Im Rausch gefangen
Ein Heft über Menschen zwischen Hoffnung und Angst.
Seite 8
Der Verkauf des Strassenmagazins Surprise ist eine sehr niederschwellige Möglichkeit, einer
Arbeit nachzugehen und den sozialen Anschluss wiederzufinden.
Alle
Ein
Strassenmagazin kostet 8 Franken.
Die Hälfte davon geht an den*die Verkäufer*in, die andere Hälfte an den Verein Surprise.
Das Heft erscheint alle 2 Wochen. Ältere Ausgaben werden nicht verkauft.
Verkäufer*innen tragen gut sichtbar einen Verkaufspass mit einer persönlichen Verkaufsnummer. Diese ist identisch mit der Nummer auf dem Magazin.
info@surprise.ngo
Auf der Suche
Wann waren Sie zuletzt berauscht? Hin und weg, so ganz glückselig? Und haben sich gedacht: Wenn das doch bloss nicht vorübergeht, dieses Gefühl! Oder darauf gehofft, dass es wiederkommt.
Das Bedürfnis, sich zu berauschen, steckt tief in uns. Wir suchen den Rausch im Sport, in Musik und Tanz, im Spiel, in der Liebe, der Spiritualität, der Kunst – und auch im Konsum verschiedener Substanzen. Einige tun Letzteres aus Neugier, andere aus Kummer, manche wollen etwas verdrängen oder, im Gegenteil, endlich zu sich finden. Was auch die Gründe sind für den Rausch, dahinter steht meist eine Hoffnung – wenn nicht grad nach einem besseren Leben, so doch nach Veränderung der Situation hier und jetzt.
In diesem Heft widmen wir der rauschhaften Suche einen Schwerpunkt: Wir haben uns mit Jugendlichen getroffen, für
Sucht
8 Der Rausch
12 Leben
16 Hoffnungsloses
20 Endloser Entzug
die Rausch etwas Identitätsstiftendes hat, haben uns mit Anonymen Alkoholiker*innen an einen Tisch gesetzt und uns von einem, der eine Viertelmillion verzockt hat, das Faszinosum der Spielautomaten erklären lassen. Und dabei rasch gemerkt: Nicht nur der Übergang vom Rausch zur Sucht ist fliessend, sondern auch der von der Hoffnung zur Angst – einerlei, ob sie schon da war vor dem Rausch oder ob sie erst kommt mit dem Rausch: die Angst, immer mehr zu wollen, die Kontrolle zu verlieren, nicht mehr rauszukommen aus dem Strudel, für immer unfrei zu sein. Wie beim jungen Mann in unserem Porträt, der bereits seinen siebten Entzug hinter sich hat und der Frage, ob dies sein letzter sei, lieber ausweicht. Aus Erfahrung weiss er, wie eng verknüpft die Hoffnung, von der Sucht loszukommen, mit der Angst davor ist, was sein wird ohne den Rausch.
KLAUS PETRUS Redaktor
4 Aufgelesen
5 Na? Gut! Protest der Jugend
5 Vor Gericht Keine Panik auf der Titanic
6 Verkäufer*innenkolumne «Das nächste gewinnen wir!»
7 Moumouni antwortet Was täten Sie, wenn alle Probleme gelöst wären?
24 Kunst Stille Aktivistin
26 Veranstaltungen
27 Tour de Suisse Pörtner in Laufenburg
28 SurPlus Positive Firmen
29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren
30 SurprisePorträt «Kaum genug zum Leben»
Auf g elesen
News aus den über 90 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.
Gefährliche Droge
In drei Jahren nacheinander sind in den USA je über 100 000 Menschen an einer Überdosis gestorben. Rund zwei Drittel sind auf Fentanyl zurückzuführen. Das Schmerzmittel ist ein synthetisches Opioid, das bis zu hundertmal stärker wirkt als Morphium. Bereits zwei Milligramm können tödlich sein. Viele illegal hergestellte, verschreibungspflichtige Medikamente werden mit Fentanyl gestreckt, warnte die USDrogenbehörde DEA.
In Alabama, das neben Mississippi zu den ärmsten Staaten in den USA gehört, seien die sozialen Sicherheitsnetze nahezu inexistent, sagt Bryan Johnson, Leiter einer Unterkunft in Birmingham, Alabama. «Die Menschen, die hierherkommen, sind oft völlig am Ende.» Er beobachtet nicht nur eine wachsende Fentanylkrise, sondern auch eine Wohnungskrise. «Viele haben Jobs, können es sich aber nicht mehr leisten, dort zu wohnen, wo sie vorher gelebt haben, weil die Lebenshaltungskosten in den letzten Jahren in die Höhe geschossen sind.»
FAKTUM, GÖTEBORG
Ohne Perspektive
In Deutschland sind rund 40 000 junge Erwachsene zwischen 20 und 25 Jahren wohnungslos, Tendenz steigend. Viele von ihnen sind mit zusätzlichen Problemen konfrontiert. Das Projekt Wohnen und Arbeit (WundA) in Hannover hat ermittelt, dass in dieser Altersklasse 57 Prozent der Wohnungslosen straffällig, 75 Prozent süchtig und 67 Prozent überschuldet sind; zu zudem leiden 47 Prozent an einer psychischen Erkrankung
Cory James lebte in den letzten anderthalb Jahren auf der Strasse. Als sein Arzt ihm nach einer Operation keine Schmerzmittel mehr verschreiben konnte, begann er, sich selbst mit Fentanyl zu behandeln.
Daniel Jenkins litt nach seinem Militärdienst an posttraumatischem Stress. Er begann mit Selbstmedikation und wurde schnell süchtig nach Fentanyl und anderen Opioiden.
Weniger Essen
In ganz Deutschland klagen Tafeln über fehlende Lebensmittelspenden; immer weniger Lebensmittelgeschäfte würden ihre unverkauften Waren an die Tafeln weiterreichen. Gemäss der Hamburger Tafel besteht einer der Gründe darin, dass es immer mehr Apps gibt, die Nutzer*innen anzeigen, welche Läden in ihrer Nähe unverkaufte Lebensmittel übrig haben. Dieses können sie vor Feierabend zum günstigen Preis holen –und der Tafel würden dringend benötigte Spenden entgehen.
Weniger
Asylanträge
In der ersten Jahreshälfte 2024 waren 54 Prozent der Asylbewerber*innen in Deutschland Frauen sowie Kinder und Jug endliche unter 18 Jahren. Insg esamt wurden 174 369 Asy lanträg e g estellt, das sind rund 20 Prozent weni g er als im g leichen Zeitraum 2023.
Protest der Jugend
Seit Juni demonstriert in Kenia die junge Generation gegen die Regierung. Die Demonstrationen waren eine Reaktion auf ein geplantes Steuergesetz von Präsident William Ruto. Es sah neue Steuern für wichtige Lebensmittel und Güter wie Brot, Speiseöl oder Tampons vor; damit wollte Präsident Ruto Kenias hohe Schulden senken. Mittlerweile hat er das Steuergesetz wieder zurückgenommen.
Die Jungen werfen Ruto vor, die soziale Realität und die wirtschaftliche Notlage grosser Teile der Bevölkerung nicht zu erkennen, sagte Joachim Paul von der HeinrichBöllStiftung in Nairobi gegenüber dem Deutschlandfunk. Verstärkt werde die Frustration durch steigende Lebenshaltungskosten, Rutos häufige Auslandsreisen und Korruptionsskandale in der Regierung. 67 Prozent der 15 bis 34Jährigen sind arbeitslos, selbst gut ausgebildete Menschen finden keinen Job.
Macharyam Monyenye, Professor an der Universität Nairobi, sieht das Besondere der Proteste auch darin, dass sie ausserhalb der etablierten Parteien und politischen Lager stattfinden. Die jungen Menschen organisieren sich über die Sozialen Medien, etwa unter dem Hashtag #RutoMustGo. Die Protestierenden wollen nicht aufhören, bis Ruto zurücktritt.
Mittlerweile finden auch in Uganda und in Nigeria Proteste statt. Junge Menschen wehren sich dort gegen Korruption, steigende Lebenshaltungskosten und den Reichtum der Eliten. LEA
Vor Gericht
Keine Panik auf der Titanic
Sie sind selten geworden, die Blockaden, mit denen Klimaaktivist*innen vor zwei, drei Jahren ihren Unmut, ja ihre Verzweiflung, über die Untätigkeit der Politik angesichts der Klimakrise auf die Strasse trugen. An den Gerichten aber sind sie weiterhin Thema. Zu Dutzenden sind anlässlich der Kundgebungen nämlich Strafbefehle ergangen, meist wegen Nötigung. Nun wird durch die Instanzen prozessiert.
In aller Regel erfolglos. Schuldsprüche gegen Demonstrant*innen werden in Serie bestätigt. Die Urteilsbegründungen der Gerichte: copy paste. Verkehrsteilnehmer*innen hätten im Stau stehen oder Umwege in Kauf nehmen müssen. Was, nebenbei gesagt, dazu führe, dass sogar mehr CO₂ in die Umwelt gelange. Die Kundgebung hätte auch an einem anderen Ort durchgeführt oder das Anliegen auf politischem Weg eingebracht werden können. Und nein, ein Notstand liege im Zusammenhang mit dem Klima nicht vor. Ohnehin heilige auch hier der Zweck nicht die Mittel.
An dieser Stelle berichten wir alle zwei Wochen über positive Ereignisse und Entwicklungen.
All das steht auch in einem Urteil des Obergerichts Zürich vom 5. April 2024, mit dem es einen 47jährigen Lehrer und Familienvater wegen Nötigung mit einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu 90 Franken belegte. Er hatte 2021 an einer Kundgebung von «Extinction Rebellion» teilgenommen und mit 200 weiteren Demonstrant*innen zwei Stunden die Uraniastrasse in der Stadt Zürich blockiert. «Wir wollen leben», stand auf seinem Transparent. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht, inzwischen ist der
Fall am Bundesgericht hängig. Überhaupt stemmt sich der Mann mit engagierter Unterstützung seines Strafverteidigers beherzt gegen den Staat, dem die Pünktlichkeit einiger Automobilist*innen wichtiger ist als der kommende Klimakollaps. An seinem Obergerichtsprozess verlas er eine umfassende Stellungnahme, in der er sich, unter anderem, auf die untergehende Titanic versetzt: Das Schiff ist leck. Wasser läuft ein. Die Information verbreitet sich unter den Passagieren, die Zeit zum Handeln drängt. Unerklärlicherweise verzögern sich aber die Rettungsmassnahmen, weshalb einige Passagier*innen den Speisesaal besetzen, um möglichst viele Menschen auf die sich abzeichnende Katastrophe aufmerksam zu machen. Doch sie werden abgeführt und eingesperrt – und vom Schiffsgericht wegen Nötigung verurteilt. Sie hätten das CandleLightDinner gestört, so das Schiffsgericht. Die Besetzung des Raums stehe in keinem Zusammenhang mit dem Wasser, das ins Schiff eindringe – auch sei dadurch sei kein einziger Liter weniger ins Schiff gelangt. Es ist zu hoffen, dass er die eindrückliche Parabel auch dem Bundesgericht vorträgt. Und dass es seinem Verteidiger zumindest gelingt, die Routine der staatlichen Untätigkeit zu brechen. Selbst wenn nicht zu erwarten ist, dass sich die höchsten Richter*innen davon beeindrucken lassen. Denn das erste Ziel muss nicht einmal mehr sein, die Verweigerungshaltung der Politik zu beeinflussen – sondern dass irgendwann mehr Demonstrant*innen als Automobilist*innen auf der Strasse stehen und vertreten, was UNGeneralsekretär António Guterres fordert: «Kein russisches Roulette mit dem Planeten!»
YVONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin in Zürich.
Verkäufer*innenkolumne
«Das nächste gewinnen wir!»
«Woher hast du diese positive Einstellung?», fragten mich alle Ende September beim «Homeless World Cup», der Strassenfussball-WM in Seoul, Südkorea. «Ohne diese Einstellung», gab ich zur Antwort, «wären wir hier am falschen Ort.» Und wir brauchten sie, denn von den zehn Spielen der Vorrunde verloren wir deren neun. «Das nächste gewinnen wir!», sagte ich also. Und tatsächlich: Wir gewannen dann nochmal eines. Und wurden am Ende in unserer Stärkekategorie vierte.
Vielleicht schwächte uns ja, dass wir jeden Tag über eine Stunde lang zum Sportzentrum fahren mussten. Wie viele andere Teams wohnten wir weit weg. Ob es besser gekommen wäre, wenn ich im Tor gespielt hätte, in meiner angestammten Position? Wir waren drei Torhüter, und der Trainer entschied, dass ich als Feldspieler auflaufe. Kein Problem für mich. Hauptsache, dabei sein und Spass haben. Denn genau darum geht es beim Strassenfussball. Nicht in erster Linie ums Gewinnen.
Beispiel gefällig? Da ich eher gut war im Verteilen der Bälle als im Schiessen von Toren, liess mich der Trainer die Penaltys ausführen. Zwei verschoss ich. Vor dem dritten kam der
Schiedsrichter zu mir und flüsterte mir etwas ins Ohr. Und siehe da: Ich traf! Was er mir denn gesagt habe, fragten mich die Kollegen. «Das verrate ich euch nicht!», grinste ich. Aber euch, liebe Leser*innen, kanns ich ja sagen: Ich müsse nicht direkt schiessen, sondern dürfe mit dem Ball nach vorne laufen. Diese Regel kannte ich nicht. Also lief ich nach vorn, verlud den Goalie der Deutschen mit einer Körpertäuschung und versenkte den Ball links tief. Dann kam der Goalie zu mir – und gratulierte mir zu meinem Tor! Er sei mit den Fingernägeln zwar noch drangekommen, aber der Schuss sei ganz einfach zu gut gewesen. Wo, bitte sehr, erlebt man so etwas.
Das war er also, der krönende Abschluss meiner Nati-Zeit. Mit 65 war ich übrigens der älteste Spieler des ganzen Turniers. Zusammen mit einem Japaner. Nun, der war im Dezember zur Welt gekommen, ich im Januar. In dieser Wertung hatte ich die Nase also vorn. Aber eben, darum ging es ja gar nicht: Am Ende gab es für alle eine Goldmedaille.
HEINI HASSLER, 65, verkauft Surprise in Chur und Zürich. Nächstes Jahr reist er an die Strassenfussball-WM nach Oslo. Ganz privat. Um das Schweizer Team zu unterstützen.
Die Texte für diese Kolumne werden in Workshops unter der Leitung von Surprise und dem Autor Ralf Schlatter erarbeitet. Die Illustration entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.
Moumouni antwortet
Was täten Sie, wenn alle
Probleme gelöst wären?
Ich würde von Holz schreiben und von Bäumen. Ohne an den Klimawandel zu denken. Ich würde über die feinen Rillen eines Bretts schreiben und wie gut Harz riecht, obwohl es so herausblutet und nachtragend am Baum als Tropfen trocknet, vielleicht schäumt oder fast grau kristallin schimmert, es blutet heraus, als wäre es schmerzvoll zu bluten.
Letztens habe ich einen Birkenbaum getroffen, der sich schälte. Ganz dünne Rindenschichten, die sich am Rand des Geschälten rollen. Wenn man daran zieht, bekommt man ein gutes Stück zu fassen, das sich anfühlt wie plastifiziertes Papier. Später fand ich heraus, dass der Baum tatsächlich Papierbirke heisst. Ich zog mir mehrere postkartengrosse Blätter ab, ohne an Ausbeutung zu denken, und stellte mir vor, wie ich darauf Briefe schreibe, die alle anfangen mit dem Satz: «Ich schreibe dir auf einer Borke.»
In Rom gab es so krasse Vogelformationen am Himmel. Stare, die die blaue Fläche mit riesigen schwarzen Motiven einfärbten. Gelesen klingt das düster, finde ich. Nach dunklem Omen. Ich denke an die Verbindung der Idee von Rassismus mit unserer Kultur, in der alles, was dunkel und schwarz ist, negativ konnotiert ist: schwarzfahren, schwarzsehen, das schwarze Schaf, dunkle Machenschaften, düstere Zukunft und so weiter. Jedenfalls machten die Stare den ohnehin schon schönen FastSonnenuntergangshimmel nur noch schöner. Der geschwärzte Himmel war so ganz erquicklich. Keine Omen oder Anfänge, denen es zu wehren gilt.
Was, wenn Fliegen gar keinen Spass macht? Vielleicht ist es anstrengend oder tut weh. Zugvögel, die das Meer überqueren, können sicher davon ein Lied singen. Und wie ist Fliegen, nachdem man ein Loch in einen Baum geklopft
hat – mit dem Kopf. Was, wenn Vögel das Fliegen hassen? Schau, die Spatzen, sie sind sicher froh, dass sie so flink sind. Aber würden sie die ständige Paranoia, die fahrige Angst, die Jagd im Nacken, ja, würden sie ihre Flügel hergeben: für ein bisschen Frieden? Und würden die Tauben den Hass der Menschen eintauschen gegen das Vermögen zu fliegen?
Ich wollte nie öffentlich über die Möglichkeit schreiben, dass das Fliegen vielleicht gar nicht schön ist. Weil ich glaube, das Leben als Mensch auf dieser Erde bedeutet auch, sich vorzustellen, fliegen zu können – und ich will niemandem das Leben schwerer machen. Heutzutage muss man sowieso wieder anders über Vögel schreiben. Gerade jetzt, wo zu viel fliegt, was nicht Vogel ist, der Himmel mehr trägt und abwirft, als er sollte. Wann ist überhaupt Zeit, über Vögel zu schreiben? Ich bin erst kürzlich im Internet auf eine Person gestossen, die von sich sagte, ihre Leidenschaften seien «bird watching» und das Schreiben. Auf ihrer Seite fand ich auch dieses Zitat, das ich suchte, es ist von Marwan Makhoul, einem palästinensischen Dichter, der schrieb:
«In order for me to write poetry that isn’t political
I must listen to the birds and in order to hear the birds the warplanes must be silent.»
Ich drücke mich seit Langem ums Schreiben. Die Propaganda, dass alles Propaganda ist, sitzt tief. Und über Holz zu schreiben, scheint nicht angebracht. Was ich tun oder schreiben würde, wenn alle Probleme gelöst wären, weiss ich nicht. Die Frage, was tun, wo die Probleme und Krisen immer grösser werden, ist so laut.
Sucht Wann ist es noch Rausch und wann schon Abhängigkeit? In diesem Schwerpunkt beleuchten wir, wie eine Sucht be ginnt und wie man wieder von ihr loskommt.
«Ich war noch ein Kind, ich hatte keine Ahnung»
Wonach suchen junge Menschen, wenn sie sich berauschen? Ein runder Tisch mit fünf Jugendlichen im Emmental.
TEXT LEA STUBER
Emmanuel: «In der Pause geht man raus und drückt einen Snus hoch.»
Gianna: «Es ist normal geworden, etwas, das man im Alltag halt macht.»
Timm: «Alkohol brauche ich nicht, ich trinke einfach gerne. Das ist der Unterschied zu Snus.»
Es ist Freitagabend, im Gasthof an der Dorfstrasse sitzen die Erwachsenen beisammen, die Jungen treffen sich im Jugendtreff am Rande des Emmentaler Dorfes. Die Schulferien sind vorbei, man freut sich, sich wiederzusehen. Drinnen sucht man die schwarze Billardkugel oder fläzt sich bei lauter Musik auf dem Sofa. Draussen fährt man mit dem Töffli über den Vorplatz. In einer Ecke ist Rauchen, Vapen und Snusen erlaubt, alle anderen Suchtmittel sind verboten.
Fünf der Älteren haben sich um einen Tisch gesetzt, Surprise hat sie um ein Gespräch über Rausch gebeten. Unter dem Tisch nervöses Wippen mit den Beinen. Gekicher, wenn in der Ferne jemand hupt oder grölt. Die fünf Jugendlichen, die nicht alle in der gleichen Klasse, aber in der gleichen Schule waren, haben zwei grosse Themen: Snus und Alkohol. Dabei geht es natürlich um mehr als um zwei Substanzen. Damit sie offen erzählen können, bleiben sie anonym, ihre Vornamen sind Pseudonyme.
Emmanuel, 15, in der 9. Klasse, konsumiert Snus und Alkohol, eine Zeit lang auch Schmerzmedikamente. Er ist im Hornusserund Schwingclub.
Gianna, 15, in der 9. Klasse, raucht und konsumiert Alkohol, ab und zu kifft sie oder konsumiert Snus. Sie ist im Schiessverein.
Timm, 16, angehender Detailhandelsfachmann, konsumiert Snus und Alkohol. Er fährt gerne Snowboard.
Ella, 16, in einer Lehre im Gesundheitsbereich, konsumiert Alkohol und Zigaretten, ab und zu kifft sie. Mit E-Zigaretten, dem Vapen, hat sie inzwischen aufgehört.
Sara, 16, aktuell im grafischen Vorkurs, konsumiert manchmal E-Zigaretten oder Schnupftabak. Sie ist im Schiessverein.
Was führt dazu, dass Jugendliche psychoaktive Substanzen konsumieren? Als Risikofaktoren nennt die Stiftung Sucht Schweiz: Stress, schlechte Gesundheit, starkes Produktmarketing und leichte Verfügbarkeit. Im Schweizer Suchtpanorama 2024 stellt Sucht Schweiz fest, dass die psychische Gesundheit der Jugendlichen sich verschlechtert hat.
Am Tisch im Jugendtreff erzählen die fünf von Stress daheim, von Depressionen und ADHS-Abklärungen. Eine Zigarette von den Eltern oder vapen helfe dann, es lenke ab. In der Schule schnupften sie in der Pause auf der Toilette. Probierten Vape und Snus, sie hatten es bei anderen gesehen, fanden, es sah «fein» aus und «entspannend».
Ella: «Alle um einen herum machen es – in der Schule, die Leute in deinem Alter. Es war nicht Gruppendruck, es hat mich einfach immer mehr interessiert. Und wenn du es dann nicht schlecht findest, kaufst du dir selber mal ein Dösli und daraus werden zwei.»
Emmanuel: «Eine Woche und ich war schon süchtig. Ich war noch ein Kind, ich hatte keine Ahnung, was Snus und Nikotin mit mir machen können. Am Anfang habe ich gesnust, um Stress abzubauen. Inzwischen tue ich es aus Reflex. Nach dem Essen brauche ich Snus. Vor dem Schlafen. Eigentlich immer.»
Timm: «Wenn ich lange kein Snus drin habe, so einen Tag, dann bin ich schnell angepisst, raste schnell aus. Snusen hilft mir, wenn mein Chef oder eine Kundin nerven.
Immer am Ende des Schuljahres feiern die Neuntklässler*innen in der Abschlusswoche das Ende ihrer Schulzeit, Alkohol und andere Substanzen wie selbstverständlich gehören dazu. Timm betrank sich jeden Tag, Sara hat zum ersten Mal Snus probiert und eine Zigarette geraucht.
Sara: «Dieses kleine Kissen unter dem Zahnfleisch fand ich sehr unangenehm. Und rauchen ist einfach grusig.»
Gianna: «In der 7. Klasse mussten wir einen Brief an uns selber schreiben, den wir Ende der 9. Klasse lesen dürfen. Ich schrieb: ‹Ich hoffe, du fängst nie an zu rauchen, es ist etwas vom Grässlichsten.›»
2022 haben 33 Prozent der 15-Jährigen im Monat vor der Befragung mindestens ein Nikotinprodukt konsumiert, 2018 waren es nur 30 Prozent. Sucht Schweiz führt diese Zunahme unter anderem auf Snus sowie auf E-Zigaretten vom Typ Puff Bar zurück, deren Geschmacksrichtungen auf Jugendliche ausgerichtet sind. 7 bzw. 8 Prozent der Buben bzw. Mädchen konsumieren E-Zigaretten häufig, das heisst an mindestens zehn Tagen im letzten Monat. Bei den herkömmlichen Zigaretten sind es 7 bzw. 6 Prozent. Seit Oktober dürfen Zigaretten und andere Tabakprodukte schweizweit nur noch an Personen über 18 Jahren verkauft werden.
Jedes Wochenende unterwegs
Seit er seine Lehre begonnen hat, geht Timm jedes Wochenende feiern. Unter der Woche arbeite er dauernd, da sei es ihm wichtig, am Wochenende Zeit mit seinen Freund*innen zu verbringen. Auch Ella ist jedes Wochenende unterwegs. Sommerendparty, Chilbi, Houzschnitzuparty, Hornusserfest und wie sie alle heissen.
Ella: «Irgendwann werde ich nur noch jedes zweite Wochenende ausgehen, dann jedes dritte. Nach einer Zeit wird es ja auch langweilig. Ich hoffe nicht, dass ich zur Alkoholikerin werde.»
Sara: «Bitte nicht! Mein Vater ist Alkoholiker. Wenn er erschöpft von der Arbeit kommt, hängt er sich direkt ein Bier an, er trinkt sicher fünf am Tag. Er hatte eine schwierige Zeit und denkt, Alkohol löse seine Probleme. Dabei schafft er sich nur neue. Er pisst mich an, er beschuldigt meine Mutter, er ist dann ein Arsch. Ich will nicht so enden.»
Emmanuel: «Einmal mussten wir meine ältere Schwester vor dem Eingang einer Dorfparty abholen, sie hatte beim Vorglühen übertrieben. Ich dachte mir: Was läuft denn mit ihr? Und als ich selber zum ersten Mal trank, merkte ich: Oha! Das kann ja wirklich recht zünden.»
Timm: «An die Houzschnitzuparty wäre ich nicht gegangen, ohne zu trinken. Diese Ballermann-Hits ertrage ich nüchtern nicht.»
Emmanuel: «Beim Jugendtreff ist es anders, man trinkt keinen Alkohol. Aber man kennt alle, man kann ein wenig reden.»
Gianna: «Den Geschmack von Alkohol finde ich enttäuschend, bei Bier würgt es mich manchmal. Ich hatte mehr erwartet.»
43 Prozent der 15-Jährigen geben an, im letzten Monat mindestens einmal Alkohol getrunken zu haben. Rauschtrinken betrifft etwa 25 Prozent, sie haben im letzten Monat mindestens einmal fünf oder mehr alkoholische Getränke bei einer Gelegenheit getrunken.
Wie bei der Abschlusswoche in der Schule gehört auch beim Schützenfest oder beim Hornussen Alkohol dazu, sei es als selbstgemachte Shots oder Bier, das «à gogo über den Tresen» geht, wie Emmanuel sagt. Wer bei einem Schiesswettkampf weiterkomme, trinke darauf.
Sara: «Sie zwingen dich zu nichts. Aber es ist der Schiessverein, da ist es normal, dass du mal ein Bierli nimmst.» Emmanuel: «Es erschreckt mich auch ein wenig, aber nächstes Jahr werde ich auch trinken, das weiss ich. Und es ist ja auch geil: Man hornusst den ganzen Tag, am Abend kann man dann zusammen sein, Weissen oder Bier bechern.»
Timm: «Das gehört doch auch zum Thema Gruppendruck.» Emmanuel: «Ich könnte ja Nein sagen, das will ich aber nicht. Es geht ums Dazugehören und die Freude, endlich legal Alkohol zu trinken. Gleichzeitig habe ich schon Angst, ich vertrage viel. Wo lande ich, wenn ich das immer weiter steigere? Was, wenn ich meinen Kindern ein schlechtes Leben biete? Alles Geld für Alkohol ausgebe, jeden Abend besoffen nach Hause komme und nicht ich selbst bin?»
Timm: «Dass man immer härtere Sachen nimmt, kann schnell gehen. Vor allem wenn es einem schlecht geht. Man sucht etwas, damit es einem besser geht, und dann kommt man nicht mehr heraus.»
Emmanuel: «Irgendwann hat Snus bei mir nichts mehr gebracht, also nahm ich es zusammen mit Dafalgan. Ich musste mindestens drei am Tag nehmen, um etwas zu merken. Zum Aufstehen, am Mittag und am Abend. Zum Glück bin ich wieder rausgekommen. Es wurde mir zu blöd, das Dafalgan zu organisieren, und es kostete viel.
Die Ambivalenz des Rauschs
12 Prozent der 15-Jährigen haben schon Erfahrungen mit Medikamentenmissbrauch oder -mischkonsum gemacht. 2022 haben 4,3 Prozent der Buben und 4,8 Prozent der Mädchen mindestens einmal Medikamente genommen, um sich zu berauschen. Also Benzodiazepine, opioidhaltige Schmerzmittel oder Hustensirupe mit Codein oder Dextromethorphan. 6 Prozent der Buben und 1,8 Prozent der Mädchen haben schon Purple Drank/Lean konsumiert, also Hustensirup gemischt mit Limonade und häufig auch Alkohol.
Kaum ein Thema unter den fünf ist Cannabis. Timm hat auch schon gekifft, fand es aber nicht gut. Ella kifft nur ab und zu; sie fürchtet sich, abhängig zu werden oder eine Schizophrenie zu entwickeln.
2022 gaben 20,8 Prozent der 15-jährigen Buben und 16,1 Prozent der 15-jährigen Mädchen an, schon einmal Cannabis konsumiert zu haben, 2018 waren es 27,3 bzw. 17,3 Prozent. Nicht rückläufig, sondern stabil ist hingegen der Anteil der 15-Jährigen, die angeben, im letzten Monat Cannabis konsumiert zu haben. 2022 waren es 12,1 Prozent der Buben und 8,4 Prozent der Mädchen. Weniger als 1 Prozent konsumiert Cannabis an mindestens zehn Tagen pro Monat.
Der Kokainkonsum nimmt seit Jahren leicht zu. Mittlerweile gibt 1 Prozent der 15- bis 64-Jährigen an, im letzten Jahr Kokain konsumiert zu haben. Der Konsum, insbesondere in den rauchbaren Formen Crack und Freebase (siehe Text S. 20), könnte laut Sucht Schweiz auf die hohe Verfügbarkeit zurückzuführen sein, auf die verschlechterte Wohn- und Arbeitssituation suchtbetroffener Menschen sowie auf neue Konsumentengruppen.
Wonach suchen die fünf, wenn sie sich berauschen? Suchen sie nach Ablenkung und nach Verbundenheit? Wenn sie gestresst sind, Leistung bringen müssen und Druck spüren – von den Eltern, in der Schule oder in der Lehre –, dann hilft ihnen ein Rausch, um Dinge zu vergessen und abzuschalten. Bei der Ablenkung geht
es aber noch um etwas anderes. Darum, der Langeweile zu entfliehen. Etwa als sie in der zweiten Hälfte der 9. Klasse nicht mehr viel zu tun hatten und auf der Schultoilette vapten, erzählt Ella. Oder wenn sie alleine daheim sind. Dann helfe auch das Handy, das sei «fast wie ein Rausch», sagt Timm. Sie gamen oder sind auf sozialen Netzwerken wie Tiktok. «Stundenlang», sagt Sara. Über 80 Prozent der 15-Jährigen nutzen die sozialen Medien täglich, bei etwa 7 Prozent ist die Nutzung problematisch. Etwa die Hälfte der 15-Jährigen nutzen die sozialen Medien 2022 oft, um unangenehmen Gefühlen zu entfliehen; 2018 war es nur ein Drittel. Etwa 16 Prozent der 15-Jährigen spielen täglich Videospiele, etwa 3 Prozent der 15-Jährigen, die Videospiele nutzen, tun dies auf problematische Weise. Sie wollen sich von der Welt ablenken und sich gleichzeitig mit ihr verbinden.
Emmanuel: «Es geht doch eigentlich um das Adrenalin. Auch das kann ein Rausch sein. Wenn ich mit dem Töffli schnell fahre, ist das viel geiler, als eine Stunde am Handy zu hängen.»
Timm: «Heutzutage gehen die Leute ja kaum mehr raus, die Generation Z ist virtuell unterwegs. Ich hatte auch eine Phase mit dem Videospiel ‹Fortnite›. Das bereue ich. Was hatte ich davon, stundenlang am Controller rumzudrücken? All die lustigen Geschichten mit Kolleg*innen, die Dinge, die wir zusammen erleben, sind mir wichtiger, und oft ist da eben Alkohol dabei.»
Abgelenkt von dem Stress und der Langeweile da draussen und sich verbunden fühlen mit Freund*innen. Erfahrungen teilen, sich als Teil einer Gruppe fühlen. Gianna und Ella haben sich
beim Rauchen kennengelernt. Das sei «das einzig Positive am Rauchen», sagt Gianna. Die Ambivalenz, das Hin- und Hergerissen sein taucht immer wieder auf. Irgendwie finden sie das alles cool, und dann doch wieder nicht. Erzählen mal überzeugt, stolz fast schon, und dann wieder ein bisschen verlegen.
Sara: «An der Fasnacht war ich einmal angetrunken. Ich war kurz allein, und gefühlt jeder Zweite starrte mich an. Ich fühlte mich nicht mehr sicher in diesem Moment.»
Ella: «Ich trinke eigentlich nur, wenn ich mit den richtigen Leuten bin. Aber auch dann bekomme ich an lauten Partys manchmal Panik, dann gehe ich hurti auf die Toilette, schliesse mich in eine Kabine ein, bis es wieder geht.»
Gianna: «Das erste Mal kiffte ich alleine daheim. Ich merkte dann: Entweder muss ich schlafen gehen oder zu Kolleg*innen, ich fühlte mich nicht mehr wohl in meinem Körper. Jetzt habe ich schon lange nicht mehr gekifft, und sicher nicht alleine.»
Emmanuel: «Wenn ich Sport mache, trinke ich am Abend vorher lieber nicht. Ich will gut sein und Leistungen zeigen. Dann fühlt man sich auch ohne Rausch gut.»
Timm: «Ich hoffe, dass ich in ein paar Jahren draussen bin. Aber mit Snus kann ich mich besser konzentrieren. Ich will erst die Lehre, das EFZ, sauber abschliessen und danach aufhören mit dem Scheiss.»
Die Krankheit der Angst
In den Treffen der Anonymen Alkoholiker werden nicht nur Erfahrungen ausgetauscht, sondern auch die grossen Gefühle auf den Tisch gelegt. Einblicke in eine Art Lebensschule.
TEXT DIANA FREI
Ein Sitzungszimmer eines Altbaus in einer kleinen Quartierstrasse, auf dem langen Tisch ist die Literatur der Anonymen Alkoholiker (AA) ausgelegt, auch das Blaue Buch ist dabei, über 400 Seiten dick: die Grundlage des Abstinenzprogramms, geschrieben 1935 von zwei Alkoholikern aus Vermont, USA, dem Börsenmakler «Bill W.» und «Dr. Bob», einem Arzt.
Sieben Personen sitzen hier an diesem Abend an einem Tag irgendwann unter der Woche. Wir nennen die Personen, die in diesem Text noch genannt sein werden: Dario, Markus, Andrea, Regula und Lea. Manche fühlen sich wohler, wenn auch dieser Vorname fiktiv ist, andere gehen auch im Alltag offen mit ihrer Abhängigkeit um und treten gerne mit echtem Namen auf. Anonymität heisst bei den AA aber nicht bloss, dass man den Namen nicht nennt. Sondern auch, dass in den Meetings alles ausgeblendet wird, was nicht mit dem gemeinsamen Problem zu tun hat – der Sucht. Sie macht aus diesen Menschen eine Gemeinschaft.
Manche kommen drei, vier Mal pro Woche in die Meetings, andere jeden Tag oder auch einfach ab und zu. Neuankömmlinge sind jederzeit willkommen. Das Blaue Buch definiert Alkoholabhängigkeit als Krankheit, die man bis zum Lebensende mit sich trägt, auch bei vollständiger Abstinenz. Aber: Man kann dafür sorgen, das erste Glas nie anzurühren. Jeden Tag aufs Neue, und jeden Tag nur für 24 Stunden, weil der Gedanke, nie mehr zu trinken, überfordert. Es gibt keinen Mitgliederbeitrag, am Schluss des Meetings steckt man ein paar Franken in eine Kasse, um die Miete und nötigsten Ausgaben zu bezahlen, das Meiste beruht auf Freiwilligenarbeit der Teilnehmer*innen. 47 Franken sind es insgesamt an diesem Abend, zu viel soll es nicht sein, denn es gilt: Niemand darf protzen. Die sieben Personen, die heute in diesem Raum sind, legen ihre Abgründe auf den Tisch, ihre Sorgen, ihre Ängste, ihre Einsamkeit, ihr Hadern, sie reden über ihre
Verleugnungsstrategien, ihren Selbstbetrug, über ihre eigenen Verletzungen und diejenigen, die sie anderen zugefügt haben. Auch wenn es hier um Alkoholismus geht, scheinen bei Einzelnen Mehrfachsüchte durch – andere Drogen, die aber nie im Detail benannt werden. Worte können auch triggern. Ein Verlangen auslösen. Obsessionen klingen an, die Verstrickungen ins Milieu und in die Kriminalität ahnen lassen. Das Nachtleben, die Sucht nach Frauen, nach Sex, nach Drogen eben, die nie legal sind. Markus ist der Sitzungsleiter, der Chairman, ein Mitglied der Gruppe, das von den anderen jeweils begrenzt auf ein Jahr gewählt wird. Er liest die Präambel des Blauen Buchs, wie jedes Mal in ihrem Meeting, er schweigt mit den anderen wie jedes Mal – um sich daran zu erinnern, wieso man hier ist. Er liest: «Anonyme Alkoholiker sind eine Gemeinschaft von Männern und Frauen, die miteinander ihre Erfahrung, Kraft und Hoffnung teilen, um ihr gemeinsames Problem zu lösen und anderen zur Genesung vom Alkoholismus zu verhelfen. Die einzige Voraussetzung für die Zugehörigkeit ist der Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören.»
Keine Diskussionen, keine Ratschläge
Man liest reihum aus dem Blauen Buch, das wegen seines blauen Umschlags so heisst und wohl auch, weil es so ikonisch geworden ist wie die Bibel und deshalb keinen profanen Titel mehr braucht. Eigentlich heisst es «Anonyme Alkoholiker».
Zentral sind die «Zwölf Schritte», eine Anleitung zur Arbeit an sich selbst. Es heisst darin: «1. Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind – und unser Leben nicht mehr meistern konnten. 2. Wir kamen zu dem Glauben, dass eine Macht, grösser als wir selbst, uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann. 3. Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes – wie wir ihn verstanden – anzuvertrauen.»
Die umfangreiche AA-Literatur und die ritualisierten Abläufe wirken christlich, die Zwölf Schritte sind in einem raunenden Präteritum verfasst, in dem quasi ein Rückblick auf ein vergangenes Leben mitschwingt – aber auch die Aussicht auf ein neues. Viele hier im Meeting sind nicht religiös. Mit den Jahren wurde der christliche Hintergrund der AA denn auch neu interpretiert, offener, weltlicher. Für viele ist es heute eine Art von spirituellem Programm.
Im Meeting hebt die Hand, wer etwas sagen will, und die anderen schweigen, bis die Person mit Reden fertig ist: «Ich bin Andrea, ich bin Alkoholikerin. Man muss sagen, Gott wird in den Schriften sehr oft erwähnt. Als ich das erste Mal zu den AA kam, dachte ich: Ich will mich doch nicht bekehren lassen. Aber mit der Zeit habe ich verstanden, dass das jede und jeder so fühlt, wie es für sie oder ihn stimmt.»
«Danke, Andrea», sagt die Gruppe.
«Ich bin Dario, ich bin Alkoholiker. Wenn ich in Gefahr bin, helfen die Gedanken an eine höhere Macht. Das kann der Geist sein, der hier drin herrscht. Die Gemeinschaft und die Offenheit und die Geborgenheit, die mich tragen. Danke fürs Zuhören.»
«Danke, Dario.»
«Markus, Alkoholiker. Als ich in Mexiko zum ersten Mal in ein AA-Meeting ging, hatte ich Angst. Ich sass gleich beim Ausgang, damit ich jederzeit wieder gehen konnte. Sie fragten, wer neu sei und baten mich aufzustehen. Das fand ich noch schlimmer. Und dann haben alle geklatscht und gesagt: Willkommen, Markus. Das war mir noch nie zuvor passiert. Als ich danach allein zuhause war, dachte ich: Soll ich nun später, soll ich den Dealer anrufen? Und am nächsten Morgen wachte ich auf und merkte: Ich habe nicht konsumiert.»
«Danke, Markus.»
Weitere Wortmeldungen. Keine Diskussion, keine guten Ratschläge. Es entsteht so ein sozialer Raum, in dem man sich nicht bewertet, nicht urteilt. Hierarchien und Status bleiben draussen. Was die Anwesenden arbeiten, ob sie Kinder haben, in einer Einzimmerwohnung leben oder Immobilien besitzen oder welche Netflix-Serien sie gucken, wissen sie in der Regel nicht voneinander. Das erstaunt, zumal etliche hier seit Jahren oder Jahrzehnten dabei sind. Pause. Man geht kurz raus. Aber auch draussen vor der Tür hat niemand einen Nachnamen. Man spricht nicht darüber, wie es heute im Job lief. Nicht über Fussball. Nicht über Religion. Keine Diskussionen.
«Dario, Alkoholiker. Wenn es Diskussionen gäbe, würde es uns triggern, es könnte ungute Emotionen auslösen. Hier in der Laborsituation funktioniert das. Was mich aber schon immer wieder beschäftigt: Ausserhalb sind diese Trigger halt immer da.» – «Andrea, Alkoholikerin. Für mich sind die AA ein Lebensprogramm: Wie gehe ich überhaupt mit meinem Leben um? Und ich lerne, wie ich selber funktioniere. Wie der Mensch per se – vielleicht auch anders als erwartet – funktionieren kann.»
Aus dem Raum sollte nichts Persönliches hinausgetragen werden, aber viele sind gerne bereit, später ausserhalb ihrer Meetings von sich zu erzählen.
Vergessen, wie beschissen das ist Drei Frauen, die sich in ihrer Gruppe systematisch durch die AA-Literatur arbeiten, erklären, was das heisst: leben nach den zwölf Schritten. Wieso also das Rituelle, Formelhafte? Die Wiederholungen? Wieso sagt man bei jeder Wortmeldung: «Lea, Alkoholikerin»? «Es ist dazu da, dass du nicht vergisst. Dass du es immer wieder benennst und sagst: Ich habe dieses Problem», sagt Lea. «Wir haben eine Krankheit des Vergessens», sagt Regula. «Ich habe immer ganz schnell vergessen, wie schlecht es mir gegangen war. Wirklich, richtig vergessen. Ich glaube, jemand, der nicht süchtig ist, kennt das gar nicht. Der weiss, dass er einen Kater hatte, wie beschissen er sich gefühlt hatte. Bei mir war der schlimme Zustand spätestens bis am Abend ausgeblendet, als wäre nie etwas passiert.» «Das Formelhafte hilft uns, dass es nicht einfach ein Plauderstündchen wird. Das Meeting muss Struktur haben», sagt Lea. «Zum Beispiel der Grundsatz ‹Erfahrung, Kraft und Hoffnung›. Erfahrung, das ist meine Geschichte. Und dann: Was gibt mir Kraft? Was bedeutet Hoffnung für mich? Man soll ja etwas für sich daraus ziehen können. Wenn ich erzähle, wie ich heute in die Migros einkaufen gegangen bin, bringt das niemanden etwas.» – «Ich denke, das macht uns als Gruppe aus, dass wir mehr oder weniger alle die gleichen Themen haben. Dass wir die gleichen Muster und Gefühle kennen. Kontrollverlust. Selbstmitleid. Groll. Angst. Masslosigkeit. Scham. Schuld», sagt Angela. «Wir haben sehr viele gemeinsame Verhaltensmuster, weil sie einfach auch unser Leben geprägt haben. Zum Beispiel, dass wir lügen mussten, um unsere Abhängigkeit zu verstecken. Ich selber war ja eine sogenannt funktionierende Alkoholikerin in einer normalen Gesellschaft. Da entwickelt man Strategien, um zu überleben.»
Abhängigkeit bedeutet auch Isolation. Sucht heisst Einsamkeit. Das weiss auch Markus, der Chairman, der sagt: «Ich wollte nicht aufhören zu trinken. Ich wollte aufhören zu leiden.» Er erzählt ein paar Tage nach dem Meeting draussen auf der Parkbank von sich. «In unserer Literatur steht, der Alkoholismus sei ein Symptom einer grösseren emotionalen Krankheit», sagt er. Die Verletzungen in der Kindheit, wie sie da beschrieben werden, spielen für ihn dabei eine zentrale Rolle. Er war ein unruhiges Kind, das durch das WC-Fenster aufs Dach hinaufstieg, als die anderen in der Kinderkrippe ihr Mittagsschläfchen machten. Immer nur Probleme.
Aber die eigentliche Erzählung beginnt zunächst mit einer Erinnerung an einen Samichlaus-Abend: «Wir waren vier Kinder. Der Vater sitzt dort drüben, wir vier sitzen hier auf dem Kanapee. Und die Mutter, die mich immer beschützt hatte und regelmässig Schläge bekam vom Vater, geht in diesem Moment trotzdem zu ihm hinüber. Sie lässt uns –ohne Schutz. Ah, der Markus hat nicht gut geschlafen, er hat nicht gut gegessen, ah, der hat das nicht gut gemacht, ah, und das auch nicht! Du bist ausgeliefert. Ich war drei oder vier Jahre alt. Und dann schaust du immer aus dem Augenwinkel zu den Eltern rüber, kommen sie dir helfen? Und sie kommen einfach nicht.» Aber natürlich ist es nicht der Samichlaus allein, der in den Alkoholismus führt. «Als ich vier Jahre alt war, hatte ich zum ersten Mal ein Messer in der Hand», erzählt Markus weiter. «Ich wollte einfach, dass es ein Ende nimmt. Ich schrie: Wer kann uns helfen, dass der Vater einmal aufhört, die Mutter zu schlagen?! Aber es kam niemand.»
Die unkontrollierbare Masslosigkeit
Es sind solche Erfahrungen, die bei den AA geteilt werden. Verletzungen, die man erfahren hat. Geschichten, in denen andere ihre eigene spiegeln und Verhaltensmuster erkennen können. Den eigenen Umgang mit Gefühlen verstehen, Reaktionen, Impulse. Oder begreifen, wie die Angst in die Sucht führen kann. Der vierte der «Zwölf Schritte» heisst: «Wir machten eine gründliche und furchtlose Inventur in unserem Inneren.»
Bei Markus vermischten sich verschiedenste Abhängigkeiten, Alkohol, Drogen, letztlich bestand seine Krankheit aus einer unkontrollierbaren Masslosigkeit in allem, was er tat. Im Nachtleben war es nun Markus, der den anderen Angst einflösste. Dem die anderen ihr Geld liehen, weil sie sich davor fürchteten, dass er sonst zuschlägt. Immer übertreiben. Krasser sein als die anderen. Im fünften Schritt heisst es:
«Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber unverhüllt unsere Fehler zu.»
«Wir haben eine Besessenheit», sagt Markus. «Bei mir fing das jeden Tag so um 17, 18 Uhr an: Drogen, Drogen, Drogen. Und ich konnte das nicht abstellen. Ich sagte zu meinen Kindern: Hört zu, ich gebe euch das ganze Geld, versteckt es, gebt mir bitte nichts. Ich will nichts konsumieren, ich will daheimbleiben, ich will bei euch sein. Dann sind wir hingesessen, begannen einen Film zu schauen. Mein Sohn kannte mich genau. Wir fingen an, uns aus dem Augenwinkel anzuschauen. Und dann so nach zehn Minuten sagte ich: «Können wir nicht irgendwie …» Und der Sohn sagte: «Nein, du hast gesagt, ich soll dir nichts geben.» Ich dachte: Warum habe ich das gemacht, verdammt. Es ist ja mein Geld. Und dann nochmals: «So, jetzt musst du mir das Geld geben, sorry, es ist mein Geld.» Er wurde wütend, ging in sein Zimmer und knallte die Tür zu. Da liess ich mich von mir selber erniedrigen. Ich ging hin, schrie ihn an und machte einen Riesenskandal. Da ging die Tür auf und er warf mir das ganze Geld ins Gesicht. Dann kam das Schuldgefühl. Nachts wachte ich auf, weil das schlechte Gewissen anklopfte. Die Scham. Dann das Selbstmitleid. Der Frust. Der Groll. Und dann kam wieder der Alkohol.»
Er habe nicht zu trinken oder zu konsumieren aufhören wollen, sagt Markus. Er habe zu leiden aufhören wollen. Irgendwann ist er in die Kirche gegangen, in der letzten Hoffnung, Hilfe zu finden. Und hat da gemerkt, dass er nicht mal mehr wusste, wonach er suchen sollte. Unterdessen ist er zurück in der Schweiz, die er einmal mit einer Wut auf alles verlassen hatte. Und es ist nun genau zwanzig Jahre her, dass eine Gruppe von Menschen klatschte und sagte: «Willkommen, Markus.»
Für Betroffene, Angehörige und Interessierte: anonyme-alkoholiker.ch 24-Stunden Hotline 0848 848 885
Ting, ting, ting
Nachdem Matjaž Dema bereits 250 000 Franken verzockt hatte, setzte er noch einmal alles auf eine Karte.
TEXT KLAUS PETRUS
In vielem ist es Matjaž Dema, einem Beizer aus Delémont, ergangen wie Aleksej Iwanowitsch aus Fjodor Dostojewskis Roman «Der Spieler» von 1867. Wie aus dem Nichts sind beide in einen Strudel geraten und beinahe ersoffen, sie haben die Nacht zum Tag gemacht, das Schicksal zu ihrem Schrecken, sie waren wie von Sinnen, rasend und tobend, sie haben betrogen und beschissen und als es, nach Jahren, endlich vorbei war, schien ihnen das Leben bizarr, tragisch vielleicht, in jedem Fall fremd. «Ich verstehe mich ja selbst nicht mehr!», schimpfte Aleksej Iwanowitsch, als er fix und fertig war, und Matjaž Dema schüttelt noch heute den Kopf und sagt: «Ich war ein anderer.»
Und wie Iwanowitsch hatte auch Dema, der anders heisst, beim allerersten Mal einen Lucky Punch: 1 Fünfliber Einsatz, 10 Min. zocken, 2000 Fr. Gewinn. «Den anderen sagte ich immer, lass die Finger von diesen Automaten, du kannst nur verlieren, so was Dämliches auch! Aber ja, da war ich angefixt. Und wie.»
Das war im Frühjahr 2000.
Drei Jahre später hatte der heute 47-Jährige 250 000 Fr. Schulden plus einen hängigen Kredit von über 100 000. Gewusst hat davon niemand, weder seine Frau noch die beiden Kinder, auch die Eltern, Verwandten und Arbeitskollegen nicht – bis auf eine Handvoll falscher Freunde, die, wie Dema, alles gesetzt und alles verloren haben.
«Nie wäre ich auf die Idee gekommen, diese 2000 einzustecken und zu sagen: gut ist. Ich wollte mehr. Aber eben. Nach zwei Tagen hatte ich das Geld verspielt. Das nahm ich der Maschine übel. Damals begann ich mit den Geldautomaten zu reden. Die meiste Zeit schimpfte und lärmte ich, man ist ja wie unter Strom. Doch manchmal sagte ich: Gutes Mädchen, oder auch: Baby, lass uns das jetzt durchziehen!»
Zu der Zeit war Dema Chef de Service in einem schicken Restaurant in der Romandie, er hatte sich hochgearbeitet, war gewissenhaft und gründlich, rundum eine Vertrauensperson. Nach Dienstschluss machte er die Kasse, zählte Franken und Rappen, legte das Geld in den
Tresor und schloss ab. Als er zu spielen begann, steckte sich Dema einen Teil des Umsatzes in seine Tasche, erst waren es hundert Franken, dann ein Bündel Tausender. In seinem Renault 19 fuhr er fiebrig ins Casino, wo er manchmal gewann und oft verlor, in Zahlen: 40 000 in den ersten fünf Monaten.
Der Lohn kam pünktlich aufs Konto, auf das auch seine Frau Zugriff hatte. Dema schwor, dieses Geld nie anzurühren, auch nicht das Ersparte (um die 25 000 Franken), komme, was da wolle. So würde niemand etwas erfahren, und er konnte den Schein wahren. Dass sich Dema immer öfter erst nach Mitternacht in die Wohnung schlich –manchmal wurde es halb drei –, entschuldigte er mit der vielen Arbeit. Zu seiner Frau sagte er, mit einem Seufzer untermalt: «Alles bleibt an mir hängen, Schatz. Doch bald werde ich meine eigene Beiz haben und dann wird es endlich besser.»
Immer nur lügen
Dema sagt: «Als Spieler musst du bloss drei Dinge draufhaben: lügen, lügen und lügen.»
Er wurde ein Meister darin. Verspielte er des Nachts das Geld vom Restaurant, musste er es schon anderntags wieder beisammenhaben. Denn um exakt zwölf Uhr mittags rauschte der stets gutgelaunte Besitzer heran, um es aus dem Tresor auf die Bank zu bringen. Weswegen Dema am Morgen immer früher raus musste – «die viele Arbeit, mein Schatz» –, um andere Spieler oder Kollegen, Bekannte und Verwandte anzugehen, mal waren es 500 Fr., mal 3000 oder mehr. «Gute Gründe hatte ich viele: neue Autoreifen, bös über die Stränge geschlagen, endlich mal wieder Ferien, zu viele Nutten, einem Copain aus der Patsche helfen.» Irgendwann musste sich Dema notieren, wem er was erzählte. Fragte er einen Kollegen um Geld für einen Cousin, durfte dieser von jenem nichts wissen; pumpte er seinen Vater an, musste er ihn davon überzeugen, dass Demas Frau nichts davon erfährt. Und immer sagte Dema, in spätestens drei Wochen hast du dein Geld
wieder, darauf kannst du Gift nehmen. Und immer hatten sie ihm vertraut. So begann Dema hier Schulden zu bezahlen, indem er dort Schulden machte. Es war auch die Zeit, da er bereits fünf bis acht Stunden an Spielautomaten verbrachte – pro Tag. Dass er süchtig sein könnte, diesen Gedanken hatte Dema lange verscheucht. Bis ihm im Casino ein Flyer in die Hände kam, darauf standen Fragen wie: Haben Sie Ihre tägliche Arbeitsverpflichtung wegen des Spielens versäumt? Führt das Spielen zu häuslichen Missstimmungen? Wollen Sie einen Spielverlust sofort zurückgewinnen? Haben Sie sich Geld geliehen, um das Spielen zu finanzieren? Verursacht Ihnen das Spielen Schlafstörungen? «Ja, ja, ja verdammt und nochmals ja, habe ich bei mir gedacht. Nur das mit dem Schlaf – damit hatte ich nie Probleme», erinnert sich Dema. «Ich kam nach Hause, spielte mit meiner Tochter, und der ganze Stress und all die Sorgen waren weg. Ich lebte in zwei völlig getrennten Welten. Was nicht anders geht, sonst frisst dich das schlechte Gewissen mit Haut und Haaren auf.»
Super Cherry über alles Anfänglich redete sich Dema ein, er spiele, um seine Schulden zu bezahlen, und wenn er das Geld beisammenhabe, sei endgültig finito. «Alles Mumpitz. Auch wenn du an einem Abend 4000 gewinnst – was ist das im Vergleich zu 100 000 Schulden? Die Wahrheit ist, ich konnte kaum den nächsten Tag abwarten, um weiterzuspielen. Bist du einmal an der Maschine, vergisst du alles um dich herum. Dann gibt es nur noch dich – und diese grellen Farben und die metallischen Töne der Automaten. Du hälst die Luft an, schwitzt, keifst, zitterst und zeterst.»
Super Cherry 5000, so hiess Demas Liebling, erbaut von Peter Schorno und seinen Ingenieuren der Golden Games in Staad SG und bis zum Verbot der Geldautomaten ausserhalb von Casinos im Jahre 2005 fester Bestandteil der Beizen. «Start, Stopp, Start, Stopp, in Sekunden, zack, musst deinen Einsatz festlegen, dann rollen die Balken und ting, ting, ting, da-ra, da-raa, daa, daaa, daaaa-aa und entweder hast du dann 3 gleiche Früchte oder weg sind die 200 und nach einer Viertelstunde 1000.» Noch Jahre später habe er den Klang – er sagt «die Stimme» –von Super Cherry in seinen Ohren gehabt, erinnert sich Dema und kommt, während der en détail das Prinzip des Automaten erörtert, in Fahrt.
Als er bereits eine Viertelmillion private Schulden hatte, nahm Dema Stift und Papier und ging seine Optionen durch. Er sagte sich: Entweder legst du jetzt eine Beichte ab – daheim, auf der Arbeit, vor den Freunden –oder du lässt die Finger vom Zocken und kommst endlich zu Geld! Da setzte Dema, einmal mehr, alles auf eine Karte. Er nahm einen Kredit auf und kaufte ein Restaurant, von dem er wusste, dass es, sollte er es nicht total verbocken, gut laufen würde. «Nach drei Jahren Tunnel sah ich endlich eine Möglichkeit, Geld auf die Seite zu legen – nicht hier einen Hunderter und dort, sondern richtig viel.» Das Rezept dahinter, nebst gutem Wein und währschafter Küche: An den Wochenenden öffnete Dema sein Lokal für Kartenspiele, pro Stunde und Kopf nahm er 10 Fr., nach
der Sperrstunde 24. «Bei 8 Tischen à 4 Personen läppert sich das. Und dann die Automaten.» Wie in fast allen Restaurants gab es bei Dema eine Super Cherry auf Konzession, was bedeutete, dass er 50 Prozent von dem erhielt, was die Leute verspielten. Da kam ihm seine Spielererfahrung zugute, denn er wusste: Die richtig fetten Gewinne – bis 2000 Fr. – zahlen die Automaten erst aus, wenn zuvor 42 000 in sie reingestopft wurden. «Und weil ich selber nicht mehr spielen wollte, steckte ich einem Cousin kurz vor dem Limit, das mir auf einem Gerät angezeigt wurde, 500 oder 1000 zu. Er spielte und holte sich den Gewinn, was ja mein Geld war. Die anderen Gäste dachten, Oha!, was sie animiert hat, selber zu spielen –und nicht mehr aufzuhören.» Schon bald schaffte sich Dema, was illegal war, eine zweite Maschine an und stellte sie ins Hinterzimmer. Diesmal gehörte der ganze Gewinn ihm. Es gab Tage, so erzählt er es, da spülten ihm die beiden Super Cherrys 3000 Fr. in die Kasse.
Dema sagt: «Die Automaten waren mein Verhängnis, die Automaten waren meine Erlösung.»
Nach eineinhalb Jahren war er seine Schulden los und nach weiteren acht Monaten hatte er den Kredit zurückbezahlt. An einem Freitag, Dema weiss es genau, beschloss er, sein Restaurant zu verkaufen. «Familie und Freunde hielten mich für verrückt, für sie war ich der erfolgreiche Beizer. Ich aber wollte abschliessen mit allem.» Vielleicht, sagt Dema, habe ihn letztlich gerettet, was ihn fast an den Abgrund brachte: Der unbändige Ehrgeiz, dieses Versessene auch, das Nicht-loslassen-Können, bevor es getan ist. «So war es beim Spielen und so war es, als ich das Restaurant hatte. Ich wollte das Geld zurück, wollte gewinnen. Und ich habe gewonnen. Ein sagenhaftes Gefühl.»
Heute geht Dema wieder ab und zu in den Spielsalon –um abzuschalten, wie er sagt. Und erzählt mit einem Schmunzeln, wie ihn unlängst der Casinoleiter bat, am Automaten Platz zu machen für andere Gäste. «Ich habe eine gute Stunde mit 50 Rappen Einsatz gespielt, das rentiert für die nicht. Da bin ich aufgestanden, habe dem guten Mann zugezwinkert und bin gegangen.»
Gutes Business mit argen Nebenwirkungen
In der Schweiz zeigen 270 000 Menschen ein sogenannt exzessives Spielverhalten, die Hälfte davon gilt als süchtig. Die Zahl der schweizweit registrierten Spielsperren liegt bei rund 80 000. Es gibt etwa 20 Spielbanken im Land –die höchste Casino-Dichte in Europa. Sie erzielten 2022 insgesamt einen Bruttospielertrag von 879 Millionen Franken, mit eingeschlossen sind die Erträge aus OnlineSpielen, welche Casinos seit 2019 anbieten dürfen. Weitere 939 Millionen wurden mit Lotterie- und Wettangeboten gemacht. Die gesellschaftlichen Kosten des Glückspiels, dazu zählen der Ausfall von Arbeitsleistungen, Therapien, Gerichtsverfahren, Scheidungen, werden auf 650 Millionen Franken jährlich geschätzt. Beratung in Sachen Spielsucht unter sos-spielsucht.ch. KP
«Draussen wird es anders sein»
In der Klinik Selhofen in Burgdorf gibt es seit kurzem ein Entzugsprogramm speziell für Jugendliche und junge Erwachsene. Für Elias, bald 23, ist es der siebte Entzug
TEXT LEA STUBER
Mit einer Tasse Kaffee in der Hand tritt Elias, dunkle Adidas-Jacke, schwarze Jeans, in das Büro der Sozialarbeiterin in der Klinik Selhofen in Burgdorf. Die Aussicht hier oben reicht weit über die Stadtgrenzen bis zu den Emmentaler Hügeln, über denen an diesem Vormittag im Oktober Wolken hängen. Wären wir bei Netflix in einer Highschool-Serie, wäre Elias der Kapitän des Football-Teams. Nicht einer der aufdringlichen Sorte, sondern der Schüchterne, dem alle Herzen zufliegen. Dass die Sozialarbeiterin beim Gespräch dabei ist, gibt ihm Sicherheit. Er möchte Verständnis schaffen, hofft, dass Eltern und andere Angehörige von jungen Menschen, die gerade in eine Sucht abzurutschen drohen, seine Geschichte hören.
Seit neun Wochen macht Elias einen Kokain- und Benzodiazepin-Entzug. In zwei Tagen wird er austreten, dann einfach ein junger Mann sein, der bald 23 Jahre alt wird. Und so kurz vor diesem «neuen Lebensabschnitt», weg von der Klinik nach Signau in eine eigene Wohnung, ist Elias voller Vorfreude. Er strahlt eine Lust aus, eine Ernsthaftigkeit auch, er möchte wieder Stabilität finden, eine Struktur im Alltag. Erst mit einem Job bei der Stiftung Intact und dann möglichst bald mit einer Lehre, am liebsten zum Detailhandelsfachmann in einem Sportgeschäft. «Das ist der Horizont, den ich mir vorstellen kann», sagt er und klingt dabei so, wie wohl auch die Psychotherapeut*innen in seinen Therapien reden.
Es ist aber nicht alleine die Vorfreude. Da ist auch eine Zurückhaltung, eine Vorsicht, wenn Elias sagt: «Ob ich die Sucht je ganz loswerden kann – ich weiss es nicht. Noch bin ich in einem geschützten Rahmen, draussen wird es anders sein.» Dass das sein letzter Entzug ist, möchte er nicht sagen. Dafür ist er mit dem Thema zu erfahren.
Am Anfang fühle sich jeder Entzug wie ein Rückschritt an. «Es fällt mir schwer, Hilfe anzunehmen. Ich denke: Ich muss es alleine schaffen. Weil ich als Kind oft auf mich gestellt war.» Sieben Entzüge hat Elias in sechs Jahren gemacht. Der erste mit 17 war ein Benzodiazepin-Entzug, der zweite ein Alkoholentzug, jetzt ist es ein Mehrfachentzug bei Polytoxikomanie, wie das die Klinik Selhofen nennt. Elias ist nicht nur abhängig von einer Substanz, sondern von Cannabis, Benzodiazepin, Kokain, Heroin. Seit diesen neun Wochen Entzug hat er kein Cannabis, kein Benzodiazepin und kein Kokain mehr konsumiert. So lange wie noch nie zuvor, früher war er maximal einen Monat ohne Rückfall. Das Heroin substituiert er noch mit dem Medikament Subutex. Er wollte sich nicht gleich überfordern.
Immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene haben sich in den letzten Jahren für einen Entzug gemeldet, sagt Katrin Schneider von der Klinik Selhofen (siehe Interview S. 23). Auch
die Stiftung Sucht Schweiz kommt im Schweizer Suchtpanorama 2024 zum Schluss: Der Substanzkonsum von Jugendlichen bleibt hoch, bei einigen Substanzen wie Nikotin nimmt er sogar zu (siehe Text S. 8). In der Behandlung brauchen junge Patient*innen mehr Struktur, stellte die Klinik Selhofen fest und entwickelte eine Entzugsbehandlung speziell für Patient*innen von 16 bis 25 Jahren.
Jetzt sei es ihm ernst, er möchte sein Leben wirklich ändern, sagt Elias. Um sich Heroin zu beschaffen, begann er selbst Drogen zu verkaufen. Er wurde gewalttätig. Um seine Wohnung konnte er sich nicht mehr kümmern. Die Kriminalität, die Gewalt, die Verwahrlosung, er habe es satt. Von Crack, dem erhitzten und gerauchten Kokain, bekam er Asthma, er will seinem Körper nicht noch mehr schaden.
Stress und Angst
Vor seinem ersten Entzug mit siebzehn kiffte und trank Elias täglich. Dazu konsumierte er MDMA, Amphetamine und das Benzodiazepin Dormicum. «Ich merkte, dass Dormicum alles abstellt. Gefühle nahm ich kaum mehr wahr, weder die unangenehmen noch die angenehmen.» Mit Freund*innen in Bern bei der Reitschule oder auf der Grossen Schanze Zeit verbringen, ausgehen, neue Erfahrungen machen – dass das alles nicht nur Spass macht, sondern auch gefährlich ist, merkte Elias, als er mit dem Benzodiazepin nach einem Monat aufhören wollte. «Erst dachte ich, ich hätte bloss einen verspannten Rücken, dann merkte ich, dass es Entzugserscheinungen sind.» Als er seinem Vater, der jahrelang trank, erzählte, dass er süchtig sei und in eine Entzugsklinik wolle, wurde Elias von Gefühlen überwältigt. «Ich konnte ihm kaum in die Augen schauen und brach in Tränen aus.» Elias’ Mutter trinkt bis heute.
Vier Wochen verbrachte Elias als 17-Jähriger in der Klinik Selhofen, um von Benzodiazepin wegzukommen. Danach ging er «in das normale Leben» zurück – und konsumierte, ausser Benzodiazepin, weiter wie zuvor. Der zweite Entzug folgte zwei, drei Jahre später, so genau kann Elias das nicht sagen. Als sein Vater und seine ältere Schwester ihm beim Aufräumen helfen wollten und all die leeren Alkoholflaschen in seiner Wohnung sahen, hatte Elias einen Zusammenbruch.
In der Krisenintervention in Burgdorf wurde eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Seit Elias sich erinnern kann, haben seine Eltern getrunken. Und sie schlugen ihn wegen Kleinigkeiten, etwa wenn er mit seiner Schwester gestritten hatte. Auch die Eltern stritten sich oft. «Es war stressig, ich hatte die ganze Zeit Angst.» Elias hält inne, er braucht eine kurze Zigarettenpause.
In der Schule sagte Elias am Anfang kein Wort, er hatte Angst vor Menschen. «Was daheim passiert ist, habe ich nie in der Schule erzählt. Und dass es in der Schule nicht gut lief, habe ich daheim nicht erzählt.» Elias war ein verträumtes Kind, nicht bei der Sache. Damit wollte er sich von den traumatischen Erlebnissen abgrenzen, sagt er. Wenn er weinte, weil er geschlagen wurde, wurde es nur noch schlimmer. «Ich lernte, mir nichts anmerken zu lassen.» Elias war beim Schulpsychologen, der stellte ein ADHS fest und dass er «halt ein bisschen anders» sei. «Ich hätte Hilfe gebraucht, aber ich konnte es nicht aussprechen.» Der Hilfeschrei, sagt er heute, war der Konsum.
Darauf zugehen statt flüchten
In der Schule fiel es ihm schwer, Freund*innen zu finden. Später in Liebesbeziehungen habe er sich schwierig verhalten. «Ich wollte nicht sein, wie ich bin. Ich brauchte die Sucht, um vor mir selber zu flüchten. Und vor der Vergangenheit. Nun weiss ich: Ich muss darauf zugehen statt zu flüchten.» Einer seiner zwei engen Freunde konsumiert gerade viel Benzodiazepin. «Ich versuche ihm zu helfen, sage ihm, dass ein Entzug eine gute Sache sei. Aber ich brauche meine Energie im Moment für mich selber.»
In der Klinik hat Elias eine Frau kennenglernt, sie steht an einem ähnlichen Punkt wie er. Vielleicht entsteht da gerade eine Freundschaft.
Dass die Abhängigkeit «nicht noch schlimmer» geworden ist, liege auch am Fussball, den Elias in all den Jahren weiterhin spielte. Er wollte parat sein fürs Training, konsumierte also gerade so viel, dass er keine Entzugserscheinungen hatte. «Das ging schon, nicht mega gut logischerweise.» Nach den Spielen trank er viel. Doch welche anderen Substanzen er noch konsumierte, fiel den meisten im Team nicht auf.
Bei der Krisenintervention in Burgdorf, seinem zweiten Entzug, dauerte es nicht lange, und Elias wurde rückfällig. So ging es ein einige Male: Er versuchte immer wieder von einer Substanz wegzukommen, schaffte es aber nicht. Nach dem sechsten Entzug vor zwei oder drei Jahren wohnte und arbeitete er bei der Stiftung Terra Vecchia. Lange lief es gut, doch dann flog er nach knapp einem Jahr raus. Er hatte Alkohol, Cannabis und Kokain konsumiert.
Und einmal mehr eskalierten die Dinge schneller, als Elias es sich eingestand. Er fuhr nach Interlaken, um Kokain zu kaufen. Dort bot man ihm an, es aufzukochen und als Crack zu rauchen – bisher hatte Elias das nie gemacht. Es gefiel ihm sehr. «Endlich spürte ich Selbstvertrauen. Die Glücksgefühle sind so gross, dass man alles andere ausblendet.»
Schon immer hatte Elias auch aus dem Grund Substanzen konsumiert, um sich überhaupt unter Menschen zu wagen. Er ging nie in den Ausgang, ohne schon vorher getrunken zu haben. Das liegt auch an einer Sozialen Phobie, weiss er inzwischen. Irgendwann brauchte er nach dem aufputschenden Crack etwas, um wieder runterzukommen. Heroin zum Beispiel. Und, nach so langer Zeit wieder, Benzodiazepin.
Während Elias nach Entzügen jedes Mal ein Stück mehr in die Drogen rutschte, machten die meisten Mitschüler*innen von früher ihre Ausbildung, schlossen sie ab, inzwischen studieren manche. «Es ist nicht gut, mir darüber Gedanken zu machen, aber manchmal denke ich, es wäre schön, hätte ich das auch geschafft», sagt Eilas. Doch das, was war, ist auch Teil von ihm. Er fällt ihm immer leichter, das zu akzeptieren.
«Das
ist keine verlorene Zeit»
Jugendliche beschäftigen im Entzug andere Themen als erwachsene Suchtbetroffene, sagt Katrin Schneider von der Klinik Selhofen.
INTERVIEW LEA STUBER
Katrin Schneider, zwischen 17 und 22 machte Elias sieben Entzüge. Ist die Zeit des Erwachsenwerdens besonders schwierig, um von einer Sucht wegzukommen?
Katrin Schneider: Die Adoleszenz mit all ihren Entwicklungsschritten – körperliche Entwicklung, Ablösung von zuhause, erste Liebesbeziehungen, Ausbildung – ist eine herausfordernde Phase und mit viel Unsicherheit verbunden. Das Gehirn ist erst mit etwa 25 Jahren fertig entwickelt, dadurch ist die Kontrolle über das eigene Verhalten und die Emotionen noch eingeschränkt. Gleichzeitig ist das dopaminerge System, wo eine Sucht sozusagen entsteht, bereits ausgereift. Junge Menschen bemerken negative Auswirkungen des Konsums noch weniger. Es ist also eine besonders vulnerable Zeit für das Reinrutschen in den Substanz- oder Medienkonsum – und auch für den Ausstieg. Was auffällt: In den letzten Jahren hatten wir mehr Anfragen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Worin unterscheiden sich junge von erwachsenen Suchtbetroffenen?
Sie wollen Grenzerfahrungen machen und zeigen ein Risikoverhalten; zu planen und Konsequenzen abzuschätzen fällt ihnen schwerer. Oft haben sie wenig Motivation, etwas zu verändern. Die Peergroup hat einen hohen Stellenwert, zudem beschäftigen sie andere Themen als erwachsene Suchtbetroffene. In Gesprächsgruppen mit älteren Patient*innen trauen sie sich weniger mitzureden oder sie fühlen sich weniger verstanden. Geht es ihnen nicht gut, melden sie sich weniger von sich aus.
Was bedeutet das für die Behandlung?
Wir gehen aktiver auf sie zu. Vertrauen und Beziehungsaufbau sind besonders wichtig. Junge Patient*innen brauchen mehr Struktur und Unterstützung in Zeiten, wo sie nichts zu tun haben. Denn: Was machen sie mit der freien Zeit, wenn die Substanz wegfällt und vielleicht Suchtdruck aufkommt? Oder wenn Selbstverletzung zur Option wird? Mit der Tagesbezugsperson, als niederschwellige Ansprechperson aus dem Pflegedienst, können sie dann überlegen: Was mache ich gerne? Könnte ich das mal wieder ausprobieren? In der separaten Gruppentherapie können sie über Themen wie Umgang mit Gefühlen oder Risikoverhalten sprechen. Oder über Fragen wie: Was will ich im Leben, welche Werte sind mir wichtig? Welche Menschen tun mir gut, welche nicht? Bei Minderjährigen laden wir die Eltern zu einem Gespräch ein. Volljährige verzichten häufig darauf; oftmals ist die Beziehung zu den Eltern schwierig. Viele Eltern sind psychisch belastet.
Ist eine zerrüttete Kindheit und die damit verbundenen seelischen Verletzungen tatsächlich die häufigste Ursache für das Abrutschen in eine Sucht?
Nein, das würde ich nicht sagen. Es gibt Risikofaktoren für eine Suchterkrankung, dazu gehören traumatische Erlebnisse in der Kindheit oder Eltern mit Abhängigkeitserkrankungen. Doch es gibt viele weitere Gründe. Sei es das Ausprobieren, Dazugehören oder Leistung steigern wollen. Seien es andere Erkrankungen, für die Substanzen der Selbstmedikation dienen.
Als Minderjähriger durfte Elias höchstens vier Wochen in der Klinik Selhofen bleiben. Das neue Programm dauert nun maximal elfeinhalb Wochen, also knapp drei Mal so lange.
Für Minderjährige gelten die vier Wochen nach wie vor. Denn als Erwachsenenpsychiatrie behandeln wir Jugendliche ab 16 Jahren ausnahmsweise. Der Fokus liegt bei uns auf dem Entzug. Ist eine stationäre Weiterbehandlung notwendig, empfehlen wir dies in einer Jugendpsychiatrie.
Sind pezifische Entzugsprogramme für Jugendliche und junge Erwachsene zu teuer?
Ich kenne in der Schweiz tatsächlich nur in Münsterlingen im Thurgau eine Klinik mit einem ähnlichen Programm. Viele Entzugsbehandlungen finden in Jugendpsychiatrien oder in Suchtkliniken für Erwachsene statt. Folglich fehlt entweder sucht- oder altersspezifisches Fachwissen. Mit 18 ändert wahnsinnig viel, etwa bezüglich Beistandschaft,
Finanzierung oder Wechsel von der Jugend- in die Erwachsenenpsychiatrie. Der Übergang ins Erwachsenenalter wird zerschnitten. Das erschwert es, ein Angebot für diese Gruppe zu schaffen.
Elias will nicht sagen, dass dies sein letzter Entzug sein wird. Haben Sie dennoch die Zuversicht, dass es für manche der letzte Entzug ist?
Sicher, diese Zuversicht haben wir. Sehr wichtig ist der Anschluss. Wie geht es nach dem Entzug weiter? Wie sieht die psychologische Betreuung aus, die Tagesstruktur? Von einer Sucht loszukommen, ist ein Prozess. Ist ein nächster Aufenthalt notwendig, ist dies keine verlorene Zeit, keine verlorene Behandlung. Bei jungen Menschen kommt die Motivation für den Entzug häufig von aussen – von den Eltern, dem Helfer*innennetz. Bei einem nächsten Aufenthalt steht die Person oft an einem anderen Punkt. Sie kennt uns, hat andere Ziele, sie kann am früheren Aufenthalt anknüpfen.
KATRIN SCHNEIDER, Pflegewissenschaftlerin, ist in der Klinik Selhofen in Burgdorf Projektleiterin von switch-on, dem neuen Entzugsprogramm für Jugendliche; etwa ein Viertel der stationären Patient*innen sind Teil dieses Programms. Die häufigsten Suchtmittel sind Cannabis, Alkohol, Kokain, Amphetamine und Benzodiazepine; auch Medikamentenmischkonsum ist verbreitet.
Stille Aktivistin
Kunst Kochen und Essen im Museum? Bei der schweizerischvietnamesischen Künstlerin Thi My Lien Nguyen geht es dabei um Gemeinschaft, Diaspora und Identität.
TEXT SARAH MÜHLEBACH
Thi My Lien Nguyen ist viel unterwegs. Gerade noch war sie in Laos und Vietnam auf Recherchereise und auf Besuch bei nahen und entfernten Familienmitgliedern, dann ein kurzer Zwischenstopp in ihrer Wahlheimat Winterthur, und schon ging’s weiter nach London für ein dreimonatiges Atelierstipendium. Thi My Lien Nguyen mag Veränderung, in Bewegung sein, Fluidität. Und vor allem mag sie es, verschiedene Dinge gleichzeitig zu tun. Multitasking. Vielleicht etwas, das die Fotografin und Künstlerin mit den «Frauen, die vor ihr da waren» (wie der Titel ihrer Luzerner Ausstellung lautete) gemeinsam hat?
Sei es innerhalb ihrer eigenen Familie oder innerhalb einer diasporischen Gemeinschaft
Letztes Jahr zeigte My Lien – ausgesprochen wie das englische Wort «million», der humorvolle Hinweis findet sich auf ihrer Website – an der Biennale Weiertal die Arbeit «Slices of Love»: Im Garten eines ehemaligen Bauernhofes luden niedrige, mit einem Muster von Obststücken überzogene Tische dazu ein, sich ins Gras zu setzen und dort zu verweilen. Im Rahmen einer Veranstaltung servierte die Künstlerin vietnamesische Köstlichkeiten, Obst und Tee. Beim gemeinsamen Essen ging es auch darum, ins Gespräch zu kommen über alltägliche und vermeintlich selbstverständliche Dinge. Erinnerungen an die sorgfältig geschälten und geschnittenen Apfelschnitze der eigenen Mutter mochten einem da in den Sinn kommen, vermischt mit Gedanken an den Mental Load, die damit verbundene emotionale Arbeit, die in unserer Gesellschaft noch immer unsichtbar gemacht wird. Der Tisch als Ort der Gemeinschaft, als Ausdruck der Zuneigung und Liebe, aber auch als Ort der Reflexion über CareArbeit, steht sinnbildlich für My Liens künstlerische Praxis: kochen, kuratieren, fotografieren, vermitteln, schreiben, Geschichten erzählen – oft finden diese Aktivitäten rund um einen Tisch statt. 2020 gründete My Lien «Mili’s Supperclub», der als Plattform, PopupEvent, aber auch als privates Catering funktioniert. Die Künstlerin gründete ihn mit dem Ziel, Menschen die vietnamesische Esskultur näherzubringen und gleichzeitig einen Diskurs über Migration, Identität und Zugehörigkeit anzustossen. Seit einigen Jahren organisiert sie zudem die «Gatherings», für die sie mit verschiedenen Ateliergemeinschaften und Communitys zusammenarbeitet. Mit offenem Ausgang schafft My Lien einen Rahmen, in dem unter ihrer Anleitung gemeinsam gekocht und gegessen wird und Geschichten ausgetauscht werden können.
Zusammen mit Kay Zhang, Paloma Ayala, Engy Mohsen, tracy september und Trinity NjumeEbong übernahm My Lien 2023 den selbstorganisierten, unabhängigen feministischen Kunstraum Les Complices* in Zürich. Der Raum stellt queere und nichtweisse Perspektiven in den Mittelpunkt und bewegt sich zwischen zeitgenössischer Kunst und aktivistischer Praxis. Ausstellungen, Diskussionen und Filmscreenings finden ebenso statt wie KochEvents, Lesungen und Workshops.
Was Kulturinstitutionen leisten müssten
Diasporische und postmigrantische Perspektiven und Realitäten sind in der Schweizer Kunst und Medienlandschaft noch immer keine Selbstverständlichkeit. Gleichzeitig haben laut dem Bundesamt für Statistik rund 40 Prozent der Schweizer Bevölkerung eine Migrationsgeschichte. Ein Blick auf die Diversität in den hiesigen Kulturinstitutionen zeigt, dass noch viel Arbeit geleistet werden muss. Auch deshalb versteht My Lien ihre Kunst als politisch. «Die Themen, mit denen ich mich in meiner Kunst beschäftige, sind eng mit der Person verbunden, die ich in der Gesellschaft bin und repräsentiere», sagt sie. «Junge Frau, Person of Color, Kind der Arbeiterklasse und Mitglied einer Diaspora.» Aus diesem Grund sei ihre Arbeit politisch, ihre Kunst verstehe sie als «stillen Aktivismus». Der Anspruch, zu vermitteln sei zwar zentral für ihre künstlerische Praxis, allerdings habe sie unterdessen begonnen, auch ihre Rolle als Vermittlerin stärker zu thematisieren.
Begonnen hat My Liens künstlerischer Weg mit dem Bachelor in Camera Arts an der Hochschule Luzern. Seither hat sich ihre Arbeit weiterentwickelt und erweitert: Sie druckt Fotografien auf Vorhänge, schreibt Gedichte, arbeitet mit Video und integriert zuweilen auch persönliche Objekte in die Installation. In der Ausstellung «The Women Who Came Before Us», die diesen Herbst in Luzern zu sehen war, zeigte eine Videoarbeit nebst Archivmaterial aus dem Familienalbum auch aktuelle Videoaufnahmen von My Liens Grossmüttern, ihrer Mutter und von ihr selbst bei den oft verborgenen, aufwendigen Vorbereitungen von Mahlzeiten. Es war ein berührendes Porträt, das die Geschichte dreier Generationen von Frauen zwischen vietnamesischem Erbe und westlicher Gesellschaft miteinander verwebt. Im Video sprach My Lien selbst: Fast so, als würde sie eine Geschichte mit einer guten Freundin, einem guten Freund teilen. Und vielleicht
Das neugestaltete Café im Kunstmuseum St. Gallen: Bei My Lien wird das Essen als soziales Ereignis zur Kunst.
ist es gerade diese Offenheit und Gastfreundschaft, mit der sie die Besucher*innen einlädt, Teil einer Erfahrung zu werden und sich willkommen zu fühlen.
Es ist dieser Gedanke, mittels Kunst neue Gemeinschaften zu bilden, die das Kunstmuseum St. Gallen nun gemeinsam mit My Lien weiterverfolgen wird: Das bisherige Museumscafé wurde im September neu gestaltet als Versuch, es als Ort der Begegnung und des Austausch neu zu interpretieren. Der Raum umfasst neu eine raumgreifende Installation, die Vorhänge sind mit Fotos bedruckt, die Möbel hat My Lien entworfen und mit lokalen Schreiner*innen ausgearbeitet. Aktuell steckt man in der Konzeptionsphase, um den Weg des Community Buildings zusammen mit der Künstlerin weiterzuentwickeln. Dabei liegt der Fokus auf der diasporischen Gemeinschaft – und vietnamesischer Kaffee und Kuchen werden auch in Zukunft Teil des festen Angebots bleiben. Es ist aber durchaus geplant, die Installation und das Café mit weiteren Communitys zu bespielen und mit deren Inhalten und Themen zu füllen. Mitte November kehrt My Lien aus
London in die Schweiz zurück. In einem WerkstattEvent gibt sie im Gespräch mit der Kuratorin Nadia Veronese dann Einblick in ihre Arbeit und bereitet Essen zu. Im Eintrittspreis von 25 Franken sind nicht nur das Gespräch und die Installation inbegriffen, sondern auch das gemeinsame Essen – das bis dahin von den Anwesenden wohl zweifellos als Kunst wiedererkannt wird.
«Thi My Lien Nguyen: Shaping Fluidity», permanente Installation mit Pop-Up-Café, Di bis So, 10 bis 17 Uhr, So bis 20 Uhr; Event: «Building Communities», So, 24. Nov., 11 bis 13 Uhr, Kunstmuseum St. Gallen, Museumstrasse 32, St. Gallen, kunstmuseumsg.ch
Dieser Text erschien erstmals im 041 Kulturmagazin und wurde leicht bearbeitet und aktualisiert.
Veranstaltungen
Bern «Grönland. Alles wird anders», Ausstellung, bis August 2025, Di bis So, 10 bis 17 Uhr, ALPS Alpines Museum der Schweiz, Helvetiaplatz 4. alps.museum
Rasant schmelzende Eismassen, boomender Tourismus, drei neue Flughäfen im Bau, wachsende Müllberge, globale Investoren auf der Suche nach Bodenschätzen und ein selbstbewusstes Grönland auf dem Weg zu einer indigenen Identität und Unabhängigkeit. Grönlands Wandel ist heftig, ungestüm und widersprüchlich. Doch wie sehen das die Menschen dort? Und was lernen wir daraus über die Welt, in der wir leben? Das hier ist eine filmische Ausstellung mit original GrönlandSoundtrack: Raumgreifende Projektionen stehen rund dreissig Interviews gegenüber, in denen Grönländer*innen – vom Fischer zur Schauspielerin, von der Politikerin zum Flughafenmanager, zum Studenten zum Jäger und zur Influencerin – ihre Erfahrungen und ihre persönliche Sicht auf Grönland teilen. Der lebendigen grönländischen Musikszene widmet die Ausstellung einen eigenen Schwerpunkt. Begleitende Veranstaltungen und ein 200seitiges Magazin bieten weitere Vertiefung und visuelle Perspektiven – etwa jene des jungen grönländischen Fotografen Inuuteq Storch, der mit seiner Arbeit für den dänischen Pavillon an der aktuellen Biennale von Venedig auf sich aufmerksam macht. DIF
Genf «Tuning In – Akustik der Emotionen», Ausstellung, bis August 2025, Di bis So, 10 bis 17 Uhr, Internationales Rotkreuz- und Rothalbmondmuseum (MICR), Avenue de la Paix 17. redcrossmuseum.ch
Gefängnis und humanitäre Lieder. Dazu gibt’s zeitgenössische Kunst ziemlich bekannter Namen wie zum Beispiel William Kentridge und Robert Capa. DIF
Lenzbur g «Hauptsache gesund. Eine Ausstellung mit Nebenwirkungen», Ausstellung, 10. Nov. bis Okt. 2025, Di bis So, 9 bis 17 Uhr, Stapferhaus, Bahnhofstrasse 49. stapferhaus.ch
Bilder spielen eine zentrale Rolle bei unserer Wahrnehmung von Konflikten, Naturkatastrophen und anderen humanitären Notlagen. Aber auch Geräusche und insbesondere Stimmen tragen zum Verständnis und zur Darstellung von humanitären Herausforderungen bei. Das Internationale Rotkreuz und Rothalbmondmuseum präsentiert deshalb in einem experimentellen Ansatz sein akustisches Kulturerbe: Die Sammlungen und Archive des Museums, des IKRK und der Internationalen Föderation der Rotkreuz und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) bewahren zahlreiche Schallplatten, Tonbänder, Kassetten und andere Tonträger auf. Diese Dokumente werden nun zum ersten Mal ausgestellt, nebst Musikinstrumenten, Partituren, Konzertplakaten und fotografien vom 19. Jahrhundert bis heute; quasi die Klangkulisse der humanitären Arbeit. Sie wird in drei Unterthemen präsentiert: Stimme und Archiv, Musik im
Die Gesundheit ist das grosse Versprechen unserer Zeit (und die öffentliche Gesundheitsversorgung unser grosses Problem). Man kann sie tracken und trainieren mit Superfood und Spurenelementen aus der Dose. Interessanter sind aber ein paar Fragen von gesellschaftlicher Tragweite: Wer gilt als gesund, wer als krank, und warum? Wie gehen wir mit Krankheit um? Oder eben: Wer ist für Gesundheit verantwortlich und wer bezahlt den Preis? Die Ausstellung beginnt mit der Frage «Wie geht es dir?», führt zur Frage nach der Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit und schliesslich in den Gesundheitsmarkt. Medikamente und ihre Geschichte, Behandlungsmethoden und Therapieansätze, Wellness und Optimierungstrends. Ein vielschichtiges Thema in einer vielschichtigen Ausstellung: Mitgearbeitet haben Mediziner*innen, Philosoph*innen, Therapeut*innen, Ökonom*innen und Historiker*innen. Zwischendurch ertönt übrigens immer wieder der Alarm aus dem Notfallraum: Auf dem Operationstisch liegt das Gesundheitswesen, und die Besuchenden sind aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen. DIF
Bern
«Von Geburtstagen und Krisen», Show, Do, 14. Nov., 20.30 Uhr, Tojo Theater Reitschule Bern, Neubrückstr. 8. tojo.ch / babanews.ch «Migration, Integration, Flüchtlingsströme, Secondos, Musliminnen»: über diese Themen und Menschen wird in der Schweiz rege diskutiert. Oft kommen dabei die nicht vor, um die es in der Diskussion geht. Diese Lücke füllt das OnlineMagazin baba news – und geht nun mit dem Programm auf Tour. Die babaMacher*innen Albina Muhtari und Merita Shabani produzieren Inhalte zu und aus der
postmigrantischen Schweiz, die eine mittlerweile grosse Community (mit und ohne Migrationsgeschichte) bewegen. Die Redaktion veröffentlicht Videos, Artikel und Podcasts, die sich mit rassistischen Fasnachts Besucher*innen und migrantischen Erfahrungen, aber auch mit mentaler Gesundheit, Frauenrechten, queeren Perspektiven oder einer einseitigen Berichterstattung im Kontext eines Genozids auseinandersetzen. In ihrer Show «Von Geburtstagen und Krisen» blicken die Chefredaktor*innen Albina Muhtari und Merita Shabani auf die letzten sechs Jahre baba news zurück – versprochen ist «eine Show zum Lachen und Weinen». DIF
Basel
«Writers’ Room», Theater, Di, 12. Nov., 20 Uhr; Do, 14. Nov. bis Sa, 16. Nov.; Mo, 18. Nov. bis Mi, 20. Nov., jeweils um 20 Uhr, Kaserne Basel, Klybeckstr. 1b. kaserne-basel.ch
Immer wieder erfindet sich Sebastian Nübling in seinen Inszenierungen neu – vor allem mit seinen Inszenierungen, die er mit dem jungen theater basel realisiert (hier in Zusammenarbeit mit Musiker*in Jackie Poloni und Autor Lucien Haug). Hier kommt also wieder ein furioses Experiment, ein bedingungsloser WorkinProcess: Sieben junge Menschen beschliessen, sich der Welt mitzuteilen. Die Herausforderung besteht diesmal aber nicht darin, dafür auf dem Smartphone fummelnd bedeutungsschwangere und dennoch hippe Reels zu kreieren, sondern – zu kollaborieren! Kennen wir aus den Gruppenarbeiten in der Schule, denken sich jetzt die meisten. Aber hier wird die Sache natürlich aufregender, und erprobt und trainiert wird nichts Geringeres als der gesellschaftliche Zusammenhalt. Klingt vielleicht gerade etwas behäbig. Aber wir wissen: Wenn Nübling draufsteht, rennt man dabei sicher auch recht wild auf der Bühne herum. DIF
Tour de Suisse
Pörtner in Laufenburg
Surprise-Standort: Coop
Einwohner*innen: 3752
Sozialhilfequote in Prozent: 2,9
Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 34
Anzahl Kindergartenschüler*innen: 79
Die namensgebende Laufenburg existiert noch als Ruine. Stehen geblieben ist der Turm, und der ist jeden Tag geöffnet. Von 6 Uhr bis 20 Uhr kann man hinaufsteigen. Verboten ist hingegen das Herumklettern auf den Mauern und das Campieren. Die Anstrengung lohnt sich, von oben hat man einen herrlichen Ausblick auf den Rhein, der viel Wasser führt und braun verfärbt ist, und auf das zu Deutschland gehörende andere Ufer.
Die Stadt Laufenburg wurde von Napoleon höchstpersönlich zerteilt. Wobei es eigentlich der Rhein ist, der die beiden Ortsteile trennt, die einst zusammen eine Stadt bildeten. Seit rund zweihundert Jahren bildet der Fluss die Landesgrenze, eine sogenannte natürliche Grenze, die eben nicht zwingend als solche angesehen werden muss, wie sich in anderen beidufrigen Städten zeigt. Unter der Burg
befindet sich die verschnörkelte Altstadt mit ihren kleinen, bunten Häuserschnitzen. Auf der einen Seite ist die Autobahn zu sehen, auf der andern in der Ferne ein grosser Kamin, eine Kehrichtverbrennung oder Chemiefabrik.
Der Weg in die Altstadt von Laufenburg führt an der katholischen Kirche vorbei, auf deren Dach die Tauben sitzen, die dort sprichwörtlich wenig nützen. Die Gassen sind eng, verwinkelt, mit Kopfsteinpflaster belegt, ausser den modernen Garagentoren hat sich das Bild in den letzten Jahrhunderten kaum verändert. Es gibt Häuser, die so schmal sind, das nicht ganz klar ist, wo sich darin neben der Treppe noch Zimmer befinden könnten. Auf kleinen Balkonen und auf der Strasse stehen Tische, Stühle und Pflanzentöpfe, Fassaden und Fenster sind individuell verziert.
Das Grundbuchamt verfügt über ein eigenes stattliches Gebäude. Was auffällt, sind die mit Häkelarbeiten verzierten Bäume, Bänke und Pfosten. Sogar ein vollkommen eingehäkeltes Velo steht herum. Wie sich herausstellt, gehört das zur Aktion «Umgarnt», die dieses Jahr stattfindet. Im Tourismusbüro kann ein entsprechender Faltprospekt mit Wettbewerb bezogen werden. Der Tourismus spielt hier eine Rolle, es gibt mehrere Hotels und Bed & Breakfasts und in Schaufenstern beworbene Privatunterkünfte. Die Restaurants sind über Mittag gut besucht.
Der Bahnhof hingegen ist klein und beherbergt eine Werbeagentur. Auch das gegenüberliegende XL-Einkaufszentrum hat eher Grösse S. Auf dieser Seite der Strasse befindet sich das Industriegebiet, ein Fabrikschlot scheint zu rauchen, aber bei genauerem Hinsehen handelt es sich um eine Wolke.
In der Altstadt gibt es das Museum Schiff, das Museum Sprachpanorama oder das Rehmann Museum mit seinem Skulpturengarten, hinter dem ein schmaler, ebenfalls nach Erwin Rehmann benannter Weg in die wilde Natur des Rheinufers führt, ehe er in einen öffentlichen Park mit Spielplatz mündet. Die Bänke sind hochgeklappt, was den Vorteil hat, dass sie so nicht nass werden, nicht einmal bei Hochwasser.
Etwas weiter oben befindet sich das Kulturzentrum Schüür, am selben Platz hinter einem Brunnen, der renoviert wird, gibt es ein Druidenhaus. Türme hat es noch weitere, etwa den Schwerlisturm, in dem einst aufständische Bauern bis zur Hinrichtung festgesetzt wurden.
STEPHAN PÖRTNER
Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht
Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.
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#581: Diskriminiert die IV? «Es ist ein Hohn»
Besten Dank für die wertvollen bewegenden Berichte. Die Frau in Ihrem Bericht ab Seite 8 erwähnt eine Mutmassung wegen Diskriminierung: Ja, ich und viele andere sind ebenfalls betroffen. Es ist nicht, weil sie eine Frau ist oder einen Migrationshintergrund hat. Alle erhalten genau den gleichen Text: «zu 100 Prozent arbeitsfähig in allen Bereichen». Es ist ein Hohn. Und oft sind es Schweizer, die davon betroffen sind. Die Gerichte (keine Mediziner*innen), welche die Gutachten (von Bürokraten) prüfen, machen die Augen zu und erkennen angeblich nicht, dass alle den gleichen Text erhalten. Meist gibt es sogar Gutachten, ohne die Person gesehen oder gehört zu haben, einfach eine Ablehnung. Danke, dass Sie so ehrliche Berichte bringen und zum Denken/Handeln/Verbinden anregen. Und die SurpriseVerkäufer*innen in Bern und Thun sind super, herzlich und diskret. Andere Städte kenne ich leider nicht.
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«Lindert
die Einsamkeit»
Das Buch von Herrn Habegger hat mich so gefesselt und ich habe es am Stück gelesen – konnte einfach nicht mehr aufhören! Jetzt ist er schuld, dass ich heute so müde bin – nein Spass beiseite, es hat mir sehr gefallen, zumal ich gerne Bücher von «gewöhnlichen», «normalen» Menschen lese. Dieses Buch lese ich noch einmal, aber etwas langsamer, weil man viele wertvolle Gedanken und Überlegungen darin findet. Selber bin ich, notgedrungen, ein einfacher Mensch, aber alle paar Monate ein Buch kaufen, das muss sein und lindert die Einsamkeit.
AGNES STEFANI, Ohne Ort
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«Kaum genug zum Leben»
«Ich bin in der Nähe der Stadt Timișoara im Osten von Rumänien aufgewachsen, nahe den Grenzen zu Ungarn und Serbien. Die Hoffnung auf eine Arbeitsstelle hat mich jedoch nicht in eins der Nachbarländer gezogen, sondern nach Spanien. Vor gut zehn Jahren bin ich mit meiner Frau und unserer Tochter nach Madrid gezogen, wo auch unser Sohn zur Welt kam.
Zuerst habe ich sechs Jahre in einer Metzgerei gearbeitet und dann drei Jahre auf dem Bau. Weil es schliesslich in Spanien immer schwieriger wurde, Arbeit zu finden, entschieden wir uns, es in Italien zu versuchen, wo auch Geschwister von mir leben. Doch dort klappte es gar nicht. Arbeit und Arbeitsbewilligungen sind in Italien schwer zu bekommen, deshalb kehrten ich mit meiner Familie nach Rumänien zurück.
Eigentlich würde ich gerne wieder in meiner Heimat leben, aber es ist fast unmöglich, dort den Lebensunterhalt zu verdienen. Ich habe es versucht, ich hatte immer wieder Gelegenheitsjobs wie Maurer oder Reinigungsarbeiten, aber das reicht für eine mittlerweile fünfköpfige Familie einfach nicht aus. Aus diesem Grund habe ich mich auf das Angebot eines Bekannten eingelassen, der mir einen Job und eine Wohnung in der Schweiz in Aussicht stellte.
Als ich hier ankam, ging er jedoch nicht mehr ans Telefon. Es war unmöglich, ihn zu erreichen. Am Anfang war ich konsterniert und wusste nicht mehr weiter, ich musste im Auto schlafen. Dann half mir zum Glück ein Italiener, den ich hier kennenlernte, eine Wohnung und eine Arbeit zu finden.
Mit dem Job klappte es schliesslich doch nicht, deshalb suchte ich weiter. Bei einem Unternehmen, das für die Post arbeitet, konnte ich dann drei Tage probearbeiten. Weil die Hebebühne und der Stapler nicht funktionierten, mussten wir den Lieferwagen am zweiten Tag von Hand entladen. Dabei fiel ein Teil der Ladung auf meinen Fussknöchel, und aus dem festen Arbeitsvertrag wurde nichts. Als ich fragte warum, sagte man mir, sie hätten schon eine andere Person eingestellt.
Zum Überbrücken, bis ich wieder eine Arbeit gefunden habe, verkaufe ich nun Suprise. Ich bin froh, dass das so schnell und unbürokratisch geklappt hat. Mein Verkaufsort ist in Thun beim Migros Dürrenast, nicht weit vom See entfernt. Die Leute dort sind sehr nett. Ich unterhalte mich gerne mit meiner Kundschaft. So gut es geht, verständige ich mich auf Deutsch, das lernten
Fardi Constantin, 41, verkauft Surprise in Thun beim Migros Dürrenast, er kam voll motiviert in die Schweiz arbeiten und wurde dann ausgebremst.
wir früher in Rumänien in der Schule, oder ich spreche, wenn es geht, Spanisch, weil ich das nach fast zehn Jahren in Madrid sehr gut kann.
Ich hoffe, dass ich bald eine Arbeit finde – mit meinen Erfahrungen auf dem Bau, in der Reinigung und im Verarbeiten von Fleisch, der Aufenthaltsbewilligung B sowie dem Führerschein bin ich optimistisch.
Geld brauchen meine Familie und ich im Moment mehr denn je, denn vor zwei Monaten wurde unser kleines, altes Haus in Rumänien samt Gemüsegarten überschwemmt und istdaher zurzeit unbewohnbar. Vielleicht erhalten wir irgendwann Hilfe vom Staat für die Renovationsarbeiten, aber bis dahin müssen wir uns selbst helfen.
Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal in einer solchen Situation bin. Früher brachten meine Familie und ich in Rumänien bedürftigen Menschen in der Nachbarschaft von dem wenigen Geld, das wir zur Verfügung hatten, zu Weihnachten und Ostern Geschenke. Und jetzt haben wir selbst kaum genug zum Leben.»
Aufgezeichnet von ISABEL MOSIMANN
Ermöglichen
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