Präsident Pavel: „Der Drang nach Freiheit läßt sich nicht aufhalten“ (S. 2)
Sudetendeutsche Zeitung Die Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Reicenberger Zeitung HEIMATBOTE
Jahrgang 76 | Folge 42 | 2,80 EUR · 75 CZK | München, 18. Oktober 2024
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Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter bei den Marienbader Gesprächen
Staatssekretärin würdigt Brückenbauer Menschliche Beziehungen seien auch in der Politik die Grundlage für alles weitere, hat Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin des Innern und für Heimat, auf den Marienbader Gesprächen erklärt und damit die Sudetendeutschen als Brückenbauer und Motor in der deutsch-tschechischen Beziehungen gewürdigt.
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Bei den Marienbader Gesprächen: Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter mit den Sudetendeutschen Hans Knapek (links) und Steffen Hörtler. Fotos: Michael Zirpel/Ulrich Miksch
ie SPD-Politikerin erklärte, durch die Osterweiterung vor zwanzig Jahren habe die Europäische Union als Ganzes viel gewonnen. „Die EU-Mitgliedschaft Tschechiens ist die Ba-
sis der deutsch-tschechischen Beziehungen“, sagte Schwarzelühr-Sutter und führte aus, daß dies damit auch für die sudetendeutsch-tschechischen Beziehungen gelte. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion, die von Hans Knapek, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Sudetendeutsches Sozial- und Bildungswerk, moderiert wurde, ging es auch konkret um das Thema Vertreibung und den Umgang Tschechiens mit den Verbrechen an den Sudetendeutschen. Als Vertreter aus der tschechischen Politik sagte der Abgeordnete Šimon Heller: „Die Tradition des Landes wur-
de durch die Vertreibung unterbrochen. Wir sehen heute noch die Tragödie. Das Thema ist lebendig, aber auch mit Angst behaftet.“ „Unrecht muß als Unrecht ausgesprochen werden“, stellte dazu der bayerische Landtagsabgeordnete Bernhard Pohl (Freie Wähler) fest. Steffen Hörtler, stellvertretender Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Landesobmann Bayern, erinnerte daran, daß die Deutsch-Tschechische Erklärung als Grundlage der Nachbarschaftsbeziehungen aus dem Jahr 1997 stammte. Seine rhe-
torische Frage: „Ist es nicht Zeit, für eine neue DeutschTschechische Erklärung?“ Die Marienbader Gespräche des Generalsekretärin Christa Naaß Sudetendeutschen Rates, die zum zehnten Mal von Generalsekretärin Christa Naaß geleitet wurden, standen in diesem Jahr unter dem Motto „Deutschtschechischer Grenzraum – gemeinsamer Entfaltungsraum für Mensch und Natur“. Mehr auf Seite 3
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endeutscheSoZeitung will Tschechien zur führenden HEIMATAUSGABEN IN DIESER ZEITUNG
Regierung von Premierminister Petr Fiala verabschiedet Strategiepaket „Czech Republic to the Top 10“
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Mitteilungsblatt für den früheren Gerichtsbezirk Zuckmantel im Altvatergebirge
Internet-Konzern
Seznam.cz geht nicht an die Börse Der Gründer und alleinige Eigentümer des Internetkonzerns Seznam.cz, Ivo Lukačovič, will mit seinem Unternehmen doch nicht an die Börse gehen. Dies hat der 50jährige Milliardär in einem Beitrag auf der Plattform Patreon mitgeteilt.
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m selben Portal hatte Lukačovič im August einen Artikel veröffentlicht, in dem er über einen Börsengang spekulierte. In Frage käme, so der Firmengründer damals, fünf Prozent der Seznam-Aktien an den Wertpapiermärkten zu veräußern. Im nun veröffentlichten Beitrag schreibt Lukačovič, der mögliche Börsengang sei der „dümmste Einfall“ seines Lebens gewesen. Seznam.cz ist der größte tschechische Internetkonzern. Das Unternehmen betreibt eine Suchmaschine, einen Kartendienst, ein Nachrichtenportal und weitere Plattformen. Laut Forbes ist Lukačovič mit einem Vermögen von 1,3 Milliarden US-Doller der elftreichste Tscheche.
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Tschechien soll in den nächsten Jahren zu den zehn wohlhabendsten Volkswirtschaften der Europäischen Union aufsteigen, so lautet das ambitionierte Ziel der neuen Wirtschaftsstrategie, die das Regierungskabinett von Premierminister Petr Fiala in der vergangenen Woche unter dem Titel „Czech Republic to the Top 10“ verabschiedet hat. Derzeit belegt Tschechien beim sogenannten Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Kaufkraftstandards in der Europäischen Union Platz 15. Deutschland, einst die wirtschaftliche Vorzeigenation in der EU, liegt zwei Plätze hinter Österreich mittlerweile nur auf Rang 7.
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as Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist das Maß für den Erfolg einer Volkswirtschaft. Es ist definiert als Summe aller neu geschaffenen Waren und Dienstleistungen, abzüglich des Wertes aller dabei als Vorleistungen verbrauchten Güter und Dienstleistungen. Um die Wirtschaftskraft international auch von bevölkerungsreichen mit kleinen Staaten vergleichbar zu machen, erfolgt zum einen die Pro-Kopf-Umrechnung, zum anderen werden unterschiedliche Lebenshaltungskosten herausgerechnet, da es beispielweise beim Lebensstandard eine große Rolle spielt, ob man als Bürger den gleichen Euro-Betrag in einer günstigen oder hochpreisigen Region zur Verfügung hat. Dabei wird der Durchschnitt aller 27 EU-Staaten als Indexwert von 100 definiert.
Das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Kaufkraftstandards in Europa hat Luxemburg mit einem Wert von 239. Es folgen Irland (211) und die NichtEU-Staaten Norwegen (173), Schweiz (154) und Island (134). Während Österreich mit 123 und Deutschland mit 115 über dem EU-Durchschnitt liegen, beträgt der Indexwert für Tschechien derzeit nur 91. Am Ende der Tabelle befinden sich übrigens die Nicht-EU-Staaten Montenegro (52), Serbien (46), Nordmazedonien (41), Albanien (35) sowie Bosnien und Herzegowina (35). Das jetzt von der tschechischen Regierung verabschiedete Strategiepaket sei, so Premierminister Petr Fiala, „eine Antwort auf die Herausforderungen, mit denen die tschechische Wirtschaft derzeit konfrontiert ist“, und enthalte „eine Reihe von Maßnahmen zur Erreichung eines höheren langfristigen und nachhaltigen Wachstums der tschechischen Wirtschaft auf der Grundlage von Wettbewerbsfähigkeit und hoher Wertschöpfung“. Insgesamt umfaßt das Strategiepaket mehr als 150 Maßnahmen. „Wir werden uns insbesondere auf die Entwicklung moderner Industrien mit hoher Wertschöpfung konzentrieren, wie zum Beispiel moderne Halbleiter oder saubere Mobilität“, erklärt der neue Industrie- und Handelsminister Lukáš Vlček, dessen Ressort für die Umsetzung zuständig ist. Neben dem Ausbau der Atom-
Premierminister Petr Fiala begrüßt seinen neuen Industrie- und Handelsminister Lukáš Vlček, der für die Umsetzung der Wirtschaftsstrategie „Czech Republic to the Top 10“ verantwortlich ist. Fotos: Vláda ČR kraft als sichere Grundlastquelle mit neuen Reaktorblöcken an den Standorten Dukowan und Temelin sowie der Entwicklung kleiner Reaktoren für die regionale Versorgung setzt Prag auf Biotechnologie, Pharmazeutika und Verteidigungstechnik. Als Schlüssel gilt dabei die eigene Produktion von Microchips. Ziel sei es, die Größe des Halbleitersektors in der Tschechischen Republik bis 2029 zu verdreifachen. In der Regierungserklärung
heißt es dazu: „Derzeit beschäftigt der Sektor in der Tschechischen Republik rund 3250 Menschen und erwirtschaftet einen Umsatz von 34,25 Milliarden CZK. Mit der geplanten Verdreifachung der Halbleiterproduktion wird die Tschechische Republik einen Beitrag zur Verpflichtung der EU leisten, die Produktion von High-End-Halbleitern in der Europäischen Union bis 2030 auf zwanzig Prozent des Wertes der weltweiten Pro-
duktion zu steigern.“ Tschechien setze dabei auch auf die Zusammenarbeit mit taiwanesischen Partnern, die an der Realisierung einer künftigen Chipfabrik in Sachsen beteiligt sein werden, so Vlček: „Wir arbeiten daran, daß ein möglichst großer Teil der Lieferkette in der Tschechischen Republik angesiedelt wird.“ Im Rahmen der Halbleiterstrategie wird ein nationales Kompetenzzentrum aufgebaut, daß bereits im ersten Halbjahr 2025 in Betrieb geht. Und noch in diesem Jahr wird bei CzechInvest eine Arbeitsgruppe damit beginnen, ausländische Investoren anzusprechen und Tschechien als Produktionsstandort für MicroChip-Standort anzubieten. Im Dezember wird zudem der erste öffentliche Wettbewerb ausgeschrieben, der sich mit der Anwendung von Künstlicher Intelligenz auf Geschäftsprozesse befaßt. Das Ministerium unterstützt auch die Einführung von 5G-Netzen, insbesondere in Industriegebieten und Verkehrsinfrastrukturen. So werden beispielsweise in der Region Pilsen autonome Verkehrssysteme getestet, die das 5G-Netz nutzen, und in der Region Karlsbad sind ähnliche Investitionen geplant. Damit nicht genug. „Außerdem können wir im Bereich der Elektromobilität dank dieser Investitionen die gesamte Lieferkette aufbauen, von der Herstellung der Batterien bis zur Endmontage der Fahrzeuge“, kündigt Minister Vlček an. Torsten Fricke
Vor allem Bewohner der Altstadt waren gegen die allnächtlichen Ruhestörungen auf die Barrikaden gegangen
Prag verbietet organisierte Kneipentouren Organisierte Pub Crawls, also das „Kriechen“ zu später Stunde von Kneipe zu Kneipe, werden in Prag verboten, hat der Stadtrat am Montag entschieden.
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er Grund sind die zunehmenden Beschwerden vor allem von Anwohnern in der Altstadt über die allnächtlichen Ru-
hestörungen durch alkoholisierte Gruppen. Wie schnell die Promillepegel steigen, zeigt das Angebot einer Agentur im Internet. Dort kostet die Tour 30 Euro, und in der ersten Kneipe sind zwei Stunden lang Bier, Wein, Vodka und andere alkoholische Getränke unter dem Motto „All you can
drink“ im Preis inbegriffen. In den weiteren Pubs gibt es dann jeweils einen Begrüßungsschaps auf Kosten des Hauses. Durch eine Änderung der Handelsordnung werden nun alle Dienstleistungen im Gehen, zu denen Pub Crawls gezählt werden, untersagt. Ausgenommen sind klassische Touristenführun-
gen für Gruppen oder Einzelpersonen zwischen 6 Uhr und 22 Uhr. Die Verordnung soll Ende Oktober in Kraft treten. Die Pub Crawls sind ein Ausfluß des Übertourismus, unter dem auch Prag leidet. Mittlerweile drängeln sich mehr Touristen durch die Altstadt und über die Karlsbrücke zur Burg als vor
Corona. Experten warnen bereits vor einem baldigen Kippunkt. So leiden die Einheimischen immer stärker unter Airbnb und anderen Ferienwohnungsvermittlern im Internet, die zur Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt werden. Auch hier plant die Regierung weitere Gegenmaßnahmen.
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AUS UNSEREM PRAGER BÜRO
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eter Barton, Leiter des Prager Sudetendeutschen Büros, freut sich auf jede Begegnung mit Vertretern der heimatverbliebenen Deutschen in der Tschechischen Republik. Diesmal führte ihn sein Mitarbeiter Wilhelm Simeon als echter Kenner des Egerlandes nach Wildstein, wo bereits seine Großmutter Mitglied des Kulturverbandes der Deutschen war. Der Kulturverband Wildstein kümmert sich in diesem Ort schon seit einem halben Jahrhundert um die Anliegen und Bedürfnisse unserer Landsleute und hat inzwischen auch Mitglieder von der anderen Seite der Grenze dazu gewonnen. Der neue Vorsitzende der Wildsteiner Ortsgruppe, Franz
Hacker-Angriff auf Prague Defence
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Zima, weiß, was dabei zu tun ist, zumal dieser Verein früher von seiner Mutter geführt wurde. Heute wächst die Gemeinde und wird immer attraktiver. Der Kulturverband Wildstein beteiligte sich auch an der Renovie-
rung der künstlerisch wertvollen Kirche St. Sebastian, ein ursprünglich gotischer Bau aus dem 14. Jahrhundert, und dem Erhalt des umliegenden Friedhofs mit Grabsteinen im Stil der Spätrenaissance und des Frühbarocks, die bis ins 17. Jahr-
hundert zurückreichen. SL-Büroleiter Peter Barton verabschiedete sich an diesem Nachmittag zuversichtlich, daß die Ortsgruppe auch in Zukunft aktiv und lebendig für das schöne Egerland bleiben wird.
Staatspräsident Petr Pavel fordert auf dem Forum 2000 mehr Engagement für die Demokratie
„Der Drang nach Freiheit läßt sich nicht aufhalten“
Mahnende Worte des tschechischen Staatsoberhauptes Petr Pavel auf der Konferenz Forum 2000 in Prag: „Wir haben es mit zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung und der Verbreitung von Desinformation zu tun, die unseren Zusammenhalt untergräbt.“
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ie Demokratien würden „ihr Potential zur Selbstverteidigung“ nicht voll ausnutzen, während autoritäre Regime ein gemeinsames Interesse daran hätten, „internationale Regeln aufzuweichen und inländische Kritiker zu unterdrücken“, sagte Präsident Pavel zum Auftakt der renommierten Konferenz für Menschenrechte und Demokratie, die von Sonntag bis Dienstag zum 28. Mal stattfand. Die Konferenz Forum 2000 wurde 1996 vom damaligen Präsidenten Václav Havel, dem japanischen Philanthropen Yohei Sasakawa und dem HolocaustÜberlebenden Elie Wiesel ins Leben gerufen. Unter den Teilnehmern waren der Dalai Lama, Bill Clinton, Henry Kissinger, Madeleine Albright, Shimon Peres und Nicholas Winton, der jüdische Kinder vor den Gaskammern der Nazis gerettet hatte. Vor zwei Jahren hatte auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock an der Konferenz teilgenommen und dabei mit dem Nachsatz zu ihrem Versprechen, die Ukraine „so lange wie nötig“ zu unterstützen, für heftigen Wirbel in Deutschland gesorgt. „No matter what my german voters think“ („Egal, was meine deutschen Wähler denken“), hatte die Grüne damals in Prag erklärt. In diesem Jahr zählten unter anderem Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa, der russische Putin-Gegner Wladimir KaraMursa und die ehemalige Präsidentin Taiwans, Tsai Ing-wen, zu den Gästen. Wałęsa, Gründer der legendären Gewerkschaft Solidarność und von 1990 bis 1995 Staats-
Hielt ein Plädoyer für Demokratie und Menschenrecht: Tschechiens Staatspräsident Petr Pavel bei seiner Rede auf der internationalen Konferenz „Forum 2000“ in Prag.
Gründeten 1996 das Forum 2000 als internationale Konferenz für Demokratie und Menschenrechte (von links): Staatspräsident Václav Havel, Philanthrop Yohei Sasakawa und Holocaust-Überlebender Elie Wiesel. Verantwortung ihre Wahlentscheidung treffen werden“, sagte der 81jährige. Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa mit dem ehemaKara-Murligen US-Botschafter in Moskau, Prof. Michael McFaul. sa erklärte, der Fotos: X/McFaul, Wikipedia, WEF, Forum2000 einzige Weg zu einem gepräsident von Polen, blickte in einten Europa in Freiheit und seinem Statement kritisch nach Frieden führe über ein demoAmerika und warnte, ein Wahl- kratisches Rußland. Er habe keisieg von Donald Trump werde für ne Zweifel, daß dieser Umbruch die USA und die gesamte Welt in Moskau eines Tages kommen ein großes Unglück sein. „Ich bin werde. aber der festen Überzeugung, Auch Tsai Ing-wen gab sich daß die Amerikaner mit großer optimistisch: „Jetzt unter Ihnen
zu sein bestärkt meinen Glauben in die Werte der Demokratie.“ Dagegen warnte der renommierte Kolumnist Walter Russel Mead: „Seit den 1940er Jahren war die Gefahr für die Demokratie noch nie so groß. Und seit den 1930er Jahren hat die Welt nicht mehr so dicht vor einem globalen Konflikt gestanden.“ Die Demokratie zu verteidigen sei zwar keine leichte Aufgabe. Man brauche dafür starke Institutionen und eine starke Regierung, sagte Präsident Pavel, stellte aber fest: „Der Drang nach Freiheit läßt sich nicht aufhalten.“ Torsten Fricke
Internationaler Preis für Mut und Verantwortung der Konferenz Forum 2000
Sorge um Rocío San Miguel Mit dem Internationalen Preis für Mut und Verantwortung der Konferenz Forum 2000 ist in Prag die Menschenrechtsanwältin Rocío San Miguel aus Venezuela in Abwesenheit ausgezeichnet worden.
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ie couragierte Frau war am 9. Februar 2024 am Flughafen von Caracas willkürlich fest-
genommen worden. „Auch ihre Tochter und andere Familienmitglieder wurden vorübergehend festgesetzt. Rocío San Miguel und ihr ehemaliger Lebensgefährte sind weiterhin willkürlich inhaftiert. Ihnen werden mehrere mutmaßliche Straftaten vorgeworfen. Der Zugang zu Rechtsbeiständen ihres Vertrauens wird ihnen verwehrt“, berichtet die
Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Mit der Auszeichnung in Prag soll auf das Schicksal von San Miguel aufmerksam gemacht und international Druck auf den autokratischen Präsidenten Nicolás Maduro aufgebaut werden, der seit 2014 herrscht und dabei die Opposition weitestgehend ausgeschaltet hat.
Willkürlich in Haft: Menschenrechtsanwältin Rocío San Miguel.
ie Sicherheitskonferenz Prague Defence Summit, die im November in der tschechischen Hauptstadt stattfindet, ist Ziel eines Phishing-Angriffs geworden, hat am Montag das Nationale Amt für Cyber- und Informationssicherheit (NÚKIB) berichtet. Der Behörde zufolge war das Ziel der Hackerangriffe, geheimdienstlich relevante Informationen abzufangen, wozu auch die Daten der Konferenzteilnehmer gehören. Zu dem Treffen werden ausländische Regierungsvertreter, Nato-Generale und Vertreter der Rüstungsindustrie erwartet.
Razzia bei Prager Verkehrsbetrieben
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rmittler der Polizeizentrale zur Bekämpfung organisierter Kriminalität (NCOZ) haben am Montagmorgen eine Razzia bei den Prager Verkehrsbetrieben (DPP) durchgeführt. Die Prager Oberstaatsanwaltschaft teilte mit, die Polizei ermittle gegen 13 Personen wegen Bestechung und Betrugs bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Medienberichten zufolge geht es bei den Ermittlungen unter anderem um den Auftrag für ein Sicherungssystem in der Metro. Der Fall liege rund 15 Jahre zurück, hieß es. Laut dem Nachrichtenportal iDnes.cz ereignete sich der Zugriff am Montag während der Vorstandssitzung der Verkehrsbetriebe. Der Generaldirektor Petr Witowski, der Personalchef Jiří Špička und das Vorstandsmitglied Marek Kopřiva sollen iDnes zufolge abgeführt worden sein. Prags Verkehrsbürgermeister, Zdeněk Hřib (Piraten), forderte umgehend Witowskis Rücktritt. Sollte der Generaldirektor seinen Posten nicht selbst räumen wollen, werde er ihn abberufen lassen, so Hřib.
Pferderennen mit zwei Siegern
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as hat es in der 150jährigen Geschichte des Rennens noch nicht gegeben: Bei der Velká pardubická, die als eines der schwierigsten Pferderennen der Welt gilt, überquerten am Sonntag zwei Pferde zeitgleich
die Ziellinie. Den Schiedsrichtern zufolge liefen das Pferd Sexy Lord mit Reiter Jaroslav Myška und Godfrey mit Jan Faltejsek zeitgleich ins Ziel ein. Zu der ungewöhnlichen Situation kam es, da die Zielkamera ausgefallen war und anhand externer Videoaufnahmen kein eindeutiger Sieger bestimmt werden konnte. Das Preisgeld für den ersten und zweiten Platz von 59 000 Euro beziehungsweise 39 000 Euro wird jetzt auf die beiden Besitzer aufgeteilt.
Diäten sollen um 6,9 Prozent steigen
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er tschechische Minister für Arbeit und Soziales, Marian Jurečka, schlägt für kommendes Jahr eine Diätenerhöhung von 6,9 Prozent vor. Damit sollen die Löhne für die derzeit streikenden Richter und Staatsanwälte in gleichem Tempo anwachsen wie für Politiker und Vertreter anderer Verfassungsorgane im Land. Ursprünglich war vorgesehen, das Einkommen für Politiker um fast 14 Prozent anzuheben. Das hatte die Kritik von Opposition und Gewerkschaften hervorgerufen. Für Staatsbedienstete hatte die Regierung bereits ein Gehaltsplus von 6,8 Prozent beschlossen. Das durchschnittliche Bruttogehalt in Tschechien lag im zweiten Quartal dieses Jahres laut Statistikamt (ČSÚ) bei 45 854 Kronen (1811 Euro).
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Müllsammler im Riesengebirge
m Rahmen einer Aktionswoche unter dem Motto „Čisté Krkonoše“ (Sauberes Riesengebirge) wurden vergangene Woche im Riesengebirge drei Tonnen Abfall eingesammelt. Neben den Nationalparkwächtern beteiligten sich auch 200 freiwillige Helfer an der Aktion. Einem Sprecher des Nationalparks zufolge wurde auch eine alte Müllhalde an der Elbbaude beseitigt. Diese Aufräumaktionen finden zweimal im Jahr statt. Hinzu kommen Aufklärungskampagnen – offenbar mit Erfolg. Für die meisten Wanderer sei es heute selbstverständlich, den mitgebrachten Müll wieder mitzunehmen, so der Direktor der Nationalparkverwaltung, Robin Böhnisch.
Sudetendeutsche Zeitung ISSN 0491-4546 Erscheint wöchentlich freitags. Redaktionsschluß Veranstaltungstermine: Freitag 18.00 Uhr. Redaktionsschluß Montag 18.00 Uhr. Chefredaktion und verantwortlich für den Inhalt: Torsten Fricke, Nadira Hurnaus. Kulturredaktion: Susanne Habel. Korrespondent in Prag: Dr. Jaroslav Šonka; Korrespondentin in Teplitz-Schönau: Jutta Benešová; Korrespondenten im Isergebirge: Petra Laurin; Korrespondent in Berlin: Ulrich Miksch. Ständige Mitarbeit: Peter Barton, Markus Bauer, Josef Grimm, Professor Dr. Rudolf Grulich, Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Kathrin Hoffmann, Peter Pawlik, Karl Reitmeier, Hildegard Schuster, Lexa Wessel. Anschrift für alle: Hochstraße 8, 81669 München. Redaktion: eMail zeitung@sudeten.de; Verlag: Telefon (0 89) 48 00 03 80, eMail svg@sudeten.de. Jahres-Abonnement 2023 Inland als Postvertriebsstück im Lastschriftverfahren 125,00 EUR einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer. Ausland 154,00 EUR, Luftpost auf Anfrage. Reichenberger Zeitung (24 Ausgaben jährlich) 62,50 EUR, Neudeker Heimatbrief oder einer der Regionalblöcke (Block 1 – Aussiger Bote, Leitmeritzer Heimatbote; Block 2 – Elbogener Heimatbrief, Falkenauer Heimatbrief, Karlsbader Heimatzeitung/Karlsbader Badeblatt, Luditzer Heimatbrief, Der Egerländer, Egerer Zeitung; Block 3 – Isergebirgs-Rundschau, Sternberger Heimat, Zuckmantler Heimatbrief; Block 4 – Riesengebirgsheimat) (12 Ausgaben jährlich) 31,25 EUR. Je Rechnung 2,00 EUR Aufschlag. Bankverbindung: Postbank München – IBAN: DE13 7001 0080 0005 7278 08, BIC: PBNKDEFF; Abbestellungen mit einer Frist von vier Wochen zum Vierteljahresschluß schriftlich an den Verlag. Anzeigenpreisliste Nr. 13 vom 1. Januar 2021; Anzeigengestaltung erst nach Auftrag. © 2023 Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft. Diese Zeitung ist mit allen Texten und Bildern urheberrechtlich geschützt. Nachdruck, Vervielfältigung und Verwertung – insbesondere auch Weitergabe in Form von Kopien oder Einstellen ins Internet – sind ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar, soweit sich aus dem Urheberrecht nichts anderes ergibt. Mit vollem Namen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder der Sudetendeutschen Landsmannschaft wieder. Gerichtsstand und Erfüllungsort München. Kein Entschädigungsanspruch bei Nichterscheinen oder Nichtlieferung infolge Streik oder höherer Gewalt. Keine Gewähr für nicht angeforderte Manuskripte, Bilder, Dokumente, Datenträger und Daten. Alle datenschutzrechtlichen Vorschriften werden beachtet; Einzelheiten unter www.sudeten.de Sudetendeutsche Verlagsgesellschaft mbH, HRB München 3796. Geschäftsführer und verantwortlich für Anzeigen: Torsten Fricke. Alleiniger Anteilseigner: Sudetendeutsche Landsmannschaft, Hochstraße 8, 81669 München. Druck und Versand: Presse-Druck- und Verlags-GmbH, 86167 Augsburg.
Dieses Projekt wird aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.
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Deutscher Botschafter Andreas Künne analysiert auf den Marienbader Gesprächen die Entwicklung der deutsch-tschechischen Beziehungen
Vieles war vor Jahren noch undenkbar
Zum Auftakt der Marienbader Gespräche hat Botschafter Andreas Künne den Stand der deutsch-tschechischen Beziehungen dargelegt. Der erfahrene Diplomat leitet seit August 2021 die deutsche Vertretung in Prag und hat seitdem an allen Marienbader Gesprächen des Sudetendeutschen Rats teilgenommen.
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otschafter Künne erinnerte im Reigen der vielen Jubiläen an zwei äußerst wichtige für die deutsch-tschechischen Beziehungen. Vor 50 Jahren wurden als Abschluß der Entspannungspolitik die diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der kommunistischen Tschechoslowakei aufgenommen. Sie ermöglichte die Verabschiedung der Schlußakte von Helsinki 1975, in deren Fernwirkung auch die Charta 77 möglich wurde. Vor 35 Jahren sei dann die deutsche Botschaft im Palais Lobkowitz mit Tausenden DDRFlüchtlingen vollgelaufen und der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher habe seinen legendären, nicht vollendeten Satz auf dem Balkon der Botschaft gesprochen, der im Jubel der Flüchtlinge unterging. Man habe darum erst vor einer Woche ein großes Fest der Freiheit gefeiert, zu dem viele damalige Botschaftsflüchtlinge kamen, 6000 Gäste habe die Botschaft zum Fest begrüßen können, aber am Vormittag auch 2000 tschechische Schüler aus dem ganzen Land, die sich per Internet anmelden konnten. Nach zehn Minuten waren alle Plätze vergeben. Das sei ein schöner Beleg, daß Deutschland in der jüngeren Generation auf viel Interesse stoße. Viele tschechische Bürger erinnerten daran, daß die Tausenden DDR-Flüchtlinge in Prag und natürlich dann auch die Öffnung der tschechischen Grenze zur Bundesrepublik für sie Zeichen waren, daß das kommunistische Regime am Ende war und der Mauerfall nur eine Frage der Zeit. Künne beschrieb die Erfolgsgeschichte der Tschechischen Republik seitdem. Mit dem EUBeitritt sei die Tschechische Republik zum erfolgreichsten Land der 2004 beigetretenen Länder geworden. Prag gehöre zu den reichsten Regionen der EU. Doch habe Tschechien auch Defizite gerade in den Grenzregionen, dem Thema der Marienbader Gespräche. Besonders in
der Karlsbader und der Aussiger Region sei die Entwicklung enttäuschend verlaufen. Der Strukturwandel in den noch immer als „Mondlandschaften“ verschrienen Gebieten dort, verbunden mit nicht konsequenter Nutzung von EU-Mitteln, wie auch die tschechische Regierung einräume, produziere Armut, teilweise Perspektivlosigkeit und Frustrationen, die sich auch bei den Wahlen in Tschechien in über 50 Prozent Wähleranteilen für populistische Parteien niederschlügen. Eine Rolle für die problematische Entwicklung liege sicher auch darin, daß es sich um die
bei Reichenberg, wo auch die politische Entwicklung ermutige. Als Künne im August 2021 Botschafter in Tschechien wurde, regierte MiniBotschafter Andreas Künne analysiert die deutsch- sterpräsident tschechischen Beziehungen. Auf dem Podium: SL-Lan- Andrej Babiš, Staatsdesobmann Steffen Hörtler und Christa Naaß, General- und sekretärin des Sudetendeutschen Rates und Gastgebe- präsident war rin der Marienbader Gespräche. Foto: Ulrich Miksch Miloš Zeman. Man sprach ehemaligen Sudetengebiete han- im deutsch-tschechischen Ausdele. Einzige Ausnahme sei da- tausch nur über Gemeinsamkei-
Botschafter Andreas Künne und Regionalhauptmann Martin Půta eröffnen Ausstellung
Deutsche Kunst in Reichenberg Rosa Loy und Neo Rauch gehören als prominente Vertreter der Neuen Leipziger Schule zu den bedeutendsten europäischen Künstlern der Gegenwart.
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nter dem Titel „Verwobene Spähren“ zeigt das Museum der schönen Künste in Reichenberg bis zum 26. Januar 2025 fast 100 Werke aus der Privatsammlung des Künstlerpaares, die bisher in der Tschechischen Republik noch nicht zu sehen waren. Die Schirmherrschaft für die Ausstellung haben der tschechische Kulturminister Martin
Bei der Vernissage: Neo Rauch, Botschafter Andreas Künne, Regionalhauptmann Martin Půta und Rosa Loy. Fotos: X/Deutsche Botschaft
Baxa, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Reichenbergs Regionalhauptmann Martin Půta übernommen. Bei der Vernissage vertrat Botschafter Andreas Künne die Bundesrepublik Deutschland. Der Diplomat twitterte anschließend unter dem deutsch-tschechischen Hashtag #GuteSousede (Gute Nachbarn): „Es war mir eine Freude, die Ausstellung gemeinsam mit Martin Půta und dem Künstlerpaar an diesem für die tschechische und deutsche Geschichte so wichtigen Ort zu eröffnen.“
ten, nicht aber über Probleme. Hatte man eines, meldete man sich bei Premierminister Babiš mit einer Anfrage, und der Fall wurde in der Regel gelöst. Es gab keine Diskussion oder Austausch. Dieses Verfahren habe sich unter der neuen Regierung wesentlich geändert. Die Offenheit der gegenwärtigen Regierung sei zu nutzen und habe schon viele Fortschritte gebracht. Am meisten profitiere wohl die deutsche Minderheit im Lande. Der neue Schutzstatus für Deutsch als Minderheitensprache sei hier ein Beispiel. Tschechien habe sich zu 35 Maßnahmen verpflichtet, an deren Ende stehen könnte, daß man sich als deutschsprachiger Bürger des Landes auf deutsch an die Behörden wenden könne. Die Abschaffung der zweiten Fremdsprache an Grundschulen sei abgewendet worden. Sie wäre bei 400 000 Deutsch lernenden Schülern für Deutsch als zweite Fremdsprache einem Verbot nahegekommen und das, obwohl die wirtschaftliche wie kulturelle Verflechtung und die historische Bedeutung des Deutschen in der Tschechischen Republik wichtig seien, schließlich grenze Tschechien vor allem an deutschsprachige Länder. Künne, der es im Tschechischen mittlerweile so weit gebracht hat, daß er beim Empfang zum 3. Oktober neben Präsident Pavel frei in Tschechisch parlierte, benannte auch die Versäumnisse auf deutscher Seite. Das Tschechische sei zumindest in den Grenzregionen wichtig zu erlernen. In Sachsen gäbe es dabei weniger Berührungsängste als in Bayern. Bayern müsse da in den Bemühungen noch eine Schippe drauflegen. Aber selbst in Sachsen gäbe es manche Probleme. Ein Gymnasium in Dresden, dessen Lehrkräfte für das Erlernen der tschechischen Sprache Möglichkeiten schufen, habe keine Schüleranmeldungen bekommen. Auch bei der Frage der Pflege deutscher Gräber sei man vorangekommen. Ein Entwurf der Regierung will Mittel zur Verfügung stellen, und ab 2029 bemühe man sich auch um EU-Mittel dafür. „Das ist ein echter Fortschritt“, so Künne. Die Ampel-Regierung habe sich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ganz groß auf die Fahnen geschrieben. Das erste Regionalforum in Chemnitz im vergangenen Jahr sei eine
großartige Sache gewesen, auch wenn der deutsche Beitrag übergroß und der tschechische nur klein war. In diesem Jahr sei man am 21. und 22. November in Reichenberg unter Beteiligung des Landeshauptmanns der Reichenberger Region und dem Ministerium für regionale Entwicklung in Tschechien. Das sei dann doch mehr eine deutsch-tschechische Veranstaltung, die im Übrigen mit entsprechenden Mitteln aus Berlin auch unterfüttert sei. Künne beschrieb die große Herausforderung der letzten zweieinhalb Jahre, den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, aus der deutschen Perspektive. Diese akute Bedrohung für den Frieden in Europa führe zu einer Intensivierung der deutsch-tschechischen Beziehungen, insbesondere gäbe es jetzt eine viel engere Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit und der Verteidigung. So habe man in Tschechien die ersten deutschen Panzer, die im Ringtausch mit der Ukraine in die Tschechische Republik kamen, bejubelt. Und die tschechische Armee bestellte als erste Streitkraft neue Panzer in Deutschland, die sie wohl noch vor der Bundeswehr bekommen werde. Dies sei vor zehn Jahren noch unvorstellbar gewesen, erläuterte der Botschafter. Am Schluß bilanzierte Botschafter Künne: „Wir haben bei der Verständigung alles erreicht, bei der Versöhnung noch nicht alles.“ Das nächste Jahr werde von vielen Gedenkveranstaltungen bestimmt, die an das Ende des Zweiten Weltkriegs von vor 80 Jahren erinnern. Am 31. Mai jährt sich dann der Brünner Todesmarsch, am 31. Juli das Aussiger Vertreibungsmassaker. Bis 2026, 80 Jahre nach der staatlich angeordneten Vertreibung, stehen viele weitere Gedenken an, die an die Verbrechen an den Sudetendeutschen erinnern. Künne sagte, es sei wichtig, „den richtigen Bogen zu schlagen“ und dieses gestaffelte Erinnern an Holocaust, Kriegsende und Vertreibung europäisch zu gestalten. Mit der Unterstützung von „Meeting Brno“, mit der Eröffnung des Oskar-SchindlerMuseums in Olmütz im Mai und vielen weiteren Initiativen schaffe man ein Fundament, um, so Künne, „die guten Beziehungen noch einmal ein bißchen fester zu gestalten, auch für spätere kommende Richtungswechsel auch in der tschechischen Politik“. Ulrich Miksch
Nach den Koalitonsverhandlungen stehen die jeweiligen Bezirksregierungen fest
Regionalwahlen: Das sind die neuen Hauptmänner Nach den Regionalwahlen Mitte September in 13 der 14 Bezirke Tschechiens sind die Koalitionsverhandlungen für die Wahlen der Regionalhauptmänner weitestgehend abgeschlossen. Ein Überblick. ■ Mittelböhmen (Středočeský kraj): Die Partei Ano hatte die Wahl zwar gewonnen, aber die Regierungspartner Stan und Spolu konnten sich auf eine Koalition einigen. Damit bleibt Regionalhauptmann Petra Pecková im Amt. ■ Pilsen (Plzeňský kraj): Eine Koalition aus Ano, Stan und der Vereinigung „Für unsere Region“ hat mit 36 von 55 Sitzen eine klare Mehrheit im Regionalparlament. Neuer Hauptmann wird damit Kamel Farhan (Ano). ■ Karlsbad (Karlovarský kraj): In der strukturschwachen Region hat die Partei Ano einen Erdrutschsieg erzielt. Die
Wahl von Mrčková Vildumetzová zum Regionalhauptmann gilt als sicher. Sie löst damit den bisherigen Regionalhauptmann Petr Kulhánek ab, der als Minister nach Prag gewechselt ist. ■ Aussig (Ústecký kraj): In der ebenfalls strukturschwachen Region hat sich Wahlsieger Ano mit der ODS und der Initiative „Besserer Norden“ auf eine Koalition verständigt, die mit 37 von 55 Sitzen über eine komfortable Mehrheit verfügt. Neuer Regionalhauptmann dürfte AnoSpitzenkandidat Richard Brabec werden, der von 2014 bis 2021 in der Regierung von Premierminister Andrej Babiš Umweltminister war. ■ Reichenberg (Liberecký kraj): Die Koalition aus ODS, KDU-ČSL und Top 09 hat auch in dieser Legislatur die Mehrheit. Damit kann Martin Půta, der seit 2012 im Amt ist, als Regionalhauptmann weitermachen.
Jan Grolich (Mitte) bleibt Hauptmann von Südmähren. Hier beim Brünner Versöhnungsmarsch 2023 mit Botschafter Andreas Künne, Christa Naaß und Steffen Hörtler. Foto: Torsten Fricke ■ Königgrätz (Královéhradecký kraj): Mit sieben Partnern hat Wahlsieger Ano eine Koalition geschmiedet, zu der auch die rechtsradikale SPD gehört. Neuer Regionalhauptmann wird Petr Koleta (Ano), bislang Bürgermeister von Hronow. ■ Pardubitz (Pardubický kraj): Die Koalition aus dem Regionalbündnis 3PK, zu dem auch die Sozialdemokraten (SocDem) gehören, und den Parteien KDU-
ČSL, Ano und ODS verfügt mit 36 von 45 Sitzen über eine deutliche Mehrheit. Damit bleibt Martin Netolický Regionalhauptmann. Der SocDem-Vertreter ist seit 2012 im Amt. ■ Hochland (Kraj Vysočina): Wahlsieger Ano hat sich auf eine Koalition mit SPD, Trikolora und Pro sowie SocDem verständigt. Kandidat für die Wahl zum Regionalhauptmann ist Martin Kukla von der Ano-Partei.
■ Südböhmen (Jihočeský kraj): Mit 34 von 55 Sitzen kann die ODS allein regieren. Regionalhauptmann bleibt damit der ehemalige Wirtschaftsminister Martin Kuba, der seit 2020 der Region vorsteht. ■ Südmähren (Jihomoravský kraj): Die Koalition aus KDUČSL, ODS, Top 09 und Stan verfügt über 35 von 65 Sitzen hat demzufolge eine klare Mehrheit. Regionalhauptmann bleibt damit Jan Grolich. Der Politiker der KDU-ČSL hat das Amt seit 2020 inne. ■ Olmütz (Olomoucký kraj): Wahlsieger Ano hat in der schwer vom Hochwasser betroffenen Region eine Koalitionsvereinbarung mit den Parteien SPD, Trikolora, Pro und Svobodných unterzeichnet. Gemäß der Vereinbarung wird der Ano-Vorsitzende und Abgeordnete Ladislav Okleštěk, der von 2017 bis 2020 an der Spitze der Region stand,
erneut Regionalhauptmann. Die konstituierende Sitzung findet am Montag, 21. Oktober, statt. ■ Mährisch-Schlesische Region (Moravskoslezský kraj): Nach einem deutlichen Wahlsieg kann die Partei Ano alleine regieren. Die Wiederwahl von Josef Bělica gilt demnach als Formsache. Der langjährige Oberbürgermeister von Havířov ist erst im April zum Regionalhauptmann gewählt worden, nachdem Amtsvorgänger Jan Krkoška wegen illegaler Schmiergeldzahlungen verurteilt worden war und von seinem Amt zurücktreten mußte. ■ Zlin (Zlínský kraj): Mit 25 von 45 Sitzen verfügt die Koalition aus Ano und Stan, die von Top 09 und der Bewegung Zvuk 12 unterstützt wurde, über eine klare Mehrheit. Radim Holiš von der Partei Ano, der seit 2020 im Amt ist, bleibt damit Regionalhauptmann. Torsten Fricke
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TERMINE
Über 10000 Läufer werden am 4. Mai beim Jubiläums-Marathon erwartet
42,195 Kilometer durch Prag
„Die Strecke des Prager Marathons gehört zu den schönsten Marathonstrecken der Welt. Sie schlängelt sich durch die Straßen der Goldenen Stadt, über die berühmte Karlsbrücke wird die Moldau gequert, die gotischen und barocken Sehenswürdigkeiten am anderen Ufer immer im Blick. Will man das Unentdeckte entdecken, entlang der Moldau und im Herzen einer mittelalterlichen Stadt laufen, dann ist der Prag-Marathon genau das Richtige“, schreibt das Fachmagazin Runner‘s World. Im kommenden Jahr findet der Wettbewerb zum 30. Mal statt.
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ber 10 000 Läufer werden am Sonntag, 4. Mai, am Altstädter Ring starten, wo sich nach 42,195 Kilometern auch das Ziel befindet. Den Startschuß hat in diesem Jahr Präsident Petr Pavel gegeben, der selbst ein begeisterter Läufer ist. Da die Strecke relativ flach ist, gilt Prag als schnelle Marathonstrecke. Den Rekord aus dem Jahr 2023 hält Alexander Mutiso Munyao aus Kenia mit 2:05:09. Wer in Prag beim JubiläumsMarathon dabei sein will, muß sich sputen. Die Anmeldung Bis Sonntag, 27. Oktober, Sudetendeutsches Museum: „Oskar Schindler – Lebemann und Lebensretter“. Sonderausstellung in der Alfred-Kubin-Galerie mit Begleitprogramm. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10.00 bis 18.00 Uhr. Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8, München. Bis Donnerstag, 31. Oktober, Heimatpflegerin der Sudetendeutschen in Kooperation mit dem Riesengebirgler Heimatkreis Trautenau: Ausstellung „Verloren, vermißt, verewigt – Heimatbilder der Sudetendeutschen“ (siehe Seite 5). Öffnungszeiten: montags bis donnerstags von 8.00 bis 18.00 Uhr, freitags von 8.00 bis 13.30 Uhr. Rathaus, Rückermainstraße 2, Würzburg. Freitag, 18. Oktober, 14.00 Uhr, Heimatverband der Brünner, Kreisverband München: Heimatnachmittag. Haus des Deutschen Ostens, Raum 113, Am Lilienberg 5, München. Freitag, 18. Oktober, 19.00 Uhr, Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste: Festveranstaltung. Vortrag der Architekten Christian und Peter Brückner über den Gedenkort zum Olympiaattentat. Freier Eintritt mit anschließendem Empfang. Anmeldung per eMail an sudak@mailbox. org oder unter Telefon (0 89) 48 00 03 48. Sudetendeutsches Haus, Adalbert-Stifter-Saal, Hochstraße 8, München. Samstag, 19. Oktober, 11.00 bis 16.00 Uhr, SL-Landesgruppe Bayern: Landesdelegiertenversammlung. Bürgersaal, Dorfstraße 24, Kammerstein. Samstag, 19. Oktober, Sudetendeutsches Museum: Lange Nacht der Münchner Museen. 14.00 bis 18.00 Uhr: LichtKunst-Experimente. 16.00 und 19.00 Uhr: Kuratorenführungen durch die Sonderausstellung „Oskar Schindler – Lebemann und Lebensretter“. 20.00 bis 1.00 Uhr: Museum in neuem Licht – Lichtkunst-Show von Gregor Eisenmann. 20.00, 21.00 und 22.00 Uhr: Kurzführungen durch die Sonderausstellung „Oskar Schindler – Lebemann und Lebensretter“. Für die Teilnahme und den Besuch benötigen Sie ein Ticket zur Langen Nacht der Münchner Museen. Mehr Infos unter: www.muenchner.de/ museumsnacht Sudetendeutsches Museum, Hochstraße 10, München. Samstag, 19. Oktober,
Nach zwei Kilometern geht es für die Marathonläufer über die weltberühmte Karlsbrücke. Foto: Runczech
VERANSTALTUNGSKALENDER 15.00 Uhr, SL-Ortsgruppe Erlangen und Ackermann-Gemeinde: Vortrag und Film „Das Ascher Ländchen“ mit Filmemacher Reinhard Dengler. Café Rathsstift, Rathsberger Straße 63, Erlangen. Samstag, 19. und Sonntag, 20. Oktober, Paneuropa-Union Deutschland: 62. Andechser Europatag unter dem Motto „Südosteuropa – ein Niemandsland?“ Klostergasthof, Bergstraße 9, Andechs. Sonntag, 20. Oktober, 11.00 und 14.00 Uhr: Tag der Restaurierung: „Katalogisierung. Sammlungspflege. Leihverkehr“ mit Sonderführungen (siehe rechts). Sudetendeutsches Museum, Hochstraße 10, München. Sonntag, 20. Oktober, 11.00 bis 17.00 Uhr: Tag der offenen Werkstatt. Sieben Werkstätten des Saiteninstrumenten-, Bogen- und Zubehörbaues stellen ihr Kunsthandwerk vor. Darüber hinaus präsentieren im Rathaus 25 Geigen-, Gitarren-, Bogenund Zubehörbauer ihre Instrumente. Rathaus, Birkenallee 51, Bubenreuth. Donnerstag, 24. Oktober, 15.00 Uhr, Ackermann-Gemeinde in der Erzdiözese München und Freising: Literarisches Café mit Sabine Dittrich. Die Autorin liest aus ihrer Erzählung „Goldbachtal“. Eintritt 10 Euro inklusive Kuchen und Kaffee. Anmeldung per eMail an muenchen@ackermann-gemeinde.de oder per Telefon unter (0 89) 27 29 42 25). Sudetendeutsches Haus, Hochstraße 8, München. Freitag, 25. bis Samstag, 26. Oktober, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus: „Ewiger Friede? Kant, Krieg und kein Ende. Friedenskonzepte und Friedensschlüsse: Theoretische Friedenskonzepte und historische Friedensschlüsse“. Seminar zum 300. Geburtstag von Immanuel Kant (1724–1804). Haus Schlesien, Dollendorfer Landstraße 412, Königswinter. Samstag, 26. Oktober, 10.30 Uhr, BdV-Kreisgruppe Bayreuth: „Tag der Heimat 2024“. Ehrengäste sind Dr. Petra Loibl, Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, sowie MdL Franc Dierl, der die Festrede hält. Gasthof Specht, Fichtelberger-Straße 41, Fichtelberg. Samstag, 26. Oktober, 14.30 Uhr, SL-Ortsgruppe Stutt-
gart-Weilimdorf: Monatsnachmittag. Haus der Begegnung, Giebelstraße 14, Stuttgart. Sonntag, 27. Oktober, 14.00 und 16.00 Uhr, Sudetendeutsches Museum: Kuratorenführung durch die Sonderausstellung „Oskar Schindler – Lebemann und Lebensretter“. Treffpunkt: Foyer des Sudetendeutschen Museums, Hochstraße 10, München. Montag, 28. Oktober, 19.00 Uhr, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus: „Wie sicher ist Europa? Perspektiven aus Deutschland und Polen“. Diskussionsveranstaltung mit Bartosz Wieliński (Gazeta Wyborcza), Ulrike Franke (European Council on Foreign Relations) und Nico Lange (Sicherheitskonferenz). Mittwoch, 30. Oktober, 18.00 Uhr, Stiftung GerhartHauptmann-Haus: Vernissage „Warschau. Phönix aus der Asche“. Die Ausstellung wird bis zum 31. März 2025 gezeigt. Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, Düsseldorf. Donnerstag, 31. Oktober. bis Sonntag, 3. November: PragFahrt der SdJ – Jugend für Mitteleuropa. Anmeldungen per eMail an info@sdj-online.de Samstag, 2. November, 11.30 Uhr: Monatstreffen der Graslitzer. Pizzeria Rosa Mystica, Erlanger Straße 13, Fürth. Samstag, 2. November, 15.00 Uhr: Graslitzer Stammtisch Geretsried. Gasthof Geiger, Tattenkofener Straße 1, Geretsried. Montag, 4. November, 19.00 Uhr, Heimatpflegerin der Sudetendeutschen: „Prager Kaffeehäuser“. Teil 4 der Vortragsreihe mit Prof. Dr. Stefan Samerski. Sudetendeutsches Haus, Adalbert-Stifter-Saal, Hochstraße 10, München. Montag, 4. November, 19.00 Uhr, Stiftung GerhartHauptmann-Haus: „Lenin – Nur noch Erinnerung?“ Vortrag von Prof. Dr. Jörg Baberowski zum 100. Todestag. Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, Düsseldorf. Dienstag, 5. November, 16.00 bis 18.30 Uhr, Sudetendeutsches Museum: Schreibcafé „Lebendige Erinnerung“. Referentin ist Journalistin und Autorin Gunda Achterhold. Teilnahme: 15 Euro, Anmeldung per eMail an anmeldung@ sudetendeutsches-museum.de oder unter Telefon (0 89)
läuft bereits, und die Hotelzimmerpreise werden auch in Prag, wie in allen anderen Marathonstädten, stark ansteigen. Auch in Tschechien ziehen Laufwettbewerbe mittlerweile Sportler aus der ganzen Welt an und sind wichtige Tourismusereignisse. Die wichtigsten Läufe im Jahr 2025 im Überblick: Sonntag, 5. April: HalbMarathon, Prag. Freitag, 3. bis Sonntag, 5. Mai: Marathon-Wochenende mit mehreren Laufveranstaltungen, Prag. Samstag, 17. Mai, HalbMarathon, Karlsbad. Samstag, 31. Mai, HalbMarathon, Budweis. Samstag, 14. Juni, HalbMarathon, Olmütz. Samstag, 24. und Sonntag, 25. Juni: Staffelläufe, Prag. Samstag, 5. September, Fünf-Kilometer-Frauenlauf, Prag. Samstag, 20. September, Halb-Marathon, Aussig. Samstag, 4. Oktober, 22-Kilometer-Trailrun, Reichenberg. Weitere Informationen und Anmeldung unter www. runczech.com 48 00 03 37, Sudetendeutsches Museum, Treffpunkt Museumskasse Hochstraße 10, München. Dienstag, 5. November, 18.30 Uhr, Stiftung GerhartHauptmann-Haus: „Unter Verschluß – die dritte Literatur des Ostens“. Lesung mit Ines Geipel und Franziska Groszer. KAP 1, Zentralbibliothek, Konrad-Adenauer-Platz 1, Düsseldorf. Dienstag, 5. November, 19.00 Uhr, Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste: Ringveranstaltung. Vortrag über Ferdinand Fiedler (1842–1910) aus Olmütz, Professor für Militärgeographie an der Kriegsschule. Freier Eintritt mit anschließendem Empfang. Anmeldung per eMail an sudak@mailbox.org oder unter Telefon (0 89) 48 00 03 48. Sudetendeutsches Haus, AdalbertStifter-Saal, Hochstraße 8, München. Donnerstag, 7. November, 17.00 Uhr, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus: Internationales Erzählcafé Coffee & Cookies. Geschichten von Flucht und Ankommen. KAP1, Zentralbibliothek im KAP 1, KonradAdenauer-Platz 1, Düsseldorf. Samstag, 9. November, 15.00 Uhr, SL-Kreisgruppe Krefeld: Monatstreffen. Niederrheinischer Hof, Hülser Straße 398, Krefeld. Sonntag, 10. November, 19 Uhr, Sudetendeutsches Musikinstitut (Träger: Bezirk Oberpfalz): Duo-Rezital Roland Glassl (Viola) und Georg Michael Grau (Klavier). Auf dem Programm stehen Werke von Ludwig van Beethoven, Robert Fuchs und Egon Kornauth. Eintritt 20 Euro. Bezirk Oberbayern, Festsaal, Ludwig-Thoma-Straße 14, Regensburg. Dienstag, 12. bis Freitag, 15. November, Sudetendeutsche Landsmannschaft – Bundesverband: Multiplikatorenseminar. Bildungsstätte Der Heiligenhof, Alte Euerdorfer Straße 1, Bad Kissingen. Programm und Anmeldungsmöglichkeiten folgen. Donnerstag, 14. November bis Freitag, 28. Februar 2025: Stiftung Gerhart-HauptmannHaus: Ausstellung „Flüchtiges Glück – Befreiung aus Theresienstadt“. Gerhart-HauptmannHaus, Bismarckstraße 90, Düsseldorf. Freitag, 15. bis Samstag, 16. November, Sudetendeutscher Heimatrat: Jahrestagung. Der Heiligenhof, Alte Euerdorfer Straße 1, Bad Kissingen.
Sudetendeutsche Zeitung Folge 42 | 18.10.2024
Sudetendeutsche Hochwasserhilfe
Spendenkonto Sudetendeutsche Landsmannschaft Bundesverband e.V. LIGA-Bank München IBAN: DE64 7509 0300 0202 1114 70 BIC: GENODEF1M05 Stichwort: Sudetendeutsche Hochwasserhilfe
Sonntag, 20. Oktober, 11.00 und 14.00 Uhr
Tag der Restaurierung Sonntag, 20. Oktober, je 11.00 und 14.00 Uhr, Sudetendeutsches Museum: Tag der Restaurierung: „Katalogisierung. Sammlungspflege. Leihverkehr“ (Sonderführungen), Hochstraße 10, München. Museumsobjekte mit den Augen eines Restaurators zu betrachten, diese Erfahrung bietet auch das Sudetendeutsche Museum zum Europäischen Tag der Re-
staurierung. Nach der Erkundung der Museumssammlungen besuchen die Teilnehmer den Arbeitsraum des Sammlungsteams. Dort steht als Expertin Diplomrestauratorin Jeanine Walcher den Besuchern für Fragen und Tipps zur Verfügung. Treffpunkt ist das Museumsfoyer. Eine Anmeldung ist nicht notwendig, nur der Sonntagseintritt von 1 Euro für Erwachsene ist zu entrichten.
Samstag, 19. Oktober
Lange Nacht im HDO
Samstag, 19. Oktober, 18.00 bis 1.00 Uhr: Lange Nacht der Münchner Museen. Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, München. Gezeigt wird die Ausstellung „Deutsche Minderheit in Rumänien. Geschichte und Gegenwart im vereinten Europa“, die noch bis 13. Dezember läuft. Daß in Rumänien Zehntausende Menschen leben, deren Muttersprache Deutsch ist, ist in Deutschland weitgehend unbekannt. Ebenso, daß
mit Klaus Iohannis ein Vertreter der deutschen Minderheit seit 2014 Staatspräsident ist. Für sein nachhaltiges völkerverbindendes Engagement ist Iohannis auf dem Sudetendeutschen Tag 2022 mit dem Europäischen Karls-Preis der SL ausgezeichnet worden. Mehr über die „Lange Nacht der Münchner Museen“, an der auch das Sudetendeutsche Museum teilnimmt, unter www.muenchner.de/ museumsnacht/
Krieg, Flucht, Vertreibung, Folgen. Einst und jetzt. Sonntag, 27. Oktober bis Freitag, 1. November: „Krieg, Flucht, Vertreibung, Folgen. Einst und jetzt“. 18. Mitteleuropäische Nachwuchsgermanistentagung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa. Bei dieser Veranstaltung treffen sich Teilnehmer aus Deutschland sowie aus Ost- und Ostmitteleuropa, um über die gemeinsame Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Länder und Völker zu debattieren. Als Referenten haben zugesagt: Prof. Dr. Katrin Boeckh, „Flucht und Vertreibung in Europa: Erinnerungen im Vergleich“; Horst Göbbel, „Flucht der Nordsiebenbürger Sachsen im Herbst 1944“; Dr. Valentyna Karpiuk, „Krieg und Anti-Kriegsthematik in europäischer Kunst und Literatur“; Ass. Prof. Dr. Olena Biletska, „Universität im Exil. Bildung, Identität und Zusammenhalt in dieser Zeit“; Prof. Dr. Vita Hamaniuk, „Deutsche in der Ukraine“; Dr. Olga Kuchma, „Deutschland – Ukraine: Eine Geschichte des geistigen und kulturellen Austauschs“; Dr. Axel Hartmann, „Die politische Wende von 1989/90 und das Wiederentdecken deutscher Geschichte im östlichen Europa“; Dr. Miroslav Kunštát, „Aus der Geschichte der Prager deutschen Universität“; Hermine Pal, „Zur Geschichte und Lage der deutschen Minderheit in Rumänien“. Der Tagungsbeitrag beträgt 200,00 Euro pro Person, inklusive Teilnahme am Programm, Verpflegung und Unterbringung im Doppelzimmer. Der Einzelzimmerzuschlag beträgt 50,00 Euro, die ermäßigte Kurtaxe 9,75 Euro, jeweils für den gesamten Seminarzeitraum. Die Anmeldungen sind zu richten an: Der Heiligenhof, Alte Euerdorfer Straße 1, 97688 Bad Kissingen, Telefax (09 71) 71 47 47, per eMail an hoertler@heiligenhof.de beziehungsweise über die Webseite. Heiligenhof · Alte Euerdorfer Straße 1 · 97688 Bad Kissingen Telefax (09 71) 71 47 47 info@heiligenhof.de · www.heiligenhof.de
Sudetendeutsche Zeitung Folge 42 | 18.10.2024
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Im Würzburger Rathaus wird noch bis zum 31. Oktober die Ausstellung „Verloren, vermißt, verewigt“ gezeigt
Heimatbilder einer verlorenen Welt
Macher und Unterstützer der Ausstellung (von links): Stadtrat Willi Dürrnagel, MdL Patrick Friedl, Kulturreferent Benedikt Stegmayer, Wigbert Baumann (Riesengebirgler Heimatkreis Trautenau), Heimatpflegerin der Sudetendeutschen, Christina Meinusch, Studienprojektbetreuerin Stefanie Menke, Sarina Wald (ehemalige Studentin), Prof. Guido Fackler, SLLandesobmann Steffen Hörtler, Zeitzeugin Hannelore Anderl und Michael Dehn (ehemaliger Student). Foto: Petra Steinbach
„Diese Ausstellung kann uns zutiefst berühren. Denn sie erzählt von Verlust, Schmerz und Vertreibung, aber auch von der Kraft der Erinnerung und der Sehnsucht nach Heimat“, hat Benedikt Stegmayer, seit August Leiter des Referats für Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft der Stadt Würzburg, bei der Eröffnung der Ausstellung „Verloren, vermißt, verewigt – Heimatbilder der Sudetendeutschen“ erklärt.
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und drei Millionen Sudetendeutsche mußten nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen. In vielen Fällen blieben ihnen nur Bilder – im Gedächtnis, aber auch in natura. FotoAufnahmen, die Wohn- und Gemeinschaftsräume geschmückt haben. Diese Heimatbilder sind Zeugnisse einer verlorenen Welt, aber auch Ausdruck einer Identität, die über Generationen weitergegeben wird. „Die Ausstellung ,Verloren, vermißt, verewigt‘ läßt uns an diesen Erinnerungen teilhaben. Sie zeigt uns die Schönheit und Vielfalt der sudetendeutschen Kultur und erinnert uns an das Schicksal der Vertriebenen“, so der Kulturreferent. Seinen Dank drückte Stegmayer den Studenten des Studiengangs „Museologie und materielle Kultur“ der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, der ebenfalls aus der Region stammenden Sudetendeutschen Heimatpflegerin Christina Meinusch und Professor Guido Fackler aus: „Sie alle haben diese Wanderausstellung mit viel Engagement und Empathie erarbeitet. Sie haben damit einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte und zur Verständigung zwischen den Ländern geleistet.“ Auch dem Riesengebirgler Heimatkreis Trautenau um Wigbert Baumann, der diese Ausstellung unterstützt und mit dazu beiträgt, die Erinnerungen an die verlorene Heimat lebendig zu halten, dankte Stegmayer: „Die enge Verbindung zwischen Würzburg und Trutnov, die sich auch in unserer Städtepartnerschaft ausdrückt, ist ein Zeichen der Versöhnung und des gemeinsamen Aufbruchs in eine lebenswerte Zukunft.“ Die Städtepartnerschaft hat eine be-
sondere Geschichte, die eng mit dem Schicksal der Sudetendeutschen verbunden ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden viele Vertriebene aus Trautenau in Würzburg eine neue Heimat. Sie brachten ihre Erinnerungen, ihre Traditionen und ihre Kultur mit und bereicherten das Leben in der Stadt am Main. Die Patenschaft zwischen Würzburg und Trautenau, die 1966 begründet wurde und 2008 in eine Städtepartnerschaft mündete, ist Ausdruck dieser tiefen Verbundenheit. Seitdem haben zahlreiche Begegnungen und Austauschprogramme zwischen den beiden Städten stattgefunden. Schüler, Studenten, Künstler, Musiker, Sportler und andere Gruppen haben sich kennengelernt, Freundschaften geschlossen und gemeinsam an Projekten gearbeitet. Diese lebendige Partnerschaft trägt dazu bei, Vorurteile abzubauen, Verständnis füreinander zu entwickeln und ein friedliches Miteinander zu gestalten. Vor einiger Zeit wurde der erste Schüleraustausch zwischen
beiden Städten auf die Beine gestellt. „Die Ausstellung ,Verloren, vermißt, verewigt‘ ist ein weiteres Beispiel für die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Würzburg und Städten im früheren Sudetenland. Sie zeigt uns, daß Geschichte nicht nur Vergangenheit ist, sondern auch eine Brücke in die Zukunft schlagen kann. Indem wir uns unserer gemeinsamen Geschichte stellen, können wir voneinander lernen und zusammen eine bessere Zukunft gestalten“, so Benedikt Stegmayer. Steffen Hörtler, stellvertretender Bundesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Landesobmann Bayern, wies in seinem Grußwort auf das in den vergangenen Jahren zunehmende Interesse von Menschen im Alter zwischen 60 und 70 Jahren an ihrer eigenen Familiengeschichte hin. Oft erfahre er bei zufälligen Begegnungen, daß die Eltern des Gesprächspartners Sudetendeutsche seien, man sich selbst aber bisher nicht für die Geschichte interessiert habe, nun aber – zum Bei-
spiel durch ein Bild aus dem Wohnzimmer – doch die Frage beantwortet haben möchte: „Wo komme ich eigentlich her? Was sind meine Wurzeln?“ Guido Fackler, Professor für Museologie an der Universität Würzburg, und die Heimatpflegerin der Sudetendeutschen, Christina Meinusch, dankten den rund 20 Studenten, die vor gut zwei Jahren in einem von Stefanie Menke betreuten Studienprojekt diese Wanderausstellung konzipiert und umgesetzt haben. So kann zum Beispiel das Interview der Studentin Sarina Wald mit der Zeitzeugin Hannelore Anderl in der Ausstellung nachgelesen werden. Bis Donnerstag, 31. Oktober, Heimatpflegerin der Sudetendeutschen in Kooperation mit dem Riesengebirgler Heimatkreis Trautenau: Ausstellung „Verloren, vermißt, verewigt – Heimatbilder der Sudetendeutschen“. Öffnungszeiten: montags bis donnerstags von 8.00 bis 18.00 Uhr, freitags von 8.00 bis 13.30 Uhr. Rathaus, Rückermainstraße 2, Würzburg.
Persönlicher Leseraufruf von Dr. Ortfried Kotzian zur Verleihung des Georg-Dehio-Buchpreises 2024
Wo sind die Urnen mit der Heimaterde? Von Dr. Ortfried Kotzian Für ihr literarisches Gesamtwerk ist am vergangenen Donnerstag Ulrike Draesner in der Staatsbibliothek zu Berlin mit dem Georg-Dehio-Buchpreis 2024 ausgezeichnet worden. Den Förderpreis erhielten Karolina Kuszyk und ihr Übersetzer Bernhard Hartmann für das Buch „In den Häusern der anderen. Spuren deutscher Vergangenheit in Westpolen“. In dem Werk werden auch Sudetendeutsche thematisiert – und das wirft Fragen auf.
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as Deutsche Kulturforum östliches Europa in Potsdam, das mit einer Jury die Preisträger auslobt, erläutert zum Georg-Dehio-Buchpreis: „Der Preis erinnert an den bedeutenden, aus Reval (Tallinn) gebürtigen Kunsthistoriker Georg Dehio (1850–1932). Sein Blick für regionale Zusammenhänge und sein Gespür für die wechselvolle Geschichte historischer Denkmale haben Maßstäbe gesetzt. Es werden Autorinnen und Autoren geehrt, die sich in ihren Werken fundiert und differenziert mit den Traditionen und Interferenzen deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa auseinandersetzen.“ Das Buch „In den Häusern der anderen“ ist in vielerlei Hinsicht ein Phänomen. Nach meiner Erkenntnis hat bisher noch niemand in ähnlicher Weise das Verhalten der Neusiedler in den ehemaligen deutschen Ostgebieten analysiert und die Besonderheiten in Aktion und Reaktion auf Gegenstände, Gefühle und Anmutungen untersucht wie die Autorin Karolina Kuszyk. Warum in diesem Beitrag auf dieses Buch hingewiesen werden soll, hängt mit einer Erwähnung der Sudetendeutschen zusammen. Diese Aussage befremdet etwas, zumal mir ihr Wahrheitsgehalt auf Grund meiner Lebenserfah-
Georg-Dehio-Buchpreisträger: Bernhard Hartmann (2. v. l.), Karolina Kuszyk (Mitte) und Ulrike Draesner (2. v. r.). Links: Dr. Harald Roth, Direktor des Deutschen Kulturforums östliches Europa. Rechts: Maria Bering, Ministerialdirektorin bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Foto: Deutsches Kulturforum östliches Europa/Markus Nowak rung nicht schlüssig erscheint. Daher wende ich mich an die Leser der Sudetendeutschen Zeitung als mögliche vorhandene Zeitzeugen. Aber von Beginn an: In dem Kapitel „Dinge“ beschreibt die Autorin in den Abschnitten „Erikas Pilze“, gemeint sind Erika Steinbachs Pilze, die jene für Ausstellungen aus polnischen Museen ausleihen ließ und in „Amerikanischer Kokolores und das Abtragen des deutschen Firnisses“, wie die Beschäftigung mit zurückgelassenem deutschen Eigentum durch polnische Hobby-Historiker zu einer Änderung der Sichtweisen bei diesen auf die deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen führen konnte. Sie zitiert zum Beispiel Zbigniew Czarnuch wie folgt: „Das waren seit dem Krieg die ersten Deutschen, mit denen ich mich unterhielt. Damals begriff ich die Wahrheit über ihr unbeweintes Leid. Sie hatten nicht nur alles verloren, sondern waren beim Versuch sich neu anzusiedeln von den eigenen Landsleuten wie Eindringlinge und Gesindel behandelt worden. In der DDR war das The-
ma der Vertriebenen praktisch tabu, und in Westdeutschland behandelte man es ohne das angemessene Mitgefühl. Den Vertriebenen, die öffentlich darüber sprachen, wurde meist Revisionismus unterstellt. Dabei waren längst nicht alle Vertriebenen Revisionisten. Viele von ihnen sehnten sich einfach nach ihrer Heimat. Nach und nach zogen diese Menschen sich zurück, sie verkehrten nur noch im eigenen Milieu, wo sie die Erinnerungen an die Heimat kultivieren konnten. Je mehr man sie ablehnte und verunglimpfte, desto stärker verstanden sie sich als unverstandene Opfer.“ Welch treffende Einsicht! Nachdem Karolina Kuszyk die Einweckgläser symbolhaft für zurückgelassene Erinnerungen und zurückgelassene „Dinge“ der vertriebenen Deutschen eingeführt hat, dreht sie deren Bedeutung um und beschäftigt sich im nächsten Abschnitt damit, wie die „Flüchtlinge“ mit der „Heimat in Einmachgläsern und eingeweckten Erinnerungen“ umgegangen sind. Und in diesem Text wird die Behauptung aufgestellt: „Die sude-
tendeutschen Landsmannschaften präsentierten bei ihren Veranstaltungen regelmäßig Urnen mit Erde aus Tschechien.“ Da ich seit meinem sechsten Lebensjahre 1954 bei nahezu allen Sudetendeutschen Tagen, den zentralen Veranstaltungen der Sudetendeutschen, persönlich zugegen war und mir diese Urnen mit „Heimaterde“ nie aufgefallen sind, bitte ich die Leserinnen und Leser der Sudetendeutschen Zeitung um ihre Hilfe. Wann und wo konnten sie Derartiges feststellen? Gibt es dafür bildliche oder schriftliche Belege? Um welche Veranstaltungen handelte es sich? Ich möchte der Autorin Karolina Kuszyk keine bewußte Falschmeldung unterstellen. Mir geht es darum herauszufinden, woher sie diese Aussage haben könnte. Daß „Heimaterde“ bei Beerdigungen von heimatvertriebenen Sudetendeutschen ins offene Grab geschüttet wurde, habe ich persönlich beobachtet und ist mir bekannt. Ich bin Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Erfahrungen an die Redaktion der Sudetendeutschen Zeitung, Hochstraße 8, 81669 München schreiben. Dr. Ortfried Kotzian ist Vorstandsvorsitzender der Sudetendeutschen Stiftung und Mitglied des Bundesvorstands der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Der Südosteuropa-Experte mit Wurzeln im Riesengebirge ist außerdem Mitbegründer des Bukowina-Instituts und war von 2002 bis 2012 Direktor des Hauses des Deutschen Ostens.
Mut tut gut
Das ewige Leben D
er Herbst setzt kräftige Akzente. Die Natur verfärbt sich zunächst in die buntesten Farben, wird dann aber schnell welk. Die Tage werden kürzer. Das Licht verliert, abgesehen von wenigen Sonnentagen, an Kraft. Es wird später hell und früher dunkel. Außerdem ist es häufig kühl, nebelig und regnerisch. Die Zugvögel haben sich längst auf ihren Weg nach Süden gemacht. Manche Menschen würden das auch gerne tun, vor allem wenn sie zu Melancholie neigen oder gar unter Depressionen leiden. Je mehr der Herbst voranschreitet, desto mehr wird uns unsere Endlichkeit bewußt. Wir wissen: Unsere Tage und Jahre sind gezählt. Irgendwann werden wir vergehen. Dieses Leben wird wie das Laub verwelken und dann zu Boden fallen. Wir werden tot sein. Unsere Körperfunktionen werden nicht mehr sein, ebenso wenig unsere Sinnes- und Geisteskraft. Auch was ich fühlte, meine Beziehungen zu anderen Menschen, wen oder was ich liebte, wird der Vergangenheit angehören. Die Gewißheit über die eigene Endlichkeit gehört seit jeher zu den Grunderfahrungen des Lebens. Über Jahrtausende hinweg war diese Gewißheit aber zugleich auch ein Anlaß, um sich über das Nachher Gedanken zu machen. Was wird nach dem Tod sein? Ist dann wirklich alles aus? Fallen wir in ein undefinierbares Nichts zurück? Oder aber dürfen wir darauf hoffen, daß es nach dem Tod weitergeht? Gibt es ein ewiges Leben? Und wenn ja, wie können wir es uns vorstellen? Jahrtausende lang waren diese Fragen ein Grund, religiös zu sein. Die Gewißheit über die menschliche Endlichkeit gehörte wie das Staunen über die Schönheit der Natur oder über die körperlichen, geistigen und emotionalen Leistungen des Menschen zu jenen Kräften, die in unserem Menschengeschlecht ein religiöses Bewußtsein wachriefen. Ganz atheistisch konnte früher kaum jemand sein, weil es immer auch um die Frage nach dem Weiterleben über den Tod hinaus ging. Heute ist das vielfach anders. Ganz viele Menschen können oder wollen tatsächlich nicht mehr an das ewige Leben glauben. Deswegen investieren sie viel in dieses irdische Leben. Sie saugen die wenigen Jahrzehnte, die sie auf dieser Welt haben, förmlich aus. So bringen sie sich aber in außerordentliche Streßsituationen. Wer in diesem Leben möglichst vieles – am besten alles – haben und erreichen will, der kann sich und seine Mitmenschen ja eigentlich nur überfordern. Viele körperliche und seelische Krankheiten ebenso wie viele gestörte oder zerrüttete Beziehungen haben in diesem Streben eine ihrer Ursachen. Ob es nicht doch eine sinnvolle Alternative wäre, an das ewige Leben zu glauben? Aber wie sieht es aus? Der heilige Augustinus, einer der größten christlichen Theologen aller Zeiten, hat einmal Folgendes geschrieben: „Wir werden ausruhen und schauen, schauen und lieben, lieben und loben. Siehe, das wird das Ende ohne Ende sein.“ Ich finde, Augustinus sagte mit diesen Worten über das ewige Leben nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Dr. Martin Leitgöb CSsR Provinzial der Redemptoristen Wien-München
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FORUM
Sudetendeutsche Zeitung Folge 42 | 18. 10. 2024
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Bilder: Nadira Hurnaus
� Marienbader Gespräche 2024
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Šimon Heller, Libor Rouček und Kerstin Celina.
31+32/2024 42/2024
Wir sind das Herz Europas den sollten wir uns erhalten.“ Der Brünner Germanist, Bohemist, Diplomat und Übersetzer Mojmír Jeřábek stellte den Deutschen Kulturverein Region Brünn vor, dem seine Frau Eleonara seit drei Jahren vorsitzt. Dora Müller habe den Kulturverein, der heute 50 Mitglieder habe, 1990 gegründet. Außerdem habe sie das Begegnungszentrum initiiert, in dem regelmäßig Veranstaltungen stattfänden. Der Verein biete Deutschunterricht und habe einen guten Draht zu Studenten und Dozenten der Brünner Masaryk-Universität. Mit ihnen unterhalte der Verein einen Debattierklub in Erinnerung an Jürgen Serkes „Böhmische Dörfer“. Anfang November veranstalte der Kulturverein mit „Meeting Brno“ ein Symposium über Max Brod. Kurzweilig ließ Christa Naaß ihre zehn Marienbader Gespräche in Wort und Bild Revue passieren. Tatsächlich fanden heuer die zehnten Marienbader Ge-
im Sudetendeutschen Haus. Nun skizzierte er die schwierigen Anfänge seines Büros und die aktuellen Ergebnisse der Lokal- und Senatswahlen. In das Thema „20 Jahre EUBeitritt der Tschechischen Republik“ leitete Rita Schwarzelühr-Sutter ein (Ý Seite 1). Seit 2005 ist die Badenserin Bundestagsabgeordnete, 2013 bis 2018 war sie Parlamentarische Staatssekretärin bei den Bundesumweltministerinnen, seit 2021 ist sie dies bei der Bundesinnenministerin. Sie lobte die Verdienste des Sudetendeutschen Rates um die guten deutsch-tschechischen Beziehungen. „Und diese werden sie auch weiterhin pflegen.“ Der EU-Beitritt der Osteuropäischen Länder sei eine Bereicherung, und die Tschechische Republik sei ein Erfolgsmodell für den Umgang mit nationalen Minderheiten. Die EU bereichere die Tschechische Republik, und die Tschechische Republik bereichere die EU. Die Jahre 1989/1990 hätten die Ostblock-
na, Grünenmitglied des Bayerischen Landtags, Šimon Heller, KDU-ČSL-Abgeordneter in Prag, Bernhard Pohl, Freie-WählerAbgeordneter im Bayerischen Landtag, und Libor Rouček, ehemaliger Vizepräsident des Europäischen Parlaments. Er lebe in einem Dorf bei Budweis, sagte Heller. Dahinter beginne das ehemalige Sudetenland. Dort sehe man die Tragödie, die noch nicht ende. Dort, wo die Traditionen nicht unterbroei der Plenarsitzung des Suchen worden seien, werde gemäß detendeutschen Rates Ander alten Sitten weitergefeiert. fang 2014 legte dessen GeneralDer Versuch, Brücken zu bauen, sekretär Albrecht Schläger sein habe seine Hochachtung. Dies Amt nieder. Seine Nachfolgerin sei in manchen Gegenden und wurde Christa Naaß MdL a. D. zu manchen Zeiten nicht einfach. Vom 12. bis 14. Oktober 2014, Für das Brückenbauen solle der genau zehn Jahre und einen Tag Tschechische Präsident Bernd vor den diesjährigen MarienPosselt und Daniel Herman ausbader Gesprächen, war Christa zeichnen. Karl Fürst SchwarzenNaaß zum ersten Mal Gastgebeberg hätte die Präsidentenwahl rin dieser deutsch-tschechischen 2013 gegen Miloš Zeman geVersöhnungsveranstaltung in wonnen, wenn dieser das Thedem grenznahen böhmischen ma „Vertreibung“ im Wahlkampf Heilbad. nicht mißbraucht hätte. Schwar800 Kilometer sei die deutschzenberg wäre ein idealer Präsitschechische Grenze lang, so dent gewesen. Naaß. Weder die Deutschen „Die tschechische Sozialnoch die Tschechen hätten demokratie geht in eine Richzu einem anderen Land eitung, die ich nicht mag, weil ne längere Grenze. Deshalb sie mit den Kommunisten kosei das deutsch-tschechische alieren wollen“, sagte LiGrenzland eine wichtige Rebor Rouček. Die Kommunigion und für den SR ein wichsten seien gegen die EU, getiges Thema. Die Marienbagen die Ukraine und gegen der Erklärung über deutschviele andere abendländitschechische Verständigung sche Werte. Er sei wegen der und Versöhnung feiere 15., Niederschlagung des Prager der tschechische EU-Beitritt Frühlings 1968 im Jahr 1977 20., der Fall des Eisernen Vorgeflohen. Die EU- und die NAhangs 35., die erste Direktwahl TO-Mitgliedschaft sei für die zum Europäischen Parlament ČR lebenswichtig. Mit der 45., der Europarat 75. und das Samtenen Revolution sei sein Brünner NationalitätenproVaterland nach Europa zugramm der österreichischen rückgekommen. Sozialdemokratie 125. Jahres- Dr. Mojmír Jeřábek, Botschafter Andreas Künne, Generalsekretärin Christa Naaß Die anfangs liberalen Potag. Dieses Erinnern für eine und Steffen Hörtler, Stellvertretender SL-Bundsvorsitzender. litiker Václav Klaus und VikZukunft in Frieden und Freitor Orban seien Nationalisten heit in Europa bleibe die Aufga- spräche statt, da sie 2020 Corona staaten Europa umgewälzt. Seit- und Antieuropäer geworden. be des SR. zum Opfer gefallen waren. dem lebten die Minderheiten in Auch wenn das Leben besser Andreas Künne, der Deutsche Bürgermeister Martin Huajčík dem Bewußtsein, daß Frieden geworden sei, fühlten sich die Botschafter in Prag, erinnerte an begrüßte den Sudetendeutschen und Freiheit ein wertvolles Gut Menschen im ehemaligen Ostdie Aufnahme diplomatischer Rat und dessen Gäste „im schön- seien. Bundeskanzler Scholz ha- block immer noch als zweitranBeziehungen zwischen Bonn und sten Kurort der Welt“ zum Dia- be angesichts des Angriffkrie- gig. ANO-Chef Andrej Babiš sei Prag vor 50 Jahren. Damals sei- log zwischen Deutschen und ges der Russen auf die Ukraine kein Nationalist, aber ein Popuen die deutschen Diplomaten in Tschechen. Dieser Dialog ha- gesagt: „Wir nehmen den An- list. Er habe sich mit Marine Le Prag noch abgehört und über- be hier im Grenzraum Tradition. griff nicht hin. Unser Europa ist Pen in Frankreich, der FPÖ in wacht worden. Nicht zuletzt der Marienbad sei schon immer ein in Frieden und Freiheit geeint. Österreich und Viktor Orban in unvollendete Satz des damaligen Ort der Begegnung der Kulturen Wir sind Freunde, die ihre Wer- Ungarn zusammengetan. Es geAußenministers Hans-Dietrich gewesen. te teilen.“ be garnicht einmal so viel AnGenscher auf dem Balkon des Peter Barton, Leiter des SudeDer Migrationsdruck auf Eu tideutsches. Man sympathisiePalais Lobkowitz, der Deutschen tendeutschen Büros in Prag, hat- ropa wachse. Der Schengenraum re mit der AfD, man kommuniBotschaft in Prag, am 30. Septem- te diese Botschaft des guten Wil- sei eine Errungenschaft Europas. ziere mit Sarah Wagenknecht. ber vor 35 Jahren habe das Ende lens 2003 eröffnet. Seine Mut- Um so mehr schmerze, daß die Gemeinsame Hauptfeinde seides Kommunismus eingeläutet. ter war Ungarin, sein Vater hatte Grenzen als Ultima ratio wieder en die EU und Ursula von der LeDaran habe die Botschaft in Prag deutsche und tschechische Wur- eingeführt worden seien. „Wir yen. Kerstin Celina meinte, man am 30. September mit einem Tag zeln. Barton wurde wegen seines müssen dieses Problem in Euroder Offenen Tür erinnert, den Glaubens verfolgt und emigrier- pa gemeinsam lösen.“ Die Men- sei in den Grenzregionen mitt2000 Schüler zu einem Besuch te nach München. Dort arbeite- schenwürde sei unantastbar, das lerweile schon sehr zusammengenutzt hätten. te er für die Hanns-Seidel-Stif- Recht auf Asyl ebenfalls. „Wir gewachsen. Das zeige sich bei Seit ihrem EU-Beitritt vor 20 tung und nutzte die Bibliothek dürfen unsere Werte nicht über der Medizin, beim Urlaub, bei Jahren sei die TschechiBord werfen, dafür müs- der Energie und bei Ängsten wie sche Republik nicht mehr sen wir in Europa kämp- denen vor Hochwasser. Da halte nur ein Wurmfortsatz von fen.“ Und: „Dazu tragen man zusammen. Die ZusammenEuropa. Daß sich jetzt die die Marienbader Gesprä- arbeit in den letzten 20 Jahren sei Regierung um die Pfleche bei, und das müssen enorm gewachsen. Die vielen poge alter deutscher Gräwir in die Zukunft tragen.“ sitiven Zeichen sollten Mut maber kümmere, sei der beDie anschließende Po- chen, neue Gemeinsamkeiten zu harrlichen Arbeit der diumsdiskussion mode- entdecken. Hoffnungsvolle Zeideutschen Minderheit rierte Hans Knapek, Vor- chen seien zum Beispiel der umund der SL zu verdanken. standsvorsitzender der gekehrte Brünner Todesmarsch Künne: „Wir haben unStiftung Sudetendeut- des Versöhnungsfestivals „Meeter schwierigen Rahmensches Sozial- und Bil- ting Brno“. Möglichkeiten sich bedingungen sehr viel Hans Knapek, Philipp Dippl, Bildungsreferent beim dungswerk. Neben ihm zu informieren wie das Sudetengeschafft. Das ist Grund Heiligenhof, und Richard Šulko, Vorsitzender des und Schwarzelühr-Sut- deutsche Museum in München Ý Seite 7 für Optimismus, und Bundes der Deutschen in Böhmen. ter saßen Kerstin Celi- solle man nutzen.
„Deutsch-Tschechisches Grenzland. Gemeinsamer Entfaltungs- und Entwicklungsraum für Mensch und Natur“ war das Thema der diesjährigen Marienbader Gespräche des Sudetendeutschen Rates (SR) am vergangenen Wochenende. Volksgruppensprecher Bernd Posselt beendete die Marienbader Gespräche 2024 mit den Worten: „Europa ist unser Thema. Und wir sind das Herz Europas.“
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Er, so Bernhard Pohl, wohne im bayerisch-schwäbischen Kaufbeuren, das eine Partnerschaft mit Gablonz habe. Der Stadtteil Kaufbeuren-Neugablonz sei eine der fünf bayerischen Vertriebenengemeinden, und hier seien vor allem Vertriebene aus Gablonz und dem Isergebirge gestrandet. Die Marienbader Erklärung sei die Basis dieser Partnerschaften. EU und NATO seien Friedensprojekte,
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FORUM
Sudetendeutsche Zeitung Folge 42 | 18. 10. 2024
Nikolaus Coudenhove-Kalergi aus dem nahe der bayerischen Grenze liegenden böhmischen Ronsperg gewesenn sei. Die Europaidee sei also eine Grenzlandidee. Inmitten des Volkstumskampfes seien damals polyglotte rin von Marktredwitz, habe 1991 Böhmen. Auch die Wirtschafts- en, Kunst und Hochtechnologie und Isolierung seien ein Stopzei- Menschen in Ronsperg verkehrt. „Wir müssen die Grenzen zwibis 1993 dafür das Fundament kammer der Region Karlsbad un- an der Westböhmischen Univer- chen. Rußland sei aus der G 8 und gelegt. Dank der Euregio Egren- terstütze die Zusammenarbeit. sität in Pilsen sowie Aufsichtsrat aus dem Europarat ausgeschlos- schen Volksgruppen und Staaten überwinden. Wir müssis seien viele Kontakte und geLeider sei Deutsch nicht mehr der gemeinnützigen sen die Grenzen unmeinsame Projekte, Leutturm- Fremdsprache Nummer 1. Und Gesellschaft Kultursichtbar machen. Eurprojekte mit Langzeitwirkung, die Sprachbarriere sei natürlich hauptstadt Europas opa wächst an seinen ein Problem. Ebenfalls ein Chemnitz 2025. Marks Grenzen zusammen.“ Problem sei, daß die Gren- widmete sich der wisEuropa voranzubrinzen in der Mitte Europas senschaftlichen Zugen, gelinge nicht in wieder kontrolliert würden. sammenarbeit und seinen HauptstädLinda: „Eine gute Regie- dem studentischen ten, sondern in seirung wird uns weiterbrin- Austausch zwischen nen Institutionen und gen.“ bayerischen und an seinen Rändern. Der 50jährige Martin tschechischen UniSo habe Václav HaKrsek erinnerte sich leb- versitäten und Hoch vel Europa die Heihaft, als Kind die Ferien mit schulen. Knut Abraham MdB mat der Heimaten geKindern aus der DDR und Die sonntägliche Milan Moráček MdEP a. D. nannt. Dank Volkmar Polen in Arbeitslagern der ökumenische Andacht Martin Krsek Toni Dutz Dr. Peter Becher Pioniere verbracht zu ha- hielt Tilman Asmus Fischer. Er ist sen worden. Ein Instrument sei Gabert, Albrecht Schläger und ben. Die Grenze sei keine freier Journalist und Autor, Wis- der Europäische Gerichtshof für Christa Naaß werde das Zusamentstanden. Erst grundsätzliche Barriere gewesen. senschaftlicher Mitarbeiter am Menschenrechte (EGMR). 1994 menwachsen Europas in Marienwährend Corona Mit den Eltern, die gute Freunde Lehrstuhl für Praktische Theolo- sei Rußland – auf dem Höhe- bad realisiert, und zwar mit Hilfe sei vielen bewußt in Cottbus gehabt hätten, habe er gie an der Humboldt-Universität punkt des Tschetschenienkrie- der Vertreter aller deutschen und geworden, wie Urlaub in der DDR gemacht. Die Berlin und betreut eine evangeli- ges – aufgenommen worden, in tschechischen Parteien im Sudeeng man schon Freundschaft sei nach der Wen- sche Pfarrgemeinde. Seine Wur- der vergeblichen Hoffnung dort tendeutschen Rat außer der Parzusammengede nicht größer geworden, weil zeln liegen in Westpreußen. Er die Menschenrechte durchset- teien am ganz linken und rechten wachsen sei. Rand. es plötzlich so viele neue Mög- engagiert sich bei den Westpreu- zen zu können. Ein UNO-Sondertribunal Toni Dutz ist lichkeiten gegeben habe. Als ßen, beim BdV und bei der SeliDie Gründungsväter des verder Sohn eines Schüler und Geschichtsstudent ger-Gemeinde. Die Andacht en- blockiere Rußland mit seinem einten Europa, Konrad Adenauaus Alt Rohlau hätten sich ihm dete mit dem Veto. Nun habe die Parlamen- er, Robert Schuman und Alcivertriebenen Por- in Deutschgemeinsam ge- tarische Versammlung des Eu- de De Gasperi, hätten alle aus Tomáš Linda Eva Döhla zellanfabrikanland neue Dibeteten Va- roparates eine von ihm, Abra- Grenzregionen gestammt: Adeten. 600 000 Ver- mensionen erterunser, dem ham, initiierte Resolution (Ý SdZ nauer aus dem Rheinland, SchuBayern und Böhmen leisteten triebene seien seinerzeit durch schlossen. Lied „Großer 41/2024) angenommen, die wei- man aus Lothringen und De GasFriedensarbeit. Frieden sei mehr Wiesau geschleust worden, er- Wie durchläsGott, wir loben tere Akte des Völkermordes am peri aus Welschtirol. Nach dem als das Gegenteil von Krieg. Die zählte er. Heute müsse man sich sig die GrenDich“ und dem ukrainischen Volk verhindern Ende des Zweiten Weltkrieges Politiker hätten zu viel verspro- auf kommunaler Ebene wirt- ze in der Gesollten. Mittlerweile sei ein Scha- sei Mitteleuropa zerstört geweSegen. chen, sich mit Versprechen über- schaftlich vernetzen. Dabei hel- schichte geweDer Diplo- densregister eingerichtet wor- sen. Man habe sich neu orientieboten, statt miteinander um den fe die Sprache. Lindas Kinder, so sen sei, werde mat und Po- den, in dem vom Krieg verur- ren müssen. Im Osten habe Totarichtigen Weg zu streiten. „Wir Dutz, sprächen deutsch, seine ei- gern ignoriert. litiker Knut sachte Schäden dokumentiert litarismus geherrscht, im Westen müssen wieder Vertrauen schaf- genen Enkel besuchten Tsche- Man denke nur Abraham ist würden, um sie nach dem Krieg die Freiheit. Also habe man sich fen“, schloß Pohl. chischkurse. Man müsse die an Räuber und Bundestagsab- ahnden zu können. Immerhin ha- nach Westen orientiert und für Dr. h. c. Bernd Posselt MdEP a. D. In der Diskussion fragte Stef- Menschen diesseits und jenseits Schmuggler. geordneter so- be Rußland 65 000 ukrainische Frieden, Freiheit und Demokrafen Hörtler, SL-Bundesvizevor- der Grenze zusammenführen. Als Senator wie Mitglied Kriegsgefangene und verschlep- tie entschieden. sitzender, die Staatssekretärin, Leider sei die Verbindung via habe er interessante Wirtschafts- der deutschen Delegation der pe ukrainische Zivilisten. Die USA und Europa müßob es vermessen sei, erneut die Zug oder Straße zwischen Bayern kooperationen zwischen Sachsen Parlamentarischen Auf eine Zusammenarbeit ten Partner auf Augenhöhe sein, VersammAufhebung der Beneš-Dekrete und Böhmen zu langsam. und Nordböhmen unterstützt. lung des Europarates und des Su- mit dem Europarat angespro- daß dies nicht der Fall sei, sei die zu fordern. Rita SchwarzelührTomáš Linda kam 1980 zur Allerdings bereiteten die langen detendeutschen Rates. Er sprach chen, meinte SR-Mitglied Mi- Schuld der Europäer. Diese dürfSutters nicht ausweichende, son- Welt, erlebte also noch neun Schlangen auf den Autobahnen über „75 Jahre Europarat. Einsatz lan Horáček MdEP a. D., er sei ten sich nicht darauf verlassen, dern eindeutige Antwort: „Jetzt Jahre Kommunismus. Als Kind und die Grenze Probleme. So- für Menschenrechte, Deist die Zeit noch nicht reif.“ habe er sich gefragt, warum er gar beim Pilzesuchen mache die mokratie und RechtsstaatDie Runde „Deutsch-Tschechi- nicht über die nahe Grenze dür- Grenze Probleme. Bei Herrens- lichkeit. Unterstützung des sches Grenzland. Gemeinsamer fe. 1989 habe er die ersten Be- kretschen, empfahl Martin Kr- Mitgliedslandes Ukraine“. Erhaltungs- und Entwicklungs- suche in Bayern gemacht. Nach sek, gebe es einen freien Weg. Der 1949 in London geraum für Mensch und Natur“ mit der Grenzöffnung habe sich groÜber deutsche und tschechi- gründete Europarat ist deutschen und tschechischen Po- ßer Enthusiasmus breit gemacht. sche Projekte im Grenzraum be- der Hüter von Demokralitikern aus dem Grenzraum mo- Heute, 30 Jahre später, herrsch- richteten Magdalena Becher, Ve- tie, Menschenrechten und derierte Peter Becher, Literat und ten verschiedene Wertesysteme, ronika Hofinger, Václav V rbík, Rechtsstaatlichkeit in EuVorsitzender des Adalbert-Stif- die Bürgermeister wechselten Štěpánka Černá und Maximilian ropa und darüber hinaus. ter-Vereins. Auf dem Podium sa- sehr oft und mit ihnen die Ein- Teubner. Becher leitet das Gast- Ihm gehören 46 Staaten – ßen Toni Dutz, Bürgermeister stellung zum Nachbarn. Für die schulprojekt der Euregio Egren- davon 27 EU-Mitglieder – Dr. Veronika Hofinger Václav Vrbík von Wiesau und Vorstandssis AG Bayern. Vrbík ist Ge- mit über 700 Millionen Bür- Magdalena Becher mitglied der Sudetendeutschäftsführer des Vereins Via gern an. Sein Sitz ist der Euschen Bundesversammlung, Carolina – Goldene Stra- ropapalast in Straßburg. Er Tomáš Linda, Bürgermeister ße und schilderte den Ge- ist nicht mit der EU verbunvon Lindenhau/Lipová und schichtspark Bärnau–Tachov. den, auch wenn beide die Vorstandsvorsitzender der Über das zweisprachige Klas- Europa flagge und die EuWirtschaftskammer der Regisenzimmer in der Grundschu- ropahymne verwenden. Der on Karlsbad, der Aussiger Sele in Eger berichteten Schul- Europarat ist nicht der Eunator Martin Krsek und Eva direktorin Černá und der ropäische Rat – Organ der Döhla, Hofs OberbürgermeiDeutsch- und Tschechischleh- Staats- und Regierungs sterin und Präsidiumsmitglied rer Teubner. Er unterrichtet in chefs – und nicht Rat die der Euregio Egrensis AG. Eger in der Grundschule und Europäischen Union – der Sie habe, so Eva Döhla, ihre im Gymnasium Deutsch und Ministerrat. Štĕpánka Černá Arnošt Marks Jugend in einem Zonenrandbetreut in der Mittelschule im Die deutsche Delegation Maximilian Teubner gebiet verbracht, das jetzt die oberpfälzischen Waldsassen bestehe aus 18 nach ParteiMitte Europas sei. Nach dem den Tschechischunterricht. en geordneten MdB, deren Leiter eine Ausnahme, weil er sich im- daß die USA die Sicherheit EuFall des Eisernen Vorhangs Der Chrisdemokrat Arnošt Frank Schwabe (SPD) sei, berich- mer für einzelne eingesetzt habe. ropas für immer gewährleisteten, sei Tschechien Neuland ge- Tilman Asmus Fischer spendet den Marks war unter Vizepremier tete Abraham. Seit 2014 behand- Allerdings habe er bereits 2005, Zur Sicherheit Europas beizutrawesen. Man habe eine Platt- Schlußsegen. Pavel Bělobrádek Vizewissen- le Rußland die Ukraine aggressiv. als die Türkei EU-Mitglied habe gen, sei auch eine zentrale Aufform für die Zusammenarbeit schaftsminister. Mittlerweile Wie könne man auf diese Agres- werden sollen, dasselbe Recht für gabe des deutsch-tschechischen gebraucht. Dafür sei die Eure- Zusammenarbeit sei die Platt- ist er Prodekan für kreative, in- sion reagieren. Man müsse das die Ukraine gefordert. Verhältnisses. Posselt: „Europa Volksgruppensprecher Bernd ist unser Thema. Und wir sind gio Egrensis ins Leben gerufen form Euregio Egrensis gut. Sie ternationale und innovative Ak- Opfer mit Waffen, Geld, Flüchtworden. Brigitte Seelbinder, die verbinde die Freistaaten Sach- tivitäten und Direktor des Insti- lingsaufnahme und wirtschaft- Posselt wies darauf hin, daß das das Herz Europas.“ langjährige Oberbürgermeiste- sen, Thüringen und Bayern mit tuts für Interdisziplinäre Studi- lich unterstützen. Sanktionen vereinigte Europa eine Idee von Nadira Hurnaus
� Fortsetzung von Seite 6
Wir sind das Herz Europas
Dolmetscherin Gudrun Heißig, Martin Dzingel, Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik, und Christina Meinusch, Heimatpflegerin der Bilder: Nadira Hurnaus Sudetendeutschen.
Reinfried Vogler, ehemaliger Vorsitzender der Sudetendeutschen Bundesversammlung, und Alexander Klein, Vizevorstandsvorsitzender der Sudetendeutschen Stiftung.
Rainer Pasta von der Bundesgeschäftsstelle der Seliger-Gemeinde, Annette Wilkes, Geschäftsführerin des Sudetendeutschen Rates, und Bernhard Pohl MdL von den Freien Wählern.
8 Im Haus des Deutschen Ostens in München (HDO) ist die neue Ausstellung „Deutsche Minderheit in Rumänien“ eröffnet worden. Grußworte bei der Eröffnung hielten Miheia-Mălina Diculescu- Blebea, die Generalkonsulin der Republik Rumänien in München, Paul-Jürgen Porr, der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), Petra Loibl MdL, die Aussiedlerund Vertriebenenbeauftragte des Freistaats Bayern, Brunhilde Reitmeier-Zwick, Mitglied des Bundesvorstandes des Bundes der Vertriebenen, Bernhard Fackelmann, der Vorsitzende des Kulturwerks der Banater Schwaben, und Heidi Mößner von der Orts- und Kreisgruppe München des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Der HDO-Direktor Andreas Otto Weber begrüßte die prominenten Gäste, eröffnete die Ausstellung und lud ein zu einem Empfang mit Siebenbürger Spezialitäten.
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ie Deutschen in Rumänien sind eine der bedeutendsten Minderheiten in Europa“, sagte Petra Loibl in ihrem Grußwort. Sie hätte früher aus mehreren Gruppen bestanden, so die Aussiedler- und Vertriebenenbeauftragte des Freistaats Bayern. Dabei habe es sich um die Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben und Banater Berglanddeutschen, ferner die Bukowina- und Bessarabiendeutschen, Dobrudschadeutsche, Landler, Sathmarer Schwaben und Zipser gehandelt. „Sie alle lebten in enger Symbiose mit anderen Volksgruppen, was erst durch den aufkommenden Nationalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gestört wurde.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg seien sie zwar nicht vertrieben, jedoch in großer Zahl in Lagern interniert worden. „Eine Zeit des Maryriums begann für die Deutischen im kommunistischen Rumänien.“ Nach der rumänischen Revolution von 1989 seien zunächst viele der Rumäniendeutschen ausgereist. Heute jedoch wür-
KULTUR
Sudetendeutsche Zeitung Folge 42 | 18. 10. 2024
HDO-Direktor Professor Dr. Andreas Otto Weber, Dr. Petra Loibl MdL, Generalkonsulin Miheia-Mălina Diculescu-Blebea, Dr. Paul-Jürgen Porr, Bernhard Fackelmann, Heidi Mößner von der Kreisgruppe München des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, und Brunhilde Reitmeier-Zwick, Mitglied des BdVBundesvorstandes mit Trachtenträgern von der Kreisgruppe München des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland.
� Neue Wanderausstellung im Haus des Deutschen Ostens in München eröffnet
Die neue Ausstellung
Deutsche in Rumänien den mehr von ihnen in ihre „alte“ Heimat reisen als Angehörige anderer Minderheiten. „Ich war erst im August beim Großen Sachsentreffen in Hermannstadt“, so Loibl. „Die Deutschen aus Rumänien sind mir eine Herzensangelegenheit“, versicherte sie. Über die Deutschen in Rumänien sprach auch Miheia-Mălina Diculescu-Blebea. Die Deutschen seien immer Brückenbauer gewesen, betonte die rumänische Generalkonsulin. „Die deutsche Minderheit hat einen wesentlichen Beitrag für unser Land geleistet.“ Ihr fünfzehnjähriger Sohn, der im Publikum des Abends saß, habe in der Schule als Fach die Geschichte der deutschen Minderheit gewählt. „Mir ist es eine Bereicherung, Freude und Ehre, heute hier zu sein“, schloß die gebürtige Kronstädterin. „Ich kann diese Wanderausstellung nun schon zum 15. Mal
Dr. Petra Loibl MdL und Generalkonsulin Miheia-Mălina Diculescu-Blebea.
nissage lud Heidi Mößner von der Kreisgruppe München der Siebenbürger Sachsen zu einem üppigen Buffet mit Siebenbürger Leckereien. Mit einem Glas Wein und einem Speckbrot in der Hand sahen die Gäste die neue Ausstellung an. Sie zeigt die facettenreiche Kultur und Geschichte der deutschen Minderheit in Rumänien. Die Schau spannt einen beeindruckenden zeitlichen Bogen über mehr als 850 Jahre und zeigt sowohl tiefgreifende Umbrüche als auch Kontinuitäten in der Entwicklung dieser Gemeinschaft. Die Ausstellung beginnt im 12. Jahrhundert, als die ersten deutschen Siedler das heutige Rumänien erreichten, und führt bis in die Gegenwart, in der Klaus Johannis, ein Vertreter der Siebenbürger Sachsen, das Amt des rumänischen Staatspräsidenten bekleidet.
eröffnen“, freute sich Paul-Jürgen Porr. In ihr werde die fast 900jährige Geschichte der Deutschen in Rumänien beleuchtet, so der Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien. Das Forum habe die Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft in Bukarest gestaltet. „Jeder Besucher wird diese Ausstellung informierter, wissender und nachdenklicher verlassen“, meinte Brunhilde Reitmeier-Zwick in ihrem Grußwort. Sie war in Vertretung von BdV-Präsident Bernd Fabritius gekommen. Für die Banater Schwaben sprach Bernhard Fackelmann, der Vorsitzende ihres Kulturwerks. „Ich kam 1950 in Sanktmartin im Banat zur Welt und habe erst 1979 das Banat verlassen“, erzählte er. Er freute sich: „In der neuen Ausstellung können wir zeigen, wer wir waren, wer wir sind.“ Am Ende der Ver-
Im Fokus der Präsentation stehen sämtliche deutschen Volksgruppen, die in Rumänien beheimatet sind. Das reicht von den Siebenbürger Sachsen über die Landler, Banater Schwaben und Sathmarer Schwaben bis hin zu den Berglanddeutschen, Zipsern, Bukowinadeutschen und Dobrudschadeutschen. Die Ausstellung beleuchtet in anschaulicher Weise die vielfältigen Herkunftsregionen und Einwanderungswege dieser Gruppen und ihre gemeinsame Geschichte als Minderheit seit 1918, die von Einheit und Diversität geprägt ist. Zusätzlich werden zentrale Themen wie die ethnische und religiöse Identität der deutschen Gemeinschaft in Rumänien, ihr kulturelles Erbe sowie ihre Rolle als Brückenbauer in den heutigen deutsch-rumänischen Beziehungen thematisiert. Susanne Habel Bis Freitag, 13. Dezember: „Deutsche Minderheit in Rumänien. Geschichte und Gegenwart im vereinten Europa“ in MünchenAu, Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5. Montag bis Freitag 10.00–20.00 Uhr.
Die Ausstellung zeigt die Geschichte der deutschen Minderheiten in Rumänien. Sie beginnt im 12. Jahrhundert, als erste deutsche Siedler das heutige Rumänien erreichen, und führt bis in die Gegenwart.
Bilder: Susanne Habel
Die Ausstellung mit ihren vielen Tafeln und Texten begleitet das Buch „Die deutsche Minderheit in Rumänien“. Bei der Eröffnung gibt es siebenbürgische Spezialitäten. Ganz rechts die Rundfunkjournalistin Dr. Renate von Walter.
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KULTUR
Sudetendeutsche Zeitung Folge 42 | 18. 10. 2024
Kuratorin Eva Haupt beschreibt die Ausstellung.
Großes Gedränge bei den zwei ausgebuchten Führungen.
Bilder: Daniel Mielcarek, SDM
� Begleitprogramm zur Ausstellung über Oskar Schindler im Sudetendeutschen Museum in München
Ausstellungsführungen und Hollywoodfilm Letzte Woche gab es anläßlich des 50. Todestages von Oskar Schindler am 9. Oktober zwei Kuratorenführungen durch die Sonderausstellung „Oskar Schindler – Lebemann und Lebensretter“ im Sudetendeutschen Haus in München. Die Führungen leitete Ausstellungskuratorin Eva Haupt. Nach der zweiten Führung wurde als Sonderaufführung der Spielfilm „Schindlers Liste“ (1984) von Steven Spielberg im Kino Filmpalast Rio am Rosenheimer Platz gezeigt. Als Ehrengast nahm Regine Pemper, die Nichte von Mieczysław „Mietek“ Pemper, teil. Mietek Pemper hatte selbst auf Schindlers Liste gestanden.
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nter dem Motto „Das Mädchen in Rot“ führte Eva Haupt durch die Alfred-KubinGalerie im Sudetendeutschen Haus, in der die Ausstellung gezeigt wird. Ein Schlüsselmotiv von Steven Spielbergs Hollywoodfilm „Schindlers Liste“ von 1994 ist das kleine Mädchen im roten Mantel, das alleine und verschreckt inmitten der grausamen und gewaltsamen Auflösung des Krakauer Ghettos umherläuft und Oskar Schindler auffällt. Der rote Mantel ist der einzige Farbakzent in dem sonst gänzlich in Schwarzweiß gehaltenen Film. Er bietet ein bewegendes Leitbild für den Holocaust, das den moralischen Wandel des Oskar Schindler unterstreicht.
Regine Pemper und Eva Haupt vor dem Rio.
Bild: Susanne Habel
Die Führung verglich die reale Geschichte und ihre dramaturgische Umsetzung im Film. Oskar Schindler (1908–1974) rettete gemeinsam mit seiner Frau Emilie 1200 Juden vor den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten. Aus Anlaß des 50. Todestages von Oskar Schindler zeigt das Sudetendeutsche Museum in einer Sonderausstellung die Geschichte seiner Rettungsaktion und das Leben dieses „Lebemanns und Lebensretters“. Im Zentrum der Ausstellung steht ein spektakuläres Exponat: zwei originale Seiten einer Namensliste jüdischer Häftlinge, die bisher noch nirgendwo ausgestellt wurden. Der Schauspieler Friedrich von Thun leiht seine
Stimme für die Wiedergabe der berühmten Rede Schindlers am 8. Mai 1945 in Brünnlitz. Diese Fakten vermittelte Eva Haupt bei ihrer Kuratorenführung durch die Sonderausstellung über Oskar Schindler, wobei sie zusätzlich viel Hintergrundwissen preisgab. Die Kuratorin beschrieb auch den Aufbau der Ausstellung, die durchweg chronologisch gestaltet ist, und die Schwierigkeiten bei der Suche nach Original-Exponaten, von denen es nur wenige gibt. Sie stellte die umfassende Konzeption durch das Sudetendeutsche Museum und die sorgfältige Ausführung durch die beteiligten Firmen dar. Susanne Habel
� Das Böhmerwaldmuseum bei der „Langen Nacht der Museen“ in Wien
Großes Interesse bei der jüngeren Generation Das Wiener Böhmerwaldmuseum nahm an der 24. ORF-Aktion „Lange Nacht der Museen“ Anfang Oktober teil. Auch viele jüngere Interessenten informierten sich.
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as kleine Heimatmuseum erfreut sich als Treffpunkt von interessierten Ahnen- und Heimatforschern um die Region „Böhmerwald“ (jenes deutschtschechisch-österreichischen Grenzgebiets) über die Historie des Landstriches und die Geschichte der Vertreibung der dort
ansässigen deutschsprachigen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg eines sehr guten Besucherzuspruchs. Dies war auch so in der „Langen Nacht der Museen“. Es bietet auch eine fachlich fundierte Informationsstelle in der Person von Museumsleiter Gernot Peter. Wobei sich das Interesse ganz besonders bei der jüngeren Generation immer stärker zeigt. Auf den Spuren ihrer Vorfahren und Angehörigen kamen auch heuer wieder verstärkt jüngere Gäste.
Die Museumsleitung durfte sich aber auch über den Besuch des österrreichischen SL-Landesobmanns für Wien-Niederös terreich-Burgenland, Erich Lorenz, des Vorsitzenden der Seliger-Gemeinde in Österreich, der Gesinnungsgemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten, und des ehemaligen Wiener Landtagsabgeordneten Volkmar Harwanegg, des SLÖ-Obmannes Christian Stefanitsch aus Horn sowie der Genealogen Helmuth Tautermann, Michael Ambrosch und des Sankt-Stanislaus-
Dr. Gernot Peter, Leiter des Böhmerwaldmuseums in Wien, inmitten interessierter Besucher. Bilder: Böhmerwaldmuseum Wien
Ordensritters Horst Wolek sehr freuen. Für eine lockere Stimmung sorgte in bewährter Weise wieder der Obmann des Wiener Böhmerwaldbundes und Direktionsrat Franz Kreuss mit seinen Vorträgen humorvoller Gedichte in Böhmerwäldler Mundart sowie Geschichten mit der typisch Wienerischen Böhmakelei. Bei dem von der Familie des Museumleiters Peter aufgebauten Buffet gab es bei einem Gläschen guten Weines und leckeren Brötchen gute Gespräche. Dabei
wurde auch ein Aufstrich von der Gattin des Museumskustos Herwig Kufner aus Maria Enzersdorf angeboten. Es gab einen besonders herzlichen Gedankenaustausch.Beim Verlassen des Museums bekamen die Besucher noch als Wegzehrung eine – vom Wiener Böhmerwaldbund gesponserte – Tafel Schokolade mit einem Danke-für-Ihren-Besuch-Aufkleber. Die Aktion „Lange Nacht der Museen“ war für das Böhmerwaldmuseum wieder ein weiterer Schritt in Richtung Völkerver-
ständigung hinsichtlich des nicht immer friktionsfreien Verhältnisses zur Tschechischen Republik. Die junge Generation diesseits und jenseits der Grenze ist hier auf dem richtigen Weg in eine neue gemeinsame Zukunft. zk
Museumsobmann Direktionsrat Franz Kreuss mit dem Genalogen, Historiker, Familienforscher und Sankt-Stanislaus-Ordensritter Horst Wolek.
Vor dem Eingang des Museums laden Plakate ein.
Böhmerwaldmuseum Wien, Ungargasse 3/2/10, Wien I. Erreichbar über Bahnhof Wien Mitte (S-Bahn, U3, U4, Linie 0). Geöffnet sonntags 9.00–12.00 Uhr oder nach telefonischer Voranmeldung bei Gernot Peter, Telefon (0 04 36 64) 88 88 28 24.
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VERBANDSNACHRICHTEN
Sudetendeutsche Zeitung Folge 42 | 18. 10. 2024
� BdV-Orts- und -Kreisverband Wetzlar/Hessen
Verständigung, Freundschaft, Versöhnung und Frieden Viele kluge, mutmachende und mahnende Worte, umrahmt von zahlreichen musikalischen Beiträgen, prägten den Tag der Heimat des hessischen BdV-Ortsund -Kreisverbandes Wetzlar in der Stadthalle Wetzlar Ende September. Heuer stand er unter dem Motto „Heimatvertriebene und Heimatverbliebene: Gemeinsam für ein friedliches Europa“.
B
dV-Kreisvorsitzender Manfred Hüber, sein Stellvertreter Michael Hundertmark sowie Organisator und BdV-Ortsvorsitzender Kuno Kutz konnten erfreulicherweise nicht nur viele Gästen im wohlgefüllten Stadthaussaal begrüßen, sondern mit dem Hessischen Innenminister Roman Poseck – qua Amt für die Heimatvertriebene und Spätaussiedler verantwortlich – auch einen prominenten Festredner. In seinem Ministerium ist die Stelle des Landesbeauftragten für Heimatvertriebene und Spätaussiedler etabliert. 15 Jahre lang widmete sich Margarete Ziegler-Raschdorf dieser speziellen Aufgabe, die voriges Jahr Andreas Hofmeister MdL übernahm. Das Veranstaltungsmotto sei, so Poseck, schon zu allen Zeiten wichtig gewesen, aber in der Gegenwart von besonderer Aktualität. Noch vor drei Jahren hätte niemand gedacht, daß es in Europa wieder einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg geben könnte, der in der Folge enorme Fluchtbewegungen auslöse. Eine Million Menschen aus der Ukraine sei nach Deutschland gekommen, davon 100 000 nach Hessen. „Der Krieg macht deutlich, daß wir für unsere Werte eintreten und sie auch verteidigen müssen“, so Poseck, der an die historische Verantwortung der Deutschen erinnerte, aus der heraus sie verpflichtet seien, der Ukraine beizustehen, wozu ausdrücklich auch die Unterstützung mit Waffen gehöre. „Wenn Rußland diesen Krieg gewinnt, dann nimmt auch die Bedrohung für Deutschland enorm zu“, so der Innenminister. Für diese klaren Worte erntete Roman Poseck wiederholt zustimmenden Beifall des Publikums. Eine Million Vertriebene und Flüchtlinge ist unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg nach Hessen gekommen. Sie haben sich, so der Minister, in Hessen vorbildlich eingebracht und am Aufbaun des Landes mitgewirkt. Die Integration dieser Menschen sei damals – bei al-
len Schwierigkeiten – gerade in Hessen gut gelungen. Und die vom damaligen Ministerpräsidenten Georg-August Zinn (1901–1976) formulierte Prämisse gelte bis heute: „Hesse ist, wer Hesse sein will.“ Ein besonderes Verdienst der Heimatvertriebenen und ihrer Verbände und Organisationen sei die Tatsache, daß sie sehr früh und ausdrücklich den Weg eines friedlichen Miteinanders der Menschen in Deutschland und Europa eingeschlagen hätten. Dieser „neue Weg in die europäische Staatengemeinschaft“ verdiene und bedürfe als Leistung der Heimatvertriebenen immer wieder der Erinnerung und Würdigung. „Wer heute durch Eu ropa reist, der spürt, wie wertvoll diese Werte sind.“ „Wir brauchen die Zusammenarbeit in Europa“, auch wenn da nicht alles reibungslos funktioniere und Zielkonflikte gelöst werden müßten. Zweifellos sein man dennoch seit Jahrzehnten mit einer Europapolitik der Gemeinsamkeiten gut gefahren. So wie von den Heimatver-
scheide zur Unterstützung ebenso vieler spezieller Projekte. 2700 Euro für eine kulturelle Mehrtagesfahrt ins Altvatergebirge, 600 Euro für die Sanierung eines Mahnmals in Gießen, das an die Vertreibung erinnert, sowie 1600 Euro zur Katalogisierung von Büchern und deren Überführung in das BdV-Archiv in Wetzlar. Auch die vier Überbringer von Grußworten argumentierten im Sinne des Festredners und des BdV. „Europa ist unsere Zukunft, eine andere haben wir nicht“, zitierte Landtagsabgeordneter Matthias Büger den ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher und bezeichnete die gegenseitige Rücksichtnahme auf das Recht des anderen als Grundlage für den Frieden. Sein Landtagskollege Frank Steinraths nannte die Anwesenheit des Hessischen Innenministers ein besonderes Zeichen der Wertschätzung und den Tag der Heimat ei-
Michael Hundertmark, Professor Dr. Roman Poseck, Kuno Kutz, Roland Jankofsky und Manfred Hüber bei der Übergabe der Förderbescheide. Oben der Kreistagsvorsitzende Johannes Volkmann. triebenen vorgelebt, müßten Politik und Gesellschaft weltoffen und europafreundlich bleiben und das europäische Haus weiter mitgestalten. Leider, so Poseck, gebe es Strömungen, die Europa und die europäische Orientierung Deutschlands in Frage stellten. Nationale Alleingänge aber seien völlige Irrwege, und das nicht nur aus wirtschafts-, währungs- und sicherheitspolitischen Gründen. Der Innenminister sicherte den Heimatvertriebenen und ihren Verbänden, deren ehrenamtliches Engagement unverzichtbar sei, „um die Dinge am Laufen zu halten“, die weitere Unterstützung des Landes Hessen zu. Er überreichte dem BdV-Kreisvorsitzenden Hüber drei Förderbe-
ne nach wie vor und auch künftig wichtige Veranstaltung. Landrat Wolfgang Schuster erinnerte an die 42 000 Menschen, die zwischen 1946 und 1949 in das Gebiet des heutigen Lahn-Dill-Kreises gekommen und nicht überall willkommen gewesen seien. Für die Region an Lahn und Dill seien sie aber letztlich ein Geschenk gewesen. Bärbel Keiner, Wetzlarer Stadträtin und Vorsitzende des VdKKreisverbandes, zitierte den heimatvertriebenen Theologen Johann Andreas Blaha: „Laß dir die Fremde zur Heimat, aber nie die Heimat zur Fremde werden.“ Sie bescheinigte den deutschen Vertriebenen mit Hinweis auf ihre Charta, in der sich die ihrer Heimat gewaltsam verlustig gegan-
genen Menschen schon 1951 verpflichtet hätten, abseits jeglicher Rachegedanken auf ein friedliches, gewaltfreies gemeinsames Europa hinzuarbeiten, ihrer Zeit weit voraus gewesen zu sein. Musik und Kultur sind beim Tag der Heimat mehr als ein verbindendes Rahmenprogramm, sondern gleichwertiger Teil der Traditionsveranstaltung. Diese boten die schon zum Inventar zählende heimische Blaskapelle „Egerländer Maderln und Freunde“ unter der Leitung von Heike Schlicht, zum dritten Mal die Volkstanzgruppe der Siebenbürger Sachsen Mittelhessen unter der Leitung von Regina Homm und Brigitte Ramser, zum wiederholten Mal die „Stimme der Hoffnung“, eine Gesangsgruppe der Deutschen aus Rußland unter der Leitung von Lili Morland, sowie der Erk‘sche Männergesangverein von 1841 Wetzlar unter Matthias Zipp. Einleitung und Begrüßung zum Tag der Heimat hatte der Stellvertretende BdVKreisvorsitzende Michael Hundertmark übernommen. Es sei wichtig, Brücken zwischen den Menschen zu bauen, die ihre Heimat zwangsweise hätten verlassen müssen, und denen, die geblieben seien, um daraus Verständnis zu schaffen zwischen den Alteingesessenen und den Neuankömmlingen. Und dies ohne Schuldzuweisungen, sondern im Blick nach vorne auf die Gestaltung eines gemeinsamen, friedlichen und starken Europas. Das Gedenken an die Toten der Weltkriege sowie die Opfer von Flucht und Vertreibung zu allen Zeiten faßte Kuno Kutz in bewegende Worte. Dazu erhoben sich die Teilnehmer des Tages der Heimat in stiller und ehrender Anteilnahme. Der Stellvertretende Kreisvorsitzende Roland Jankofsky beschloß die Veranstaltung in der Stadthalle Wetzlar mit Dankesworten an Gäste und Mitwirkende. Und er beendete seine Ausführungen mit dem wiederholten Hinweis auf die europäische Orientierung aller Arbeit der Vertriebenenverbände und hob Lichtblicke der Versöhnung hervor, die sich auch und gerade bei der jungen Generation wie in der Tschechischen Republik erfreulicherweise zeigten. Dies sei ein sehr wichtiger Aspekt, denn, so Jankofsky, aus Verständigung werde Freundschaft, aus Freundschaft werde Versöhnung und aus Versöhnung werde Frieden. Franz Ewert
Die Wetzlarer Gesangsgruppe „Stimme der Hoffnung“ der Deutschen aus Rußland.
Der Erk‘sche Männergesangverein von 1841 Wetzlar.
Bilder: Franz Ewert
Obfrau Bärbel Anclam begrüßt die Landsleute.
� SL-Ortsgruppe Rückersdorf/Mittelfranken
Kesselfleisch und Feuerspatzen Anfang Oktober veranstaltete die mittelfränkische SLOrtsgruppe Rückersdorf ein Schlachtschüsselessen auf dem Schmidtbauernhof.
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raußen regnete es, aber im Schmidtbauernhof begrüßte Obfrau Bärbel Anclam die Landsleute zum traditionellen Schlachtschüsselessen im Oktober. Die Tische waren festlich und der Herbststimmung entsprechend geschmückt. Die Metzgerei Walter aus Ottensoos hatte das Catering übernommen und ihre Warmhalteplatten mit den Speisen darauf bereits aufgebaut. Was ist denn nun eine Schlachtschüssel? Der Begriff entwickelte sich bereits vor langer Zeit, als nämlich bei den Bauern noch ein eigenes Schwein geschlachtet und am Schlachttag frisch serviert wurde. Zur Schlachtschüssel gehören Blut- und Leberwürste, Kesselfleisch, das ist gekochtes Bauch- und Kopffleisch. Dazu ißt man in Franken üblicherweise Sauerkraut und Klöße. Die Bayern essen es mit Senf, Kren und Brot. Die Rückersdorfer Sudetendeutschen bevorzugten Kartoffelbrei zum Fleisch. Daneben gab es für eher vegetarisch eingestellte Personen noch eine Schüssel mit einem buntem Gemüseallerlei. Allmählich füllte sich der Raum mit erwartungsfrohen Mitgliedern und Gästen. Bärbel Anclam eröffnete das Fest mit einer launigen und erklärenden Ansprache über die Entstehung des Schlachtschüsselessens. Über Jahre hinweg hätten die Mitglieder der Seniorenverbände blaue Tassen als Weihnachtspräsent von der Gemeinde und dem Bürgermeister erhalten, der diese bei der Weihnachtsfeier den Mitgliedern über-
reicht habe. Dann habe es ab 2006 unter dem neuen Bürgermeister Peter Wiesner für ein Jahr Teepäckchen für alle gegeben. Ein Jahr später habe die Gemeinde beschlossen, allen Seniorenverbänden einen Gutschein über eine bestimmte Summe Geld zu übergeben, den die Vereine nach eigenem Gutdünken hätten verwenden können. Die damalige SLOrtsobfrau Erika Hanik habe sofort gewußt, was sie mit dem Gutschein ins Leben habe rufen wollen, nämlich das heute noch alljährlich stattfindende Schlachtschüsselessen. Übrigens war Erika Hanik die Mutter unserer heutigen Obfrau Bärbel Anclam, die die Landsmannschaft mit sehr viel Erfolg weiterführt. Sie lud dann alle ein, tüchtig am Büffet zuzugreifen und das Essen zu genießen, was alle froh beherzigten. Dazu wurden auch Bier und Mineralwasser serviert. Nach dem Essen stieg der Unterhaltungspegel wieder merklich an, und Rita Ludwig spielte auf ihrem Akkordeon bekannte Lieder. Mittlerweile war auch Bürgermeister Johannes Ballas im Schmidtbauernhof angekommen. Er begrüßte und plauderte reihum mit den Anwesenden und stellte fest, daß diese Tradition unbedingt erhalten bleiben müsse. Zum Ausklang des Treffens wurden allen noch Kaffee, Tee und sogenannte Feuerspatzen gereicht, ein süßes in Butterschmalz ausgebackenes Gebäck. Die Feuerspatzen hatten Gerlinde Weisel und Gertrud Sembach eigens für das Schlachtschüsselessen gebacken. Herzlichen Dank an alle Helfer, allen voran der guten Seele des Schmidtbauernhofes, die die Tische wunderbar geschmückt und einen riesigen Abwaschberg bewältigt hatte. Gabi Waade
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AUS DER HEIMAT
Sudetendeutsche Zeitung Folge 42 | 18. 10. 2024
Abend im Stift Tepl.
Vor dem Kaiserbad.
Im Zandersaal.
� Bund der Deutschen in Böhmen
Ein vergessener Arzt und ein Denkmal mit bewegter Geschichte Bildungsseminare gehören zu den wichtigen Projekten der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik. Der Bund der Deutschen in Böhmen (BdDB), konnte dank des Bundesheimatministeriums auch für den Verein der Deutschen in Pilsen wieder ein Bildungsseminar organisieren. Dieses Seminar am letzten Septemberwochenende im Stift Tepl bei Marienbad bot ein reichhaltiges Programm einschließlich einer Busreise nach Karlsbad. Richard Šulko, Seminarleiter und BdDBVorsitzender, berichtet.
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rster Referent war Tomáš Cidlina, seit 2010 Historiker des Heimatkundemuseums in Böhmisch Leipa und Träger der Adalbert-Stifter-Medaille der SL. Titel seines Vortrags war „Von Ignoranz zu Verständigung und Freundschaft. Aufarbeitung der Sudetendeutschen Geschichte von Böhmisch Leipa“. Zuerst stellte Cidlina Böhmisch Leipa und die Umgebung vor. Er erwähnte auch die dortige Industrie um 1940: Textil, Klavier Rösler oder Glasherstellung. Nach 1945 seien Tausende Gastarbeiter nach Böhmisch Leipa gekommen. Cidlina erwähnte in seinem Vortrag auch die wilde und organisierte Vertreibung der Deutschen. Antifaschten, die hätten bleiben dürfen, seien nach 1946 meistens freiwillig nach Deutschland gegangen. Wirtschaftlich habe die Ansiedlung der neuen Bewohner gut funktioniert. In den 1960er und 1970er Jahren sei man auf Uran gestoßen. Das habe den Aufschwung gebracht. Zehntausende Menschen seien zugezogen. Ende der 1980er Jahre habe Böhmisch Leipa schon 40 000 Bewohner gehabt. Bei der Kultur habe es aber nicht so gut funktioniert wie bei der Industrie. Vor allem habe sich niemand für die deutsche Vergangenheit interessiert. Das Museum in Böhmisch Leipa habe sich allerdings diesem Thema gewidmet. Bücher, Denkmale und Möbelstücke der Deutschen seien ins Museum gebracht worden. Allerdings habe es keine Zusammenarbeit mit den Vertriebenen gegeben. In den 1990er Jahren sei im Museum weitergearbeitet worden. Die Besuche der Vertriebenen seien nicht erwünscht und von Angst begleitet gewesen. Seine Vorgänger, so Cidlina, hätten an der alten antideutschen Einstellung festgehalten und vor allem die tschechischen Spuren in Böhmisch Leipa erforscht. Den Anfang der Erforschung der deutschen Vergangenheit habe die Herausgabe des Buches „Polzenblumen“/„Ploučnické květy“ gebildet. Er, Cidlina, habe damals keinen Zugang zum Archiv gehabt und mußte mit der „Oralhistory“, also mit der Befragung von Zeitzeugen, selber an-
fangen. Sehr viel habe ihm dabei Studium der Medizin in Prag und zin an der Karls-Universität Prag demie der Naturforscher LeoFranz Josef Lipenski, ein verblie- Wien promovierte Anton von und der Kaiser-Wilhelms-Uni- poldina gewählt. Jaksch ist Aubener deutscher Antifaschist, ge- Jaksch 1835 zum Dr. med. 1835 versität Straßburg. 1878 wurde er tor und Mitautor mehrerer meholfen. Dieser sei für ihn die rich- bis 1838 arbeitete er als Assistent in Prag zum Dr. med. promoviert. dizinischer Standardwerke. Die tige Verbindungsperson gewe- in der Zweiten medizinischen FaAnschließend war er kurzzei- sechste Auflage seines 1887 erstsen. kultät der Karls-Universität in tig Assistent bei Edwin Klebs, Al- mals veröffentlichten Buches 2018 lief Cidlinas erste Aus- Prag. Nebenbei fertigte er sei- fred Pribram und 1879 bis 1881 „Klinische Diagnostik innerer stellung „100 Jahre“. Bei seiner ne Habilitation, die er 1842 ab- bei seinem Vater. 1882 wurde er Krankheiten mittels bakterioersten Teilnahme an einem Su- schloß. Von 1842 bis 1846 war er Assistent von Hermann Nothna- logischer, chemischer und midetendeutschen Tag kroskopischer Unter2019 in Regensburg suchungsmethoden“ traf er alte Vertriebewurde 1907 in sechs ne und war tief von deSprachen übersetzt. ren Schicksal betrofDie Krankheit Anaemia fen. Aus dem Historiker pseudoleucaemica inCidlina wurde ein Akfantum (1889) trägt seitivist. Es meldeten sich nen Namen. Im Jahr immer mehr und mehr 1941 erhielt er die GoeVertriebene, und Cidlithe-Medaille für Kunst na hatte auf einmal die und Wissenschaft. Quellen, die er jahreRudolf von Jaksch lang gesucht hatte. Im heiratete 1882 in W ien Verlag Voda na mlýn erAdele von Haerdtl schien 2022 sein Buch (1867–1944), mit der „Leipsche.“ Es enthält Tomáš Cidlina mit seinem Buch Senator Martin Krsek spricht über das Denkmal er einen Sohn und drei „Přemysl der Pflüger“ auf dem Königsfeld bei Staditz. Erinnerungen der Deut- „Leipsche“ über Böhmisch Leipa. Töchter hatte. Nach schen, die nach 1945 1918 widmete sich Ruaus Böhmisch Leipa dolf von Jaksch weitervertrieben wurden. Das hin der Lehrtätigkeit Buch ist in Deutsch und und dem Thema VolksTschechisch. Nach drei gesundheit. Sein leMonaten war die tschebenslanges Thema war chische Version ausverdie Behandlung und kauft. Prävention von TuBei seiner Aufarbeiberkulose, über die er tung der deutschen Gebis in die 1940er Jahre schichte von Böhmisch Vorträge hielt. Jaksch Leipa stieß er aber auch war auch an dem Aufauf Hindernisse. 2020 schwung von Franzensgab es bei der Erinnebad beteiligt, wie die rung an die Vertreibung Stadtchronik sowie die vom 15. Juni 1945 eine Štěpán Karel Odstrčil spricht über die Ärzte Anton und Theodor Bayer spielt Zieharmonika zeitgenössische Presse Rudolf Jaksch von Wartenhorst. und singt. Gegendemonstration berichtet. von den Kommunisten Wie alle Deutschen aus ganz Nordböhmen. verlor Rudolf Jaksch Für Böhmisch Leipas nach 1945 sein EigenBürgermeisterin Jittum, und ihm wurden ka Volfová ist das Thedie Bürgerrechte entzoma immer noch ein Tagen. Er wurde auch webu. Die Schulen interesgen seines hohen Alters sieren sich aber für die nicht vertrieben. Rudolf deutsche Vergangenvon Jaksch starb am 8. heit. Die Lehrer fragJanuar 1947 in Rakolus/ ten nach deutschen SitHracholusky bei Mies. ten, und so entstand das Für den dritten Vortrag hatte ich einen Büchlein „Vergessene ganz besonderen RefeVolkssitten und Tradirenten gewinnen köntionen in Böhmisch Leipa“. Das Büchlein wird Vít Šulko, der jüngste Teil- Richard Šulko mit seiner Frau Irene auf der Václav-Havel-Bank nen: den Historiker und Senator des tschechiim Unterricht benutzt. nehmer, bewundert einen beim Hotel Pupp. Bilder: Radek Goubej (1), Hana Oliverius (1), Richard Šulko (7) schen Parlaments, MarDank Cidlinas Aktivitä- Sprudel. tin Krsek aus Aussig. ten wurde beispielsweise auch die evangelische Kirche Vorstand und Dozent an der neu gel an der Universität Wien, an Das Thema war auch spannend: gerettet. Cidlina erwähnte auch errichteten Brustkranken-Abtei- der er sich ein Jahr später im Be- „Přemysl der Pflüger“ und sein Waldkraiburg. 2024 sei das dor- lung, worauf er einen Lehrstuhl reich Pathologie habilitierte. Seit Denkmal auf dem Königsfeld in tige Archiv der Vertriebenen aus an der Universität Prag erhielt. 1884 war er Privatdozent, 1887 Staditz/Stadice, einem Ortsteil Böhmisch Leipa, Dauba und Hai- Dort war er 1849 Rektor. Für sei- folgte er dem Ruf der Universi- von Groß Tschochau/Řehlovice da dem Heimatkundemuseum in ne Tätigkeit war Jaksch mit der tät Graz auf ein Extraordinariat nahe Aussig. Přemysl der Pflüger/Přemysl Böhmisch Leipa übergeben wor- Berufung zum Hofrat und der für Kinderheilkunde. Damit war den (Ý SdZ 25/2024). Das ist ein Verleihung der Würde eines Rit- er Vorstand der Universitätskin- Oráč ist der mythische Stammvater des böhmischen Herrschergegutes Beispiel für andere Hei- ters des österreichischen Ordens derklinik. matkreise. der Eisernen Krone II. Klasse Ab 1889 wirkte Rudolf von schlechts der Přemysliden. Der Štěpán Karel Odstrčil aus dem ausgezeichnet worden. Jaksch an der Karl-Ferdinands- mythische Stoff ist in zwei mitEgerer Museum stellte den ver1841 heiratete Jaksch in Prag Universität in Prag als Ordinari- telalterlichen Quellen belegt: in gessenen Arzt Rudolf Jaksch Karolina Anna von Helly (1822– us für Innere Medizin und Vor- der Christianslegende vom Ende von Wartenhorst vor. Sein Vater 1859). Im Jahre 1861 kaufte stand der Kinderklinik. Auf seine des 10. Jahrhunderts und in der Anton Jaksch kam am 14. April Jaksch das Gut Lasko/Lazsko. Veranlassung wurde eine mo- „Chronica Boemorum“ des Cos1810 in Wartenberg am Rollberg 1872 erwarb er das Schloß Lu- derne Klinik geplant, die 1899 mas von Prag vom Anfang des 12. (Stráž pod Ralskem) zur Welt. hov/Lohowa in Westböhmen. eingeweiht wurde. In den Jah- Jahrhunderts. Bekannt ist die ErBeide leisteten einen bedeuten- Anton von Jaksch hatte acht Kin- ren 1894/95 und 1910/11 fun- zählung von Přemysl auch in der den Beitrag zur Entfaltung der der, denen er eine gute Bildung gierte er als Dekan der Medizi- Fassung der „Alten böhmischen Medizin in den böhmischen Län- angedeihen ließ. Nur Rudolf von nischen Fakultät und 1908/09 Sagen“ von Alois Jirásek. Dieses dern, vor allem in den westböh- Jaksch trat in die Fußstapfen sei- als Rektor der Universität. 1890 1894 entstandene Werk verarbeimischen Kurorten. Nach einem nes Vaters. Er studierte Medi- wurde er in die Deutsche Aka- tete die Stoffe der Cosmas-Chro-
nik und ihrer jahrhundertelangen Weiterentwicklung zu literarischen Sagen. Das Denkmal schuf Jo seph Max der Jüngere (1804–1855) im Jahre 1841. Auf dem Denkmal sind Reliefs, die die Ankunft einer Abordnung der Fürstin Libuscha auf der Prager Burg darstellen. Man findet hier noch einen eisernen Pflug, mit dem Přemysl der Pflüger ackerte. Das Denkmal ließ Graf Albert Nostitz bauen. Bei der Einweihung des Denkmals kam auch der Preußische König mit Militär. Dieses Denkmal sollte die Landwirtschaft und das Leben auf dem Land würdigen. Bei der Einweihung symbolisierten Zweige aus Eiche und Haselnuß die Zweisprachigkeit. Nach der Gründung der Tschechoslowakei wurde dieses Denkmal zum Symbol der Nationalen Reibungen zwischen den Deutschen, die eigentlich 100 Prozent der Bevölkerung in Staditz gebildet hatten, und den nach 1918 neu hinzugekommenen tschechischen Bewohnern. 1928 hätten noch zweisprachige Feste am Denkmal stattgefunden, so Martin Krsek, zu dem sowohl tschechische, als auch deutsche Abgeordnete gekommen seien. Aber mit der Zeit habe sich die Lage immer mehr zugespitzt. Von der tschechischen Seite habe es nach 1918 immer Versuche gegeben, das Denkmal für die tschechischen Interessen zu gewinnen, was der tschechische Lehrer Václav Lacina initiiert habe. In den 1930er Jahren hätten die Tschechen Köngsfeld, dieses heilige Feld mit dem Denkmal, als harte germanische Bastion bezeichnet. Nach dem Mittagessen folgte eine Busreise nach Karlsbad. Stadtführer Radek Goubej geleitete die Gruppe nicht nur in den Konzertsaal und den Zandersaal, sondern auch in das Kaiserbad selber. Nach der einstündigen Führung folgte ein zweistündiger Spaziergang bis zu der Mühlbrunnenkolonnade, wo man nicht nur den Sprudel besichtigen und die einzelnen Quellen ausprobieren, sondern auch im Grandhotel Pupp einen guten Kaffee mit Kuchen bekommen konnte. Außerdem wurden einige Statuten wie die Dreifaltigkeitsstatue vom Oswald Wenda am Schloßberg erklärt. Einige tranken bei dem schönen Herbstwetter lieber einen Becherbitter in einem Gartenrestaurant. Nach dem Abendessen ging es zurück ins Stiftsrestaurant. Dorthin war auch Theodor Bayer mit seiner Ziehharmonika aus Netschetin gekommen und erfreute uns und andere Restaurantbesucher mit Spiel und Gesang böhmischer Volkslieder. Sonntagfrüh folgte nach dem Frühstück die Evaluierung des Seminars. Und nach dem Besuch der Heiligen Messe in der Klosterkirche und einem Mittagessen endete das Seminar.
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ZEITGESCHICHTE
Sudetendeutsche Zeitung Folge 42 | 18. 10. 2024
� Gottfried Konecny (1930–2024) – Teil III
Aufzeichnungen über ein turbulentes Leben Die Sudetendeutsche Landsmannschaft ehrte Gottfried Konecny 2019 mit ihrem Großen Kulturpreis für sein Lebenswerk, die Entwicklung der Photogrammetrie zur Vermessung von
M
utti wußte wieder einmal, was zu tun war. Ich mußte zu tschechischen Verwandten, um mein Tschechisch zu verbessern. Mutti hatte bei der Landwirtschaftlichen Genossenschaft über eine Ausschreibung eine Arbeit als sekretärische Hilfskraft erhalten. Sie kontaktierte meine tschechischen Verwandten in Hotzendorf im Kuhlädchen. Eine tschechische Nachbarin, die nach Wsetin fuhr, nahm mich bis Hotzendorf mit. Dort konnte ich Tschechisch sprechen, rudimentäres Russisch lernen sowie gutes Essen bekommen. Nach zwei bis drei Wochen war ich zurück in Troppau. Mutti studierte die Zeitung und fand eine Anzeige von einem Geometer. Er wollte einen Zeichner. Sie nahm einige Probezeichnungen von mir mit, und Zivilgeometer Zawislak gab mir meine erste Anstellung als Zeichner. Allerdings legte ein Runderlaß fest, daß sich als Folge des Potsdamer Abkommens bezüglich der „geordneten Vertreibung“ 1946 zunächst alle Deutschen zur Zwangsarbeit in den Ostrauer Kohlegruben zur Untersuchung und zum Abtransport nach Ostrau einfinden müßten. Ich wurde als tauglich erklärt. Ich sollte mich am nächsten Morgen am Bahnhof einfinden. Obwohl die Nichtbefolgung des Aufrufs hohe Strafen nach sich ziehen würde, sagte Mutti sofort: „Da gehst Du nicht hin.“ Zawislak besorgte mir einen tschechischen Arbeitsausweis. Mit diesem Ausweis versuchte ich mir in Römerstadt mein beschlagnahmtes Fahrrad von der Polizei zurückzuholen. Das gelang, und ich kam mit einem Fahrrad zurück. Das ermöglichte mir, noch im Herbst über ein Wochenende zu meiner Felkelverwandtschaft in Odrau zu radeln. Als das Herbstwetter schlechter wurde, ging Zawislak die Arbeit aus, doch er vermittelte mich an einen seiner Bekannten, den Architekten Slováček, bei dem ich bis zum August 1946 eine Anstellung als Bauzeichner bekam. Slováček war Slowake und ein sehr ziviler Mensch, der von Gaudi in Barcelona schwärmte. Ich bekam den Auftrag, Bauzeichnungen der zerstörten öffentlichen Gebäude mit Maßband und Zollstock anzufertigen, so das Schlesische Museum, das Schmetterhaus, die Niederringkirche und das Stadtbad. Bei diesem Objekt nahm ich Ewald als Meßgehilfen mit. Vor Pfingsten 1946 schrieb Tante Resl aus Weidenau, daß sie ihrem Mann, der inzwischen in einem Dorf in Hessen Lehrer sei, gerne seinen Wintermantel mitnehmen würde. Wir hätten doch mehr Freigepäck für die bevorstehende Aussiedlung und könnten ihm den Mantel mitnehmen, da sie das als alleinstehende Frau nicht könne. Also fuhr ich mit meinem klapprigen Fahrrad zu Pfingsten nach Weidenau und nahm den Mantel mit. Ich übernachtete bei Heimanns in Großkunzendorf, meinen Verwandten dort. Sie boten mir ein besseres Fahrrad an, das sie im Wald versteckt hatten. Ich mußte das Rad nur abholen. Es war spät, als ich wieder in Großkunzendorf ankam. Zu später Stunde befragte mich ein Tscheche, der örtliche Polizeichef, was ich denn dort täte. Ich antwortete auf Tschechisch: „Was geht Sie das an?“ Er
Landoberflächen mit Luftbildkameras und digitaler Datenverarbeitung. Mit 51 Jahren erhielt er einen Ruf an die Universität Hannover, wo er bis zu seiner Emeritierung 1998 Direktor des In-
steckte mich nach einigen Backpfeifen ins Gefängnis und sagte: „Das werden wir schon klären.“ In meiner Verzweiflung verfaßte ich mein erstes tschechisches Gedicht und ritzte es in die Gefängnismauer: Sedím v temné díře, v okně jsou sloupy, nemůžu ven, všechno je jako zlý sen. Deutsch: Ich sitze im dunklen Loch, im Fenster sind Pfeiler, ich kann nicht nach draußen, alles ist wie ein schlechter Traum.“ Als meine Verwandten beim Polizeichef nach mir fragten, zeigte sich der Chef milde und ließ mich nach Troppau heimfahren unter der Bedingung, daß ich
stituts für Photogrammetrie und Ingenieursvermessung war. Seine Beratertätigkeit erstreckte sich von Albanien bis Zimbabwe. Der mit vielen Preisen gewürdigte Konecny war Mitglied vie-
reichten wir Furth im Wald. Wir waren endlich in der Freiheit angekommen. Dort wurden wir Waggon für Waggon an Personsonenzüge in unterschiedliche Richtungen angehängt. Unser Waggon 40 bekam das Ziel Pegnitz in Oberfranken. Der Zug brachte uns über Cham und Schwandorf nach Nürnberg, wo wir gegen Mitternacht ankamen. Unser Anschlußzug, an den wir angehängt wurden, ging erst um sieben Uhr morgens. Also mußten wir in Nürnberg im Waggon bleiben. Als sich zwei von uns Jungen anschickten, den Bahnhof zu verlassen, stellten wir fest, daß Nürnberg zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens Ausgangssperre hatte. Immerhin gelang noch ein Fünf-UhrMorgens-Spaziergang durch die gräßlich zerstörte Altstadt bis zur Lorenzkirche. Um sieben
ler angesehener Akademien, darunter ab 1984 der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste. Er starb am 25. Juli im Alter von 94 Jahren (Þ SdZ 35/2024). Bereits 2019 hat-
te er unter dem Titel „Mein Weg. Aufzeichnungen über ein turbulentes Leben“ seine Erinnerungen niedergeschrieben, die wir als Serie veröffentlichen.
Das geschah dann am Wochenende, wo er in Mühlhausen nach einer Wohnung für uns suchte. Das dauerte ein paar Wochen. Inzwischen wurden wir in der Pegnitzer Nachbarschaft den Bauern zugeteilt. Manche waren dagegen. Als man uns in Schnabelwaid mit unserem Gepäck vor dem Bauernhof stehen ließ und die Bäuerin keine Anstalten machte, uns ins Haus zu lassen, begannen Mutter und Großmutter laut zu weinen. Nach einer halben Stunde durften wir fünf in einen Raum über der Scheune. Am folgenden Morgen ging ich in die Nachbarstadt Creußen. In der Freibank erstand ich ein großes Stück Pferdefleisch. Großmutter machte für uns daraus einen Braten. Knapp eine Woche später erhielten wir von Vater die Nachricht, daß er eine Unterkunft für uns alle gefun-
aus Odrau mit Traudl und Herbert vertrieben worden waren. Mit Herbert beschlossen wir, Onkel Heinrich in Gommersdorf zu besuchen. Ein Nachtzug brachte uns über Darmstadt nach Mannheim, und am nächsten Tag ging es über Heidelberg ins Jagsttal. Allerdings war Onkel Heinrich von dem Besuch nicht begeistert, er schickte Herbert wieder nach Hause, was ich in meinem jugendlichen Eifer nicht verstand. So fuhr ich nach ein paar Tagen mit Großmutter nach Mühlhausen in die Oberpfalz zurück. Wieder sorgte Mutti dafür, daß ich eine Anstellung beim Bauamt der zerstörten Stadt Neumarkt in der Oberpfalz bekam. Herr Metz, Großmutters Hausherr, war früher Gewerbelehrer am Elisabeth platz in München gewesen. Ich legte ihm einige Bauzeichnungen vor, und er schrieb mir ein
den habe, wir könnten also kommen. Großmutter durfte in die Dachzimmer der Familie Metz in Mühlhausen, bei denen Papa bislang gewohnt hatte, und wir in eine Zweizimmerwohnung der Familie Dehling, die bereit war, uns aufzunehmen. Die Eltern und die beiden Kinder hatten ein Schlafzimmer, und ich hatte ein Bett in der Küche. Die Enge störte uns nicht, wir waren ja wieder zusammen. Noch im September begaben Großmutter und ich uns auf die Reise zu unseren umgesiedelten Verwandten. Bis Würzburg fuhren wir zusammen. Großmutter fuhr ins Jagsttal nach Gommerdorf, wo Onkel Heinrich seine Frau Milla kürzlich wiedergefunden hatte. Sie hatte den Todesmarsch von Brünn nach Niederösterreich mitgemacht und wurde dann ins spätere Baden-Württemberg evakuiert, während Onkel Heinrich in der Tschechoslowakei als deutscher Soldat inhaftiert war. Mein Reiseziel war Rupsroth in der Rhön, wo ich Onkel Rudolf seinen Wintermantel übergab. Die Rückreise erfolgte über Frankenberg an der Eder, wohin mein Troppauer Freund Heinrich Meier augesiedelt worden war. Von dort ging es nach Leidersbach im Spessart, wohin Tante Anna
Gutachten an den Bürgermeister Theo Betz von Neumarkt. Deshalb begann ich meine Tätigkeit bei der Verwaltung der im Aufbau befindlichen Stadt Neumarkt in der Oberpfalz am 1. Dezember 1946. Ich reiste täglich mit der Bahn von Mühlhausen nach Neumarkt und zurück. Auch dort machte ich Bauzeichnungen für die Stadtplanung. Mühlhausen war ein protestantisches Dorf, und wenn wir in die katholische Kirche zur Messe gehen wollten, dann mußten wir entweder nach Pollanten, wo die Verwandten von Papas Kriegskameraden Kohler wohnten, oder wir mußten auf den Berg in den Markt Sulzbürg steigen. Dort war unsere Pfarrei. Auf dem Berg standen zwei Kirchen nebeneinander, die katholische Kirche Maria Sieben Schmerzen betreute Pfarrer Heinrich Meißner (1914–2001). Daneben stand die evangelische Sankt-MichaelsKirche. Pfarrer Meißner lud mich gleich in die katholische Jugend ein, ein Milieu, das mir von der Ministrantenzeit in Troppau nicht fremd war. Nach Neujahr 1947 ging ich mit einigen Sulzbürgern auf Exerzitien in ein Kloster nach Ingolstadt. Natürlich beurlaubte mich der CSU-Bürgermeister Betz in Neumarkt für
Blick auf Sulzbürg mit den Kirchen auf dem Schloßberg, die katholische Kirche Maria Sieben Schmerzen, die evangeliche Sankt-Michaels-Kirche und die Altäre in der katholischen Kirche.
nie wieder in Großkunzendorf auftauchen würde. Aber ich hatte stattdessen ein besseres Fahrrad. Anfang August erhielten wir die Nachricht, daß die Aussiedlung Mitte August stattfinde. Wir wurden aufgefordert 25 Kilogramm Gepäck pro Person zu packen, am Westbahnhof abzugeben und uns in der Oberrealschule den Abend vor der Abreise einzufinden. Unser Viehwaggon war Nummer 40 für etwa 30 Personen. Zwei dieser Personen waren männlich und über 16 Jahre alt. Das betraf mich. Am Morgen der Abreise mußten wir zum Westbahnhof und unseren Waggon mit dem Gepäck beladen. Das hatten wir bis zum Mittag geschafft. Dann ging es wieder mit allen Auszusiedelnden zum Bahnhof, und der Zug dampfte los. Wir konnten die Tür geöffnet halten und sahen die Landschaft. Wir passierten Jägerndorf, Freudenthal, Olmütz und hielten in Mährisch Trübau. Es war schon Nacht. Hier gab es Toiletten und Wegnahrung. Am Morgen setzten wir die Reise fort und rollten abends über die Moldaubrücke in Prag. Nachts kamen wir in Pilsen an. Im Schrittempo ging es am Morgen der deutschen Grenze entgegen. Am frühen Abend er-
Uhr setzten wir die Reise fort und kamen zwei Stunden später im Flüchtlingslager am Bahnhof von Pegnitz an. Nun waren wir zuversichtlich in der Freiheit angekommen. Die Großmutter aus Leipnik war dabei, sie durfte sich uns, meiner Mutter und den beiden fünf- und 13jährigen jüngeren Geschwistern, anschließen. Wir hofften, unseren Vater wiederzusehen, der die Zeit seit 1943 im Kriegsdienst in Griechenland, auf dem Balkan, in Ungarn und schließlich in Österreich verbracht hatte, bevor sich seine Einheit den Amerikanern ergab. Ihn hatte inzwischen sein Kamerad Willi Kohler im oberpfälzischen Pollanten aufgenommen, und er arbeitete in der Spielzeugfabrik Arnold in Mühlhausen an der Sulz. Dank eines Wiener Kollegen erfuhren wir per Post von Vaters Verbleib. Im Flüchtlingslager gab es täglich Dosenwurst mit Brot und einen warmen Brei. Wir Jungen gingen auf die Felder in der Fränkischen Schweiz, um Äpfel zu stehlen und die Kost mit Vitaminen anzureichern. Am nächsten Wochenende kam unser Vater per Bahn. Wir hatten ein gutes Wiedersehen. Nur meine dreijährige Schwester sagte: „Der Soldat soll wieder gehen.“
eine Woche für den Aufenthalt. Die Exerzitien hatten zur Folge, daß ich bald danach Pfarrjugendführer wurde. Im Sommer ging ich mit der Pfarrjugendgruppe in die Ferien ins Allgäu. Dann wurde Pfarrer Meißner krank, er kam ins Krankenhaus und wurde von Pater Prell, einem Jesuiten, vertreten. Es dauerte nicht lange, bis er uns zum Übernachten in der Pfarrei einlud. Es blieb gottlob bei Streicheleinheiten, doch ich erhielt noch jahrelang Liebesbriefe von ihm. Es war gut, daß Pfarrer Meißner wieder zurückkam, dann konnten wir uns Theaterstücken wie „Das Riesenbaby“ widmen, die wir in der Pfarrgemeinde aufführten. Als Pfarrjugendführer mußte ich die Pfarrjugend gelegentlich in Neumarkt vertreten. In dieser übergeordneten Gruppe erhielt ich eine Einladung zu der internationalen Veranstaltung „Fünf Zelte“ für Juni 1948. Dies war eine Einladung der Stadt München auf die Theresienwiese. Wir waren in Zelten mit französischen Schülern und sozalistischen Studenten untergebracht. Uns wurde ein reichhaltiges Programm geboten mit Filmen und Konzerten sowie einer Freizeitaktivität im Nymphenburger Schloßpark und einem Festkonzert, bei dem Wilhelm Furtwängler Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie dirigierte. Ich verbrachte meinen 18. Geburtstag allein in einem gemieteten Ruderboot auf dem Starnberger See. Am Wochende darauf war die Währungsreform, in der unsere Reichsmarkbestände in jeweils nur 40 Deutsche Mark umtauschbar waren. Wir mußten also nach Hause, weil wir kein Geld zur Verfügung hatten. Daher fielen die Ferien aus. Lediglich von Pfarrer Meißner erhielt ich ein Leihfahrrad, das mir ermöglichte, zu Exerzitien nach Eichstätt zu radeln. In der Familie war man sich zunächst nicht einig, wie sich meine Karriere weiterentwickeln sollte. Ich hatte ja einen guten Arbeitsplatz als Zeichner, und Bürgermeister Betz wollte mich als Mitarbeiter behalten. Allerdings insistierte wiederum Mutti, daß ich mein Abitur abschließen müsse. Die Schwierigkeit war, daß ich in Troppau das humanistische Gymnasium mit den Pflichtsprachen Latein und Altgriechisch besucht hatte und nicht die Oberrealschule mit Englisch und Latein als Pflichtsprachen. Die Lehrerkonferenz erlaubte mir die Zulassung in die 6. Klasse zur Jahresmitte unter der Auflage, daß mich eine private Englischlehrerin in Englisch fit macht. Trotz anfänglicher Skepsis klappte das. Das Abschlußzeugnis der 6. Klasse war befriedigend, das der 7. Klasse war gut und das des Abiturs in der 8. Klasse sehr gut. Unser Vater bemühte sich um eine Beamtenstelle bei der Finanzverwaltung in Nürnberg, äquivalent zu einer Stelle, die er in Troppau innegehabt hatte. Er war nie NSDAP-Mitglied geworden, hatte aber SA-Mitglied werden müssen. Ein Grund, sich einem Entnazifizierungsverfahren zu unterziehen. Das klappte nach Jahren endlich, und er erhielt eine Beamtenstelle an der Finanzdirektion in Nürnberg. Damit verbunden war die Möglichkeit, eine Wohnung für uns in der Meuschelstraße 39 in Nürnberg zu beziehen. Fortsetzung folgt
Reicenberger Zeitung
Sudetendeutsche Zeitung Folge 42 | 18. 10. 2024
Stadt und Kreis Reichenberg
Kreis Deutsch Gabel
Nordböhmi[e Um[au
Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail rz@sudeten.de
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Kreis Friedland
Die Gedenk-Teilnehmer aus Deutschland, aus der Tschechischen Republik, aus den Niederlanden, aus Frankreich, aus Spanien, aus Finnland, aus Taiwan und aus Vietnam.
Kreis Gablonz
Bilder: Miroslav Šach
Rabstein/Kreis Böhmisch Leipa
Junge Leute aus aller Herren Länder gedenken gemeinsam Aus Taiwan, Vietnam, Spanien, nahmen das tschechoslowaki- lung hatten die Organisatoren meinsam mit einem Vertreter des Konzentrationslager Rabstein, im Kulturhaus und genügend Frankreich, den Niederlanden, sche Militär und Rotgardisten der Treffen und die Verantwort- Bürgermeisters von Böhmisch vor, die bis weit in den Osten der Zeit, sich über die Erfahrungen England, Finnland und Deutsch- die Zwangsarbeiterlager und das lichen der Stadt Kamnitz und mit dem Ober- von der Wehrmacht besetzten in den Gruppen auszutauschen land waren Anfang September KZ als Koncentrační tábor für die Böhmisch Kamnitz, bürgermeister von Seb- Gebiete errichtet worden seien. und sich näher kennenzulerBesucher nach Böhmisch Kam- Unterbringung von Vertriebenen zu der Rabstein genitz wurde der Stein einge- Schmidt schilderte die Situation nen. nitz/Česká Kamenice gekomweiht. Jugendorchester bei- in Rabstein und die Vertreibung Dann brachten Busse die Teilmen, um sich mit der Stadt der Städte begleiteten den nach dem Zweiten Weltkrieg und nehmer nach Rabstein, um das und der Region gemeinsam Festakt musikalisch. ihre Folgen am Beispiel von Mit- Museum über die Flugzeugprovertraut und in einem Work Heuer nahmen zum er- gliedern seiner alteingesesse- duktion in den Höhlen von RabCamp nützlich zu machen. sten Mal auch Schüler des nen Böhmisch Kamnitzer Fami- stein kennenzulernen. Dabei Zentrum des Interesses war Gymnasiums Sebnitz mit lie. konnten die Teilnehmer selbst das Rabsteintal am Zusamder Fremdsprache TscheDas Kulturhaus war in früheren erfahren, unter welchen Umstänmentreffen des Elbsandstein-, chisch dank der Unterstüt- Zeiten Vereinshaus und Turnhal- den an einem relativ warmen des Böhmischen Mittel- und zung durch die „Aktion Zivil- le der Turn- und Rettungskompa- Spätsommertag die Arbeiter bei des Zittauer Gebirges. Seicourage“ in Pirna an den Zeit- nie Böhmisch Kamnitz, die in ih- etwa zwölf Grad Celsius in ihrer ne wechselvolle Geschichte zeugengesprächen teil. rer Zeitung, dem „Vogelwiesen- Sträflingskleidung hatten arbeireicht von einem idyllischen Die Erfahrungen mit Ge- Anzeiger“ 1937 ihre Geschichte ten müssen. Tal des kleinen Flusses Kamsprächen der Studierenden dargestellt hatte und zahlreiche Wer danach von den Höhnitz mit einem ausgedehnten mit den Zeitzeugen legten Anzeigen von Geschäften, Unter- len zu den Ruinen des KZ durch Südhang, der Weinleite, heuden Pädagogen nahe, die Stu- nehmen und Fabriken enthielt. das Rabsteintal lief, konnte sich te zu einem Ort mit Ruinen dierenden auf die Gespräche 16 Seiten dieser Zeitung hatte die von der Größe der früheren Provon Fabrikgebäuden und KZzeitnah inhaltlich und päd- SL-Landesgruppe Berlin im Vor- duktionsanlagen und späteren Obmann Rudolf D. Fi- Der Historiker Matthias Heisig mit einer Schülerin agogisch vorzubereiten. Dar- tragssaal des Kulturhauses zu- Zwangsarbeiterlager ein realistiBaracken. scher mit einem Gedenk- oberhalb des vor zwei Jahren freigelegten ehemali- um besuchten die jungen Leu- sammen mit dem Ausweisungs- sches Bild machen. Ein sehr hom 19. Jahrhundert machte kranz der SL-Landes- gen Folterkellers. Oben Professor Dr. Jörg Skriebeleit, te am Tag vor den Gesprächen befehl in tschechischer und deut- her Schornstein ragt nach wie vor der Unternehmer und Mä- gruppe Berlin. Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. die Ausstellung „Unsere Deut- scher Fassung vom 19. Juni 1945 wie ein Ausrufezeichen an einer zen Franz Preidl diesen Ort schen“ in Aussig/Usti nad La- ausgestellt. Die Teilnehmer hat- Felswand weit über die Bäume zum Ausgangspunkt des Indu- und Inhaftierung von Deutschen. hört, in der Gedenkstätte Flos- bem. Unmittelbar nach dem ten damit Gelegenheit, sich ein des Südhangs hinaus. striezeitalters einer ganzen ReDas diesjährige Treffen war senbürg bereits kennengelernt. Rundgang durch die Ausstellung Bild von den wirtschaftlichen AkDirekt neben dem ehemaligen gion mit blühender Wirtschaft nicht das erste internationale Zu gleicher Zeit hatte Bürger- hatten sie Gelegenheit, sich in tivitäten und den Folgen der Ver- KZ hatten die Nazis für die Sicht dank Spinnereien von amerikani- Treffen an diesem Ort. Seit mehr meister Jan Papajanovský, mit 29 einer Gesprächsrunde mit dem treibung zu machen. aus Flugzeugen zur Tarnung eischer Baumwolle, dank Weberei- als 30 Jahren treffen sich zu Ma- Jahren einer der jüngsten Bürger- Leiter der KZ-Gedenkstätte FlosFür die Gespräche mit den nen runden Garten angelegt, in en mit Tuchfabrikation und Wei- riä Geburt zahlreiche Vertrie- meister der Tschechischen Repu- senbürg, Professor Jörg Skriebe- Zeitzeugen wurden sieben Grup- dem ein antifaschistisches Denkterverarbeitung. Die Wirtschafts- bene in ihrer Heimatstadt. Bald blik, gemeinsam mit der Jugend- leit, bezeihungsweise mit Profes- pen von Gymnasiasten und Teil- mal nach dem Krieg errichtet krise der zwanziger Jahre des 20. waren sie gern gesehene Gäste, organisation INEX in Prag ein wurde. Im Bereich zwischen Jahrhunderts überstanden die bauten sehr gute Beziehungen Angebot an Jugendliche für dem Denkmal und den KellerPreidl‘schen Werke durch Ver- zur Stadtführung und mit Bür- ein zweiwöchiges Work Camp ruinen des KZ gedachten alle kauf der Produktionsanlagen an gern der Stadt auf, so daß auch eingerichtet mit dem Thema Teilnehmer zum Abschluß des eine österreichische Firma. Zeitzeugengespräche mit Studie- „Create a place of reconciliatiTages der Opfer vor und nach Nach dem Anschluß des Sude- renden des Gymnasiums vor Ort on in Rabstejn“ oder „Gestaldem 8. Mai 1945. Das Gedentenlandes enteignete das Dritte stattfanden. te einen Ort der Versöhnung ken wurde von Michal Müller Reich 1942 die Fabrikanlagen für Im Jahr 2018 wurden auf In- in Rabstein“. Zahlreiche junan der Zither und mit einfühlden Totalen Krieg, um die Pro- itiative von Alena Švejdová, der ge Leute – nicht nur aus Eusamen Liedern begleitet. duktion von Flugzeugteilen vom Stellvertretenden Leiterin und ropa – nahmen diese GeleAm nächsten Tag trafen sich bombardierten Berliner Flugha- zuständig für das Curriculum genheit auch in diesem Jahr die Studierenden und Teilnehfen Tempelhof und von der Bre- des English College Prague, die- wahr, sich untereinander ausmer am Work Camp im Gymmer Firma Weserflug nach Rab- se Treffen genutzt, um auch Stu- zutauschen und die Verständinasium in Sebnitz, um sich stein zu verlagern. Dazu wurden dierenden dieses internationalen gung über Grenzen hinweg zu über ihre Erfahrungen der beiUnterkünfte für Zwangsarbei- Gymnasiums die Gelegenheit unterstützen, indem sie sich Eveline Schmidt, die Zeitzeugen Ivo und Sieglinde Vendolsky und Professor Dr. den Tage auszutauschen, Biter in den Fabriken vor Ort ein- zu geben, sich mit Zeitzeugen an der Rekultivierung des Ta- Helmut Schmidt. lanz zu ziehen und vor algerichtet und neue gebaut sowie authentisch über die Geschich- les beteiligten. Der in Böhlem Vorschläge für die weiteeine Außenstelle des KZ-Flos- te von Stadt und Region und die misch Kamnitz geborene Profes- sor Schmidt über ihre Eindrük- nehmern am Work Camp gebil- re Entwicklung des Rabsteintals senbürg. Die Häftlinge sollten Vertreibung zu informieren und sor Helmut Schmidt aus Berlin ke auszutauschen und Fragen für det. Das Sprachproblem war für in sechs Guppen zu erarbeiten. 85 000 Quadratmeter für unter- auch der Opfer von Kriegs- und begleitete als Mitglied der Sude- die Veranstaltung am nächsten die jeweiligen Kombinationen Anschließend präsentierten sie irdische Produktionsanlagen in Nachkriegszeit gemeinsam in tendeutschen Landsmannschaft Tag zu klären. von Sprachen sehr gut gelöst. In in Anwesenheit der Organisatoden Sandsteinfelsen des Tales Rabstein zu gedenken. Sie regte die Work Camps in den letzten Die fand im Haus der Kultur, der großen Halle wurden Simul- ren und des Böhmisch Kamnitgraben, und die Zwangsarbei- auch an, daß die wohl einmalige Jahren. Gemeinsam mit den Teil- einer ehemaligen Turnhalle, in tandolmetscher über Kopfhörer zer Vizebürgermeisters Vítězslav ter wurden in Geschichte des nehmern erschloß er das Tal wie- Böhmisch Kamnitz statt. Dort be- eingesetzt. Da es sowohl deutsch, Vlček auf beeindruckende Weise der Stadt und Rabsteintales der für Wanderer und bewahr- grüßte Bürgermeister Papajanov- englisch und tschechisch spre- ihre vielfältigen Überlegungen für die Prodokumentiert te unter anderem die Ruinen der ský mehr als 80 junge und ältere chende Zeitzeugen gab, wurde auf großen Postern. duktion der und in Zukunft Außenstelle des KZ Flossenbürg Leute aus neun Ländern und den in die oder von der Sprache der Diese Vorschläge werden bei Flugzeugteifortgeschrievor dem endgültigen Zerfall. drei Gymnasien in Prag, Sebnitz Zeitzeugen übersetzt. der Entscheidung über die Fortle gebraucht. ben werden Dank der finanziellen Förderung und Böhmisch Kamnitz mit ihIn vier der Gruppen wur- setzung der Aktivitäten dieser Bis Kriegssolle. Um dies durch das Bundesinnenministe- ren Lehrern, acht Zeitzeugen den die Interviews der Zeitzeu- drei Tage eine wesentliche Rolle ende wurden sicherzustellen rium kann er den jungen Leuten mit Begleitung und die Referen- gen aufgezeichnet. Sie werden einnehmen. Fest steht jedenfalls, Teile für Junwurde als Ziel die Geschichte des Tales und der ten Schmidt und Skriebeleit. Pa- für die späteren Nutzungen als daß die beteiligten Institutionen, kers-Bomber der weiteren Umgebung auch in Exkursionen pajanovský dankte seinen Mitar- Zeitdokument noch bearbeitet die Stadt Böhmisch Kamnitz, die und drei erVeranstaltunvermitteln. beitern für die Vorbereitung der und sind als Teil des Bildungs- Aktion Zivilcourage und die drei ste Exemplagen ein EducaIm Jahr 2020 errichtete die dreitägigen Veranstaltung und zentrums ebenso vorgesehen Gymnasien gemeinsam ein Prore eines Hubtional Centre, SL-Landesgruppe Berlin einen besonders der Aktion Zivilcou- wie die gemeinsam von tsche- jekt vorbereiten, daß bereits im schraubers in ein Bildungs- Dank- und Gedenkstein an die rage, die die grenzüberschrei- chischen und deutschen Histori- nächsten Jahr bei erfolgreich beden Rabsteiner zentrum, ver- Vertreibung und an die Hilfe der tende Organisation übernom- kern erarbeitete Geschichte der antragter Förderung beginnen Höhlen geferabredet. Eine Bewohner für die Vertriebenen men habe. Anschließend stellte Kriegs- und Nachkriegszeit im kann und die Entwicklung der tigt. überzeugen1945/46 in der zum sächsischen Skriebeleit das Konzentrations- und um das Rabsteintal. Nach letzten sieben Jahre auf bewährAm 8. Mai Titelseite des „Vogelwiesen-Anzei- de Lösung die- Sebnitz gehörenden Grenzge- lager Flossenbürg mit seinen 81 den Zeitzeugengesprächen gab ter Grundlage und gesicherter fi1945 über- gers“. ser Zielvorstel- meinde Hinterhermsdorf. Ge- Außenstellen, darunter auch das es ein gemeinsames Mittagessen nanzieller Basis fortsetzt. tt
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Dux
Ladowitz
Ossegg
Klostergrab
für die Kreise Dux, Bilin und Teplitz-Schönau
Bilin
Heimatlandschaft Erz- und Mittelgebirge – Landschaftsbetreuer: Dietmar Heller, Hillenloher Straße 10, 87733 Markt Rettenbach, Telefon (0 83 92) 9 34 72 77, Telefax 9 34 72 78, eMail dietmar.heller@deheller.de. Heimatkreis Bilin – Patenstadt Gerolzhofen; Heimatkreisbetreuer: Dietmar Heller. Internet www.heimatkreisbilin.de. H eimatkreis Dux – Patenstadt Miltenberg; Heimatkreisbetreuer: Klaus Püchler, In den Seegärten 35a, 63920 Großheubach, Telefon (0 93 71) 9 94 01, eMail klauspuechler@web.de. Heimatkreis Teplitz-Schönau – Patenstadt Frankfurt am Main; Heimatkreisbetreuer: Erhard Spacek, Franz-Schubert-Straße 13, 01796 Pirna, Telefon (01 60) 95 32 07 27, eMail erhard. spacek@gmx.de Redaktionsschluß: Freitag der Vorwoche. Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de
Teplitz-Schönau
Graupen
Die UNESCO-Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří feiert ihren fünften Geburtstag.
E
ine der vielen Denkwürdigkeiten dieser Region ist die Moldau-Freiberger Eisenbahn, die in diesem Jubiläumsjahr ihren 140. Geburtstag feiert. Vor 140 Jahren erfolgte die Fertigstellung der Freiberger Eisenbahn von Bienenmühle bis zur tschechischen Grenze nach Moldau in einem einzigen Jahr. An dieses Ereignis, das die Städte Freiberg, Brüx und Teplitz mit der Eisenbahn verband, erinnern Jubiläumsfeierlichkeiten, an denen auch die Stadt Eichwald aktiv teilnahm. Das Jahr der Moldau-Freiberger Eisenbahn begann bereits am 9. Juni unter starker Beachtung der Öffentlichkeit beider Seiten der Grenze mit einem Eisenbahnfest im sächsischen Mulda mit dem Titel „Familienfest“. Organisiert wurde diese Veranstaltung von der Freiberger Eisenbahngesellschaft direkt am Bahnhof, der heute die Betriebszentrale der gesamten Strecke zwischen Freiberg und Holzhau ist. Die Feierlichkeiten wurden am 6. Juli mit der Veranstaltung „Mit der Bahn nach Freiberg zum fünften Geburtstag unseres Welterbes“ fortgesetzt, die von der Sächsischen Montanregion Erzgebirge im Rahmen dieser Geburtstagsfeier organisiert wurde. Unter dem Titel „Welterbe genießen“ trafen sich Tschechen und Deutsche zu einem festlichen Abendprogramm in der Freiberger SanktNikolai-Kirche. Für ein kulturelles Erlebnis sorgte das Musikensemble „Collegium Hortense“ aus Teplitz mit Ausschnitten aus der Bergmannsoper „Der Berg-
Enthüllte Gedenktafel. Mitte August fand das Grenzbuchenfest anläßlich des fünften Geburtstages der UNESCOMontanregion Erzgebirge/ Krušnohoří statt.
A
lle Jahre wieder“, könnte es heißen. Wie schön, daß dieses traditionelle Nachbarschafts treffen, das dank der Initiative von Pater Benno Beneš 2007 ins Leben gerufen worden war, auch heuer stattfand. Dieses Fest war diesmal Teil des großen Bahnhofsfestes in Eichwald (Ý oben). Die Verbindung zwischen Teplitz, Zinnwald und Eichwald ermöglichte der Einsatz des historischen Autobusses Škoda RTO.
� Erzgebirge
Ein Jubiläum jagt das nächste mönch“, das von den Teilnehmern für seine Darbietung lang anhaltende Ovationen erhielt. Der Höhepunkt der Feierlichkeiten war das Bahnhofsfest in Eichwald, das erneut unter großem Interesse der tschechischen und deutschen Öffentlichkeit am 17. August stattfand. An diesem Tag verbanden die Moldauer Eisenbahn und Autobusse drei große Ereignisse in der Region – neben dem Bahnhofsfest in Eichwald/Dubí das traditionelle Grenzbuchenfest in Böhmisch Zinnwald und das Ossegger Marienfest. Während des reichhaltigen Ganztagesprogramms sowohl auf der Hauptbühne als auch im gesamten Bahnhofsbereich enthüllte der Eichwalder Bürgermeister Jiří Kašpar mit Michael Liechtenstein, dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde von Teplitz, dem Altenberger Bürgermeister Marcus Wiesenberg und dem Aussiger Bezirkskulturbeauftragten Jiří Řehák eine Gedenktafel an die Ereignisse des Jahres 1945, als im April
Jiří Kašpar und Marcus Wiesenberg. ein Todestransport diesen Bahnhof durchfuhr. Während dieses festlichen Tages wechselten sich auf dem Eichwalder Bahnhof Tausende von Besuchern ab. Ähnlich wie das Juni-Familienfest in Mulda richtete sich das Programm in Eichwald auch an Familien mit Kindern und deren Großeltern.
Die Kinderecke mit einer Aus- lichen Warteraum des Bahnhofs stellung von Fotos der Moldau- Eichwald finden Fahrgäste das ischen Eisenbahn war den gan- ganze Jahr über neben den üblizen Tag über von den kleinsten chen Werbematerialien für TouBesuchern bevölkert, die die Ge- risten auch eine Bücherecke mit legenheit, eine Zeit lang Zugfüh- einer kostenlosen Auswahl an rer und Schaffner zu sein, voll wertvollen Büchern für jung und und ganz genossen. Eine Fahrt alt zum Lesen im Zug. mit der Dresdner MiniatureisenDas Bahnhofsfest von Eichbahn war besonders gefragt, die wald trug dazu bei, daß sich die von einer echten Dampflokomo- Fläche des gesamten Bahnhofstive im Maßstab 1 : 11 gezogen geländes dank der Zusammenwurde. arbeit der Stadt Eichwald mit Während der Feierlichkeiten der Eisenbahnverwaltung erhebhatten zahlreiche Besucher zum lich zum Besseren veränderte. ersten Mal die Gelegenheit, das familiäre Eisenbahnmuseum des Ehepaares Ladislava und Karel Našincová zu besuchen, dem es gelang, eine Retro-Oase mit der Atmosphäre der Wende vom 19. zum 20. JahrhunMinizüglein aus Dresden. dert zu errichten. Im gemüt-
� Teplitz, Zinnwald und Eichwald
Grenzbuchenfest mit Konzert Das Grenzbuchenfest wurde mit einer Bergparade eröffnet, allen voran die Schalmeienkapelle Rehefeld, die auch für die weitere musikalische Unterhaltung sorgte. Der Eichwalder Bürgermeister Jiří Kašpar begrüßte die Gäste herzlich; auch der Altenberger Bürgermeister Marcus Wiesenberg, Mitveranstalter des Grenzbuchenfestes, ergriff das Wort und sprach über die Bedeutung der festen Zusammenarbeit beiderseits der Grenze. Pünkt-
Schalmeienkapelle und Bergparade in Zinnwald.
lich fuhr der historische Autobus vor, um die interessierten Gäste zu einem mittäglichen Orgelkonzert in der Mariä Himmelfahrtskirche von Böhmisch Zinnwald zu fahren. Dort hatten sich bereits weitere Gäste eingefunden, die beim Lauschen der Orgelklänge das Innere der renovierten Kirche bewunderten. Nach dem Konzert stand der Bus wieder bereit, um seine Fahrt auch zu den Festlichkeiten am Bahnhof Eich-
wald fortzusetzen. Diese Busverbindung stand allen Gästen den ganzen Tag zur Verfügung, ebenso wie die historische Eisenbahn, die zwischen Teplitz, Brüx, Eichwald, Ossegg und Moldau pendelte und auch den sächsischen Gästen einen Besuch der Veranstaltungen ohne Auto ermöglichte, denn zwischen dem sächsischen Holzhau und dem böhmischen Moldau pendelte im gleichen Takt ein deutscher Bus, der bisher die noch fehlende
Verbindung zwischen Freiberger und Moldauer Eisenbahn ersetzt. Diese beiden Bahnen feiern in diesem Jahr ihr bereits 140jähriges Bestehen, also auch ein Grund zu feiern. Anziehungspunkt an diesem Tag war auch das Ossegger Marienfest mit einem reichhaltigen Unterhaltungsangebot im Areal des Ossegger Klosters und der anliegenden Stadt. Einige Tausend Gäste beiderseits der Grenze waren an diesem Tag bei
Niklasberg
Der Bahnhofsbereich wurde geräumt, erneuert und ästhetisch verändert. Die Zufahrtsstraße zum Bahnhofsgebäude erhielt einen neuen Asphaltbelag. Außerdem kam es zur feierlichen Umbenennung der Zufahrtsstraße von „Ruská nádražní/Russische Bahnhofstraße“ in „Bahnhofstraße“. Auch das tschechisch-deutsche Team des Interreg-Projekts „Die Eisenbahn verbindet!/ Železnice spojuje!“ war mit einem Stand am Bahnhof Eichwald vertreten. Partner des Projekts sind das Regionalmuseum und Galerie in Brüx/Most sowie der sächsische und tschechische Erzgebirgsraum. Die Beteiligung der sächsischen und tschechischen Montanregion an dem Projekt hängt damit zusammen, daß die Moldau-Freiberger Eisenbahn von 1885 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Versorgung eines der bedeutendsten montanhistorischen Zentren im Erzgebirge – die Silberstadt Freiberg – mit Kohle aus Nordböhmen sicherstellte. Anläßlich des fünften Jahrestages der Eintragung der Montanregion Erzgebirge/ Krušnohoří in die Welterbeliste der UNESCO erschien „Das böhmische Erzgebirge vor 1945 mit den Augen sächsischer Fotografen“ von Michal Urban. Dieses Buch wurde nun in Form einer Autogrammiade des Autors zum Eichwalder Bahnhofsfest angeboten. Jutta Benešová Petr Fišer
herrlichem Sommerwetter unterwegs. Die grenzüberschreitenden Verbindungen, Projekte, Festlichkeiten und Kontakte gewannen in den letzten Jahren stark an Aktualität. Der Dank gilt den Städten und Gemeinden beider Seiten der Grenze, deren Bewohner unermüdlich die gegenseitige Zusammenarbeit aufrechterhalten, unterstützt vor allem von den Vereinen beiderseits der Grenze. Verständigung, Versöhnung und hoffnungsvolles Miteinander sind in dieser Zeit der Mißverständnisse und kriegerischen Auseinandersetzungen besonders wichtig und wertvoll. Jutta Benešová
HEIMATBOTE
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Bischofteinitz
Ronsperg
FÜR DEN KREIS BISCHOFTEINITZ
15 Hostau
Heimatkreis Bischofteinitz – Patenstadt Furth im Wald. Heimatkreisbetreuer: Peter Pawlik, Palnkamer Straße 73a, 83624 Otterfing, Telefon (0 80 24) 9 26 46, Telefax 9 26 48, eMail peter-pawlik@t-online.de, Internet www.bischofteinitz.de. Spendenkonto: Heimatkreis Bischofteinitz, Raiffeisenbank Chamer Land – IBAN: DE55 7426 1024 0007 1343 20, BIC: GENODEF1CHA. Heimatbote für den Kreis Bischofteinitz – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Verantwortlich von seiten des Heimatkreises: Peter Pawlik. Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de
Deutsche und Tschechen werben gemeinsam für eine gute Nachbarschaft. Bei Kaiserwetter fand Ende September die 32. Equipe-Wanderung für gute Nachbarschaft vom Friedhof in Klentsch zur Kreuzkirche in Furth im Wald statt.
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ie schrecklichen Kriege zwischen den Nachbarn Rußland und Ukraine sowie im Nahen Osten zwischen Israel und dessen Nachbarländern verbreiten Angst und Schrecken. Diese Gedanken trieben auch den Organisator der Equipe-Wanderung, Jürgen Kögler vom Freundeskreis deutsch-tschechischer Verständigung, um, und deshalb zeigte er sich erfreut, wie gut Nachbarn doch eigentlich miteinander harmonieren könnten, wenn sie das denn wollten. Dafür gab die Pilgerwanderung einmal mehr ein leuchtendes Beispiel, die bei herrlichem Wanderwetter rund 150
Jürgen Kögler, Bohumil Řeřicha, „Haltravan“ und das Choden-Trio vom Tauser Gymnasium.
Furth im Wald
kar-Kögler-Rastplatz, wo Jürgen Kögler junior und Dominik Suchy fleißig leckere Aufstriche auf die Brote schmierten, mit denen sich die Wanderer stärken konnten. Die Aufstriche hatte Ingrid Heiduk vorbereitet, die jedoch die Teilnehmer an der Equipe- wegen einer Erkrankung nicht Wanderung an dieser wichti- teilnehmen konnte. Die Familie gen Stelle begrüßen zu kön- Anderle zeichnete wieder in benen, denn in dem Friedhof sei währter Manier für den Geträndie letzte Ruhestätte des cho- keverkauf verantwortlich. Dort dischen Schriftstellers. Sie ver- spielte auch die Kapelle „Chowies darauf, daß dieser auch dovanka“ wie immer beschwingt der Namenspatron des Gym- auf, und so herrschte eine ausgenasiums in Taus sei und mit zeichnete Stimmung. dieser Veranstaltung in guter Über den Grenzübergang Erinnerung bleibe. Sie wies Hochstraße kamen die Wanderer noch darauf hin, daß im kom- wieder auf die bayerische Seite, menden wobei einige Jahr der noch dankbar 100. Todesdie Gelegentag von Baar heit zur Eingefeiert werde. kehr bei XaDanach ver und Malegten Jana ria Baumann Stenglová, Petr direkt an der Matjěka und Grenze annahdie Vorsitzenmen. Anschliede des Further ßend erreichWaldvereins, te man Furth Marianne Linsim Wald, wo in meier, Bluder KreuzkirPfarrer Karl-Heinz Seidl zelebriert che ein Gottesmengebinde am Grab von den Gottesdienst in der Further dienst gefeiJindřich Šimon Kreuzkirche. ert wurde, den Baar nieder. Stadtpfarrer Anschließend brachen die Wan- Karl-Heinz Seidl zelebrierte. Die derer, unter ihnen auch Mitglie- Lesung und die Fürbitten wurder des Waldvereins und der Na- den von Anne Mühlbauer vorgeturfreunde Furth im Wald, auf tragen. und zeigten sich begeistert von Zum Abschluß war noch ein der herrlichen Landschaft. geselliges Beisammensein im Die 18 Kilometer lange Strek- Gasthof Postgarten angesagt, bei ke führte über Meigelshof/Cho- dem die deutsch-tschechische dov und Hochofen/Pec pod Freundschaft weiter gepflegt Čerchovem zunächst zum Os- wurde. Karl Reitmeier
Auf den Spuren der Krals
sam für eine gute Nachbarschaft“, wohl wissend, daß eine gute Verständigung keine Kriege bringt. Seit 32 Jahren gibt es inzwischen diese Veranstaltung, die in all den Jahren Deutsche und Tschechen nähergebracht hat, und daraus sind auch viele Freundschaften entstanden. Schon beim Ausgangspunkt in Furth im Wald staunte Kögler Bauklötze über die vielen Teilnehmer von bayerischer Seite, denn diese konn- Die Kapelle „Chodvanka“ macht am Oskar-Kögler-Rastplatz Musik. te der Tiller-Bus nicht alle aufnehmen, und so mußten auch dischen Schriftstellers Jindřich discher Tracht mit ihren Auftritnoch Privatfahrzeuge herhal- Šimon Baar die Geschichte über ten erfreuten. Schon längst nicht ten, um diese zum Ausgangs- das Ehepaar Kral gefunden, mehr wegzudenken ist auch der punkt am Friedhof in das von Klentsch in die Further Männergesangsverein „HaltraKlentsch/Klenčí pod Kreuzkirche gepilgert war, um van“ aus Klentsch, der mit seiČerchovem zu brin- um einen Stammhalter zu bitten. ner Gesangskunst Freude bereigen. Dort warteten Einen Dank sprach Kögler Peter tete und den der Dudelsackspieschon die tschechi- Mühlbauer für eine Spende aus. ler Jan Holoubek begleitete. schen Freunde, und Beim Friedhof wartete auch Am Friedhof sprachen der Ores gab natürlich ein schon eine dreiköpfige Folk- ganisator der Equipe-Wandefreudiges „Hallo“ und loregruppe des Gymnasiums rung, Jürgen Kögler, der Vorsitherzliche Umarmun- Jindřich Šimon Baar, bestehend zende des Touristikclubs Taus, gen. aus zwei Sängerinnen und einer Petr Matjěka, und die DirektoBereits auf der Dudelsackspielerin, die in cho- rin des Gymnasiums Jindřich Fahrt nach Klentsch Šimon Baar, Jahatte Kögler viel über na Stenglová, die Hintergründe dieGrußworte. Marianne Linsmeier, Petr Matjěka, Jana ser Pilgerwanderung Stenglová, die Stenglová und Jürgen Kögler am Grab von erzählt, die sein Vater weitere LehrJindřich Šimon Baar. nach dem Fall des Eikräfte des sernen Vorgangs mit Gymnasiums Teilnehmer von beiden Seiten tschechischen Freunden aus der begleiteten, der Grenze verzeichnete. Sie al- Taufe gehoben hatte. Sie hatten nannte es eile lebten das Motto „Gemein- in dem Roman „Lůsy“ des chone große Ehre,
Die Bänke auf dem Oskar-Kögler-Rastplatz dienen einer erholsamen Pause. Oben: Dominik Suchy und Jürgen Kögler junior streichen Brote für die Wanderer.
Bilder: Karl Reitmeier
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Heimatbote für den Kreis Ta<au
Heimatkreis Tachau – Patenstadt Weiden in der Oberpfalz. Heimatkreisbetreuer: Dr. Wolf-Dieter Hamperl, Aubergstraße 21, 83352 Altenmarkt, Telefon (0 86 21) 6 36 27, Telefax 64 75 27, eMail wolf-dieter.hamperl @online.de. Internet www.tachau.de. Tachauer Heimatmuseum: Kulturzentrum Hans Bauer, Schulgasse 3a, 92637 Weiden, Telefon (09 61) 81 41 02, Telefax 81 41 19, eMail museum@tachau.de. Spendenkonto: Heimatkreis Tachau, HypoVereinsbank Nürnberg – IBAN: DE38 7602 0070 0002 0824 54, BIC: HYVEDEMM460. Heimatbote für den Kreis Tachau – Redaktionsschluß: Donnerstag der Vorwoche. Redaktion: Nadira Hurnaus, Baiernweg 5, 83233 Bernau, Telefon (0 80 51) 80 60 96, eMail post@nadirahurnaus.de
Brauchtum in Waldheim – Teil II
Gründonnerstag bis zur Leinsaat Heimatkreisbetreuer Wolf-Dieter Hamperl stieß kürzlich auf ein Manuskript von Johann Weidensteiner. Weidensteiner war am 6. März 1880 in Waldheim zur Welt gekommen und starb am 6. Februar 1960 in der Vertreibung. Wir veröffentlichen Weidensteiners Dokumentation in mehreren Folgen. Hier der zweite Teil.
A
m Gründonnerstag war der Tag für die Schulbuben, das Glockenleuten zum Avemaria hörte auf und wurde von den Jungen mit der sogenannten Ratsche ersetzt: Donnerstagmittag bis Samstag früh sechsmal, das machte die Buben stolz. Sonntag früh gingen sie für das Ratschen einsammeln. Eier und Geld wurden gesammelt und gleichmäßig unter ihnen geteilt, da gab‘s ein großes Hallo. Am Karfreitag mußten wir Kinder in die Kirche gehen und das Heilige Grab des gekreuzigten Jesus besuchen. Samstag früh wurde Wasser geweiht und neben der Kirche das Osterfeuer entzündet. Wir ließen Holzscheite anbrennen und nahmen sie mit nach Hause. Samstagabend wurde Auferstehungsfeier mit großem Pomp abgehalten. Alle Vereine rückten aus, sämtliche Schulmädchen und noch kleinere gingen weiß gekleidet beim Umzug mit. Musik begleitete den Auferstehungsumzug. Das war für uns Kinder etwas Großes und unvergeßlich. Am Ostersonntag gab es in der Früh Kaffee und Kuchen. Kaffee war damals eine Seltenheit, den es nur an Festtagen gab. Mittags gab es gutes Essen und viel Fleisch. Vormittags weihte der Pfarrer im Gottesdienst Eier und Gebäck, und diese Sachen wurden Sonntag und Montag gegessen, um jede Krankheit abzuwenden. Sonntag früh vor Sonnenaufgang holte die Mutter für uns Kinder Wasser zum Waschen, größere Kinder mußten sich selber Wasser holen oder gleich im Bach waschen, man durfte aber während dieser Arbeit von niemandem angeredet werden. Es hilft gegen Hautkrankheit und macht einen schönen Teint. Nachmittags kam die Patin oder der Pate, Duat und Duate genannt, und brachten den Patenkindern Geschenke, Eier in allen Farben und einen Lebku-
chenreiter, für Maiden Lebkuchendocken (Puppen), das war für uns Kinder eine Freude. Der Vater und größere Buben bekamen die Eier, welche die Hühner am Gründonnerstag gelegt hatten, natürlich gekocht und gefärbt. Von den Buben wurde das Eierstutzen getrieben, da wurden die Eier zusammengestoßen, und wessen Ei kaputt war, der mußte es dem anderen geben. Auch wurde mit Kupfermünzen – Ein-Kreuzer- oder Zwei-Pfennig-Stück – auf das Ei geworfen, blieb es stecken, bekam der Werfer das Ei oder umgekehrt. Das war ein fröhliches Treiben. Außerdem gab es zu Ostern meistens neue Kleider. Das Beschenken der Patenkinder dauerte bis zum 14. Lebensjahr, das letzte Mal gab es einen neuen Anzug, für Mädchen ein neues Kleid. Am Karsamstag wurden in die Wintersachen Palmen und das angebrannte Holz, welches von der Kirche mit nach Hause gebracht worden war, gesteckt, daß der Hagelschlag die Früchte verschone und auch sonst alles gut gedeihe. Jetzt ging die Feldarbeit an. Beim ersten Mal Einspannen wurde das Arbeitsvieh mit dem Weihwasser besprengt, und unter das Fahrzeug wurde ein Ei gelegt. Blieb beim Überfahren das Ei gut, so bedeutete es Glück. Kam der Ackersmann das erste Mal vom Feld heim, wurde er von der Mutter oder Schwester, von einem Versteck aus, mit Wasser übergossen, damit er nicht faul werde. Am weißen Sonntag wurde das erste Mal nach dem Fasching Tanz abgehalten, worauf sich die Tanzjugend schon lange freute. Am Walpurgisabend wurde der ganze Hof mit Weihwasser besprengt, die Ackergeräte mit geweihter Kreide bekreuzt, vor die Haus- und Stalltür wurden grüne Rasenstücke gelegt, damit die Hexe nicht hinkommt und keinen Schaden in der Wirtschaft anrichten kann. Am Abend wurde mit großen Peitschen die Hexe tüchtig ausgeknallt, denn an diesem Abend hielt die Hexe mit dem Teufel auf den Kreuzwegen ihre Tänze ab. Nun wurde Lein gesäht. Bevor er gesäht wurde, mußte er durch eine Radnabe gelassen werden, damit die Leinhexe keinen Schaden anrichten konnte. Fortsetzung folgt
TERMINE Bis Donnerstag, 31. Oktober, Tachau-Heiligen: Ausstellung „900 Jahre Klöster Zwiefalten und Kladruby/Kladrau 1115 bis 2015“ in der Reithalle. Mittwoch bis Sonntag 10.00–17.00 Uhr. Freitag, 18. Oktober, 18.00 Uhr, Hals: Bayerisch-tschechi-
scher Stammtisch in Hals-Frauenreith im Restaurant U Soudku, Svobodka 60, Halže. Sonntag, 20. Oktober, 15.00 Uhr, Haid: Deutschsprachige Pilgermesse in der Loreto mit Weihbischof em. Ulrich Boom aus Würzburg, anschließend Kirchkaffee in der Sakristei.
Die Kemnather vor dem von Johann Christoph Artschlag geschaffenen Hochaltar der Haider Pfarrkirche Sankt Nikolaus.
Bild: Rainer Sollfrank
Paulusbrunn, Hals, Tachau und Haid
Böhmen ist mein Heimatland Bereits 34 Jahre sind vergangen seit der Grenzöffnung nach Osteuropa. Waren es anfangs die sogenannten Sehnsuchtstouristen, die ins Nachbarland beziehungsweise in den Osten Europas mit noch großer Skepsis reisten, so hielt sich eigentlich das Interesse am unmittelbaren Nachbarland in den folgenden Jahren sehr in Grenzen.
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ngrid Leser aus Bärnau und Kollege Rainer Christoph jedoch waren vom ersten Tag der Grenzöffnung an überzeugt, daß es gut sei, Menschen ins Nachbarland zu führen, das 40 Jahre mehr oder minder hermetisch abgeschlossen war, und die im Herzen Europas lebenden Menschen wieder zueinander zu bringen. Sie organisierten Busse über die Volkshochschule (VHS), über Vereine, privat in nahe Orte und nach Prag sowie Mehrtagesreisen nach Südböhmen, in die Böhmische Höhe, nach Nordböhmen, Brünn und Umgebung, in die Slowakei, nach Ungarn, Polen und sogar Königsberg. Und sie versuchten Partnerschaften mit Schulen und Vereinen oder Gemeinden zu organisieren. Mittlerweile werden die Nachfragen nach den nahegelegenen Regionen immer mehr. Leser betitelt ihre Reisen meist „Westböhmen – so nah und doch so fremd“. Überaus gefragt ist heuer ein Ausflug zu der im März fertigrenovierten Reitschule in Tachau-Heiligen. Sie ist die größte tschechische Reitschule und nach der Spanischen Hofreitschule in Wien die zweitgrößte in Europa. Seit dem Jahr 2000 wurde sie schrittweise rekonstruiert, seit 2010 ist sie ein Kulturdenkmal. Wer aus Weiden oder dem westlichen Landkreis Tirschenreuth, der ja bis ans Fichtelgebirge und den Steinwald reicht, kommt, der nimmt den Grenzübergang Bärnau, um die Geschichte und Situation des verschwundenen Dorfes Paulusbrunn zu erklären und den zur Gedenkstätte gestalteten Fried-
hof zu besuchen. Der letzte Besuch der Seniorengruppe „Leben plus“ aus Kemnath beeindruckte Besucher wie Führer sehr. Im Friedhof, als Ingrid Leser vom Ort der Ruhe und Meditation sprach und die Zeile aus dem Lied „Lindenbaum“ „Und immer hör ich‘s rauschen / Du fändest Ruhe dort / du fändest Ruhe dort“ rezitierte, stimmte eine Frau das Lied an, und es gelang der 50köpfigen Gruppe, das ganze Lied mit einer ergreifenden Inbrunst zu singen, daß sogar einigen die Tränen in den Augen standen. Dann ging es weiter nach Hals/Halže mit der Geschichte vom Halser Pfarrer, der als Heilpraktiker bekannt war und zu dem auch viele aus Bayern zum „Auspendeln“ gingen. Man wurde aufmerksam gemacht auf das vor einigen Jahren neu entstan-
raum für großartige Konzerte, Theateraufführungen, Ausstellungen und andere Festveranstaltungen ist. Weiter die perfekt eingerichteten Pferdeställe mit allen Details, im ersten Stock die Galerie und die wunderschön und bis ins Detail liebevoll eingerichteten Gästezimmer, in denen sogar Nagelfeilen auf dem Waschtisch liegen. Voltr bezog die Besucher ein, indem er sie in Hüte oder Mäntel aus der Zeit Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts schlüpfen ließ. Das entlockte jedem ein „Ah“ und ein Lächeln. Dann ging es in die voll eingerichtete Schmiede im Keller mit einem großen Blasebalg, verschiedenen Schmiedearbeiten und Unmengen von Hufeisen. Auf der Ostseite des Kellers befindet sich die Wohnung des
Pferdestall der Reitschule in Tachau. dene landwirtschaftliche Museum. Und weiter ging es durch eine zwar enge, doch typische immer noch erhaltene und immer wieder neu bepflanzte Alleestraße dieser böhmischen Landschaft über Frauenreuth nach Heiligen zur Reitschule, wo Gästeführer Pavel Voltr die Gruppe erwartete. Mit seinem Wissen, mit seinem Humor, mit seinem Charm und mit seiner von echtem Herzblut durchglühten Leidenschaft für die Reitschule und ihre Geschichte zieht Voltr alle Besucher in seinen Bann. So besichtigte man zunächst die große Reithalle, die heute ein Veranstaltungs-
Schmieds, ebenfalls wieder perfekt eingerichtet, sowie die Einfahrt in das Gebäude, damit die feinen Herrschaften trockenen Fußes aussteigen konnten. Vom Keller ging es wieder hinauf in den 1. Stock in die Fürstenloge, wohl mit das Herzstück der Reitschule. Auf der Ostseite des Erdgesschosses hat man in den ehemaligen Pferdeställen eine historische Apotheke eingerichtet und ein interessantes Herbarium für Kräuterkunde mit modernen Darstellungsmethoden. Apotheke und Herbarium entstanden hier, weil das nahe von Kaiser Joseph II. aufgelöste Pau-
lanerkloster einst seine Klostergärten bei der später entstandenen Reitschule hatte. Alle waren so begeistert von der Schönheit des Gebäudes und der interessanten Führung. Sie konnten gar nicht glauben, daß sie so etwas in allernächster Nähe vorfinden würden. Die Haider Lehrerin Anna Sudová hatte für die Gruppe in Haid/Bor schon das Mittagessen bestellt und die Schlüssel zur wunderschönen und dank des bereits verstorbenen Haider Pfarrers Vladimír Born herrlich renovierte Pfarrkirche Sankt Nikolaus besorgt. Ingrid Leser machte eine kurze Führung. Auch von der Schönheit dieser Kirche waren die Leute sehr beeindruckt. Die nächste Station war die Haider Loretokirche. Jochen Gößl, Gemeindereferent aus Kemnath, hatte eine bewegende Marienandacht vorbereitet mit tiefsinnigen Texten und einigen Marienliedern. Anschließend führte auch hier Leser die Gruppe duch die Anlage. Da es zu regnen begann, entfiel der geplante Spaziergang im Schloßpark. Aber die Leute waren zufrieden und hätten wohl gar nichts mehr aufnehmen können von der Fülle an Interessantem allein im Landkreis Tachau nur einen Katzensprung über die Grenze. Auf der Rückfahrt kehrte man im Gasthof in Frauenreith/ Sobodka zum Kuchenessen ein. Dieser Ausflug sprach sich herum, und Leser wiederholte ihn noch dreimal. Ebenfalls beliebt ist die Tour mit Besuchen des Porzellanikons in Hohenberg an der Eger, Egers, Franzensbads, des Schlosses Metternich in Königswart und mit einem Abstecher in das große Natur- und Jagdgebiet zur Glatzn/Klatzka mit den herrlichen Jagdhäusern und dem Jagdschloß des Grafen Schönborn im Schweizer Gebirgsstil ( SdZ 41/2024). „Dieses Land so schön vor allen. Böhmen ist mein Heimatland“ lautet die letzte Zeile der deutschen Übersetzung der tschechischen Nationalhymne. dr
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Heimatblatt für den Kreis Sternberg in Mähren (einschl. Neustädter Ländchen) Redaktionsschluß: Jeweils der 5. des Erscheinungsmonats. Redaktion: Kathrin Hoffmann, Telefon (0 81 04) 88 80 10, eMail sternberg@sudeten.de
� Verdiente Neustädter
Schischma und Kühnert Professor Otto Kühnert und Gustav Schischma, zwei verdiente Neustädter, wurden im Oktober vor 138 Jahren geboren.
P � Wachsstockfest 2024
Mit Dankbarkeit und Ehrfurcht Auch dieses Jahr hielten die Gläubigen in Mährisch Neustadt die Tradition unseres Wachsstockfestes am Leben. Die Bilder zeigen, daß man in unserer unvergessenen Heimatstadt dankbar und mit Ehrfurcht und Würde an die Rettung der Stadt durch die Jungfrau Maria denkt.
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uellen zufolge reicht die Tradition des Kerzenopfers in der Stadtkirche von Mährisch Neustadt bis zum Ende des 15. Jahrhunderts zurück. Der Feiertag wurde vermutlich jährlich mit einer Pause während der schwedischen Besetzung gefeiert. Ende des zweiten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts wurde der Feiertag um eine Prozession um die Stadtmauern erweitert. Nach-
dem die Mariensäule errichtet worden war, wurde diese zum Ziel der Prozession. 1941 verboten die Nazis die Prozession;
das Fest wurde nur noch innerhalb der Kirchenmauern gefeiert. Nach der Vertreibung waren Limburg und Naumburg die Or-
te, an denen das Wachsstockfest gefeiert wurde. Seit 2004 wird das Fest wieder in Mährisch Neustadt begangen
– am Tag Mariä Himmelfahrt. Das Hochamt feierten Pfarrer Dariusz Tomaš Třaskalik und Pater Josef Janek. Sigrid Lichtenthäler
�Erinnerungen aus Mährisch Neustadt
Originale und Individualisten Über Originale in unserem Städtchen hatte Josef Grohmann einiges zu sagen. Hier ist sein Bericht, den Sigrid Lichtenthäler leicht gekürzt hat.
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ls Kinder betrachteten wir die Erwachsenen mit anderen Augen. Man achtete auf besondere Eigenschaften, Redensarten und auffälliges Verhalten in der Öffentlichkeit, die die Betroffenen umhüllten. Manchmal kam man auch zufällig als Zeuge hinzu und erlebte seltsame Szenen; zum Beispiel wenn der Nachbar, der alte Bzrobohaty, auf der Neugasse im betrunkenen Zustand krakeelte und seine Ehefrau verprügelte. Die Trunkenbolde konnte man in unserer „Autogrammkarte“ von Adolf Zink. Straße vor der Pretzner-Kneipe studieren. Von den vielen no- Ein anderes Image besaß der Retorischen Säufern sei nur einer ligionslehrer Kohout. Die Schügenannt: der alte Rehak von der ler nannten diesen steifen StehPirniker Brücke. Wenn er, der kragenträger nur sehr respektlos sich kaum noch aufrecht auf sei- „Elefantentreiber“ und machnen Füßen halten konnte, sehr ten oft böse Späße mit ihm. Ganz umständlich aufs Fahrrad stieg, anders das Verhalten gegenüber nach vielen Versuchen endlich Frau Müller. Ihre Strenge, Korauch oben blieb und dann im rektheit und Gerechtigkeit erZickzack übers Kopfsteinpfla- zeugten den gebührenden Rester zuckelte und sogar die Kur- spekt von selbst. Später bekamen ve kriegte, so war es für uns alle wir Herrn Bilger zum Klassenlehstets ein spannendes Erlebnis. rer. Dieser Elsässer mit dem exoMan sollte auch an unsere tischen Flair umgab sich mit eiLehrerschaft erinnern. Als ein ner geheimnisvollen Aura und Unikum ging Herr Papouschek blieb rätselhaft bis zum Schluß. allen voran; Generationen von Natürlich gab es in unserer Schülern prägten sich seine Art kleinen Stadt auch Behinderte und sein Erscheinungsbild ein. und Versehrte, die in ihrer Wei-
se auffielen. Der Leiter unserer Schule, Direktor Lohwasser, war Kriegsveteran, zog sein steifes Bein nach und benutzte einen Krückstock. Niemals hat man ihn lächeln gesehen. Da war auch noch der Herr Gabriel, der Sohn vom AdlerWirt, der durch die Rachitis eine Verbildung der Glieder zurückbehalten hatte. Der Prominenteste unter allen aber war der Zink-Zwerg. Über ihn sollte man etwas mehr berichten, wenn man es nur wüßte (Anmerkung der Redaktion: In der Sternberger Heimat-Post 3/2024 erschien ein kurzer Artikel über ihn)! Er war ein kleinwüchsiges, intelligentes, flinkes und drahtiges Männchen, vermögend und im Besitz der amerikanischen Staatsbürgerschaft. Zudem Mitglied der Schützengesellschaft und einmal sogar deren König. Er betreute draußen im Park das Rotwildgehege. Man sollte auch die Führungskräfte in unserer Stadt erwähnen. Außer dem Bürgermeister, Notar Marcelli, dem Amtsleiter Hecklik, dem man viele „Nebenfrauen“ nachsagte, auch die Baumeister Vodicka, Vater und Sohn. Besonders die verlustreiche Spielwut vom Junior in Monte Carlo war Thema. Herr Oleschanski soll genannt sein, der im alten Gebäude der Howag einen Großbetrieb eingerichtet hatte, und an Rudi Grätzer sei als den Leiter der Turner-
schaft an dieser Stelle erinnert. Es würde kein Ende geben, wollte man die Eigenschaften der vielen Handwerker alle einzeln aufzählen. Hatte doch ein jeder seine Marotten. Die Bäckermeister Prokop und Kundler grüßten und sprachen auf ihre besondere Art mit der Kundschaft. Der Benesch-Schmied, der WinterSchani (➝ Sternberger HeimatPost 3/2024) als Fotograf, der Buchhändler Meier, der GabrielPlatz als Malermeister, die alte Perschkin als Sektiererin, Herr Riemer, der dickste Mann der Stadt. Herr Kolinski als Berufsarbeitsloser und Lebenskünstler, der Dietrich-Friseur als Geschichtenerzähler, der Schneidermeister Hoditschke, der die „Reichskanzlei“, die Gerüchteküche, innehatte und meine erste Chefin, Anni Fischer, die das
Elektro-Installationsgeschäft sicher leitete. Alles waren markante Personen. In jenen Tagen gab es noch, wenn auch schwach, einen Abglanz vom „königlichen Kaufmann“. Damals war der Kolonialwarenhändler noch etwas mehr als nur der Inhaber eines Lebensmittelgeschäftes heute. Die Herrn Schweda, Bundil, Birnkraut, Schön, Schuirer und Petsch vertraten ihren Berufsstand noch im alten Sinne. Wen sollte man noch nennen? Als Oberfaktotum der ganzen Stadt muß Herr Pechatschek genannt werden! Der wußte stets alles über alle und war ein wirklicher Hans Dampf in allen Gassen und lebendige Chronik der Stadt. Über die Wohlerinnerten wallen Kunde und Nachruf durch die Zeit. Der Fotograf „Winter-Schani“.
rofessor Otto Kühnert, geboren am 9. Oktober 1886 in Obetzdorf bei Busau, war der Sohn der Revierförster Johann und Christine Kühnert. Nach dem frühen Tod seines Vaters kam er mit seiner Mutter nach Mährisch Neustadt. Nach Gymnasium und Studium in Prag führte ihn sein beruflicher Lebensweg nach Iglau, wo er an der Mittelschule lehrte, und nach Mährisch Neustadt zur Staatsgewerbeschule. Daneben widmete er sich der Heimatpflege, war Helfer von Dr. Johann Kux bei der Erstellung der Stadtgeschichte, Festredner bei der 700-Jahr-Feier von Neustadt 1923, Schriftleiter der Zeitungsbeilage Das Mährisch Neustädter Ländchen und Mitarbeiter im Deutschen Kulturverband. Er verfaßte zahlreiches heimatkundliches Schrifttum, organisierte die Heimatforschung im Neustädter Ländchen, verfaßte Dörfergeschichten und die Häusergeschichte von Mährisch Neustadt, unternahm Studienreisen in Europa und hielt Vorträge zur Volksbildung. Nach der Vertreibung widmete er sich von Bad Hersfeld aus der Vertriebenenarbeit und förderte unter anderem auch die Feier des Wachsstockfestes in Limburg und die Patenschaft der Stadt mit Mährisch Neustadt. Im Alter von 70 Jahren starb er am 14. Juli 1956 in Bad Hersfeld. Gustav Schischma wurde am 19. Oktober 1886 als Sohn des Darmgroßhändlers Franz Schisch ma und dessen Ehefrau Johanna/Künschner in Mährisch Neustadt geboren und trat nach Gymnasium und Handelsschule in das elterliche Geschäft ein, um den Darmhandel Gustav Schisch- zu erlernen. ma und sein Va- Nach dem Erter. sten Weltkrieg heiratete er 1920 Hedwig Klameth, mit der er einen Sohn und zwei Töchter bekam. In seiner Freizeit war er eifriger Turner, aktiv in der „Bürgerlichen ScharfschützenGesellschaft“, bei der freiwilligen Feuerwehr und begeisterter Wanderer. Durch Fleiß brachte er seinen väterlichen Betrieb in der Schönberger Gasse 39, den er nach dem Ersten Weltkrieg übernahm, zum Erfolg. Nach der Vertreibung erwarb er in Günzburg ein Haus und baute dort eine gut florierende Darm- und Gewürzgroßhandlung auf. Kurz vor Vollendung des 70. Lebensjahres starb er 1956 nach einer Gallenoperation in Tübingen. Sigrid Lichtenthäler
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Heimatkundliches Mitteilungsblatt für die Vertriebenen aus dem Isergebirge/Organ des Gablonzer Heimatkreises e.V. Redaktionsschluß: Jeweils der 5. des Erscheinungsmonats. Redaktion: Kathrin Hoffmann, Telefon (0 81 04) 88 80 10, eMail isergebirge@sudeten.de
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er Anblick der ihnen zugedachten Unterkünfte war für die Ankömmlinge ein Schock. „Die Häuser waren in einem katastrophalen Zustand“, stellte Hans Schmutzer, einer der künftigen Bewohner, deprimiert fest. Türen und Fenster waren heraus gerissen, ebenso Schlösser, Steckdosen und Schalter. Halbe Dächer fehlten. Keller waren vermauert und mit Schutt gefüllt. Stromleitungen lagen zerrissen auf der Straße. Und auch funktionierende Brunnen waren kaum vorhanden. „Trotzdem war jeder froh, als er ein Haus oder eine Wohnung zugewiesen bekam.“ Die 286 Personen, für die das bei Jüterbog gelegene Dorf Zinna zur neuen Heimat werden sollte, kamen aus dem Sudetenland, genauer aus der für ihre Glas- und Schmuckindustrie bekannten Stadt Gablonz und Umgebung. Wie fast alle deutschstämmigen Bewohner der bis Kriegsende vom NS-Regime besetzten Tschechoslowakei mußten oder sollten sie ihre angestammte Heimat verlassen. Am 12. Februar 1946 rollte ihr Transport über die Grenze zur sowjetisch besetzten Zone und machte zunächst im sächsischen Pirna Station. Eigentlich hätten die zum Transport gehörenden 90 Familien das Land nicht verlassen müssen. Denn die erwachsenen Mitglieder waren Kommunisten und Sozialdemokraten, Bürger also, die nach dem neu erlassenen Verfassungsdekret über die Staatsbürgerschaft als „Antifaschisten“ der tschechoslowakischen Republik „treu geblieben waren, sich niemals gegen das tschechische und slowakische Volk vergangen und sich entweder aktiv am Kampf um seine Befreiung beteiligt oder unter dem NS-Terror gelitten haben“. Da diesen deutschen Mitbürgern jedoch jegliche politische Tätigkeit verwehrt wurde und sie auch sonst von den tschechischen Behörden wenig Unterstützung erhielten, zogen sie es vor, ihr angestammtes Siedlungsgebiet Richtung Deutschland zu verlassen. Nachdem sich deutsche Antifaschisten aus Böhmen und Mähren bei ihren Genossen in Berlin über die Behandlung durch die Prager Regierung beschwert hatten, kam es im September 1945 zu einer Vereinbarung zwischen den Führungen der Kommunistischen Parteien in der Tschechoslowakei und in Deutschland über die Umsiedlung deutscher Kommunisten und „antifaschistischer Funktionäre“ in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ). Bei dieser von Moskau gebilligten Aktion wurden nach Angaben der Historikerin Heike van Hoorn zwischen Oktober 1945 und Dezember 1946 etwa 50 000 als „Antifa-Umsiedler“ registrierte Sudetendeutsche in speziellen Transporten in die SBZ gebracht. Den Transfer deklarierte man als „freiwillige Ausreise“. Zur Begründung hieß es, die das Land verlassenden Genossen wollten sich in politischen Funktionen am Aufbau demokratischer Verhältnisse in Deutschland beteiligen. Tatsächlich hatte die KPDSpitze vor, nur einen kleineren Teil der überführten Genossen in der hauptamtlichen politischen Arbeit einzusetzen. Die weitaus meisten sollten in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden.
Wie Sudetendeutsche „Antifa-Umsiedler“ in Brandenburg ihre industrielle Tradition fortsetzten
Schmuckindustrie in die Dorfgeschichte ein“. Fast zeitgleich wurde in einem anderen Gebäude eine Glasspinnerei eingerichtet. Gelernte Schleifer errichteten in der ehemaligen Schmiede eine Steinschleiferei. Im früheren Pfarrgebäude entstand eine Formenschlosserei. Die meisten Werkzeuge wurden aus dem Schrott von zerstörtem Kriegsgerät gefertigt, das reichlich an den Wegen herumlag. Am 30. September 1946 gründeten Glasarbeiter im Dorf Zinna die „Produktiv- und Handelsgenossenschaft für Glas- und Bijouterieindustrie“. Ihr gehörten zunächst 32 Mitglieder an. Sie konnten sich dabei auf einen Erlaß der Sowjetischen Militäradministration vom 27. Mai 1946 stützen, der die Einrichtung neuer Produktionsmöglichkeiten für vertriebene Handwerker und Gewerbetreibende vorsah. Die Arbeit der Genossenschaft beschränkte sich zunächst auf die Fertigung von Knöpfen, Broschen und Lüsterbehängen. Als schwierigstes Problem erwies sich die Beschaffung von Material und Werkzeugen. „Niemand außerhalb des Dorfes glaubte an die Verwirklichung Oben: Ohrclips der Gablona. des VorhaBild: https://www.antik-nr3.de/ bens der GlasLinks: Zeitschriftenbericht über Mo- arbeiter, eideschmuck der Marke Gablona. ne SchmuckBild: Bundesarchiv Berlin indistrie mit Weltruf aufzubaten, um die bauen“, notierte Hans Schmutverkrauteten zer. Felder für die Die Genossenschaftler ließen Frühjahrsbestellung vorzuberei- sich jedoch nicht beirren. Im Jahr ten, wurde ihnen diese – wie es 1947 betrug der Umsatz bereits in der Ortschronik heißt – nur 1,27 Millionen Reichsmark. Auch selten gewährt. die Zahl der Arbeiter stieg von 89 24 Glasarbeiter bildeten (Stand: Dezember 1947) im foldie größte Facharbeitergrup- genden Jahr auf 244. Hinzu kape. Schon wenige Wochen nach men 31 Angestellte. Ermöglicht dem Einzug in Zinna, das 1951 in wurde dies auch durch weiteren Neuheim umbenannt wurde und organisierten Zugzug aus dem heute ein Ortsteil von Jüterbog Sudetenland. Da die einzelnen ist, besannen sie sich auf ihren Werkstätten im Ort verstreut laerlernten Beruf und begannen, gen, begann die Genossenschaft eine neue Produktion aufzubau- Anfang 1948 am Südausgang des en. Im Hofgebäude des Hauses Dorfes mit dem Bau einer Fabrik. Nr. 18 fertigte der Glasdrucker Den ersten Exportauftrag erhielt Karl Appelt aus Ziegeln, Lehm das Unternehmen im selben Jahr und einer Grabsteinplatte einen aus Polen. mit Kohle befeuerten GlasdruckDie für die Sowjetzone zustänofen. In dem preßte er aus Glas, dige Zentralverwaltung für Umdas unter Mühen aus der Ge- siedler sah es als vordringlich an, meinde Glashütte bei Baruth be- Industriezweige zu fördern, die zogen wur- in den von Deutschen besiedelde, Plaket- ten Gebieten Tschechiens erfolgten, in die reich gewirtschaftet hatten. Das eine Fackel galt besonders für die Gablonund ein Da- zer Schmuck- und Glasindustrie. tum eingra- Kommunalbehörden warben reviert wur- gelrecht um diese Facharbeiter, den. Be- seien es nun Schmelzer, Schleifer stimmt als oder Graveure. So entstand im Abzeichen thüringischen Gotha die Genosfür die 1. senschaft „Bijou Schmuck- und Mai-DeGlaswaren GmbH“. In Quedlinmonstration burg wurde eine ähnliche Einin Lucken- richtung unter dem Namen „Harwalde. Die zer Glas- und Schmuckwaren-In9000 Stück dustrie GmbH“ gegründet. Laut gingen – einer Studie der Forschungsstelwie die Lo- le Ostmitteleuropa an der Unikalausgabe versität Dortmund bemühten der Märki- sich beide Unternehmen mit Unschen Allge- terstützung der Landes- und Promeinen Zei- vinzialbehörden, „alle in der SBZ tung in einer verstreuten Fachkräfte ausfindig Reportage zu machen und zur nochmaligen vom 30. Juni Umsiedlung zu bewegen“. Auch 2015 schrieb in anderen Wirtschaftszweigen – „als er- gründeten Umsiedler mit staatliste Serie der cher Förderung GenossenschafBild: www.zeno.org örtlichen ten. Fortsetzung ➝ Seite 19
Von Gablonz nach Neuheim
Haupteingang der ehemaligen Gablona Schmuck GmbH. Bild: Mario Jahn
Anders als dem Gros der aus- die Sowjetische Militärverwalgewiesenen Sudetendeutschen tung, verteilte eine von den Umwurde den „Antifa-Umsiedlern“ siedlern benannte Kommission gestattet, einen großen Teil ihres die neuen Behausungen. „Auf beweglichen Besitzes mitzuneh- die Haustüren wurden die Namen. Ausgenommen waren nur men der künftigen HausbesitTiere, Gold, Werkzeuge und Ma- zer geschrieben“, notierte der schinen. Ortschronist Schmutzer in einer In Pirna wurde der Transport, 1966 veröffentlichten Jubiläumsbestehend aus 22 Güter- und vier schrift. Selbstverständlich habe Personenwaggons, in einen deut- es auch Unzufriedene gegeben, schen Zug umgeladen und nach denn manche Gebäude waren Jüterbog gebracht. Nach dreitä- nicht nur halbe Ruinen, sondern gigem Quarantäne-Aufenthalt in auch noch von Ungeziefer beörtlichen Kasernenbauten kam fallen. Wie viele andere Flüchtder nächste Ortswechsel. Den 90 linge und Vertriebene tauschsudetendeutschen Familien, zu ten die Gablonzer bei den Baudenen 69 Kinder gehörten, wur- ern der Umgebung Textilien und de das leerstehende Dorf Zinna Wertgegenstände gegen Kartof– nicht zu verwechseln mit dem feln und Saatgut. Nicht selten an der heutigen Bundesstraße wurden die Zugezogenen abge101 gelegenen Jüterboger Orts- wiesen. „Wir galten hier als die teil Kloster Zinna – zur Besied- Roten“, sagt Annemarie Vlk, die lung zugewiesen. Wegen der ge- mit Eltern und Bruder als Zweiplanten Erweiterung des von der jährige nach Zinna kam und bis Wehrmacht genutzten Jüterbo- heute im Ort wohnt. Manche Geger Truppenübungsplatzes hät- schäfte in Jüterbog weigerten te der Ort wie andere benachbar- sich, die übergesiedelten Dörfler te Dörfer abgerissen werden sol- zu bedienen. Und in der Schulen. So war es jedenfalls geplant. le blieben ihre Kinder, die anWeil aber die Wehrmacht Unter- fangs noch den heimischen Iserkünfte für Arbeiter, Soldaten und gebirgs-Dialekt der Eltern spraspäter auch für Kriegsgefangene benötigte, ließ man die bereits 1937 leer geräumten Häuser in Zinna stehen und errichtete zusätzliche Barakken. Nach Kriegsende wurden Häuser und Gehöfte geplündert und der Verwahrlosung preisgegeben. Am 18. Februar 1946, nach der Freigabe durch Alte Postkarte mit Fabrikgebäuden in Gablonz.
chen, oft unter sich. Unter den mehr als 200 erwachsenen Neubürgern gab es Vertreter unterschiedlicher Berufe. Neben klassischen Handwerkern wie Elektriker, Bäcker, Dachdecker, Maurer, Schlosser und Zimmermann gab es Textilarbeiter, Hilfsarbeiter, Heimarbeiter und Angestellte. Da nur zwei Bauern zur neuen Einwohnerschaft zählten, wurden auch Berufsfremde zu Landwirten bestimmt. Insgesamt wurden 20 Familien zu Neubauern. Annemarie Vlks Eltern zählten zu ihnen. Sie hatten es anfangs schwer. Sie besaßen weder Zugtiere noch Maschinen. Wenn die Umsiedler bei einheimischen Bauern der umliegenden Dörfer um Hilfe
ISERGEBIRGS-RUNDSCHAU
Sudetendeutsche Zeitung Folge 42 | 18. 10. 2024
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WIR GRATULIEREN Albrechtsdorf. Zum 70. Ge-
burtstag am 7. November gratulieren wir Werner Gruß in Neugablonz.
An dem verfallenden Gebäude ist das Logo der Gablona noch gut zu erkennen. Bilder (3): Mario Jahn
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Von ... nach ... Bis Ende Oktober 1948 gab es zwischen Elbe und Oder 68 solcher Betriebe. Viele von ihnen wurden von „Antifa-Umsiedlern“ gegründet und geleitet. In den ersten beiden Jahren konnten die Genossenschaften noch weitgehend eigenständig wirtschaften. 1948 änderte die SED-Führung ihre Strategie und reglementierte mehr und mehr unternehmerische Initiativen. Einigen Betrieben wurden Subventionen gestrichen. Schließlich verfügten die kommunistischen Machthaber, die größeren und leistungsfähigeren Umsiedler-Genossenschaften in Volkseigene Betriebe umzuwandeln. Dabei spielte offenbar auch die Sorge der SED-Spitze eine Rolle, die Umsiedler-Genossenschaften als landsmannschaftlich geschlossene Gruppen könnten ein Eigenleben führen und die auf vollständige Assimilierung der Flüchtlinge und Vertriebenen ausgerichtete Politik behindern. In der Folge flüchteten viele Glasarbeiter aus der DDR in die Bundesrepublik, wo frühere Gablonzer im bayerischen Neugablonz seit Kriegsende ebenfalls eine leistungsfähige Produktion aufgebaut hatten. In der Neuheimer Ortschronik ist vermerkt, daß bis zum Bau der Berliner Mauer im Jahre 1961 insgesamt 54 Personen den Ort verlassen haben. Chronist Schmutzer, wie viele Gründungsmitglieder der „Antifa-Umsiedler“-Genossenschaft Mitglied der SED, kommentierte das so: „Sie übten damit Verrat an unserer Republik, schwächten den Arbeitskräftemarkt und stärkten den Wiederaufbau des westdeutschen Monopolkapitals.“ Am 1. Januar 1950, wenige Monate nach Gründung der DDR, wurde aus der Genossenschaft der Volkseigene Betrieb Gablona Schmuckwaren. Das
neue Fabrikgebäude wurde zwei Jahre später bezogen. Mit seinen Modeschmuck-Produkten versorgte das zum „Leitbetrieb“ aufgewertete Unternehmen über Jahrzehnte nicht nur den heimischen Markt, sondern exportierte seine begehrten Erzeugnisse in mehrere Dutzend Länder. Die Einwohner profitierten von dem erfolgreichen Unternehmen, das sich auch beim Ausbau der Infrastruktur engagierte. Etwa mit einer öffentlichen Bibliothek und einem Schwimmbad. Mit der Währungsunion 1990 geriet Gablona in eine tiefe Krise. Im vereinten Deutschland und im Ausland war das Unternehmen nicht wettbewerbsfähig. Die meisten Mitarbeiter mußten entlassen werden. Einige Beschäftigte führten den Betrieb weiter und stellten auch noch Schmuckwaren her, die im Internet angeboten wurden. Heute liegt ein Teil des weitläufigen Firmengeländes brach. An den Mauern einstiger Fabrikationsgebäude bröckelt der Putz. „Die brauchen wir eigentlich nicht mehr“, sagt der jetzige Geschäftsführer. „Aber Abriß kostet auch Geld.“ Das neben dem Werksgelände gelegene Schwimmbad hat die Natur zurückerobert. Im ehemaligen Bekken wachsen Büsche. Hier ist schon lange niemand mehr geschwommen. Noch prangt am Eingang des Unternehmens der Firmenname: „Gablona Schmuck GmbH“. Doch Schmuckwaren werden hier nicht mehr hergestellt. Die Firma hat sich in einer der Werkshallen auf galvanische Metallveredelung spezialisiert. Peter Pragal Dieser Artikel wurde vom Deutschen Kulturforum östliches Europa in Auftrag gegeben und erschien erstmals am 18. November 2015 auf www.kulturforum.info.
Der Verfall ist so weit fortgeschritten, daß das Betreten des Geländes lebensgefährlich und deswegen verboten ist.
Statt mit Wasser ist das Schwimmbecken mit Wildwuchs gefüllt.
Gablonz. Im November gratulieren wir zum 91. am 11. Ilse Giebisch/Bunzmann in München; 90. am 11. Kurt Kohl (Augasse 61) in Schwäbisch-Gmünd; 86. am 21. Gunter König (Berggasse 6) in Mauerstetten und am 5. Ingrid Lischka/Ehmig (Hauptstraße 4 ); 84. am 1. Klaus Dieter Reckziegel; 83. am 27. Brigitte Sommermeier/Broutschek (Ackerstraße) in Höttensleben; 81. am 13. Walter Roscher (Gebirgsstraße 124a) in Neugablonz. Johannesberg. Im Novem-
ber gratulieren wir zum Geburtstag: 80. am 19. Karin Ehrlich/ Schöler; 85. am 19. Donald Gärtner; 84. am 21. Horst Hausner; 84. am 14. Hans Dieter Köhler; 82. am 15. Jürgen Köhler;
Zu Johannesberg: 81. am 8. Herbert Zacke. Josefsthal. Zum Geburtstag gratulieren wir im November zum 96. am 23. Ilse Kurka/Kneifel in Kaufbeuren; 82. am 10. Heidelinde Siebeneichler/Stracke in Neugablonz; Karlsberg. Im November
gratulieren wir zum 86. Geburtstag am 15. Christa Prestele/Kubitschek. Kukan. Im November gratulieren wir zum 83. Geburtstag am 19. Annemarie Friedrich/Nimser; 80. am 28. Brigitte Hofrichter; 91. am 18. Christa Tomasch/ Drescher.
Maxdorf. Im November gratulieren wir zum 88. Geburtstag am 28. Ottilia Neumann/ Ullmann (Brothäuser) in Oberursel; 81. am 16. Renate Roscher/ Zenkner in Neugablonz.
Belegschaft der Glasfabrik Carl Riedel, Josefsthal 1896. Bilder (3): Isergebirgs-Museum Neugablonz
WIR BETRAUERN Reichenau. Im November
Neudorf. Im Alter von 87 Jahren verstarb Anfang Oktober in Neugablonz Brigitte Stracke/ Wildner.
Seidenschwanz. Im November gratulieren wir zum 89. Geburtstag am 3. Brigitte Schiegl/Lang und am 29. Margit Barth/Neugebauer. Thomas Schönhoff
Johannesberg. Kurz vor ihrem 84. Geburtstag verstarb in Neugablonz Helmtraud Streichert/Schöler aus Ober-Johannesberg (Schöler Bruno und Berta) betrauert von ihren Söhnen Dirk und Jörg mit Familien.
gratulieren wir zum 90. Geburtstag am 2. Sieglinde Mahal/Knobloch.
Ortsgemeinschaft
LabauPintschei. Die Ortsgemeinschaft gratuliert im November zum 93. Geburtstag am 8. Helga Reicher/Fischer in Esslingen; 89. am 26. Alwin Strinzel in Kaufbeuren-Neugablonz; 84. am 11. Gertrud Gaiser/Faltis in Stuttgart; 81. am 19. Erwin Theileis in Nagold; 80. am 15. Manfred Lindner Kokonin N.N. 77. am 2. Hans-Joachim Jakel in Tambach-Dietharz; 73. am 22. Heinz Ullmann in Kaufbeuren; 71. am 12. Traudl Theileis/ Ostenried in Pforzen. Hans Theileis
Gablonz. In Neugablonz verstarb Ruth Scheffel/Küblbeck, Witwe von Ossi Scheffel. Gebürtig war sie aus Winterberg/Böhmerwald.
ZUNN LACHN
D
e Seidln trof ihre Freundin de Seibtn und dou tot se ihr ou glei Beileid winschn zunn Tude vu ihrn Monne. „Nej, soh mr ock, hottr denn ann Dochtr gehot bevur dei Mon gestorbn is ?“, froite de Seidln. „Nej, mei Mon is ganz ouhne ärztliche Hilfe gestorbn“, mejnte druf de Seibtn.
Produktion in den Hessen-Glaswerken Oberursel/Stierstadt, um 1965. Bild: Udo Dönch
Neue Ausstellung im Isergebirgs-Museum
Hessen-Glaswerke Ab Mitte der 1950er Jahre wurden täglich ca. 6 Tonnen verschiedenster hochwertiger Gläser geschmolzen. Die Fertigung von Böhmischen Kristall-, ntstanden ist die Glasindu- Bleikristall,- Kristall- und Farbstrie im Taunus nach dem 2. gläsern sowie Gläser aus selteWeltkrieg, als zahlreiche heimat- nen Erden für Hohl- und Pressvertriebene Glasfachleute aus glas ermöglichte die Glasverededem Isergebirge in Hessen an- lung und Weiterverarbeitung in kamen. Von 1946 bis 1990 wurde unterschiedlichsten Techniken. dort Glas nach böhmischer Tra- 1954 begann die kreative Zudition hergestellt. Es gab über 70 sammenarbeit mit Prof. Aloys F. Betriebe, die sich mit der Glas- Gangkofner, dem späteren Leiter erzeugung und Glasveredelung der Glasabteilung der Akademie beschäftigten. Der führende Her- der Bildenden Künste München. steller war die Hessen-Glaswerke Ein wichtiges Standbein war GmbH in Oberursel/Stierstadt. die Produktion von kombinierDer Taunus war, im Gegen- tem Stangenglas für die Gablonsatz zum Isergebirge, nahezu völ- zer Bijouterie. Es wurden über lig zerstört. Die Vertriebenen er- 1.100 Farbkombinationen gerichteten hier eine unvertraute fertigt. Hessenglas war der fühaber dennoch irgendwie bekann- rende Hersteller dieser Stante neue Heimat. Durch den ehe- gengläser in Europa und hatte maligen Leiter der GlasNiederlagen in Schwähütten von Carl Riedel bisch-Gmünd, Bayreuth in Josefsthal und Unund Neugablonz. Letzter-Maxdorf (Kreis Gatere wurde von Erich blonz) Otto Fischer und Pracht 1949/1950 gedie aus dem Kamnitzgründet, die Erich tal angesiedelten GlasPracht OHG in der macher, stand die GlasHerbststrasse in Neugahütte in Stierstadt in der blonz. Noch heute laTradition der Glasmeigern dort Glasstangen sterdynastie Riedel. Die von Hessenglas. Anfänge im Taunus waDurch Engagement ren äußerst schwierig. der GründungsgeneDurch die guten Konration, kreative Protakte von Otto Fischer, duktgestaltung und hoeinem Mitgründer der he Qualitätsansprüche Hessen-Glaswerke, zur konnten die UnternehFa. Schott war es mögmen bis Anfang der lich als einzige Glashüt1990 Jahre bestehen. te in Deutschland den Die hohen Energiereinen Quarzund Lohnkosand aus dem Vase aus Alexandritglas, die je nach stenanteile der Taunus einzu- Lichteinfall ihre Farbe wechselt. Handfertigung Foto: Udo Dönch führten nahesetzen.
Seit dem 3. Oktober ist im Isergebirgs-Museum eine neue Sonderausstellung über Gablonzer Glas aus dem Taunus zu sehen.
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Flakons, Design Franz Burkert und Veredlung durch Kristallglas, Oberursel.
Vasendesign von Professor Aloys F. Gangkofner, um 1965. zu zum Ende der Produktion von hochwertigem Kristallglas aus Europa. Die im Taunus gefertigten Glaswaren sind heute noch wegen der Glasqualität und ihres Designs in Sammlungen und Museen weltweit zu bewundern. Die Ausstellung im IsergebirgsMuseum Neugablonz zeigt die ganze Bandbreite der Produktion: Gläser von Professor Aloys F. Gangkofner, Bleikristallglas, Glasobjekte aus seltenen Erden,
Seidengläser, Gläser mit Verschmelzungen, Flakons und Toilettengarnituren, Überfanggläser sowie Stangenglas. Ute Hultsch-Schmidt Museumsleiterin Bis 9. Februar 2025, Isergebirgs-Museum Neugablonz: Sonderausstellung „Hessen-Glaswerke“. Bürgerplatz 1 (Gablonzer Haus), Kaufbeuren-Neugablonz. Dienstag bis Sonntag 13.00– 17.00 Uhr.
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Sudetendeutsche Zeitung Folge 42 | 18. 10. 2024
Redaktionsschluß: Jeweils der 5. des Erscheinungsmonats. Redaktion: Kathrin Hoffmann, Telefon (0 81 04) 88 80 10, eMail zuckmantel@sudeten.de
Zuckmantel und der Auerberg
Fundstücke beim Pilgern Im September war ich wie in den vergangenen Jahren mit Freundinnen auf dem Münchener Jakobsweg unterwegs. Diesmal ging die Etappe von Lechbruck nach Marktoberdorf. Dabei mußten wir über den 1055 Meter hohen Auerberg. Beim Verlassen der Kapelle fiel mir ein schmiedeeisernes Kreuz auf mit der Tafel „Zum Gedenken aller Verstorbenen aus Zuckmantel und Umgebung“. Wieder daheim, mußte ich natürlich nachlesen, was es mit dem Kreuz auf sich hat.
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ie Eingabe von „Zuckmantel“ und „Auerberg“ in eine Suchmaschine ergab einige Treffer, die sich vor allem auf die Rochusgelöbnisfeier auf dem Auerberg beziehen. Diese ist die Erfüllung eines Pestgelübdes der einstigen Bewohner von Zuckmantel aus dem Dreißigjährigen Krieg. Nach der Vertreibung 1946 kamen viele Zuckmantler nach Bernbeuren in Bayerisch Schwaben, auf dessen Gemeindegebiet der Auerberg liegt. Die Sudetenpost schrieb 1967: „Aus allen Teilen Deutschlands kamen am 18. und 19. August Landsleute aus Zuckmantel und Umgebung in Bernbeuren, Kreis Schongau, zusammen, um seit der Vertreibung zum 20. Male das Rochusgedenken zu begehen. Als nach 1946 die Mühsale und Entbehrungen langsam verebbten, beschlossen die in Bernbeuren seßhaft gewordenen Zuckmantler, in der Kirche auf dem nahen Auerberg das Fest des Schutzpatrons ihrer Heimat-
stadt, St. Rochus, wieder zu feiern. 1634 hatte der Magistrat von Edelstadt, des späteren Zuckmantel, angesichts der drohenden Pestnot beschlossen, den Tag des Pest-Heiligen zu feiern, den nahen Steinberg Rochusberg zu benennen und dort eine Kapelle zu errichten, was dann nach Jahrzehnten auch geschah. Landsmann Herbert Flaschner und seine Mitarbeiter Barfuß und Ullmann und andere waren nun bemüht, das Gedenken festlich zu begehen. Schon am Begrüßungsabend konnte der große Saal beim ‚Kronenwirt‘ die Besucher nicht fassen. Auf der festlich geschmückten Bühne war eine starke bayrische Musikkapelle placiert. Die Landsleute Türke und Wolf erheiterten durch Mundartvorträge die Besucher, die Darbietungen der Trachten und Schuhplattler ernteten stürmischen Beifall. Sonntag um 9 Uhr war auf dem Auerberg heilige Messe. Nach Absingen des Rochusliedes und der Totenehrung vor dem Birkenkreuz durch Landsmann Türke erfolgte die Wanderung zum Treffen in Bernbeuren. Für die Kirche auf dem Auerberg hat der aus Herrmannstadt gebürtige Maler Türmer ein großes Bild des St. Rochus hergestellt, auf dem der Rochusberg und die Bischofskoppe wie auch Zuckmantel ersichtlich sind.“ Seit 1948 wird das Pest-Gelöbnis mit einer Messe am Sonntag nach dem Namenstag des Hl. Rochus (16. August), dieses Jahr war das am 18. August, auf dem Auerberg fortgeführt. In der al-
ten Heimat fand das Gelöbnis im blick ist es auf alKirchlein auf dem Rochusberg le Fälle wert. bei Zuckmantel in ähnlicher UmKathrin gebung wie auf dem Auerberg Hoffmann statt. Zum Gottesdienst wird die „Deutsche Messe“ von Franz Schubert gesungen, dessen Mutter in Zuckmantel geboren wurde. „Bis vor ein paar Jahren“, so fand ich im Mitteilungsblatt der Gemeinde Bernbeuren aus dem September 2021, „wurde auch das ‚Rochus-Lied‘ einfließend in diese Messe gesungen. Da leider nur noch wenige Verbliebene die Melodie singen können, wird das Lied von den Anwesenden nun gemeinsam gebetet. Auch das Marienlied ‚Über die Berge schallt‘, das zum Schluß der Messe gesungen wurde, wird nun gemeinsam gebetet. Es erinnert an den Wallfahrtsort ‚Maria Hilf‘ in der Nähe von Zuckmantel.“ Vielleicht hat ja nun der ein oder andere Leser Lust be- Rechts vor dem Kircheneingang steht das Kreuz kommen, im näch- „Zum Gedenken aller Verstorbenen aus Zucksten Jahr zum Ro- mantel und Umgebung.“ Auf der linken Seite des Steinsockels befindet sich eine weitere Tafel mit chusgelöbnisfest auf den Auerberg zu der Inschrift: „Kreuz aus dem Friedhof Zuckmankommen. Der Aus- tel/Sudetenland, gestiftet von Lothar Magyar.“
Die katholische Filialkirche St. Georg liegt auf dem höchsten Punkt des Auerbergs. Von der Aussichtsplattform bietet sich ein Alpenpanorama (großes Bild), das vom Wendelstein im Osten über das Wettersteingebirge, die Ammergauer Alpen bis hin zu den Allgäuer Alpen und zum Bregenzerwald im Westen reicht. 1951 wurde von den Heimatvertriebenen aus Bernbeuren ein Gelöbnisbild des Hl. Rochus mit Pestbeule und seinem hilfreichen Hund in Auftrag gegeben. Im Hintergrund sind Zuckmantel und Umgebung zu sehen. Das Bild wurde 2018 restauriert und hängt seitdem über der Eingangstüre der Auerbergkirche.