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Moumouni

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Schule

Schule

… naiv und Frieden

Kamanzi veränderte meine Einstellung zum Militär. Ich traf ihn in Ruanda, er hatte mich zu einer der vielen GenozidGedenkstätten dort begleitet, danach gingen wir etwas trinken. Er erzählte mir, dass er bald einen Sohn erwarte und sich Gedanken mache, welche Werte er ihm mitgeben wolle. Und fragte mich, was ich vom Militär hielt. Ich, in meinen frühen Zwanzigern, hatte gerade ein Seminar zum Genozid in Ruanda abgeschlossen, war mit einer Gruppe Studentinnen und unserer Dozentin für ein Projekt und eine «Summerschool» nach Kigali gereist. Jung, idealistisch und ein bisschen naiv, sagte ich ihm, dass ich nichts vom Militär hielt. Und dass ich nicht glaubte, dass es ein guter Ort für einen jungen Mann sei, weil Militarisierung keinen Frieden schaffe, unter anderem auch wegen der Art Männlichkeit, die im Militär gefördert wird. Da Vergewaltigungen als Kriegswaffe während des Bürgerkriegs eine grosse Rolle gespielt hatten, fand ich, dass es gerade deshalb wichtig sei, seinen Sohn in ein anderes Umfeld zu bringen als in eine junge Männergruppe, in der Gewalt und Disziplin, wohl aber kaum die Aufarbeitung von kollektivem Trauma gelehrt wird.

Dann sagte Kamanzi, dass er selbst im Militär gewesen sei. Viel länger, als er es gern wollte. Nach dem Krieg hätten sie ihn schlicht nicht gehen lassen, weil er spezialisiert darauf war, Minen zu entschärfen. Mehrere Jahre seines Lebens habe er gegen seinen Willen weiter im Militär arbeiten müssen. Ich staunte. Dann müsste er doch erst recht wollen, dass sein Sohn gar nicht erst ins Militär eintritt? Kamanzi entgegnete, Ruanda sei zwar derzeit friedlich, doch er habe keine Garantie dafür, dass es so bleibe. In den umliegenden Ländern herrschten immer wieder brutale Konflikte – er wolle, dass sein Sohn sich verteidigen könnte, wenn er müsse. Wie mich diese Antwort erschütterte. Ich schämte mich für meine Naivität. Dass ich, die keine Ahnung von Krieg hatte, mir anmasste, ihm davon zu erzählen, was ich vom Militär hielt. Kamanzi jedoch war fasziniert von meiner Einschätzung–weil er sich selbst so eine idealistische Sicht nicht leisten konnte. Er dachte pragmatisch, traumatisiert von seinen eigenen Erlebnissen–er war froh, dass eine andere für ihn eine Vision denken konnte, in der sein Sohn mehr war als Waffenfutter in Machtkämpfen und Diener seines Landes.

Auch wenn sich in den Jahren danach herausstellte, dass die politische Lage in Ruanda keinesfalls so rosig ist, wie Präsident Kagame sie nach aussen präsentierte, habe ich dort Menschen getroffen, die jeden einzelnen Tag am Frieden arbeiteten–weil sie wussten, dass Frieden auch Arbeit ist. Als Jugendliche war mein Pazifismus geprägt von der weissgewaschenen Version Schwarzer Befreiungskämpfe, die ich in der Schule gelernt hatte: Ein geduldiger Martin Luther King findet in neutestamentarisch-christlicher Manier immer wieder eine weitere Wange zum Hinhalten, bis die Schwarzen schliesslich Rechte zugesprochen bekommen. Erst später kam ich darauf, dass Widerstand gegen Gewalt nicht einfach ist und manchmal nicht ohne Gegengewalt auskommt. Trotzdem glaube ich weiterhin, dass es wichtig ist, für Frieden zu kämpfen, und das auch, indem man ihn denkt! Nicht naiv. Sondern radikal. Denn was kommt schon nach Militarisierung, Aufrüstung und dem Aufstocken von Rüstungsbudgets? Die (keinesfalls naive) Schwarze Bürgerrechtlerin Angela Davis sagte dazu: «You have to act as if it were possible to radically transform the world. And you have to do it all the time.»

FATIMA MOUMOUNI

hofft, niemals für ein Land kämpfen zu müssen.

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