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Vor Gericht

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Trauma

Trauma

Schon wieder Pandemie

Seit Mai machen die Affenpocken Schlagzeilen. Die Viruserkrankung verursacht Hautausschläge, geschwollene Lymphknoten und grippeähnliche Symptome. Derzeit sind über sechzig Länder betroffen. Die WHO hat den globalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Das Virus (auch als MPXV bekannt) ist eng mit den Pocken und den Kuhpocken verwandt und war in der Vergangenheit auf Länder in Zentral- und Westafrika beschränkt. Der Name ist eigentlich irreführend, da Affen – ähnlich wie Menschen –nicht die Hauptwirte des Virus sind, eher Nager. Nach Angaben des US-amerikanischen Center for Disease Control and Prevention wurden bis zum 26. Juli weltweit fast 20 000 Fälle gemeldet. Etwa 80 Prozent der bisher gemeldeten Fälle entfallen auf europäische Länder. Das Virus verbreitet sich überdurchschnittlich schnell unter Männern, die Sex mit Männern haben, ist aber nicht auf diese Bevölkerungsgruppe beschränkt. Die Affenpocken sind in der Regel nicht tödlich und es gibt Wege, sich zu schützen. Das Virus sollte aber nicht unterschätzt werden.

REAL CHANGE, SEATTLE

Strafen für Kinderpornografie

Immer öfter werden Täter*innen in Sachen Kinderpornos von einem Strafgericht verurteilt. Im Jahr 2020 gab es in Deutschland 219 Urteile, im Jahr darauf 297, was einer Zunahme von knapp 26 Prozent entspricht. Der Anstieg wird von der CDU-Justizministerin Barbara Havliza auch damit erklärt, dass «Kinderpornografie, obschon eine der dunkelsten Kehrseiten der Digitalisierung, immer einfacher Verbreitung findet». Umso wichtiger sei es, »mit Personal, Technik und umfassender Strafverfolgung dagegenzuhalten», sagt die Ministerin.

Oh nein, der Wein!

Andere Länder, andere Sitten – und auch etwas andere Delikte. In Spanien macht derzeit ein Fall Schlagzeilen, der aus der Feder einer ferienreifen Drehbuchautorin stammen könnte. Schauplatz ist die Stadt Cáceres, tief im Südwesten des Landes gelegen, ein malerisches Unesco-Weltkulturerbe an der Grenze zu Portugal. Tatort ist das mit zwei Michelin-Sternen dekorierte Restaurant El Atrio. Im Keller des Edellokals lagert eine der prestigeträchtigsten Weinsammlungen Europas. Der teuerste Tropfen auf der über 70-seitigen Weinkarte ist der Bordeaux «Château d’Yquem» aus dem Jahr 1806 für 350 000 Euro.

Oder besser gesagt: war. Denn am Morgen des 27. Oktober letzten Jahres erleben Starkoch Toño Perez und sein Partner, Sommelier José Polo, den Schreck ihres Lebens. Das Kronjuwel ihrer Sammlung ist weg. Gestohlen, zusammen mit 44 weiteren Rotweinen. Gesamtwert der Beute: über 1,6 Millionen Euro.

Überwachungsvideos bestätigten, was die beiden Gourmets sofort dachten: Es muss das Paar gewesen sein, das in den Wochen zuvor wiederholt im Edellokal diniert hatte, so auch in der Tatnacht. Nach dem Schmaus liess es sich, wie durchaus üblich bei guten Gästen, den Weinkeller zeigen und zog sich dann ins Hotelzimmer zurück. Gegen 1 Uhr 30 habe das Englisch sprechende Duo mit Schweizer Pässen den Nachtrezeptionisten gebeten, ihnen noch etwas zu essen zuzubereiten. Die Ermittler*innen gehen davon aus, dass das Paar die etwa fünfzehn Minuten, die der Weinkeller dabei unbeobachtet blieb, für diesen Coup genutzt hat.

Die Schweizer Pässe erwiesen sich als gefälscht – vielmehr handelte es sich bei der heute 29-jährigen Frau um eine ehemalige mexikanische Schönheitskönigin und bei dem Mann um einen 47-jährigen niederländisch-rumänischen Doppelbürger mit einem einschlägigen Vorstrafenregister. Weil ausschliesslich Weine gestohlen wurden, die nicht unauffällig weiterverkauft werden können, glauben die Behörden weiter, dass das Paar im Auftrag eines Privatsammlers tätig war.

Neun Monate lang jagten Europol und Interpol in einer mit den spanischen, rumänischen und niederländischen Justizbehörden koordinierten Aktion das Paar quer über den Kontinent. Erst im Juli dieses Jahres wurde es beim Grenzübertritt von Montenegro nach Kroatien geschnappt und nach Spanien ausgeliefert. Dort sitzen die beiden seither in Untersuchungshaft.

Dagegen hatten die mutmasslichen Superdiebe geklagt. Schliesslich gebe es keine eindeutigen Beweise für deren Schuld, sagte die Strafverteidigerin der beiden in der Verhandlung vom 9. September 2022, deshalb sei die anhaltende Untersuchungshaft höchst unverhältnismässig. Doch das Landgericht Cáceres winkte ab. Zu hoch seien Fluchtgefahr, die Deliktsumme sowie der kulturelle und künstlerische Wert der gestohlenen Güter.

Apropos: Trotz des leidenschaftlichen Appells von Sommelier José Polo, wonach er seine Flasche Château D’Yquem sofort zurückkaufen würde, fehlt von den feinen Weinen weiterhin jede Spur.

YVONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin in Zürich.

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