Surprise 340 rz web

Page 1

Nr. 340 | 19. Dezember 2014 bis 8. Januar 2015 | CHF 6.– inkl. MwSt. Die Hälfte des Verkaufspreises geht an die Verkaufenden. Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass.

Träume Eine Literatur-Sondernummer mit Sibylle Berg, Mitra Devi, Rolf Lappert, Sunil Mann, Klaus Merz, Milena Moser, Ralf Schlatter und Ruth Schweikert


Anzeige:

2

SURPRISE 340/14


Titelbild: Priska Wenger

Nicht jeder kann einfach Richtung Süden aufbrechen, wenn es kalt wird. Uns haben sie im Nordwinter zurückgelassen, die Zugvögel. Gut möglich, dass gerade jetzt ein paar Mauersegler über einem sambischen Wasserloch dahinsegeln, unter sich eine Herde trinkender Elefanten, und in der sengenden Hitze ihr seltsames Lied pfeifen. Jedes Tier hat seine eigene Strategie, um wohlbehalten über die dunkelsten Tage zu kommen. Die einen suchen in den Wäldern und an Feldrändern emsig nach stehengebliebenen Beeren und den letzten grünen Gräsern. Andere haben einen radikaleren Ansatz gewählt und schlafen einfach durch. Tief und fest, bei fünf Herzschlägen und zwei Atemzügen pro Minute. Vielleicht reicht es sogar hin und wieder für einen Traumfetzen. MENA KOST Und wir? Wer eine warme Stube hat, schafft sich Vorräte heran und zündet die Fest- REDAKTORIN beleuchtung an. Andere suchen überhaupt erst einen Ort, an dem sie unterkommen können. Wir alle brauchen ein warmes Plätzchen, an dem wir die langen Nächte verbringen können. Denn nichts empfiehlt sich mehr für die Zeit zwischen den Jahren, als ausgiebig zu schlafen – und zu träumen: Davon, was war. Davon, was hätte sein können. Und vor allem davon, was alles sein wird, wenn das Leben wieder erwacht. In dieser Ausgabe finden Sie Kurzgeschichten von Sibylle Berg, Mitra Devi, Rolf Lappert, Sunil Mann, Klaus Merz, Milena Moser, Ralf Schlatter und Ruth Schweikert. Fast alle haben sie exklusiv für Surprise eine Geschichte verfasst – und sie uns geschenkt. Dafür wollen wir ihnen von Herzen danken. Sie alle – und auch Sie, liebe Leserinnen und Leser – tragen dazu bei, dass sich das lange Stehen in der Kälte für unsere Verkäuferinnen und Verkäufer lohnt. Und dass sie so nach getaner Arbeit an den langen Abenden zwischen den Jahren vielleicht etwas mehr Musse zum Träumen haben. Das wünschen wir auch Ihnen – Musse zum Träumen. Lassen Sie sich von den Geschichten dieser Ausgabe mitnehmen. Träumen Sie sich fort. Aber kommen Sie bitte wieder, gerne etwas früher als der Mauersegler, auf dessen Rückkehr wir bis April warten müssen. Mit Ihnen dürfen wir hoffentlich schon im Januar wieder rechnen. Bis dahin alles Gute. Herzlich Mena Kost

Surprise ist auf Spenden angewiesen. Auch auf Ihre! Herzlichen Dank. PC-Konto 12-551455-3 Ihre Meinung! Wir sind gespannt auf Ihre Kritik, Ihr Lob oder Ihre Anmerkungen. Schreiben Sie uns! Auf leserbriefe@vereinsurprise.ch oder an Verein Surprise, Redaktion, Spalentorweg 20, 4051 Basel. Es werden nur Leserbriefe abgedruckt, die mit vollem Namen unterzeichnet sind. Die Redaktion trifft eine Auswahl und behält sich vor, Briefe zu kürzen. Oder diskutieren Sie mit uns auf www.facebook.com/vereinsurprise SURPRISE 340/14

3

BILD: DOMINIK PLÜSS

Editorial Winterschlaf


03 05 06 08 28 29 30

31

Inhalt Editorial Träumen Sie sich fort Basteln für eine bessere Welt Vorhersage aus der Geisterwelt Mein Traum Von was Surprise-Verkaufende träumen Porträt Das Wunderkind Kreuzworträtsel Einen sozialen Stadtrundgang gewinnen Projekt Surplus Eine Chance für alle! In eigener Sache Impressum INSP Projekt Surplus Projekt Surplus

10 Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf. Oder wer immer. VON MILENA MOSER

12 Drohende Turbulenz oder Meine Suche nach H. VON KLAUS MERZ

14 Indien, einfach VON MITRA DEVI

17 Vaters Traum VON RUTH SCHWEIKERT

20 Bekenntnisse eines Traumlosen VON ROLF LAPPERT

23 Die letzte Aufnahmeprüfung VON SIBYLLE BERG

24 Dättwylers Dorli sini abverheiti Verlobig VON SUNIL MANN

26 Wohlfahrts letzter Tag VON RALF SCHLATTER

4

BILD: ZVG

Die Illustrationen dieser Ausgabe stammen von Priska Wenger. Die freischaffende Illustratorin gestaltet seit vielen Jahren die Bilder zu unserer Gerichtskolumne «Zugerichtet» und hat bereits mehrere Sonderhefte von Surprise bebildert. Sie studierte Visuelle Kommunikation und Illustration an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern. Priska Wenger lebt und arbeitet in New York und Zürich.

SURPRISE 340/14


Die zwölf Tage und Nächte zwischen Heiligabend und Dreikönigstag, so wissen mit alten Volksbräuchen Vertraute, sind eine besondere Zeit: Die Tore zur Geisterwelt sind weit offen und die Träume besonders bedeutungsvoll. Ganz praktisch auch: Anhand des Wetters in diesen sogenannten Lostagen lässt sich das Wetter des ganzen nächsten Jahres ablesen. Mit unserem Kalender haben Sie die Übersicht und können Ihre Velotour durch die Schweiz bereits jetzt planen.

JAN. FE

V.

APRI L

M

G.

OKT.

RZ MÄ

T. SEP

B.

NO

. DEZ

AI

AU

I JUN

JULI

1. Kopieren Sie die zwei Scheiben gross oder zeichnen Sie sie ab und kleben sie auf Karton.

2. Schneiden Sie das Sichtfenster aus, machen Sie mit einer Ale ein Loch in die Mitte der beiden Scheiben und heften sie mit einer Musterklammer zusammen.

WETTERBERICHT 2015

3. Zeichnen Sie sich nun mit Sonne, Wölkchen oder Regen beim jeweiligen Monat in die weisse Fläche das Wetter ein: So wie am 26. Dezember wird das Wetter im Januar, so wie am 27. Dezember im Februar und so weiter.

4. Achten Sie besonders auf das Wetter am 6. Januar! Denn die Vorhersage gilt nur, wenn es an diesem Tag trocken ist. Sollte es dann regnen oder schneien, war alles umsonst und Sie müssen sich auf Thomas Bucheli & Co. verlassen.

Anzeige:

SURPRISE 340/14

5

ILLUSTRATION: RAHEL KOHLER | WOMM

Basteln für eine bessere Welt Der Wetterbericht 2015


Surprise Mut zum Träumen Eine Karriere als Velorennfahrer machen oder endlich einmal einkaufen, worauf man wirklich Gluscht hat – Leute von Surprise erzählen von ihren Hoffnungen und Träumen.

Tareq Sayed, 32, Vertriebsmitarbeiter Surprise, Basel Irrtum aufgelöst «In Afghanistan, wo meine Familie herkommt, ist die Deutung von Träumen sehr wichtig. Ich träume sehr wenig, aber vor etwa zwei Wochen hatte ich einen intensiven Traum: Ein Gepard verfolgte mich und griff mich an. Es entstand ein Kampf, er schlug mich, ich schlug zurück. Als er mich in die Hand biss, wachte ich auf. Ich schaute im Internet, was der Traum bedeutet. Es hiess: Jemand versucht mich fertigzumachen. Ich habe jemanden in Afghanistan angerufen, der sich mit Traumdeutung auskennt, er hat genau das Gleiche gesagt. Ich habe nachgedacht, wer das sein könnte, es kam mir nur eine Person in den Sinn: Jemand, mit dem ich vor Jahren zusammengewohnt hatte. Er terrorisierte mich damals mit SMS und Anrufen, in denen er mir drohte, mich fertig zu machen, mich und meine Familie umzubringen. Ich rief ihn also an und sagte, dass ich ihn treffen und die Sache aus der Welt schaffen wolle. Er sagte dann, dass ich Geld von seinem Konto genommen hätte. Wir fragten bei der Bank nach und es stellte sich heraus, dass sie eine falsche Überweisung gemacht hatten. Seither haben wir Friede miteinander.»

6

BILD: ZVG

Trainieren im Velodrome «In meinem Heimatland Eritrea strebte ich ursprünglich eine Karriere als Velorennfahrer an, musste diesen Traum jedoch fallenlassen, weil ich mir das nötige Material nicht leisten konnte. Da ich Leistungssport und Wettkämpfe liebe, wechselte ich zum weniger teuren Laufsport. Nachdem ich 2008 als Flüchtling in der Schweiz angekommen war, versuchte ich noch einmal, an meinen Radrenntraum anzuknüpfen und meldete mich bei einem Veloclub in Lyss. Dort winkten sie jedoch ab, eine Profikarriere könne ich vergessen. Privat trainierte ich weiter, konzentrierte mich aber sonst in erster Linie aufs Deutschlernen und die Arbeitsuche. Vor ein paar Monaten kam ich beim Surprise-Verkaufen mit einem Kunden ins Gespräch. Der Mann fragte, ob ich das neue Velodrome in Grenchen kenne. Ich hatte schon davon gehört, war aber selbst nicht auf die Idee gekommen, einfach so dorthin zu gehen. Kurz: Der Mann führte mich mit seinem Auto zum Velodrome, half mir, die richtigen Kontakte zu knüpfen, und nun darf ich jeden Mittwochnachmittag mit andern Anfängern die Bahntechnik trainieren! Ich bin begeistert und freue mich auch schon auf den Frühling, wenn wir mit dieser Gruppe auf die Strasse gehen.»

BILD: FER

Berufung erfüllen «Ich engagiere mich als Freiwilliger in einem Pflegeheim. Dort besuche ich alte Leute, unterhalte mich mit ihnen und bringe ihnen Lesestoff und Musik vorbei. Dabei habe ich beobachtet: Glücklich am Ende des Lebens sind die Leute, die gefunden haben, was sie interessiert und bewegt – und sich dann auch mit diesen Dingen beschäftigen. Jeder Mensch hat eine oder mehrere Begabungen, und denen sollte er folgen und dafür sorgen, dass er das tun kann im Leben, was er gut kann. Das macht den einzelnen glücklich und nützt allen andern am meisten. Ich nenne das: seine Berufung erfüllen. Und ich bin sicher, dass man das Gelernte auch ins nächste Leben mitnehmen kann. Ich habe einst Jura studiert und dann an der Universität gearbeitet, aber mein Talent liegt ganz klar bei den Sprachen. Deutsche und französische Literatur und Grammatik, damit möchte ich mich noch intensiver beschäftigen. Leider fehlt es mir momentan noch etwas an der Zeit: Ich arbeite als Zeitungsverträger und verteile in Zürich den Tages-Anzeiger und die NZZ in der Frühzustellung, daneben verkaufe ich Surprise. Trotzdem: Mein Traum ist, dass ich meine Berufung erfüllen kann.»

Ghide Gherezgihier, 32, verkauft an der Nidaugasse in Biel

Jela Veraguth, 63, verkauft vor der Migros Limmatplatz, Zürich

BILD: DIF

Nicolas Gabriel, 50, verkauft auf der Rudolf-Brun-Brücke, Zürich

BILD: DIF

AUFGEZEICHNET VON AMIR ALI, FLORIAN BLUMER, DIANA FREI UND ISABEL MOSIMANN

Gesundheit für meinen Sohn «Ich wüsste schon, was ich gerne tun würde: zum Beispiel Servieren. Oder ich wäre gerne Verkäuferin bei Denner. ‹Büro› kann ich leider nicht sagen. Ich kann nicht lesen und schreiben. Ich komme aus dem ehemaligen Jugoslawien. Daheim waren wir sieben Kinder, Mutter, Vater und Grosseltern – alle unter einem Dach. Mein Vater war blind. Wir waren arm und konnten uns keine Schule leisten. In der Schweiz war ich zum ersten Mal in einem Kurs der Erwachsenenbildung. Aber während dieser Zeit habe ich meinen Vater verloren und musste für meine Mutter da sein. Jetzt hat mein Mann eine kaputte Hüfte, mein Sohn hat Polyarthritis und starke Diabetes, und ich muss für beide sorgen. Ich wünschte, dass mein Sohn gesund wäre. Dann könnte er arbeiten, und ich könnte meine Träume umsetzen. Aber so, wie es ist, habe ich für mich selber gar keine Möglichkeiten. Manchmal sitze ich allein zuhause, und dann schreibe ich und lese ein bisschen. Aber jetzt bin ich zu alt, um meine Träume wahr zu machen.»

SURPRISE 340/14


Sonja Degner, 34, singt im Surprise Strassenchor

BILD: ZVG

Anzeige:

Oliver Guntli, 36, verkauft bei der Migros Marktgasse, Bern

BILD: IMO

Bewusster Leben «Mein Traum ist, dass ich die Zeit, die ich habe – die ja begrenzt ist –, wirklich nutze. Ich habe 2009 eine zweite Chance erhalten: Ich lag wegen der Schweinegrippe auf der Intensivstation. Man wusste nicht, ob ich überlebe oder nicht – ich habe überlebt. Danach habe ich mein Leben ziemlich radikal geändert: Ich habe mein Arbeitspensum reduziert, mehr auf meine Gesundheit geachtet und die Kleinigkeiten, die das Leben lebenswert machen, bewusster wahrgenommen. Und jetzt, da ein paar Jahre vergangen sind, merke ich, dass sich wieder mehr und mehr der Alltag einschleicht. Da merke ich manchmal, dass ich die Zeit, die ich mit meinem Sohn und meinem Freund habe, nicht immer voll geniesse. Mein Traum wäre, dass ich wieder an den Punkt zurückkomme, wo ich die wertvollen Dinge in meinem Leben wieder bewusster erleben kann.»

Beatrice Winiger, 58, verkauft beim Coop Ämtlerstrasse, Zürich

BILD: DIF

Auf nach Berlin «Mein Wunsch für die Zukunft ist ganz einfach: ein bisschen mehr Geld! Wenn ich mehr Geld zur Verfügung hätte, könnte ich ab und zu einen Kaffee trinken gehen, ohne mir vorher zu überlegen, ob ich ihn mir gerade leisten kann oder nicht. Und ich würde jeweils einkaufen, was mich gluschtet und nicht was momentan Aktion oder halber Preis ist. Um mir meinen grösseren Traum zu erfüllen, bräuchte es mehr als nur ‹ein bisschen mehr Geld›: Ich möchte wieder einmal nach Berlin, und zwar mit meinem Freund. Ich würde ihn einladen und für die Reise und die Übernachtungen in einem schönen Hotel bezahlen. In Berlin war ich schon ein paar Mal, auch für länger, das hat mir sehr gut gefallen dort. Um mich in jener Zeit über Wasser zu halten, habe ich den ‹Strassenfeger› verkauft, eine der drei Berliner Strassenzeitungen.»

Javorka Bektasevic, 40, verkauft im Berner Hauptbahnhof

BILD: IMO

Verflossener Traum «Ich leide unter Depressionen. Ich möchte einfach, dass ich wieder mehr Energie bekäme. Die Medikamente nützen leider nicht so viel und ich habe Nebenwirkungen, zum Beispiel Übergewicht. Früher hatte ich Kleidergrösse 38. Ich spielte Bassgitarre, fuhr Velo, kochte biologisch, tanzte und sang. Ich war in einer Band, wir spielten Blues-Rock, Wild Child hiessen wir. Sieben Jahre lang spielte ich Bassgitarre. Ich kann mich daran erinnern – aber mir richtig vorstellen, dass das einmal ich war, kann ich mir nicht mehr. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie die Depressionen kamen. Sie kamen schleichend und wurden immer schlimmer. Mein Traum wäre, dass ich in mein altes Leben zurückkönnte. Aber dieser Traum ist fast nicht mehr da. Ich war unterdessen oft in psychiatrischen Kliniken. Das ist jetzt mein Leben. Die schöne Vergangenheit ist wie vergraben. Mein Leben ist ein verflossener Traum.»

Eine Lehrstelle für die Kinder «Meine Hoffnungen betreffen vor allem meine Kinder. Meine 19-jährige Tochter ist seit einem sehr starken Epilepsieanfall vor mehr als zehn Jahren beeinträchtigt. Sie ist sehr in sich gekehrt und spricht nur wenig. In Serbien verschrieb ihr der Arzt einfach nur Valium, hier in der Schweiz erhält sie eine geeignete Therapie und macht deshalb stetig kleine Fortschritte. Ich wünsche mir, dass die Behandlung so weitergeht und dass es auch mit der geplanten Musiktherapie klappt. Es wäre für sie, aber auch für meinen Mann, mich und unsere andern Kinder schön, wenn sie offener, zufriedener und ausgeglichener werden würde. Meine jüngere Tochter ist 17 Jahre alt, der Sohn ist 15. Beide suchen zurzeit intensiv eine Lehrstelle, sie als Coiffeuse, er im Detailhandel. Ich hoffe, dass sie trotz unseres Status als Asylsuchende hier in der Schweiz eine Lehrstelle und damit eine Perspektive erhalten. Denn wenn es meinen Kindern gut geht, geht es mir auch gut.»

SURPRISE 340/14

7


Porträt Ein ganz normales Wunderkind Für einmal unternimmt der Psychotherapeut Gary Bruno Schmid keine Gedankenreise ins Innere eines Patienten, sondern eine Reise zu sich selbst. VON ADRIAN SOLLER (TEXT) UND ANDREA GANZ (BILD)

stellen. Vor dem Regal, das für ihn wohl ein Leben bedeutet, reist Schmid gerne in seine Vergangenheit zurück. Gerne denkt er daran, wie er jenen Studenten «fuck you» zurief, die ihn «kleiner Einstein» nannten, oder daran, wie er mit seinem besten Freund Kenny auf dem geklauten Moped durch Clevelands Strassen fuhr. Erst als Schmid volljährig wurde, entwuchs er dem Bloody Corner langsam. 1964, Erststudium in Medizin. 1968, Abschluss in Mathematik. 1977, Promotion in Atomphysik. Schmid stieg ein, in die Welt der Wissenschaft, gewann Preise, bekam Lob und Anerkennung. Die Forschung lockte, die Atomphysik sowieso, galt sie doch damals als Rettung der Menschheit. Doch ab und an dachte Schmid an vergangene Zeiten, an die «110th Street Boys», an Kenny, den sie irgendwann mal erwischten. Denn Schmid fehlte in seiner komplexen Arbeit der Umgang mit «normalen Menschen». Für den Postdoc in Berlin entschied er sich im Jahr 1977 trotzdem. Zum Glück. «Im Zug nach Berlin habe ich meine künftige Schweizer Frau kennengelernt», erinnert sich Schmid heute schmunzelnd. Die Ehe hielt 25 Jahre. Zwei Kinder. Drei Katzen. Eine schöne Zeit. Im Jahr 1980 beschloss das junge Ehepaar nach Deutschland auszuwandern. An der Universität Karlsruhe nahm Schmid eine Postdoc-Stelle an. «Damals», erinnert er sich, «hörte ich das erste Mal vom Begründer der analytischen Psychologie.» Auf einem seiner Rundgänge durch die Bibliothek entdeckte Schmid damals, vor 33 Jahren, das Buch «Naturerklärung und Psyche» von Wolfgang Ernst Pauli und Carl Gustav Jung. Er las es in einem Zug. Schmid, der in seiner Freizeit dichtete, war wie magisch angezogen von allem Naturphilosophischen. Und diese literarische Begegnung mit dem Physiker Pauli und dem Pfarrerssohn Jung hatte es ihm besonders angetan. Kaum mit dem Buch fertig, rief Schmid aus Karlsruhe das C.G. Jung Institut in

Als er zuschlug, brach Schmid, vierzehn Jahre alt, IQ über 164, seinen Handwurzelknochen. Es war ein offener Bruch, das Blut lief ihm den Unterarm herunter. Sein Mitschüler aber war es, der weinte und sich im hintersten Eck des Schulzimmers verkroch. Dieser Junge war von nun an das Weichei. Und Schmid, das Wunderkind, war cool, so richtig cool. Von da an schlugen sie ihm nie mehr die Bücher aus der Hand. Der Jahrgangsbeste lebte mit seiner Eltern unweit des «Bloody Corner», der blutigen Ecke also. Mafia. Bandenkriege. Schiessereien. Die 110th Street and Woodland Avenue ist eine der berüchtigtsten Gegenden von Cleveland, Ohio. Und dennoch: Der heute 68-Jährige erinnert sich gerne an seine Kindheit zurück. «Ich war in einer Gang», sagt Gary Bruno Schmid heute in seinem blau-rot-golden gestreiften Ohrensessel. Just, wo ihm sonst ein Patient von seiner Kindheit erzählt, erzählt Schmid von seinen Kindheitserinnerungen. Hinter seiner runden Brille bilden sich dabei nicht selten kleine Lachfältchen. «Little Bruno nannten sie mich», erklärt er vergnügt vor seiner bunten Bücherwand. In seiner Praxis am Zürcher Hambergersteig dürften seine Patienten gerne über ihre Träume sprechen. Der Raum mit den Fabelwesen aus Holz ist ein guter Ausgangspunkt für eine Reise zu sich selbst. Schmid schlägt die Beine übereinander. «Ich war zwölf», erzählt er weiter, «als mich ein Pfarrerssohn fragte, ob ich mit ihm eine Bank ausrauben wolle.» Schmid fühlte sich geehrt. Abgelehnt hatte er trotzdem – seinen Eltern zuliebe. «Nimm jetzt deine Nase aus diesen Büchern – und geh spielen», sagte ihm seine Mutter oft, als er noch ein Junge war. Und «Little Bruno» packte seine Sachen, wenn auch widerwillig, und ging raus auf die Strasse. Seine Mutter war «Als ich zwölf war, fragte mich ein Pfarrerssohn, ob ich mit ihm eine tschechische Emigrantin, sein Vater ein eine Bank ausrauben wolle. Ich fühlte mich geehrt.» deutscher Emigrant. Weder die Hausfrau noch der Automechaniker verstanden ihren «verdammt klugen Sohn», wussten nicht, was der Kleine an seinen Büchern Küsnacht an. Der Wissenschaftler hielt das Institut für einen Forfand. Ganz anders der Mann von Schmids Cousine Ingrid: Der Ingenieur schungsbetrieb, ähnlich wie das Max Planck Institut in Deutschland. war beeindruckt von Schmids Talenten und schickte den Kleinen schon Am Telefon aber klärte sich das Missverständnis: Das Institut, hiess es, im Alter von sieben Jahren zur Abklärung in die Universität. betreibe keine Forschung, sondern bilde Psychoanalytiker aus. Als Dort erkannten die Professoren schnell, dass die Natur bei Schmid Schmid den Hörer in die Gabel legte, war ihm klar: Psychotherapeut. eine Ausnahme gemacht hatte. So verstand der Kleine komplexeste maDas ist es. «Es war die Heimkehr zum Menschen», erinnert sich Schmid thematische Zusammenhänge. Von da an verbrachte Schmid die Samsan jenen Moment in seinem Leben zurück. Heute begleitet der Psychotage an der Uni. Nicht selten verwendeten seine Mentoren dort die therapeut täglich acht bis zehn Menschen auf ihrer Reise zu sich selbst. Wörter «Nobelpreis» und «Gary Bruno» im selben Satz. Im Alter von Manchmal macht der Hypnotherapeut das mit Hypnose, manchmal mit vierzehn Jahren schrieb sich Schmid offiziell an der Universität im konventionellen Gesprächen oder mittels Traumdeutung. Vielleicht sind Hauptfach Chemie ein. «Ich habe mein Anmeldung aber wieder zujene Reisen für ihn auch ein wenig Reisen zu sich selbst. rückgenommen», erinnert er sich. Ein Räuspern und dann beginnt «Manchmal denke ich schon an den Nobelpreis», sagt er und zuckt Schmid, sich selber zu analysieren. «Ich wollte kein Freak sein», sagt er mit den Schultern. Hätte er weitergeforscht, vielleicht wäre Gary Bruno neben einem Glaskopf mit einer Maske. Dann nimmt er ein Buch von Schmid heute Nobelpreisträger. «Könnte ich mein Leben nochmals leCesare Lombroso, dem Begründer der sogenannten positiven Schule der ben, würde ich jung eine Privatschule besuchen, statt mich in den StrasKriminologie, aus dem Regal und sagt mit einem Lächeln: «Solche Büsen zu prügeln», sagt er, lacht und beginnt dann wieder wohlwollend cher habe ich damals gelesen.» Schmid blättert kurz im Buch mit dem von Kenny und den anderen zu erzählen und fragt sich, was aus ihnen Titel «Genie und Irrsinn», um es dann wieder an seinen Platz zurückzuwohl geworden ist. ■

8

SURPRISE 340/14


SURPRISE 340/14

9


Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf. Oder wer immer. VON MILENA MOSER

Plötzlich war alles ganz einfach. Sie fragte sich, warum sie das nicht hardiner, sondern ein eigenartiger Mischling, eine ungeschickte Migleich gesehen hatte. Die Lösung lag direkt vor ihren Füssen. Die Lösung schung aus schlaksigen Teilen, gefleckt wie eine Hyäne. Er schaute zu für alles. ihr auf und seufzte wie ein alter Mann. Frida sah sich um – der Hund «Kaminski, du dumme Nuss!» So redete sie mit sich selber, sie komschien niemandem zu gehören. Wie gross war die statistische Wahrmentierte, bewertete, trieb sich ununterbrochen zu Höchstleistungen scheinlichkeit, dass sie genau so einen Mischling träumte, wie er jetzt an. «Kaminski, du blindes Huhn!», sagte sie und klopfte sich mit den neben ihr am Fussgängerstreifen sass und leise vor sich hin seufzte? Sie Fingerknöcheln gegen den Schädel. Vom dritten Knuff wachte sie auf. bückte sich und kontrollierte sein Halsband. Natürlich hing da kein Sie lag in ihrem Bett, allein und von einer Lösung weit entfernt. Sie hatFass. Was hatte sie gedacht? te geträumt. Sie versuchte, sich zu erinnern. Was in dem Fass gewesen war. Was Konnte das sein? der Hund für eine Rolle gespielt hatte. Er hatte sie gerettet, wie es sich Es hatte sich so echt angefühlt. So realistisch. Arme, die sich um sie für einen Lawinenhund gehörte – nur war sie nicht unter Schneemasse geschlungen hatten, Atem an ihrem Nacken. Eine verschlafene Stimme, begraben, sondern unter den Papierbergen auf ihrem Schreibtisch. All die der ihren widersprochen hatte: «Alles andere als dumm, Kaminski, die Dossiers auf ihrem Schreibtisch, zimmerhoch aufgetürmt, all die meine kluge, charmante, geistreiche Nuss … mein sehendes Huhn …» Einschätzungen, Empfehlungen, Beurteilungen. All die SchülerschickSo ein Quatsch. Sie stand auf, der Schlafzimmerboden war kalt unter ihren Füssen. Sie Das ganze Papierstapelhaus war eingestürzt und hatte sie unter zwang sich, langsam zu gehen, die Kälte auszusich begraben. Halbherzig nur versuchte sie sich freizuschauhalten wie eine Strafe. Immerhin war sie dafeln, bevor sie mit einer gewissen Erleichterung resignierte. durch ein bisschen früher aufgewacht, als es der Wecker verlangte. Das passierte nicht oft und gab ihr jedes Mal ein kurzes Gefühl der Überlegenheit, einen Moment sale, die von ihren Entscheidungen abhingen. Sie alle waren ins des Triumphes. Dass sie um zehn vor sechs schon wach war. Und den Schwanken geraten, das ganze Papierstapelhaus war eingestürzt und Wecker ausschalten konnte, bevor er klingelte. Das war das Highlight ihhatte sie unter sich begraben. Sie hatte sich nicht lange gewehrt. Im res Lebens. Traurig eigentlich. Traum. Halbherzig nur versuchte sie sich freizuschaufeln, bevor sie mit Mit kindischer Entschlossenheit hielt sie an diesen dem Schlaf abgeeiner gewissen Erleichterung resignierte: Es hatte keinen Sinn. Es war trotzten zehn Minuten fest. Diese zehn Minuten, das spürte sie, würde besser so. Sie gab dem Gewicht auf ihrer Brust nach und hörte auf zu sie im Verlauf des Tages noch dringend brauchen. Sie rannte ihre moratmen. Da spürte sie plötzlich die kalte Nase, die feuchte Zunge eines gendliche Runde ein bisschen schneller als sonst, was dazu führte, dass Hundes, ihre Hand, die nach dem Fässchen griff, es öffnete und dann … sie nicht wie sonst genau dann an der Kreuzung ankam, wenn die Fuss… die Lösung. Beim Aufwachen hatte sie sie noch vor sich gesehen. gängerampel auf Grün wechselte, sondern bei Rot warten musste. Frida Jetzt war sie weg. Das Licht schaltete auf Grün. Frida setzte sich in Bewar ausser Atem. Vom schnelleren Laufen hatte sie Seitenstechen. wegung, rannte leichtfüssig über die vierspurige Strasse, aus dem AuTrotzdem hüpfte sie von einem Bein auf das andere, um während des genwinkel sah sie den grossen Hund an ihrer Seite und dann hörte sie Wartens ihren Herzschlag oben zu halten. Um den Trainingseffekt nicht die Stimme aus ihrem Traum, aus dieser Splittersekunde zwischen zu verringern. Man kann auch von sich selber zu viel verlangen, dachSchlafen und Wachen, die Stimme in ihrem Nacken: «Was soll denn das te sie. jetzt? Komm her, Kaminski, du blindes Huhn!» Ein grosser Hund tauchte aus dem Morgennebel auf und setzte sich Ihre Worte waren das, nicht die des Traummannes, des Mannes aus vor ihre Füsse. Frida blieb stehen. Diesen Hund hatte sie schon einmal ihrem Traum. Mitten auf der Kreuzung blieb Frida stehen, ohne sich längesehen. In ihrem Traum. In ihrem Traum hatte er ein kleines Holzfass ger um die Trainingsfrequenz ihres Herzschlags zu kümmern, sie sah am Halsband getragen wie ein Lawinenhund. Es war aber kein Bernden Hund aus ihrem Traum, und an seinem ledernen Halsband kein

10

SURPRISE 340/14


SURPRISE 340/14

Noch auf dem Zebrastreifen. Zwei Meter vom Strassenrand entfernt. Etwas krachte, kreischte. Hupte, quietschte. Bellte. Dann nichts mehr. Die Lösung war in dem Fass. Das Fass enthielt keinen Schnapps, sondern ein zusammengerolltes Stück Papier. Frida entrollte es langsam, obwohl sie schon wusste, was darauf stand, jetzt erinnerte sie sich wieder an ihren Traum, sie brauchte kein Replay. Das Stück Papier war ihre Kündigung. Frida musste lachen. «Darauf hättest du auch selber kommen können, Kaminski, du lahme Ente!» Da hatte sie die Lösung, so einfach, so simpel, so klar. Aber es war zu spät. Sie lag auf der Strasse, in einem Haufen von gebündeltem Altpapier, sie konnte sich nicht bewegen, sie konnte nichts sehen. Vielleicht war sie tot. Das wäre gar nicht das Dümmste, dachte Frida. «Gib’s auf, Kaminski», flüsterte sie. Doch da war wieder die Stimme in ihrem Nacken: «Wie reden Sie mit meinem Hund?» ■

BILD: KATHARINA LÜTSCHER

Fass, sondern eine Hand, die den Hund zurückhielt. Eine angenehm grosse, raue, leicht gebräunte männliche Hand. Und eine Stimme, die ihren Namen sagte: Kaminski. Eine Stimme, die sie im Halbschlaf gehört hatte. In ihrem Nacken. Sie blieb stehen und schaute von der Hand am Hundehalsband den Arm entlang hinauf zur Schulter, zum Kopf. Erwartete dort den Mann ihrer Träume zu sehen, aber das, dachte sie, das konnte er nicht sein: Klein war er, Haare hatte er nicht, einen Bauch dafür schon. Seine Hände und auch seine Stimme versprachen zu viel – mehr, als sie halten konnten. Frida schüttelte den Kopf, in erster Linie über sich selbst. Wer war sie, studierte und mehrfach diplomierte Psychologin, um auf solch billige Tricks ihrer Wahrnehmung hereinzufallen? Die Traumdeutung war eine der umstrittensten Sparten ihrer Wissenschaft, nicht einmal der glühendste Jungianer würde so stümperhaft eins zu eins von einem Traum in den Wachzustand buchstabieren, wie sie es gerade getan hatte. Der kleine Mann in der Ampel begann gelb zu blinken, auf der anderen Strassenseite setzte sich langsam ein Sammellaster in Bewegung. Altpapier, dachte Frida. Papierberge. Papierberge, die auf sie warteten. Die sie zu erschlagen drohten. Energisch schüttelte sie noch einmal den Kopf, schüttelte die letzten Traumbilder heraus und rannte weiter. Doch als die männliche Stimme in ihrem Rücken noch einmal «Kaminski!» rief, blieb sie stehen. Obwohl sie schon verstanden hatte, dass der Ruf nicht ihr galt, obwohl sie sich schon ausgerechnet hatte, dass der Hund den selben Namen trug wie sie. Aber zeig mir einen, der auf seinen Namen nicht reagiert, und ich zeige dir einen Doppelagenten. Seufzend blieb sie stehen, unterdessen schon fast auf der anderen Strassenseite angekommen, aber noch nicht ganz. «Kaminski, bei Fuss!» Die Traumstimme hatte einen dringenden Ton bekommen. Kaminski, bei Fuss? Frida runzelte die Stirn. Wie in Zeitlupe sah sie die Papierberge aus ihrem Traum über ihr einstürzen. Sie ging in die Knie.

Milena Moser 51, Schriftstellerin, lebt in Aarau. Sie veröffentlichte ihre ersten Bücher, darunter «Die Putzfraueninsel», im Eigenverlag. Seither lebt sie vom Schreiben, Unterrichten und Auftreten («Die Unvollendeten», mit Sibylle Aeberli). Ihre letzten Publikationen sind «Montagsmenschen» und «Das wahre Leben». Sie hat zwei erwachsene Söhne. Milena Moser träumt davon zu schlafen. Damit sie wieder träumen kann.

11


Drohende Turbulenz oder Meine Suche nach H. VON KLAUS MERZ

1 Hiesiger stammte aus Königstein, einem abgelegenen Föhntal mit grossem Mineralwasservorkommen und hohem Schmerzmittelkonsum pro Kopf und Jahr. Dagegen kein einziger Herzinfarkt seit Menschengedenken. Die Föhntaler sterben an Kopfweh, Krebs oder Depression. Als nachdenklicher Laborant der ortsansässigen Mineralwasserindustrie, dessen Eltern hochbetagt, jedoch umnachtet gestorben waren, hatte Hiesiger schon kurz nach dem Krieg auf die auffallende Königstein-Aspirin-Herztodlinie aufmerksam gemacht. Man nahm die Beobachtungen des Laien nicht ernst, bis die Amerikaner Jahre später seine Vermutungen durch eine breit angelegte Untersuchung bestätigten: Aspirin stärkt das Herz. Dem verkannten Laboranten seinerseits waren schon lange vor dieser offiziellen Erkenntnis nur das starke Herz, seine extreme Wetterfühligkeit und der sichere Arbeitsplatz als Trost geblieben, denn die Königsteiner Quellenbesitzer stiegen mit ihrem Mineralwasser schon bald in die Welt der zukunftsträchtigen Süsswassergetränke ein und kippten die beliebten Brunnenwasserlimonadiers aus dem Geschäft. Sie setzten ihren Produkten Kohlensäure zu, die Blasen stiegen munter auf in den geöffneten Flaschen und platzten. Königstein hatte ausgesorgt. Dennoch hätte der Laborant mit den traurigen Augen nicht viel zu lachen gehabt, hätte ihm seine angejahrte Frau nicht noch ein Kind geschenkt. Im legendären Hitzejahr, als der Königsteiner Absatz auf sechzehn Millionen Flaschen gesteigert werden konnte, gebar sie ihm schweissgebadet einen Sohn. Der Appell der Obrigkeit, der kurz vor dem Krieg noch erfolgt war, wonach man es der eigenen Nachkommenschaft und dem Vaterland schuldig sei, in körperlich gesunde, geistig hochwertige Familien hineinzuheiraten, hatte das junge Paar ohne nennenswerten Stammbaum über Jahre hin unfruchtbar gemacht. Es blieb denn auch bei diesem einzigen Kind. 2 Der Sohn, der den Beinamen Zwilling trug, da Hiesiger unter der gewölbten Bauchdecke seiner Frau noch einen zweiten Säugling vermutet hatte, wuchs doppelt geliebt und mit Blick in die Berge auf. Anhand eines alten wissenschaftlichen Mineralwassergutachtens führte ihn Hiesiger, wie es Brauch war, jedoch ohne die landläufige Bedenkenlosigkeit in der Stimme, schon früh ins Föhntaler Alphabet und

12

Credo ein: Das Königsteiner Wasser reinigt unser unreines Blut, versüsst und mildert scharfe Feuchtigkeit, verhütet oder eröffnet Verstopfungen der Leber, der Milz und der Nieren. Es entzieht unseren Gliedern die Mattigkeit und flösst Stärke und Kraft ein. Es säubert und heilt Räude, Schäbigkeit und das Beissen der Haut. Trotzdem musste sich Hiesiger mit zunehmendem Alter immer öfter kratzen, wo es ihn biss. Und ihn schmerzte der Kopf. Von den Tannen rutschte der Schnee, als es ihn kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag aus dem Föhntal hinauszog. Nach seiner entschlossenen Abreise schüttete zuhause ein Bergsturz seinen Buben und den Labortrakt zu. Dieses Unglück rief ihn noch einmal zurück. Aber schon drei Tage nach der Beerdigung der Opfer und den unverzüglich aufgenommenen Aufräumarbeiten stand Hiesigers Frau in schwarzen Strümpfen weinend an der Abfüllstrasse. Sie winkte ihrem ehemaligen Mann zum endgültigen Abschied zu. Die Mineralwasserproduktion hatte in behelfsmässigen Einrichtungen wieder aufgenommen werden können. Und alles nahm weiter seinen Lauf und fügte sich nach Massgabe der gängigsten Redensarten zum Lauf der Welt. 3 Hiesiger liess sich nach einer ausgiebigen Volte, die ihn ohne Schmerzmittel, jedoch auch ohne Vergessen bis nach Edessa, Persien und Indien führte, wo man in einer lichtlosen Gasse zu seinem Erschrecken mit Dartpfeilen nach ihm warf, bei uns nieder und wurde mein Freund. Als Temporärgärtner pflegte er die weitläufigen Ziergärten und Rasenplätze reicher Familien in den ruhigen Aussenquartieren der Stadt. Winters räumte er Schnee. Wie eine dunkle Trommel schlägt dein Herz, wenn du mit mir schläfst, sagte ich, wenn er sich wortlos zu mir legte und nach Bergler Art bedächtig meine einsamsten Erhebungen liebkoste, bis er sich nach einer guten Weile auf die ungesunde, die Herzseite drehte, um einzuschlafen. Es war mir immer, als lagerte in seiner linken Brusthälfte Blei, sein Kiel für die Fahrten quer durch die Nacht, während derer ich ihn oft leise kommandieren hörte. Schon kurz nach drei Uhr lief er regelmässig an den Ufern des neuen Tages wieder auf und griff nach seiner Mineralwasserflasche neben dem Bett, Königsteiner, wenn’s ging. Die Kohlensäure trieb ihm die Tränen in die Augen, gerade genug Feuchtigkeit für eine kurze Katzenwäsche. Nux vomica, meinen homöopathischen Rat gegen Leberinsuffizienz, Schlafstörung und Morgengrauen, schlug er mit der immer gleichen Handbewegung aus. SURPRISE 340/14


Unter jeder Kreatur hindurch führen drei Strassen. Ich verstand nie recht, was er mit solchen Sätzen meinte, die er womöglich aus dem Fernen Osten mitgebracht hatte und die meistens über unserem gemeinsamen Erwachen standen. – Früher, sagte ich höchstens, früher war es noch möglich, das Fräulein beim telefonischen Auskunftsdienst um eine Antwort auf schwierige Fragen zu bitten. Heute aber weiss man auf keinem Amt mehr Bescheid. Hiesiger nickte, und ich glaubte ihm seine angeborene Wetterfühligkeit, die er für seine innere Unruhe verantwortlich machte. Die eine Hand schon an der Satteltasche, die er am Vorabend um meinen Schlafzimmerstuhl geschwungen hatte, mit den anderen fünf Fingern meine wärmsten Körperstellen zum Abschied grüssend, stand er auf meiner Bettvorlage. In seinen Augen aber drehten sich bereits die Speichen seines schweren Tourenrades. Seine Therapeutin rief ihn hinter den Damm. Hiesiger prüfte mit dem nassen Zeigefinger den Wind. Ich liess ihn ziehen. Die Erblast, die Seele, das Unerwartete, sagte er, stand schon unter der Tür und warf mir eine Kusshand zu. 5 Die Therapeutin war auf seine Träume aus, die er spätestens auf dem Rad ersann. Therapeuten brauchen wenig zum Leben. Wenn die Krankenversicherung oder die Kundschaft selber ordentlich zahlt, genügt ihnen schon ein fremder Lebenslauf als Ersatz für die eigene Existenz. Das hatte Hiesiger schnell begriffen und seiner Heilerin gegenüber Gnade walten lassen. Er lieferte zu, was sie brauchte, liess zur Not ein Dutzend ägyptischer Totenschiffe auffahren, von deren Fund er in der Zeitung gelesen hatte. Die Flotte der fünftausendjährigen hölzernen Boote war in der Nähe von Abydos gefunden worden. Hiesiger verlegte das Zeichen seiner letzten Überfahrt in einen verlassenen Steinbruch hinein. Zu leicht wollte er es der kundigen Schwester ja auch nicht machen. An der Strasse zum Fluss stand schon der Klärwärter zwischen seinen drei Becken und erwartete Klärung vom neuen Tag. Hiesiger grüsste durch den Maschendrahtzaun, liess eine Kupfermünze in den Strassenschacht fallen und trat in die Pedale. 6 Wer zurückschaut, stiert auf den Anfang, ich aber will vorwärts schauen zum Schluss, pflegte Hiesiger von einem gewissen Zeitpunkt an zu sagen und überliess der Therapeutin das Notieren. So kam sie, angereichert durch Geständnisse der Klientel, allmählich zu einer Geschichte, an der sie auch abends noch weiterspann. Ihr Text handelte von einem Mann in mittelspäten Jahren, dessen Wetterfühligkeit sich eines Tages endgültig vom Kopf in die Seele hinunterverlagert hatte. Kein Landstrich, kein Streicheln, kein Aspirin half gegen die ständig drohende Turbulenz. Dennoch versuchte auch sie es mit Liebe. Ich möchte greifbar werden mit Armen, hiess der erste Satz ihres Textes. Aber Hiesiger kaperte schnell ein Schiff ihres Namens und fuhr damit auf ein Weltmeer hinaus. Sie sah sich in ihrem Tagtraum am Ufer stehen und weinen, während Hiesiger auf seinem Rasentraktor sass und sich über die Grünflächen am Rande der Stadt tragen liess. In der Frühe kehrte er durch feuchte Dörfer wieder zurück zu ihr. In den Augen den metallischen Glanz eines Navigierenden, traf er pünktlich wie immer bei ihr ein. Wer bist du und wohin zielst du eigentlich?, fragte die Therapeutin eines Tages, entschlossen, ihr Leben von nun an in die eigenen Hände zu nehmen. Sie stand hinterm vergitterten Klappfenster ihrer verriegelten Tür und schaute unnachgiebig am Kunden vorbei in den anbrechenden Tag hinaus. Hiesiger griff mit beiden Daumen in die AugenSURPRISE 340/14

höhlen, um einen Ankerplatz zu haben für seine Hände: Eigentlich ein Königskind, antwortete er. Schon mit Kaiserschnitt auf die Welt gekommen, aber seither nur noch abwärts, auch in der eigenen Verkennung. Ich will wieder hinauf. 7 Zuletzt soll Hiesiger im bunt beflaggten Abschiedszug auf der Fahrt nach Königstein gesehen worden sein. Vor der Stilllegung waren der Post- und Frachtverkehr schon von der Schiene auf die Strasse verlegt worden, dann sah sich die Regierung unter dem Druck der roten Zahlen zur endgültigen Liquidierung des legendären Schienenstrangs gezwungen. Hiesiger sass in einem abgewetzten Einerfauteuil am Fenster des sechssitzigen Erstklassabteils. Er hielt ein Röhrchen Aspirin in der einen, eine Flasche Königsteiner in der andern Hand, die Ingredienzien seiner Herkunft, die ihm auf der Stelle jene mittlere Beschwerdelosigkeit zurückgaben, vor der er in der Mitte seines Lebens gemeint hatte, fliehen zu müssen. Im Zweitklasseabteil des Triebwagens tobte eine Schulklasse. Gegenüber sass das fünfköpfige Initiativkomitee zur Rettung der Föhntalbahn und stiess mit grünem Veltliner auf den eigenen Untergang an. Hiesiger reichte zur allseitigen Prävention sein Schmerzmittel herum. Unter die Klänge der Blechmusik, die in Uniform neben gekündigten Gleisarbeitern und Behördevertretern stand, mischte sich paraphrasierend ein Martinshorn. Der Bahnhofsvorstand hob seine grünweisse Kelle, der Abschiedszug setzte sich Richtung Königstein in Bewegung. Das Bahnbord entlang zitterte der Rittersporn. Auf dem hintersten Prellbock ritt ein Knabe zum Ort hinaus. Das Königsteiner Wasser reinigt unser unreines Blut, platzte Hiesiger, kaum lag die erste Steigung hinter ihnen, in die bahnnahe Konversation des Initiativkomitees hinein. Es versüsst und mildert scharfe Feuchtigkeit, fuhr er beharrlich fort, verhütet oder eröffnet Verstopfung der Leber, der Milz und der Nieren, schrie er ins Coupé hinaus. – Die Herren wandten sich ab. Es säubert und heilt Räude, Schäbigkeit und das Beissen der Haut, schloss Hiesiger das Credo. Den letzten Satz sagte er nur noch zu sich selbst, verzichtete auf das Zitieren von Stärke und Kraft. Die Idee einer Wochenendbahn als touristische Attraktion auf dem stillgelegten Gleis nach Königstein nahm das Initiativkomitee mit einem begeisterten Toast unter neuen Dampf. Ciao, ciao Bahnbino!, las Hiesiger auf einem weissen Spruchband. Bauern grüssten vom nahen Feld. Noch Tage nach der letzten Zugankunft am Endbahnhof redeten die Königsteiner von dem seltsamen Gast im festlichen Abschiedszug, dem der Fremde ihres Wissens aber nie entstiegen war. ■ © Klaus Merz, Am Fuss des Kamels, Geschichten und Zwischengeschichten, Haymon Taschenbuch, Innsbruck-Wien 2010

Klaus Merz, geboren 1945, lebt, unterbrochen durch längere Auslandaufenthalte, seit Langem als freier Schriftsteller in Unterkulm. Jüngste Publikationen: «Der Argentinier: Novelle»; «Unerwarteter Verlauf» (Gedichte 2011–2015), erscheint bei Haymon, zudem eine siebenbändige Werkausgabe, herausgegeben von Markus Bundi. Merz wurde für sein Werk vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Hermann-Hesse-, dem Gottfried-Keller- und dem Friedrich-Hölderlin-Preis. Klaus Merz träumt vom Träumen. Unverbesserlich.

13

BILD: ZVG

4


Indien, einfach VON MITRA DEVI

Es war in den Siebzigern. Jakob Müller aus einem kleinen Innerschweizer Kaff liess sich die Haare wachsen, nannte sich Jake Miller, las Marx und Hermann Hesse, rauchte afghanisches Gras und hörte Donovan. Oft schaute er abgeklärt gen Osten. Dort wartete sein Guru Sri Pancha Ramani Yogi darauf, dass Jake genug Geld zusammensparte, um seine alljährliche Reise nach Indien, genauer gesagt nach Goa, anzutreten. Tag für Tag ging Jake seiner Arbeit als Verkäufer im Bioladen «Sunneblüemli» nach, lächelte dankbar, wenn er Trinkgeld bekam, und versorgte seinen Lohn liebevoll im patschulidurchtränkten Sandelholzkistchen neben dem weissen Buddha beim Fensterbrett. Jake war geduldig. Das hatte er bei Sri Pancha Ramani Yogi gelernt, eine von vielen Tugenden auf seinem Weg. Nebst Weisheit, innerer Gelassenheit und Erbarmen mit den Armen. Und der fachmännischen Pflege der neuen Cannabissorte «Freedom» natürlich. Jake freute sich auf die Zeit in Goa. Im «Open-Mind-Retreat» würde er seinem tiefsten Seelengrund näherkommen und die Fallstricke seines Egos loslassen, während die Sitarklänge über den Strand wehten. Katie, die Holländerin, die im letzten Jahr von ihrem Höheren Selbst die Durchsage erhalten hatte, eine tantrische Beziehung mit ihm, Jake, verbessere ihr Karma, würde ihn mit offenen Armen empfangen. Sein unterstes Chakra pulsierte beim Gedanken an kommende Liebesnächte mit Katie. Jake buchte immer Indien einfach. Man wusste nie. Falls man während einer Meditation plötzlich von der Erleuchtung heimgesucht würde, hätte es keinen Sinn mehr, in den spirituell unterentwickelten, kommerziellen Westen zurückzukehren. Im Januar war es so weit. Jake kaufte das Ticket nach Delhi, kam erschöpft, aber glücklich in der Metropole an, nahm Bus und Schiff nach Goa und betrat an einem Freitagabend den Ashram «Lotus Flower» in Panjim. Wie er erhofft hatte, kam Katie als Erste auf ihn zu. Sie hielt die Hand-

14

flächen aneinander, machte eine kleine Verbeugung, die Jake einen tiefen Einblick in ihr Dekolleté ermöglichte, und hauchte: «Namasté, Bruder.» «Namasté, Schwester», erwiderte Jake. «Willkommen zuhause. Du kommst gerade richtig zum Nachtessen. Es gibt Linsen und Reis.» Jake lächelte leicht gequält. Das war einer der wenigen Knackpunkte auf dem Weg zur inneren Vollendung: die Ernährung im Ashram. Jeden Tag Reis mit Linsen, Linsen mit Reis. Natürlich kein Fleisch. So sehr Jake Tiere als ebenbürtige Geschöpfe betrachtete, so sehr liebte er ein gutes Rindssteak, aussen dunkel, innen blutig. Natürlich sprach er hier mit niemandem darüber. Er akzeptierte seinen Zwiespalt als letzte karmische Hürde, die es zu überwinden galt, bevor er ins gleissende Samadhi-Licht eintauchen würde. Am Anfang des ersten Abends ging es ihm gut, einfach nur gut. Er hatte seine Habseligkeiten im Gemeinschaftsschlafraum untergebracht, Jeans und Turnschuhe gegen Lendentuch und Sandalen getauscht und zur Einstimmung einen kleinen Joint geraucht. Nun sass er im Esssaal im Schneidersitz neben Katie, ass die lauwarme, ockerfarbene Pampe und dachte an die Nacht, wenn die Holländerin ihn auf seiner geflochtenen Schlafmatte besuchen würde. Leider kam es anders. Katie war schon während des Essens schweigsam, und als sie die Teller zurückbrachten, nahm sie ihn zur Seite und sagte: «Ich muss mit dir reden, mein Lieber.» Jake nickte, und sie gingen in den Garten, wo Katie ihn unter eine grosse Palme führte. «Ich will es kurz und schmerzlos machen …», begann sie, und Jake sah, wie sich der Mond in ihren Augen spiegelte. «Wir hatten eine wunderbare Zeit zusammen …» SURPRISE 340/14


te länger und intensiver, las die heiligen Schriften der Bhagavad Gita und konzentrierte sich auf sein inneres Licht. Aber es klappte nicht. Nacht für Nacht träumte er von Katie. Er roch ihren wunderbaren Duft nach Wildrose, berührte ihre zarte Haut, sah ihre Haare, wie sie vom warmen indischen Wind zerzaust wurden, spürte ihre Lippen auf den seinen. Er verlor seinen Appetit, begann zu fasten, wurde dünner und schwächer. Eines Nachts, es musste etwa zwei Wochen nach Katies Enthüllung gewesen sein, erwachte er ermattet nach einem sehnsuchtsvollen Traum und konnte nicht mehr einschlafen. Er stand auf, tappte leise, um die anderen nicht zu wecken, aus dem Schlafraum und trat hinaus in den Garten. Es war mild. Von fern war das Meeresrauschen zu hören, ein laues Lüftchen umwehte ihn. Er setzte sich unter die grosse Palme und drehte sich einen Joint. Tief zog er den Rauch in seine Lungen, nahm wahr, wie er sich entspannte. Vielleicht war er ja trotz allem auf dem richtigen Weg, und diese Schwierigkeiten waren einfach Teil davon. Man hörte sogar von aufgestiegenen Meistern, die ihre Fleischeslust nicht im Griff hatten. Zum Glück war Sri Pancha Ramani Yogi nicht so. Jake zog noch einmal an der Selbstgedrehten, dann zerdrückte er den Stummel in der trockenen Erde und kehrte zurück zum Haus. Er ging der Ashram-Küche entlang und hörte den Abzug summen. Durch ein kleines Fenster entdeckte er Chandra, einen der indischen Köche, der bereits mit dem Frühstück beschäftigt war, obwohl es noch stockfinster war. Er bog um die Ecke, kam am Kühlraum vorbei – und hielt plötzlich inne. Er meinte, Katies Stimme gehört zu haben. Aber das war vermutlich Wunschdenken. Er lächelte, nachsichtig mit sich selbst. Irgendwann würde er die Holländerin vergessen haben und sich auf das Eigentliche im Leben fokussieren. Er ging ein paar Schritte weiter. Doch, das war sie, eindeutig. Es kam aus dem Kühlraum. Jake war schon ein paarmal dort gewesen und hatte mitgeholfen, Wasserflaschen zum Speisesaal zu tragen. Er hatte ge-

«Ja?» Jake ahnte nichts Gutes. Jake buchte immer Indien einfach. Falls man während einer Medi«…doch unsere fleischliche Verbindung darf tation von der Erleuchtung heimgesucht würde, hätte es keinen nicht von Dauer sein. Sie muss sich nun auf Sinn, in den spirituell unterentwickelten Westen zurückzukehren. eine höhere Ebene transformieren.» «Oh, Shit!», rutsche es ihm raus, dann fashofft, in einer der Tiefkühltruhen vielleicht ein gutes Stück Fleisch zu ste er sich wieder und fügte hinzu: «Ich meine, was bringt dich zu dieentdecken, das er heimlich am Strand hätte braten können, doch natürser Einsicht?» lich befanden sich nur Tofublöcke und indischer Paneer-Käse darin. «Unser Meister selbst», antwortete sie. «Er hat mir ins Gewissen geJetzt hörte er es wieder. Katie lachte. Das perlende, warmherzige Laredet. Selbstverständlich habe ich ihm von unseren sexuellen Abenteuchen, das er von ihr kannte. Er trat einen Schritt näher und spähte ern erzählt.» durchs Schlüsselloch. Das war nicht fein, er wusste es, aber da der Kühl«Selbstverständlich.» raum keine Fenster hatte und er sich davon überzeugen musste, dass «Er hat es anfangs geduldet, weil es für jemanden auf meiner Entihm seine Sinne keinen Streich spielten, war seine Neugier wohl zu entwicklungsstufe zu viel verlangt sei, ganz darauf zu verzichten.» schuldigen. «Verstehe.» Er presste sein Gesicht ans Schlüsselloch. «Doch in den letzten Wochen hat mein Bewusstsein einen QuantenAls ihm klarwurde, was er da sah, verschlug es ihm den Atem. Katie sprung gemacht, wie er sagt.» und Sri Pancha Ramani Yogi. Beide nackt. In eindeutiger Position, sie «Tatsächlich?» schräg auf einer der Kühltruhen, er auf ihr, spindeldürr mit langem «Ja, Jake, stell dir vor! Mein Nabelchakra ist dabei, sich auf eine höweissem Bart. here Schwingung einzupendeln. Ist das nicht fantastisch? Ich werde frei Bevor Jake einen klaren Gedanken fassen konnte, stürmte er hinein von jeglichen Sehnsüchten und Begierden sein!» und brüllte: «Das ist also euer höheres Niveau! Das hätt ich nie von dir «Ach so.» gedacht, Katie!» «Freust du dich nicht mit mir, mein Lieber?» Katie drehte sich erschrocken um, dann glätteten sich ihre Gesichts«Doch, Katie, natürlich freue ich mich. Ich dachte nur … ich meine, züge. «Jake, mein Lieber. Du siehst das falsch. Ich erhalte hier meine ich hätte dich gern noch eine Weile auf dem tieferen Niveau gehabt.» Einweihung. Es ist ein heiliger Moment. Bitte stör uns nicht.» Sie lachte perlend und fuhr ihm durch die Haare. «Du bist so süss. Ich Der Meister schaute von einem zum anderen, entschloss sich dann, weiss, dass es für Männer schwieriger ist. Das sagte auch der Meister. den Einweihungsakt zu unterbrechen und schlang sein Lendentuch um Nimm es als Chance für dein inneres Wachstum.» sich. «Brother Jake», sagte er mit seiner sonoren Stimme, «please try to «Das werde ich, Schwester, das werde ich.» understand …» Er hatte es auch wirklich vor. Er übte sich in Achtsamkeit, meditierSURPRISE 340/14

15


«No!», schrie Jake, «I understand gar nichts! Das werd ich allen erzählen! Jeder hier soll wissen, was du wirklich für einer bist! Das ist Betrug, Niedertracht, Infamie! Du kannst deinen Ashram schliessen, du Scharlatan!» Jake zitterte am ganzen Körper, merkte zu spät, dass der Guru Katie einen vielsagenden Blick zuwarf, dann griffen vier Hände nach ihm. «Du wirst unserem Meister nicht schaden!», zischte Katie, packte Jakes Arme, während Sri Pancha Ramani Yogis dünne Finger sich um Jakes Knöchel legten. Sie hoben ihn hoch. Jake zappelte und wehrte sich, doch die vielen Fastentage hatten ihn geschwächt, er konnte nicht verhindern, dass die beiden ihn zur Seite schleppten. «In the fridge!», sagte der Meister, öffnete die grosse Kühltruhe, Katie half ihm dabei – dann warfen sie Jake hinein. Sie knallten den Deckel zu. Jake drückte dagegen, versuchte, die Truhe mit den Schultern aufzustemmen, doch es war unmöglich. Es polterte und klickte, ein Riegel wurde vorgeschoben und ein Schloss umgedreht. Dann hörte er nichts mehr von den beiden. «Das könnt ihr nicht tun!», schrie Jake, doch seine Stimme blieb in dem eisigen, zappendusteren Verlies gefangen. Eine Minute verging. Eine zweite, dritte, vierte. Dann spielte Zeit keine Rolle mehr. Innert Kürze war Jake bis auf die Knochen durchfroren. Es war so eng, dass er sich kaum bewegen konnte. Die Luft wurde dünn, die Stellung, in der er sich befand, war so unbequem, dass ihm erst die Füsse einschliefen, dann die Hände. Es roch nach Reis und Linsen, Linsen und Reis. Jake vergeudete keine Energie damit, um Hilfe zu rufen. Es wäre zwecklos gewesen. Endlich konnte er anwenden, was er in all den Jahren der Meditation gelernt hatte. Er konzentrierte sich auf sein inneres Licht, liess es langsam seine Wirbelsäule hinaufsteigen, erweckte seine Kundalini zum Leben, fühlte, wie es leichter in ihm wurde, strahlender. Er lächelte. Bald hätte er es geschafft. Bald würde er seine physische Hülle loslassen und zurückkehren zur Quelle, von wo er hergekommen war. Von wo alle hergekommen waren und Es polterte und klickte, ein Riegel wurde vorgeschoben und ein wohin sie am Ende ihrer Reise wieder heimkehSchloss umgedreht. Dann hörte Jake nichts mehr. ren würden. Wärmer wurde es in Jake, die Kälte war vergessen, der Verrat, die Enttäuschung – deckte, sie aufbrach und darin eine mumifizierte Leiche fand. Auf den weg, alles weg. Nur der Moment zählte. Das Licht, das Helle, das WeisÜberresten des Gesichts des Toten war ein glückseliges Lächeln zu erse. Er spürte, wie es immer mehr Besitz von ihm ergriff, ihn ganz und kennen. gar ausfüllte, in jede Zelle seines Körpers drang. Er spürte göttliche Wär«Very, very strange», meinte der Inspector, als die Autopsie ergab, dass me, gleissende Hitze. Er tauchte ein. Verschwand in der Helligkeit. Im der junge Mann nicht erfroren, sondern den Hitzetod gestorben war. ■ immerwährenden Licht des Universums.

16

© Mitra Devi, 2014 Erschienen 2014 im Sammelband «Der Teufelsangler» im Appenzeller Verlag

Mitra Devi lebt als Krimiautorin, bildende Künstlerin und Dokumentarfilmerin in Zürich. Sie hat 14 Bücher veröffentlicht, darunter schwarzhumorige Short Stories, die von Radio DRS als Hörspiele gesendet wurden, und die bekannte Reihe mit Privatdetektivin Nora Tabani. 2007 erhielt Mitra Devi ein halbjähriges Literaturstipendium der Stadt Leipzig, 2013 wurde ihr Roman «Der Blutsfeind» mit dem Zürcher Krimipreis ausgezeichnet. Momentan ist ihr neuester Film «Gothic» in verschiedenen Schweizer Kinos zu sehen. www.mitradevi.ch Mitra Devi träumt von einer ehrlicheren Welt. SURPRISE 340/14

BILD: BEA HUWILER

Jahre später: Katie dachte mit Wehmut an ihre Zeit im indischen Ashram zurück. Da war doch mal dieser schüchterne, verliebte Junge gewesen. Hatte er nicht Jake geheissen? Was wohl aus ihm geworden war? Dunkel erinnerte sie sich an eine peinliche Situation und daran, dass sie Jake in eine Kühltruhe gesperrt hatten, nur für eine Minute, wie ihr Guru versicherte, bis das Temperament des ungestümen jungen Mannes sich etwas abgekühlt hätte. Sie war am nächsten Tag abgereist, hatte sich in Holland in einen Physikprofessor verliebt, der dieses ganze spirituelle Zeug für Humbug erklärte und von ihr verlangte, vernünftig zu werden. Was sie dann auch wurde. Als Mutter von fünf Kindern hatte sie vor lauter Windelnwechseln sowieso keine Zeit zum Meditieren. Sri Pancha Ramani Yogi dämmerte – inzwischen über hundertjährig – im Zustand völliger Demenz in einem Armenpflegeheim vor sich hin, spielte mit seinem schneeweissen Bart, der ihm nun bis zu den Knien reichte, und murmelte ununterbrochen: «Open the fridge, open the fridge.» «Very strange», sagte Rajakrishnan Singh, Inspector des Goa Police Departments, als er Jahre, nachdem der Ashram «Lotus Flower» aufgelöst worden war, im ehemaligen Kühlraum eine verstaubte Eistruhe ent-


Vaters Traum VON RUTH SCHWEIKERT

gesellschaftliche Normen, Vorstellungen und Erwartungen. Es gab ZeiWenn Joseph mich anruft, fällt er mit der Tür ins Haus; auch nach ten, wo ich Angst hatte um ihn, wo er zu viel trank und zu wenig Geld zwei Jahren Funkstille; zuletzt hat er für den Tagi befristete Abos ververdiente, um die Miete für eine beheizbare Wohnung zu bezahlen. kauft, halbe Tage oder ganze Abende sass er in einem Callcenter und rief «Kennst du jemanden, der noch mechanische Schreibmaschinen rejene Nummern an, die eine nach der anderen auf seinem Bildschirm parieren kann?», sagte er an diesem Pfingstsonntagmorgen ohne jede aufleuchteten; ich hätte ihm zuliebe gerne von diesem Angebot GeBegrüssung, obwohl unser letztes Telefonat bestimmt zwei Jahre zubrauch gemacht, aber er durfte einzig die computergenerierten Numrücklag – nicht dass wir Streit gehabt hätten, aber unsere Lebenswelten mern anrufen, und nie war meine darunter – einmal übrigens rief mich überschneiden sich kaum; Joseph wohnt allein auf dem Land, ich mit tatsächlich eine Frau an, die mir ein auf zwei Monate befristetes Tagimeiner Familie in der Stadt; er meidet gesellschaftliche Anlässe, geht Abo verkaufen wollte – und ich sagte ihr, dass ich kein Interesse hätte, selten ins Theater oder zu Lesungen, sodass wir einander in all den Jahhingegen sehr gerne unbefristet die Freitags- und Samstagsausgabe abonnieren würde, mit dem Magazin, aber das konnte sie nicht organisieren für mich; sie «Kennst du jemanden, der mechanische Schreibmaschinen repariewar ausschliesslich dazu befugt, befristete Abren kann?», fragte er ohne jede Begrüssung, obwohl unser letztes overträge abzuschliessen. Joseph ist ein guter Telefonat zwei Jahre zurücklag. Telefonverkäufer; er besitzt eine angenehme, warme Stimme und findet öfter als seine Kolren nur ein einziges Mal zufällig getroffen haben, «ich habe eine alte Releginnen und Kollegen die richtigen Worte, damit die Angerufenen nicht mington geerbt, von meinem Vater.» Ich brauchte einen Moment, bis ich sofort wieder auflegen; womöglich hilft es ihm, dass er sehr klug ist; tatseine Stimme erkannte. Joseph, sagte ich, wie schön, von dir zu hören; sächlich gehört Joseph zu den klügsten Menschen, denen ich in meinem und dann hörte er neunzig Minuten lang nicht mehr auf zu erzählen; Leben bislang begegnet bin, und immer ist er von mindestens einer Leimehr als ein paar unbeholfene Zwischenrufe brauchte er nicht, und denschaft beseelt. Als wir uns vor zwanzig Jahren kennenlernten, war auch die hätte er nicht gebraucht, um sich und mich zu entführen in eier Verkäufer in einem Laden für Künstlerbedarf; daneben produzierte er ne gemeinsame Parallelwelt, während ich in Murten in einem HotelBeiträge und Features für ein Alternativradio, vornehmlich über Astrozimmer sass, wo wir auf unserer Familienvelotour übernachtet hatten, nomie und Wirtschaftsthemen. Später schrieb er einen komplex konund er in Veysonnaz, im Chalet, das er, wie er sagte, ebenfalls von seistruierten, sprachlich virtuosen Roman (den er nie publizierte), benem Vater geerbt hatte. Was Joseph brauchte, war einzig eine Person, schäftigte sich mit Kompositionstheorie und brachte sich selber das die seiner Erzählung mit offenen Ohren lauschte; dass ich dabei das Klavierspielen bei; in allem, was er sich vornimmt, ist er ebenso hartFrühstück verpasste, nahm ich kaum wahr; wenn ich etwas bedaure, ist näckig wie erfolgreich, auch wenn diese Erfolge sich nicht in Geld es, dass ich seine Erzählung nicht aufgenommen und als Audiodatei abummünzen; dafür ist Joseph zu weit entfernt von jeder Anpassung an SURPRISE 340/14

17


18

SURPRISE 340/14


SURPRISE 340/14

19

BILD: ZVG

Hier, an dieser Stelle, versagt mein Gedächtnis; zwar erinnere ich gespeichert habe. Zwar bin ich, wie etliche Schriftsteller, davon übermich, was in der Folge geschah, aber ich bin nicht im Entferntesten in zeugt, dass jedes Erzählen notwendig das Vergessen voraussetzt. Das der Lage, die Geschichte so zu erzählen, wie Joseph sie mir erzählt hat; Gedächtnis ist der beste Filter, postuliere auch ich; und was darin hänmit allen Fachausdrücken, die man benötigt, um glaubwürdig über Segenbleibt, bildet den unverzichtbaren Grundstoff jener Legierung, die gelboote und das Segeln zu schreiben, die enormen Herausforderungen, sich beim Schreiben erst bildet, wenn Erinnern und Erfinden im Medie es für Joseph zu bewältigen galt, als er sein Boot von einem Ort zum dium der Sprache zu einem Amalgam verschmelzen, das nicht mehr ohanderen befördern musste. ne Weiteres in seine Bestandteile zerlegt werden kann. Nach zehn Tagen wurde Anders Michelsen aus dem Spital entlassen, «Vorgestern habe ich meinen Vater beerdigt», sagte Joseph; «er ist die Lungenentzündung war ausgeheilt; er war geschwächt, aber guter zweiundneunzig geworden, und bis sechs Wochen vor seinem Tod war Dinge; Joseph und sein Vater hatten sich nach Jahren, wenn nicht Jahrer topfit. Er hat es mir wirklich nicht leicht gemacht, aber in seinen letzzehnten gegenseitiger Distanznahme in ihrer Leidenschaft für das ten Stunden hat er mich für den Rest meines Lebens beschenkt.» Segeln wiedergefunden, die sie nur durch Zufall entdeckten; weil An1922 in einem Dorf an der dänischen Ostküste geboren, begann Anders in eben jenem Moment erkrankte, als Joseph nach Dänemark ders Michelsen mit sechzehn zu segeln; schon vor dem Ausbruch des fahren wollte, um sein Segelboot in Besitz zu nehmen. 2. Weltkriegs, aber auch währenddessen fuhr er mit einem Freund reDem stand nun nichts mehr im Weg; im Gegenteil, Anders trieb Jogelmässig aufs Meer hinaus; seine Zukunft sah er auf hoher See, und seph regelrecht an, endlich abzureisen, und Joseph versprach, ihn anweil er zudem gern kochte, träumte er davon, als Schiffskoch die Weltzurufen, sobald er es aufs offene Meer hinaus geschafft hätte. meere zu befahren. In einer dunklen Herbstnacht hatten sie es verAm Freitagabend kam Joseph in Svendborg an; am Samstag versäumt, rechtzeitig den Hafen anzusteuern, bevor der angekündigte suchte er, sein Boot von einem Gewässer ins andere zu bringen, was Sturm aufzog; was genau geschah, liess sich nicht rekonstruieren; als ihm nur mithilfe des früheren Besitzers gelang; es war kalt und stürdas Segelboot kenterte, wurde Anders’ Freund von den Wellen mitgerissen und ertrank. Anders beerdigte nicht nur seinen Freund, sondern auch seinen Traum; er «Vorgestern habe ich meinen Vater beerdigt», sagte Joseph. «Er hat ging nach Kopenhagen, studierte Maschinenes mir nicht leicht gemacht, aber in seinen letzten Stunden hat er bau und wurde Ingenieur. 1949 heiratete er mich für den Rest meines Lebens beschenkt.» Elsa; Joseph, ihr einziger Sohn, kam 1950 zur Welt; Mitte der Sechzigerjahre bekam Anders misch, und sie brauchten viele Stunden, bis sie den neuen Anlegeplatz ein verlockendes Job-Angebot in der Schweizer Maschinenindustrie, auf einer der unzähligen Inseln in der Nähe erreichten; Joseph schlief und die kleine Familie zog in den Aargau, wo Anders bis zu seiner Penim Boot; am Sonntag zog ein noch stärkerer Sturm auf, und Joseph versionierung kontinuierlich die Karriereleiter hochstieg; dass er in seiner suchte vergeblich, das Hafengebiet zu verlassen; am Montag stürmte es Jugend ein leidenschaftlicher Segler gewesen war und dass er sich mitnoch immer; und Joseph gelang es zwar, aus dem Hafen zu fahren, aber schuldig fühlte am Tod seines besten Freundes, erzählte er Joseph erst, er schaffte es nicht, die Segel zu hissen; er war allein und der Wind zu als der schon das Hochseepatent in der Tasche hatte. stark; du musst, schrie sein Vater ins Telefon, als er ihn anrief, du musst Joseph gehört zu den wenigen Menschen, bei denen ich mich nie gees schaffen! Ich versuche es ja, sagte Joseph, und fuhr am Dienstagfragt habe, wer seine Eltern sind oder waren; ich dachte bis zu jenem morgen erneut hinaus, als immer noch Sturmwarnung war – «und dann Anruf, er sei als junger Mann allein aus Dänemark in die Schweiz gehabe ich es geschafft», sagte Joseph, «und sofort habe ich meinen Vater kommen; er selber hatte seine Eltern nie erwähnt, und ich ging davon angerufen, und er lachte, er schrie, er rief ins Telefon: Jetzt ist es gut, aus, dass sie längst tot waren. Vielleicht deshalb, weil er mir immer ein jetzt ist es gut!» wenig verwaist vorkam; Joseph wirkt ungepflegt, nicht erst jetzt, mit Joseph war so erschöpft, dass er den ganzen Nachmittag schlief. Am über sechzig; es fehlen ihm mehrere Zähne, die ihm schon mit Mitte Mittwochmorgen kam die Nachricht; sein Vater war gestorben. «Ich hatvierzig fehlten; er ist untersetzt, hat einen stattlichen Bierbauch und te noch nicht einmal gewusst, dass es ihm wieder schlechter ging, er hat trägt seit Jahren dieselbe dunkle Hornbrille. Was ihn ausmacht, seine auch nie davon gesprochen, er hat nichts von sich erzählt, er hat sich Intelligenz, sein sprühender Witz, seine Talente und Fähigkeiten, sein immer nur nach meinem Befinden erkundigt, mich angefeuert, ermunimmenses Wissen: das alles erschliesst sich erst im vertieften Gespräch tert; er wollte, dass ich es schaffe, nicht um seinetwillen, sondern meioder wenn er zeichnet, malt, sich ans Klavier setzt, einem den Nachtnentwillen, das habe ich jetzt verstanden; nicht er hat mir ein Geschenk himmel erklärt. gemacht, sondern er hat mir ermöglicht, ihm ein Geschenk zu machen; Sein Vater, so wurde es mir während Josephs Erzählung immer deutund genau das war es, was ich gebraucht habe.» licher, muss sich für seinen einzigen Sohn, der trotz überragender Bega■ bungen weder einen Beruf lernte noch etwas zu Ende studierte und sich mit wechselnden Jobs durchs Leben schlägt, ebenso geschämt haben wie Josephs Tochter sich wohl für ihn schämt. Sie ist Mitte dreissig und verweigert seit Langem jeden Kontakt zu ihrem Vater. Von ihr hat mir Joseph sehr oft erzählt, und ich weiss, dass er sich um sie gekümmert hat, als sie ein Kind war; er hat sie gewickelt und gefüttert als Baby und er hat sie auch nach der Trennung regelmässig gesehen und Verantwortung Ruth Schweikert, geboren 1964 in Lörrach, für sie übernommen, so gut er es eben vermochte. Und ich weiss, wie lebt mit ihrer Familie in Zürich. Sie schreibt sehr es Joseph schmerzt, dass er mit seiner Tochter nicht sprechen kann. Romane, Erzählungen und Theaterstücke so«Ich weiss gar nicht mehr, wie ich auf das Segeln gekommen bin», wie Kolumnen und Essays. Ausserdem untersagte Joseph, «auf jeden Fall habe ich jahrelang auf dem Zürichsee wie richtet sie am Schweizerischen Literaturinstiverbissen geübt und im letzten Jahr sogar das Hochseepatent gemacht. tut in Biel. Ich habe gespart und gespart, bis es reichte für ein kleines Occasionsboot in Dänemark, das ich Ende Mai in Besitz nehmen und zum neuen Ruth Schweikert träumt von einer Reise Anlegeplatz bringen wollte. Kurz zuvor, Anfang Mai, rief meine Mutter nach Japan und davon, einmal drei Monate an und sagte, mein Vater liege mit einer Lungenentzündung im Spital.» für sich allein und das Schreiben zu haben.


Bekenntnisse eines Traumlosen VON ROLF LAPPERT

Ich habe nie geträumt. Ich kann nicht träumen. Nachts, im Schlaf, bleibt es leer in meinem Kopf. Wenn bei anderen das Traumkino spielt, herrscht bei mir Dunkelheit, das grosse Nichts zwischen Einschlummern und Erwachen. Auch meine Kindheit verlief traumlos. Meine Schwester Erika schreckte jede dritte Nacht aus einem Alptraum auf, schweissgebadet und verängstigt. Dann erzählte sie der herbeigeeilten Mutter von wilden Tieren, Drachen und Monstern, und ich lag in meinem Bett und war neidisch auf sie. In der Bibliothek holte ich mir Bücher, in denen es um blutrünstige Wölfe, giftige Schlangen und einäugige Zyklopen ging, aber wie lange ich mir die Illustrationen auch ansah, nie konnte ich die Bilder in die ereignislosen Stunden meines Schlafs hinüberholen. Mein Gehirn schien unfähig, während des Schlafes Bilder herzustellen, mein Unterbewusstsein, sofern ich überhaupt eines besass, nicht gewillt, mich mit selbstproduzierten Filmen zu unterhalten. Um Unterhaltung ging es freilich gar nicht, las ich Jahre später, gerade 14 geworden, in einem psychologischen Buch, das ich auf der Suche nach erklärender Literatur in der Bibliothek entdeckt hatte und das sich unter anderem mit Traumdeutung beschäftigte. Man träume, um Erlebnisse zu verarbeiten, erfuhr ich. Eine Art geistige Reinigung finde während des Träumens statt, die Seele lasse nachts Dampf ab, hiess es etwas salopp. Ich fragte mich augenblicklich, was mit mir nicht stimmte. Hatte ich keine Erlebnisse, die es wert waren, verarbeitet zu werden? War mein ganzes bisheriges Leben so langweilig gewesen, so unbedeutend, dass mein Unterbewusstsein, dessen Existenz ich immer stärker anzweifelte, arbeitslos war? Es gab nur einen Weg, herauszufinden, ob auch ich zu denen gehörte, die zwar träumten, deren Erinnerungen sich jedoch im Tageslicht verflüchtigten, noch bevor sie greifbar waren: Erika musste meinen Schlaf überwachen und am Morgen über allfälliges Herumwälzen und Gemurmel rapportieren. Gegen Übernahme von zwei Wochen ihres Geschirrspüldienstes erklärte sie sich bereit, verbrachte angeblich eine schlaflose Nacht an meinem Bett und meinte am folgenden Tag, ich hätte geschlafen wie ein Toter, sprach- und bewegungslos.

20

Roland Wiederkehr, ein Junge aus meiner Klasse, der wegen seiner Überlänge, seinen schiefen Zähnen und der Brille ein Aussenseiter war und dem ich in einem Anflug von Verzweiflung mein Geheimnis des Nicht-Träumen-Könnens anvertraut hatte, behauptete, in einer Zeitschrift in der Praxis seines Vaters, der Arzt war, gelesen zu haben, dass es möglich sei, sich vor dem Einschlafen vorzunehmen zu träumen. Ja, sagte Roland, der froh schien, sich mit jemandem zu unterhalten, man könne sich sogar aussuchen, wovon man träumen wollte. Man müsse einfach ganz fest an etwas denken. Nachts in meinem Zimmer dachte ich an das Autorennen, das ich im Fernsehen gesehen hatte, an Monza und einen roten Lotus, in dem ich sass und über den Kurs raste. Ich dachte mit einem solchen Eifer daran, dass ich wie ein Brett dalag, sich meine Finger um ein eingebildetes Lenkrad krallten und ich vor lauter Anstrengung vergass einzuschlafen. Als ich schliesslich doch wegdämmerte, träumte ich natürlich nichts. Jedenfalls konnte ich mich am nächsten Morgen an nichts erinnern, weder an Monza noch an den roten Lotus oder die schwarz und weiss karierte Zielflagge, die ich mir als Sieger für das Ende meines Traums gewünscht hatte. Ich versuchte es noch ein paar Mal, nahm mir vor, von Flugzeugen zu träumen, die ich über Bergspitzen jagte, vom Mars, den ich als erster Mensch betrat, von Mariella Widmer, die mich im Fahrradkeller küssen sollte. Doch nichts davon fand als Lichtspiel in meinem finsteren Kopf statt, kein einziges Bild leuchtete in meinem leeren Schädel, nicht einmal ein kleiner Funke durchzuckte meinen schweren, schwarzen Schlaf. Die nächsten Jahre verschlang ich alles, was zum Thema Traum in der örtlichen Bibliothek greifbar war. Träume und ihre Ursachen. Traumdeutung. Das Traumbuch der Aborigines. Die Urkraft des Traums. Träume sind keine Schäume. Sag mir, was Du träumst, und ich sage Dir, wer Du bist. Traumtherapie. Traum und Esoterik. Was tun bei Albträumen? Können Tiere träumen? Traumanalyse für jedermann. Traumberatung für Paare. Träume begreifen. Wenn Träume den Schlaf rauben. Das Traumbuch der Indianer. Was wir aus Träumen lernen können. Träume: Botschaften der Seele. Traumforschung aktuell. Die Heilkraft des TräuSURPRISE 340/14


che im durchgeschwitzten Pyjama aufwachte und nach den Eltern rief, mens. Der Traum in der Chinesischen Medizin. Träum Dich schlank! Im weil man gerade mit knapper Not den blutigen Klauen eines rattenköpTraum zum starken Ich. Das Traumbuch der Eskimos. figen Ungeheuers entkommen war. Ich durfte mich als normalen, geIch habe vor dem Zubettgehen heisse Bäder genommen, habe abends sunden jungen Mann bezeichnen. Ich rauchte nicht, ich trank Alkohol im Dunkeln meditiert, habe der Musik australischer Ureinwohner gein vernünftigen Mengen und ich träumte nicht. Ich beschloss, mich lauscht, bis mir die Augen zufielen, habe bitteren Tee getrunken und Tanicht länger mit diesem leidigen Thema zu befassen. Es gab schliesslich bletten geschluckt, die Entspannung versprachen, habe geturnt und Wichtigeres im Leben. In den Pausen setzte ich mich alleine irgendwomeinen Atem trainiert, habe mir Bilder angesehen, die mir als Pforten hin, um nichts mehr über die peinlichen Träume meiner Arbeitskollegen zum Land der Träume angepriesen worden waren, habe zwei Wochen hören zu müssen. In die Bibliothek ging ich nur noch, um Zeitung zu lang Fisch gegessen und am Boden auf einem Kuhfell gelegen, habe Kopfstände gemacht und ausgedehnte Abendspaziergänge unternommen, habe auf einem Damals hätte ich für den Rest meiner Kindheit auf Taschengeld verKassettenrekorder der sonoren Stimme eines zichtet, um träumen zu können, und sei es davon, wie ich auf einer Mannes gelauscht, der mich in einen traumerfüllten Schlaf zu reden versuchte, habe mich glühenden Metallplatte lag und von Würmern aufgefressen wurde. bei Vollmond nackt auf die Wiese hinter unserem Haus gelegt und Eulenfedern verbrannt, lesen, und machte dabei immer einen grossen Bogen um die Regale habe mich daran erinnert, was Onkel Manfred vor seinen Nickerchen «Psychologie» und «Esoterik». Ich sah nicht mehr fern und ging nicht auf dem Sofa machte, eine ganze Flasche Rotwein getrunken und mich mehr ins Kino; ich brauchte kein weiteres Futter für die so beharrlich ereine halbe Nacht lang übergeben – aber geträumt habe ich nie. sehnten und ebenso beharrlich ausgebliebenen Träume. Das BücherleDie Jahre zwischen meinem 18. und 25. Geburtstag verbrachte ich, sen gab ich ebenfalls auf. Ich hatte genug von den Geschichten, die nie ohne viel über die Tatsache nachzudenken, dass meine Nächte traumzu den leuchtenden Bildern in meinem schlafenden Schädel geworden los blieben. Ich fand mich mit meinem Schicksal ab. Es gab Menschen, waren, nie zu dem Stoff, der wie Batterieflüssigkeit durch mein Gehirn die keine Farben sehen konnten und welche, die keinen Geschmacksschwappte, meine einsame, gelangweilte Seele reinigte und mir als sinn hatten, egal ob sie Schokolade assen oder Chilischoten, und ich Schweiss aus den Poren trat und den Schlafanzug tränkte. war eben nicht in der Lage zu träumen. Es hätte mich schlimmer trefIch erklärte mein Leben endgültig zur traumfreien Zone. fen können, fand ich. In der Zeitung las ich über einen Mann, der in AlaIn einem Zeitungsartikel las ich über Leute, die Käfer sammelten, ska leben musste, weil er nicht schwitzen konnte. Ich fing an zu studieund beschloss, einen Teil meiner Freizeit ebenfalls diesem Hobby zu ren, Biologie und Philosophie, brach das Studium nach drei Semestern widmen. Die Leute in dem Artikel suchten auf Feldern und Wiesen nach ab und wurde Fahrradkurier, dann Möbelverkäufer und schliesslich Käfern, nahmen sie nach Hause und vergasten sie in einem MarmelaKellner. Ich mied alles, was mit Träumen zu tun hatte, suchte nach keiner Traumfrau, wollte nicht in einem Traumauto herumfahren und keinen Traumurlaub auf einer Trauminsel verbringen. Ich verbot mir das Tagträumen und hörte irgendwann auf, mir etwas zu wünschen, denn Wünsche waren nichts anderes als formulierte Träume. Ich erinnerte mich an ähnliche Geschichten auf dem Pausenhof, an Gerold Schmid, der im Traum löffelweise lebende Würmer und Maden gegessen hatte, an Reto Zublers Waten durch einen Sumpf aus Blutegeln und Quallen, an Martin Bachmanns endlosen Zahnarzttermin, bei dem ihm das komplette Gebiss herausgefräst wurde. Damals, mit elf, hätte ich alles dafür gegeben, so einen oder einen ähnlichen Traum zu träumen. Ich hätte für den Rest meiner Kindheit auf Taschengeld und Weihnachtsgeschenke verzichtet, um träumen zu können, und sei es davon, wie ich auf einer glühenden Metallplatte lag und von Würmern aufgefressen wurde, während über mir die Pendel des Todes schwangen, um mich zu vierteilen. Waren Träume nicht Geisterbahnfahrten, die man halb belustigt, halb gelähmt vor Schrecken unternahm, um am Ende ins Tageslicht zu treten, sich den Angstschweiss abzuwischen und dann allen Freunden zu erzählen, wie gruselig es war? Als Kind war ich von dem Wunsch besessen, wie alle anderen zu sein. Aber jetzt, als Erwachsener, schien mir Neid auf einen so unangenehmen, ja geradezu demütigenden Traum völlig unangebracht. War ich als Nicht-Träumer nicht sogar besser dran als diese armen Menschen, denen das Unterbewusstsein die Nacht zur Hölle machte? Musste ich mir wirklich während meines wohlverdienten Schlafes einen Film ansehen, in dem ich splitternackt und ohne Fahrschein in öffentlichen Verkehrsmitteln sass? Wer hatte eigentlich das Recht zu behaupten, ICH sei nicht normal, weil ich nicht träumte? Etwa Gisela von Dornhagen, die in ihrem Machwerk «Achtsam träumen – Im Schlaf zum spirituellen Ich» Dinge schrieb wie: «Wir müssen die Schattenzimmer unseres Lebenshauses mit dem zärtlichen Licht unserer Träume erhellen.»? Ich musste gar nichts. Keine Schattenzimmer erhellen. Keinen Selendampf ablassen. Mir fehlte nichts. Ich war kein kleiner Junge mehr, der glaubte, das Leben sei nur sinnvoll, wenn man mindestens zweimal pro WoSURPRISE 340/14

21


denglas, um sie dann mit Stecknadeln aufzuAls sie mir das Instrument auf die Beine legte, gab es einen langen, spiessen und in flachen Holzkästen aufzubeklagenden Ton von sich, der mich irgendwie rührte. Von nun an spielwahren. Da mir nicht bewusst war, dass ich te ich jeden Tag auf dem Akkordeon. ausserstande sein würde, die an einem Sonntagnachmittag gefundenen Käfer umzubrinten machen, klingen allmählich wie Töne und sind kurz davor, zu einer gen, liess ich die Tiere am Abend desselben Tages wieder frei, wofür ich Melodie zu werden. Ich glaube, alles entwickelt sich zu etwas Gutem. noch einmal exakt zu der Stelle im Wald fuhr, an der ich sie eingesamTräumen tu ich noch immer nicht. – Aber mal ehrlich: Wozu auch? ■ melt hatte. Auf dem Nachhauseweg stürzte ich mit dem Fahrrad, weil ich in der Dunkelheit ein Schlagloch übersehen hatte, und blieb eine Weile benommen liegen. Ein Mann, der hinter mir in seinem Auto gefahren war, hielt an, und noch bevor ich ihm sagen konnte, ich sei wohlauf, rief er eine Ambulanz. Ich hatte mir ein paar Finger gebrochen und die Knie aufgeschürft und wurde im Krankenhaus geröntgt und eingegipst, wo es nötig war. Meine Schwester Erika, die in einer nahe gelegenen Stadt wohnte, holte mich mit ihrem Auto und ihrem Sennenhund ab, den sie, nach unseRolf Lappert, geboren am 21. Dezember 1958 rem seligen Grossvater mütterlicherseits, Kurt getauft hatte. in Zürich, aufgewachsen in Olten und ZofinIch wurde für vier Wochen arbeitsunfähig geschrieben. Ich ging jegen. Machte eine Ausbildung zum Grafiker, den Tag in die Bibliothek und las sämtliche Zeitungen, und wenn das gründete mit einem Freund einen Jazzclub und Wetter es erlaubte, machte ich lange Spaziergänge durch die Stadt und arbeitete als Drehbuchautor. Buchveröffentlisah den Männern des Bauamts zu, wie sie die Weihnachtsdekoration chungen seit 1982, die letzte 2012 mit «Pampa über die Strassen hängten. Blues», einem Jugendroman, der gerade für Als der Gips abgenommen wurde, konnte ich die Finger nicht mehr das Fernsehen verfilmt wurde. 2008 mit «Nach bewegen und musste dreimal wöchentlich zur Therapie. Am WeihnHause schwimmen« auf der Shortlist des Deutachtsabend kamen Erika und Kurt, um mit mir zu feiern. Ich schenkte schen Buchpreises, im selben Jahr Gewinn des Schweizer Buchpreises. meiner Schwester wie jedes Jahr einen Büchergutschein und eine FlaLebt nach vielen Jahren im Ausland wieder in der Schweiz. sche Badesalz und Kurt ein Stoffschwein und eine Fünferpackung Kauknochen. Rolf Lappert träumt nachts meistens wirres Zeug und am Tag vom Ich bekam von ihr ein Akkordeon. Ich habe nie in meinem Leben ein Schreiben eines Bestsellers und viel Geld, und natürlich vom WeltInstrument gespielt. Schon in der Schule wurde mir absolute Unmusifrieden und davon, dass die Menschen aufhören, Fleisch zu essen.

22

SURPRISE 340/14

BILD: ZVG

kalität bescheinigt. Das sagte ich auch meiner Schwester, und sie meinte, das Spielen auf dem Akkordeon diene als Training meiner Finger. Als sie mir das Instrument auf die Beine legte, gab es einen langen, klagenden Ton von sich, der mich irgendwie rührte. Von nun an spielte ich jeden Tag auf dem Akkordeon. Am Anfang klang es schrecklich, als würden in einem Bergwerk Esel gequält. Meine Finger waren steif und ungelenkig, ich hatte keine Noten, die ich sowieso nicht hätte lesen können, und keine Ahnung, was ich da überhaupt machte. Und trotzdem hörte ich nicht auf, aus dem Weihnachtsgeschenk meiner Schwester diese seltsamen, schrägen und in den Fingern und Ohren schmerzhaften Töne herauszupressen. Wochen später, das neue Jahr lag noch unter dem Schnee des alten, holte ich meine Post aus dem Briefkasten und zerknüllte gerade einen Werbeprospekt, auf dem mir in Grossbuchstaben Traumgewinne versprochen wurden, als mich eine junge Frau fragte, ob ich im Dritten wohnen und Akkordeon spielen würde. Ich überlegte, alles abzustreiten, nickte dann aber und meinte, von Spielen könne leider keine Rede sein. Die Frau nahm ihre Post aus ihrem Kasten, warf den Prospekt in den Abfalleimer und erzählte mir, sie sei gerade eingezogen, in den Zweiten. Vor ein paar Tagen habe sie begonnen, Querflöte zu spielen, sagte sie, ob wir nicht einmal zusammen musizieren könnten. Das Grün ihrer Augen war tausendmal grüner als das Grün von Mariella Widmers Augen. Ich nickte, während ich Brief für Brief den Rest meiner Post zerknüllte und wegwarf. Sofie und ich sind jetzt seit sechs Monaten und drei Wochen zusammen. Seit vier Monaten und zwei Wochen wohnt sie bei mir. Das ist nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch schöner. Seit sie bei mir ist, geschehen rätselhafte Dinge. Eine Katze spazierte vor ein paar Tagen durch unser Badezimmerfenster und scheint bleiben zu wollen. Herr Kurzmeier aus dem Ersten ist ausgezogen, in seiner Wohnung leben jetzt ein portugiesischer Fotograf und eine brasilianische Köchin. Die Geräusche, die Sofie und ich auf unseren Instrumen-


Die letzte Aufnahmeprüfung VON SIBYLLE BERG

Das Tier hatte ich eines Abends kennengelernt, als ich vom Einkauf zurückkam. Es war eine Art Nager, genau weiss ich es bis heute nicht zu sagen. Es sass auf meiner Eingangstreppe und sah mich abwartend an. Ein kleines braunes Pelztier mit wachem Blick und zarten Händen. Nachdem ich die Tür geöffnet hatte, erhob es sich und schritt selbstbewusst ins Haus. Es stieg die Stufen in den vierten Stock, wo sich meine Wohnung befand, behende, wartete auf mich, um dann wiederum in meine Wohnung zu laufen. Dort schaute es sich kurz um und nahm dann auf meinem Sofa Platz. Ich machte das Abendessen und stellte einen Teller vor das Tier. Es begann mit seinen kleinen Händen von den Bohnen zu nehmen, ein wenig Kartoffel, dann wischte es sich den Mund ab und ging in mein Bett, um sich zum Schlafen zu legen. Von jenem Tag an lebte das Tier mit mir. Ich gewöhnte mich ausserordentlich schnell an seine Gesellschaft, vermutlich, weil es keine Fragen stellte. Ab und zu sass es auf dem Fensterbrett, wenn ich von der Arbeit kam, und wendete den Blick wie ertappt vom Himmel ab, wenn es mich bemerkte. Wir lebten einige Jahre zusammen, schliefen zusammen in meinem Bett, ich würde sagen, wir erfreuten uns an unserer Gesellschaft. Dann war Frühling, und ich liess die Fenster offen, wegen der Luft, wegen der Vögel, und mein Tier sass auf dem Fensterbrett, und fast sorgte ich mich, dass es stürzen könnte. An einem Abend also, ich kam heim, sah das Tier wieder am Fenster, blickte es mich an, ein wenig schuldbewusst, wie mir heute scheinen will. Es nickte mit dem Kopf und sprang aus dem Fenster. Ohne lange zu überlegen war ich auf dem

Roberta (1966 – 2014): «Ich habe nie geredet. Ich hatte wohl die Fähigkeit dazu, die medizinischen Voraussetzungen waren gegeben, doch hatte ich nie das Bedürfnis, mich über Worte mitzuteilen. Wissen sie, vielleicht begann es als Tick, doch es ging mir, wie jedem Menschen, der eine Gewohnheit entwickelt – irgendwann konnte ich mir einfach nicht mehr vorstellen, anders zu leben, als ich es tat. In meiner Kindheit waren meine Eltern über Gebühr besorgt um meine Sprachlosigkeit. Sie wollten, auch das ist menschenüblich, unbedingt herstellen, was ihnen die Umgebung als NORMAL vorlebte. Ich verbrachte den grössten Teil meiner Kindheit bei Ärzten, Psychologen, beim Delphinschwimmen und Pferdereiten. Die Aufregung bestärkte mich allerdings eher in meinem Entschluss, nichts zu sagen. Worte erschienen mir schon immer als Gefahr. Wenn ich die Gespräche meiner Eltern belauschte, Sätze, in denen immer ein: aber du hast versprochen, vorkam. Die immer mit einem: warum hast du denn gesagt, endeten. In der Stille, die ihren Gesprächen folgte, entstand bei mir der grosse Wunsch, meine eigene Stille, die sehr viel behaglicher war, zu verteidigen. In meinem weiteren Leben hatte ich Freude in der Bibliothek, in der ich arbeitete, mit mir und der Ruhe die mich umgab. Ruhe, wie ein Panzer aus Kaschmir, an dem alles abprallt, was in der Welt stattfindet, die man nicht mag, weil sie laut ist und unerfreulich. Ich habe nie darum gebeten, geboren zu werden. Die Eltern entscheiden für dich, in einem Moment der Lust Es sass auf meiner Eingangstreppe und sah mich abwartend an. Ein oder der Gewohnheit stellen sie etwas her, das kleines braunes Pelztier mit wachem Blick und zarten Händen. sie kurz nur versorgen und das dann 60 Jahre in einem Zustand verbringen muss, der nichts Fensterbrett und stiess mich ab. In die Wolken, in das Blau, ich verwill, ausser wieder in Ruhe zu liegen. Was einem nicht vergönnt ist, meinte genau zu wissen, was mein Tier gesucht hatte. Die endlose denn ein ordentlicher Mensch hat seine Pflichten in der Gesellschaft. Da Ruhe. Es war der stillste Moment meines Lebens, durch die Luft zu flieist nichts mit sinnlosem Herumgeliege in flauschigen Betten, da muss gen, nicht einmal Rauschen war zu hören, zu fliegen, endlich zu fliegen produziert werden, und sich gekleidet und geheiratet muss sein, wegen und zu wissen, dass ich nie wieder Geräusche hören müsste, nie wieder der Vermehrung. Und man muss sich doch auseinandersetzen. Stimmen. Ich wollte nie sein, wie es mir unter mir unter dem Begriff LEBENDIG vermittelt wurde. An Tischen sitzen, Wein trinken, vom Klang meiPrüfungskommission: ner Stimme trunken werden, mit Männern schreiend in Betten liegen, Nach eingehender Beratung teilen wir Ihnen mit, dass Sie unseren Anschnelle Autos zerfahren. Wenn ich schon als Mensch geboren wurde, forderungen nicht genügen. so wollte ich doch wenig mit der Spezies zu tun haben. ■ Das gelingt schweigend. Kaum einer mag mit Stummen verkehren. Ich hatte beobachtet, wie unglücklich sie waren, die anderen, in der ständigen Erfüllung anderer Leute Erwartungen, wie es sie verspannte, wie sie zwar sprachen, doch kein Satz aus ihnen kam, sondern einzig tausendfach gehörte Worte, die wirken wollten. Sibylle Berg, geboren in Weimar, lebt in Ich war wohl einmal mit einem Mann zusammen. Doch ich habe alle Zürich. Sie hat bereits zahlreiche Bücher verDetails dazu vergessen. Ich suchte nie einen Freund, ich war mir genug. öffentlicht, darunter: «Vielen Dank für das Ich bewegte mich in meiner leisen Welt, verlies das Haus am Morgen, Leben», 2012; «Die Fahrt», 2007; «Ende gut», wenn mit Glück Nebel oder Regen das Elend unsichtbar machte, lief 2004. Ihre Theaterstücke («Angst reist mit», durch eine öffentliche Grünfläche zur Bibliothek. Ich musste keinen se«Helges Leben», «Hund, Mann, Frau», «Schau, hen dort, weil es nur galt, Bücherpakete über Land zu verschicken. Am da geht die Sonne unter» u. a.) werden an BühAbend ging ich heim, und der einzige Kontakt des Tages fand mit dem nen im In- und Ausland gespielt. Verkaufspersonal des Supermarktes statt, in dem ich mir jeden Abend die gleichen Gerichte kaufte. Zuhause las ich, schaute aus dem Fenster, Sibylle Berg träumt davon, dass jeder einen findet oder hat, den er wartete, dass die Zeit vergehen würde, in dem Leben, um das ich nicht lieben kann. Und sich selbst wünscht sie, weil sie das schon hat, ein gebeten hatte. Häuschen. SURPRISE 340/14

23

BILD: KATHARINA LÜTSCHER

Was war der glücklichste Moment in ihrem Leben?


Dättwylers Dorli sini abverheiti Verlobig VON SUNIL MANN

«Äbe, wäg däm Dorli«, macht dr Role, woner vor Toilette zrüggFäu, Zahnärztin vilech oder Rächtsawäutin. Tummerwis isch das Dorli chunnt, und git der Serviertochter es Zeiche, si söu de nume nomau vier aber nid so es gschids gsi, si hetts zwar scho versuecht mit em Gymer, Schtange bringe. aber isch nid inecho. Auso KV, hett druf dr aut Dättwyler befohle, das «Bisch gäng no bi dere?» Der Hene verdräiht d Ouge, und natürlech isch denn gang u gäb gsi. U sini Frou hett für einisch o nüt dergäge gha. hetter rächt. Dr Role füut üs geng d Bire mit irgendwelche Gschichtli, wo Ja guet, hett si gmeint, KV isch ir Ornig, aber när söu die Dorothée dide muesch ga d Pointe sueche, we si überhoupt eini hei. rectemang hürate u wenn möglech chli passabu.» Dr Role macht e Be«Jitz muesch lose, du Sürmu!», seiter u hocket wieder häre. wegig, aus würder öppis zwüsche Tuume u Zeigfinger verbrösmele. «I weis ja nid emau, vo wäm dass redsch.» «Aber leider isch das Dorli o nid sones schöns gsi. Jedefaus hie ume «E mou! Dättwylers Dorli. Du kennsch die o, isch öppe zwöi, drü hett se kene wöue.» Jahr jünger aus du, nid viu meh. Hett obe am Fischerwäg gwohnt, beDr Miggu lachet dräckig. vor si se ghout hei.» «Nach der Lehr hetts Dorli de wöue ga reise, chly d Wäut gseh u vor «Ah die», macht jitz dr Miggu u dr Hene faht afaa hirne, ä ehnder auem wäg vo hie. Aber dr Aut hett gseit, sone Chabis, nüt isch u si söu ungwohnti Beschäftigung für ihn. Me gsehtsem emu guet aa, daser nid so Pflänz mache. Drum hett sie de dä Bügu bir Druckerei aagno, e grüblet. «Dorothée, mit Egü. Dättwylers hei äbe scho Nach der Lehr hetts Dorli de wöue ga reise, chly d Wäut gseh u immer gmeint, si sige öppis Bsundrigs. Franzövor auem wäg vo hie. Aber dr Aut hett gseit, sone Chabis, nüt sisch parliere u so, weisch. Aus wäresi ds Bärn isch u si söu nid so Pflänz mache. unge bi de Mehbessere.» Ds Rösli chunnt miteme Platto a Tisch u rumt die lääre Gleser ab, putzt schnäu mit eme Lumpe die chläbrige Fläcke gueti Schteu eigetlech, aber sie wär haut glych schampar gärn chly umwäg und schteut vier früschi Bier vor us häre. egrösslet. U je lenger dass si dert hett gwärchet, desto meh hettsi tröimt, «Liireter wieder mau?», fragtsi u louft eifach dervo. vo was weisme nid genau. Mängisch isch si so wyt wäg gsi, i Gedanke Äm Role blibt nach dere uverschante Bemerkig d Schnure offe meini, dass mere es paar Mau hett müesse rüefe, bis si gloset hett.» schtah. «Du Frölein, weni di mau id Fingere bechume …» Dr Role nimmt e Schluck Bier u macht e chlyni Pouse. «Aber dr Scheff «Hättsch gärn, gäu.» hett das nid gschtört, ihm hett nämlech das Dorli scho no gfaue. Äs isch «U süsch sägis am Nöudu.» jitz nid grad e Chatz gsi, wenner wüsst wasi meine, aber zum Küsu hätts «Dä hett dehei sowieso nüt z mäude, nume dass es grad weisch.» passt. U so isches cho, wies hett müesse cho, är isch es paar Mau mi«Hani no haubers dänkt, bime sone Räf hett e Maa nüt z lache.» tem i Usgang, hetts zum Znacht iiglade u einisch si si sogar zäme ga Ds Rösli grinset fräch u schteut die dräckige Biergleser i d Abwäschschifahre, uf Föitersöi ueche oder süsch some Ort, i weises nümm so maschine. gnau. U ds Dorli isch rächt häppi gsi, u sini Eutere sowieso, die hei äuDrum simer o so gärn hie: Weu si sone gueti isch u ab u zue e wä äs Fröidetänzli ufgfüehrt, immerhin hett ihns doch no eine wöue, u Schpruch laht la gheie u nid gäng aues so ärnscht nimmt. Usserdäm gits de ersch no der Scheff. im Winter aube sowieso nid so viu z tüe uf de Höf. Aber d Weli hätteDr Role macht e dramatischi Pouse u luegt eim nachem angere i d Oumer sowiso nid gha, well es git gar ke angeri Beiz hie obe. ge. «Nume – das hett nid lang häreghäbt u scho baud hett ds Dorli dere «Auso, was isch jetzt mit däm Dorli?», schtürmet dr Hene. Sach nümm trout. Weu äs nämlech ds Gfüu hett gha, dr Küsu luegi chly «Nume nid gschprängt.» Dr Role nimmt e zümftige Schluck us sim zfescht ere angere nache. Jedefaus hettsine scho es paar Mau mit dr BärGlas. Jitz, woner weiss, dasmerem zuelose, laht er sech Zyt, tüppisch. ble verwütscht, wo denn grad nöi hett aagfange ir Druckerei, blond isch «Auso, wo simer gsi? Bi dene Dätwylers äbe und bim Dorli. Dr Père die gsi u hett rächt Schriis gha bi de Manne. Dr Scheff hett geng mitere isch Lokifüehrer, d Mère hett gärn chly wichtig ta. Die hett ums Verreumeküschelet u so u de heisi glachet, zersch im Gheime, aber de je lencke wöue, dass ds Töchterli Karriere macht. Öppis Schtudierts uf au ger je meh o eifach so. Derbii heisi immer so kurlig zum Dorli über-

24

SURPRISE 340/14


SURPRISE 340/14

hett, immer no ir Fuscht feschthett, es chlyses blaus Truckli isch das, mitere siubrige Schleife ringsetum. Si huuret sech ache u schpienzlet ids Chärtli, wo dranne plampet. ‹Für ds Dorli› schteit drin, u i däm Momänt chöme si aui wieder ine, aui Mitarbeiter u d Bärble zvordersch, u ds Dorli huuret immer no dert u weis nüm weder us no ii, si chöme mit Ballön u Papierschlange ure grosse Fläsche Schampanier u zwe Pursche häbe es Schpruchband i d Höchi, wo druffeschteit: ‹Aues Gueti zur Verlobig›. E haubi Sekunde schpeter faht d Bärble aafaa ggöisse u wott gar nümm ufhöre dermit. «Tumm gloffe», seit dr Miggu u mir angere gaffe tuuch i üsi Biergleser. ■

Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren und lebt seit mehr als zwanzig Jahren in Zürich. Er hat Psychologie und Germanistik studiert, beide Studiengänge wurden erfolgreich abgebrochen. Heute arbeitet er Teilzeit bei der nationalen Airline. Viele seiner Kurzgeschichten wurden ausgezeichnet. Mit seinem Romandebüt «Fangschuss», dem ersten Krimi mit Vijay Kumar, gewann er den Zürcher Krimipreis 2010. Mit «Lichterfest» (2011) und «Uferwechsel» (2012) legte er zwei weitere humorvoll-spannende Fälle für den indischstämmigen Privatdetektiv nach. Sein vierter Roman erschien Ende August 2013, sein fünfter Roman «Faustrecht» genau ein Jahr später, beide ebenfalls im Grafit-Verlag. Sunil Mann träumt davon, einmal einen kompletten Kriminalroman auf Berndeutsch zu verfassen.

25

BILD: EKE MIEDANER

egluegt u wenns zrüggglueget hett, de heisi wieder aafaa gigele aus sigesi nid ganz bi Troscht. Ds Dorli hett nid verschtange, was dä jitz a dere Schese findet, aber äs hett nüt gseit u isch nume immer truuriger worde u hett wieder aagfange i Tag ine tröime. Me muess wüsse, dass äs gärn uf Indie wär, vermuetlech hett äs i Gedanke sogar scho d Hochzytsreis derthäre planet. Uf jede Fau hetts ame Morge sone indische Tämpu uf sy Bürotisch gschteut, us wyssem Marmor isch dä gsi u eigetlech henneschön.» «Du meinsch äuwä dr Thatsch Mahal», underbricht dr Hene u dr Role lüpft d Schultere. «Mir aa Thatsch Mahal, ke Ahnig, wie die däm Züg dert unge säge. Äs isch emu dr letscht Tag vor de Wiehnachtsferie gsi, u dr Scheff isch scho dr ganz Zyt so komisch ums umescharwänzlet. Das ischem Dorli zimlech ufe Wecker gange, u je lenger je meh isches hässig worde. Wener scho duurend mit dere Bärble am umepussiere isch, de mueser jitz o nümm cho, hetts dänkt, aber tief drin isches natürlech geng no entüüscht gsi. U när chunnt dr Küsu und fragtse, öb sie no chly chönn blibe, nume churz, es sig ke grossi Sach. Ds Dorli hett nicht rächt gwüsst, aber am Schluss isches iiverschtande gsi, weu si sech natürlech geng no Hoffnige gmacht hett. U de geit dr Küsu, dä Gigu, use u verschwindet mit dr Bärble i sim Büro, u si chöme es ganzes Zytli nümm use. Aui angere si gschpässigerwis plötzlech verschwunde gsi, u die drü si ganz allei ir Druckerei, u wo dr Küsu uf ds Mau bim Dorli schteit ure versuecht es Müntschi zgäh, gseht äs rot. Äs packt dä Tämpu …» «Thatsch Mahal», macht dr Hene u Role luegt ne rumpelsurig aa. «… packt dä Thatsch Mahal u houtne am Küsu ufe Gring, dass es tätscht u kracht, u dr anger gheit hingerdsi um, schlaht dr Gring grad nomau ar Tischkante aa u blibt ohni e Wank z tue am Bode lige. Bluet louftem us de Ohre unes git zimlech schnäu e huere Souerei ufem Schpannteppich. U denn ersch gseht ds Dorli das Truckli, woner ir Hang


Wohlfahrts letzter Tag VON RALF SCHLATTER

er neben dem Telefon das Kärtchen des Zahnarztes entdeckte. «Montag, Das ist die Geschichte von Anton Wohlfahrt, der eines Nachts träum10 Uhr, DH.» Dass er den letzten Morgen seines Lebens auf keinen Fall te, er werde am Abend des nächsten Tages sterben. Und weil Anton Ihnen den Termin leider verrechnen, Herr Wohlfahrt», sagte die PraxisWohlfahrt stets glaubte, was er träumte und beim Erwachen auch beassistentin. «Wollen Sie gleich einen neuen?» – «Nein, nein», sagte Anreits ein leichtes Stechen in der Herzgegend verspürte, beschloss er, am ton und legte auf. letzten Tag seines Lebens so viel Geld wie möglich auszugeben, am Den letzten Bissen Honigbrot im Mund, verliess er das Haus. An der besten alles, das er hatte. Es war Montag. Anton war ein bisschen entBushaltestelle begann es zu regnen. Anton fragte sich, warum er nicht täuscht, dass er ausgerechnet an einem Montag das Zeitliche segnen ein Taxi bestellt hatte. Geld spielte heute ja keine Rolle. In diesem Aumusste, ein Sonntag wäre ihm lieber gewesen. Doch andrerseits, sagte genblick fuhr eines vorüber, Anton winkte es herbei und stieg ein. «Zur er sich, waren am Montag die Geschäfte offen, was seinem Vorhaben Kantonalbank!» sagte er, ohne zu überlegen und fast ein bisschen zu entgegenkam. Er erschrak ein wenig, als er fröhlich, ja geradezu belaut, wie ihm schien. Als sein Blick auf die Grundtaxe auf dem Zähler schwingt aus dem Bett stieg, denn es war ja, wie er sich bewusst wurde, das letzte Mal in seinem Leben, dass er aus dem Bett stieg. In der Frage, ob er duschen sollDass er am Abend sterben würde, davon war er überzeugt, zumal te oder nicht, war er sich zuerst uneinig. Wollauch das Stechen in der Herzgegend nicht verschwunden war. te er Geld ausgeben, war ein gepflegtes Äusseres sicher von Vorteil. Demgegenüber stand der fiel, holte Anton seine Geldbörse aus der Tasche und bemerkte, dass er unwiederbringliche Zeitverlust, den die Dusche mit sich brachte. Um keinen Rappen Bargeld auf sich trug. Er bat den Fahrer, sofort wieder annicht mit sinnlosem Überlegen noch mehr Zeit zu vergeuden, entschied zuhalten. Der Taxifahrer fluchte und bremste, Anton stieg aus. Der Resich Anton für eine, wenn auch kurze, Dusche. Die Krawatte aber warf gen hatte zugenommen. Auf dem Wiesenstreifen zwischen Strasse und er in die Schlafzimmerecke, nachdem weitere fünf Minuten verstrichen Leitplanke ging er zurück in Richtung Bushäuschen. Hundert Meter dawaren beim Versuch, sie zu binden. vor fuhr der Linienbus an ihm vorbei. Der nächste, das wusste Anton, Mit einem Honigbrot im Mund und das Jacket über dem Bauch zufolgte in zwanzig Minuten. Er setzte sich ins Bushäuschen und begann, sammenziehend stolperte er auf die Strasse. Er hatte den Anzug seit seian seinem Vorhaben zu zweifeln. nem dreissigjährigen Firmenjubiläum nicht mehr getragen. Die Firma! Dass er am Abend sterben würde, davon war er nach wie vor überDas Honigbrot noch im Mund, eilte er in die Wohnung zurück. Einen zeugt, zumal auch das leichte Stechen in der Herzgegend noch nicht leichten Husten vortäuschend, meldete er sich krank. «Dann hoffentlich verschwunden war. Doch wofür und wie er all das Geld ausgeben sollbis morgen! Sie wissen ja, Herr Wohlfahrt, die Wochensitzung», sagte te, wusste er eigentlich nicht so recht. Er dachte nach. Bücher fielen Frau Gantenbein, die Abteilungssekretärin. Anton hustete ein bisschen weg, denn viel Zeit zum Lesen blieb ihm nicht. Möbel fielen auch weg, stärker und sagte: «Ja, mal sehen. Wenn das Fieber wieder runtergeht.» Immobilien ebenfalls. Mit einem Auto würde er nicht mehr weit komEr wollte sich gerade den Rest des Honigbrotes in den Mund stecken, als

26

SURPRISE 340/14


SURPRISE 340/14

27

BILD: RETO SCHLATTER

Sabrina hielt ihm ihren Zeigefinger vor den Mund und sagte: «Dann mamen, vor dem Fliegen hatte er Angst. Kleider trug er bereits, in die Schuche ich es gratis für Dich. Bei mir ist das erste Mal immer gratis.» Anton he drang zwar das Regenwasser, aber zu einer Erkältung würde der Tag errötete und schwieg. Als er, noch einmal über dieselbe Stufe stolpernd, ohnehin nicht mehr reichen. Schmuck mochte er nicht, und eine Uhr zu das Haus wieder verliess, hatte der Regen aufgehört und ebenso das Stekaufen schien ihm in seiner Lage zynisch. Es blieben, so folgerte Anton chen in Anton Wohlfahrts Herzgegend. daraus, Essen und Sex. Der Bus kam. Das Köfferchen war nach wie vor voll, es war Nachmittag. Einem Im Bankenviertel stieg er aus. «Wohlfahrt ist mein Name, ich will plötzlichen Einfall folgend ging Anton ins Spielcasino. Wo, wenn nicht mein gesamtes Vermögen in bar, grosse Noten», sagte Anton am Schalda, dachte er, kann ich mein Geld loswerden. Es war schon dunkel, als ter. Der Bankbeamte rückte seine Brille zurecht, schielte nach oben er wieder herauskam, mit dem Köfferchen in der rechten Hand und eirechts zur Überwachungskamera, lächelte dann pflichtbewusst, hüstelner Plastiktragtasche in der linken. Er hatte die Summe verdoppelt. Und te und sagte schliesslich leicht gepresst: «Gut, Herr Wohlfang, gut, in Ordnung», hüstelte erneut, fasste sich und fügte hinzu: «Gibt es, wie soll ich sagen, haben Nach dem zweiten Gang, bestehend aus zwei mit MeerrettichSie, ich meine, sind für diesen Entscheid Grünschaum gefüllten Radieschen auf Rosenblättern, verliess Anton de, Sie wissen schon, warum …» Anton sah hungrig, verärgert und ohne zu bezahlen das Lokal. auf einmal plastisch vor sich, wie die Zeit davoneilte, fühlte sich plötzlich und zum ersten so beschloss er, sich wenigstens noch ordentlich zu betrinken. Dann, so Mal in seinem Leben dem Bankbeamten hoch überlegen, beugte sich dachte er, werde auch der Tod erträglicher sein. In der Bar, die er betrat, vor, so dass die Nase beinahe das Panzerglas berührte, und sagte mit gesass ein einziger Gast, ein Mann mit einem langen Bart, unbeweglich dämpfter Stimme: «Ich sterbe heute Abend. Und jetzt raus mit der Kohhinter einer Weinflasche. Anton setzte sich zu ihm und hörte, dass der le.» Der Bankbeamte schluckte hörbar und dreimal nacheinander leer, Mann etwas flüsterte, immer wieder. «Heute sauf ich mich zu Tod, heusagte «Einen Moment bitte» und verschwand im Nebenraum. te sauf ich mich zu Tod.» Anton klopfte ihm auf die Schulter und sagte: Nach zehn Minuten, Anton kamen sie vor wie die wahrhafte Ewig«Hör mal, alter Freund, wenn einer sich heute zu Tode säuft, bin ich es!» keit, kehrte er mit einem kleinen Metallköfferchen zurück, das aussah Der Mann schreckte auf. Als Anton ihm erklärte, dass er heute Abend wie ein Beauty Case, und winkte Anton zu einer Seitentür. «Die eine sterben müsse und sich jetzt noch ordentlich besaufen wolle, bestand Hälfte in Tausendern, die andere in Fünfhundertern», flüsterte er Anton der Mann darauf, ihn einzuladen. Anton getraute sich nicht, ihm zu zu und drückte ihm das Köfferchen in die Hand. Schweissperlen stanwidersprechen. Nach einer Stunde hatten sie sich ihr Leben erzählt, den auf der Stirn des Bankbeamten. Anton schüttelte ihm die Hand, dienach zwei Stunden tranken sie auf die ewige Freundschaft, und als die ser lächelte pflichtbewusst und wischte die Hand beim Weggehen an der Bar schloss, verabredeten sie sich für morgen Abend, gleiche Zeit, für Hose ab. Mit schwungvollem Schritt verliess Anton die Bank und wunein Bierchen nach der Arbeit. derte sich lediglich über das fehlende Gewicht des Köfferchens. Im NoDas Letzte, was Anton zu erkennen glaubte, war der Taxifahrer, der belrestaurant, wohin er einer inneren Stimme folgend gegangen war, ihn nach Hause brachte. Der gleiche wie am Morgen. Es war zwar dunöffnete er es. Der Bankbeamte hatte vergessen, einen Beleg beizulegen. kel, aber Anton war sich sicher, ihn erbleichen zu sehen, als er mit eiAnton machte sich ans Zählen. Er hatte gerade drei Häufchen zu 5000 ner Tausendernote bezahlen wollte. «Ist schon in Ordnung, vergessen auf dem Tischtuch angelegt, als der Kellner den ersten Gang servierte. Sie’s», sagte der Taxifahrer und öffnete ihm von aussen die Tür. «Oh, Entschuldigung», sagte Anton und räumte das Geld zur Seite. Dem Und ob er diese ganze unglaubliche Geschichte vielleicht der DentalKellner fiel die Pfeffermühle aus der Hand. hygienikerin erzählen sollte, dachte er noch, oder doch eher der Frau Nach dem zweiten Gang, bestehend aus zwei mit Meerrettichschaum Gantenbein, und was wohl Sexy Sabrina von ihm denkt, aber es waren gefüllten Radieschen auf Rosenblättern, verliess Anton hungrig, verärschon keine richtigen Gedanken mehr, denn im nächsten Augenblick gert und ohne zu bezahlen das Lokal. Das Stechen im Herz, so schien war Anton Wohlfahrt quer auf dem Bett in Kleidern und Schuhen in eiihm, wurde stärker. In der Einkaufsstrasse standen drei junge Damen in nen tiefen Schlummer gefallen. kurzen Röcken und verteilten Gratisjoghurt in drei neuen, wie es hiess, ■ aufregenden Geschmacksrichtungen. Anton ging in verschiedenen Richtungen je einmal an jeder der drei Damen vorbei, verdrückte drei aufregende Joghurt und eilte, das Köfferchen in der Hand, weiter. Er kannte das einschlägige Viertel nur von den Berichten seiner Stammtischkollegen. Als er die Strasse erreicht hatte, wo rot und blau beleuchtete Eingänge einander abwechselten und leicht bekleidete Frauen in den Schaufenstern sassen und ihm zuwinkten, tat er so, als sei er durch einen unglücklichen Umstand gezwungen, da vorbeizugehen, lächelte den Damen verständnisvoll zu und schüttelte dazu leicht den Kopf. VerRalf Schlatter, 1971 in Schaffhausen geboren, krampft hielt er den Griff des Köfferchens umklammert. Es regnete lebt als Autor und Kabarettist in Zürich. Zu seinoch immer. Plötzlich, und obwohl ihn niemand sehen konnte, schaute nen Werken gehören die Romane «Federseel», Anton so verzweifelt wie nur möglich nach oben und stellte sich, als «Maliaño» und «Sagte Liesegang», der Erzählsuche er Schutz vor dem Regen, in den nächsten rot beleuchteten Hausband «Verzettelt», der Lyrikband «König der eingang. «Na, mein Liebling?», flötete eine Stimme aus dem Dunkeln. Welt». Fürs Schweizer Radio schreibt er HörAnton räusperte sich, stolperte beinahe über eine Stufe, die er im Rotspiele und Morgengeschichten. Mit Anna-Kalicht übersehen hatte, und folgte der Stimme in die Dunkelheit. «Wie tharina Rickert tritt er als «schön & gut» auf, heissen Sie?» fragte Anton, als sie im Zimmer angekommen waren. «Ich mit poetischem und politischem Kabarett. Gebin Sexy Sabrina», flüsterte die Frau. «Und du?» – «Anton Wohlfahrt», winner des Salzburger Stiers 2004 und des Schweizer Kabarettpreises sagte Anton und lächelte höflich. Dann setzte er sich auf die Bettkante, Cornichon 2014. www.ralfschlatter.ch, www.schoenundgut.ch seufzte und sagte: «Ich werde heute Abend sterben. Das weiss ich. Und ich war noch nie bei einer Dame, wie Sie eine sind. Das sollten Sie wisRalf Schlatter träumt davon, eines Morgens aufzuwachen und eine sen. Und …» Er wollte gerade vom Geld im Köfferchen erzählen, doch Katze zu sein – anstatt ein Käfer. Aber nur für einen Tag.


Kreuzworträtsel 1. Preis: Das Strassenmagazin Surprise ein halbes Jahr im Abo 2. Preis: Teilnahme für zwei Personen am sozialen Stadtrundgang, wahlweise in Basel oder Zürich 3. Preis: Eine Surprise-Tasche

Die 25 positiven Firmen Diese Rubrik ruft Firmen und Institutionen auf, soziale Verantwortung zu übernehmen. Einige haben dies schon getan, indem sie dem Strassenmagazin Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Damit helfen sie, Menschen in prekären Lebensumständen eine Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie auf ihrem Weg zur Eigenständigkeit zu begleiten. Gehört Ihr Betrieb auch dazu? Die Spielregeln sind einfach: 25 Firmen werden jeweils aufgelistet, sind es mehr, fällt jener Betrieb heraus, der am längsten dabei ist.

Finden Sie das Lösungswort und schicken es per Post oder E-Mail an: SURPRISE Strassenmagazin, Redaktion, Spalentorweg 20, 4003 Basel oder redaktion@strassenmagazin.ch Einsendeschluss ist der 8. Januar 2015. Viel Glück!

11

PS: Immotreuhand GmbH, Zürich

12

ApothekenConsulting, Wohlen

13

Balzli & Fahrer GmbH Filmproduktion, Bern

14

Anyweb AG, Zürich

15

Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Ottenbach

16

Balcart AG, Therwil

17

Maya-Recordings, Oberstammheim

18

Coop Genossenschaft, Basel

19

Fischer & Partner Immobilien AG, Otelfingen

20

fast4meter, Storytelling, Bern

21

Axpo Holding, Baden

22

Stoll Immobilien Treuhand, Winterthur

23

Kaiser Software GmbH, Bern

24

mcschindler.com, Online-PR-Beratung, Zürich

25

archemusia Musikschule, Basel

01

FC Basel 1883 U19 Team UEFA Youth League

02

Homegate AG, Zürich

03

GELD & SO MADLEN BLÖSCH, Basel

04

LS Real GmbH, Zürich

05

Echtzeit Verlag, Basel

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet

06

HERVORRAGEND.ch, Kaufdorf

werden?

07

Inter-Translations SA, Bern

Mit einer Spende von mindestens 500 Franken

08

Schluep Degen Rechtsanwälte, Bern

09

Hürzeler AG Regensdorf, klimaneutrale Druckerei, Regensdorf

10

28

Claro Weltladen, Sissach

Anzeige:

sind Sie dabei! PC-Konto: 12-551455-3, Verein Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma + Ihr gewünschter Eintrag. Wir schicken Ihnen eine Bestätigung.

340/14 SURPRISE 340/14


Anzeigen:

SURPRISE 340/14

29


Surprise ist: Hilfe zur Selbsthilfe Surprise hilft seit 1997 Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Mit Programmen in den Bereichen Beschäftigung, Sport und Kultur fördert Surprise die soziale Selbständigkeit. Surprise hilft bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei der Klärung der Wohnsituation, bei den ersten Schritten raus aus der Schuldenfalle und entlastet so die Schweizer Sozialwerke.

Ich möchte Surprise abonnieren! 24 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.– ) (Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen.) Gönner-Abo für CHF 260.–

Eine Stimme für Benachteiligte Surprise verleiht von Armut und sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen eine Stimme und sensibilisiert die Öffentlichkeit für ihre Anliegen. Surprise beteiligt sich am Wandel der Gesellschaft und bezieht Stellung für soziale Gerechtigkeit. Strassenmagazin und Strassenverkauf Surprise gibt das vierzehntäglich erscheinende Strassenmagazin Surprise heraus. Dieses wird von einer professionellen Redaktion produziert, die auf ein Netz von qualifizierten Berufsjournalistinnen, Fotografen und Illustratorinnen zählen kann. Das Magazin wird fast ausschliesslich auf der Strasse verkauft. Rund dreihundert Menschen in der deutschen Schweiz, denen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, erhalten damit eine Tagesstruktur, verdienen eigenes Geld und gewinnen neues Selbstvertrauen.

Sport und Kultur Surprise fördert die Integration auch mit Sport. In der Surprise Strassenfussball-Liga trainieren und spielen Teams aus der ganzen deutschen Schweiz regelmässig Fussball und kämpfen um den Schweizermeister-Titel sowie um die Teilnahme an den Weltmeisterschaften für sozial benachteiligte Menschen. Seit 2009 hat Surprise einen eigenen Chor. Gemeinsames Singen und öffentliche Auftritte ermöglichen Kontakte, Glücksmomente und Erfolgserlebnisse für Menschen, denen der gesellschaftliche Anschluss sonst erschwert ist. Finanzierung, Organisation und internationale Vernetzung Surprise ist unabhängig und erhält keine staatlichen Gelder. Das Strassenmagazin wird mit dem Erlös aus dem Heftverkauf und mit Inseraten finanziert. Für alle anderen Angebote wie die Betreuung der Verkaufenden, die Sportund Kulturprogramme ist Surprise auf Spenden, auf Sponsoren und Zuwendungen von Stiftungen angewiesen. Surprise ist eine nicht gewinnorientierte soziale Institution. Die Geschäfte werden vom Verein Surprise geführt. Surprise ist führendes Mitglied des Internationalen Netzwerkes der Strassenzeitungen (INSP) mit Sitz in Glasgow, Schottland. Derzeit gehören dem Verband über 100 Strassenzeitungen in 40 Ländern an.

Geschenkabonnement für: Vorname, Name

Impressum

Strasse

PLZ, Ort

Rechnungsadresse: Vorname, Name

Strasse

PLZ, Ort

Telefon

E-Mail

Datum, Unterschrift 340/14

Bitte heraustrennen und schicken oder faxen an: Verein Surprise, Administration Spalentorweg 20, 4051 Basel F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch

30

Herausgeber Verein Surprise, Spalentorweg 20, 4051 Basel www.vereinsurprise.ch Öffnungszeiten Sekretariat 9 – 12 Uhr, Mo – Do T +41 61 564 90 90, F +41 61 564 90 99 info@vereinsurprise.ch Geschäftsführung Paola Gallo (Geschäftsleiterin), Sybille Roter (stv. GL) Anzeigenverkauf T +41 61 564 90 90, M +41 76 325 10 60 anzeigen@vereinsurprise.ch Redaktion T +41 61 564 90 70, F +41 61 564 90 99 Amir Ali (ami), Florian Blumer (fer), Diana Frei (dif), Mena Kost (mek, Heftverantwortliche) redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Rahel Nicole Eisenring, Shpresa Jashari, Carlo Knöpfel, Melanie Kobler (Grafik), Yvonne Kunz, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Tom Wiederkehr, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Sibylle Berg, Mitra Devi, Andrea Ganz, Rolf Lappert, Sunil Mann, Klaus Merz, Milena Moser, Isabel Mosimann, Ralf Schlatter, Ruth Schweikert, Adrian Soller Gestaltung WOMM Werbeagentur AG, Basel Druck AVD Goldach Auflage 34 000, Abonnemente CHF 189, 24 Ex./Jahr Marketing, Fundraising T +41 61 564 90 50 Svenja von Gierke

Vertriebsbüro Basel T +41 61 564 90 83 Thomas Ebinger, Anette Metzner, Spalentorweg 20, 4051 Basel, basel@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Zürich T +41 44 242 72 11, M +41 79 636 46 12 Reto Bommer, Engelstrasse 64, 8004 Zürich, zuerich@vereinsurprise.ch Vertriebsbüro Bern T +41 31 332 53 93, M +41 79 389 78 02 Andrea Blaser, Alfred Maurer, Bruno Schäfer, Pappelweg 21, 3013 Bern, bern@vereinsurprise.ch Strassenchor T +41 61 564 90 40, F +41 61 564 90 99 Paloma Selma, p.selma@vereinsurprise.ch Strassensport T +41 61 564 90 10 Lavinia Besuchet (Leitung), l.besuchet@vereinsurprise.ch, Olivier Joliat (Medien), David Möller (Sportcoach) www.strassensport.ch Vereinspräsident Peter Aebersold

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt. Surprise behält sich vor, an Verkaufende gerichtete Postsendungen zu öffnen. Barspenden an namentlich bezeichnete Verkaufende können nur bis zu einem Betrag von CHF 100.– weitergeleitet werden. Darüber hinausgehende Beträge sollen – im Einverständnis mit der Spenderin oder dem Spender – allen Verkaufenden zugute kommen. SURPRISE 340/14


SurPlus – eine Chance für alle! Werden Sie Gotte oder Götti bei SurPlus Surprise kümmert sich um Menschen, die weniger Glück im Leben hatten. Menschen, die kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen wollen. Mit dem Verkauf des Strassenmagazins Surprise überwinden sie ihre soziale Isolation. Ihr Alltag bekommt wieder Struktur und mehr Sinn. Sie gewinnen neue Selbstachtung und erarbeiten sich aus eigener Kraft einen kleinen Verdienst. Das verdient Respekt und Unterstützung. Das Spezialprogramm SurPlus ist ein niederschwelliges Begleitprogramm für ausgewählte Surprise-Verkaufende, die regelmässig das Strassenmagazin

verkaufen und hauptsächlich vom Heftverkauf leben. Diese Verkaufenden erhalten nur geringe soziale Ergänzungsleistungen und werden im Programm SurPlus gezielt vom Verein Surprise unterstützt: Sie sind sozial abgesichert (Ferien, Krankheit, Nahverkehrsabonnement) und werden bei Problemen im oft schwierigen Alltag begleitet. Mit einer Patenschaft leisten Sie einen wesentlichen Beitrag für die soziale Absicherung der Verkaufenden und ermöglichen ihnen, sich aus eigener Kraft einen Verdienst zu erarbeiten. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Elsa Fasil Bern

Kostana Barbul St. Gallen

René Senn Zürich

Marlis Dietiker Olten

Negasi Garahassie Winterthur

Josiane Graner Basel

Wolfgang Kreibich Basel

Tatjana Georgievska Basel

Bob Ekoevi Koulekpato, Basel

Anja Uehlinger Baden

Ralf Rohr Zürich

Emsuda Loffredo-Cular Basel

Fatima Keranovic Basel

Ja, ich werde Gotte/Götti und unterstütze das SurPlus-Programm von Surprise! 1 Jahr: 6000 Franken

1/2 Jahr: 3000 Franken

1/4 Jahr: 1500 Franken

Vorname, Name

Telefon

Strasse

E-Mail

PLZ, Ort

Datum, Unterschrift

1 Monat: 500 Franken

340/14 Talon bitte senden oder faxen an: Verein Surprise, Administration, Spalentorweg 20, 4051 Basel, F +41 61 564 90 99, info@vereinsurprise.ch, PC-Konto 12-551455-3 SURPRISE 340/14

31



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.