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Zwischen Taliban und grossen Gefühlen

Kino Im Animationsfilm «My Sunny Maad» folgt eine junge Tschechin ihrer grossen Liebe kurz vor dem Fall der Taliban 2011 nach Kabul.

TEXT MONIKA BETTSCHEN

Als sich Herra während des Studiums in Prag in Nazir verliebt, ahnt sie nicht, wie grundlegend sich ihr Leben verändern wird. Sie, die in ihrem tschechischen Elternhaus kaum Zuneigung erfahren hat, sehnt sich nach Verbindlichkeit und grossen Gefühlen. Nazir verkörpert genau jene Beständigkeit, die sie sich in ihrem Leben wünscht, ganz anders als die übrigen Studenten im Hörsaal, die sie als unentschlossen und selbstbezogen empfindet. Sie folgt Nazir nach Afghanistan, wo er herkommt, und heiratet ihn. Warnungen aus ihrem Umfeld, dass sie es im Post-Taliban-Afghanistan sehr schwer haben werde, schlägt sie, verliebt wie sie ist, in den Wind.

Schon in der Hochzeitsnacht kommt es zu einer brenzligen Situation, als sich herausstellt, dass Herra keine Jungfrau mehr ist. Als Nazir im Ehebett nach einem Messer greift, zuckt sie zusammen, doch er schneidet sich damit selbst und lässt sein Blut auf das Laken tropfen. So will er der draussen wartenden Familie die intakte Ehre seiner westlichen Frau demonstrieren.

Zur Familie, die in Kabul lebt, gehören die kritische Schwiegermutter, der liberale Grossvater, der Herra mit überraschender Herzenswärme empfängt, sowie die sechsköpfige Familie von Nazirs Schwester Freshta, die unter ihrem gewalttätigen Mann leidet. Als sich herausstellt, dass Herra keine Kinder bekommen kann, nehmen die Spannungen zwischen ihr und Nazir zu.

Doch sie nehmen den behinderten Maad bei sich auf, der wegen seines Aussehens verstossen wurde, und so erhält ihr Leben endlich einen tieferen Sinn. Der Junge bringt Freude in den oft bedrückenden Familienalltag, und in ihm findet Herra unverhofft einen Seelenverwandten, der sie die vielen Einschränkungen einfacher ertragen lässt.

Die Gefahr, dass die Figuren zu Schablonen westlicher Vorurteile werden könnten, wendete die tschechische Filmemacherin Michaela Pavlátová erfolgreich ab, indem sie alle Familienmitglieder mit einer unverwechselbaren Persönlichkeit ausstattete. So gleitet man als Zuschauer*in tief in dieses Familiengefüge hinein, erkennt die Besonderheiten jeder Figur und schliesst sie genau deshalb ins Herz. Pavlátová verlieh ihren Figuren mit einem liebevoll gestalteten Animationsstil, der das Wesentliche nie aus den Augen verliert, eine Glaubwürdigkeit, die über weite Strecken sogar fast vergessen lässt, dass es sich um einen Animationsfilm handelt. Dazu trägt neben den Zeich-

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