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Tour de Suisse

Pörtner in Uzwil

Surprise-Standort: Bahnhof Einwohner*innen: 13 284 Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 28,4 Sozialhilfequote in Prozent: 2,0 Anzahl Kühe: 584

Der Bahnhof Uzwil verfügt über ein eigenes, gleichnamiges Hotel, ennet der Geleise steht das Viersterne-Freizeit- und Business-Hotel Uzwil, inmitten von Blocksiedlungen. So ganz will ein solches Hotel nicht hierher passen, doch der Grund für dessen Existenz zeigt sich, wenn man ein Stück die Hauptstrasse hinunterspaziert, die in diesem Abschnitt dem Wohlbefinden gewidmet ist. Ein Geschäft für Seh- und Hörhilfen, ein Zahnarzt, der auffordert, vermehrt zu lächeln, ein Coiffeur, ein Physiotherapeut, ein Fitnesscenter, eine psychiatrische Praxis, die Filiale einer Krankenkasse reihen sich aneinander, weiter unten folgt noch ein Zentrum für Homöopathik. Angeschrieben ist das Kino City, dessen Eingang versteckt zwischen Nagelstudios und Imbissbuden liegt. Aber es hält die Stellung. Erreicht man die Konsumstrasse, löst sich das Hotelrätsel. Hier erstreckt sich eines dieser riesigen Industrieareale, von denen es nicht mehr allzu viele gibt im Land. Selbst wer den nicht enden wollenden Zaun entlangschlendert, findet nicht heraus, was hier genau hergestellt wird. Die auf dem Areal ansässige Firma Bühler ist international tätig, stellt Prozesstechnologien her, die Rohstoffe in hochwertige Endprodukte verwandeln. Laut Homepage kommen wir täglich mit ihren Produkten und Prozessen in Kontakt, die Lagerung von Kakao gehört ebenso dazu wie Brillenbeschichtungen. Ohne Zweifel ist das Unternehmen ein wichtiger Arbeitgeber im Ort, es fahren immer wieder Leute in Arbeitskleidern vorbei, ansonsten ist es an diesem Nachmittag ruhig, der Rasen des Fussballplatzes wird mit einer etwas überdimensionierten Maschine gemäht, daneben liegt der blaue Basketballplatz.

An der Fabrikstrasse, sinnigerweise die Parallelstrasse zur Konsumstrasse, befindet sich das Business Center Blauer Engel. Die Mütter- und Väterberatung ist geöffnet, die Beiz mit der Doppelkegelbahn hat Ruhetag. Eine Bank des Verkehrsvereins lockt unter einem efeuumrankten Ahornbaum zum Verweilen. Darauf ist ein Täfelchen mit einem QRCode angebracht, das Scannen ergibt aber, dass für diesen Standort noch kein Inhalt hinterlegt wurde.

Ein Jugendlicher auf einem Mofa dreht knatternd seine Runden, eine Fahrschülerin übt neben dem Kirchgemeindehaus das Einparken. Die Kirchgemeinde bietet Gospelsingen und gemeinsames Beten an, ausser in den Ferien. Ein Mann sitzt auf der Bank beim Schulhaus, neben sich die Papiertüte eines Herrenmode-Geschäfts, dessen Filialen einst allgegenwärtig waren, überlebt hat eine einzige.

Das Schulhaus wirkt verlassen, bis die Glocke läutet und ein paar kleine Kinder herauskommen, sie werden bereits von den Eltern im Auto erwartet. Obwohl es genug Parkplätze gibt, steht ein Sportwagen gleich vor dem Eingang auf dem Trottoir. Schwieriger ist es, ein Café zu finden, es gibt zwar eine Reihe von Verpflegungsstätten, die entweder noch nicht geöffnet oder zeitweilig geschlossen sind. Die Rettung bietet wiederum ein Hotel, das über einen kleinen Garten verfügt. Eine Gruppe älterer Elektromountainbiker kehrt ein. Die Männer sprechen von ihrem vergangenen Arbeitsleben, das sie alle bei der gleichen Firma verbracht haben. Bei welcher, lässt sich ahnen.

STEPHAN PÖRTNER

Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.

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