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Geschichten, die das Leben schrieb –von Surprise-Verkäufer*innen und Stadtführer*innen.
Schenke einem Menschen in finanzieller Not ein Stück Pizza.
Mit der Solidaritätsaktion «Pizza Sospesa» trägt VITO mit seinen Gästen dazu bei, dass von Armut betroffene Menschen kostenlos ein warmes Stück Pizza geniessen können. Die Gutscheine für die gespendeten Pizzas werden durch unsere Partnerorganisationen an ihre Klient*innen verteilt. Spenden kannst du vom 1. Dezember bis 31. Januar 2025. Mehr Infos zur Aktion und unsere Partnerorganisationen findest du auf vito.ch/sospesa Danke für deine Solidarität!
Editorial
In letzter Zeit begegnet mir immer öfter der Begriff Community: irgendwas zwischen Freundschaft und Gemeinschaft – nicht bloss im privaten Sinn, aber auch nicht als rein funktionelles Netzwerk. Oft geht es darum, Ideen auszuprobieren, gemeinsame Themen zu entdecken, voneinander zu lernen, im weitesten Sinn zusammenzuarbeiten vielleicht. Natürlich gibt es auch Communitys und Gemeinschaften, die sich sehr stark über Identitätsfragen definieren. Aber mir begegnen doch immer mehr Personen, die einfach mal mit anderen in Kontakt treten möchten. Sich austauschen.
Dieses Interesse an anderen Menschen kam mir in den Sinn, als ich von den vielen prägenden Begegnungen im Leben las, von denen Heini Hassler in dieser Ausgabe erzählt. Oder von Seynab Ali Isses sozialem Netzwerk, das sie beschreibt. Ich dachte bei Measho Hadera daran und bei seiner Art und Weise, wie er eine Geschichte weiterträgt, die er selber mit auf den Weg bekommen hat. Und bei Karin Pacozzis Liebesgeschichte, die die kleinste Form von
Illustrationen
Cora Meyer ist freischaffende Illustratorin in Basel. Ihre Arbeit ist vielseitig, verspielt und bunt. Sie reicht von LiveZeichnungen über persönliche Bilder bis hin zu kommerziellen Aufträgen.
5 Karin Pacozzi Der Augenblick
6 Measho Hadera Tragische Prophezeiung
10 Urs Habegger Unter freiem Himmel
11 Kathy Messerli Der Funke in uns
12 Nicolas Gabriel Geweihte Nacht
Gemeinschaft beschreibt und in Erinnerung ruft, wie stark die Gefühle sein können, wenn Menschen zusammenfinden. Quasi das Gegenteil des Gemeinschaftssinns verkörpert Urs Habeggers fiktiver Pensionär, der sich so sehr auf seine eigenen Wünsche konzentriert, dass ihm der Sinn fürs Gegenüber (in diesem Fall ein Maulwurf) gleich ganz abhandenkommt.
Auch wir haben uns zusammengetan –zuallererst mit den Autor*innen der Texte in diesem Heft. Sie alle verkaufen im Alltag das Strassenmagazin oder sind als Surprise Stadtführer*innen unterwegs. Dann auch mit dem Autor Ralf Schlatter, der die Geschichten zusammen mit uns bearbeitet hat. Mit unseren Sozial*arbeiterinnen, die uns im Austausch mit den Schreibenden unterstützt haben. Mit Übersetzer*innen, um ins Gespräch zu kommen. Und mit der wunderbaren Illustratorin Cora Meyer.
14 Heini Hassler Weihrauch, Gold und andere Geschenke
15 Fokus Wie Surprise wirkt
18 Ljiljana Azirovic Mein Leben, meine Dankbarkeit
20 Hans Rhyner Bergauf
22 Seynab Ali Isse Dank euch allen
24 Michael Hofer Menschen in der Pause
27 Rätsel
28 SurPlus Positive Firmen
29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren
30 Internationales Verkäufer*innenPorträt «Ich verstand endlich, warum ich so bin»
TEXT KARIN PACOZZI
Liebe auf den ersten Blick: Ob es so etwas gibt, bezweifelte ich so lange, bis ich es selbst erlebte. Die Geschichte von Marco, meinem späteren Mann, und mir erzähle ich gerne. Es war in den menschenleeren, grauen, dunklen Gängen des MNG Gymnasiums Rämibühl. Er kam zu spät in eine Stunde, die schon angefangen hatte, ich lief davon aus einer Stunde, die noch nicht zu Ende war. Als er mich sah, blieb er stehen und starrte mich an, ich ging um einiges langsamer als soeben noch weiter und blickte ihn an. Als wir auf gleicher Höhe waren, sagte er frech: «Hey hoi.» Ich war überrascht, sagte aber – einfach ein wenig schüchterner – auch: «Hoi.» Gleichzeitig schlugen die Gedanken in meinem Kopf Purzelbäume, die Gefühle gingen mit mir durch und in meinem Körper raste das Blut nur so durch meine Adern. Mir war heiss und kalt zugleich, und ich wusste nun: Liebe auf den ersten Blick, das gibt’s! Leider blieb ich nicht stehen. Und der Augenblick ging für mich viel zu schnell vorbei. Ihm ging es genau gleich, wie ich später erfuhr. Das Ganze ist für mich heute wie ein kleines Wunder und mit noch so vielen Worten kaum zu beschreiben. Zum Glück passiert genau das aber auch vielen andern.
Als ich ein halbes Jahr später das Gymnasium wechselte und dabei noch dachte, wie schade, dass ich diesen hübschen, charismatischen jungen Mann wohl nie mehr sehen werde, hatte ich nicht mit dem Willen und der Hartnäckigkeit von Marco gerechnet. Er machte sich auf die Suche nach mir. Er freundete sich mit den beiden Personen an, mit denen er mich oft gesehen hatte.
Zwei Jahre danach hörte ich von meiner besten Freundin und einem Kollegen, dass sie einen coolen Typen kennengelernt hätten. Er heisse Marco, habe schon ein eigenes Auto, mit dem er zur Schule komme, und er kenne die beste Musik weit und breit («nicht nur Beatles und Rolling Stones und so»). Geleitet von meinen Wunschvorstellungen dachte ich sofort daran, wie schön es wäre, wenn es derselbe Junge wäre, der mir zwei Jahre zuvor im Gang des Rämibühl-Gymnasiums begegnet war. Ich setzte nun alles daran, ihn zu treffen.
Als es mithilfe meiner Freund*innen endlich dazu kam und ich sehr nervös ins Zimmer trat, sah ich sofort, wie er mich anblickte, und die Welt um uns herum existierte
nicht mehr. Da war nur noch er und ich und das Wissen, es geht uns beiden gleich, endlich haben wir uns wiedergefunden.
Nicht oft, aber es gab und gibt in meinem Leben immer wieder mal Momente, da wird mir klar: Es muss sowas wie Schicksal geben.
Leider ist Marco nun schon lange nicht mehr hier. Mir fehlt er heute noch immer gleich wie vor neunzehn Jahren, als er leider viel zu früh verstarb. Doch gibt es immer wieder Momente, in denen ich genau spüre, dass etwas von ihm immer noch anwesend ist. Dass er weiterhin auf mich schaut und Acht gibt. Auch passiert es – selten zwar, aber es kommt vor –, dass ich aus einem Traum erwache und im ersten Moment mit ihm spreche, als ob er wirklich da wäre. Einmal sagte ich: «Ja klar, setz dich doch hin, schau, hier ist der Stuhl.» Und ich wachte auf, weil ich den Stuhl zu ihm hinschob. Was für ein schönes Gefühl blieb mir da. Ich glaube daran, es gibt etwas, das unsterblich ist. (Irgendwann werden wir uns wiedersehen.)
KARIN PACOZZI macht zurzeit eine Verkaufspause, weil sie sich ihrer Vergangenheit stellen will, die nicht nur schöne Augenblicke wie diesen beinhaltete.
schwiegen sie einige Minuten lang. Dann sagte die alte Frau: «Meine Tochter, ich habe Angst, dass deiner Familie im Januar etwas Schlimmes zustossen wird. Bete, dass Gott es dir leicht macht. Es ist besser, wenn du deine älteren Kinder noch in diesem Monat aus dem Dorf bringst.» Die Bäuerin kehrte zitternd nach Hause zurück.
Ihr Mann und sie beschlossen gemeinsam, ihre älteren Kinder bei Verwandten in Asmara unterzubringen, da ihnen die Worte der Traumdeuterin Angst gemacht hatten. Obwohl die Kinder ihr Dorf und ihre Freunde nicht verlassen wollten, mussten sie ihren Eltern gehorchen. Der Januar ist traditionell der Monat der Verlobungs- und Hochzeitszeremonien, in dem die Heranwachsenden ihre Jugend geniessen. Deswegen schmerzte es sie besonders, dass sie ausgerechnet jetzt wegmussten. Aber wie vereinbart blieben sie monatelang bei ihren Verwandten in Asmara und kehrten erst eine Woche vor Beginn der christlichen Fastenzeit zu ihrer Familie zurück.
Genau an dem Tag fand in ihrem Dorf eine Hochzeit statt. Sie schlossen sich sofort der Feier an, ohne sich auch nur kurz auszuruhen oder mit ihrer Familie zu sprechen. An der Hochzeit kam es ohne ersichtlichen Grund zu einer Schlägerei, bei der ein junger Freund von ihnen getötet wurde. Die Eltern des Verstorbenen beschuldigten einen der Söhne, der gerade erst aus Asmara zurückgekehrt war. Er wurde sofort verhaftet. Aus Angst, die Familie des Verstorbenen könnte sich an ihnen rächen, flohen auch die Brüder des Beschuldigten.
Einem gelang es, in den Sudan zu reisen. Nach einiger Zeit riefen jedoch Menschenhändler vom Sinai bei seiner Familie an und teilten mit, dass der Sohn in ihrer Gewalt sei. Sie forderten eine hohe Geldsumme für die Freilassung. Also verkauften die Eltern ihr Vieh und gaben ihr ganzes Vermögen als Lösegeld her. Die Eltern zählten die Tage, Wochen und Monate, aber sie hörten nie wieder von ihrem Sohn.
Ein anderer Sohn wurde beim Grenzübertritt erwischt und verbrachte mehrere Jahre im Gefängnis. Anschliessend wurde er in das Militärcamp Sawa gebracht, wo für alle Eritreer*innen ab dem 12. Schuljahr die obligatorische Ausbildung durch die eritreischen Streitkräfte stattfindet. Aus Angst vor Vergeltungsmassnahmen durch die Familie des jungen Mannes, der an jenem Hochzeitsfest getötet wurde, verheimlichte dieser Sohn seine Identität. Es sollte ihn niemand finden können oder über seinen Heimatort und seine Familie Bescheid wissen.
Nach Abschluss der Militärausbildung im Sawa musste er in die Armee. Nachdem er schon einer Einheit zugeteilt worden war, plante er immer noch, Eritrea zu verlassen. Als er erneut versuchte, die Grenze zu überqueren, wurde er verhaftet und wieder in dasselbe Gefängnis geworfen wie zuvor – für mehrere Jahre. Am Tag seiner Entlassung fuhr man ihn auf dem Rücksitz eines offenen
Toyotas zu seiner Einheit zurück. Weil er aber immer noch aus Eritrea fliehen wollte, sprang er bei Beit Gergish, nahe Asmara, aus dem rasenden Toyota. Tragischerweise wurde er von einem nachfolgenden Auto erfasst und verlor sein Leben.
Schliesslich erfuhren die Eltern, dass auch der zweite Sohn verstorben war. Mit welchem Massstab liesse sich ihr seelisches Leiden und ihr Kummer messen? Nur hatte die Gewissheit, was passiert war, zumindest auch etwas Tröstliches.
Ich habe den Erzähler dieser Geschichte, einen der jüngeren Brüder der beiden Verstorbenen, im März 2014 im Gefängnis in Libyen getroffen. Als wir auf der Flucht mit vielen anderen inhaftiert waren, erzählte jeder von seiner Reise oder von seiner Familie. Alle hatten eine traurige Geschichte, aber dieser Bericht berührte mich am allermeisten. Der Erzähler nannte seinen Namen nicht, und als ich ihn am nächsten Tag fragen wollte, kam ich nicht mehr dazu, und unsere Wege trennten sich. Bis heute möchte ich gern wissen, wie es ihm und seiner Familie wohl geht.
Aus dem Tigrinya übersetzt von Abdu Mohamed Andu, Übersetzerdienst Eritreischer Medienbund Schweiz. Die deutsche Fassung wurde redaktionell leicht bearbeitet.
MEASHO HADERA verkauft Surprise in Solothurn. Er ist Lehrer und verfasst TigrinyaLehrmittel, zudem schreibt er Kurzgeschichten. Sollte jemand die erwähnte Familie kennen, würde er sich über eine Nachricht freuen: redaktion@strassenmagazin.ch
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Ein Haus wollte er noch nie. Einen Swimmingpool schon immer. Nun, frisch pensioniert, also mit Zeit für Müssiggang, so hoffte er zumindest, hatte er beides. Einen Swimmingpool – und obendrein ein Haus. Das brachte es so mit sich. Ein Haus ohne Swimmingpool zu kaufen ist ein Leichtes. Aber ein Swimmingpool ohne Haus; das wird schwierig, sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Was er mit dem Swimmingpool und dem grossen Garten anstellen wird, das stand fest: schwimmen, im Liegestuhl relaxen, lesen, geniessen, grillen, Freunde einladen, dolce vita. Was er mit dem Haus machen wird: halt darin wohnen. Die Bausubstanz ist in gutem Zustand, hatte ihm ein Gutachter eröffnet. Na ja, das eine oder andere musste gemacht werden. Sei’s drum. Auf das Haus legte er sowieso keinen grossen Wert. Aber es gehörte nun ihm.
Grossen Wert legte er hingegen auf den Swimmingpool und den Rasen und Garten ringsherum. Das wird ein herrlicher Sommer, dachte er bei sich. Frisch pensioniert und ebenso frisch glücklicher Besitzer eines Swimmingpools. Ein lebenslanger Traum ist für ihn wahr geworden.
Der Umzug war schnell erledigt. Er besass nicht viel an Hausrat und Möbeln. Genügsam und bescheiden hatte er viele Jahre in einer kleinen Wohnung gelebt. Ihm war das genug.
Es war Frühling. Ein durchzogener Frühling. Mal Sonne, mal Wolken, mal Regen, meist kühl. Im Garten herrschte reger Betrieb. Der Pool bekam einen neuen Anstrich und dessen Technik wurde auf den neusten Stand gebracht. Eine Gartenbaufirma verwandelte seinen Garten in ein Paradies mit Pergola, Sitzplatz, Grill. Er selber werkelte im Haus, reparierte, strich Wände neu und war mit allem sehr zufrieden. Und dann, von einem Tag auf den anderen, kam der Sommer, sonnig und heiss. Und er genoss das Leben, den Pool, den Garten, das Sein, glücklich und in vollen Zügen.
TEXT URS HABEGGER
Doch dann, eines Morgens, er trat bestens gelaunt aus dem Haus und wollte wie üblich, noch vor dem Frühstück, die ersten Bahnen des Tages in seinem Pool ziehen, blieb er tief erschrocken stehen; denn was er sah, gefiel ihm nicht. Drei Maulwurfshügel verunstalteten seinen schönen Rasen, der sich in sattem Grün um seinen Pool ausbreitete. Eilig und leise fluchend beseitigte er mit Schaufel und Eimer die drei hässlichen Erdhügel. Aber von diesem Tag an, wenn er in freudiger Erwartung des neuen Tages aus seinem Haus trat, türmten sich jeden Tag mehr Maulwurfshügel auf seinem Rasen. Und jeden Morgen beseitigte er fluchend das nächtliche Werk des Maulwurfs.
Allmählich verlor er die Freude an seinem Garten, ja selbst an seinem geliebten Pool. Er begann Garten und Pool zu meiden. Und er verlor den Blick für den blauen Himmel, für die Blumen, die wunderschön blühten und dufteten, für die Schönheiten der Natur und des Lebens. Ja, er verlor selbst das Verlangen nach einer Erfrischung in seinem Pool. Und er gab keine Grillabende mehr für sich und seine Freunde. Er dachte nur noch an seinen Rasen, der nun aussah wie ein vielgeflickter Teppich, hässlich und unansehnlich, und ihm jede Freude nahm.
Als er wieder einmal frühmorgens, über den Maulwurf fluchend, mit Schaufel und Eimer dessen Werk beseitigte, hörte er seinen Namen rufen. Suchend blickte er sich um. Und entdeckte prompt einen Maulwurf, der aus einem der Erdhügel guckte. Schnaubend wollte er das Viech mit seiner Schaufel erschlagen. Aber er war wie versteinert, unfähig sich zu rühren, denn was nun geschah, konnte nicht mit rechten Dingen zugehen.
Denn der Maulwurf begann zu reden: Hör mich an, Mensch, was ich zu sagen habe. Warum fluchst du über uns Maulwürfe. Du hast es doch gut. Du lebst in Freiheit, an frischer Luft, unter weitem, blauem Himmel und Sonnenschein. Du
kannst gehen, wohin du willst, du kannst denken, was du willst, du kannst tun und lassen, was du willst, du bist frei. Wir leben nun mal anders als du. Du brauchst offensichtlich einen Pool unter freiem Himmel, wir brauchen unterirdische Gänge. Jedem das Seine. Du bist pensioniert und liegst gern an der Sonne. Du hast es dir verdient, schon klar. Ich grabe, das ist mein Lebensunterhalt, ich habe kein Pensionsalter. Und irgendwohin muss ich ja wohl hin mit der Erde aus den Gängen. Darum die vielen Erdhügel. Aber ich grabe nicht deine Wasserleitungen an und ich kratze nicht am Wurzelwerk deiner Zierpflanzen. Lass mich mein Leben leben, Mensch. Jetzt bist du endlich frei vom Druck des Arbeitslebens, das sei dir gegönnt. Ich brauche aber auch meine Freiheit. Die habe ich in meinen unterirdischen Gängen. Du hast deine Vorstellungen von einem guten Leben, ich habe meine. Mensch, freu dich deines Lebens, denn glaub mir, sich selber einen Pool zu bauen und anderen dabei ihre Hügel zu nehmen: Das ist nicht das, was dich zu einem glücklichen Menschen gemacht haben wird, wenn du irgendwann mal auch unter der Erde liegst.
Mit diesen Worten verschwand der Maulwurf in einem der Gänge, warf ihm noch einen unsäglichen Blick zu und schloss den Gang mit einem Erdhügel. Am nächsten Morgen gab es für den Mann keine Erdhügel abzutragen und auch nie mehr danach. Der Maulwurf war weg. Aber seine Worte hallen bis heute in ihm nach.
URS HABEGGER verkauft
Surprise in der Bahnhofunterführung von Rapperswil. 2024 erschien sein erstes Buch «Am Rande mittendrin» im Elfundzehn Verlag. Es dreht sich rund um den Surprise-Verkauf und ist bereits in der dritten Auflage im Buchhandel.
TEXT KATHY MESSERLI
Die Menschen reden, ohne etwas auszusagen Sie urteilen, ohne sich selbst zu fragen Die Menschen schauen, ohne zu sehen welche Wahrheiten zwischen den Zeilen stehen
Wir werden getrieben von Leid und Krieg Uns wird erzählt, nur Waffen führen zum Sieg Überschüttet von Reizen und Informationen würde eine Auszeit in der Natur sich lohnen Um wieder zur eigenen Kraft zurückzufinden und zukünftige Hindernisse zu überwinden Den ersten Schritt müssen wir selbst machen um das Feuer in uns neu zu entfachen
KATHY MESSERLI ist Surprise Stadtführerin in Bern. Dort spricht sie über die Gewalt und den sexuellen Missbrauch, den sie als Kind erlebt hat. Sie schreibt auch für das Magazin Mascara der Kirchlichen Gassenarbeit Bern, das einen Einblick in das Leben auf der Gasse gibt.
TEXT NICOLAS GABRIEL
Die Hand
Die alles erschuf Steigt hinab um zum
über 2tausendsten Geburi eines
Weltenfreundes
Weltenfreude
Zu versprühen
Und tatsächlich:
Herzen glühen
Herzen öffnen sich
Öffnen sich dem Gottgeschenk
Öffnen sich dem Aufruf: «Denk!»
Denk Dir mal
Dass was Du kaufst
Immer gut ist, heilig gar Vorausgesetzt, Du erweisest
Diesen Sachen Ehr
Schau
Zum Gekauften
Genau
Verwerte es bis zum letzten Atemzug
Erst dann kauf Neues Mensch, sei klug!
NICOLAS GABRIEL verkauft das Strassenmagazin an der Uraniastrasse Zürich. Als Surprise Stadtführer erzählt er von seiner Liebe zur Literatur und davon, wie eine psychische Erkrankung in die Obdachlosigkeit führen kann. ANZEIGE 1/2 186 x 118 mm FIZ Fachstelle Frauenhandel
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Weihnachten verbringe ich vielleicht bei meiner Schwester. «Dieses Jahr machen wir uns keine Geschenke», heisst es dann immer vorher. Und dann geben sie mir trotzdem jedes Mal irgendetwas. «Du verdienst halt nicht so viel», sagen sie dann. «Es geht doch nicht ums Geld», gebe ich zur Antwort. «Es geht um die Freude und das Zusammensein.» Das sind doch die wahren Geschenke. Wertvolle Dinge, deren man sich oft gar nicht so bewusst ist. Dass ich überhaupt noch da und gesund bin zum Beispiel, ist ein solches Geschenk. Als Kind hatte ich täglich bis zu ein Dutzend epileptische Anfälle. Der Arzt in Chur gab
TEXT HEINI HASSLER
mir wenig Überlebenschancen, damals, in den 1960er-Jahren. In der Epi-Klinik in Zürich bekam ich dann 15 Tabletten pro Tag und jede Menge Valium. «Den Heini kriegst du nicht so schnell unter den Boden», sagte meine Mutter. «Der ist ein Kämpfer.» Und ich habe es geschafft.
Jeden Tag aufstehen und etwas Sinnvolles tun zu dürfen, nämlich Surprise zu verkaufen, das ist auch ein Geschenk. Oder meine Reise nach Alaska 2001, an die «Special Olympics» als Eiskunstläufer, das war für mich ein riesiges Geschenk. Ich gewann Bronze. Und vier Jahre später durfte ich nochmal teilnehmen, in Japan,
da holte ich Gold im Einzel und im Paarlauf Silber. Unvergesslich. «JAPAN» steht hinten auf meiner Regenjacke.
Diesen September war ich in Südkorea, an der Strassenfussball-WM, dem «Homeless World Cup». Auch so ein wunderbares Geschenk. Und wir durften die Jacken, die wir bekamen, verschenken oder tauschen. Ein Japaner wollte meine und gab mir dafür seine. Im Gegensatz zu meiner hat seine zwar keine Kapuze. Dafür ist allein schon der Tausch eine schöne Geschichte. Oder das hier: Ein Bekannter schenkte mir fürs Turnier in Südkorea eine Schweizer Fahne. Die liege bei ihm ja nur rum. In
Seoul hat dann das ganze Schweizer Team – alle Männer, Frauen und Coaches – für mich darauf unterschrieben. Die Fahne hängt jetzt in meinem Wohnzimmer an der Wand.
Geschenke kann man sich auch selber machen: Mit Dingen, die man sich wünscht und schliesslich erreicht. «Wenn ich etwas will», sage ich mir, «dann versuche ich es. Wenn ich es schaffe, umso schöner.» Ich bin in Ems aufgewachsen. Und ich wollte als Kind unbedingt bei der grossen Prozession an Fronleichnam dabei sein, wenn sie in alten Uniformen durchs Dorf gehen, in Erinnerung an die Schlacht der Bündner gegen die Franzosen von 1799. «Das kannst du nicht, wegen deiner Krankheit», sagte meine Mutter. Ich blieb hartnäckig und durfte schliesslich mitgehen, fünf Jahre war ich dabei. Und am Ende war ich der, der in der Kirche voller Weihrauch am besten durchhielt. Selbst ein Priester gab mal den Rücktritt, weil er den Weihrauch nicht vertrug.
Fällt Ihnen etwas auf? All die Geschenke, von denen ich hier schreibe, gibt es in keinem Laden zu kaufen. Es sind Erlebnisse, Begegnungen, unvergessliche Augenblicke. Sie verstauben nicht irgendwo in einem Regal, sie sind im Herzen und bleiben da. Es ist gar nicht so schwierig, sich und anderen solche Geschenke zu machen. Vielleicht lade ich an Weihnachten auch einen Kollegen zu mir nach Hause ein. Ich glaube, er wäre sonst allein.
HEINI HASSLER verkauft
Surprise in Chur und Zürich. Hätte er in seinem Leben viel Geld gehabt, hätte er trotzdem keine protzigen Geschenke gemacht, sondern es für gute Zwecke gespendet. Und ein bisschen was davon für seine Verwandten zurückbehalten.
«Es ist ein besonders schöner Teil meiner Arbeit, die Wirksamkeit unserer Angebote für die einzelnen Menschen zu erleben», sagt Co-Geschäftsleiterin Nicole Amacher.
Fokus
Als Co-Geschäftsleiterin habe ich bei Surprise immer gut gefüllte Arbeitstage. Auch wenn ich die Aufgaben sehr gerne erledige, geht es oft hektisch zu und her: E-Mails beantworten, Meetings abhalten, viele Anrufe und dazwischen Mitarbeiter*innen, die eine Frage haben – und schon ist wieder ein Tag um. In diesem Wirbel bin ich nicht jeden Tag so nahe an unseren Verkäufer*innen, Sänger*innen, Fussballer*innen oder Stadtführer*innen, um zu erleben, was unsere Arbeit bei ihnen im Alltag bewirkt.
Deshalb freut es mich immer besonders, wenn ich die Wirksamkeit unserer Angebote auf ganz anschauliche Art erleben darf. Zum Beispiel mit den Beiträgen im Heft, das Sie in den Händen halten. Die Autor*innen dieser Texte haben biografische Brüche erlebt. Manche mussten aus ihrer Heimat flüchten, andere haben gesundheitliche Probleme oder Mühe im Arbeitsmarkt. In unserer Textwerkstatt, in deren Kontext die Beiträge entstanden sind, geht es nicht darum, Talente zu entdecken oder Schreibkurse zu erteilen. Sondern darum, dass das Erarbeiten dieser Texte und das Erzählen an sich eine Form der Meinungsäusserung –oft marginalisierter Menschen – darstellt. So werden die unterschiedlichs-
ten Lebensrealitäten in unseren Köpfen präsent gehalten. Ausserdem ist diese Selbstermächtigung ein wichtiger Gegenpol zu den Ohnmachtsgefühlen, die gerade Menschen in prekären Lebenssituationen oft erleben.
Dass dies durchaus von Interesse für die breitere Öffentlichkeit ist, zeigt uns zurzeit auch ein Verkaufserfolg: Surprise-Verkäufer und -Kolumnist Urs Habegger hat – auf eigene Faust und ohne unser direktes Zutun übrigens –in diesem Jahr sein Buch «Am Rande mittendrin» im Elfundzehn Verlag veröffentlicht.
Zu erleben, dass unsere Arbeit armutsbetroffene und sozial ausgegrenzte Menschen ganz konkret unterstützt und stärkt, sind die schönsten Momente meiner Arbeit. Und wie Sie bestimmt wissen, ist diese Arbeit nur gemeinsam mit Ihnen möglich: Sie lesen unser Heft, Sie unterstützen unser Engagement und teilen unsere Überzeugung, dass wir gemeinsam etwas bewegen können in dieser Welt. Dafür danke ich Ihnen von ganzem Herzen. Und ich wünsche auch Ihnen, dass Sie im Alltag immer wieder solche wertvollen Momente erleben dürfen.
NICOLE AMACHER Co-Geschäftsleiterin Verein Surprise
TEXT LJILJANA AZIROVIC
Hinweis: Dieser Text erzählt von häuslicher Gewalt.
Ich habe in letzter Zeit oft darüber nachgedacht, einen kleinen Teil von meinem Leben mit Ihnen zu teilen. Ich finde es wichtig, weil Sie als meine Kund*innen auch zu meinem Leben gehören. So möchte ich, dass Sie mich besser kennenlernen.
Im Jahr 2002, neun Jahre nach dem Tod von meinem Ehemann und dem Vater meiner Kinder, lernte ich mit 46 Jahren in Serbien meinen zweiten Ehemann kennen, der damals aber bereits in der Schweiz lebte. Doch fiel es mir schwer, mich richtig auf einen Neuanfang einzulassen, ich trauerte auch nach so vielen Jahren immer noch um den Vater meiner Kinder. Trotzdem musste ich weiterleben, mit all dem Schmerz in der Brust, den ich mit mir trug. Als mein Ehemann starb, starb mit ihm auch ein Teil von mir. Ich hatte immerhin das Glück, dass mir mein Mann zwei Geschenke hinterlassen hatte, die mir die Kraft gaben, alles zu überstehen. Meine Kinder.
Ich heiratete in der Hoffnung, wieder nach vorne schauen zu können. Doch mein Schicksal meinte es nicht
gut mit mir. Nach der Heirat mit meinem zweiten Ehemann – meine Kinder waren schon ausgeflogen – zogen wir in die Schweiz. Unsere Ehe war gut, wir lebten in einer schönen Gegend in Rüti ZH mit vielen netten Menschen in der Nachbarschaft. Bis ich erfuhr, dass mein Ehemann grosse Schulden hatte. Er überredete mich dazu, dass ich mich verschulde, damit ich wiederum seine Schulden begleichen könne. Und ich tat es. Ich bezahlte all seine Schulden. Auch wenn ein Paar in einer Ehe die Schulden ja letztlich gemeinsam hat, schien für meinen Mann klar: Ich war diejenige, die Tag und Nacht arbeiten musste, um Geld zu verdienen. Ich arbeitete als Reinigungskraft in einem Altersheim und in einem Hotel, ich putzte dort Zimmer, die Küche, bügelte die Wäsche, ich arbeitete in einer Bäckerei und im Lager eines Kleidergeschäfts. Als ich ihn um Hilfe bat, sagte er zu mir: «Das sind doch deine Schulden! Du hättest früher nachdenken sollen!»
Ich war so jung und schon so müde vom Leben. Als wäre es nicht schon genug, erlitt mein Mann einen Schlaganfall. Nun musste ich ihn pflegen, ihm drei Mahlzeiten kochen. Mir liess er die Resten übrig, und danach musste
ich bis in die Nacht arbeiten. Gleichzeitig sollte ich rund um die Uhr für ihn da sein. Aber um angeln zu gehen, war er offenbar fit genug. Ich machte ihm die Angelrute parat – die er auch benutzte, um auf mich einzudreschen. Oft ging ich zu meinen Nachbar*innen, um sie um Geld zu bitten. Ich bettelte sie an, und selbst das war für mich leichter zu ertragen als der Gedanke im Hinterkopf, dass er mich wieder schlagen würde, falls ich ohne Geld und Zigaretten nach Hause käme. Er schlug mich mit der Faust so sehr ins Gesicht, dass mir kein einziger Zahn im Mund blieb. Ich brauchte eine Zahnsanierung. Die Angst war nun durchgehend da. Ich wurde depressiv, die stärksten Antidepressiva halfen mir nicht. Ich dachte an Suizid, nahm Schlaftabletten. Ich war verzweifelt, unter grösstem Druck, sah keine Zukunft mehr. Einmal sagte ich, ich würde springen. Er meinte bloss, tu was du willst, es ist mir egal. Ich rannte zum Fenster, er erschrak – vielleicht über mich, vielleicht über sich und seine Gleichgültigkeit –, er packte mich am Arm, zerrte mich zurück und schlug mich so sehr, dass mehrere Wirbel gequetscht wurden. Er sperrte mich in einem kleinen Zimmer ein. Weinend rief ich meinen Sohn an, der unterdessen in Österreich lebte. Es waren dann mein Sohn und meine Tochter, die mir halfen, mich scheiden zu lassen, und mich erlösten.
«Ich glaube, das Leben von uns allen ist eine Bestimmung. Es wird in Kapiteln geschrieben wie ein Buch. Und ANZEIGEN
wenn ein Kapitel endet, endet nicht das ganze Buch», hat meine Enkelin einmal gesagt. So endete ein Kapitel in meinem Leben, und ich konnte mich auf die neuen und schönen Kapitel freuen. Mein Leben war zeitweise sehr schwer, aber ich habe nicht aufgegeben. Für meine Kinder, die – egal, wie alt sie sind – ihre Mutter brauchen. Und ihre Mutter braucht sie. Ich sage oft: «Ich habe kein Geld, aber ich bin eine reiche Frau. Ich habe meine Kinder!»
Ich erzähle Ihnen das nicht, um Sie traurig zu machen, sondern damit wir uns kennenlernen. Und um Ihnen zu danken. Denn Sie alle zaubern ein Lächeln auf mein Gesicht, auch wenn Sie nichts kaufen. Die Freundlichkeit und die wohlwollenden Blicke, das Sie mir schenken, kosten nichts, aber sie bedeuten mir sehr viel.
LJILJANA AZIROVIC verkauft Surprise in Uster. Sie wünscht allen erfüllende Festtage, Glück, Freude – und viele schöne Kapitel im Leben.
Erleben Sie Gewalt? Unterstützung finden Sie unter opferhilfe-schweiz.ch/de/wo-finde-ich-hilfe oder stopfemizid.ch/kontaktliste. Und Kinder sowie Jugendliche unter 147.ch von Pro Juventute.
Üben Sie Gewalt aus? Unterstützung finden Sie beim Fachverband Gewaltberatung Schweiz: fvgs.ch/Fachstellen.html
TEXT HANS RHYNER
Heute ist Montag, der 11. November. Heute gehe ich zum 251. Mal in diesem Jahr zu Fuss auf den Uetliberg. Ich starte wie meistens beim Albisgüetli. Hier steht schon bald wieder der «Pfuusbus» vom Sozialwerk Pfarrer Sieber. Und wird wieder gut besucht sein. Hier habe ich mit Pfarrer Sieber und vielen anderen vor Jahren mal einen schönen Abend verbracht. Es war allerdings die Zeit, als ich noch getrunken habe. Draussen durfte man, drinnen im Bus nicht. Seit zehn Jahren bin ich zum Glück trocken. Es ist neblig und kühl heute. Wenige Leute sind unterwegs. Über die Kolbenhofstrasse gehe ich bergwärts, am Hof vorbei, dem kleinen Bach entlang. Die Gänge auf den Berg sind mein Ausgleich zum Heftverkauf, ich kann abschalten, die Gedanken kommen und gehen lassen. Etwas beschäftigt mich: In der reichen Stadt Zug, wo ich oft Surprise verkaufe, begegnen mir immer mehr Leute, die von Armut betroffen sind, ohne eigenes Verschulden. Ältere Frauen zum Beispiel, der Mann ist gestorben, sie leben von ein bisschen Rente, manchmal drücken sie mir einen Fünfliber in die Hand, aber alle zwei Wochen ein Heft zu kaufen, liegt für sie nicht drin. Und täglich werde ich etliche Male angebettelt. Dann singe ich ihnen das Lied vor von Rumpelstilz mit Lead-Sänger Polo Hofer: «Bini gopfriedstutz e Kiosk? Oder bini öppen e Bank? Oder gsehni us wienes Hotel? Oder wiene Kasseschrank?» Auch ich muss schauen für meine Brötchen. Mir wurde die Armut quasi in die Wiege gelegt. Jetzt biege ich ein auf den Denzlerweg, den sogenannten Brötliweg. Benannt nach
dem Zürcher Bäcker Felix Denzler. Von seiner Bäckerei an der Augustinergasse aus lieferte er vor hundert Jahren das tägliche Brot über den steilen Weg hinauf zum Berggasthof Uto Kulm. Man sagt, er sei den Weg etwa 4000 Mal gegangen. Nun, da kann ich mithalten. Alleine dieses Jahr bin ich, was die Höhenmeter angeht, schon elf Mal vom Meer auf den Mount Everest gelaufen. Wobei, dort oben wäre mir die Luft entschieden zu dünn. Ich bin 70 Jahre alt. Und dünn ist die Luft für mich auch hierzuland. Ich muss noch dran denken, zum SBB-Schalter zu gehen, sie haben mir 30 Franken zu viel fürs Abo berechnet. Die Krankenkasse ist um 41 Franken gestiegen, ich muss die Verbilligung wieder beantragen. Der Verkauf des Elternhauses steht an, der Notar braucht eine zweite Vorauszahlung für seine Arbeit. Viel wird beim Verkauf nicht herausschauen, geteilt durch fünf, und es kommt leider dazu, dass die Erbengemeinschaft zerstritten ist. Mein Geldstock schrumpft.
Der Weg wird steiler, die Bäume stehen stumm, es ist still, nur vereinzelte Rufe von Vögeln. Ich bleibe kurz stehen und schaue zurück auf die Stadt. Da wird bald wieder Weihnachten gefeiert, himmelhochjauchzend, all die Lieder, all die Geschenke. Gut, das Konsumgeschrei in den Schaufenstern macht mir nichts, ich will das Zeugs ja gar nicht. Ich beklage mich nicht. Ich habe ein Dach über dem Kopf, jeden Tag mindestens eine gute Mahlzeit, eine Arbeit, der ich nachgehen darf, bin nie krank, und von der Frau in der Augenarztpraxis, ihr Mann ist Gipser und wie
ich mit robuster Statur, bekomme ich zwei gute Jacken für den Winter.
Jetzt wird es richtig steil, ich komme ins Schnaufen. Früher habe ich das Glück manchmal herausgefordert. Habe Lotto gespielt. Einmal habe ich mit der deutschen Elferwette 14 000 Mark gewonnen. Die habe ich dann gleich quasi flüssig umgesetzt. Heute reicht mir ab und zu ein Jass im Surprise-Büro. Der grösste Teil des Aufstiegs ist geschafft. Jetzt geht’s der Höhenkurve nach, Richtung Clarida-Hütte. Ich sehe sie täglich, auf der Strasse. Meine Spiegelbilder. Die Menschen, die die Kurve nicht gekriegt haben. Sie tun mir leid. Aber ich kann sie nicht retten. Jetzt bin ich bei der Hütte, zweige links ab, nochmal geht’s steil hoch, zum Fernsehturm. Jeden Morgen gehe ich einen Moment in mich, mache eine kurze Meditation, dann plane ich meinen Tag. Morgens Heftverkauf in Zug oder Schaffhausen, dann, auf dem Heimweg, packt mich oft die Lust, auf den Berg zu gehen. Eine Stunde habe ich, maximal eineinhalb, für den Weg hinauf. Wenn das Wetter klar ist, sieht man von oben die ganzen Berge, Berner Alpen, Glarner Alpen. Den Glärnisch, meinen Hausberg von früher. Aber das Glarnerland ist kein Ort mehr für mich, seit meine Mutter nicht mehr da ist. Wenn ich sie besuchte, kochte sie mir immer mein Lieblingsessen. Gschwellti mit Käse.
Jetzt bin ich oben. Ich trinke einen Kaffee. Die Sonne drückt bleich durch den Nebel. Ich atme tief. Ich bin zufrieden. Im Grunde bin ich ein reicher Mensch.
HANS RHYNER verkauft Surprise in Zug und Schaffhausen. Lange war er Surprise Stadtführer und erlebte etliche Zuhörer*innen, die überrascht waren zu erfahren, wie viel Armut es auch in Zürich gibt. Kein Wunder, findet er: Die meisten sozialen Anlaufstellen sind in Aussenquartieren. Die teure Weihnachtsbeleuchtung an der Bahnhofstrasse dagegen ist mittendrin.
TEXT SEYNAB ALI ISSE
Ich weiss, ich bin oft kritisch in meinen Kolumnen, beklage mich über Missstände, über Schwierigkeiten in meinem Leben in der Schweiz. Aber tief in meinem Herzen, da bin ich dankbar. Und Weihnachten ist eine gute Zeit, um sich dessen bewusst zu werden. Um einmal Danke zu sagen. Zuallererst bedanke ich mich bei Surprise. Ohne Surprise hätte ich nie all diese wunderbaren Menschen kennengelernt. All die Leute, die mir schon geholfen haben, die mich unterstützen, waren und sind Kund*innen von mir, kaufen mir Hefte ab. Edwin und Dorette zum Beispiel, sie habe ich vor der Migros in Effretikon getroffen. Sie sind inzwischen zu meinen zweiten Eltern geworden. Ich spüre sie förmlich links und rechts von mir, wie sie mir im wörtlichen Sinn schützend zur Seite stehen. Sie kennen mich so gut, dass sie in meinem Gesicht lesen können, wie es mir geht. Es gibt wenige Menschen, von denen man das sagen kann. Sie sind schon älter mittlerweile, aber ich hoffe, dass wir auch an Weihnachten wieder zusammenkommen werden. Oder Irmela, die mich mit einem Notfall-Zahnproblem nach Deutschland brachte und kurzerhand die Kosten übernahm. Und ap-
ropos Zahnproblem: Marcel, der mich eines Tages mit geschwollener Wange Hefte verkaufen sah und zu Dominik brachte, einem befreundeten Zahnarzt in Winterthur. Die beiden teilten sich die Kosten, und Dominik bietet mir seither jedes halbe Jahr eine gratis Kontrolle an. Und Stefan vom «Café Himmelwiit» im Pfarreizentrum Effretikon, wo ich immer einen Kaffee bekomme, den mir andere dank der Aktion «Café Surprise» spendieren, und jeden Donnerstag ein freies Mittagessen. Und natürlich Désirée. Kaum ist ein neues Heft draussen, sehen wir uns vor der Migros, und immer hat sie ein kleines Geschenk für mich dabei oder einen extra Batzen, und dann lädt sie mich ein zum Frühstück, und wenn ich mal nicht da bin, dann deponiert sie alles beim Info-Dienst im Laden, und umgekehrt deponiere ich ein Heft dort für sie. Und Barbara, die Physiotherapeutin, der ich von meinem Bruder erzählte, der in Italien lebt und seit einem Schlaganfall Pflege braucht. Sie tat sich mit anderen Frauen zusammen, Gabriella und Françoise, sie überweisen jeden Monat Geld nach Italien, um ihn zu unterstützen. Die Tochter von Gabriella arbeitet bei der UNO in Genf und hat wertvolle
Kontakte herstellen können zum Spital in Italien. Françoise war Lehrerin, sie gab mir lange Zeit privat und gratis Deutschunterricht. Dann Simone, die Apothekerin, sie half mir mit Medikamenten, als meine Mutter krank war. Und Regula, Helena, Christina und Judith, auch sie standen meiner Mutter bei, und nach deren Tod blieben sie mit mir verbunden. Bruno, ein Freund von Helena, half mir beim Umzug von Effretikon nach Winterthur. Guido sucht zurzeit eine Lehrstelle für meine Tochter, sie lebt mit einer Autismus-Spektrum-Störung, und es ist schwierig, für sie einen guten Platz zu finden. Bleib ruhig, sagt Guido immer zu mir, bleib ruhig, Seynab, ich schaue dafür. Und Roda natürlich, meine Landsfrau. Wann immer ich ein Problem habe, kann ich sie anrufen. Sie ist wie eine Schwester für mich. Und sie übersetzt alles für mich, was ich nicht verstehe. Dann Brigitta, die mich auf die Domenica Pfenninger-Stiftung aufmerksam gemacht hat, und Felix von dieser Stiftung, der mir so geholfen hat. Und Tina, die über mich geschrieben hat, im Buch «Frauen auf der Flucht». Dann noch Andrea. Und Elisabeth und Lisa. Und Lydia. Und Esther, Annemarie, Regina, Sabine, Chris-
toph, Fernando, Susanne. Und so viele mehr. Sie alle sind meine Schwestern, meine Brüder, meine Eltern, meine Freund*innen. Meine Heimat. Manchmal fällt es mir schwer, all die Hilfe anzunehmen, dieses Glück zu fassen. Roda sagt dann, ich hätte ein so grosses Herz, da hätten alle Platz drin. Also sage ich einfach Danke. Danke all meinen Kund*innen! Ich wüsste nicht, was ich ohne euch machen würde. Ja, ich bin dankbar. Und ja, ich bin glücklich. Frohe Weihnachten!
Dieser Text wurde von Roda Isaac von Somali ins Deutsche übersetzt – wie alle Texte von Seynab Ali Isse, die bei uns im Heft erscheinen.
SEYNAB ALI ISSE ist Surprise-Verkäuferin. Als Muslima feiert sie Weihnachten eigentlich nicht. Mit ihren Freund*innen an ihrem Wohnort trifft sie sich trotzdem zum Fest.
TEXT MICHAEL HOFER
Jetzt sind die Tage in der nördlichen Hälfte der Erdkugel am dunkelsten, und der Advent ist die Zeit, in der wir Surprise-Verkäufer*innen am meisten Trinkgeld erhalten. An Weihnachten feiern wir die Geburt von Jesus Christus. Gemäss Bibel sollte es das Fest der Besinnlichkeit sein.
Die Kehrseite der Besinnlichkeit und Grosszügigkeit sieht so aus: Die Handelsfirmen nutzen die Zeit aus, um dank Weihnachten ein dickes Geschäft zu machen. Je nach Beruf arbeiten manche jetzt im Advent besonders viel. Andere müssen genau die richtigen Produkte finden und die ganz bestimmten Marken für ihre Liebsten auftreiben. Göttis und Gotten haben Verpflichtungen. Sie müssen schauen, dass sie nicht als Geizkrägen dastehen. Nicht zu viel, nicht zu wenig soll es sein, und vor allem: genau das Richtige. Der soziale Druck staut sich auf. Viele Menschen sind gestresst, weil sie wollen, dass die Weihnachtsfeier nach Plan läuft.
Dann, am 25. Dezember, sind die Strassen plötzlich leer. Wo vorher noch Spielzeug und Pralinés gekauft wurden, wo die Ladenpassagen und Strassen vollgestopft waren –nichts mehr. Die Geschäfte sind zu. Die Cafés geschlossen.
Kein Stress mehr, aber auch kein Leben mehr. Die Menschen sind wie vom Erdboden verschluckt.
Erinnerungen an diese Leere der Festtage habe ich noch von früher. Als ich ein Kind war, fuhren wir am 24. Dezember immer am Abend spät in einem fast leeren Schnellzug von meinen Verwandten in Lenzburg nach Zürich und dann weiter in einer fast leeren S-Bahn zurück nach Hause in Effretikon. Die Städte und die Agglomerationen im Mittelland waren wie leergefegt. Diese Leere draussen – sie gehört zu Weihnachten, seit ich denken kann.
Ja, aber wo sind sie denn, all diese Menschen, die gerade noch in Massen herumrannten?
Das weiss ich zufälligerweise, weil ich Mitte 20 während eineinhalb Jahren im Hotel meiner Tante gearbeitet habe. Das war in Crans-Montana im Wallis. Wir hatten während der Feiertage immer Hochbetrieb, das Hotel war voll bis auf das letzte Bett.
Es gab hier auch ein Kino, da liefen die gleichen Filme wie im Mittelland. Wenn das Wetter mal nicht so schön war, ging man hin. Crans-Montana hat jeweils für ein paar Tage im Jahr die Infrastruktur einer Grossstadt, die Strassen sind befahren, die Restaurants gefüllt, alles wird kurzerhand hochgefahren. Und das kostet an einem Ort, der im Normalbetrieb gar nicht dafür ausgerüstet ist –deswegen gibt es die Kurtaxe: um den Aufwand zu stemmen während der Hochsaison.
Denn sonst ist tote Hose. Geschlossene Fensterläden, Storen unten.
Crans-Montana ist ein Skiort. Im Sommer findet hier das Golfturnier statt und im Winter fährt man Ski, Alpin und Langlauf. Ich weiss also, wo all diese Menschen sind, die am Nachmittag des 24. Dezember im Mittelland noch durch die Strassen rannten: Sie fahren ab dem 25. zum Beispiel in Crans-Montana die Piste hinunter.
Das Gerangel ist dasselbe wie im Neumarkt Oerlikon, wo ich Surprise verkaufe. Einfach ein paar Tausend Meter höher.
MICHAEL HOFER verkauft Surprise in Zürich Oerlikon. Er muss sich noch überlegen, was er zu Weihnachten verschenken möchte.
BETEILIGTE CAFÉS
IN AARAU Naturama Aargau, Feerstr. 17 | the green corner, Rain 27 IN ALSTÄTTEN Familien- und Begegnungszentrum Reburg, Rathausplatz 1 Zwischennutzung Gärtnerei, Schöntalstr. 5a IN ARLESHEIM Café Einzigartig, Ermittagestr. 2 IN BAAR Elefant, Dorfstr. 1 IN BACHENBÜLACH Kafi Linde, Bachstr. 10 IN BASEL Bäckerei KULT, Riehentorstr. 18 & Elsässerstr. 43 | BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Barista Bar Basel, Schneidergasse 16 | Bioladen Feigenbaum, Wielandplatz 8 | Bohemia, Dornacherstr. 255 | Café Spalentor, Missionsstr. 1 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12 | Eiscafé Acero, Mörsbergerstr. 2 Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | FAZ Gundeli, Dornacherstr. 192 | Flore, Klybeckstr. 5 | frühling, Klybeckstr. 69 | Haltestelle, Gempenstr. 5 | HausBAR Markthalle, Steinentorberg 20 | KLARA, Clarastr. 13 | L’Ultimo Bacio Gundeli, Güterstr. 199 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreffpunkt Hirzbrunnen, Im Rheinacker 15 | Quartiertreff Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 | Quartiertreff Lola, Lothringerstr. 63 | Shöp, Gärtnerstr. 46 | Tellplatz 3, Tellplatz 3 Treffpunkt Breite, Zürcherstr. 149 | Wirth’s Huus, Colmarerstr. 10 IN BERN Äss-Bar, Marktgasse 19 | Becanto, Bethlehemstr. 183 | Boulderbad Muubeeri, Maulbeerstrasse 14 | Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Burgunderbar, Speichergasse 15 | Café Kairo, Dammweg 43 | Café Paulus, Freiestr. 20 | DOCK8, Holligerhof 8 | Dreigänger, Waldeggstr. 27 | Generationenhaus, Bahnhofplatz 2 | Hallers brasserie, Hallerstr. 33 | Kinderkiosk, Monbijoupark | Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa, Lorrainestr. 23 | Löscher, Viktoriastr. 70 | Luna Lena, Scheibenstr. 39 | MARTA, Kramgasse 8 | MondiaL, Eymattstr. 2b | Phil’s Coffee to go, Standstr. 34 | Restaurant Du Nord, Lorrainestrasse 2 | Rösterei, Güterstr. 6 | Sous le Pont, Neubrückstr. 8 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Tscharni, Waldmannstr. 17a IN BIEL Äss-Bar, Rue du Marché 27 | Genusskrämerei, Rathausgässli 4 | Inizio, Freiestrasse 2 | Treffpunkt Perron bleu, Florastrasse 32 IN BURGDORF Bohnenrad, Bahnhofplatz & Kronenplatz | KafiFritz, mobiles Kaffee-Dreirad IN CHUR KULTURPUNKT, Planaterrastrasse 11 IN DIETIKON Mis Kaffi, Bremgartnerstr. 3a IN HAUSEN AM ALBIS Café Palaver, Törlenmatt 1 IN LENZBURG Chlistadt Kafi, Aavorstadt 40 | feines Kleines, Rathausgasse 18 IN LIESTAL Bistro im Jurtensommer, Rheinstr. 20b IN LUZERN Arlecchino, Habsburgerstr. 23 | Bistro Vogelgärtli, Sempacherstr. 10 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Markt Wärchbrogg, Alpenquai 4 & Baselstr. 66 | Meyer Kulturbeiz & Mairübe, Bundesplatz 3 Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 | Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Rest. Wärchbrogg, Alpenquai 4 | Sommerbad Volière, Inseliquai IN MÜNCHENSTEIN Bücher- und Musikbörse, Emil-Frey-Str. 159 IN NIEDERDORF Märtkaffi am Fritigmärt IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestr. 47 IN OBERWIL IM SIMMENTAL Gasthaus Rossberg, Rossberg 557 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 | KULTURLABOR.sh, Bachstrasse 27 IN STEFFISBURG Offenes Höchhus, Höchhusweg 17 IN ST. GALLEN Barista Bar Hauptbahnhof, Bahnhofplatz 5 | DenkBar, Gallusstr. 11 | Schwarzer Engel, Engelgasse 22 S’Kafi, Langgasse 11 IN SUHR Alter Konsum, Bachstrasse 72 IN THUN Alpenrösli, Allmendstrasse 16 IN UEKEN Marco’s Dorfladen, Hauptstr. 26 IN UETIKON AM SEE Fridies Cafi-Bar, Weingartenstrasse 1 IN USTER al gusto, Zürichstrasse 30 Kafi Domino, Gerbestrasse 8 IN WIL Caritas Markt, Ob. Bahnhofstr. 27 IN WINTERTHUR Bistro Sein, Industriestr. 1 IN ZOLLIKOFEN Café Mondial, Bernstrasse 178 IN ZUG Bauhütte, Kirchenstr. 9 | Podium 41, Chamerstr. 41 IN ZÜRICH Barista Bar Sihlpost, Kasernenstrasse 97 | Bistro Karl der Grosse, Kirchgasse 14 | Café Noir, Neugasse 33 | Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | das GLEIS, Zollstr. 121 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 | Freud, Schaffhauserstr. 118 | GZ Bachwiesen, Bachwiesenstr. 40 | GZ Wipkingen, Breitensteinstr. 19a | GZ Witikon, Witikonerstr. 405 | jenseits im Viadukt, Viaduktstr. 65 | Kiosk Sihlhölzlipark, Manessestr. 51 Kleinwäscherei, Neue Hard 12 | Kumo6, Bucheggplatz 4a | Quartiertr. Enge, Gablerstr. 20 | Quartierzentr. Schütze, Heinrichstr. 238 | Sport Bar Cafeteria, Kanzleistr. 76 | Täglichbrot, Friesenbergplatz 5 | Zum guten Heinrich Bistro, Birmensdorferstr. 431
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Seit fast 20 Jahren verkauft Urs Habegger Surprise. Habeggers Bericht über seine vielen Begegnungen an seinem Standort sind faszinierend. Sein berührender Blick auf die Menschen regt zum Nachdenken an.
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Schweizer Alpen-Club SAC, Basel
Hofstetter Holding AG, Bern movaplan GmbH
hypnose-punkt.ch
Arbeitssicherheit Zehnder, Zürich
Restaurant Rössli Beiz Stäfa
FairSilk Social Enterprise, www.fairsilk.ch
Madlen Blösch, Geld & so, Basel
Maya Recordings, Oberstammheim
Atem-Fachschule Lika, Stilli bei Brugg
Napura GmbH, Neuheim
Scherrer + Partner GmbH
Lebensraum Interlaken, Interlaken hervorragend.ch | Grusskartenshop
Kaiser Software GmbH, Bern
Buchhaltungsbüro Balz Christen, Dübendorf Kiosk Badi Buus – Nicole Altorfer-Dehning
Gemeinnützige Frauen Aarau
TopPharm Apotheke Paradeplatz Zürich
Automation Partner AG, Rheinau
Anyweb AG, Zürich
Beat Vogel – Fundraising-Datenbanken, Zürich
Gemeinnütziger Frauenverein Nidau
Hausarztpraxis Tannenhof, Tann-Rüti
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Einige unserer Verkäufer*innen leben fast ausschliesslich vom Heftverkauf und verzichten auf Sozialhilfe. Surprise bestärkt sie in ihrer Unabhängigkeit. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkäufer*innen zusätzliche Unterstützung. Sie erhalten ein Abonnement für den Nahverkehr, Ferienzuschlag und eine Grundausstattung an Verkaufskleidung. Zudem können bei finanziellen Notlagen aber auch für Gesundheits- oder Weiterbildungskosten weitere Unterstützungsbeiträge ausgerichtet werden. Die Programmteilnehmer*innen werden von den Sozialarbeiter*innen bei Surprise eng begleitet.
Eine von vielen Geschichten Lange bemühte sich Haimanot Mesfin um eine feste Arbeitsstelle in der Schweiz, doch mit einem F-Ausweis sind die Chancen klein. Sozialhilfe kam für sie nie in Frage – sie wollte stets selbstständig im Leben auskommen. Aus diesem Grund verkauft Haimanot Mesfin seit über zehn Jahren das Surprise Strassenmagazin am Bahnhof Bern. Dort steht sie bereits früh morgens und verkauft ihre Magazine. Das Begleitprogramm SurPlus unterstützt sie dabei mit einem ÖV-Abo sowie Ferienund Krankentaggelder. Dank der Begleitung auf dem Berner Surprise-Büro hat sie eine neue Wohnung gefunden. Nach langer Zeit in einer 1-Zimmer-Wohnung haben sie und ihr Sohn nun endlich etwas mehr Platz zu Hause.
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#Sozialer Stadtrund g an g Bern mit Kathy Messerli «Hut ab»
Die soziale Stadttour mit Kathy Messerli hat Tiefgang, macht nachdenklich, bleibt nachhaltig in Erinnerung und vergeht wie im Flug. Ich bin schwer beeindruckt, mit wie viel Präsenz und welcher Offenheit Kathy Messerli Einblick in ihre Lebensgeschichte gewährt. Hut ab vor der Leistung: derjenigen in der intensiven Vorbereitung und auch derjenigen an jedem einzelnen TourTag. Hervorheben möchte ich insbesondere auch noch den überzeugenden poetischen Beitrag über die chronischen Schmerzen – schön, dass sie dieses Talent nutzt (und noch schöner, da es das Andenken an ihre Grossmutter ehrt).
MONIKA BLUNSCHI, Bern
#Sozialer Stadtrund g an g Zürich mit Sandra Brühlmann «Ehrlich und heftig»
Sandra Brühlmann hat sehr verständlich erklärt, wie schnell es gehen kann, dass man in eine Abwärtsspirale gelangt. Ihre Geschichte ist ehrlich und heftig. Umso mehr freut es mich, dass es Sandra gelungen ist, einen Ausweg aus der Sucht zu finden und ihre psychische Verfassung zu stabilisieren.
ANNA KREIS, Zürich
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Mitarbeitende dieser Ausgabe
Seynab Ali Isse, Ljiljana Azirovic, Nicolas Gabriel, Urs Habegger, Measho Hadera, Heini Hassler, Michael Hofer, Ruben Hollinger, Pär Ljung, Kathy Messerli, Cora Meyer, Karin Pacozzi, Sandra Pandevski, Hans Rhyner
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#Sozialer Stadtrundgang Basel mit Heiko Schmitz und Tito Ries «Was wichtig ist im Leben»
Heiko Schmitz, Tito Ries, was soll ich sagen … Sie haben die Tour begonnen mit «wenn ich während dieser Tour eure Augen öffnen kann, habe ich das Ziel meiner Reise am Ende erreicht», und ihre Geschichten sind mir so nahe gegangen, dass ich Basel und vieles andere nun mit anderen Augen sehe. Zuhause hab ich als Erstes meine Familie fest umarmt. Danke, dass die Stadtführenden uns mehr als eindrücklich gezeigt haben, was wichtig ist im Leben. Ich werde die Tour jedem empfehlen.
MATTHIAS HESKAMP, Zeiningen
#Sozialer Stadtrund g an g Bern mit Ro g er Meier
«Ein grösseres Verständnis»
Die Biografie von Roger Meier hat mich sehr berührt. Mit seiner offenen, ehrlichen Art hat er uns Einblicke in ein Leben gegeben, dass fern von dem ist, was ich aus meinem Umfeld kenne. Ich bin dankbar dafür, dass ich nun ein grösseres Verständnis und eine geringere Hemmschwelle gegenüber obdachlosen Menschen habe.
SILVANA SIGG, Bern
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Internationales Verkäufer*innen-Porträt
«Als ich 14 war, flohen meine Geschwister und ich mit unserer Mutter von Somalia nach Kenia. Meiner Mutter ging es nicht gut, und so kam ich in ein Heim. Ein paar ältere Männer brachten mir bei, wie man mit Motoren arbeitet, ich wurde mit Zigaretten und Qat bezahlt (Blätter eines Strauches mit leicht berauschender Wirkung, Anm. d. Red.). Ich habe eine Menge Qat gekaut.
Irgendwie habe ich es geschafft, nach Göteborg in Schweden zu gelangen. Als ich ankam, war ich so schwer an Malaria erkrankt, dass die Ärzt*innen sagten, es sei ein Wunder, dass ich überlebt hatte. Meine Mutter und meine Schwester lebten bereits hier, und ich kam in die Schule. Nach nur sechs Monaten konnte ich mich bereits auf Schwedisch verständigen.
Als meine Mutter weg war, um meinen Bruder in England zu besuchen, begann ich in Lebensmittelläden zu stehlen. Mit zwei anderen raubte ich einen Tabakladen in Falkenberg aus. Wir erbeuteten 60 000 Kronen (rund 4800 Franken, Anm. d. Red.). Sie begingen den nächsten Raubüberfall ohne mich. Dabei wurden sie erwischt.
Einem der Männer wurde eine geringere Strafe versprochen, wenn er verriete, wer in Falkenberg beteiligt war. Das tat er – und ich wurde ebenfalls inhaftiert. Ich wurde in einer Sicherheitseinrichtung in Lidköping untergebracht. Ich war der einzige Afrikaner dort, ich war dem Personal gegenüber verschlossen. Nach einem Jahr oder so bekam ich die Möglichkeit, in der Schreinerei zu arbeiten, und langsam traute ich mich, mich zu öffnen. Schliesslich wurde ich in eine offene Einrichtung verlegt, und dort änderte sich viel. Wir spielten Fussball, machten Ausflüge, ich lernte sogar Skifahren.
Als ich nach Göteborg zurückkehrte, zog ich zu einem kenianischen Mann, der einen Sohn in meinem Alter hatte. In der Sekundarschule habe ich Fahrzeugmechanik gelernt und Transportwesen gebüffelt. Leider hatte ich einen rassistischen Lehrer. Wegen ihm habe ich die Schule abgebrochen. Ich fand einen Job als Geräteverwalter bei McDonald’s und bekam eine Wohnung. Ich verdiente nur 56 Kronen pro Stunde (umgerechnet 4.50 Franken, Anm. d. Red.) und meine Bitte um eine Gehaltserhöhung wurde abgelehnt, also kündigte ich.
Ich machte die Nacht zum Tag und begann, Haschisch und Ecstasy zu verkaufen. Dann fand ich eine Stelle als Monteur. Ich hörte mit den Drogen auf und alles lief wieder gut. Ich kaufte mir sogar einen Audi A3.
Yusuf, 47, verkauft das schwedische Strassenmagazin Faktum in Göteborg. Bis vor Kurzem arbeitete er als Schweisser.
2007 bekam ich eine Festanstellung bei Volvo. Doch beim grossen Stellenabbau 2008 verlor ich meinen Job –und meine Wohnung. Ich geriet an Freunde aus einer düsteren Welt und das Leben wurde wieder chaotisch. Ich schlief tagsüber in einem Auto und stahl nachts Kupfer. Ich wurde wegen eines Gewaltverbrechens verurteilt und landete wieder im Gefängnis. Die Ärzt*innen diagnostizierten eine schwere Form von ADHS. Ich bekam Medikamente verschrieben und verstand endlich, warum ich so bin, wie ich bin.
Im Gefängnis nahm ich an einem Schweisserkurs teil, wurde nach dreieinhalb Jahren entlassen und bekam eine Unterkunft auf ‹Betelskeppet› (einem Wohnprojekt für Obdachlose auf einem Schiff in Göteborg, Anm. d. Red.). Schliesslich bekam ich probehalber eine Wohnung gestellt, und arbeitete als Schweisser für die Stadt Göteborg. Das Projekt dauerte drei Jahre, aber jetzt bin ich seit acht Monaten arbeitslos. Die Destruktivität ist wieder da, aber nicht in der gleichen Weise. Ich habe einen Vertrag für eine neue Wohnung und habe angefangen, Faktum zu verkaufen. Vielleicht ist es eine Zwischenstation, aber im Moment ist es gut für mich.»
Aufgezeichnet von SANDRA PANDEVSKI Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von FAKTUM / INSP.NGO
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210 x 280 mm
Der Verkauf des Strassenmagazins Surprise ist eine sehr niederschwellige Möglichkeit, einer
Eigeninserat: Falschverkäufe
Arbeit nachzugehen und den sozialen Anschluss wiederzufinden.
Alle
Ein
Strassenmagazin kostet 8 Franken. Die Hälfte davon geht an den*die Verkäufer*in, die andere Hälfte an den Verein Surprise.
Das Heft erscheint alle 2 Wochen. Ältere Ausgaben werden nicht verkauft.
Verkäufer*innen tragen gut sichtbar einen Verkaufspass mit einer persönlichen Verkaufsnummer. Diese ist identisch mit der Nummer auf dem Magazin.
info@surprise.ngo
Und helfen Sie damit armen Kleinbäuerinnen.
hilfe-schenken.ch