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Surprise-Porträt
«Mein Traumjob wäre Lehrerin»
«Ich heisse Tsion Yohans und stamme aus Eritrea. Auf dem Papier bin ich 56 Jahre, aber eigentlich bin sechs Jahre älter. Viele Leute aus Eritrea kennen ihr genaues Geburtsdatum nicht, denn früher musste es weder den Behörden noch der Kirche gemeldet werden. Wenn man aus Eritrea ausreisen musste und keinen Taufschein oder Ähnliches bei sich hatte, durfte man sein Alter schätzen und konnte ein Geburtsdatum erfinden. Ich habe mein richtiges Alter erst kürzlich bei einem Telefongespräch mit meinem Bruder erfahren. Er meinte im Witz, dass wir langsam alt werden. Ich protestierte lachend und erwiderte, dass ich zumindest offiziell erst in meinen Fünfzigern stecke. Da erzählte er mir, dass ich gemäss Taufschein ganze sechs Jahre älter bin. Ich habe bis dahin gar nicht gewusst, dass mein Vater uns Taufscheine organisiert hatte, denn dies war früher nicht üblich. Nun kann ich mein Geburtsdatum in meinen offiziellen Dokumenten anpassen lassen. Diese Korrektur ist mir wichtig, denn die sechs Jahre gehören zu meinem bewegten Leben.
Aufgewachsen bin ich in der Stadt Asmara. Dort habe ich eine elfjährige Schulausbildung absolviert. Dies ist nicht selbstverständlich. In den Dörfern werden die Mädchen oft schon im Alter von 15 oder 16 Jahren verheiratet. Meine Schulzeit wurde jedoch wegen des eritreischen Unabhängigkeitskrieges immer wieder unterbrochen. Daher konnte ich die Schule erst abschliessen, als ich Ende zwanzig war.
Danach zog ich nach Addis Abeba und lernte dort meinen Mann kennen, der aus Äthiopien stammt. Ich heiratete aus Liebe – ein Privileg, das in Eritrea und Äthiopien ebenfalls nicht viele junge Frauen in meinem Alter haben. Leider konnte ich mein Glück nicht lange geniessen. Im Jahr 1998, kurz nach der Geburt unserer jüngsten Tochter, brach der Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien aus. Da ich Eritreerin bin, musste ich von einem Tag auf den anderen aus dem Land fliehen und meine Kinder zurücklassen; damals wusste ich nicht, dass es viele Jahren dauern wird, bis ich sie wiedersehe.
Ich ging zurück nach Asmara und versuchte dort ein neues Leben aufzubauen. Ich arbeitete viel, hatte zwei Jobs: Ich kochte für einen HochzeitsCateringService und arbeitete als Näherin. Das war eine schwere Zeit für mich. Ich vermisste meinen Mann und meine Kinder unglaublich fest. Als mir nach und nach bewusstwurde, dass sich die Spannungen zwischen den beiden Ländern nicht so schnell legen und die Grenzen womöglich für eine längere Zeit nicht offen sein würden, begann ich Geld zu sparen für meine Flucht nach Europa. Nach einigen Jahren harter Arbeit hatte ich endlich genügend Geld zusammen, um einen Schlepper zu bezahlen, der meine Flucht über den Sudan, Libyen und Italien in die Schweiz organisierte. Ich hatte nämlich viel Gutes über die Schweiz gehört – ein Ruf, der sich bestätigte.
Mittlerweile lebe ich seit acht Jahren in der Schweiz. Ich schätze das ruhige Leben hier. Die Leute sind freundlich und das Land ist politisch stabil. Leider habe ich bis jetzt noch keine feste Stelle gefunden. Ich bin jedoch schon sehr froh, dass ich mit meinem FAusweis die Möglichkeit habe, nach Äthiopien zu reisen. Dank der finanziellen Unterstützung von Freunden konnte ich meine Kinder besuchen. Meinen Mann hingegen habe ich nie wiedergesehen. Er ist im Krieg verschwunden.
Seit einem Jahr arbeite ich nun für Surprise. Ich hoffe, dass ich mit dieser Arbeit genügend verdienen werde, damit ich in Zukunft meine Familienbesuche selbst finanzieren kann. Mein Traumjob wäre Lehrerin oder Kinderbetreuerin. Dann würde ich den Kindern zeigen, wie sie schöne Kleider nähen und sticken können, so wie mir das meine Mutter beigebracht hat.»
BODARA FOTO:
Tsion Yohans, 62, verkauft Surprise in Zürch am Hauptbahnhof und beim Central sowie beim «Brupbimärt» in Wiedikon und näht in ihrer Freizeit gerne Kleider.
Entlastung Entlastung Sozialwerke Sozialwerke BEGLEITUNG BEGLEITUNG UND UNDBERATUNG BERATUNG STRASSENSTRASSENCHOR CHOR
CAFÉ CAFÉ SURPRISE SURPRISE
Lebensfreude ZugehörigkeitsLebensfreude Zugehörigkeitgefühl sgefühl
Job Job Expertenrolle Expertenrolle STRASSENSTRASSENFUSSBALL FUSSBALL
STRASSENSTRASSENMAGAZIN MAGAZIN
SOZIALE SOZIALESTADTRUNDSTADTRUND-GÄNGE GÄNGE
Information Information
SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 PerspektivenSURPRISE WIRKT wechsel Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Perspektivenwechsel Erlebnis Erlebnis
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