Strassenmagazin Nr. 591 10. bis 23. Januar 2025
davon gehen CHF 4.–an die Verkäufer*innen
Strassenmagazin Nr. 591 10. bis 23. Januar 2025
davon gehen CHF 4.–an die Verkäufer*innen
Jwan Mohamad lernte erst mit 13 in der Schweiz die ersten Gebärden.
Seite 8
Bitte kaufen Sie nur bei Verkäufer*innen mit offiziellem Verkaufspass
«Ich
Seit Franziska Lüthi für ihre Gewalterfahrungen Worte findet und das Erlebte teilen kann, fühlt sie sich nicht mehr schuldig. Auf ihrem Sozialen Stadtrundgang durch Bern spricht sie über die Verkettung von Traumata, Sucht und Armut.
Buchen Sie einen Sozialen Stadtrundgang in Basel, Bern oder Zürich.
Als ich von Jwan Mohamad hörte, konnte ich es kaum glauben: Ein Junge, der im Norden Syriens aufwächst, gehörlos, der fliehen muss vor Krieg und Terror und der mit dreizehn Jahren zum ersten Mal eine Sprache erlernt, eine mit Gebärden. Unvorstellbar kommt mir das vor, wenn ich daran denke, was wir alles mit Sprache anstellen. Wie das wohl sein musste für Mohamad, wie er die Welt erkundete und sich darin zurechtfand, wie er sich verständigte und behauptete? Viel später, so lesen wir ab Seite 8, habe er jemandem mitzuteilen versucht, dass er Schlimmes erlebte. Mohamad meinte eine Explosion, die Folge einer Bombe. Bloss, er kannte das Zeichen dafür nicht und brauchte stattdessen dasjenige für «Erdbeben».
Sich vorstellen können, wie etwas für jemand anderen ist – das ist die Grundlage für Mitgefühl. Aber auch für anderes, das weniger schön ist. Zum Beispiel kann ich jemanden nur täuschen, wenn ich mich in dessen Situation hineinzuversetzen ver
4 Aufgelesen
5 Surprise Recherchefonds Nächste Runde
5 Vor Gericht Macht Macht Spass?
6 Verkäufer*innenkolumne Die Pressekonferenz
7 Moumouni antwortet Wie heilig ist die Familie?
8 Migration Gehörlos auf der Flucht
13 Interview Gebärdensprachlehrerin
14 Orte der Begegnung Ein Besuch im Museum
16 Obdachlosigkeit «Rebellin der Strasse»: Linda Rennings
20 Essay Über soziale Scham
mag. So ist es auch mit Scham, genauer: dem Beschämen. Um eine Person zu beschämen, muss ich eine Ahnung davon haben, wie es sich anfühlt, wenn man sich schämt, weil man etwas Falsches getan oder irgendeine Norm nicht erfüllt hat. Was umgekehrt auch heisst: Schämen kann sich nur, wer sich durch die Augen einer anderen Person sieht. Für Themen wie Armut oder Ausgrenzung, die sehr oft mit dieser Art von sozialer Scham verknüpft sind, hat das fatale Folgen, ab Seite 16.
Es ist Januar, wenn Sie dieses Heft in den Händen halten. Grund genug, uns zu bedanken: bei all denen, die uns mit ihren Beiträgen bereichern, bei den Verkaufenden auf der Strasse und natürlich bei Ihnen, liebe Leser*innen. Bleiben Sie uns treu, wir brauchen Sie.
KLAUS PETRUS Redaktor
22 Theater «Wie bleibe ich handlungsfähig?»
25 Film Poesie am Rand
26 Veranstaltungen
27 Tour de Suisse Pörtner am Burgfelderplatz, Basel
28 SurPlus Positive Firmen
29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren
30 SurprisePorträt «Ich habe mit niemandem Streit»
Auf g elesen
News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
«Die Bedeutung einer vielfältigen, unabhängigen und kritischen Medienlandschaft als wesentlicher Bestandteil einer diversen, toleranten, zukunftsgerichteten Demokratie ist unstrittig.» So stand es im Flyer zur Veranstaltung. Moderiert von der ehemaligen Chefredaktorin des Nürnberger Straßenkreuzers, Ilse Weiß, diskutierten Redaktor*innen von Strassenmagazinen aus der DACH-Region mit dem Nürnberger Publikum über die Rolle der Strassenzeitungen in einer sich massiv verändernden und zunehmend digitalisierten Medienlandschaft. Was können Strassenzeitungen leisten, wenn Lokaljournalismus wegbricht? Wie könnte ein digitales Strassenmagazin aussehen? Und: Welche Auswirkung haben sterbende Innenstädte auf den Verkauf? Die Podiums-diskussion war die letzte in der Reihe «Abgeschrieben? –Presse unter Druck und die Folgen für die regionale Kultur», die von Oktober bis Dezember in der Galerie Bernsteinzimmer stattfand. WIN
oben v.l.n.r. Claudia Poppe (Augustin, Wien), Alisa Müller (Straßenkreuzer, Nürnberg), Bastian Pütter (Bodo, Bochum/Dortmund) und Sara Winter Sayilir (Surprise, Schweiz).
Ansatz und Realität
Die Freiburger Sparkasse in Baden-Württemberg verlangt 9.90 Euro monatliche Gebühren für ihr Basiskonto. Im Regelsatz des Bürgergeldes, wie die sogenannte Grundsicherung für Erwerbsfähige in Deutschland mittlerweile heisst, sind allerdings im Rahmen der Kategorie «andere Waren und Dienstleistungen» (die insgesamt nur 44.93 Euro aufweist) lediglich 1.82 Euro für Bankgebühren vorgesehen.
3.5 Milliarden Euro könnte der deutsche Staat an Familien mit wenig Geld verteilen, wenn einkommensstarken Familien der steuerliche Kinderfreibetrag gestrichen würde. Das errechnete das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag der Arbeiterwohlfahrt. Laut der Studie beziehen etwa 4.5 Millionen Haushalte Kindergeld von 250 Euro pro Kopf. 4.2 Millionen Haushalte können zusätzlich Kinderfreibeträge bei der Steuererklärung geltend machen. Dabei gilt: Je reicher eine Familie ist, desto mehr profitiert sie. Für Familien mit mittlerem Einkommen liegt die Entlastung bei knapp unter 400 Euro, die reichsten Familien sparen damit jedoch bis zu 1400 Euro Steuern im Jahr.
In Österreich beteiligen sich immer weniger Väter an der «Elternkarenz», wie die bezahlte Auszeit für junge Eltern dort heisst. Laut einem kürzlich veröffentlichen Bericht des Rechnungshofes ist der Väteranteil am Kinderbetreuungsgeld auf 4.1 Prozent gesunken. Das heisst, nur jeder 25. Anspruchstag beim Kinderbetreuungsgeld 2022 entfiel auf einen Mann. Damit ist Österreich Schlusslicht in der EU.
Surp rise Recherchefonds
Unabhängig, kritisch und mit unverkennbarer Stimme – so berichtet Surprise seit Jahrzehnten über Armut, Ausgrenzung, Obdachlosigkeit und Migration. Diese Themen werden zunehmend komplexer und sind von hoher gesellschaftlicher Relevanz, gerade in Zeiten sozialer Umbrüche, Krisen und Kriege.
Mit dem Surprise Recherchefonds wollen wir in unserem Magazin die grossen Geschichten zu diesen Themen fördern – vorzugsweise mit Bezug zur Schweiz, in jedem Fall aber nahe am Menschen. Sei es als grosser Artikel, Reportage, Fotoessay, Serie oder in einer Mischform. Der Recherchefonds unterstützt Journalist*innen mit finanziellen Beiträgen bis maximal 3000 Franken.
Bisher haben wir mit dem Surprise Recherchefonds – neben der Geschichte über gehörlose Geflüchtete in dieser Ausgabe –zum Beispiel eine fünfteilige Serie zur Digitalisierung finanziert (Surprise 548, 550, 552, 553, 554). Oder in Kooperation mit dem Recherchekollektiv WAV eine Recherche zur Agentur ICMPD: Die Schweiz unterstützt mit Steuergeldern eine Agentur, die unter Korruptionsverdacht steht und Menschenrechtsverletzungen mitträgt (Surprise 582). LEA
Neue Anträge können bis zum 15. Februar eingereicht werden. Alle Informationen zum Surprise Recherchefonds finden sich unter surprise.ngo/recherchefonds.
Nach dreistündiger Verhandlung am Zürcher Obergericht steht der Beschuldigte für sein Schlusswort auf. Der Gerichtspräsident bittet den 27Jährigen, sich zu setzen – wegen des Mikros, das am Pult angebracht ist. Damit ihn auch alle gut hören. Denn heute ist der Saal voll. Es ist Zukunftstag: Mehrere Dutzend Kinder waren dem Prozess gebannt gefolgt.Der beschuldigte Mann setzt sich also wieder hin und sagt: «Ich habe in meinem Leben noch nie Drogen verkauft», auf Italienisch, der Dolmetscher übersetzt. Der 27Jährige war ans Obergericht gelangt, um den erstinstanzlichen Schuldspruch zu revidieren. Das Gericht hatte ihn wegen Handels mit Crystal Meth zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren bedingt verurteilt und, weil er Italiener ist, für sieben Jahre des Landes verwiesen. Er behauptet, ein Verwechslungsopfer zu sein – die Behörden glaubten fälschlicherweise, er sei ein gewisser Flaco Basel. Er werde schon «Flaco» gerufen – wie so viele schlaksige Männer. «Flaco» ist Spanisch für schlank.
kung. Der Gerichtspräsident verliest die vollumfängliche Bestätigung des Urteils. Es sei ein klassischer Indizienprozess gewesen, erläutert er. Zwar sei der Beschuldigte nicht in flagranti erwischt worden. Doch die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Indizien seien für eine Verurteilung mehr als ausreichend: WhatsAppKommunikation mit einem verurteilten Dealer in milieutypischer Verklausulierung. Wer sich etwas auskenne, erkenne leicht, dass es ums Betäubungsmittelgeschäft gehe, um Käufe und Verkäufe, um Marktposition und Wettbewerbssituation. Fotografierte Überweisungsbelege belegen den Geldfluss zwischen den beiden. Crystal Meth sei eine der gefährlichsten Drogen auf dem Markt. Und vorliegend wurde Stoff mit einem Reinheitsgrad von sage und schreibe 100 Prozent in der Wohnung einer Bekannten des Beschuldigten sichergestellt.
Die Digitalisierungs-Serie kann online unter surprise.ngo/digitalisierung abgerufen werden. Und die Recherche zur ICMPD unter surprise.ngo/wie-die-schweiz-diefestung-europas-mitfinanziert
Während das Gericht sich zur geheimen Urteilsberatung zurückzieht, strömen die Kinder im Alter von etwa 12 bis 16 Jahren in den Presseraum. Ein Gerichtsschreiber erklärt ihnen die Grundzüge des Rechtsstaats, die verschiedenen Schweizer Gerichtsinstanzen und welche Überlegungen sich das Gericht bei der Urteilsberatung gerade machen dürfte.
Das steht nach einer guten Stunde fest: Die Unschuldsbekundungen des Italieners zeigten beim Obergericht keinerlei Wir
Mit dem Schuldspruch wäre sonst Schluss gewesen – doch am Zukunftstag nehmen sich die Oberrichter*innen jeweils Zeit, Fragen der Kinder zu beantworten. Ob der Beruf des Richters, der Richterin Spass mache, will ein Junge wissen. Es sei eine verantwortungsvolle Arbeit, sagt darauf der Gerichtspräsident, weil Richter*innen so viel Macht hätten. Wie gerade gesehen: «Wir entscheiden über die Freiheit eines Menschen.» Er selbst fühle sich sehr privilegiert und würde keinen anderen Job machen wollen – aber Spass? Nein, jemandem die Freiheit zu entziehen sei nicht schön. Ob den Richter*innen die Menschen leid täten, die sie verurteilen, fragt ein anderes Kind. Die Geschichten, antwortet der Richter, gingen ihm manchmal durchaus persönlich nah. «Aber wir müssen entscheiden, wir können uns nicht drücken.»
YVONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin in Zürich.
Verkäufer*innenkolumne
Ich habe mir überlegt, was hat in der heutigen Zeit noch Saison? Was mir auf meine Frage da im Moment gerade so einfällt: Marroni, Grittibänzen, der Samichlaus, Wiehnachtsguetzli, der Christbaum und der Dreikönigskuchen.
Surprise hat keine Saison. Surprise ist das ganze Jahr erhältlich. Und weil ich das ganze Jahr über in der Bahnhofunterführung zu Rapperswil meine Hefte verkaufe, weiss ich: Auch Armut hat keine Saison. Ich sage das nicht wegen mir. Ich sage das, weil mir Armut das ganze Jahr über begegnet.
Szenenwechsel: Yann Sommer hat letzten August eine Pressekonferenz einberufen, um vor versammelten Medienschaffenden seinen Rücktritt aus der Schweizer FussballNationalmannschaft zu erklären, auf dass es die ganze Welt erfahre. Wenn ich wüsste, wie das geht, eine Pressekonferenz einberufen, hätte ich das selber längst auch schon gemacht. Ich habe ja schon ein Sprachrohr – das Strassenmagazin Surprise. Doch an einer Pressekonferenz würde ich zusätzlich Wichtiges verkünden. Ich weiss, ich bin ein Spinner, aber ich habe da eine Vision: Caritas Schweiz, die Pfarrer Sieber Werke, die Heilsarmee, Surprise, das Züriwerk und viele andere soziale Institutionen der Schweiz, notabene viele von ihnen aus privater
Initiative geboren, gründen gemeinsam eine politische Partei, ein Bündnis. Das oberste Gebot: Bekämpfung der Armut in der «reichen» Schweiz.
Eine Krankenversicherung warb vor einiger Zeit mit dem Werbeslogan: «Geht es Naomi gut, geht es uns allen gut». Und wohl wegen der Gendergerechtigkeit auch mit: «Geht es Matteo gut, geht es uns allen gut». Ich mag es Naomi und Matteo ja von Herzen gönnen, dass es ihnen gut geht. Aber warum um alles in der Welt soll es dann gleich allen gut gehen? Wunderbar wäre das ja. Aber so einfach ist das dann doch wieder nicht.
Einem anderen Werbeslogan derselben Krankenversicherung stimme ich dagegen uneingeschränkt zu, der da lautete: «Gemeinsam sind wir stark». Vielleicht würde ich an meiner Pressekonferenz also auch sagen: Gemeinsam sind wir stark. Denn das ist es, was ich Ihnen versichern kann.
URS HABEGGER, 68, verkauft Surprise seit 16 Jahren in der Bahnhofunterführung zu Rapperswil und fragt sich: Was wäre die Welt ohne all die sozialen Institutionen?
Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und dem Autor Ralf Schlatter erarbeitet. Die Illustration entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.
Moumouni antwortet
Normalerweise würde jetzt gestritten werden. Stattdessen isst die Mutter vor lauter gespielter Begeisterung den fetten Bürzel und übergibt sich dann nachts, das war zu viel des Guten. Alle wollten sich zusammenreissen, denn Weihnachten ist das Fest der Liebe. Und alle hassen es. Lasst uns doch einmal friedlich zusammen sein. Der Opa hat das Fleisch fotografiert, wer weiss wieso. Das Fett glänzt und strahlt, vielleicht ist das eine bessere Erinnerung als das Familienfoto mit verkrampftem Lächeln. Alle gehen mit schlechtem Gefühl ins nächste Jahr. Vielleicht schaut Opa ab jetzt das Fleisch an und denkt dann liebevoll: Mein Fleisch und Blut. Bis es an Weihnachten wieder ans Mark geht.
In einem anderen Universum hielt eine Familie zusammen: Als das Kind starb, waren von beiden die Schwestern da.
Seine Schwester, ihre Schwester. Ihre Schwester vertrug sich mit ihm und seine Schwester vertrug sich mit ihr, und er vertrug sich mit seiner eigenen Schwester sowieso ganz gut, und sie vertrug sich mit ihrer Schwester auch ganz gut, und die Schwestern vertrugen sich, und auch zu viert lief es gut und es war ein Wunder in der Trauer. Da das Kind starb, mussten andere Wunder herhalten und sie hielten durch.
Politische Parteien, die die Familie für heilig halten, haben oft eine komische Vorstellung von Familie. Da darf man nicht abtreiben oder alle, die man liebt, heiraten, und die Wahlfamilie zählt nicht. Blut ist dicker als Wasser, jaja. Aber dickes Blut kann Herzinfarkt auslösen. Wer hat schon eine Familie aus der Werbung? Familie ist manchmal kalt im Winter. Wieder eine andere Familie
fragte sich jahrelang, ob sie auch mal zusammenkommt, wenn es warm ist. Als in einem Sommer der Onkel auf der Beerdigung seiner an Krebs verstorbenen Schwester rauchte, trotz Atemgerät, war seine Familie geschockt und irgendwie wütend. Aber vorher hat ja auch niemand was gesagt oder gesehen. Es muss immer was passieren, bis die Familie wichtig wird. Erst als er stirbt, kommen sie das nächste Mal wieder alle zusammen.
Und die Mama. Die Mama ist definitiv heilig, wegen der Wunder. Und Väter, die da sind. Und alle versuchen ihr Bestes oder versuchen, ihr Bestes zu versuchen, aber das sieht manchmal ziemlich schlecht aus. «Die Hölle, das sind die anderen», Sartre. Die Familie ist davon nicht ausgeschlossen. Die meisten machen sich darüber Gedanken, wer bei der nächsten Familienzusammenkunft nerven wird. Und vergessen sich selbst dabei. Immer wieder aufs Neue.
Die Freundin mit der perfekten Familie nervt. Sie redet nonstop von der happy family. Ich fühle mich etwas schlecht, sie auf Freund*innen mit schwierigen Geschichten loszulassen. Sie hat keine plötzlich auftauchenden Brüder aus Affären vom Vater, alle Familienmitglieder machen Sport und ernähren sich gesund und unterstützen sich dabei. Sie und ihre Brüder arbeiten hart und erfolgreich. Bis wir auf einem Spaziergang, den wir machen müssen, weil sie ihre zehntausend Schritte noch nicht erfüllt hat, herausfinden, dass sie Angst hat. Vor Imperfektion, vor Brüchen, vor allem, was sie einholen könnte, aus der Zeit, in der der Vater noch nicht hart und erfolgreich war.
Die meisten haben eine andere Vorstellung von Familie als die Familie hergibt, die sie tatsächlich haben. Jede Familie ist eine Familie.
Migration Jwan Mohamad, gehörlos, musste als Kind aus Syrien in die Schweiz flüchten. Mit dreizehn erlernte er zum ersten Mal in seinem Leben eine Sprache.
TEXT SAMANTA SIEGFRIED FOTOS MEINRAD SCHADE
Die Wiese ist noch nass vom Tau und glitzert in der Sonne. Hier steht Jwan Mohamad, sein schmaler Körper steckt in oranger Arbeitskleidung. In der Hand hält er eine Motorsäge, ein Zweitakter-Motor, «die darf ich schon ohne Prüfung benutzen». Er will zeigen, wie er die Hecke schneidet. Das macht er lieber als Laub wischen, obwohl das dringender wäre an diesem Montag Ende Oktober. «Jetzt habe ich die Schutzausrüstung vergessen», sagt Mohamad und kommt kurz darauf mit einer Brille aus Plexiglas zurück. «Ein Gehörschutz gehört eigentlich auch dazu», sagt er. «Den brauche ich aber nicht.» Er lacht. Ein paar Mal versucht er den Motor zu starten, immer wieder hält er eine Handfläche fühlend an die Säge.
Wenn Mohamad spricht, hört man nur seinen Atem und ab und zu ein Schnalzen der Zunge. Dabei zeichnet er mit seinen zierlichen Fingern durch die Luft. Seine Mimik unterstreicht das Gefühl, das hinter dem Gesagten steht. Mohamad ist gehörlos. Er kam in einem Bergdorf im nordsyrischen Afrin zur Welt, seine Eltern und die zwei Geschwister sind hörend. Seit fünf Jahren lebt er in der Schweiz. Erst hier hat er gelernt, dass es für Menschen wie ihn eine Sprache gibt. Heute beherrscht er die Deutschschweizer Gebärdensprache (DSGS) und kann mit der Aussenwelt in Kontakt treten. Zum ersten Mal in seinem Leben; vor Kurzem feierte er seinen 18. Geburtstag. Seit eineinhalb Jahren lebt Mohamad im Gehörlosendorf der Stiftung Schloss Turbenthal, am östlichen Rand des Kantons Zürich. Er absolviert hier eine Lehre als Gärtner. Wie ist das, eine Kindheit ohne Sprache? Und wie kommt man als gehörloser Geflüchteter in der Schweiz zurecht?
In der Schweiz werden gehörlose Geflüchtete statistisch nicht erfasst. Die World Federation of the Deaf (WFD) geht davon aus, dass es weltweit etwa 70 Millionen gehörlose Menschen gibt. Gemäss Schweizerischem Gehörlosenbund sind rund 10 000 Menschen in der Schweiz gehörlos, was circa 0,2 Prozent der Bevölkerung ent -
spricht. Wird diese Prozentzahl auf die Anzahl jährlich gestellter Asylgesuche in der Schweiz angewendet, dann ergibt das pro Jahr 30 bis 60 Personen.
Die ersten Wörter Es gelangen also nur vereinzelt gehörlose Geflüchtete in Schweizer Asylzentren, die meisten von ihnen kommen alleine. Das hat laut Fachpersonen zur Folge, dass sie nicht gesehen und ihre Bedürfnisse oft übergangen werden (siehe Interview Seite 13). Gleichzeitig sind sie mit vielen Herausforderungen konfrontiert: Anders als hörende Geflüchtete müssen sie in der Schweiz gleich zwei Sprachen erlernen – die Deutschschweizer Gebärdensprache sowie die deutsche Schriftsprache. Eine zusätzliche Hürde, vor allem für jene, die in ihren Herkunftsländern keine Schulbildung erhalten haben und kein Sprachsystem kennen. So wie Jwan Mohamad.
Diese Geschichte will einen Einblick in eine Welt geben, die nicht gebärdenden Menschen normalerweise verschlossen bleibt.
Ohne Kenntnisse der Gebärdensprache war ich auf eine dolmetschende Person angewiesen, die als Brückenbauerin fungiert. Im Falle von Jwan Mohamad war das für mich Käthi Schlegel. Sie ist Lehrerin in der Sekundarschule SEK3 in Zürich für gehörlose Kinder. «Ich wurde von einer Schule in Luzern kontaktiert, weil ein gehörloser Junge aus Syrien in einer ihrer Klassen war», erzählt Schlegel. Sie bekam den Auftrag, ihn während vier Lektionen pro Woche zu unterrichten.
«Ich sah einen kleinen Bub, mit grossen Augen», sagt Schlegel zu ihrem ersten Treffen mit Mohamad. «Sie kam auf der Treppe auf mich zu und gab mir non-verbal zu verstehen: Ich bin deine neue Lehrerin», erinnert sich Mohamad. Damals war er dreizehn. Er lernte die ersten Wörter. Zwei Fäuste aufeinander: Arbeit. Die flache Hand vom Kinn weg: Danke. Mit dem Zeigefinger der rechten Hand von der rechten Wange wegstreichen: Jwan.
«Ich war sehr scheu. Dann habe ich begonnen, Wissen aufzusaugen. Ich habe aufgesaugt, aufgesaugt, aufgesaugt»: Jwan Mohamad.
Beim Gärtnern: Am Ende müsse alles schön gerade aussehen, sagt Mohamad. «Ich mag, wenn etwas exakt ist.»
«Dass er als Jugendlicher zum ersten Mal in seinem Leben noch eine Sprache lernte, ist sehr erstaunlich», sagt Schlegel. Es widerspreche den wissenschaftlichen Befunden, die besagen, dass, wer in den ersten vier Jahren keine Sprache erwirbt, dies kaum mehr aufholen könne. Mohamad hingegen lernte schnell, ohne je zuvor eine schulische Bildung erhalten zu haben. Nach einem halben Jahr in Luzern kam er in die SEK3 in Zürich, Schlegel wurde seine Bezugslehrperson. Er wohnte in der Wohngemeinschaft mit anderen gehörlosen Schüler*innen. «Alle haben gebärdet, so etwas habe ich noch nie erlebt», erzählt Mohamad. Er strahlt, kleine Grübchen in den Backen, und reibt sich mit der rechten Hand das Herz. «Ich war sehr scheu damals. Dann habe ich angefangen, Wissen aufzusaugen. Ich habe aufgesaugt, aufgesaugt, aufgesaugt», sagt Mohamad. «Bereits nach wenigen Wochen konnten wir ihn inhaltlich unterrichten», sagt Schlegel.
«Ich wusste nicht, dass es Regeln gibt»
Das Gebärden bereitet ihm heute keine Mühe mehr. Das Lesen und Schreiben der deutschen Sprache hingegen schon. «Das ist ein Level an Abstraktion, das für Jwan sehr schwer zu verstehen ist», sagt Schlegel. Denn wer eine Buchstabenfolge nicht mit einem Klang verbindet, muss sich jeden Begriff in der gesprochenen Sprache einzeln und mühsam aneignen.
Damit Jwan Mohamad die Berufslehre auf eidgenössischem Bildungsniveau (EBA) abschliessen kann, muss er die Prüfungen auf Deutsch bestehen. Leichter würde es ihm fallen, sie in der Deutschschweizer Gebärdensprache, sozusagen seiner Muttersprache, zu absolvieren. Da in der Schweiz die Gebärdensprache jedoch nicht als offizielle Sprache anerkannt ist, bleibt ihm diese Möglichkeit verwehrt (siehe Kasten).
Fehlende Anerkennung der Gebärdensprache
Weltweit gibt es ungefähr 300 verschiedene Gebärdensprachen. In der Schweiz gibt es die Deutschschweizer Gebärdensprache (DSGS), die Langue des signes française (LSF) und die Lingua italiana dei segni (LIS). Bis weit ins 20. Jahrhundert wurden die Gebärdensprachen in der Schweiz unterdrückt, als «Affensprache» bezeichnet und in den Schulen verboten. Noch heute ist die Schweiz eines der wenigen Länder Europas, das die Gebärdensprache nicht auf nationaler Ebene anerkannt hat. Dies steht im Widerspruch zur UNOKonvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die die Schweiz im Jahr 2014 in Kraft gesetzt hat. Im Jahr 2022 wurde eine Motion von Ständerat und Nationalrat angenommen, die dazu auffordert, die Gebärdensprachen in der Schweiz rechtlich anzuerkennen. Derzeit bereitet der Bundesrat ein neues Gesetz vor. Auf kantonaler Ebene ist die Gebärdensprache in Genf, Zürich und dem Tessin in den jeweiligen Kantonsverfassungen erwähnt. Im Kanton Neuenburg ist sie auf der Gesetzesstufe anerkannt. SAMANTA SIEGFRIED
Mohamad hält den Kopf schräg und schaut kontrollierend über die Hecke. «Es muss schön gerade sein», sagt er. Deswegen mache er diese Arbeit so gerne. «Ich mag, wenn etwas exakt ist.» In der Mittagspause führt uns Mohamad in sein Zimmer. Es ist im ersten Stock von Haus D, einem blauen Haus direkt an der Hauptstrasse durch Turbenthal. Ein Doppelbett, ein Schrank, ein Schreibtisch. Auf dem Laminatboden liegen Schlappen von Lidl. Nichts verrät Persönliches. Gegenüber ist die Küche, die Mohamad mit den anderen Bewohner*innen teilt. «Ich koche meist allein», sagt er. Hotdog oder Pasta.
Das Gehörlosendorf Turbenthal ist die einzige Einrichtung in der Deutschschweiz, in der mit Unterstützung der Gebärdensprache Lehrstellen angeboten werden. Von den rund 70 Bewohner*innen ist Mohamad einer der wenigen, die einen Fluchthintergrund haben. Er zeigt auf die Plastikuhr an der Wand, es ist 12 Uhr. «Jetzt können wir zu Mittag essen.»
Kurz darauf sitzt Mohamad vor einem Teller Rindshackbraten, Romanesco und Reis. Er klopft mit den Knöcheln der Faust auf den Tisch («En Guete!») und erzählt. «Mein Leben war lange ein Chaos.» Er habe nicht gewusst, was das sei, Ordnung, Struktur. Ohne Sprache fehlt auch das: Dinge einordnen können.
In Syrien sei er manchmal mit seinem jüngeren Bruder in der Schule gesessen. Wenn er nicht auf die Wandtafel schaute, gab es Schläge. Auch von seinem Arbeitgeber in der Näherei, wo er für die Familie Geld verdiente, sei er oft geschlagen worden. «Ich wusste nicht, warum. Ich wusste nicht, dass es Regeln gibt.» Die Kommunikation mit der Aussenwelt beschränkte sich auf einzelne Wörter, die mit simplen Gesten ausgedrückt wurden: Haus, schlafen, essen.
Im Jahr 2018 nahmen türkische Truppen in Verbund mit islamistischen Milizen seine Heimat Afrin ein. Im Zuge der Kampfhandlungen mussten zehntausende Kurd*innen aus der Stadt fliehen, auch Mohamad, seine Mutter und sein jüngerer Bruder. Der Vater ist bereits früh verstorben.
Mohamad hörte nicht das Dröhnen der Bomben. Aber er fühlte die Vibrationen. Und seine Angst. «Ich habe die Front gesehen. Ein Gebäude ist direkt neben mir eingestürzt.» Um den Ernst dieser Lage zu begreifen, brauche man keine Worte. Sein Atem wird hörbar schneller, wenn Mohamad von der Flucht gebärdet, davon, wie sie mit dem Auto im Stau steckenblieben und nichts mehr ging. Sie schafften es in den Libanon. Nach langem Warten konnten sie dank des älteren Stiefbruders, der schon länger in der Schweiz lebt, nach Mailand fliegen. Insgesamt habe die Flucht sechs Monate gedauert.
Später wird Mohamad im Geografieunterricht sagen, er habe ein Erdbeben erlebt. Auf Nachfrage von Schlegel stellte sich heraus, dass er Explosionen meinte. Solche Missverständnisse gebe es häufiger. «In seinem Leben ist vieles einfach passiert, ohne dass er wusste, warum. Ich denke, er musste sich die Dinge selbst zurechtlegen, um psychisch gesund zu bleiben», sagt Schlegel.
Bei der Recherche bin ich auf viele Geschichten gestossen, die anders sind als jene von Mohamad. Die So-
«Dass Mohamad als Jugendlicher erstmals eine Sprache lernte, ist erstaunlich und widerspricht wissenschaftlichen Befunden», so Dolmetscherin Käthi Schlegel.
ziologin Lisa Arter hat für ihre Masterarbeit über gehörlose Geflüchtete in der Schweiz mit fünf Betroffenen gesprochen. Ihre Geschichten erzählen von Diskriminierung bei der Flucht, von Missverständnissen mit Behörden, fehlenden Angeboten und Informationen. Vor allem aber von Langeweile und Isolation.
Eine grosse Hürde für gehörlose Geflüchtete ist die Kostenübernahme von Dolmetscher*innen durch die Invalidenversicherung IV. Ein Anrecht auf Gelder der IV haben nur Personen, deren Gebrechen in der Schweiz entstanden ist. Bei gehörlosen Geflüchteten ist das nie der Fall. Folglich müssen sie bei nicht-staatlichen Angeboten die Übersetzungskosten selbst bezahlen. Darunter fallen Arzt-, Zahnarztbesuche, Fahrstunden oder Wochenbetthebammen. Aber auch Integrationskurse und Vorstellungsgespräche. Letzteres wäre für eine erfolgreiche Arbeitssuche entscheidend.
Bereits bei gehörlosen Menschen ohne Fluchthintergrund liegt die Arbeitslosenquote mit neun Prozent in der Schweiz rund dreimal höher als bei hörenden Menschen.
Gehörlosigkeit kann verunsichern
«Die fehlende Unterstützung der IV ist für gehörlose Geflüchtete eine Knacknuss», sagt Karin Hasler, Stabsmitarbeiterin beim Fachbereich Arbeit der Asylorganisation Zürich AOZ. Seit letztem Jahr sind neu auch gehörlose Geflüchtete in den Arbeitsintegrationsprogrammen der AOZ im Einsatz. Aktuell sind es zwanzig, Tendenz steigend. Die meisten davon kommen aus der Ukraine.
Um ihre Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhöhen, lancierte die AOZ zusammen mit dem Verein für Sprache und Integration DIMA ein Jobcoaching, das speziell auf die Bedürfnisse der Gehörlosen ausgerichtet ist. Das Pilotprojekt findet seit letztem Frühling mit drei Teilnehmenden statt. «Die Gehörlosigkeit kann Arbeitgebende verunsichern», sagt Hasler. «Wir versuchen deswegen, die Kompetenzen der gehörlosen Personen herauszustreichen.» So beobachte man in der AOZ bei vielen gehörlosen
Personen eine besonders hohe Motivation und Zuverlässigkeit. Ausserdem eine ausgeprägte visuelle Wahrnehmung. «Grundvoraussetzung für eine Jobvermittlung ist, dass Arbeitgebende überhaupt eine Offenheit gegenüber gehörlosen Bewerber*innen zeigen», sagt Hasler. Dafür sei jedoch noch viel Sensibilisierungsarbeit notwendig.
Mohamad hatte Glück. Weil er bei der Flucht noch minderjährig war, fand er durch die Schule schnell an den richtigen Ort. Zusätzlich konnte er ein Jahr lang Sprachund Integrationskurse von DIMA in Zürich besuchen, der einzige verein in der Deutschschweiz, der ein solches Angebot für gehörlose Geflüchtete hat. Auch bezahlt für ihn die Invalidenversicherung IV, weil er eine Lehre absolviert. Trotzdem ist es auch für Mohamad aufgrund der mangelnden Schriftdeutschkenntnisse unklar, ob es für einen Lehrabschluss auf EBA-Niveau reicht.
In Turbenthal hat man jetzt eine Hausaufgabenhilfe für ihn organisiert, heute Nachmittag ist die erste Stunde. Gleich muss er los. Danach in den Schwimmkurs. «Das letzte Mal», sagt Mohamad. «Ich habe nie gedacht, dass ich jemals Schwimmen lernen kann. Jetzt geht es.» Ähnlich sei dies bei der deutschen Sprache. «Wobei ich mittlerweile im Schwimmen besser bin als in Deutsch.»
Mohamad sagt, er denke nicht viel über die Zukunft nach. Sobald er die Lehre abgeschlossen hat, will er nach Luzern zu seiner Mutter und seinem Bruder. «Dort ist mein Zuhause.» Seit er gebärden kann, sei er dabei, seinen Platz in der Gemeinschaft der Gehörlosen zu finden, zu verstehen, wie man Freundschaften knüpft oder mit Worten streiten kann. «Ich verstehe immer besser, wer ich eigentlich bin», sagt Mohamad. Als er geht, streicht er mit der rechten flachen Hand vom Kinn weg. «Danke.»
Recherchefonds: Dieser Beitrag wurde über den Surprise Recherchefonds finanziert. surprise.ngo/recherchefonds
«Es gibt noch
nach oben»
Véronique Murk vom Verein DIMA über Herausforderungen und Chancen bei der Arbeit mit gehörlosen Geflüchteten.
INTERVIEW SAMANTA SIEGFRIED
Véronique Murk, als vor zwanzig Jahren der Verein DIMA gegründet wurde, was war die Motivation dahinter?
Véronique Murk: Am Anfang war es nur eine Schreibberatung für gehörlose Personen. Da unter den Teilnehmenden immer wieder auch Migrant*innen waren, kam die Idee auf, Kurse in Deutschschweizer Gebärdensprache anzubieten. So sind gehörlose Geflüchtete zu einer Kernzielgruppe unseres Vereins geworden.
Bräuchte es nicht viel mehr Angebote wie jene von DIMA? Für hörende Geflüchtete sind Deutschkurse weit verbreitet. Unsere Zielgruppe ist sehr klein. Gehörlose Geflüchtete kommen nur vereinzelt in die Schweiz. Genau das führt aber zu dem Problem, dass sie zu Beginn oft nicht auffallen und teilweise erst spät Zugang zu Dolmetscher*innen und Kulturvermittler*innen bekommen. Ausserdem war das Personal in den zuständigen Fachstellen im Umgang mit gehörlosen Personen lange nicht geschult und wusste nicht über ihre besonderen Bedürfnisse Bescheid. In den letzten Jahren hat sich das etwas verbessert.
Wie kam es dazu?
Grund ist der Angriffskrieg auf die Ukraine. Rund 350 der Ukrainer*innen, die in die Schweiz flüchteten, sind gehörlos. Diese grosse Anzahl hat dazu beigetragen, dass gehörlose Geflüchtete plötzlich sichtbarer wurden. Wir waren intensiv mit den zuständigen Behörden in Kontakt, um sie für die Bedürfnisse gehörloser Geflüchteter zu
sensibilisieren. Auch unser Leitfaden, den wir für die Fachstellen im Asylbereich erstellt haben, hat dazu beigetragen. Seither sind das Staatssekretariat für Migration (SEM) und auch die Mitarbeitenden der Bundesasylzentren sensibilisierter, wenn es um gehörlose Personen geht.
Inwiefern?
Vor allem Dolmetscher*innen und meist auch Kulturvermittler*innen sind inzwischen in der Regel von Anfang an verfügbar. Trotzdem gibt es noch Luft nach oben. So sollten Informationen rund um das Asylverfahren auch in Gebärdensprache zugänglich sein. Weiter sollten die gehörlosen Geflüchteten möglichst zusammen mit anderen gehörlosen Personen untergebracht werden, am besten nahe an den Angeboten für die Zielgruppe.
Berücksichtigt das SEM dies bei der Zuteilung auf die Kantone?
Nein, gehörlose Personen werden in der Regel nach dem normalen Schlüssel verteilt. Dadurch landen viele in Kantonen oder Gemeinden, wo es keine Angebote für Gehörlose und keine Gehörlosen-Community gibt. Um Anschluss zu bekommen, wäre es wichtig, dass sie mobil sein können. Da jedoch die Fahrtspesen nicht übernommen werden, bleiben viele isoliert. Es braucht also nicht zwingend mehr Angebote, DIMA bietet auch in anderen Kantonen Kurse an. Jedoch muss der Zugang dazu gewährleistet sein und die gehörlosen Geflüchteten sollten untereinander besser vernetzt werden.
FOTO: ZVG
Wo sehen sie durch die Arbeit von DIMA Verbesserungen für gehörlose Menschen mit einem Fluchthintergrund in der Schweiz?
Unser Angebot wird immer bekannter und die Menschen finden besser zu uns. Das zeigt sich unter anderem an der Anzahl der Teilnehmenden unserer Kurse: Im Jahr 2020 waren es noch rund 100, vergangenes Jahr rund 280. Neu haben wir ein Gebärdensprachzertifikat entwickelt, das Kenntnisse in der Deutschschweizer Gebärdensprache attestiert. Das ist auch für die Arbeitssuche hilfreich, für die sich DIMA ebenfalls einsetzt, unter anderem mit einem neuen Pilotprojekt zusammen mit der Asylorganisation AOZ in Zürich. Insgesamt konnten neun Personen eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt finden. Langfristig möchten wir unser Angebot ausbauen und auch in der Westschweiz und im Tessin vertreten sein.
Das Gespräch mit Véronique Murk, die ebenfalls gehörlos ist, wurde von Leonie von Amsberg übersetzt, zuständig für Bildung und Kommunikation bei DIMA.
VÉRONIQUE MURK, 53, ist ist ausgebildete Lehrerin in der Französischen und der Deutschschweizer Gebärdensprache. Nach vielen Jahren beim Schweizer Gehörlosenbund im Bereich Frühförderung und Gebärdensprache, kam sie vor vier Jahren als Stellenleiterin zu DIMA.
MUSEUM Die mächtige Tür ist schwer zu öffnen, die elektrische Hilfe setzt erst ein, als man die Hälfte schon aufgestemmt hat. Dann bleibt sie offen stehen und damit in der kleinen Eingangshalle im Weg. Hier stapeln sich die Menschen beim Versuch, vor der Kasse rechts eine Schlange zu bilden, während links ungeduldige Kinder Gummidinos und Kuscheltiere erkunden. Es ist Sonntagmorgen. Eltern versuchen, den Überblick zu behalten zwischen Bezahlen und Nein-Sagen. In der Mitte zu allem Überfluss ein Tisch mit weiteren Souvenirs. Er soll den Raum teilen und Ordnung schaffen – jene, die reingehen,
von denen trennen, die rausgehen. Ein Konzept aus einer Welt, in der weniger Menschen unterwegs waren, genau wie die Tür, die sich immer gerade dann schliesst, wenn weitere Menschen reinwollen.
Die Menschen drängen sich vorsichtig umeinander, kulturinteressierte Alte, übernächtigte Eltern mit wachen Kindern und anderen dazwischen, die gern Platz machen würden, wenn denn welcher wäre. Das Museum ist in die Jahre gekommen, das neue Gebäude bereits im Bau, bis zum Umzug aber vergehen noch Jahre.
Wir sind wegen der eingepflanzten Seekuh hier, so sieht das Kalb neben seiner
Mutter auf dem Werbeplakat für die Ausstellung zumindest aus, scherzen wir, als sitze es in einem Unterwasserblumentopf. Mein Sohn freut sich, mich führen zu dürfen. Weil er mit Schule und Tagi unzählige Mal hier war, kennt er das Haus in- und auswendig.
Am T-Rex-Kopf und der wohl gewilderten, fast 100-jährigen ausgestopften Giraffe vorbei geht es zum Saal mit den Bildern. Tierfotografie ist wohl der grosse gemeinsame Nenner, auf den sich alle einigen können. Es ist brechend voll. Mir ist unwohl. Wir entscheiden uns für eine Laufrichtung, eine vorgegebene können wir in
der Dunkelheit kaum eruieren. Weil die Bilder quasi Leuchtkästen sind, halten sich sonstige Lichtquellen in Grenzen.
Neben uns rufen zwei Kinder im Vorschulalter um die Wette, welche Tiere sie bereits erkannt haben. Ich bin froh, dass mein Sohn aus dem Alter raus ist. Beide wollen die Aufmerksamkeit der Mutter fesseln, die ruhig und geduldig antwortet. Der Kleinere lässt sich auf alle viere herunter und macht das Gebrüll eines Löwen nach. Die Kinder sind Schwarz, die Mutter weiss. Mir schiesst durch den Kopf: Was, wenn andere hier denken, dass gerade diese Kinder laut sind, sei ja wohl kein Wunder. Oder das Kind und die Löwenimitation irgendwie noch zueinander passend finden. Gerade flatterte das erste Flugblatt der nächsten rassistischen Politkampagne in den Surprise-Briefkasten, immer von denselben Absendern, sichtlich angelehnt an NS-Propaganda, die Sprache, die Farben, die Haltung. Es sind diese Kinder, die die Auswirkungen der Hetze zuerst zu spüren kriegen. Mir ist kalt, ich nehme meinen Sohn in den Arm.
Wir warten vor einer besonders beeindruckenden Aufnahme, sprechen leise über die Arbeit hinter den Bildern. Wie viel Zeit es braucht, bis so ein Bild gelingt, wie viel Inszenierung dahinter ist. Das ist nicht die Natur, das ist unser Wunschbild davon. Ich suche nach Erklärungen, aber mein Sohn hat keine Geduld für Bildtexte. Sie wirken doch, wie sie sind! Auch die Reportage-Beiträge mit ihrem Fokus auf Zerstörung überfliegt er lieber auf der Suche nach einer Pause von der derzeit besonders lauten Welt.
Mir gelingt das Abschalten schlecht, aber es hilft auch nicht, die Verzweiflung auf das Kind zu übertragen. Ich lasse mich weiterziehen. Wir stehen einem älteren, gut gekleideten Pärchen im Weg, die in der Mitte auf den Sitzgelegenheiten Platz genommen haben. Sie schauen indigniert. Ich kann nirgendwohin, wo ich nicht anderen die Sicht nähme. Immer nehmen wir irgendwem grad was weg, nur durchs Dasein. Ein Gen-Z-Pärchen in zu grossen Jacken geht an uns vorbei, ich hoffe, sie haben Kraft für all das, lieben einander, können sich an-
einander festhalten in dieser dunklen Zeit. Mein Sohn schmiegt sich an mich. Schon wieder ist es so eng, dass wir nichts sehen. Er drängt nach vorn, ich halte ihn zurück, sage halblaut, dass wir warten sollten, bis «die Herrschaften» um uns herum weitergingen. Da tritt ein Mann zur Seite und sagt, das ginge schon, man könne ja etwas aufeinander achtgeben. Mir schiesst eine zynische Bemerkung durch den Kopf: Wenn es doch so einfach wäre!
Ich schaue ihn an, er lächelt. Er sieht nett aus, ungefährlich. Ich atme tief durch, stimmt, geht schon. Danke.
Mein Sohn fragt, ob wir jetzt weiterkönnten. Da draussen seien nämlich die Bienen, mal sehen, ob wir die Königin entdecken. Der Imker hat sie mit einem Stern markiert.
In der Serie «Orte der Begegnung» begeben sich die Redaktionsmitglieder dorthin, wo in unserer funktionalen Welt ein leiser, selbstverständlicher, informeller Austausch stattfindet.
Möchte anderen
obdachlosen Frauen
Mut machen:
Obdachlosigkeit Die ehemalige Kölner Strassenzeitungsverkäuferin
Linda Rennings schlief jahrelang draussen. Nun ist ihre Autobiographie «Rebellin der Strasse» erschienen.
INTERVIEW CHRISTINA BACHER FOTO SIMON VEITH
Linda, wir kennen uns schon lange und duzen uns. In deinem Buch schreibst du ziemlich zu Beginn: «Mir tut es gut, dass ich meine eigene finstere Geschichte weggepackt habe, weg aus meinem Gesichtsfeld. Mir stecken diese Traumata sowieso in den Knochen, ich brauche sie nicht ständig anzuschauen, ich muss nicht von ihnen reden, ich will die alten Bilder nicht.» Warum dann aber eine Autobiographie?
Linda Rennings: Ein Buch über mein Leben wollte ich schon lange schreiben, wusste aber, dass ich das nicht alleine schaffen würde. Mein wichtigster Impuls war, anderen obdachlosen Frauen Mut zu machen, dass sie es auch schaffen können, von der Strasse wegzukommen. Als mich der Journalist Albrecht Kieser fragte, ob ich mir das mit ihm vorstellen könnte, willigte ich ein. Zuvor hatte er mir viel von sich erzählt, und ich hatte Vertrauen zu ihm gefasst. Und ich wusste, dass er bei Buchprojekten bereits mit Günter Wallraff und Richard Brox zusammengearbeitet hatte. Dennoch wusste ich von der einen oder anderen Situation, die mir dann tatsächlich zu viel gewesen wäre. Auf den Friedhof in Dünnwald, auf dem meine Oma begraben liegt und wo ich jahrelang Platte gemacht habe, wollte ich mit ihm nicht gehen. Und auch in die Strasse, in der ich aufgewachsen bin, bin ich nie wieder zurückgekehrt – nur in Gedanken.
Für deine frühe Kindheit hast du das Bild des dunklen Waldes gewählt, in das sich das Kind immer wieder flüchtet. Dort hat es grosse Angst und kein Mensch kümmert sich, dennoch ist das immer noch besser als das Leben bei der gewalttätigen Mutter.
Tatsächlich will und kann ich heute nicht über alles reden, was mir damals passiert ist. Das Bild des Waldes passt für mich ganz gut, um zumindest das Gefühl aufleben zu
lassen, das ich damals hatte. Und ich denke, dieses Gefühl der Vereinsamung kennen viele Frauen, die obdachlos sind. Im Grunde ging es mir auch eher darum, ein Buch über diese Frauen als nur über mich selbst zu schreiben. Ich würde mir wünschen, dass das Thema verdeckte Obdachlosigkeit, die Frauen ja häufig betrifft, mehr in den Medien auftaucht und nicht weiter Tabuthema ist.
Hast du das Gefühl, dass deine Kindheit die Weichen gestellt hat für das, was später kam? Du schreibst von Gewalt in der Ehe, deiner Psychose, dem darauffolgenden Verlust der Wohnung und schliesslich vom Weg in die Obdachlosigkeit.
Ich bin ja in erster Linie bei meiner Grossmutter aufgewachsen und ich denke, die hat alles getan, was in ihrer Macht stand. Aber sie war eben auch schon 63 Jahre alt. Ich glaube, mir hat der Vater gefehlt, den ich nur aus Erzählungen kannte und nie kennengelernt habe. Meine Mutter hat bei der Geburt einfach «Vater unbekannt» angegeben und mir damit die Möglichkeit genommen, nachzuforschen. Ich hätte gerne gewusst, wie er war und warum er damals entschieden hat, sich von mir abzuwenden. Ich denke schon, dass mein Lebensweg und mein Bild von Familie und Beziehungen massgeblich davon beeinflusst wurden, was ich eben kannte. So habe ich selbst zwei Gewaltehen geführt, aus denen ich mich letztlich befreien konnte.
Deine Grossmutter dagegen war ein Vorbild für dich. Sie hat mit Sicherheit ihr Bestes gegeben, das weiss ich. Aber natürlich ist das was anderes, wenn du bei deiner Oma aufwächst, die selbst zwei Kriege mitgemacht und schon viel erlebt hat, das sie nie aufgearbeitet hat. Auch sie war ja alleine, ihr Mann war früh verstorben und mit
ihrer Tochter – meiner Mutter – hatte sie früh gebrochen. Sie hatte selbst viel zu tragen. Aber das Ganze hat mich auch stark gemacht. Ich denke, wenn ich meine Oma nicht gehabt hätte, würde ich heute vielleicht nicht mehr leben.
Mit über 40 Jahren bist du – zuerst unbemerkt – in eine Psychose geschlittert. Du hast dann, wie du eindrücklich schreibst, deine «Platte», also deinen Schlafplatz, auf dem Grab deiner Grossmutter errichtet. Wie erklärst du dir im Nachhinein, dass du so schwer krank geworden bist, ohne dass es jemand bemerkt und dir geholfen hat?
Wenn die Seele so überlastet ist, dass sie nicht mehr alles tragen kann, was dir passiert ist, kann man schwer krank werden. In meinem Leben gab es einfach zu viele aufeinanderfolgende Schicksalsschläge. Und als meine Ehe kaputt und meine Wohnung zwangsgeräumt war, verblieb ich komplett auf mich alleine gestellt. Ich habe nichts aus meinem alten Leben mitgenommen und irrte nur noch umher. Ich war zeitweise nicht mehr in der Lage, meinen Namen zu sagen oder eine Zigarette zu drehen. Ich lebte in einer anderen Welt – mitten auf einem Friedhof.
Du schreibst, du hast nichts mehr gegessen und nur noch auf den Tod gewartet. Wie kam es, dass du dich dann doch wieder dem Leben zugewendet hast?
Zuerst bekam ich mal von der einen, dann von der anderen Seite Geld zugesteckt. Ich erinnerte mich daran, dass ich mal geraucht hatte, und habe mir Zigaretten gekauft. Dann lud mich mal jemand zum Kaffee ein und ich landete im Café Auszeit. Das Ende vom Lied war, dass ich mich breitschlagen liess, in einer Einrichtung landete und zwangstherapiert wurde. Das fand ich damals natürlich scheisse, letztlich hat es mich wohl gerettet. Ich habe mich ja immer schon extrem gegen Zwänge aufgelehnt, für mich war das nicht leicht, mich zu fügen.
Es waren also einzelne Menschen, Einrichtungen, Erlebnisse, die dich nach und nach wieder ins Leben zurückgeholt haben? Hast du ein Beispiel?
Der Verein «Heimatlos in Köln», den ich gegründet habe, ist jetzt zehn Jahre alt. Wenn du mir damals in der Psychose gesagt hättest, dass ich anderen helfen kann, hätte ich das nicht geglaubt. Es waren einige wichtige Stationen auf dem Weg hin zu derjenigen, die ich heute bin: Alternative Ehrenbürgerin der Stadt Köln. Als erstes fällt mir beispielsweise meine Ergotherapeutin ein, die sieben Jahre mit mir gearbeitet hat. Dass ich – übrigens aus eigenem Antrieb – wieder eine Wohnung fand. Mein Hund Clayd hat mich sehr gestärkt und natürlich die Arbeit beim Strassenmagazin Draußenseiter, wo ich zum ersten Mal schreiben durfte und merkte: Ja, ich habe etwas mitzuteilen. Es hat mich damals schon so wütend gemacht, dass man nirgendwo etwas über obdachlose Frauen lesen kann. Also habe ich selbst angefangen, darüber zu schreiben.
Du hast dann auch eine Ausbildung zur EXINGenesungsbegleiterin gemacht. Das ist ein Programm, in dem Betroffene ihr Erfahrungswissen nutzen, um anderen zu helfen.
Ein Blick ins Buch: Beeindruckend schildert Linda Rennings eine Szene aus ihrer Kindheit.
FOTO: ZVG
Ja, das war ein weiterer wichtiger Schritt. Ich selbst kannte das Gefühl von Hunger, von Durst. Ich habe es am eigenen Körper gespürt, was es heisst, von einem gewalttätigen Mann abhängig zu sein. Ich weiss, wie die Frauen sich da draussen fühlen. Irgendwo zu sitzen ohne Regenschutz und zu frieren, weil man durch und durch nass ist. Diese einjährige Ausbildung hat mir letztlich geholfen, trotz alldem eine professionelle Distanz aufbauen zu können. Natürlich geht mir das Schicksal eines jeden Menschen nah, aber ich kann nicht jedes Ereignis mit nach Hause nehmen. Ich weiss heute, dass man manche Dinge eben auch nicht ändern kann.
Als du dann deinen Verein gegründet hast, warst du plötzlich sehr präsent in der Kölner Szene und tauchtest auch mal in Arbeitskreisen auf. Wie hat man auf dich reagiert?
Lange Zeit war ich ja nur die Obdachlose, die man nicht ernst nahm. «Was will die denn?», habe ich oft genug gehört. Damals war diese Ausbildung noch nicht so bekannt. Und man dachte sicher, dass ich die Arbeit am Wiener Platz, einem der Brennpunkte der Stadt, nicht lange durchhalten würde. Und bis heute ist es so, dass man mir einen Raum für Treffen mit betroffenen Frauen, denen ja jeglicher Schutzraum fehlt, verwehrt. Auch den Ehrenamtspreis kann ich mir wohl abschminken, obwohl ich hier das beste ehrenamtliche Team der Stadt habe und ich selbst ja auch keinen Cent für das bekomme, was ich da seit Jahren leiste.
Gibt es etwas, das du dir für die Zukunft und den Umgang mit Obdachlosen wünschst?
Wenn meine Arbeit dahingehend Spuren hinterlässt, dass man den Menschen mehr Achtung und Freundlichkeit entgegenbringt, ist schon viel getan. Ein Lächeln kostet nichts. Man darf nie vergessen, dass obdachlose Menschen auch einen hohen Grad an Organisation brauchen, um durch den Tag zu kommen, nur eben auf einer anderen Ebene als bürgerliche Menschen. Es wäre schon viel erreicht, wenn die wüssten, dass das Leben auf der Strasse auch Geld kostet. In den Einrichtungen muss man den Kaffee, die Waschmaschinen, das Essen bezahlen. Es ist eben nicht so, dass die Leute mit dem Geld, das sie erbetteln, immer nur Alkohol kaufen. Es ist ein schweres, anstrengendes Leben auf der Strasse. Umso mehr für Frauen, die keinerlei Schutz haben. Häufig sieht man ihnen die Obdachlosigkeit gar nicht an, weil sie sich rausputzen, pflegen und sich in allem zurückhalten. Konkret wünsche ich mir mehr Angebote für Frauen, die einen Schlafplatz suchen und einen Ort brauchen, an dem sie sich schützen können.
Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von DRAU ß ENSEITER/INSP.NGO
Linda Rennings
Rebellin der Strasse.
Weiblich und wohnungslos.
Rowohlt, 2024.
Essay In unserer Gesellschaft schämen sich die Falschen. Denn wer nicht Ideal und Norm entspricht, sollte sich dafür nicht schlecht fühlen müssen. Zeit, den Spiess umzudrehen.
TEXT KLAUS PETRUS
Fast ein Drittel der Armen in der Schweiz nimmt keine Sozialhilfe in Anspruch. Gründe hat das viele. Zuoberst auf der Liste: Scham. Was sie auslöst, wer davon betroffen ist und wie sie sich auf Einzelne und die Gesellschaft auswirkt, ist wenig erforscht. Denn Scham sei nur schwer zu fassen, da vornehmlich ein subjektives Gefühl, heisst es immer wieder.
Ist das so?
Für einmal lohnt es sich, bei Adam und Eva anzufangen. Nachdem die beiden verbotenerweise vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten, hörten sie, wie Gott sich ihnen durch den Garten Eden näherte. Da wurde ihnen bewusst, wie nackt sie waren, und sie schämten und versteckten sich. Dass die Tradition fortan Scham und Nacktheit eng aufeinander bezogen hat, ist ein grosses, folgenreiches Missverständnis. Denn Adam und Evan schämten sich nicht, weil sie nackt waren (das waren sie schon vor dem Sündenfall und fiel ihnen im Übrigen gar nicht auf). Sondern weil sie Gottes Vertrauen missbraucht hatten. Sie begingen einen Fehler, der in den Augen eines Anderen unverzeihlich war und bestraft werden musste. Adam und Eva wussten das, sie fühlten sich entblösst und sie schämten sich.
Zweierlei ist lehrreich an dieser Geschichte.
Erstens spielt bei Scham der fremde Blick die entscheidende Rolle. Scham ist das Gefühl, in den Augen anderer abgelehnt, herabgesetzt, verurteilt zu werden. Wäre man mutterseelenallein auf Gottes Erden, man bräuchte sich nicht schämen. Schämen tut sich, wer sich durch die Augen einer anderen Person sieht. Schon darum ist Scham nicht (bloss) etwas Subjektives, sie ist ein soziales Gefühl.
Untrennbar zur Scham gehört das mehr oder weniger ausgeprägte Gefühl, etwas Falsches getan zu haben oder etwas Bestimmtem nicht zu genügen. Bei Adam und Eva handelte es sich um einen moralischen Fehler. In den allermeisten Fällen aber ist dem nicht so, und das ist wichtig: Wer sich seiner
sexuellen Vorlieben schämt, wegen seines Körpers oder deswegen, weil er arm ist, hat im moralischen Sinne nichts Falsches gemacht. Der einzige «Fehler», den diese Person scheinbar begangen hat, besteht darin, dass sie einem gewissen Standard, einer Norm oder Wertvorstellung nicht entspricht. Bei der Armut besteht der Standard im Erfolg, der durch das Erreichen ökonomischer und sozialer Ziele definiert ist. Wer ihn – auch hier: in den Augen eines Anderen – nicht erfüllt, gilt vermeintlich als verachtenswert.
Macht der Normen
Und damit zur zweiten Lehre aus dem Garten Eden: Diese Standards können eine enorme, eine wahrlich gewaltige Macht entfalten. Adam und Eva versuchten sich zu verstecken, sie wollten Gott aus den Augen gehen. Vermutlich wären sie am liebsten in der Versenkung verschwunden. So berichten es auch die Armen und Elenden. Weil sie sich den verächtlichen Blicken der Anderen nicht aussetzen mögen, ziehen sie sich zurück, werden still und stumm. Irgendwann kommen sie nicht mehr vor, spielen keine Rolle mehr, sie werden unsichtbar. Diese Art der Macht von Standards trage Züge von Gewalt, sagt die Sozialwissenschaftlerin Eva Illouz.
Wenn es richtig ist, dass Soziales und Gesellschaftspolitisches das Gefühl von Scham bestimmen, wird es Zeit, die Aufmerksamkeit von den Beschämten auf die Beschämer zu richten. Zu deren Ideologie gehört, dass sie den Standard unentwegt als Modell eines sinnhaften Lebens propagieren. Sie predigen auch, es liege in der Verantwortung jedes Einzelnen, ihm gerecht zu werden. Was im Umkehrschluss bedeutet: Wer versagt, ist selber schuld. Wenig erstaunlich, dass mit dieser Haltung eine andere einhergeht, die in angestrengter Selbstoptimierung ihren Ausdruck findet: Wer will, der kann. So teilt man Gesellschaften auf in: die in der Mitte und die am Rand.
Man muss sich die Beschämenden trotz ihrer Wirksamkeit nicht zwingend als mächtige Instanzen vorstellen – als staatliche Behörden, politische Parteien oder neoliberale Konzerne –, die von oben nach unten agieren (das auch). In Zeiten von Internet und Sozialen Medien verläuft die Beschämung oft horizontal, ungebremst und rasant. Was allen Beschämenden gemeinsam
ist: Sie wähnen sich auf der Seite derer, die das Richtige tun. Sie erfüllen die Norm mit dem Habitus der Korrekten, sie erheben sich über alle anderen, die es nicht geschafft haben, und werfen ihnen vor, ein «Schandfleck» der Gesellschaft zu sein. Als würden die Beschämten das Image der Selbstgerechten beschädigen. Dabei ist es ganz anders: Des einen Scham ist des anderen Prestige. Die in der Mitte brauchen die am Rand – um sich in Sicherheit zu wähnen, um sich besser zu fühlen und sich zu vergewissern, dass sie selbst nicht versagt haben.
Geschichten von Ihnen und mir Wenn es zutrifft, dass Scham unsichtbar macht und unwürdig, ist das Gegengift allen Beschämens: Sichtbarkeit und Stolz. Das trifft zu, ist aber nicht ohne Probleme.
Zur Sichtbarkeit. Es ist ja nicht so, dass arme Menschen unsichtbar wären. Man sieht sie, sie sind Thema, in den Medien wie in der Politik. Nur: Sichtbar sind sie bloss als «die Armen». Wir nehmen sie wahr als Gruppen – Obdachlose, Süchtige, Arbeitslose, Altersarme und so fort –, von denen wir bereits tausend vorgefasste Bilder im Kopf haben. Ob diese mit der Wirklichkeit übereinstimmen, spielt keine Rolle. Tatsächlich sind solche Stereotypen eine Art Selbstläufer: Sehen wir jemanden, der dem Bild eines Obdachlosen entspricht, reicht das, um unser Kopfkino in Gang zu setzen. Um die Menschen hinter dem Stereotyp geht es nicht. Weswegen sie als Arme zwar sichtbar sind, als menschliche Individuen dagegen unsichtbar bleiben.
Sichtbarkeit erfordert einen fundamentalen Perspektivenwechsel auf die Anderen: Es gilt, in ihnen nicht die Armen zu sehen (oder auch: die Geflüchtete, den Juden, die Araber, die Alten), sondern sich selber, den Menschen – und nichts ausserdem. Diese radikale Menschlichkeit ist das Drehbuch aller Geschichten, die Unsichtbare sichtbar machen wollen. Es sind andere Geschichten als die sattsam bekannten, die von «typischen Betroffenen» erzählen und wie sie «ein Leben in Armut führen». Es sind Geschichten, die von weit mehr handeln als von prekärem Leben, die schräg sind, schrill, kantig, lustig, melancholisch, intim, politisch, tiefsinnig oder sagenhaft platt – und die also von Ihnen handeln könnten, von Lotti, Hans-Peter oder von mir.
Auch die Sache mit dem Stolz hat ihre Tücken. Wir wissen es, siehe übersteigerter Patriotismus: Allzu viel Einbildung auf das Eigene kann zur Verachtung des Anderen führen. Und doch gibt es positive Beispiele, wie sich Scham in Stolz transformieren lässt. Die Pride Parades der Schwulenbewegung gehören dazu, ebenso die Body-Positivity-Bewegung, welche auferlegte Schönheitsideale durch Stärkung des Selbstwertgefühls zu bekämpfen versucht. Aber geht das auch mit Armut? Kann sich einer stolz fühlen, arm zu sein? Und wie soll das gehen: Eine Identität der Armen konstruieren, um sich gegen die Anderen, die Genormten, zu behaupten? Dürfen die Ausgeschlossenen, Abgehängten, Unsichtbaren wütend sein? Wäre wieder einmal ein Aufstand der Armen an der Zeit? Schliesslich und endlich geht es um Ungerechtigkeiten, die tief verwurzelt sind in unserer Gesellschaft. Oder sollten die Armen vielmehr stillhalten, sich den Standards anpassen, darauf hoffend, dass etwas von dem viel zitierten Kuchen für sie abfällt? Schon heute gehört es zur Masche der Beschämer, die Beschämten zu kontrollieren, indem man sie kleinhält oder zum Schweigen bringt, die meisten links liegenlässt und den übrigen vorwurfsvoll einbläut: Strengt euch an, sonst wird das nichts! Oder besteht der Widerstand der Armen am Ende darin, allen Vorhersagen zum Trotz nicht unterzugehen? Aber wäre das dann nicht bloss ein weiteres Klischee von armen Menschen, die plötzlich zu Heerscharen von Resilienten werden: Früher abgehängt, kämpfen sie sich heute erfolgreich ins Leben zurück? Was gewiss stimmt: Stolz im Sinne eines hinreichenden Selbstvertrauens ist eine Voraussetzung, um soziale Scham zu bekämpfen – diese Art von Scham, die weit über das Subjektive, Psychologische hinausweist und im Gefühl der Wertlosigkeit mündet, weil man gewissen gesellschaftlichen Normen nicht entspricht. Selbst das kann ein Akt des Stolzes sein, auch wenn man damit noch nicht gegessen hat: dass man sich diese Standards aneignet, indem man sie umdeutet. Reich sein heisst ja nicht nur viel Geld haben, es kann auch heissen: reich an Erfahrungen sein, reich an Begegnungen, reich an Liebe. Weswegen bekanntlich Arme steinreich sein können und alle übrigen bettelarm.
Theater Fatima Moumouni und Laurin Buser durchdenken in ihrer SpokenWord-Performance «Cold» die Gegenwart.
INTERVIEW ADELINA GASHI
Fatima Moumouni, Laurin Buser, Ihr Stück «Cold» handelt von der Abstumpfung angesichts von Ungerechtigkeit und Leid. Warum ist es wichtig, sich damit zu beschäftigen?
Fatima Moumouni: Wir haben während des Schreibens herausgefunden, dass Abstumpfung ein Problem ist, das sehr in unsere Zeit passt. Alle kämpfen damit, müssen sich alle damit auseinandersetzen.
Laurin Buser: Die Frage ist: Wie kann ich die Welt an mich heranlassen, ohne an ihr kaputt zu gehen? Wie werde ich nicht ignorant, wie bleibe ich handlungsfähig? Mit diesem Dilemma setzen wir uns in unserem Stück auseinander.
Wie kann das gelingen? Die Auseinandersetzung mit der Welt, ohne an den Dilemmata zu zerbrechen?
Buser: Wir haben keine fixen Antworten gefunden. Wir haben uns gefragt: Ist Empathie die Lösung? Und schnell gemerkt: Nein, Empathie wird auch missbraucht, gerade von Populist*innen. Aber was hilft dann? Kritisches Denken? Und was ist mit Gefühlen? Was machen wir damit, dass Abstumpfung menschlich ist? Sie ist ein Schutzmechanismus. Selbst die grössten Aktivist*innen haben damit zu kämpfen. Was wir feststellten: Das Aushandeln solcher Fragen an sich hilft, handlungsfähig zu bleiben, ist aber sehr anstrengend.
Moumouni: Abstumpfung ist wahnsinnig wendig. Sie tarnt sich mal als Müdigkeit, mal als Erwachsensein oder als Rationalismus, in dem es als «naiv» gilt, an die grosse und somit auch an die kleine Veränderung zu glauben. Oder sie tarnt sich als Gefühl von Machtlosigkeit. Du scrollst auf dem Handy vor dem Einschlafen und fragst dich, was das eigentlich bringen soll, dir diese Bilder von Leid und Zerstörung anzusehen. Trumps Wahl, der erstarkende Autoritarismus: Vor allem Linke und marginalisierte Personen dürfen angesichts des lähmenden Rechtsrutsches nicht resignieren. Um politisch handlungsfähig zu sein, muss man das Gefühl haben, etwas verändern zu können.
Sprechen gemeinsam über aufgeheizte Stimmung, schmelzende Pole und soziale Kälte: Buser und Moumouni.
Ist es denn unsere Pflicht, sich auch auf das Leid in der Welt einzulassen?
Moumouni: Theoretisch ist es die Aufgabe jedes Menschen, sich einzubringen. Gerade in der Schweiz, wo unsere Sicherheit, unsere Ruhe und unser Wohlstand eine direkte Folge von einem Defizit an Sicherheit, einem Defizit an Ruhe und einem Defizit an Wohlstand in anderen Ländern sind. Wir sind politische Akteur*innen, sobald wir von den Strukturen profitieren. Dennoch: Ich verstehe es, wenn Leute sagen, sie brauchen eine Auszeit, sie können sich gerade nicht einbringen.
Sie verstehen das?
Moumouni: Ja, zum Beispiel, wenn es um psychische Gründe geht. Selbstschutz ist wichtig. Problematisch wird es, wenn Selfcare als Ausrede missbraucht wird, um ignorant zu sein.
Buser: Aber es ist ein Kampf, in den man sich immer wieder selbst hineinpushen muss. Es wird einem sehr einfach gemacht, sich nicht einzubringen. Wir sehen eine Aufgabe der Kunst auch darin, dass sie auf einer anderen Ebene etwas in Bewegung bringen kann. An Orten, wo Krieg ausbricht, wo Autoritarismus erstarkt, sind die gemeinsamen kulturellen und sozialen Räume oft das Erste, was kaputt geht. Aber interessant ist auch, dass die Menschen oft versuchen, diese Räume im Untergrund zu verteidigen. Das zeigt für mich auch, dass das Verlangen danach sehr tief liegt.
Deswegen ist auch die Niederschwelligkeit wichtig. Überlegen Sie sich, für welches Publikum Sie Ihre Stücke schreiben?
Moumouni: Viele Leute in einen Raum zu bringen, in ein gemeinsames Lachen, in ein gemeinsames Nachdenken und Spüren: Das hat eine krasse Kraft. Ich habe vor ein paar Jahren damit angefangen, die Leute, von denen ich auf keinen Fall will, dass sie ausgeschlossen sind, beim Schreiben im Kopf zu haben. Wir fragen uns dann auch: Haben wir Lust, vor einem ausschliesslich weissen Kulturpublikum zu spielen? Das Defizit, das in der Schweiz aufgeholt werden muss, ist riesig. Die meisten Theater haben erst nach 2020 und mit der Black Lives Matter Bewegung damit angefangen, sich überhaupt Gedanken zu machen. Und dann entstehen Alibimassnahmen, die eher dafür da sind, keinen Shitstorm auszulösen, als das Theater an sich zu demokratisieren. Es zahlen alle Steuern, aber eingeladen in diese Räume ist dann nur eine bestimmte Gruppe. Das ist ein Problem.
Sie waren mitten im Schreibprozess von «Cold», als die Hamas in Israel einfiel und der Krieg in Gaza ausbrach. Was hat sich seit dem 7. Oktober 2023 für Sie verändert? Was bedeutet Ihr Muslimisch-Sein, Ihr Jüdisch-Sein auf der Bühne?
Ungesichert und verunsichert zeigen die Künstler*innen schmerzhafte Aspekte der Gegenwart auf.
Buser: Uns wurde bewusst, dass wir nun verstärkt als jüdisch-muslimisches Duo gelesen werden und diesbezügliche Projektionen passieren werden in allem, was wir sagen. Solche Reduzierungen sind sehr unangenehm. Ich erinnere mich daran, dass ich nach dem 7. Oktober mein Jüdisch-Sein am liebsten gar nicht mehr thematisiert hätte. Dass die Verunsicherung bei mir gross war. Jahrelang waren die jüdischen Aspekte meiner Identität auf der Bühne kein Thema. Ich habe darüber nicht geschrieben, nicht gesprochen. Der Wunsch, sich zu verstecken, sagt denn auch etwas über die Stimmung in der Gesellschaft aus. Doch die Tragweite unserer Verschmelzung zu einer gemeinsamen Ich-Figur in «Cold» wäre nicht dieselbe, würde ich mein Jüdisch-Sein verstecken. Das Stück ist schliesslich auch Ausdruck unserer Bereitschaft, die eigenen Prägungen zu reflektieren.
Moumouni: Als Folge des 7. Oktobers und des Kriegs in Gaza sind viele Sprechräume zugegangen. Viele Kulturinstitutionen haben ihre Aufgabe verfehlt, diese Räume weiter zur Verfügung zu stellen und kompetent sicher zu machen. Der Diskurs war geprägt von einer Angststarre zwischen Bekenntniszwang und Antisemitismusvorwurf. Es wurde beispielsweise lieber vorsorglich zensiert, um ja nicht antisemitisch zu wirken, statt Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus wirklich zu thematisieren und aufzuarbeiten – schweiz-spezifisch. Auch in der Schweiz sind die Zahlen von Übergriffen auf muslimische und jüdische Menschen gestiegen, und das ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.
Buser: Es braucht jüdisch-muslimische Allianzen. Und es braucht eine Gesellschaft, die sich mit eigenen Ressentiments auseinandersetzt, die zuhört – und dann nicht in Schweigen verfällt. Denn dies führt, wie wir oft sehen, dazu, dass diese Debat-
ten von rechts korrumpiert werden und schliesslich jüdische und muslimische Positionen, antimuslimischer Rassismus und Antisemitismus gegeneinander ausgespielt werden.
Wie gehen Sie mit diesen Zuschreibungen um, denen Sie als jüdisch-muslimisches Duo ausgesetzt sind?
Moumouni: Unsere Koexistenz kann gar nicht nicht politisch sein. Wir machen schon länger die Erfahrung, dass unsere Gegensätze hervorgehoben werden: Mann – Frau, Schwarz – weiss, jüdisch –muslimisch, Zürich – Basel (lacht). Durch unsere Zusammenarbeit und das Spielen mit diesen Unterschieden haben wir gelernt, im Gespräch zu bleiben. Was bedeutet es, füreinander da zu sein, auch wenn es politisch vermeintlich schwierig ist? Was bedeutet es, dass wir zusammenarbeiten? Und was bedeutet es nicht?
Buser: Künstlerisch zeigt sich dies dann darin, dass wir die gemeinsame Ich-Figur in «Cold» synchron sprechen. Das gemeinsame Sprechen wird sehr konkret. Wir mussten uns fragen: Hinter welchen Sätzen können wir gemeinsam stehen? Welche Erfahrungen teilen wir, welche nicht? Es geht dabei nicht darum, unsere Unterschiede unsichtbar zu machen, sondern einen spielerischen Umgang mit unseren Identitäten darzustellen. Für uns ist das synchrone Performen nicht zuletzt eine Analogie für eine gemeinsame Gesprächskultur: Es verlangt achtsames Zuhören und ein Gespür dafür, wo die andere Person steht, ein Gelingen ist nur gemeinsam möglich.
«Cold», 15. und 16. Jan., 20 Uhr, Gessnerallee Zürich; 14. und 15. Feb., 20 Uhr, Bühnen Aarau, Alte Reithalle. fatimamoumouni.com
Kino Andrea Arnold macht Unterschichtskino. Dabei geht es nicht darum, Missstände anzuprangern, sondern um die Poesie des Erlebens. Warum das dennoch politisch ist.
TEXT DIANA FREI
Bevor wir überhaupt etwas über Andrea Arnolds Spielfilm «Bird» erzählen, sagen wir ein paar Worte zu ihren ästhetischen Erzählstrategien. Denn in diesem spezifischen Blick steckt letztlich der Kern ihrer Filme: Arnold macht fast haptisches Kino. Da war in «Wuthering Heights» das Gras, durch das Cathy und Heathcliff streifen, die Haare, die im rauen Wind flattern. Bekannt ist Arnold seit ihrem Kurzfilm «Wasp» (2003) für einen Sozialrealismus, der aus sinnlichen Bildern einen Gesellschaftszustand gestaltet, wie in «Fish Tank» (2009) oder «American Honey» (2016).
Ein komischer Vogel
In «Bird» nun lebt die 12-jährige Bailey (Nykiya Adams) mit ihrem arbeitslosen beziehungsweise drogendealenden Vater Bug (Barry Keoghan) und Bruder Hunter in einem besetzten Haus im Norden Kents. Der Vater hat vor, seine Freundin zu ehelichen, die er gerade mal drei Monate lang kennt. Die bubenhafte Tochter will er dazu als Brautjungfer in ein Tigersuit zwängen und versteht nicht, dass sie sein junges Glück in der Form nicht unterstützen will. Baileys Mutter wohnt mit einem gewalttätigen Typen und den jüngeren Geschwistern am anderen Ende der Stadt. Sie selber streift in den Wiesen und Strassen herum, fotografiert mit dem Smartphone Vögel am Himmel, hält sie fest in kleinen Ausschnitten, die die Realität verfremden, überhöhen, sie dem Alltag entheben. Und irgendwann trifft sie auf Bird – einen komischen Vogel eben (Franz Rogowski).
Die Energie dieses Sozialdramas überträgt sich auf körperliche Art. Es wird auf dem Roller herumgefahren, Orte werden gewechselt, hier taucht man kurz im Schlafzimmer der Mutter auf, dort rennt man die Treppe im besetzten Haus rauf, wo sich der Vater in lauter Musik mit seinen Kumpels zudröhnt. Der trägt seinen Zukunftsplan in Form einer Kröte mit sich herum, die halluzinogenen Schleim absondern soll. Kaum je hat ein Film deutlicher gezeigt: Arm sein heisst gestresst sein. Es ist eine atemlose Existenz, die Menschen sind getrieben, immer unter Druck. Bei der Mutter liegt irgendwann der Hund tot im Vorgarten, weil der Lover, ungeduldig wie er ist, wieder mal nervös wurde.
Arnold verweigert sich – im Unterschied etwa zu Ken Loach – den ganz offensichtlichen soziopolitischen Ansätzen in ihren Geschichten. Sie erzählt aber von mindestens so Wichtigem, indem sie uns die Dynamiken in prekären Lebenswelten spüren lässt. Selber als ältestes von vier Kindern – die Mutter war damals 16, der Vater 17 – in einer Sozialwohnungssiedlung in Kent aufgewachsen, sagt Arnold, sie mache ihre Filme mit einem «sozialen Auge», auch wenn sie von den Emotionen ausgehe: Sie folgt der Perspektive marginalisierter Figuren. Was per se ein politischer Akt ist.
«Bird», Regie: Andrea Arnold, GB 2024, 119 Min., mit Nykiya Adams, Barry Keoghan, Franz Rogowski u. a. Ab zurzeit im Kino.
Arbon TG
«Der Stoff, aus dem die Gegenwart besteht», Ausstellung, bis So, 2. März, Do/Fr, 17 bis 20 Uhr, Sa/So, 11 bis 17 Uhr, Werk2 Arbon, Webstrasse 2. kunstmuseum.tg.ch heimspiel.tv
In der ehemaligen Webmaschinenhalle Werk2 in Arbon wird der Stoff gewoben, aus dem die Gegenwart besteht. Oder, etwas nüchterner ausgedrückt: Das Kunstmuseum Thurgau ist hier mit zeitgenössischer Kunst zu Gast. Die Künstler*innen setzen sich im weitesten Sinn mit Textilien auseinander und thematisieren Stoffe, die unsere Gegenwart prägen – materiell oder sinnbildlich: Wasser, Waffen und Algorithmen, Identitätsfragen und soziale Interaktion verweben sich mit der Industriearchitektur des Ortes zu einem Ganzen. Die Ausstellung ist Teil des länderübergreifenden Formats «Heimspiel», das Kunstschaffende und Institutionen der Ostschweizer Kantone, des Fürstentums Liechtenstein und Vorarlberg verbindet. Ein Rundgang mit den Künstler*innen und der Kuratorin Stefanie Hoch vom Kunstmuseum Thurgau findet am Fr, 24. Jan. von 18 bis 19.30 Uhr statt. Der Eintritt zu allen Ausstellungen und Veranstaltungen ist frei. DIF
Bern «Vorortschweiz», Ausstellung, Di bis So, 11 bis 17 Uhr, bis So, 2. Feb., Kornhausforum, Kornhausplatz 18. kornhausforum.ch
Was ist ausschlaggebend bei der Entscheidung, sich in der Schweizer Agglomeration oder im Mittelland häuslich einzurichten? Sind es eher ökonomisch-pragmatische Gründe oder ist es ein Entscheid der Herkunft, Verbundenheit oder sogar der Sehnsucht auf ein Landleben? Die Ausstellung «Vorortschweiz» zeich-
Zürich
«Gleichzeit», Theater, Fr, 24. Jan. und Sa, 25. Jan., je 20 Uhr, So, 26. Jan., 18 Uhr, Maxim Theater, Ernastrasse 20. Ticketreservationen 043 317 16 27 oder buero@maximtheater.ch maximtheater.ch
ihrer Musikalität macht alles ein bisschen bedeutender als es uns manchmal vorkommen mag. An einem Lyrikfestival soll man sich berauschen lassen. Auch von alten Bekannten von Surprise – so tritt unsere Kolumnist*in Fatima Moumouni im Late Night Varieté am Fr, 24. Jan. auf, dazu Dominic Oppliger und Simone Lappert, die schon für unsere Literaturausgaben geschrieben haben. Auch vor Ort: Dinah Wernli, die letztes Jahr ein ganzes Surprise-Heft illustriert hat. Sie liest aus ihrem Werk «Louise» –über eine Frau, die dem Schweizer Maler Cuno Amiet immer wieder Modell stand. DIF
net die Verbindungen zwischen Politik, Dorfentwicklung und Siedlungsformen nach. Und dabei geht es notabene auch um die Wichtigkeit der Hecke als unverzichtbares Element der Raumgliederung. Aber nicht nur die Hecken tragen hier ihren Teil zur Identitätsbildung bei, sondern natürlich auch die Menschen selbst. Deshalb wird die Ausstellung durch das «Festival der Vereine» ergänzt. Mehrere Vereine aus verschiedenen Gemeinden des Berner Mittellandes präsentieren hier ihr Tun: Fotos und Objekte zeigen, wie wichtig gemeinsam organisierte Aktivitäten für das Zusammenleben und die Sozialgemeinschaft einer Gemeinde sind. Das Rahmenprogramm ist mindestens so vielfältig wie die Stubete in einer Mehrzweckhalle. «Gibt es tatsächlich einen Armutsgraben zwischen Stadt und Land?», ist zum Beispiel eine Frage, die am Mi, 15. Jan. diskutiert wird. DIF
Im Brockenhaus führt eine Frau ein poetisches Gespräch mit ihrem neuesten Secondhand-Fund, ein Telefonanruf schafft eine unerwartete Verbindung zwischen dem Zürcher Alltag und der Situation in einem Kriegsgebiet: «Gleichzeit» schafft einen Raum, in dem unterschiedliche Perspektiven koexistieren und sich Paradoxien begegnen. Die Gleichzeit-Figuren suchen ihren Platz in einer Welt, die von Vielschichtigkeiten und Mehrdeutigkeiten durchdrungen ist und in der Erinnerungen und Gegenwart zusammenfliessen. Da stellen sich auch Fragen: Was verbindet uns? Wie überwinden wir die Herausforderungen des Lebens, wenn wir uns in einer dermassen vielstimmigen Welt tummeln? Die Theaterproduktion wurde von den Mitgliedern der Theatergruppe kollektiv erarbeitet und schöpft aus ihren persönlichen Erfahrungsschätzen. DIF
Basel
«Internationales Lyrikfestival Basel», Do, 23. bis So, 26. Jan., verschiedene Veranstaltungsorte, Festivalzentrum Literaturhaus Basel, Barfüssergasse 3. lyrikfestival-basel.ch
Die Dichter*innen Tim Holland, Walter Fabian Schmid und Anja Utler wenden sich der Apokalypse in der Umwelt zu, dem Scheitern der Menschen und dem Kollaps von Kreisläufen. Sie packen Grauen und Hoffnung in Zeilen, Manifeste, Lobgesänge. Das soll jetzt nicht depressiv klingen, denn es geht hier um die Poesie des Schreckens. Es gibt auch die Poesie des Schönen, Erhabenen, Erbaulichen, und was wir eigentlich damit sagen wollen: Allein das Poetische, die Lyrik mit ihren handverlesenen Worten und
Zürich
«Ciao Paka Ciao –Wir kriegen’s gebacken!», Theater, Mi/Do, 8./9. Jan., Sa, 11. Jan., Do, 23./30. Jan., je 20 Uhr, Sa 17 Uhr. sogar.ch
Zarina Tadjibaeva und Andrej Togni sitzen am Küchentisch. Während sie gemeinsam kochen, rollen sie nicht nur Teig aus, sondern auch ihre Familiengeschichten. Von Duschanbe bis nach Zürich, vom Bergell bis nach Odessa. Mit Erzählungen und Gesang entsteht ein Mosaik aus Schicksalen und Anekdoten, die weit zurückreichen. Auch ein Brief des Vaters ist dabei, der 1999 aus Tadschikistan schrieb: «Ich wünsche mir, dass Du immer fröhlich bist. Weiter so, Tadjibaeva! Bitte achte deinen Mann, meine liebe Tochter. Ein Mann braucht nur nette Worte und leckeres Essen. Damit schliesse ich ab. Im Namen aller wünschen wir Euch Gesundheit, Freude und Glück. Es ist jetzt zwanzig Jahre her, als ich zum letzten Mal einen Brief geschrieben habe. Dein Papa.» Während der Duft von Minestrone und tadschikischem Brot den Saal erfüllt, entspinnt sich ein Abend über die vielen Facetten von Identität Hochdeutsch mit russischen, persischen, italienischen und französischen Elementen. Am 11. und 23. Jan. mit anschliessendem Sprachtisch für Deutschlernende, am 30. Jan. mit Publikumsgespräch. DIF
Tour de Suisse
Surprise-Standorte: Migros
Einwohner*innen: 206 604
Anteil Ausländer*innen in Prozent: 38,4
Sozialhilfequote in Prozent: 6,1
Anzahl Verkehrsunfälle (2023): 561
Rot-weisse Bauabschrankungen ziehen sich der ganzen Strasse entlang, die Tramhaltestelle wurde verschoben, die Bäume sind einzeln eingegittert, im Vorgarten eines gelben Hauses steht ein Baum bedenklich schief, ein Teil der Nadeln sind braun, möglicherweise wurde ihm das Wasser abgegraben oder die Wurzeln sind beschädigt. Den Fussgänger*innen bleibt nur wenig Platz, die Autos werden von einem Verkehrsdienst durchgeleitet. Fahrverbotstafeln, Leitern und Schweissgeräte stehen herum. Die Anwohner*innen müssen Umwege gehen, wenn sie zu ihren Haustüren kommen wollen. So eine Baustelle kann die Wohn- und Lebensqualität deutlich beeinträchtigen, vor allem für Menschen, die nicht dem gängigen
Tagesrhythmus folgen, also früh rausgehen und erst abends wieder heimkommen. Wer sich während der Arbeitszeit zuhause aufhalten oder dort sogar schlafen muss, hat schlechte Karten. Trotzdem wirken die Leute nicht sonderlich genervt. Vielleicht wurden Ohrstöpsel verteilt, sie verfügen über moderne NoiseCancelling-Kopfhörer oder eine natürliche Gelassenheit.
Offenbar ist es die Kanalisation, die neu gebaut wird. Es liegen und stehen riesige Rohre herum. Ein Extraktor saugt den Schutt aus dem Boden, das geht einfacher als Schaufeln, macht aber entsprechend Lärm, das Restaurant in unmittelbarer Nähe sieht verlassen aus. Etwas weiter vorne gibt es einen grossen Polizeipos-
ten, im Hof spielt eine Polizistin mit einem Hund. Am Eingang des Gebäudes hängt ein Verbotsschild für Hunde, wahrscheinlich würden fremde Hunde jene der Polizei von der Arbeit ablenken. Noch weiter vorne steht ein mit Blumen gefülltes Lastenvelo. Ob es sich um eine Dekoration oder um einen Lieferservice handelt, ist nicht auszumachen.
Hier findet sich auch die Habsburgerstrasse, inmitten anderer, nach Ortschaften benannten Strassen. Doch diese Strasse ist nicht nach dem Ort benannt, auf dem Schild ist explizit das Hochadelsgeschlecht erwähnt, das 800 Jahre lang über weite Teile Europas, aber nur 10 Jahre über Basel geherrscht hat. Das lässt vermuten, dass man sie gerne wieder losgeworden ist und diesen Umstand in Form einer etwas versteckten, unspektakulären Strasse in Erinnerung behalten will.
Im Viertel finden sich Mehrfamilienhäuser, die aussehen, wie sie ein Kind zeichnen würde. Zeichnende Kinder gibt es bestimmt einige, denn Kinderkrippe, Kindergarten und Schule sind nahe beieinander, auch ein Fahrradgeschäft steht bereit, dazwischen schöne bunte Häuser, ocker mit blauen Fensterläden oder blau mit weissen Läden.
Ein Mann steht im Garten und diskutiert angeregt mit einer Nachbarin. In der Hand hält er eine Kanne Unkraut-Vertilger, neben ihm steht ein kleiner Tisch mit Stuhl, darauf ein gemaltes Bild.
Das auffälligste Gebäude in der Gegend ist die Antoniuskirche, ein wuchtiger Betonbau mit einem äusserst imposanten Tor. Auch das Kirchenschiff ist riesig, mehrere Stockwerke hoch, das Licht fällt durch bunte Glasfenster, jemand übt auf der Orgel, eine erstaunlich fröhliche Melodie klingt durch den Raum.
STEPHAN PÖRTNER
Der Zürcher
Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.
Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung.
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Lebensraum Interlaken, Interlaken
FF Finanzberatung Flückiger, Baar
Dipl. Steuerexperte Peter von Burg, Zürich Pfarrhaus-Café, Kirchgemeinder Kerzers Wafe Technology, chili-feet Wärmesohle www.wuillemin-beratung.ch
Anyweb AG, Zürich COOP Genossenschaft
Automation Partner AG, Rheinau
Kählin Bodenbeläge GmbH Gemeinnützige Frauen Aarau
Sternenhof, Leben und Wohnen im Alter, Basel InoSmart Consulting, Reinach Praxisgemeinschaft Dornacherstrasse, Basel
Schweizer Alpen-Club SAC, Basel Hofstetter Holding AG, Bern movaplan GmbH hypnose-punkt.ch
Arbeitssicherheit Zehnder, Zürich Restaurant Rössli Beiz Stäfa FairSilk Social Enterprise, www.fairsilk.ch Madlen Blösch, Geld & so, Basel Maya Recordings, Oberstammheim Atem-Fachschule Lika, Stilli bei Brugg Napura GmbH, Neuheim
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Nicht alle haben die gleichen Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt. Aus diesem Grund bietet Surprise individuell ausgestaltete Teilzeitstellen in Basel, Bern und Zürich an – sogenannte Chancenarbeitsplätze.
Aktuell beschäftigt Surprise acht Menschen mit erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt in einem Chancenarbeitsplatz. Dabei entwickeln sie ihre persönlichen und sozialen Ressourcen weiter und erproben neue berufliche Fähigkeiten. Von unseren Sozialarbeiter*innen werden sie stets eng begleitet. So erarbeiteten sich die Chancenarbeitsplatz-Mitarbeiter*innen neue Perspektiven und eine stabile Lebensgrundlage.
Einer von ihnen ist Negussie Weldai
«In meinem Alter und mit meiner Fluchtgeschichte habe ich schlechte Chancen auf dem 1. Arbeitsmarkt. Darum bin ich froh, bei Surprise eine Festanstellung gefunden zu haben. Hier verantworte ich etwa die Heftausgabe oder übernehme diverse Übersetzungsarbeiten. Mit dieser Anstellung ging ein grosser Wunsch in Erfüllung: Meinen Lebensunterhalt wieder selbst und ohne fremde Hilfe verdienen zu können.»
Scha en Sie echte Chancen und unterstützen Sie das unabhängige Förderprogramm «Chancenarbeitsplatz» mit einer Spende. Mit einer Spende von 5000 Franken stellen Sie die Sozial- und Fachbegleitung einer Person für ein Jahr lang sicher.
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#583: Lieber tot als schwan g er «Auch in Liechtenstein verboten»
Der Artikel von Manuela Enggist über Abtreibung hat mich sehr interessiert und die Weltkarte war sowohl aufschlussreich als auch erschreckend. Ich habe selbst vor ein paar Jahren eine Abtreibung machen lassen, was auch in Liechtenstein verboten ist. Die Kosten in der Schweiz haben CHF 800 betragen, was wir uns zum Glück leisten konnten. Evtl. hätte die Praxis das auch noch besser regeln und die Nachkontrolle anders abrechnen können, woran wir nicht gedacht haben. Als finanziell nicht so gut gestellte Frau in Liechtenstein ist das ein bedeutender Finanzposten. Und wenn, wie in meinem Fall, während der Schwangerschaft doch noch eine Menstruation kommt, läuft die Zeit auch recht schnell ab. Ich weiss von vier weiteren Frauen, die eine Abtreibung machen liessen und alle haben das gut «verdaut» und finden die Entscheidung auch rückblickend richtig. Als Alternative das Kind auszutragen und zur Adoption freizugeben, ist in meinem Umfeld sehr verpönt – als Frau wird man dann schnell als herzloses Monster angesehen. Ich finde, wenn man über Abtreibung spricht, sollten die Alternativen auch benannt werden. Und wenn Abtreibung verboten ist, sollte die Alternative Adoption anerkannt sein.
JOHANNA WOLFRAM-HILBE, Vaduz
588: «Ich habe keine An g st «Sie haben etwas zu sagen»
Sehr geehrte Frau Layne
Ich habe eben Ihr Interview mit Bundesrat Jans gelesen. Ich möchte Ihnen das allergrösste Kompliment machen. Sie haben mit Ihren interessanten, aber auch emotionalen und persönlichen Fragen Herrn Jans immer wieder «zurückgeholt» und den oft etwas allgemein wirkenden Antworten des Bundesrates das konkrete Leben entgegengestellt. Sie haben etwas zu sagen. Und Sie haben etwas zu erwarten, und darum sind Menschen wie Sie für mich die Hoffnung der Zukunft. Für die Schweiz. Ich bin mir ganz sicher: In 25 Jahren sind Sie Bundesrätin!
SONJA KREBS, Zürich
Rätsel aus #589
Lösungswort: HOEHENMETER
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Surp rise-Porträt
«Geboren bin ich 1967 in Asmara, wo ich sechzehn Jahre die Schule besucht habe. Wegen dem Bürgerkrieg kam ich sieben Jahre ins Gefängnis. Mit der Befreiung Eritreas 1991 wurde ich entlassen. Danach musste ich ins Militär. 2003 habe ich geheiratet, zwei Jahre später mein erstes Kind bekommen und 2009 bin ich in die Schweiz gekommen.
Vor meiner Arbeit für Surprise habe ich in Zürich in der ‹Marktlücke› gearbeitet, einem Laden, der handgefertigte Produkte aus recyclierten Materialien verkauft. Allerdings musste ich aus gesundheitlichen Gründen aufhören. Dann habe ich begonnen, im OFF Ort zu arbeiten, das ist ein Begegnungsort für geflüchtete Frauen und deren Kinder in Zürich. Dort sind viele Frauen aus Afghanistan, Pakistan, Syrien, und Eritrea tätig. Ich arbeite immer noch einmal die Woche dort.
Seit dem letzten Januar bin ich bei Surprise. Während der Arbeit am OFF Ort kam ich mit jemandem ins Gespräch und wurde so auf Surprise aufmerksam. Die Arbeit für Surprise ist gut vereinbar mit meinem Gesundheitszustand; meine Knie schmerzen. Wenn es mir gut geht, kann ich lange arbeiten, und wenn nicht, kann ich früher nach Hause gehen.
Ich lebe in Affoltern. Schon immer habe ich gerne Sport gemacht. Ich gehe gerne schwimmen oder ins Fitnesscenter. Leider kann ich mir das Fitnessabo nicht mehr leisten. Ich würde aber sehr gerne wieder gehen. Ich bin fünf Jahre lang ins Fitnesscenter gegangen, meine Schwester hat mich motiviert, der Sport hilft mir bei meinen Knieproblemen. Schwimmen gehe ich noch. Wenn ich mich bewege, geht es mir besser.
Meine Schwester und meine Kinder sind mittlerweile ebenfalls in der Schweiz. Als ich 2009 hierher kam, stellte ich ein Gesuch auf Familiennachzug. Ich habe gesagt, dass meine Familie im Sudan ist. Meine Schwester hatte sie zuvor von Eritrea dorthin gebracht. Zu jenem Zeitpunkt war sie schwanger und konnte dann in die Schweiz nachkommen. Sie ist auch diejenige, die meine Kinder grossgezogen hat, nachdem ich geflüchtet bin.
Jetzt sind wir alle wieder zusammen. Meine beiden Kinder gehen in Zürich ins Gymnasium. Wegen meiner gesundheitlichen Probleme bin ich oft auf die Hilfe meiner Schwester angewiesen; sie und ihr Mann unterstützen mich sehr. Mein Wunsch wäre, dass wir als Familie zusammen mit meiner Schwester leben könnten. Wir suchen deshalb nach einer grösseren Wohnung, allerdings wurden wir bisher nicht fündig.
Letay Waldeselassie, 57, verkauft Surprise in Zürich beim Coop an der Stockerstrasse und beim Coop Triemli und treibt fürs Leben gerne Sport.
Ich könnte mir gut vorstellen, in einem Hort zu arbeiten und zu kochen und aufzuräumen – das wäre etwas für mich. Auch nähen würde ich gerne. Als ich in der ‹Marktlücke› arbeitete, hatte ich viel genäht und viele Geschenke angefertigt, wie zum Beispiel Taschen und andere kleinere Dinge. Ich würde auch gerne lernen, wie man Kleider näht.
Zuhause koche ich oft Injera, ein eritreisches Gericht. Wenn ich es auf traditionelle Weise koche, bereite ich es in eritreischen Korbschalen zu, die ich selbst hergestellt habe. Zuhause kochen wir mehrmals die Woche eritreisches Essen. Auch im OFF Ort für Frauen koche ich öfters eritreisches Essen. Zwei- bis dreimal im Jahr veranstalten wir dort ein grosses Fest, wo Speisen aus ganz verschiedenen Ländern aufgetischt werden.
Ich fühle mich in ‹meinem› Zürich sehr wohl. Überhaupt mag ich die Schweiz, ich habe hier nur gute Erfahrungen gemacht, darüber bin ich froh. Mit einigen der Personen, mit denen ich hierhergekommen bin und die erste Zeit im Asylcenter gelebt habe, habe ich immer noch Kontakt – wir unterstützen uns gegenseitig. Ich spreche nicht nur von Leuten aus Eritrea, auch von anderen, die ich kennengelernt habe. Überhaupt mag ich die Menschen, ich habe mit niemandem Streit.»
Aufgezeichnet von HANNA FRÖHLICH
Der Verkauf des Strassenmagazins Surprise ist eine sehr niederschwellige Möglichkeit, einer
Arbeit nachzugehen und den sozialen Anschluss wiederzufinden.
Alle
Ein
Strassenmagazin kostet 8 Franken.
Die Hälfte davon geht an den*die Verkäufer*in, die andere Hälfte an den Verein Surprise.
Das Heft erscheint alle 2 Wochen. Ältere Ausgaben werden nicht verkauft.
Verkäufer*innen tragen gut sichtbar einen Verkaufspass mit einer persönlichen Verkaufsnummer. Diese ist identisch mit der Nummer auf dem Magazin.
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BETEILIGTE CAFÉS
IN AARAU Naturama Aargau, Feerstr. 17 | the green corner, Rain 27 IN ALSTÄTTEN Familien- und Begegnungszentrum Reburg, Rathausplatz 1 Zwischennutzung Gärtnerei, Schöntalstr. 5a IN ARLESHEIM Café Einzigartig, Ermittagestr. 2 IN BAAR Elefant, Dorfstr. 1 IN BACHENBÜLACH Kafi Linde, Bachstr. 10 IN BASEL Bäckerei KULT, Riehentorstr. 18 & Elsässerstr. 43 | BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Barista Bar Basel, Schneidergasse 16 | Bioladen Feigenbaum, Wielandplatz 8 | Bohemia, Dornacherstr. 255 | Café Spalentor, Missionsstr. 1 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12 | Eiscafé Acero, Mörsbergerstr. 2 Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | FAZ Gundeli, Dornacherstr. 192 | Flore, Klybeckstr. 5 | frühling, Klybeckstr. 69 | Haltestelle, Gempenstr. 5 | HausBAR Markthalle, Steinentorberg 20 | KLARA, Clarastr. 13 | L’Ultimo Bacio Gundeli, Güterstr. 199 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreffpunkt Hirzbrunnen, Im Rheinacker 15 | Quartiertreff Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 | Quartiertreff Lola, Lothringerstr. 63 | Shöp, Gärtnerstr. 46 | Tellplatz 3, Tellplatz 3 Treffpunkt Breite, Zürcherstr. 149 | Wirth’s Huus, Colmarerstr. 10 IN BERN Äss-Bar, Marktgasse 19 | Becanto, Bethlehemstr. 183 | Boulderbad Muubeeri, Maulbeerstrasse 14 | Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Burgunderbar, Speichergasse 15 | Café Kairo, Dammweg 43 | Café Paulus, Freiestr. 20 | DOCK8, Holligerhof 8 | Dreigänger, Waldeggstr. 27 | Generationenhaus, Bahnhofplatz 2 | Hallers brasserie, Hallerstr. 33 | Kinderkiosk, Monbijoupark | Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa, Lorrainestr. 23 | Löscher, Viktoriastr. 70 | Luna Lena, Scheibenstr. 39 | MARTA, Kramgasse 8 | MondiaL, Eymattstr. 2b | Phil’s Coffee to go, Standstr. 34 | Restaurant Du Nord, Lorrainestrasse 2 | Rösterei, Güterstr. 6 | Sous le Pont, Neubrückstr. 8 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Tscharni, Waldmannstr. 17a IN BIEL Äss-Bar, Rue du Marché 27 | Genusskrämerei, Rathausgässli 4 | Inizio, Freiestrasse 2 | Treffpunkt Perron bleu, Florastrasse 32 IN BURGDORF Bohnenrad, Bahnhofplatz & Kronenplatz | KafiFritz, mobiles Kaffee-Dreirad IN CHUR KULTURPUNKT, Planaterrastrasse 11 IN DIETIKON Mis Kaffi, Bremgartnerstr. 3a IN HAUSEN AM ALBIS Café Palaver, Törlenmatt 1 IN LENZBURG Chlistadt Kafi, Aavorstadt 40 | feines Kleines, Rathausgasse 18 IN LIESTAL Bistro im Jurtensommer, Rheinstr. 20b IN LUZERN Arlecchino, Habsburgerstr. 23 | Bistro Vogelgärtli, Sempacherstr. 10 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Markt Wärchbrogg, Alpenquai 4 & Baselstr. 66 | Meyer Kulturbeiz & Mairübe, Bundesplatz 3 Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 | Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Rest. Wärchbrogg, Alpenquai 4 | Sommerbad Volière, Inseliquai IN MÜNCHENSTEIN Bücher- und Musikbörse, Emil-Frey-Str. 159 IN NIEDERDORF Märtkaffi am Fritigmärt IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestr. 47 IN OBERWIL IM SIMMENTAL Gasthaus Rossberg, Rossberg 557 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 | KULTURLABOR.sh, Bachstrasse 27 IN STEFFISBURG Offenes Höchhus, Höchhusweg 17 IN ST. GALLEN Barista Bar Hauptbahnhof, Bahnhofplatz 5 | DenkBar, Gallusstr. 11 | Schwarzer Engel, Engelgasse 22 S’Kafi, Langgasse 11 IN SUHR Alter Konsum, Bachstrasse 72 IN THUN Alpenrösli, Allmendstrasse 16 IN UEKEN Marco’s Dorfladen, Hauptstr. 26 IN UETIKON AM SEE Fridies Cafi-Bar, Weingartenstrasse 1 IN USTER al gusto, Zürichstrasse 30 Kafi Domino, Gerbestrasse 8 IN WIL Caritas Markt, Ob. Bahnhofstr. 27 IN WINTERTHUR Bistro Sein, Industriestr. 1 IN ZOLLIKOFEN Café Mondial, Bernstrasse 178 IN ZUG Bauhütte, Kirchenstr. 9 | Podium 41, Chamerstr. 41 IN ZÜRICH Barista Bar Sihlpost, Kasernenstrasse 97 | Bistro Karl der Grosse, Kirchgasse 14 | Café Noir, Neugasse 33 | Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | das GLEIS, Zollstr. 121 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 | Freud, Schaffhauserstr. 118 | GZ Bachwiesen, Bachwiesenstr. 40 | GZ Wipkingen, Breitensteinstr. 19a | GZ Witikon, Witikonerstr. 405 | jenseits im Viadukt, Viaduktstr. 65 | Kiosk Sihlhölzlipark, Manessestr. 51 Kleinwäscherei, Neue Hard 12 | Kumo6, Bucheggplatz 4a | Quartiertr. Enge, Gablerstr. 20 | Quartierzentr. Schütze, Heinrichstr. 238 | Sport Bar Cafeteria, Kanzleistr. 76 | Täglichbrot, Friesenbergplatz 5 | Zum guten Heinrich Bistro, Birmensdorferstr. 431
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