorstücke sang, gehörten zum Ensemble 15 Schauspieler, und die Vorstellungen waren solide besucht. Die Gesellschaft machte in der Saison 1925/1926 in Mährisch Neustadt weiter und stellte wieder ihr Stammrepertoire vor – Operetten wie die „Gräfin Mariza“ von Emmerich Kalman, die
nur zwei Jahre vorher im Theater an der Wien Premiere hatte, das Singspiel „Des Königs Nachbarin“ von Leon Jessel, das zuerst in Berlin im April 1923 auf-
geführt wurde, und andere Lustspiele. Zwischendurch gastierten in Mährisch Neustadt zwei weitere Ensembles: das Mährische Städ-
tebund-Theater und die Schubert-Bühne. Das erste Ensemble führte Kurt Ehrle, damals ein populärer Schauspieler, bekannt nicht nur von der Bühne, son-
dern auch aus deutschen Filmen, und mit ihm der Schauspieler und Regisseur Franz Moser. Die Vermittlung dieser Gruppe mit dem Mährisch Neustädter Theater entstand durch die bisherigen hoch professionellen Leistungen. Demgegenüber stand die Schubert-Bühne, die leichte Unterhaltung anbot: Lustspiele, Operetten, Singspiele. Die Einteilung der Rollen war schwierig, denn es ließ sich bei keiner Aufführung voraussagen, wieviele Besucher kamen. Es waren eben zwei sehr unterschiedliche Ensembles. Nach vier Jahren verließen die Ensembles Mährisch Neustadt. Ende der 1920er Jahre besserte sich die wirtschaftliche Situation, und mit ihr stabilisierte sich auch das Kulturleben. Das Theater funktionierte besser, und der Kunst wurde mehr geholfen. Aber es folgte ein massives Kommen von Rundfunk und Film. Umherziehende Schauspieler waren durch das Zeitgeschehen eine überholte Einrichtung. Im Vorteil waren die großen Städte, die ein stabiles Ensemble bieten konnten und wo ein funktionierendes Hinterland war. In Mährisch Neustadt hatten die Tschechen einen geeigneten Saal im Volkshaus, aber kein Publikum. Die Deutschen hatten stattdessen ein zahlreiches Publikum, aber keinen Raum. Der einzig nutzbare Saal war, nach Umbau, in Strelitz im Katholischen Haus. Deshalb konnte keine feste Saison garantiert werden. Stabil in der Stadt hielt sich die Schubert-Bühne mit klassischen Operetten wie „Die Zirkusprinzessin“ von Emmerich Kalman und modernen Stücken. In die Stadt kamen auch andere Künstler, kleinere Ensembles aus Olmütz und Mährisch Schönberg, die Einakter und Possen abwechselnd mit musikalischen Auftritten boten. Die Situation des Theaters besserte sich 1932 nach Eröffnung des Deutschen Volkshauses, wo für das Theater alle notwendige Ausstattung geboten wurde. Das ermöglichte nicht nur neue Saisongastspiele für Theatergesellschaften, sondern auch die Entwicklung von Amateuraktivitäten. Beim Musikverein, der übers Jahr ab und zu Musiktheater spielte, kristallisierte sich Mitte der 1930er Jahre ein Theaterzweig, der einige Male im Jahr Vorstellungen brachte und sich auch an größere Operettenstücke wagte. Daneben bestand die SchubertBühne, deren Repertoire jedoch nicht das klassische Theater erhöhte, sondern die volkstümliche Operette, Revueveranstaltungen und Kindervorstellungen. Die Schubert-Bühne wurde von den Mährisch Neustädter Theaterfreunden gut angenommen. Als jedoch 1938 der Direktor Eduard Schubert in die Ewigkeit gerufen wurde, reagierten darauf die örtlichen Zeitungen kaum. Die letzte Vorstellung der Saison 1937/1938 war die Dreiakter-Operette „Schwarzwaldmädel“, die das Ensemble am 4. August 1938 spielte. Die weitere Theatersaison fand kriegsbedingt unter anderen Bedingungen statt. Die Politik nimmt auf Kultur keine Rücksicht, das ist vielleicht auch heute so... Nikola Hirnerová Aus dem „Mährisch Neustädter Berichterstatter“ von Januar 2024, übersetzt und gekürzt von Sigrid Lichtenthäler.
WIR GRATULIEREN n Mährisch Neustadt. Wir gratulieren herzlich allen Landsleuten, die im März Geburtstag feiern können, und wünschen ihnen alles Gute! Am 1. März Werner Wenzel (Olmützer Gasse) zum 81. in Naumburg und Doris Wottke/Brosig (Müglitzer Gasse) zum 83. in Jesteburg (Kanada); 2. März Irmgard Kessler/Fock (Olmützer Gasse) zum 82. in Frankfurt am Main; 4. März Manfred Reimer (Flurgasse) zum 84. in Esslingen; 5. März Manfred Heidenreich (Olmützer Gasse) zum 80. in Groß-Gerau und Wilfried Kafka (Stadtplatz) zum 87. in Passau; 6. März Waltraude Steininger/Heinrich (Schönberger Gasse) zum 94. in Würzburg; 7. März Martha Hampel/Leither (Klementgasse) zum 88. in Hünfelden; 8. März Auguste Becht/Frieb (Mittelgasse) zum 87. in Niedernhausen; 9. März Helga Vanderhout/ Parneth (Herrengasse) zum 84. in Winnipeg (Kanada); 10. März Elisabeth Meister/ Nather (Siedlung) zum 82. in Kassel; 11. März Leopoldine Eisinger/ Wepil (Siedlung) zum 88. in Brechen; 13. März Peter Ambroz (Herrengasse) zum 79. in Australien; 15. März Peter Kawan (Wallgasse) zum 84. in Hemhofen; 19. März Kurt Lindenthal (Olmützer Gasse) zum 97. in Jettingen-Scheppach; 21. März Erich Röttel (Feldgasse) zum 82. in Büttelborn; Anna Binanzer/Kleibl (Wallgasse) zum 85. In Fellbach und Erhard Ernet (Müglitzer Gasse) zum 92. in Frankfurt; 22. März Margarete Geyer/ Steiger (Müglitzer Gasse) zum 90. in Aichtal-Grötzingen; 23. März Horst-Alfred Schenk (Wallgasse) zum 83. in Heidelberg und Anton Bartel (Herrengasse) zum 88. in Groß-Zimmern; 24. März Waltraud Faßbender/Schötta (Müglitzer Gasse) zum 81. in Wolfhagen und Margit Schultheiß/Anderlitschka (Sternberger Gasse) zum 87. in Limburg; 25. März Dieter Nowak (Schönberger Gasse) zum 82. in Paunzhausen; 26. März Wolfgang Hejny (Flurgasse) zum 79. in Idstein; 27. März Brigitte Walter/Illing (Müglitzer Gasse) zum 84. in Büttelborn; 31. März Gerlinde Arnold/ Langer (Sternberger Gasse) zum 89. in Riedstadt. Sigrid Lichtenthäler Ortsbetreuerin
STERNBERGER HEIMAT-POST
Sudetendeutsche Zeitung Folge 7 | 16. 2. 2024
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Mährisch Neustädter Industrie
Die Zeit kehrt zurück Zu den Firmen, die in Mährisch Neustadt bis zum Jahre 1940 existierten, zählte auch die Familienfirma Rudolf Thöndel, die Turmuhren herstellte. Die Turmuhren dieser Firma hatten einen sehr guten Ruf, und deshalb bestellte Anfang der 1930er Jahre die Stadtverwaltung Mährisch Neustadt für das Rathaus bei ihr eine neue Turmuhr. Diese Uhr war für die damalige Zeit technisch hochmodern. Sie zog sich elek-
trisch auf und hatte vier beleuchtete Ziffernblätter aus Glas. Die Uhr, 1932 hergestellt, wurde wegen der guten Sichtbarkeit über der Galerie des Rathausturmes installiert und war eine der letzten, die die Firma Thöndel herstellte.
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ie Uhr am Mährisch Neustädter Rathausturm funktionierte bis zur Jahreswende 1979/1980. Dann erst wurde ein neues mechanisches Uhrwerk mit elektrischem Aufzug eingesetzt. Das ursprüngliche Originalwerk blieb nach der Demontage bis 1991 im Rathausturm, dann wurde es einem Museum in Prag ausgelie-
hen. In dem Ausleihvertrag stand, daß das Werk nicht nur erhalten bleibt, sondern auch nach Anforderung wieder nach Mährisch Neustadt zurückkehrt. Das war 2011 der Fall. Nach einer Generalüberholung wurde es in einem großen VitrinenSchrank im Mährisch Neustädter Rathausturm ausgestellt. Nicht mehr als Zeitmesser, aber als Zeuge geschickter Mährisch Neustädter Uhrmachermeister. Nun etwas zur Geschichte der Uhrenfabrik, die Angaben erhielt ich vom Urenkel des Gründers: Der Uhrmacher Eduard Thöndel gründete 1847 im Alter von 25 Jahren in Mährisch Neustadt ein Geschäft für Fahrräder, Nähmaschinen und Uhren. Die Nähmaschinen und Fahrräder wurden nicht von ihm selbst produziert, aber alle konnten in seiner Werkstatt repariert werden. Schon bald jedoch befaßte sich Eduard Thöndel auch mit der Herstellung von Turmuhren. Aber erst sein Sohn Rudolf intensivierte die Turmuhrenfabrikation und machte sein Unternehmen in der damaligen österreich-ungarischen Monarchie bekannt. In seinem Uhrengeschäft verkaufte er die üblichen Taschenuhren und die als Großuhren bezeichneten Wecker, Küchenuhren und Wanduhren, die aber sämtlich von der Uhrenfabrik Tessarsch in Brünn bezogen wurden. Im Laufe der Zeit entwickelte sich zwischen den beiden Firmen ein enges geschäftliches Verhältnis. Vermutlich lieferte die Firma Tessarsch das rohe Uhrwerk nach
Vorgaben der Firma Thöndel, das dann in Mährisch Neustadt komplettiert wurde. Thöndel stellte das Ziffernblatt mit den Zeigern, das Schlagwerk und das Pendel her, das dann mit dem Uhrwerk in das maßstabgerechte Gehäuse eingebaut wurde. Daß es ein Uhrwerk der Firma Tessarsch war, erkennt man daran, daß es einen Federwerksantrieb hat, den die Firma Tessarsch produzierte. Das Gehäuse stellte vermutlich die Tischlerei Havran in der Schönberger Gasse her, die auch staubdichte Schränke für die Turmuhren der Firma Thöndel lieferte. Neben etlichen Verzierungen hatte das Gehäuse eine Glastür mit Blick auf das schwingende Pendel. Alle acht Tage mußte die Uhr mit einer kleinen Kurbel aufgezogen werden, die am Boden des Gehäuses lag. Pendeluhren der Firma Thöndel wurden nur in einer kleinen Stückzahl hergestellt. L. Hrdlicka Aus dem „Mährisch Neustädter Berichterstatter“, L. Hrdlikka, übersetzt und leicht gekürzt von Sigrid Lichtenthäler.
Das Uhrwerk des Rathauses Hohenstadt an der March/ Zábřeh wurde 1927 von der Firma Thöndel gefertigt. Die aufwendige Generalreparatur wurde mit mehr als 500 Photos dokumentiert. Unten ein Detail, auf dem man Firmenname und Herstellungsort lesen kann. Bilder: https://www.rajce.idnes.cz/
Mit dieser Anzeige warb die Firma Rudolf Thöndel für ihre Turm-, Gebäude- und elektrischen Uhren, die als „preisgekrönt“ bezeichnet werden. Bild: wikipedia.de
Brandbekämpfung in Mährisch Neustadt
Im Wandel der Zeit
Skilaufen – früher und heute
Ohne Tank und ohne Leiter Auch Mährisch Neustadt erlebte jahrhundertelang immer wieder verheerende Feuersbrünste, denen ganze Stadtteile und auch die Pfarrkirche und das Rathaus zum Opfer fielen. Es berichtete darüber ausführlich Dr. Kux.
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Bild: Luděk Brhel/www.deutsch.radio.cz
Ende Januar kam ich mit meinem Mann vom Skiurlaub aus dem Allgäu zurück und las dann von Alfred Langer einen Bericht über seine Erlebnisse beim Skilaufen in der alten Heimat. So kam es zu dem heutigen Bericht.
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eute ist das Skifahren technisch ausgefeilt; die Menschen können auf gut präparierten Hängen ohne großen Aufwand herunterfahren. Früher scheint es eine mühevolle und mehr mit der Natur verbundene Angelegenheit von Idealisten gewesen zu sein. Alfred Langer schrieb, daß seine erste Skiausrüstung aus Ski, Bindung, Stöcken und Tellern bestand, deren Teile erst einmal zusammenmontiert werden mußten. Auch passende Skikleidung gab es früher nicht; Hose, Pullover und Fingerhandschuhe reichten. Auch gab es keine besonderen Schuhe – nur hohe mußten es sein. Die Bindung
Die Turmuhr in Nadesch wurde 1914 zum Preis von 1500 Goldkronen erworben. Bild: Horst Kloos/ www.siebenbuergen.de
bestand aus Lederriemen, die angepaßt wurden und die sich mit der Zeit dehnten, weshalb ein öfteres Nachstellen notwendig war. Kabelzugbindungen gab es erst ab 1938, Sicherheitsbindungen waren unbekannt. Eine Abfahrt auf einer „Übungswiese“ wagte man als Anfänger in der Regel erst dann, wenn die Strecke vor einem frei war. Sah man aber plötzlich einen Skiläufer, so gab man durch lautes Rufen seine Unsicherheit bekannt. Man fuhr auf der Übungswiese, schmale Wege in der Nähe galten schon als Mutprobe; erst mit der Zeit lernte man das Kurvenfahren mit Stemmbogen. Bei Skiausflügen ins Altvatergebirge waren Skilifte unbekannt. Nach mühevollem Aufstieg ließ man sich bei der Abfahrt bei einem erforderlichen Halt einfach bewußt fallen. Das Schutzhaus am Roten Berg war eine beliebte Unterkunft, und
war es einmal geschlossen, mußte man über die Ho- Auch heute noch ist das Altvatergebirge bei Skihe Heide zur Schä- fahrern beliebt und bietet neun Pisten mit insgeferei. Später, als es samt 4,8 Kilometern Pistenlänge. Bild: www.snowpage.de Schlepplifte gab, fuhr man über vereiste Hänge und Buckelpisten. denkt deshalb gerne an das SkiHeute hat man technisch gu- laufen in der alten Heimat zute Ski mit Sicherheitsbindung rück, das für ihn fast paradiesisch und schwere Schnallenskischu- war. Man brauchte sich nirgends he, mit denen man sich zum na- anzustellen, mußte keine Unterhe gelegenen Skilift begibt oder kunft buchen und konnte sich an mit einer Seilbahn ins Skigebiet der herrlichen Winterbergwelt gebracht wird, wo man Pisten erfreuen. Lediglich beim Langvorfindet, auf denen der Schnee lauf könne man heute noch eininiedergewalzt wurde. Buckelpi- germaßen ungestört die winterlisten werden meist geebnet, und che Natur genießen. die Pisten sind mit drei verschieSein Fazit: das heutige, mühedenen Schwierigkeitsgraden an- losere Skilaufen ohne anstrengelegt (blau, rot, schwarz), die gende Aufstiege auf gut präpameist ungefährlich breite Skiau- rierten Pisten hat leider auch seitobahnen sind. nen Preis! Mit dem Massenbetrieb am Es grüßt Euch mit diesen Skihang, den Alfred Langer spä- Skierlebnissen von früher und ter auch kennenlernte, konn- heute die „moderne“ Skiläuferin te er sich nicht anfreunden und Sigrid Lichtenthäler
aß sich Brände heftig ausbreiten konnten, lag an den eng aneinander gebauten Häusern mit Schindeldächern und den unzulänglichen Löschgeräten. Deshalb regte 1867 Bürgermeister Daubrawa an, eine „Freiwillige Feuerwehr“ ins Leben zu rufen; das war der Beginn einer wirksamen Brandbekämpfung. Im Dezember 1868 entstand der Verein „Freiwillige Feuerwehr“, der sehr aktiv war. Die Feuerwehrleute fingen ihre Arbeit mit einer Handspritze ohne Tank und ohne Leitern an, innerhalb von zehn Jahren vervollständigten sie ihre Ausrüstung, 1881 richtete man am Rathausturm eine Feuerwache ein und baute ein Spritzenhaus hinter der Schießstatt im Stadtpark. 1895 war die Freiwillige Feuerwehr gut organisiert, ausreichend ausgestattet und hatte 100 Mitglieder. Alles lief gut geordnet bis zum Ausbruch des Krieges. Dann hatten regelmäßige Musterungen zur Folge, daß sich die Reihen der Feuerwehrleute lichteten und man nicht mehr wirksam gegen Brände vorgehen konnte. Deshalb ergriff 1916 der örtliche Polizeiverein die Initiative, hielt Wache, rief Feuerwehrleute zum Einsatz und half auch selbst beim Löschen. 1921 schaffte sich der Verein eine motorbetriebene Feu-
erspritze (siehe Bild) an, die von einer Zapfstelle, meist einem Brunnen, Wasser mit einem Schlauch zum Brandplatz pumpte. In der Vorstadt gab es Feuergräben für eine Wasserentnahme, die auch aus dem Mühlbach oder der Oskawa möglich war. Ein Feuergraben war ein kanalisiertes Bächlein, das bei der Zuckerfabrik vom Mühlgraben abgezweigt wurde. Ab hier floß das Bächlein unterirdisch in Richtung Theoderichstraße und weiter durch Felder zum Schlachthof. Von dort bog das Wässerchen links ab, um hinter der Wallgasse und dem Kino offen zur Kudlichstraße zu fließen, von wo es regelmäßig kontrolliert wurde. An der Kreuzung Olmützer Gasse floß das Wasser des Feuergrabens anfangs direkt in den Mühlgraben, der aber Anfang des 20. Jahrhunderts für den Fischteich gestaut wurde und das Wasser später wieder in den Mühlgraben lief.
1938, nach der Besatzung, änderte sich die Tätigkeit der Feuerwehrleute, und im September 1945 wurde der tschechische Feuerwehrverein gegründet, der an die Tradition des deutschen anknüpfte und das, was der Verein ab dem Jahre 1868 vollbracht hatte, weiterführte.
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Redaktionsschluß: Jeweils der 5. des Erscheinungsmonats. Redaktion: Kathrin Hoffmann, Telefon (0 81 04) 88 80 10, eMail zuckmantel@sudeten.de
Die Vogelwelt des mährisch-schlesischen Gebirges – Teil I
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Lange unerforscht Das erste Vogelgezwitscher ist wieder in den Gärten hörbar und stimmt auf den Frühling ein. Deshalb wollen wir uns etwas genauer mit der heimischen Vogelwelt beschäftigen, die Rechtsanwalt Kollibay in der Zeitschrift „Altvater“, dem Organ des mährisch-schlesischen Sudeten-Gebirgsverein, 1894 beschrieben hat. Rudolf Heider sandte den Bericht ein.
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Mornellregenpfeifer Feldlerche
Grauammer
Goldammer
Braunkehlchen Bilder: www.nabu.de Gartenrotschwanz
Wendehals. Girlitz
ie deutsche ornithologische Wissenschaft hat während der seit etwa zehn Jahren eingetretenen Periode neuen Aufschwunges sich vornehmlich der intensiven Erforschung der heimischen Vogelwelt zugewendet, nachdem man zur Erkenntnis gelangt war, wie unendlich vieles auf diesem Gebiete noch unbekannt ist, wie selbst bei den gewöhnlichsten Vogelarten eingehende Beobachtung die überraschendsten Resultate zu Tage fördert (zum Beispiel die neuerliche Feststellung zweier wohl unterschiedener Lokalformen des gemeinen Stares), wie wenig endlich noch das Dunkel der verschiedenen Erscheinungen in der Vogelwelt, namentlich die horizontale und vertikale Verbreitung der einzelnen Arten, der Vogelzug und anders mehr, geklärt ist. Allenthalben haben sich jetzt Beobachter gefunden, vielfach sind Vereine für Vogelschutz und Vogelkunde entstanden, und belehrt und angeregt durch Fachschriften, durch Mitgliedschaft der großen ornithologischen Gesellschaften sind die einzelnen bemüht, Steinchen zusammenzutragen zu dem großen Bau, welcher dermaleinst die Ornithologie, das Stiefkind unter allen Disziplinen der Naturwissenschaft, als gleichberechtigt neben den anderen erscheinen lassen soll. Zu denjenigen Gebieten, welche vom ornithologischen Standpunkt aus noch heute als terra incognita bezeichnet werden müssen, gehört das mährisch-schlesische Gesenke. Während das Riesengebirge, sowohl auf der schlesischen wie auf der böhmischen Seite, wiederholt von tüchtigen Ornithologen durchforscht worden ist und seine Vogelwelt mit ihren interessanten Erscheinungen, zum Beispiel den alpinen Formen (Mornellregenpfeifer und Alpenflüevogel bzw. Alpenbraunelle), im Allgemeinen als bekannt gelten kann, ist das Gesenke bislang von den Vogelkundigen vernachlässigt worden, ist eine wissenschaftliche Arbeit über seine Vogelwelt bis heut meines Wissens noch nirgends erschienen. Eine dankbare Aufgabe schien es mir darum zu sein, als ich meinen Wohnsitz hier in Neisse genommen hatte, mei-
ne ornithologische Tätigkeit in erster Linie der Erforschung der Vogelwelt des Gesenkes zu widmen, und im Sommer 1892 bot sich mir Gelegenheit, nach dieser Richtung die ersten Schritte zu tun. Wenn ich es nun unternehme, über die Ergebnisse der bisherigen Exkursionen in das Gebirge in diesem Blatte zu berichten, so geschieht dies nicht sowohl wegen des Umfanges oder der Bedeutung dieser in der Tat noch bescheidenen Resultate, als vielmehr um unter den Mitgliedern unseres Vereines bei dem oder jenem Interesse für die Sache zu erwecken, namentlich aber um solche Freunde der Vogelwelt unseres Gebirges, welche etwa bisher selbständig und ohne irgendwelche Beziehungen zu einander oder zu anderen Ornithologen beobachteten und sammelten, deren Forschungsergebnisse also für die wissenschaftliche Ausnützung bis jetzt verloren gingen, um mich zu sammeln und sie für dankenswerte Mitarbeit an der Aufgabe, die ich mir gestellt, zu gewinnen. Seitens der fürstbischöflichen Verwaltung war mir auf Ersuchen in der zuvorkommendsten Weise nicht nur die Genehmigung erteilt worden, die Fürstbischöflichen Waldungen und sonstigen Gelände zu Forschungszwecken zu durchstreifen und dabei vom Schießgewehre Gebrauch zu machen, sondern es waren auch die Forstmeistereien und durch diese das gesamte Forstpersonal angewiesen worden, mir in jeder Weise behilflich zu sein – ein Auftrag, dem auch überall in der bereitwilligsten Weise entsprochen worden ist. Es drängt mich, an dieser Stelle dem Fürstbischöflichen Cameral-Director Linner in Jauernig meinen herzlichsten Dank auszusprechen für das der ornithologischen Wissenschaft durch die erwähnte Erlaubnis und Anordnung bewiesene Interesse. Desgleichen habe ich aufrichtig zu danken den Herren Forstmeister Medritzer in Freiwaldau, Forstmeister Smetaczek in Zuckmantel, Oberför-
ster Nitsche in Thomasdorf, Oberförster Hübner in Lindewiese, Oberförster Steyer in Reihwiesen, Förster König in Adelsdorf und Förster Pohl in Setzdorf. Sie alle sind mir durch Rat und Tat an die Hand gegangen und haben mir zum Teil recht wertvolle Mittheilungen ornithologischen Inhalts zukommen lassen. Nachdem mir weiterhin seitens der k. k. Landesregierung in Troppau in bereitwilliger Weise Dispensation von den Bestimmungen der geltenden Vogelschutzgesetze erteilt worden, konnte ich mit meinen Ausflügen beginnen. Dieselben wurden in den Monaten Juli und August von Ziegenhals aus unternommen. Leider hatte ich mit der Witterung mehrfach Unglück, so daß ich die Touren wiederholt abbrechen mußte. Meine Beobachtungen erstreckten sich daher, abgesehen von verschiedenen Ausflügen in die Vorberge, nur auf die Hochschar, den Kepernik und den rothen Berg, ferner unternahm ich eine Excursion nach Reihwiesen und dem dortigen Moosbruche. Das Gelände der Vorberge bietet im Wesentlichen hinsichtlich der Vogelwelt dasselbe Bild wie die holz- und getreidereiche Ebene. Hier wie dort ist Charaktervogel der Fluren die Feldlerche, auf den Kunststraßen schnurrt vom Telegraphendrahte oder einem Steinhaufen herab die Grauammer ihr eintöniges Lied, während von den Straßenbäumen und am Rande der Feldgehölze die leuchtende Goldammer ihre anmutende Strophe erschallen läßt. In Lindewiese hat der Volksmund den Namen des Vogels in „Goldammel“ verändert, während er in dem preußischschlesischen Vorlande „Golditsch“ oder „Golitschke“ heißt. Man hat
in neuerer Zeit größeres Gewicht auf die Feststellung solcher Volks-, Vulgär- oder Trivialnamen gelegt, und es würde mir von hohem Interesse sein, wenn mir nach dieser Richtung recht umfangreiche Mittheilungen gemacht würden. Die Wiesen werden belebt durch das Krautvögelchen (Braunkehliger Wiesenschmätzer oder Braunkehlchen), in Gebüsch und Gesträuch durch die verschiedenen Grasmückenarten, größere Baumgärten durch den farbenprächtigen Gartenrotschwanz, den im Rufe so langweiligen, aber in seinen Halsverrenkungen umso possierlichen Wendehals und den nimmermüden Schwirrer, den Girlitz. Letzterer Vogel ist trotz seiner Häufigkeit und seines auffallenden, schwirrenden Gesanges noch recht wenig bekannt, weil er ein Einwanderer ist, das heißt ein solcher Vogel, welcher sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet aus dem südlichen Europa immer weiter nach Norden hin ausdehnt und noch zu Anfang dieses Jahrhunderts in unseren Gegenden nicht vorkam; gegenwärtig hat er seine Vorposten schon tief in die Mark Brandenburg hinein vorgeschoben. Der Girlitz gehört zu den Kegelschnäblern oder finkenartigen Vögeln. Er hat etwa die Größe des Zeisigs und ist diesem auch ähnlich gefärbt, nur tritt in seinem Gefieder das leuchtende Gelb verschiedentlich wirkungsvoller hervor. Hier und da hat der Vogel sich schon einen echten Volksnamen erworben, zum Beispiel im Hirschberger Kreis den Namen „Goldhahn“ und im Neustädter Kreise die onomatopoetische Bezeichnung „Nieselzeisig“; dagegen scheinen mir Benennungen wie „Görlitzer“ und „Meerzeisig“ nicht im Volke entstanden, sondern durch den Vogelhandel verbreitet worden zu sein. Fortsetzung folgt
Zuckmantel. Wir gratulieren herzlich allen Landsleuten, die im März Geburtstag feiern und wünschen alles Gute. Zum 99. Else Hoffmann/Hauer (Gattin von Alfred Hoffmann, Gasthaus Edelstein) am 26.; 95. Ernst Schmidt (Fleischerhof 434) am 1.; Johann (Hans) Schön (Hauptstraße 4) am 19., Böhmerwaldstraße 7, 84032 Altdorf; Lothar Kausch (Hauptstraße 54) am 23.; 94. Hans Mosler (Schlegelgasse) am 6.; 93. Kurt Grüner (Rosenthal 17) am 10.; 92. Walter Sperlich (Hauptstraße 74) am 15., Lanertshäuser Straße 1, 34621 Frielendorf; 91. Gusti Freudenberg/ Jahnel (Gaswerkgasse 352) am 3., Walter-Flex-Weg 11, 27753 Delmenhorst; Marga-
rete Knoblich (Hauptstraße 173) am 5.; 90. Christine Patzelt/ Christof (Gattin von Günther Patzelt, Hauptstraße 40) am 6.; Elfriede Galle/Werner (Miserich 552) am 8.; Margarete Ibler/Kutzer (Niederstadt) am 10.; Christa Völkel/Klippel (Gattin von Rudolf Völkel, Ferdinand-Seidel-Straße 288) am 19.; 88. Herbert Seidel (Rosenthal 18) am 30.; 86. Ernestine Snella/ Heinz (Hintergasse 365) am 13.; 82. Reinhard Gerblich (Hintergasse 378) am 22., Im Spargel 2, 97342 Marktsteft; 80. Norbert Schremmer (Hauptstraße 156) am 16.; 79. Gerd Schaepe (Hauptstraße 88) am 17., Reisenthalstraße 3, 85625 Glonn; 78. Roswitha Follner/ Tamme (Miserich 463) am 29. Rudolf Heider
Schuberts mütterliche Wurzeln in Zuckmantel
Klingendes Zuhause E
lisabeth Vietz wurde am 30. Oktober 1756 in der Hauptstraße Nr. 51 in Zuckmantel geboren und wuchs in einer bürgerlichen Familie von Schmieden und Büchsenmachern auf. Das idyllische Städtlein unterhalb der Bischofskoppe wird umringt von den Ausläufern des Altvatergebirges. Gegen Norden öffnet sich die fruchtbare Tiefebene. Das Leben in der kleinen Stadt war geprägt durch den uralten Goldund Silberbergbau, jährliche Aufführungen von Passionsspielen, große Wallfahrten nach Mariahilf und die Poststation an der Strecke Breslau–Olmütz–Wien. Doch während der schlesischen Kriege wurde das ganze Land zum Kriegsschauplatz und die Stadt lag plötzlich an einer toten Grenze. Die ganze Familie Vietz verarmte und zog nach Wien, wo Elisabeth Dienstmädchen und Köchin wurde. Fast ein Jahrzehnt später lernte sie Franz Theodor Schubert kennen, den sie 1785 heiratete. Die beiden brachten keine großen Güter mit. Doch die Volksweisen ihrer Heimat, ihre Lebensart und ihr Gottvertrauen prägten ihre Das Haus in Zuckmantel, in dem Eligroße Kinderschar und sabeth Vi(e)tz 1756 zur Welt kam. klingen in den Werken An selber Stelle erinnert seit 1922 ihres Sohnes Franz an. eine Tafel an Schuberts Mutter. Bilder: Wikipedia, turistika.cz Franz Schubert hat die Heimat seiner Eltern, leider nie besucht. Am 2. Juli 1922 wurde in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste, Vereine und Bürger dieser Stadt an diesemfestlich geschmückten Haus eine Gedenktafel eingeweiht. Bei den Feierlichkeiten hielt der Mundartdichter Viktor Heeger die Festansprache. Der Männerchor sang Franz Schuberts Deutsche Messe. Damals waren die Augen der musikalischen Welt auf Zuckmantel gerichtet.