Surprise Nr. 428

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Strassenmagazin Nr. 428 29. Juni bis 12. Juli 2018

CHF 6.–

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Observation

Auf der Lauer

Wie man in einem Detektivkurs seine Mitbürger überwachen lernt Seite 8


GESCHICHTEN VOM FALLEN UND AUFSTEHEN

Porträts der Surprise Verkaufenden in Buchform

Kaufen Sie jetzt das Buch «Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand» und unterstützen Sie einen Verkäufer oder eine Verkäuferin mit 10 CHF. «Standort Strasse» erzählt mit den Lebensgeschichten von zwanzig Menschen, wie unterschiedlich die Gründe für den sozialen Abstieg sind – und wie gross die Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen. Porträts aus früheren Ausgaben des Surprise Strassenmagazins ergänzen die Texte. Der Blick auf Vergangenheit und Gegenwart zeigt selbstbewusste Menschen, die es geschafft haben, trotz sozialer und wirtschaftlicher Not neue Wege zu gehen und ein Leben abseits staatlicher Hilfe aufzubauen. Surprise hat sie mit einer Bandbreite an Angeboten dabei unterstützt: Der Verkauf des Strassenmagazins gehört ebenso dazu wie der Strassenfussball, der Strassenchor, die Sozialen Stadtrundgänge und eine umfassende Beratung und Begleitung.

156 Seiten, 30 farbige Abbildungen, gebunden, CHF 40 inkl. Versand, ISBN 978-3-85616-679-3 Bestellen bei Verkaufenden oder unter: surprise.ngo/shop Weitere Informationen T +41 61 564 90 90 | info@surprise.ngo | surprise.ngo | Facebook: Surprise NGO 2

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TITELBILD: PHILIPP BAER

Editorial

Im Schatten Im März 2018 hat der Nationalrat dem neu­ en Observationsgesetz zugestimmt. Die nötigen Unterschriften für ein Referendum sind aber gesammelt. Wir wollten wissen, wer die potenziellen Sozialdetektive sind. Es scheint nun ein bisschen fies, dass unser Reporter ausgerechnet über seine Erlebnisse aus Erich Wunderlis Detek­ tivkurs berichtet, denn der Mann hat in der Branche nicht den besten Ruf. Es ist aber kein Zufall, dass wir genau ihn besucht ha­ ben, denn es zeigt eine Realität: Privat­ detektiv ist kein geschützter Beruf. Die Absolventen des Kurses wären tatsächlich berechtigt, als Sozialdetektive IV-Bezü­ ger, Arbeitslose oder Krankenversicherte zu überwachen. Lesen Sie ab Seite 8. Deborah, Ademola, Yisa und Pavour haben sich aus Nigeria ins nordafrikanische ­Libyen locken lassen. Sie sind damit in einem Transitland für viele Flüchtlinge mit Ziel Europa gestrandet, das bekannt ist für schwerste Menschenrechtsver­ letzungen. Nach dem internationalen Mili­ täreinsatz 2011 und dem Sturz des 4 Aufgelesen 5 Vor Gericht

Kleine Beute, hoher Preis

14 Nigeria

In den Fängen von Menschenhändlern

Florian Burkhardt, der als «Electroboy» bekannt wurde, veröffentlicht in diesem Heft seine letzte Kolumne: Seite 25. Spannend ist das Thema: die Öffentlichkeit der eigenen Situ­ation. ­Burkhardt hat sie gesucht und sich gleichzeitig an ihr abgearbeitet. Die Ge­ fahr des totalen Ausverkaufs seiner selbst möchte er aber nicht eingehen. Wir bedanken uns ganz herzlich bei ihm für die Zusammenarbeit, wünschen Florian Burkhardt alles Gute und vor allem eins: DIANA FREI viel Privatleben. Redaktorin 25 Buch

England nach dem Ersten Weltkrieg

30 Surprise-Porträt

«Manchmal ist es fast wie im Militärdienst»

25 Randnotiz

Reflexionen eines Produkts

6 Moumouni …

... talkt nicht mit

26 Veranstaltungen

7 Die Sozialzahl

27 Fortsetzungsroman

Offene Lohnschere

Nenn mich nicht Baby

8 Überwachungsgesetz

28 SurPlus Positive Firmen

Jeder überwacht jeden 22 Kunst

Was uns der Mini­malismus lehrt Surprise 428/18

Gaddafi-­Regimes kämpfen rivalisierende Fraktionen um die Macht in dem ölreichen Land, islamistische Gruppierungen nutzen es als Rückzugsort. Wir erzählen die Geschichten der nigerianischen Migranten, weil es wichtig ist, immer wieder aufs Neue festzuhalten: Persönliche Biografien und menschliche Tragödien sind von der Politik bestimmt. Je instabiler die Situ­ ation in einem Land, umso mehr. Lesen Sie ab Seite 14.

29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren 3


Aufgelesen

News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 34 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

FOTO: KAYLA ISOMURA

Periode auf der Strasse Armutsbetroffene und obdachlose Frauen haben ein Problem, wenn sie ihre Periode bekommen: Ihnen fehlt oft das Geld, Tampons oder Binden zu kaufen. Drei Studentinnen aus V ­ ancouver – Haley Doré, Fariba Davoody und Amanda Proctor (v.l.n.r.) – gründeten deshalb die Organisation «Periods on the Street», die Tampons und Binden abgibt. «Menstrua­tion ist leider für ­ viele Menschen immer noch ein Tabuthema», sagt Amanda ­Proctor. Viele der Frauen würden deshalb gar nicht über ihre Probleme sprechen. Die Orga­­ nisation will auch das ändern. MEGAPHONE, VANCOUVER

FOTO: LINUS HÖÖK

Hochzeit in Las Vegas Brigitta und Vincent aus Malmö sind seit 37 Jahren ein Paar. Die beiden haben eine bewegte Geschichte hinter sich: 1982 wanderten sie nach Spanien aus, wo sie sich mit Gelegenheitsjobs durch­ schlugen, bis Vincent innert vier Tagen vier Schlaganfälle erlitt. Seit ihrer Rückkehr nach Schweden verkaufen beide die Strassenzeitung Faktum. Sie sparen auf ein grosses Ereignis: Die beiden wollen endlich heiraten, und zwar in Las Vegas. «Wenn Elvis das geschafft hat, schaffen wir das auch», sagen Brigitta und Vincent.

FAKTUM, MALMÖ

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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

Mehr Natur in der Stadt

Viele Pflanzen und Tiere finden auf dem Land wegen Monokulturen und des Einsatzes von chemischen Mitteln keinen Lebensraum mehr. Ausgerechnet die Städte werden zum Rückzugsort für viele gefährdete Arten. In Hannover zum Beispiel ist der Einsatz chemischer Pflanzenbehandlungsmittel verboten, und mit dem Programm ­«Begrüntes Hannover» werden Dächer und Fassaden bepflanzt. ­Zudem sollen Friedhöfe für Insekten, insbesondere Wildbienen, ­attraktiver gestaltet werden.

ASPHALT, HANNOVER

Obdachlosensteuer abgeschafft

Seattle gibt dem Druck von Amazon nach: Der Stadtrat hat Mitte Juni ­beschlossen, die im Mai eingeführte Unternehmenssteuer zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit bereits wieder abzuschaffen. Seattle wollte Unternehmen ab 20 Millionen ­Dollar Jahresumsatz dazu verpflichten, pro Mitarbeiter jährlich 275 Dollar zu bezahlen, um damit gegen die steigende Wohnungslosigkeit – unter anderem als Folge explodierender Mieten – vorgehen zu können. Amazon hatte daraufhin die Planung für eine neue Konzernzentrale in der Stadt gestoppt.

REAL CHANGE, SEAT TLE

Urban Gardening gegen Hunger

Der eben verabschiedete Denver Food Plan sieht vor, dass alle Bewohner der Stadt Zugang zu gesundem Essen haben. Zudem soll die Zahl der Gemeinschaftsgärten deutlich anwachsen. Heute leidet in Denver ­eines von fünf Kindern an Hunger, und 33 Prozent der Familien essen weniger als einmal pro Tag Früchte oder Gemüse.

DENVER VOICE, DENVER

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Vor Gericht

Kleine Beute, hoher Preis «Ich verfluche den Tag, an dem ich den ­Marokkaner kennenlernte», lautet Manuels* erster Satz. Wie sich die zwei Männer kennenlernten, wird vor Gericht nicht erläutert. Jedenfalls verabredete sich der 26-jährige, in Spanien lebende Kolumbianer mit dem 22 Jahre alten Asylbewerber aus ­Marokko am HB Zürich. Beide kamen in schrillen Shirts und Shorts. Ihr Ziel: die Streetparade – nicht zum Tanzen, sondern um Tanzende auszunehmen. Ihr Pech: Die Augen einer Fahnderin waren an den beiden Männern hängengeblieben, weil sie zwar aufgebretzelt waren wie die üblichen Streetparade-Besucher, aber nicht feierten. Die Männer suchten nach passenden Opfern und verständigten sich per Handzeichen. Während die Polizistin das Duo beobachtete, versuchten die beiden einen Trick: anrempeln und Bier ausschütten. Der Kolumbianer täuschte eine Drängelei vor, während der Marokkaner geschickt den Knopf einer Umhängetasche öffnete. Doch das Mädchen wurde zufällig von Freundinnen weggezogen, sodass die Männer nicht an das Portemonnaie rankamen. Auch der Versuch, einem Mann das Handy aus der Hose zu fischen, scheiterte, weil das Telefon in der Hosennaht hängen blieb. Bei einer Frau, die ihre Bauchtasche auf den Rücken gedreht hatte, waren sie schliesslich erfolgreich. Der Marokkaner zog das Handy heraus, beide verschwanden in einer Toilette, fummelten die rosa Hülle ab und wurden beim Verlassen des stillen Örtchens festgenommen. Auf sich trugen sie noch weitere Beute, die sie aus Handtaschen

gestohlen hatten: Geld (271 Franken und 45 Rappen, 350 Euro), Sonnenbrillen, Handys und einen violetten Glitzer-Lippenstift. Nun sitzt Manuel aus Madrid auf der Anklagebank. Ein hübscher junger Mann, zartbraune Haut, kunstvoll geflochtenes Zöpfchen im Nacken. Dem Marokkaner wurde separat der Prozess gemacht. Beide hatten rund 1,5 Promille Alkohol intus, als sie festgenommen wurden, was vor Gericht zu mehreren Deutungen ihres Grades von Professionalität führt. Manuels Pflichtverteidiger spricht seinem Mandanten jedes Können ab. «Profi-Diebe», so weiss er, «würden niemals Alkohol trinken. Das war dilettantisch.» Am Ende bleiben vier vollendete und sechs versuchte Diebstähle. Trotz der Pannen stuft der Staatsanwalt das Duo als geschickt und professionell ein. «Ich wollte nur Party machen und Spass haben», sagt Manuel. Die Idee, Leute auszunehmen, sei von seinem Kollegen Ali ausgegangen. «Ich wollte das nicht.» Ein ganz neuer Ansatz, um an Geld zu kommen, war das für Manuel jedoch nicht: Die Polizei hat ihn schon mehrfach beim Klauen erwischt. «Ihr Verhalten war dreist», belehrt ihn der Richter. Der Angeklagte stehe innert kürzester Zeit zum dritten Mal vor Gericht. Das zeuge von Unbelehrbarkeit. Neun Monate unbedingt, lautet das Urteil. Und weil Manuel während seiner Probezeit straffällig wurde, wird der damals gewährte bedingte Strafvollzug widerrufen. Macht also 15 Monate. Da er sich seit letztem August in Untersuchungshaft respektive im vorzeitigen Strafvollzug befindet, hat er die Hälfte der Haftzeit schon abgesessen. Es bleiben noch sieben Monate. Die diesjährige Streetparade wird ohne Manuel stattfinden. * persönliche Angaben geändert ISABELL A SEEMANN ist Gerichtsreporterin in Zürich.

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ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING

Diskriminierung betroffen oder Expertin ist? Moumouni kann ja einfach für alle sprechen, während die anderen drei ih­ ren Senf dazu geben. Was für ein lausiges Angebot für eine Rassismusdiskussion. Immerhin leuchtete ihnen schliesslich mein Argument ein, dass man für eine Sendung über Genderdiskriminierung ja auch nicht drei Männer und eine Frau einladen würde. Also bot man mir einen Kompromiss an: eine schwarze Person oder eine vom Bund anerkannte Expertin zum Thema, die von der Loge aus Inputs in die Diskussion geben darf. Ich hatte insgesamt zweieinhalb Stunden Bedenk­ zeit für eine Zusage bekommen, der Kompromissvorschlag kam nach meiner Absage. Zu dem Zeitpunkt war ich mir schon ziemlich sicher, dass die «Arena» keine fruchtvolle Diskussion hervor­ bringt. Auch wenn Projer ständig meinen Verweis auf den Namen der Sendung herunterspielte. Es ginge nicht um eine arenaartige Konfrontation, er würde mich beschützen! Ich möchte mich aber nicht in Situationen begeben, in denen ich von Jonas Projer beschützt werden muss, und vor allem: Rassismus ist kein Pro-und-Contra-Thema.

Moumouni …

… talkt nicht mit Letztens wurde ich von der «Arena» an­ gefragt, zum Thema Rassismus mit­ zudiskutieren. Ich habe abgesagt. Ob­ wohl mir Geld (Fahrtkosten) und Ruhm ge­boten wurden! Diese Gründe waren mir jedoch zu profan, als dass ich mich für sie in die Schlacht begeben hätte. Viel mehr gab es nämlich nicht zu holen. Über Rassismus wäre wahrscheinlich gar nicht geredet worden: Im Vorgespräch wurde ich gefragt, was ich von Eltern halte, die nicht wollen, dass ihre Kinder am Schwimmunterricht teilnehmen. Das klang eher nach einer weiteren Islam­ diskussion. Ich war auch unzufrieden mit der Aus­ wahl der Gäste. Als ich bemängelte, dass ich nicht mit drei weissen Partei­ politikerInnen, darunter wohl Alfred 6

Heer von der SVP, vor einem ebenfalls mehrheitlich weissen Publikum über Rassismus diskutieren möchte, wurde mir vorgeworfen, ich wolle die Sendung zu meinen Gunsten korrumpieren. Jonas Projer, der Moderator der Sendung, rief mich an und betonte, er würde seine Gäste nicht nach Hautfarbe aus­ suchen. Seltsam, dass trotzdem alle anderen Gäste weiss gewesen wären. Denn das ist ja bereits ein Problem: Wenn es um Rassismus geht, sollten nicht mehrheitlich Leute darüber diskutieren, die dem gar nicht ausgesetzt sind. Vielleicht dachte die Sendungsregie ja auch viel ökonomischer: Fatima ­Moumouni, muslimisch und schwarz – zwei in einem. Wozu noch eine weitere Person einladen, die von rassistischer

Natürlich habe ich kurz darüber nachge­ dacht, ob ich in die Sendung gehen muss, ob der Kampf gegen Rassismus in der Schweiz in meinen Händen liegt, so als Klotz, den ich in der Arena stemmen muss. Es sei schade, wenn ich nicht mit­ mache, sagte Projer, der mir mehrmals versicherte, wie sehr das Thema ihm am Herzen liege. Ich solle «Gesicht zeigen», das sei wichtig für den Diskurs. Gottsei­ dank ist niemand auf Projers Meinung darüber angewiesen, was der Diskurs so alles braucht, und gut, gibt es auch an­ genehmere Plattformen für Diskussionen über Rassismus mit all den Stimmen, die in der Arena wohl nie die Chance be­ kommen werden, «Gesicht zu zeigen». Sonst ginge es dem konstruk­tiven Rassis­ musdiskurs wohl ziemlich schlecht.

FATIMA MOUMOUNI  Zeigt Jonas Projer lieber hier ihr Gesicht: Guck! So sehe ich aus!

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mehr als das Doppelte der Angestellten ohne Führungsaufgaben. Egalitärere Verhältnisse finden sich im Erziehungs- und Bildungswesen, im Sozialwesen, aber auch im Gastgewerbe, wo sich das Verhältnis auf 1 zu 1,39 beläuft.

Können Sie sich an die Lohninitiative der Juso erinnern? Sie forderte, dass das Verhältnis zwischen dem tiefsten und dem höchsten Erwerbseinkommen in einem Unternehmen nicht mehr als 1:12 betragen sollte. Das Topmanagement hätte im Monat also nicht mehr verdienen dürfen als die untersten Angestellten in einem Jahr. Damit wollte man ein Minimum an sozialer Gerechtigkeit herstellen. Der Vorschlag wurde an der Urne mit 65 Prozent Nein-Anteil deutlich abgelehnt. Die Abstimmung ist bereits fünf Jahre her.

Diese markanten Unterschiede bei den Bruttolöhnen über die verschiedenen Wirtschaftszweige und Hierarchiestufen hinweg, die auch noch durch die Differenzen zwischen den Geschlechtern ergänzt werden müssen, stellen eine grosse gesellschaftliche Herausforderung dar. Wie können der soziale Zusammenhalt, der soziale Friede und die politische Stabilität angesichts dieser Verhältnisse in der Arbeitswelt gewahrt werden?

Offene Lohnschere

Die aktuelle Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik erlaubt es, die Lohnverhältnisse in den verschiedenen Wirtschaftszweigen erneut zu beleuchten. Sie gibt die Bruttolöhne in Medianwerten wieder. So verdient zum Beispiel in der Bau­ wirtschaft die Hälfte der Angestellten ohne Führungsaufgaben im Monat weniger als 5849 Franken, die andere Hälfte mehr als dieser sogenannte Zentralwert. Topverdienste können bei der Pharma und in der Chemie, aber auch bei den Banken und in der öffentlichen Verwaltung erzielt werden. Hier liegen die Medianwerte beim mittleren und oberen Kader zwischen rund 17 000 und 11 000 Franken im Monat. Bescheidener geht es im Detailhandel, in der Hotellerie und im Gastgewerbe zu und her. Hier verdient das mittlere und obere Kader kaum die Hälfte des Lohns ihrer Kolleginnen und Kollegen aus den Branchen an der Spitze der Lohnskala.

Zwei Aspekte sind hier besonders wichtig: Zum einen braucht es ein hohes Mass an Chancengerechtigkeit in den frühen Lebens­ phasen. Alle Kinder und Jugendlichen sollten die gleichen Möglichkeiten haben, sich nach ihren Fähigkeiten und Interessen so auszubilden, wie sie das wollen, und zwar unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Wo vor allem die Leistung zählt, wird das Ergebnis auch eher akzeptiert. Zum anderen braucht es einen funktionierenden Sozialstaat, der für einen gewissen Ausgleich zwischen oben und unten sorgt und Schutz in den Wechselfällen des Lebens gewährleistet, unabhängig davon, wo man gerade in der Arbeitswelt positioniert ist. Eine solche sozialstaatliche Absicherung vermag materielle Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt zu relativieren. Den ersten Punkt hat die Schweiz noch immer nicht realisiert, den zweiten verspielen wir gerade.

Von besonderem Interesse ist die Lohnschere zwischen Per­ sonen, die keine Kaderfunktion in einem Unternehmen wahrnehmen, und jenen, die zum mittleren und oberen Kader gehören. Bei den Banken beträgt das Verhältnis 1 zu 2,33; mit anderen Worten: Das mittlere und obere Kader verdient deutlich

PROF. DR. CARLO KNÖPFEL ist Dozent am Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Monatlicher Bruttolohn (Medianwert) nach Wirtschaftsabteilungen und beruflicher Stellung, Schweiz 2016, in CHF

Oberstes, oberes und mittleres Kader

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5777 5777

Gastgewerbe

4147 4147

6165 6165

4183

Hotellerie

Detailhandel

4615 4615

7220 7220

8345 8345 5849 5849 Bauwirtschaft

Sozialwesen (ohne Heime)

6108 6108

8478 8478

8943 5052 Textilindustrie

Maschinenbau

6423

10 567 10567

10 826 10826 Gesundheitswesen

6443

10 856 10856

8216

Erziehung und Unterricht

7354 Öffentliche Verwaltung

6939 6939 Chemische Industrie

0

6966

5000

Banken

8410

10000

11 221 11221

13265 13 265

15000

16 263 16263

17186 17 186

Ohne Kaderfunktion

Pharmazeutische Industrie

QUELLE: BUNDESAMT FÜR STATISTIK (2018): SCHWEIZERISCHE LOHNSTRUKTURERHEBUNG

Die Sozialzahl

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Erich Wunderli verdient sein Geld vor allem mit Privat­ angelegenheiten.


Der Beschatter Überwachungsgesetz Voraussichtlich nächstes Jahr werden wir darüber abstimmen, ob Behörden Versicherte überwachen lassen dürfen. Doch wer sind eigentlich die Leute, die auf IV-Bezüger und Arbeitslose losgelassen würden? Zu Besuch in einer Detektivschule. TEXT  ANDRES EBERHARD FOTOS  PHILIPP BAER

Erich Wunderlis Stimme ist leise, aber triumphierend. «Wollen wir mal sehen, wo er heute schon überall war», sagt er. Auf der Leinwand sehen wir, wie sich ein roter Punkt auf einer virtuellen Karte bewegt. Es handelt sich um einen GPS-Tracker, den Wunderli unter einem Auto angebracht hat. Der rote Punkt ist in Realität ein Mercedes, der gerade mit 79 Stundenkilometern in Richtung Katzensee fährt. Wunderli zoomt etwas heraus, damit zu sehen ist, wo der Wagen an diesem Tag schon überall war. «Hier, in Affoltern hat er 23 Minuten parkiert», fährt er fort. «Um 14 Uhr 28 hielt er erneut, an der Pumpwerkstrasse in Regensdorf, dieses Mal für 32 Minuten.» Erich Wunderli ist Privatdetektiv und Leiter der Detektivschule «Schweizer Agenten Organisation» in Dübendorf. Mit dem GPS-Tracker möchte er seinen Schülern zeigen, was heutzutage mit technischen Hilfsmitteln alles möglich ist – wenn es denn nur erlaubt wäre. Viel Zeit verliert er aber nicht, denn an diesem Tag steht auch noch eine Übung auf dem Programm: «Observation mit Auto und zu Fuss». Eines vorweg: Erich Wunderlis Detektivschule hat in der Branche nicht den besten Ruf. Doch wohin sonst hätten wir gehen sollen, um etwas Licht in dieses Schattengewerbe zu bringen? Es gibt hierzulande keinen offiziell anerkannten Beruf «Privatdetektiv» und entsprechend auch keine beglaubigte Ausbildung. Auflagen zur AufSurprise 428/18

nahme der Tätigkeit gibt es vielerorts entweder gar keine (so etwa in Bern und Zürich) oder nur formaler Art (zum Beispiel in Aargau, Solothurn und den beiden Basel). Kantone wie Thurgau und St. Gallen, wo Detektive eine Prüfung ablegen müssen, sind die Ausnahme. Kurz: Wer Privatdetektiv werden möchte, kann in vielen Kantonen ein Schild an die Tür nageln und loslegen. Erstaunlich, dass solche Leute bald mit GPS-Trackern oder Drohnen zur Überwachung von IV-Bezügern, Arbeitslosen und Krankenversicherten eingesetzt werden sollen. «Weiss jeder, was er zu tun hat?», fragt Erich Wunderli in die Runde. Wir stehen in drei Vierergruppen bereit und warten, dass die Übung losgeht. Jeden Samstag während eines halben Jahres treffen sich die acht Schüler in Dübendorf zur praktischen Detektiv-Ausbildung. Für die heutige Übung sind zusätzlich zwei Instruktorinnen angereist, die den Kurs in früheren Jahren absolviert haben. Den Tagesablauf nahtlos protokollieren Das Szenario: Ein IV-Bezüger steht unter Verdacht zu betrügen. Die Behörden haben private Detektive engagiert, um seinen Tagesablauf nahtlos zu protokollieren. Fährt er Auto? Wohin fährt er? Wo lebt er? Arbeitet er? Kann er alleine gehen oder braucht er Hilfe? Hebt er schwere Gegenstände auf? Und so weiter. Die Protokolle werden dann vor Gericht gegen die Versicherten verwendet. 9


Die Zielperson ist in unserer Übung der braune Hyundai mit Instruktorin Milli und drei Detektivschülern an Bord. Schülerin Petra setzt sich als erste Verfolgerin ans Steuer eines schwarzen SUV. Auf dem Beifahrersitz nimmt eine Schülerkollegin Platz, den Rücksitz teile ich mir mit Detektiv Wunderli. Rico Giger, ein Detektivschüler im Muskelshirt und mit aufgeschlagener Oberlippe, öffnet das Dach seines grünen BMW-Cabriolets und wird unserem Wagen hinterherfahren – als Beschatter der Beschatter sozusagen. Erst DJ und Hypnotiseur, dann Detektiv Detektiv Erich Wunderli, 60, Apple Watch am Handgelenk, das neuste iPhone in der Hemdtasche, tourte früher als DJ einer Wanderdiskothek durchs Zürcher Oberland und führte danach eine Hypnose-Praxis in Burgdorf. Als Privatdetektiv hatte er nebenamtlich gearbeitet, irgendwann stieg er um, gründete seine eigene Detektei und übernahm 2004 die Schule, die Vorgänger waren nach Tschechien ausgewandert. Rund 200 Schüler haben seither die 2682 Franken Aufnahmegebühr bezahlt. Sie erhalten zwei dicke Ordner und werden zur Theorieprüfung eingeladen. Parallel dazu erfolgt das Praktikum. Bis anhin haben lediglich 21 mit Diplom abgeschlossen. Davon wiederum arbeitet bloss eine Handvoll weiterhin als Detektiv. «Ich verdiene an jenen Schülern, die nicht abschliessen», sagt er offen. In der Branche gilt Wunderli als Aussenseiter. In den Fachverband Schweizerischer Privatdetektive (FSPD) nahm man ihn nicht auf. Verbandspräsident Fritz Nyffeler, Basler Privatdetektiv, warf ihm wegen der Detektivschule schon mehrfach Abzockerei vor. Und der Zürcher Privatdetektiv Daniel Senn sagt: «Ich kenne keinen einzigen Absolventen dieser Schule, der sich auf dem Markt etabliert hat.» Wunderli kümmert das wenig: Um Detektei und Schule einen offiziellen Anstrich zu verleihen, gründete er kurzerhand einen eigenen Detektivverband, dem sich seine Gefolgschaft anschliesst, den Schweizerischen Verband ausgebildeter Privatdetektive (SVAPD).

«Die Versicherungen handeln nur bei Verdacht. Und dieser entsteht meist durch Tipps aus der Bevölkerung.» ERICH WUNDERLI

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Die Detektivschule als neue Berufsperspektive Wunderli ist nicht der Einzige, der davon profitiert, dass in der Branche Chaos herrscht: Immer wieder werden neue Schulen und Verbände gegründet, die teilweise noch viel dubioser sind als jene von Wunderli, der immerhin glaubhaft machen kann, dass er sein Bestes versucht. Den Überblick über die Branche zu gewinnen, in der schätzungsweise 500 Privatdetektive tätig sind, ist schwierig. Schuld daran, dass hier totaler Wildwuchs herrscht, ist vor allem die Politik: Diese bremste zahlreiche Anläufe aus, die Branche zu regulieren. Der letzte Versuch scheiterte erst im vergangenen Jahr, als die Kantone das Konkordat über private Sicherheitsdienstleistungen (KÜPS) fallen liessen. Dieses hätte auch die Detektivbranche geregelt. Zielperson Milli macht es uns nicht einfach. Sie fährt zweimal um einen Kreisel, hält am Strassenrand, steigt aus und wieder ein, macht U-Turns, beschleunigt schnell und bremst dann abrupt wieder ab. Doch wir bleiben dran. Surprise 428/18


Ein Detektivschüler untersucht, ob das Auto verwanzt worden ist.

Vor einem Keramikladen stellt Milli das Auto schliesslich ab, steigt aus und nimmt in einer nahen Gartenwirtschaft Platz. Unsere Fahrerin Petra stoppt den SUV mit sicherem Abstand. Wir springen aus dem Wagen, steigen über einen Zaun und umkreisen die Beiz in weitem Bogen. Bevor wir das Restaurant durch den Hintereingang betreten, sagt Wunderli: «Wir teilen uns auf zwei Tische auf, das ist unauffälliger.» Am besten sei ein 45-Grad-Winkel zur Zielperson, meint er noch, bevor er sich mit der Schülerin an einen freien Tisch setzt. Mit Fahrerin Petra, einer Frau mittleren Alters, setze ich mich ebenfalls, wir bestellen Espresso. Sie habe, erzählt Petra, ursprünglich in der Pflege gearbeitet und zuletzt am Flughafen. Da seien die Arbeitsbedingungen aber schlimm gewesen. «Wenn meine Schicht um 5 Uhr begann und ich um 4.56 Uhr bereitstand, hiess es, ich sei zu spät», sagt sie, «und das bei einem Stundenlohn von unter 20 Franken pro Stunde.» Heute ist sie arbeitslos. Von der Detektivschule erhofft sie sich eine Perspektive. «Verglichen mit anderen Ausbildungen ist die Schule günstig.» Während Freunde sie Surprise 428/18

gefragt hätten, ob sie spinne, habe sie sich gedacht: Warum nicht? Schliesslich klangen die 80 Franken Stundenlohn, mit denen in Anzeigen gelockt wird, lukrativ. «Bezahlen, Zielperson könnte verschwinden» Spricht man mit Privatdetektiven, dann hört man immer wieder, wie schlecht das Geschäft derzeit laufe. Fritz Nyffeler, seit 49 Jahren im Geschäft und seit 18 Jahren Präsident des Verbandes FSPD, lehnt ein Gespräch erst vehement ab, holt dann aber doch zu einem Monolog aus, in dem er sich über alles Mögliche aufregt: über geizige Kunden, schwarze Schafe in der Branche und SP-Politiker, die keine Ahnung hätten, wie viel beschissen werde überall. Vor allem aber beklagt er sich darüber, dass die Branche «so gut wie tot» sei. «Ich kenne Kollegen, die rufen sich selber an, um zu kontrollieren, ob ihr Telefon noch funktioniert.» Für die Misere gibt es zwei Gründe. Erstens das seit Anfang 2000 geltende Scheidungsrecht. Bis zur Jahrtausendwende zahlte es sich finanziell aus, wenn man beweisen konnte, dass der Noch-Ehepartner fremdging. 11


In ihrem ehemaligen Beruf in der Pflege litt Petra unter den Arbeitsbedingungen.

Wenn die Zielperson etwas merkt, muss man eine Lüge auf Lager haben.

Der Europäische Menschengerichtshof urteilte 2016, dass zur Überwachung von Versicherten in der Schweiz die gesetzlichen Grundlagen fehlten. Doch die Verschuldensfrage verschwand und damit auch das wichtigste Standbein von Privatdetektiven. «Das hatte einen massiven Einbruch an Aufträgen zur Folge», sagt der Zürcher Privatdetektiv Daniel Senn. Er schätzt ihn auf 50 bis 60 Prozent. Der zweite Grund hat mit einer IV-Rentnerin zu tun, die vor dem Europäischen Menschengerichtshof klagte. «Das Handy», zischt die Frau, die an unserem Tisch in der Gartenwirtschaft vorbeigeht. Petra und ich haben uns etwas vergessen. Bei der Frau handelt es sich um jene Detektiv-Komplizin, die mit Erich Wunderli am Tisch sitzt. Zum Schein war sie auf die Toilette gegangen mit dem Auftrag, uns auf dem Rückweg unauffällig etwas zuzu­ raunen. Petra liest die eingegangene WhatsApp-Nachricht. Die Anweisung: «Bezahlen, Zielperson könnte jederzeit verschwinden». Kurze Zeit später verlässt Milli das Lokal tatsächlich, und wir nehmen die Verfolgung wieder auf. So geht das weiter, per Auto und zu Fuss durch Dübendorf, es wird noch mit der App «Voxer» gefunkt, es werden per Handy Live-GPS-Standorte ausgetauscht, und Wunderli führt 12

vor, wie er das Navigationsgerät mithilfe von Spracheingaben über Siri steuert. Knapp zwei Stunden nach dem Start wird die Übung auf einem Aldi-Parkplatz für beendet erklärt. Wunderli blickt auf die Uhr. «Zurück zur Schule, Schlussbesprechung». Hoffnung, dass die Politik die Branche rettet Vor zwei Jahren sahen die privaten Detektive ihr Geschäftsmodell endgültig zusammenbrechen. Der Europäische Menschengerichtshof urteilte 2016, dass zur Überwachung von Versicherten in der Schweiz die gesetzlichen Grundlagen fehlten. Nach den Scheidungswilligen fielen auf einen Schlag auch IV-Stellen, SUVA sowie private Versicherungen und Krankenkassen als mögliche Auftraggeber weg. Hans Ruch, ein auf Versicherungen spezialisierter Privatdetektiv aus Münsingen und ebenfalls Verbandspräsident (Schweizerischer Privatdetektiv-Verband ehemaliger Polizei- und Kriminalbeamter), sagt: «Seit dem Urteil aus Strassburg befinden wir uns in einer Warteposition und halten uns mit Aufträgen Privater oder aus der Wirtschaft über Wasser.» Surprise 428/18


Zurück in Dübendorf. Die Schüler setzen sich an ihre jeweils persönlichen Plätze im Schulzimmer. Jeder hat einen eigenen Laptop vor sich, denn zur praktischen Ausbildung gehören auch Module wie «Per Internet recherchieren», «Das Rapportwesen» und «Morsen üben mit Computer-Tongenerator». «Chapeau», sagt Wunderli in der Abschlussbesprechung, «ich bin sehr zufrieden.» Nicht vergessen: immer bei der Sache sein, schön geschmeidig bleiben, stets eine Geschichte im Hinterkopf haben, falls die Zielperson etwas bemerkt. Einmal habe er, als er bei einer Observation zu auffällig vorgegangen war, die Frau, die er observierte, direkt angesprochen mit den Worten: «Verfolgen Sie mich?» Das habe die Situation entschärft, die Frau habe geantwortet: «Dasselbe wollte ich Sie gleich auch fragen.» Danach habe er den Auftrag einem Kollegen übergeben.

Rico Giger ist professioneller Kampfsportler und würde gerne in einer Detektivserie mitspielen.

Nun hoffen die Detektive, dass die Politik ihre Branche bald rettet. Denn statt sich darüber zu wundern, dass man in der Missbrauchsbekämpfung jahrelang mit illegalen Mitteln vorgegangen war, peitschte die bürgerliche Mehrheit im Eilverfahren ein neues Gesetz durchs Parlament, welches den Versicherungen – und damit auch den Detektiven – bei der Überwachung mehr Rechte zugestehen soll. Nach Widerstand aus der Bevölkerung kam ein Referendum zustande. Voraussichtlich nächstes Jahr werden wir deshalb über das Gesetz abstimmen. Angesichts ihrer misslichen Lage ist es kein Wunder, dass Privatdetektive die Kritik am «Spitzel-Gesetz» nicht verstehen und betonen, dass alles halb so wild sei. So sagt etwa Hans Ruch, dass Versicherungen nur auf dringenden Verdacht hin und als letztes Mittel überwachen liessen. Bei den Sachbearbeitern der Schadensabteilungen handle es sich vielfach um «erfahrene, ehemalige Fahnder von Polizeikorps», die auch den Markt der Privatdetektive gut kennen würden. «Sie wissen, wer seriös arbeitet und in der Lage ist, gerichtsverwertbare, also mit legalen Mitteln recherchierte Protokolle abzuliefern.» Surprise 428/18

«In der Schweiz darf jeder jeden observieren» Nach Abschluss des Kurses bleibt eine Handvoll Schüler auf dem Parkplatz vor der Schule stehen, man raucht und redet. Auch Rico Giger, der Mann im Muskelshirt und mit aufgeplatzter Oberlippe. «Du kennst mich vielleicht aus dem Fernsehen», sagt er. Als ich verneine, hilft er gerne weiter: «Kampfsport, K1-Weltmeister, wie früher Andy Hug», sagt er. Beim Einlaufen spiele er immer Schwyzerörgeli, sagt er und zeigt mir dazu ein Handy-Video. Nächste Woche sei es wieder so weit, WM-Kampf. Was er denn an der Schule wolle? Weiterbildungen seien immer gut, sagt er, eigentlich möchte er Schauspieler werden, in einer Detektivserie mitspielen. «Da macht sich das Diplom sicher gut.» Zwei Tage später treffe ich Wunderli erneut in seiner Detektei zum Gespräch. Er verdiene sein Geld vor allem mit Privatangelegenheiten, wie er sagt. In Boulevardmedien taucht sein Name hin und wieder auf, wo er dann Sätze sagt wie: «Immer mehr eifersüchtige Männer hören ihre Frauen mit Wanzen ab.» Ich frage ihn, ob es ihm je unangenehm war, im Privatleben anderer Menschen zu schnüffeln. «Nein», sagt Wunderli, «ich sehe nur die Tatsachen, ohne jegliche Emotionen.» Auch mit Versicherungen habe er schon Erfahrung, bekräftigt Wunderli. Er spielt die Rolle der Privatdetektive herunter, indem er sagt: «Die Versicherungen handeln nur bei Verdacht. Und dieser entsteht meist durch Tipps aus der Bevölkerung.» Als ich später Hans Ruch, den Privatdetektiv mit Polizeivergangenheit, danach frage, betont auch der, dass Versicherungen immer wieder aufgrund von anonymen Hinweisen tätig werden. Sollte das stimmen, dann wären nicht nur die Privatdetektive Spitzel, sondern wir alle, das Umfeld der Versicherten: Nachbarn, Kolleginnen, Bekannte. Tatsächlich kann man in der Schweiz bereits heute relativ weit gehen in der Beschattung, Überwachung und Verfolgung anderer, ohne dabei gegen ein Gesetz zu verstossen. Ein Stalking-Gesetz, wie es etwa in Deutschland existiert, gibt es hierzulande noch nicht. In den Worten von Privatdetektiv Wunderli klingt das so: «In der Schweiz darf jeder jeden observieren.» Wenn wir nun also die Möglichkeiten der Überwachung für Versicherungen per Gesetz ausweiten, erhöht das den Anreiz für den Einzelnen, Nachbarinnen oder Kollegen anzuschwärzen – aus Neid, Missgunst, mangelndem Vertrauen, wie auch immer. Anders gesagt: Es stärkt ein System, das die permanente Überwachung mittels gegenseitiger Beschattung fördert. Einer observiert den anderen und umgekehrt, fast wie in Wunderlis Detektivschule. 13


Im Lagos Airport Hotel organisiert die Internationale Organisation für Migration regelmässig Trainings für Rückkehrer aus Libyen.

Reise ins Verderben Nigeria 700 000 afrikanische Migranten sitzen in Libyen fest. Immer mehr

kehren freiwillig in ihre Heimatländer zurück. Ihre Berichte aus dem nordafrikanischen Krisenstaat zeugen von einer beispiellosen menschlichen Tragödie. TEXT  SIMON JÄGGI FOTOS  KOSTAS MAROS

LIBYEN

NIGERIA

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Das Lagos Airport-Hotel liegt am Rand einer Ausfallstrasse der nigerianischen Millionenmetropole. Im schmucklosen Konferenzraum sitzen rund 50 Frauen und Männer, die wenigsten von ihnen sind älter als 30 Jahre. Sie alle hatten Nigeria in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft verlassen. Die meisten in den vergangenen zwei Jahren. Doch weiter als bis Libyen ist niemand von ihnen gekommen. Seit einigen Wochen sind sie wieder zurück, gezeichnet von Gewalt und Missbrauch. «Ich wollte nach Italien, um zu studieren», sagt eine junge Frau, «ich hätte nie gedacht, dass ich verkauft werde.» Sie ist, wie alle hier, mithilfe der Internationalen Organisation für Migration (IOM) nach Nigeria zurückgekehrt. Die UNO-Organisation hat im vergangenen Jahr ihr Rückkehr- und Reintegrationsprogramm stark ausgebaut. In seinem Rahmen können Migrantinnen und Migranten, die in Libyen gestrandet sind, freiwillig in ihre Herkunftsländer zurückkehren. 2017 flog die Organisation rund 19 000 Frauen, Männer und Kinder in 13 zen­tral- und westafrikanische Länder zurück. Die meisten von ihnen nach Nigeria. Im laufenden Jahr will die IOM insgesamt 30 000 Perso-

nen aus Libyen in ihre Heimatländer zurückfliegen. Die Organisation geht davon aus, dass sich zurzeit 700 000 Migrantinnen und Migranten in Libyen aufhalten, etwa ein Achtel davon sind Frauen. Sie werden unter falschen Versprechungen ins Land gelockt, wo sie Menschenhändlern in die Hände fallen. Im Airport-Hotel in Lagos steht ein Mitarbeiter der IOM vor den Rückkehrern. «Was haben wir?», ruft er. «Hoffnung!», antworten die Männer und Frauen einstimmig. Es klingt einstudiert. Angesichts der wirtschaftlichen Situation in Nigeria haben die jungen Männer und Frauen wenig Grund zu Zuversicht. Die Jugendarbeitslosigkeit hat sich in den vergangenen Jahren verdreifacht. Ende 2017 waren 52 Prozent oder 22 Millionen Nigeriannen und Nigerianer zwischen 15 und 35 Jahren arbeitslos oder stark unterbeschäftigt. Mehr als 42 Prozent der Bevölkerung, knapp 200 Millionen Menschen, leben in extremer Armut. Tendenz steigend. Die IOM lädt alle Rückkehrerinnen und Rückkehrer in Nigeria zu einem viertägigen Training ein. Dort sollen sie neuen Mut fassen, Geschäftsideen entwickeln für den Wiedereinstieg in ihrer Heimat und in ei-

Auf die Frage, wer Opfer von Menschenhandel wurde, heben die meisten die Hand.

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nem geschützten Umfeld von ihren Erlebnissen erzählen können. Die Menschen im Raum wirken erschöpft und niedergeschlagen. Viele von ihnen tragen Narben von Schussverletzungen, Folter und Schlägen auf der Haut. Ihre Berichte aus Libyen zeichnen das Bild eines Landes, in dem Menschenhandel und der Missbrauch von Migranten aus dem südlicheren Afrika nicht die tragische Ausnahme sind, sondern die erschreckende Normalität. Bewaffnete auf Menschenjagd Um einen langen Tisch sitzend, erzählen sich die Frauen und Männer ihre Geschichten. «Eines Tages sprach mich auf der Stras­­se ein Mann aus der Gegend an und sagte, er könne mich für wenig Geld nach Europa bringen», sagt die 21-jährige Okoh*, die Nigeria vor drei Jahren verlassen hatte. Ein Pick-up transportierte sie vom Norden des Landes über die Grenze in den angrenzenden Niger. In Agadez musste sie rund zwei Wochen in einem Lagerhaus ausharren, ehe sie mit weiteren Migrantinnen und Migranten einen Lastwagen bestieg, der sie in einem Konvoi durch die Wüste nach Libyen brachte. Der erste Ort, an dem die meisten Migranten in Libyen ankommen,

Die Ausbeutung von Migranten ist in Libyen zu einem eigenen Geschäftsfeld geworden. 15


heisst Sabha und liegt am Rand der Wüste. «Wir wurden direkt in ein weiteres Lagerhaus gebracht, wo bewaffnete Männer auf uns warteten. Sie sagten, dass wir uns in ihrem Besitz befinden», erzählt Okoh. Nach einigen Tagen verkauften die Männer sie weiter. Für die junge Frau begann eine zweijährige Odyssee voller Missbrauch und Gewalt. Kano, Agadez, Quatrun, Tripolis: Es sind die Stationen einer Reise ins Verderben. Okoh erzählt wie viele der Rückkehrerinnen und Rückkehrer mit grosser Nüchternheit von ihren Erfahrungen. Sie ist kein Einzelfall, ihr Bericht steht schon fast exemplarisch für viele andere. Die IOM geht davon aus, dass fast 90 Prozent aller nigerianischen Migrantinnen in Libyen Opfer von Menschenhandel werden. So viele wie aus keinem anderen Land. Die Ausbeutung von Migranten ist in Libyen während der vergangenen Jahre zu einem eigenen Geschäftsfeld geworden. Nebst den international agierenden Schmugglernetzwerken machen in verschiedenen Landesteilen bewaffnete Gruppierungen Jagd auf Menschen aus dem südlicheren Afrika. «Man muss auf der Strasse seine Haut bedecken. Wenn die Gangs sehen, dass du schwarz bist, kidnappen sie

dich», sagt ein junger Mann im Airport-Hotel. Andere pflichten ihm bei. «Ich war auf einem Markt, als mich vier junge Männer packten und in einen Pick-up zerrten», sagt eine Frau neben ihm. Von den Rückkehrern werden diese Gruppierungen als «AsmaBoys» bezeichnet. Junge Männer, die zu Strassengangs oder Milizen gehören und mit grosser Brutalität vorgehen. Prostitution im «Connection House» Gemäss den Schilderungen der Migranten haben sich hauptsächlich drei Geschäftsmodelle etabliert. Die Menschenhändler und Gangs nehmen die Migranten gefangen und erpressen von deren Familien ein Lösegeld. Oder sie halten sie als Sklaven und vermieten sie tageweise als Arbeitskräfte. Oder sie verkaufen sie weiter: Die Männer oftmals an Landwirte und Bauunternehmer. Die Frauen an Familien, wo sie als Haushaltshilfen ausgebeutet werden, und an Betreiber von Bordellen, wo sie zur Prostitution gezwungen werden. In diesem Zusammenhang fällt der Name einer Ortschaft besonders häufig: Gregarage. In dem Aussenquartier der Hauptstadt Tripolis, die mehrheitlich unter der Kontrolle der libyschen Einheitsregierung steht, sollen

sich bis zu 100 «Connection Houses» befinden, in denen Frauen zu Prostitution gezwungen werden. Die Rückkehrerinnen berichten von Gewalt, Infektionen und Abtreibungen. «Ich hätte mir das Leben genommen, wenn mich die anderen Gefangenen nicht davon abgehalten hätten», sagt eine junge Frau, die mehrere Monate in einem solchen Haus festgehalten wurde. Wie gefährlich die derzeitige Lage in Libyen für Migranten ist, zeigen auch Berichte von Menschenrechtsorganisationen sowie der UNO. «Bewaffnete Gruppen nehmen im ganzen Land willkürlich Menschen gefangen, foltern und töten sie», sagt Andrew Gilmour, UNO-Vizegeneralsekretär für Menschenrechte. Es gebe zahlreiche Berichte von offenen Sklavenmärkten, auf denen die Migranten verkauft werden. Die Schilderungen der Frauen und Männer im Airport-Hotel decken sich auch mit Berichten, welche die IOM auf der Grundlage von Aussagen anderer Libyen-Rückkehrer in verschiedenen afrikanischen Ländern aufgezeichnet hat. Die meisten Männer und Frauen im Airport-Hotel sind mit dem Ziel Europa aus Nigeria aufgebrochen. Doch den Weg

Dieser Mann lebte zehn Jahre in Libyen und nahm Nigerianer auf, die sich vor Menschenhändlern versteckten. 16

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munikationsverantwortliche der IOM für West- und Zentralafrika. Doch die Situation in Libyen sei chaotisch und Zentren für Migranten hätten bei den Behörden nicht oberste Priorität.

Im Hotel: Die Trainings für Libyen-Rückkehrer dauern mehrere Tage.

Afrikanische Migranten in Libyen Die Internationale Organisation für Migration (IOM), eine weltweite Hilfsorganisation im Migra­ tionsbereich, die ein Teil der Vereinten Nationen ist, veröffentlicht in regelmässigen Abständen einen Report zur Situation der Migranten in Libyen. Bei ihrer letzten Erhebung gab sie deren Zahl mit 700 000 an (Stand März 2018). Insgesamt zwei Drittel der Migranten stammen aus Ländern südlich der Sahara, davon 12 Prozent aus Nigeria. 88 Prozent sind Männer, 12 Prozent sind Frauen und 10 Prozent sind Minderjährige. Zurzeit betreibt die libysche Behörde 20 offizielle Auffanglager, in denen sich laut Angaben vom März dieses Jahres 4400 Personen befinden. Von diesen warten zurzeit 3000 auf eine Rückkehr in ihre Herkunftsländer mit Hilfe der IOM. SIM

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übers Meer haben nur die wenigsten von ihnen gewagt. «Ich hatte kein Geld und keine Energie mehr», sagt Okoh. Irgendwann ist sie, wie die meisten hier, entkräftet und mittellos in eines der offiziellen Auffanglager gelangt. Diese stehen unter Aufsicht der libyschen Behörden, allerdings seien die Bedingungen dort nur wenig besser als in den Gefängnissen der Gangs und Milizen. Die Rückkehrer berichten von massiver Gewalt durch die Aufseher, fehlender medizinischer Versorgung und Mangelernährung. Die Zustände in manchen Auffanglagern sind auch der IOM bekannt. «Wir setzen uns insgesamt für eine Verbesserung der Bedingungen ein», sagt Florence Kim, Kom-

Viele haben ihren Besitz verkauft Im ganzen Land existieren 20 offizielle Auffanglager, zu denen die IOM Zugang hat. Dort besuchen Mitarbeiter der Organisation die Migranten und informieren sie über die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr in ihre Herkunftsländer. Bevorzugt werden Frauen, Schwangere, Kranke und Kinder. Ein Grossteil nehme das Angebot in Anspruch, sagt Kim. Zurzeit warten rund 3000 Personen auf eine von der IOM organisierte Rückkehr. Die Rückführungsprozesse sind kompliziert, die meisten Migranten haben keine Ausweis­ papiere, weshalb sie zuerst mithilfe der zuständigen Botschaften identifiziert werden müssen. Ob es der Organisation gelingt, in diesem Jahr wie geplant 30 000 Menschen auszufliegen, sei aufgrund der instabilen Sicherheitslage unklar, sagt Kim. So komme es beispielsweise immer wieder zu Kämpfen in Gebieten um den Flughafen. Im Airport-Hotel sitzen die Männer und Frauen nach der Mittagspause wieder im Konferenzraum und diskutieren über ihre Geschäftsideen: ein Marktstand für Frauenkleider, ein Shop für Kindernahrung, Verleih von Videomaterial. Die meisten hier im Raum hatten für den Traum einer besseren Zukunft alles aufgegeben, ihre Habseligkeiten verkauft, bei Verwandten Geld geliehen. Jetzt sind sie wieder zurück in diesem Land, dem sie eigentlich entkommen wollten. Viele hatten vor ihrer Abreise in Berichten davon gehört, was Migranten in Libyen droht. Sie hatten gehofft, dass sie mehr Glück haben würden, und sich bitter getäuscht. «Ich würde jedem raten, von dort fern zu bleiben», sagt eine junge Frau. Libyen sei wie eine Falle, aus der es kaum ein Entkommen gebe. * Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verwenden wir nur die Vornamen.

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In Libyen schnappt die Falle zu Erlebnisberichte Sie verliessen Nigeria, um ein besseres Leben zu finden. Doch sie strandeten in Libyen. Es erwartete sie Zwangsarbeit, Prostitution und Folter. TEXT  SIMON JÄGGI FOTOS  KOSTAS MAROS

«Der Sex vor Ort kostete weniger als zehn Dollar, für einen höheren Preis konnten die Kunden die Frauen auch mit nach Hause nehmen.»

Deborah* (25): Zwangsprostitution für zehn Dollar Deborah hatte im Süden Nigerias in einer Apotheke gearbeitet, als ihr vor vier Jahren eine Frau aus der Gegend eine lu­krative Stelle in einem Spital in Libyen anbot. Sie liess sich auf das Angebot ein und reiste im Bus nach Niger und auf einem Lastwagen weiter durch die Wüste nach Libyen. «Dort angekommen, wurde ich direkt an libysche Männer verkauft. Diese betreiben Häuser, in denen Frauen zur Prostitution gezwungen werden.» Mit kurzen Zwischenstopps wurde Deborah vom Rand der Wüste an die Küste nach Gregarage gebracht, einen Vorort von Tripolis. In ein Haus, wo 20 junge Frauen auf engem Raum als Prostituierte gehalten und zu ungeschütztem Sexualverkehr gezwungen werden. «Die Frauen schlafen auf dünnen Matratzen in überfüllten Zimmern. Nur durch eine Tür abgetrennt von jenem Raum, in dem sie täglich mehrere Männer befriedigen müssen», erzählt Deborah am Tisch in einer Bar des Airport-Hotels. Sie spricht mit ungerührter Stimme und starrem Blick von ihren Erlebnissen. Die Kunden seien mehrheitlich Libyer gewesen, sagt sie. Aber auch Männer aus den Nachbarländern und Gastarbeiter aus Bangladesch hätten das Haus häufig besucht. «Der Sex vor Ort kostete weniger als zehn Dollar, für einen höheren Preis konnten die Kunden die Frauen auch mit nach Hause nehmen.» Die Verantwortliche des sogenannten «Connection Houses» sei ebenfalls eine Nigerianerin gewesen. Als sie von Deborahs Ausbildung als Apothekerin erfuhr, machte sie sich das zunutze. «Ich musste mich nicht mehr prostituieren, dafür musste ich die Frauen behandeln», sagt die 25-Jährige. Viele seien krank geworden. Hepatitis sei besonders verbreitet gewesen unter den Migrantinnen, häufig musste sie auch Abtreibungen durchführen. Dazu spritzte sie den Frauen ein Hormon, mit dem der Geburtsvorgang eingeleitet wurde. «Es kam immer wieder vor, dass Frauen infolge der Abtreibung starben.» Während etwa einem Jahr habe sie in dem Haus gearbeitet, sagt Deborah. Allein in Gregarage befänden sich mehr als 100 solcher «Connection Houses», schätzt sie. Deren Betreiber seien gut organisiert. Sie hätten Agenten in Nigeria und entlang der Reiseroute nach Libyen, die gezielt nach geeigneten Frauen Ausschau hielten. Als immer mehr minderjährige Frauen angeschleppt wurden, habe sie es nicht mehr ertragen. «Ich wollte nur noch zurück nach Nigeria.» Sie sei aus dem Haus geflüchtet und in eines der offiziellen Auffanglager gelangt, wo sie nach einigen Monaten von Mitarbeitern der IOM für eine Rückkehr ausgesucht wurde.

DEBOR AH

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«Jeden Morgen legten sie uns Ketten an die Füsse, luden uns auf einen Jeep und fuhren uns zu einer Baustelle.» ADEMOL A

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Ademola* (27): Verschleppt und erpresst In einer Stadt in Ekiti State im Südwesten Nigerias betrieb Ademola eine kleine Druckerei. Als ihm vor einigen Monaten ein Mann anbot, er könne ihn für wenig Geld nach Europa bringen, entschied er sich dafür, das Land zu verlassen. In der Hoffnung auf mehr Perspektiven und ein besseres Einkommen liess er seine Frau und die beiden Kinder zurück. Aus Kano State im Norden Nigerias brachte ihn ein Bus über die Grenze nach Niger. In Agadez wurde er mit weiteren Männern und Frauen in ein Haus gebracht. Mehrere Tage später kam ein Lastwagen, der sie durch die Wüste nach Sabah im Süden von Libyen fuhr. Dort wurde er an bewaffnete Männer übergeben, die ihn in ein unterirdisches Gefängnis brachten und ihn zwangen, seine Eltern anzurufen. «Am Telefon forderten sie von ihnen ein Lösegeld und drohten damit, mich andernfalls umzubringen», sagt Ademola. Sein Vater, ein einfacher Bauer, fragte Verwandte um finanzielle Unterstützung an und verkaufte einen Teil seines Landes. Schliesslich überwies er die verlangten 800 Dollar an die Erpresser. Ein paar Tage später setzten seine Peiniger Ademola auf freien Fuss. Weiter im Norden Libyens, in der Nähe von Misrata, fand er bei einem Bauern eine bezahlte Arbeit. «Ich sparte Geld für meine Weiterreise nach Europa», sagt Ademola. Er arbeitete bereits mehrere Monate auf der Plantage, als eines Nachts bewaffnete Männer die Tür zu seinem Zimmer eintraten. Sie nahmen ihn mit und brachten ihn in ein unterirdisches Verlies. Vier weitere Migranten waren bereits dort, zwei von ihnen aus Ghana, zwei aus Nigeria. «Jeden Morgen legten sie uns Ketten an die Füsse, luden uns auf einen Jeep und fuhren uns zu einer Baustelle.» Die Männer hätten sich oft maskiert und schwere Waffen bei sich getragen. Sie seien Teil einer grösseren Gruppierung gewesen, glaubt Ademola. An einem besonders heissen Tag waren Ademola und die anderen Migranten von der Hitze und dem wenigen Essen so entkräftet, dass sie kaum mehr arbeiten konnten. Ein Aufpasser begann, sie brutal zu schlagen. Als sich die Migranten zur Wehr setzten, wurde einer von ihnen erschossen, erzählt Ademola mit eindringlicher Stimme. «Mir schlug er den Kolben seines Gewehrs ins Gesicht.» Er zeigt mit dem Finger auf eine Narbe an seiner Oberlippe und die fehlenden Zähne. Mehrere Wochen später brachten ihn die Männer, ohne einen Grund zu nennen, zu einem der offiziellen Flüchtlingslager und luden ihn ab. «In diesem Camp war es fast ebenso schlimm wie in den Gefängnissen zuvor», sagt Ademola. 300 Personen hätten sich einen grossen Raum geteilt, es gab zu wenig zu essen, kein fliessendes Wasser, kein Zugang zu Internet oder einem Telefon. Die Aufseher hätten die Migranten regelmässig geschlagen. Er habe viele Menschen sterben sehen, infolge von Krankheiten oder wegen der Schläge durch die Aufseher. Nach einem halben Jahr seien Mitarbeiter der IOM gekommen. Sie hätten ihm neue Kleider gegeben und ihn zusammen mit über 100 weiteren Nigerianerinnen und Nigerianern nach Lagos geflogen. «Als ich von hier aufgebrochen bin, hatte ich rund 2000 Dollar. Als ich zurückkam, hatte ich nichts mehr.» Vorwürfe mache ihm niemand. «Meine Familie ist einfach froh, dass ich noch am Leben bin.» Jetzt arbeitet er auf dem Bauernhof seines Vaters. Am liebsten aber, sagt er, möchte er seine frühere Druckerei zurück.

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«Sie versuchten telefonisch, meine Eltern zu erpressen. Doch mein Vater hatte nicht den vollen Betrag bezahlen können. Daraufhin haben mich die Männer weiterverkauft.»

Yisa* (24): An einen Plantagenbesitzer verkauft Er sei ein talentierter Fussballer, antwortet Yisa auf die Frage, weshalb er Nigeria verlassen habe. «Ich hoffte, dass ich in Europa einen Verein finde, bei dem ich spielen kann.» Sein Geld verdiente Yisa als Mechaniker in einer kleinen Werkstatt in der Nähe von Lagos. Damit er den Schlepper bezahlen konnte, musste sein Vater einen Teil seiner Felder verkaufen. Knapp 1000 Dollar habe die Reise nach Libyen gekostet, sagt Yisa. In einem Kleinbus gelangte er nach Niger. Von dort brachte ihn ein mit zwei Dutzend Migranten bepackter Lastwagen weiter durch die Wüste nach Libyen. Weil sie von den Schleppern zu wenig Wasser bekommen haben, sei die Hälfte der Migranten unterwegs verdurstet, erzählt Yisa. In Libyen angekommen, fiel er im Süden des Landes nach wenigen Tagen in die Hände einer Gang, die ihn auf offener Stras­ ­se aufgegriffen und entführt habe. «Sie versuchten telefonisch, meine Eltern zu erpressen. Doch mein Vater hatte nicht den vollen Betrag bezahlen können. Daraufhin haben mich die Männer weiterverkauft.» Er sei in ein Lagerhaus gebracht und dort mit 30 weiteren Migranten festgehalten worden, abends hätten die Männer Verkaufsaktionen durchgeführt. «Es kamen Bauern, Bauunternehmer und andere potenzielle Käufer in das Lagerhaus. Wir mussten uns in einer Reihe aufstellen und wurden begutachtet.» Die meisten kauften gleich mehrere Männer aufs Mal. Eines Abends wurde auch Yisa von einem Bauern ausgewählt. Wie viel dieser für ihn bezahlte, weiss Yisa nicht. In der Regel hätten die Händler pro Person knapp 450 Dollar verlangt. Der Bauer betrieb eine grosse Wassermelonen-Plantage. Dort musste Yisa zusammen mit zwei weiteren Migranten, einer von der Côte d’Ivoire und einer aus Ghana, jeden Tag bei grosser Hitze bis zu zehn Stunden auf den Feldern arbeiten. Einmal am Tag bekamen sie etwas zu essen, schlafen mussten sie in einer kleinen Hütte, wo der Bauer sie in der Nacht einsperrte. «Der Mann behandelte uns nicht schlecht, er schlug uns nicht. Aber wir bekamen kein Geld und durften den Hof nicht verlassen.» Als er den Bauern eines Nachmittags auf den Markt begleitete, gelang ihm die Flucht. Auf der Strasse lernte er einen Nigerianer kennen, der bereits seit vielen Jahren in Libyen lebte. Er nahm Yisa zu sich nach Hause mit und brachte ihn ein paar Wochen später zum Büro der IOM in der Hauptstadt Tripolis. «Nach Europa wollte ich nicht mehr. Das Geld war mir ausgegangen, und ich war erschöpft», sagt Yisa. Nur sieben Monate, nachdem er das Land verlassen hatte, kehrte er nach Nigeria zurück. «Ich danke Gott, dass ich noch lebe.» Jetzt hofft er, dass er bald wieder eine Arbeit als Mechaniker findet.

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«Meinen Lohn musste ich jede Woche an jenen Mann abliefern, der mich zu dieser Familie gebracht hatte.»

Pavour* (19): «Libyen ist wie eine Falle» Sie sei aus Verzweiflung aufgebrochen, sagt Pavour. «Ich habe für mich keine Zukunft mehr gesehen in Nigeria.» Es war Anfang 2017, sie hatte eine Ausbildung als Schneiderin abgeschlossen, aber keine Arbeit gefunden. In Italien, so hoffte sie, könne sie Geld verdienen. Noch bevor sie libyschen Boden betrat, wurde sie ausgeraubt und sexuell missbraucht. Wenn Pavour spricht, versagt ihre Stimme immer wieder, sie berichtet in Bruchstücken von einer Reise, die sich kaum in Worte fassen lässt. Sie ist eine der wenigen Rückkehrerinnen und Rückkehrer, die in Libyen die Überfahrt nach Europa gewagt hatten. Doch bereits kurz nachdem das Schlauchboot am frühen Morgen das libysche Ufer verlassen hatte, habe es zu sinken begonnen. Ein Schiff mit bewaffneten Männern sei aufgetaucht, die sie zurück an die Küste brachten. Dort gelangte sie in die Hände einer der zahlreichen Gangs, wurde verkauft und weiterverkauft, bis sie nicht mehr wusste, wo im Land sie sich befand. Schliesslich gelangte sie in ein «Connection House», wo man sie zu Pros­ titution zwang. Nach wenigen Wochen wurde sie von einem Mann mitgenommen, der sie zu einer Familie brachte, wo sie als Haushaltshilfe arbeiten und zwei kleine Kinder beaufsichtigen musste. «Meinen Lohn musste ich jede Woche an jenen Mann abliefern, der mich zu dieser Familie gebracht hatte.» Sie konnte sich frei bewegen und hätte jederzeit gehen können, sagt sie. Doch sie wusste nicht, wo genau sie war und wo sie hätte Zuflucht finden können. Ein Nachbar half ihr schliesslich zu entkommen und brachte sie in eines der offiziellen Lager. Dort wartete sie während Monaten, ohne das Lager verlassen zu dürfen und ohne zu wissen, wie es von hier für sie weitergehen würde. «Libyen ist wie eine Falle», sagt sie. Ohne fremde Hilfe gebe es keinen Weg zurück und bei der Fahrt über das Meer drohe der Tod. Zurück in Nigeria möchte sie jetzt ein neues Leben beginnen. * Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nennen wir nur die Vornamen.

PAVOUR

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Kunst Die Ausstellung «Immer anders, immer gleich» im Bündner Kunstmuseum

Chur stellt den Minimalismus und die Konzeptkunst der Sechzigerjahre aktuellen Werken gegenüber, die sich mit Ordnung und System beschäftigen. INTERVIEW  DIANA FREI

In den Sechzigerjahren ordnete sich die Welt neu. Der Minimalismus räumte die Kunst auf, arbeitete mit geometrischen Formen, Gittern, Rastern, monochromen Bildern – es ging um systematisches Denken. Die Konzeptkunst kam hinzu und formulierte Ideen mittels Sprache und anderer abstrakter Zeichensysteme. Heute, im digitalen Zeitalter, sind Zeichensysteme und Daten bestimmender denn je. Kurator Lynn Kost erklärt die wichtigsten Werke der Ausstellung «Immer anders, immer gleich» im Bündner Kunstmuseum Chur. Frank Stella,
 Tuxedo Junction, 1960

Herr Kost, was können Bilder mit immer gleichen Rautenmuster über einen Gesellschaftszustand aussagen? Lynn Kost: Die Entwicklung der Kunst verläuft parallel zur Gesellschaft und verdeutlicht, was dort passiert. Künstler wie Vincent van Gogh oder Pablo Picasso werden für ihren ganz persönlichen Stil als Genies gefeiert. Genies im klassischen Sinne verschwinden ab den Fünfziger- und beginnenden Sechzigerjahren im Zuge der Massenproduktion und der Massenmedien 22

immer mehr aus der Gesellschaft. Stars gibt es zwar weiterhin, jedoch werden sie systematisch «aufgebaut» und «produziert». Die Malerei zeigt uns das bildlich: Die Farbe wird beinahe mechanisch ohne künstlerischen Ausdruck aufgetragen. Der Bildaufbau fügt sich systematisch aus Quadraten oder Streifen zusammen. Die Bilder entstehen in Serien und zeigen offen das System, das ihnen zugrunde liegt. Sol LeWitt, Wall Structure, 1971; Sol LeWitt, Wall Grid, 1971

Sol LeWitts «Wall Structure» ist ein einfacher Holzrahmen an der Wand. «Wall Grid» eine Art simpler weisser Fensterrahmen. Wie muss man ein solches Werk lesen? Das Quadrat ist die Grundform, mit der Sol LeWitt Hunderte von Kombinationen durchgespielt hat. Aus der einfachen Veränderung des «Rahmens» zum «Fenster» (aus einem Quadrat werden vier Quadrate, die ein grosses Quadrat bilden), wird für die Betrachtenden ersichtlich, dass ein systematisches Spiel mit den Formen beginnt, das sie selbst im Kopf weiterdenken können: Immer anders, immer gleich. Sol LeWitt ist ein Vorreiter der Konzeptkunst. Das heisst, für ihn ist die Idee wichtiger als das Kunstwerk. Er definiert einfache Regeln zur Umsetzung seiner Werke, die von Dritten dann interpretiert und ausgeführt werden. Die Betrachtenden sehen ein Werk, das sie überlegen lässt, was für ein System hinter dem Werk steckt. Robert Morris, Untitled (Felt Piece), 1967/68

«Untitled (Felt Piece)» sind nichts anderes als Filzstreifen an einer Wand. Was hat so etwas 1968 innerhalb des Kunstbetriebs ausgelöst? Was im Kunstverständnis der Besucher? Surprise 428/18

BILD(1): VAN ABBEMUSEUM, EINDHOVEN, © PRO LITTERIS, ZURICH; BILD(2): THOMAS STRUB, © PRO LITTERIS, ZÜRICH

«Wieso ist das Kunst?»


BILD(1): THOMAS STRUB, © PRO LITTERIS, ZÜRICH; BILD(2): GEORGIOS KEFALAS, KEYSTONE; BILD(3): COURTESY KONRAD FISCHER GALERIE UND PETER BUGGENHOUT; BILD(4): SAMMLUNG RINGIER, SCHWEIZ

Es ist eine physische Erfahrung, die durch das Laufen auf den Skulpturen gemacht wird. Der Klang der Schritte verändert sich, der Boden wackelt leicht, die Skulptur umgibt uns und ist nicht mehr mit einem Blick überschaubar. Das heisst, wir sind mitten in der Kunst drin und nicht mehr nur Betrachtende. Peter Buggenhout, The Blind Leading the Blind Nr. 68, 2015

Was ist das, was wir hier sehen? Es ist kein Bild, obwohl es an der Wand hängt. Ist es eine Skulptur? Skulpturen stehen normalerweise im Raum, sind aus soliden Materialien gebaut und hängen nicht schlapp herum. Könnte es ein Relief sein? Auch nicht, das würde nicht entlang des Bodens in den Raum greifen. Robert Morris löste mit seinen Filz-Skulpturen, die er mit dem Begriff «Anti-Form» umschrieb, eine Diskussion über die Einordnung von Kunst in vorgeschriebene Kästchen aus. Diese Objekte passten in keine starre Form mehr: Anti-Form. Carl Andre, 10 × 10 Altstadt Square, 1967

Ein wildes Gebilde aus Aluminium, Karton, Eisen, Plastik und Staub. Wo sind hier Ordnung und System? Es ist schwierig, etwas zu erschaffen, in dem der Mensch keine Ordnung findet. Leonardo da Vinci meinte, in jeder Steinmauer seien ganze Schlachten zu entdecken, und jeder kennt es, dass er ein Gesicht in den Wolken oder in einer Holzmaserung sieht. Um komplette Unordnung darzustellen, folgt der Künstler deshalb systematisch seinen eigenen Regeln, damit er in einer Serie von über 70 Skulpturen nie den Eindruck erweckt, die Objekte sähen nach etwas Vergleichbarem in der Welt aus, ausser eventuell den 69 anderen Exemplaren, die er davor herstellte. John Baldessari, Examining Pictures, 1967/68

Ein Quadrat aus Stahl am Boden. Wie muss ich mir das anschauen, damit es etwas mit mir macht? Wird es emotional etwas in mir auslösen oder mich eher zum Nachdenken bringen? Für Carl Andre war das Wichtigste, dass die Betrachtenden sich im Ausstellungsraum bewegen. Die meisten seiner Skulpturen sind deshalb auch begehbar. Die Skulptur wird zu einem Platz. Surprise 428/18

Die Konzeptkunst arbeitet oft mit Text und produziert theoretische Schriften, sie reflektiert die Stellung der Kunst im Kunstbetrieb. Wieso sind diese Texte Kunst und nicht bloss Kunsttheorie? Die Texte sind Kunst, weil sie dort aufgehängt werden, wo sonst Kunst aufgehängt wird. Baldessari hat seine Gedanken nicht in langfädigen theoretischen Schriften oder Manifesten verfasst, 23


Donald Judd, Untitled, 1976

tischen und ökologischen Fragen. Oft sind diese Kunstformen mit Aktivismus verbunden, damit die Kunst hautnah erlebt und nicht bloss betrachtet wird. Eine der folgenreichsten Entwicklungen der Gesellschaft ist die Digitalisierung. Die !Mediengruppe Bitnik untersucht deren Auswirkungen und Folgen auf unser Leben. Sie zeigt uns an konkreten Beispielen Funktionsweisen und Lücken in den abstrakten Systemen auf, die wir im «echten» Leben zu spüren bekommen. Eine monochrome Leinwand dagegen beschäftigt sich mit der Wahrnehmung des Menschen. Die Wahrnehmung ist die Voraussetzung dafür, dass die Menschen überhaupt eine Welt erkennen und entziffern können. Ohne Wahrnehmung kein Aktivismus. Es sind also beide Kunstformen auf ihre Weise essenziell für das Leben des Menschen. Donald Judd schuf Installationen, die Raum einnehmen, hergestellt aus unveränderten industriellen Werkstoffen. Was hat das mit System und Ordnung zu tun? Legt Judd den Raum in Schubladen, Umzugskisten und Garderobenmöbeln ab? Gemälde werden als ein Fenster in eine andere Welt betrachtet. Die Betrachtenden tauchen in diese Welten ein und finden sich in Gedanken zum Beispiel in einer schönen Flusslandschaft oder einer Stadt wieder. Judd wollte die Ausstellungsbesucher wieder in den realen Raum zurückholen. Für ihn waren Bilder bloss eine unscheinbare Form, die an der Wand hängt: flache Kisten mit Farbe vorne drauf. Er wollte zeigen, dass die Präsenz der realen Dinge die Welt der Menschen kraftvoller prägt als die Illusion. Er schuf deshalb Objekte, die keine Illusionen wachrufen können, sondern die volle Konzentration auf Form, Material und ihre Präsenz im Raum lenkten. Damit das gelang, musste er systematisch alles ausschliessen, was irgendwie nach Bild, Natur oder Kunst aussehen könnte. Er legt den Raum also nicht ab, sondern legt ihn uns offen. Und zwar den Raum, in dem wir uns tatsächlich befinden, nicht denjenigen in unseren Köpfen. !Mediengruppe Bitnik, Random Darknet Shopper – the Bot’s Collection, 2014 – 2016

Mit dem Random Darknet Shopper schickt die !Mediengruppe Bitnik einen Bot, ein automatisiertes Computerprogramm, im Darknet mit wöchentlich 100 Dollar auf selbständige, zufällige Einkaufstour. Das hat einen direkten Bezug zur heutigen Welt. Ist das Kunst, wie eine monochrom bemalte Leinwand Kunst ist, oder ist es politischer Aktivismus? Gesellschaftskritische Kunst beschäftigt sich mit sozialen, poli24

Unser Alltag

Facebook und Cumulus-Karte, Online-Kommunikation und Zahlungsverkehr – das Leben ist in Daten zerlegbar. Wenn wir uns dessen bewusst werden und damit umgehen lernen, haben wir das auch Sol LeWitts Holzgitter an der Wand zu verdanken? Nein. Aber man kann festhalten, dass Sol LeWitt kreativ mit Daten gearbeitet hat und uns damit zum Nachdenken bringt. Das kann uns als Beispiel dienen. Wir sollten uns ebenfalls mit den Daten beschäftigen, diese hinterfragen und uns nicht einfach von Datenverarbeitungssystemen bestimmen lassen. «Immer anders, immer gleich –
Ein Versuch über Kunst und Systeme», Sa, 30. Juni bis So, 11. November, Bündner Kunstmuseum Chur, Di bis So, 10 bis 17 Uhr, Do bis 20 Uhr, Bahnhofstrasse 35, Chur. www.buendner-kunstmuseum.ch

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BILD(1): CREX COLLECTION; BILD(2): GUNNAR MEIER, KUNST HALLE SANKT GALLEN, COURTESY ¡MEDIENGRUPPE BITNIK; BILD (3): BODARA, BÜRO FÜR GEBRAUCHSGRAFIK

sondern in kurzen Statements, die die Kunsttheorie zugleich kritisch und ironisch aufs Korn nehmen. Diese Kurztexte hat er einem Schriftenmaler anvertraut, der sie nach seinen Anweisungen auf Leinwände gemalt hat. Wenn wir also diese Leinwände von Baldessari anschauen (sind sie überhaupt von Baldessari?), dann sehen wir alle Merkmale eines Gemäldes: rechteckige Leinwand mit Farbe bemalt, mit Leisten gerahmt, an der Wand im Museum hängend. Nur sehen wir kein «Bild», sondern Worte. Ist das nun Text oder ein Gemälde? Fragen über Fragen. Aber eines ist sicher, wir denken über Kunst nach.


Randnotiz

Aus Kinderaugen

Reflexion eines Produkts

Buch Der englische Autor Laurie Lee erweckt in

seinen Kindheitserinnerungen eine versunkene Zeit wieder – lebendig, sprach- und bildgewaltig.

Einige suchen die Öffentlichkeit, andere scheuen sie. Ich wurde zur Öffentlichkeitsarbeit animiert, als ich zu einer Figur wurde, die mit Produkten verbunden war. Auf den Kinofilm über mein Leben folgten zwei autobio­ grafische Bücher. Alles sollte beworben werden – meine Person wurde zu einem Job, der mich beschäftigt hielt. Mein Leben war Material, das ich öffentlich zu präsentie­ ren und promoten hatte. Ich war damit einverstanden, weil ich es spannend fand, mich mit mir selbst zu beschäf­ tigen, zudem kommuniziere ich gerne und hatte jeweils ein ­tolles Team um mich herum, dem ich gerecht werden wollte. Der Motor war der Ehrgeiz, der mich schon mein Leben lang antreibt: stets mein Bestes zu geben.

«Cider mit Rosie», der Erfolgs­ roman des englischen Autors Laurie Lee von 1959, beginnt mit einem Feuerwerk sinnlicher Ein­ drücke – und das aus der Sicht eines Kindes. Gerade mal drei Jahre alt ist dieser Dreikäsehoch, als man ihn vom Fuhrwerk hebt und mitten in die unbekannte Natur eines abgelegenen Dorfs in Gloucestershire stellt. Und weil er im Trubel des Umzugs der Familie, die es aus der Stadt aufs Land verschlagen hat, erst ein­ mal übersehen wird, sieht er sich mutterseelenallein einer Welt ausgesetzt, die riesig ist, unbe­ greiflich und voller betäubender Gerüche. «Ich legte den Kopf in den Nacken und brüllte, und die Sonne traf mein Gesicht wie eine Ohrfeige», schreibt Laurie Lee in seinen Kindheitserinnerungen, die in viele Sprachen übersetzt, millionenfach verkauft und mehrfach verfilmt wurden. Idyllisch sind diese Erinne­ rungen nicht. Was auch kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass sich der Vater nach London abgesetzt hat und die Mutter ne­ ben seinen vier auch noch die drei Kinder, die sie mit ihm ge­ meinsam hat, allein aufziehen muss – und das in einem Dorf am Ende der Welt. Es ist zudem der letzte Sommer des Ersten Weltkrieges. Hunger und Kälte gehören zum Alltag der Patchwork-Fami­ lie. Das heruntergekommene Haus, in das sie ziehen, versinkt oft in einem Tohuwabohu, das die zwar liebevolle, aber chaoti­

Mit dem Film war ich mit dem Regisseur auf der Bühne, als Autor alleine. Die Lesungen und öffentlichen Gespräche wirkten vielleicht wie eine One-Man-Show, tatsächlich steckt dahinter viel Arbeit diverser Begleiter. Alles fliesst ein in die Show, die möglichst reflektiert sein will, denn ich muss als Produkt immer Neues bieten, will ich interes­ sant bleiben. Trotzdem, meine Geschichte wurde inzwi­ schen schon so oft erzählt – bis zu einem Punkt, wo ich von einem Ausverkauf sprechen kann. Mein Gewinn waren neue Erkenntnisse über mich und als Autor eine neue Tätigkeit. Doch ich bin aus irgendwel­ chen Gründen ein Mensch der Extreme und habe meine gesamte Energie ins Schreiben und Promoten investiert, so sehr, dass alles andere auf der Strecke geblieben ist: die Menschen, die ich liebe – wie auch ich selbst. Ich habe mich verausgabt und selbst vergewaltigt, motiviert durch einen völlig falschen Fokus; Spiegelung durch Leistung und Öffentlichkeit. Mit dem Erfolg kam der pri­ vate Verlust – Beziehungsende und Verrat an Familie und alten Wegbegleitern.

FLORIAN BURKHARDT war Sportler, Model und Internetpionier. Sein Leben wurde im Film «Electroboy» dokumentiert. Mit dieser Kolumne verabschiedet er sich von Surprise.

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BILD: ZVG

Deshalb die notwendige, wenn auch späte Entscheidung: Ich will kein Produkt mehr sein. Meine Geschichte habe ich jetzt oft genug erzählt. Ich danke allen von Herzen, die mich begleitet und unterstützt haben. Doch jetzt ist es höchste Zeit, die Kurve zu kriegen: aus dem Kreisverkehr meiner Öffentlichkeit auszuscheren und wieder private Wege zu gehen.

sche Mutter mehr schlecht als recht bewältigt. Und als der Krieg endet, meint der kleine Laurie gar, dass jetzt auch die Welt en­ det, denn anderes als Krieg hat er bisher nicht gekannt. Und doch gibt es auch schöne Erinnerungen. An eine Zeit der Eroberungen, der täglichen Abenteuer, der Entdeckungen in einer Welt voller Geschichten, Geheimnisse und Geister, die die kindliche Fantasie entzünden und beflügeln. Mit Momenten, in denen die Zeit stillzustehen scheint, wenn der kleine Laurie stundenlang wie versteinert nur daliegt und atmet und schaut, auf die Staubpartikel im Sonnen­ licht oder auf eine Ameise, die er vom Anfang bis zum Ende ihres Lebens kennt. Laurie Lee versteht es, seine Erinnerungen so lebendig, sprach- und bildgewaltig her­ aufzubeschwören, dass wir, wie er, diese in der Zeit versunkene Welt mit den Augen eines Kin­ des wahrnehmen. Gut möglich, dass dabei auch eigene Erinne­ rungen geweckt werden, an so vieles, was verblasst oder verlo­ ren ist. Nicht zuletzt deshalb wird der Roman von Laurie Lee wohl noch lange seinen Zauber bewahren. Zumindest, solange es Lesende gibt, die diese Sehn­ sucht nach Vergangenem teilen. Die schön illustrierte Ausgabe des Unionsverlags in neuer Übersetzung bietet Gelegenheit, diesen Klassiker wieder oder neu zu entdecken.

CHRISTOPHER ZIMMER

Laurie Lee: Cider mit Rosie. Roman, Unionsverlag 2018, CHF 28.90

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BILD(1+2): ZVG; BILD(3): CAITLIN CRONENBERG; BILD(4): TEJU COLE; BILD(5): THOMAS DUFFÉ

Veranstaltungen Basel Water Yump, Performance, Mo, 9. Juli bis Sa, 14. Juli, 17 bis 18 Uhr, Einführung auf der Wiese vor dem Museum Tinguely, Badekleidung erforderlich, Anmeldung: thomasgeiger3000@gmail.com; Sa, 14. bis So, 29. Juli Ausstellung, Waldburger Wouters & ShanghART, St. Johanns-Vorstadt 46, Basel. benediktwyss.com

13 Künstlerinnen und Künstler gestalten ein Werk im Fluss. Im doppelten Sinne: Denn nicht nur treibt das Patchwork-Ensemble «Water Yump» aus Performern, Kunstwerken, Künstlerinnen und Zuschauern gemeinsam täglich den Rhein hinunter, sondern es verändert dabei auch laufend Form und Zusammensetzung. Eine Hommage an Fluxus-Künstler George Brecht und seine 70 Ereigniskarten «Water Yam» von 1963. Jede und jeder ist eingeladen, teilzuhaben und Teil zu sein. Eingestiegen wird beim Museum Tinguely, ausgestiegen und trockengelegt auf Höhe Florastrasse. Nach durchtriebener erster Woche wird die Ausstellung dann im neuen Projekt­ raum von Waldburger Wouters & ShanghART zu sehen sein – im Trockendock sozusagen. WIN

Luzern KRAUT Kunstfestival Luzern, Do, 19. Juli bis Fr, 17. August, öffentlicher Raum, Luzern. kraut.li Die Talstation der Gütschbahn, die ausgediente Telefon-Insel auf dem Helvetiaplatz oder die Süesswinkel-Treppe im Löwengraben werden zu Ausstellungsorten. Es sind Orte, die zum Experimentierfeld für bildende und Performance-­ Künstlerinnen, für Fotografen und Musiker werden. Sechs flüchtige Ausstellungen begleiten uns durch den Luzerner Sommer, und es sollen zufällige Momente entstehen, durch unvorbereitete Passanten etwa oder ein heftiges Sommer­ gewitter. Diese spontane Anlage

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allem gibt’s natürlich Filme zu sehen. Gespannt sind wir etwa auf die Horrorfilm-Anthologie «The Field Guide to Evil» von neun Regisseuren, darunter Ulrich Seidls Partnerin Veronika Franz (mit Horrorfilm-Erfahrung: «Ich seh, ich seh») und Independent-Regisseur Peter Strickland, der schon aus Melonen Angst und Schrecken gemacht hat («Berberian Sound Studio»). Es spielt unter anderem Birgit ­Minichmayr. DIF

Zürich Teju Cole – Blind Spot, Ausstellung, bis So, 29. Juli, Mi, Fr 12 bis 18 Uhr, Do 12 bis 24 Uhr, Sa, So 11 bis 17 Uhr, Augustinerstrasse 9, Zürich. strauhof.ch

macht Ideen möglich, die in einem institutionellen Rahmen kaum zum Zug kämen. Unter anderem mit Martijn in’t Veld aus Berlin, Olga Titus aus Winterthur, Toni Parpan aus Valbella und der Luzerner Musikerin Joan Seiler. DIF

Neuchâtel Neuchâtel International Fantastic Film Festival NIFFF, Fr, 6. bis Sa, 14. Juli, Neuchâtel. nifff.ch David Cronenberg («The Fly», «Dead Ringers»), Meister der Verschränkung von Körperlichem und Wissenschaftlichem (was Abgründiges ergibt), ist diesjähriger Jury-­ Präsident am NIFFF. Zudem erzählt er von der Entstehung seines eigenen Romans «Consumed» und über seine Methoden der Literaturadaption. Jan Harlan, Stanley Kubricks langjähriger ausführender Produzent und enger Vertrauter, spricht nicht nur über «2001: A Space Odyssey», sondern auch über Filmproduktion und unsere innere Fantasie. Und vor

das andere zu unterstützen. Viel gravierender noch ergeht es uns mit gesellschaftlichen blinden Flecken: Jeder Mensch hat davon deutlich mehr als nur zwei. Auch die Versuche, diese durch Erfahrungswerte zu kaschieren oder aufzufüllen, sind selten zielführend. Der nigerianisch-amerikanische Autor und Fotograf Teju Cole lotet dieses Thema in Bild und Text aus. Am Samstag, 7. Juli, um 20 Uhr ist er zudem im Alten Botanischen Garten (siehe auch Veranstaltungshinweis unten) im Gespräch mit einer weiteren Hinweiserin auf solche Leerstellen zu erleben: Carolin Emcke. WIN

Zürich Openair Literatur Festival Zürich, Mo, 2. bis So, 8. Juli, Alter Botanischer Garten, Zürich. literaturopenair.ch Als Empfehlung reichen bereits die grossen Namen: Der irische Booker-Preisträger John Banville ist dabei, Teju Cole und Carolin Emcke auch. Sofi Oksanen liest ebenso wie Clemens J. Setz und Rebekka Solnit. Den Abschluss am 8. Juli macht ein Spoken-Word-Anlass mit Jens Nielsen, Patti Basler, ­R­enato Kaiser, Lisa Christ und Knackeboul, der Surprise schon oft tatkräftig unterstützt hat. Auch Irvine Welsh (unten im Bild), Autor von «Trainspotting», wird zu hören sein (am 6. Juli). Und übrigens: Jens Nielsen hat Surprise für unsere Sommer-Literaturnummern ein weggefallenes Kapitel aus seinem Buch «Ich und mein Plural» geschenkt. Wir wissen: a) Es ist nicht aufgrund seiner Qualität weggefallen. b) Es ist eine ganz wunderbare eigenständige Kurzgeschichte. Das Heft erscheint am 13. Juli. DIF

Anatomisch gesehen hat jeder Mensch einen blinden Fleck im Auge. Dort, wo der Sehnerv austritt, sitzen keine Lichtrezeptoren. Unser Gehirn ist schlau, es ergänzt den Gesichtsfeldausfall über eine logische Fortsetzung dessen, was die restlichen Rezeptoren weitermelden. Trotzdem kann es zu Fehlwahrnehmungen führen, vor allem, wenn ein Auge ausfällt, um

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ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT

Agglo-Blues

Folge 13

Nenn mich nicht Baby Was bisher geschah: Vera Brandstetter, Ermittlerin im Fall eines in der Agglomeration ermordeten Ingenieurs, findet heraus, dass dieser sich an illegalen Glücksspielen beteiligt und dabei viel Geld gewonnen hat. An diesem Abend steigt sie hinab in die Spielhölle. Um halb neun Uhr abends parkte Vera Brandstetter ihren silbernen Hyundai vor dem länglichen, dreistöckigen Gebäude im Industriegebiet neben einem Mercedes, dem Firmenauto eines Malergeschäfts, zwei Kombis und einem billigen Offroader. Im Parterre waren eine Metallschlosserei und das Lager eines Textilhändlers untergebracht. Der Salon war im ersten Stock. Obwohl es einen Lift gab, stieg Brandstetter die Treppe hinauf. Auf ihr Klingeln öffnete eine grell geschminkte, blonde Frau Anfang vierzig die Tür. Mürrisch schüttelte sie den Kopf. «Keine Party heute!» Damit waren wohl die Tage gemeint, an denen auch Frauen Zutritt hatten, die nicht fest im Salon arbeiteten, dachte Brandstetter und zückte ihren Ausweis. «Polizei, lassen Sie mich herein!» Die Blonde wich zurück, Brandstetter betrat den halbdunklen Raum. Zuvorderst gab es eine Bar, an der drei Frauen mit langen, gefärbten Haaren sassen, zweimal platinblond, einmal schwarz. Sie trugen Miniröcke, absurd hochhackige Schuhe und Netzstrümpfe oder Lackstiefel, die bis übers Knie reichten, ausladende Tops oder Bikini-Oberteile. Sie schauten Brandstetter unruhig an. Männer waren keine zu sehen. Alles in dem Raum wirkte billig und abgestanden. Die ganze Einrichtung sah selbstgemacht aus, wie die Kellerbar eines nicht allzu geschickten Heimwerkers mit Hang zu Spontankäufen und Sonderaktionen. Die Karibikstrand-Wandtapete war an den Kanten um etwa zwei Zentimeter verschoben. In der Ecke stand eine Polstergruppe aus abwaschbarem Kunstleder, auf einem Monitor darüber lief stumm ein Pornofilm, in dem Schwerarbeit geleistet wurde. In der anderen Ecke stand ein kleiner Whirlpool, in dem kein Wasser war, daneben hing ein Vorhang mit Leopardenmuster, dort ging es zu den Zimmern. Die Frau, die Brandstetter hereingelassen hatte, verschwand durch eine Tür neben der Bar, auf der ein «Zutritt Verboten»-Schild aus dem Baumarkt prangte, und kam mit einem knapp fünfzigjährigen Mann wieder zurück. Er war gross, füllig, der Schädel Surprise 428/18

rasiert, grauer Oberlippen- und Kinnbart. Er trug Jeans, Boots und über dem weissen T-Shirt die Kutte eines Motorradclubs, um den es in den letzten Jahren eher still geworden war. Was dessen Verteidiger so auslegten, dass die Mitglieder nicht in kriminelle Machenschaften verwickelt waren, und die Kritiker so, dass die Mitglieder ihre kriminellen Machenschaften so strukturiert hatten, dass sie nicht mit ihnen in Zusammenhang gebracht werden konnten. Nach einem hochlukrativen Zweig der Unterwelt sah der Salon nicht gerade aus, dachte Brandstetter. «Was willst du, Baby?» Der Mann war knapp 1,90 Meter gross und hatte tätowierte Arme. Auch wenn sich über die Muskeln eine Fettschicht gelegt hatte, sah er immer noch aus wie jemand, dem man besser nicht das Bier über die Hosen schüttete. «Nenn mich nicht Baby. Mein Name ist Brandstetter, Kriminalpolizei.» Sie zeigte ihren Ausweis. Der Rocker hängte die Daumen in die Schlaufen seiner Jeans ein, die massive Gürtelschnalle stellte das Logo seines Clubs dar. «Ich bin Jackie. Taufname Jacques Demuth, meinen Ausweis hab ich hinten im Büro, dort sind auch die Papiere der Frauen. Bei mir hat alles seine Ordnung, Baby.» «In dem Fall gehen wir in dein Büro. Und nenn mich nicht Baby, Jackie.» Er seufzte und drehte sich auf dem Absatz seiner halbhohen Sancho-Stiefel um. Brandstetter betrachtete die Kutte, den Namen seines Chapters: River Valley. Klang besser als Bächlital. Sie folgte ihm in den Flur. Das helle Licht blendete sie einen Moment, der Salon war nur schwach beleuchtet gewesen. «Moment», sagte Jackie und verschwand in einem mit «Büro» bezeichneten Raum. Am Ende des Flurs war eine weitere Tür, an der nicht besonders gerade das Schild «Privat» klebte. Jackie hatte offenbar in ein ganzes Set dieser metallenen Aufklebschilder investiert. Anstelle einer Klinke gab es hier einen Knauf, daneben eine Zahlentastatur. Brandstetter hörte ein Handy dudeln und trat näher. Das war vermutlich Jackie, der die Leute im Hinterzimmer warnte. Sie hörte Stühlerücken, Türenschlagen. Kurz darauf kam Jackie mit einem Stapel Papiere aus seinem Büro. «Mich interessiert, was da drin ist. Deine Pokerrunde», sagte Brandstetter. «Ich weiss nicht, wovon du sprichst, Baby.» «Mach die Tür auf. Und nenn mich nicht Baby.» STEPHAN PÖRTNER schreibt Romane und Theaterstücke. Wer eine oder mehrere Folgen seines Krimis «Agglo-Blues» verpasst hat, kann sie auf unserer Webseite nachlesen oder auch hören: www.surprise.ngo|krimi

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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist. 01

Anyweb AG, Zürich

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Leadership LP3 AG, Biel

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Echtzeit Verlag, Basel

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Gemeinnütziger Frauenverein, Nidau

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Madlen Blösch, GELD & SO, Basel

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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

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Lotte’s Fussstube, Winterthur

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Cantienica AG, Zürich

11

Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Zürich

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Brother (Schweiz) AG, Dättwil

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Coop Genossenschaft, Basel

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Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

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Proitera betriebliche Sozialberatung, Basel

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Praxis PD Dr. med. Uwe Ebeling, Bern

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VXL gestaltung und werbung AG, Binningen

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Burckhardt & Partner AG, Basel

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Schluep & Degen Rechtsanwälte, Bern

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SM Consulting, Basel

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Holzpunkt AG, Wila

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Praxis Colibri, Murten

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Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden

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SBB Angebotsgestaltung Langstrasse, Zürich

Möchten Sie bei den positiven Firmen aufgelistet werden? Mit einer Spende ab 500 Franken sind Sie dabei. Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 Surprise, 4051 Basel Zahlungszweck: Positive Firma und Ihr gewünschter Namenseintrag Sie erhalten von uns eine Bestätigung. Kontakt: Nicole Huwyler Team Marketing, Fundraising & Kommunikation T +41 61 564 90 50 I marketing@surprise.ngo

SURPLUS – DAS NOTWENDIGE EXTRA Das Programm

Wie viele Surprise-Hefte müssten Sie verkaufen, um davon in Würde leben zu können? Hätten Sie die Kraft?

Wussten Sie, dass einige unserer Verkaufenden fast ausschliesslich vom Heftverkauf leben und keine Sozialleistungen vom Staat beziehen? Das fordert sehr viel Kraft, Selbstvertrauen sowie konstantes Engagement. Und es verdient besondere Förderung. Mit dem Begleitprogramm SurPlus bieten wir ausgewählten Verkaufenden zusätzliche Unterstützung. Sie sind mit Krankentaggeld und Ferien sozial abgesichert und erhalten ein Nahverkehrsabonnement. Bei Problemen im Alltag begleiten wir sie intensiv.

Eine von vielen Geschichten Josiane Graner, Juristin, wurde in ihrem Leben von schweren Schicksalsschlägen getroffen. Sie kämpft und steht immer wieder auf. Ein Geschäftsprojekt, das sich zum Flop entwickelte, führte sie 2010 zu Surprise. Ihr Geschäftspartner hatte sich ins Ausland abgesetzt und sie mit dem Schuldenberg allein gelassen. Um ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten, verkauft Josiane Graner in Basel das Strassenmagazin. Zudem ist sie für den Aboversand zuständig. Dank des SurPlus-Programms erhält sie ein ÖVAbonnement und Ferientaggeld. Diese Zusatzunterstützung verschafft der langjährigen Surprise-Verkäuferin etwas mehr Flexibilität im knappen Budget.

Die ganze Geschichte lesen Sie unter: surprise.ngo/surplus

Unterstützen Sie das SurPlus-Programm mit einer nachhaltigen Spende Derzeit unterstützt Surprise 14 Verkaufende des Strassenmagazins mit dem SurPlus-Programm. Ihre Geschichten stellen wir Ihnen hier abwechselnd vor. Mit einer Spende von 6000 Franken ermöglichen Sie einer Person, ein Jahr lang am SurPlusProgramm teilzunehmen.

Unterstützungsmöglichkeiten: · 1 Jahr: 6000 Franken · ½ Jahr: 3000 Franken · ¼ Jahr: 1500 Franken · 1 Monat: 500 Franken · oder mit einem Beitrag Ihrer Wahl.

Spendenkonto: PC 12-551455-3 IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 | Vermerk: SurPlus Oder Einzahlungsschein bestellen: T +41 61 564 90 90 info@surprise.ngo | surprise.ngo/spenden Herzlichen Dank!


Wir alle sind Surprise Strassenmagazin

Sozialer Stadtrundgang

«Nur Schadensbegrenzung?» Nachdenklich und tief beeindruckt von den Bildern und dem enormen Kostenaufwand an Personal und Kapital für Drogenabhängige verliessen wir die Surprise-Stadtführung und wünschten Dani Stutz, unserem Stadtführer, sowie den beteiligten Institutionen weiterhin viel Kraft, Erfolg und Hoffnung. Was hat die Gesellschaft falsch gemacht, dass so ein enormer Aufwand betrieben werden muss, um junge Menschen aus unseren Reihen – wir, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen – wieder aufzufangen, gesundzupflegen und zu reintegrieren? Geht es nur um Schadensbegrenzung für die Gesellschaft? Die Sucht beginnt anscheinend schon in den Schulen und setzt sich im Lehrbetrieb und in den Unternehmen fort. Fehlt es den jungen Menschen an Perspektive? An einer erfüllten Zukunft? Diese Fragen werden leider auch noch Generationen nach uns beschäftigen.

«Bezüger sind Empfänger»

#424: Würden Sie Ihrem Kind zwölf Löffel Zucker geben?

«Sprachlos»

«Gute Zeitung» Wow. Einmal mehr: So eine gute Zeitung.

Euer Magazin wird immer besser, interessanter und auch immer schöner: tolles Papier, Layout und Bilder, wunderbar. Und das Titelbild macht mich sprachlos, was für ein fan­ tastisches Menschengesicht. Meine Bewunderung an den Macher.

Sie verwenden in Ihrer Publikation die Ausdrücke Sozialhilfebezüger, IVBezüger und EL-Bezüger. Diese Worte fussen auf dem Verb «ziehen». Leute, welche die Leistungen einer der oben genannten Institutionen erhalten, müssen aber nicht ziehen, um die Leistung zu erhalten. Sie erfüllen bestimmte gesetzliche Bedingungen und erhalten die Geldbeträge auf ihr Konto über­ wiesen; sie sind also Empfänger der Leistung. Die Ausdrücke «Bezüger» und «beziehen» sind darum Ausdruck der Verachtung und Diskriminierung von Empfangenden derartiger Leistungen. IV-Bezüger ist ohnehin ein absurder Ausdruck: IV bedeutet Invalidenversi­ cherung, und die kann man nicht bezie­ hen, sondern nur deren Leistungen.

B. ZBINDEN, Bern

J. ACHTERBERG, Schinznach-Dorf

C. SCHMUTZ, Basel

P.R. SCHNEIDER, Hausen am Albis

#424: Würden Sie Ihrem Kind zwölf Löffel Zucker geben?

Impressum

Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 F +41 61 564 90 99
 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo

Ständige Mitarbeit
 Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Marie Baumann, Florian Burkhardt, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Khusraw Mostafanejad, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Christopher Zimmer

Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T  +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12

Mitarbeitende dieser Ausgabe Philipp Baer, Ruben Hollinger, Kostas Maros. Isabel Mosimann

Herausgeber Surprise, Spalentorweg 20 CH-4051 Basel

Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T  +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T  +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion
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FOTO: RUBEN HOLLINGER

Surprise-Porträt

«Manchmal ist es fast wie im Militärdienst» «Ich stamme aus Eritrea und musste als 18-Jähriger gleich in den Militärdienst eintreten. Nach acht Jahren im Dienst, ohne Aussicht auf ein Ende und ein freies Leben, lief ich eines ­ Tages davon. Um nicht von der Militärpolizei auf unbestimmte Zeit eingesperrt zu werden, brachte ich mich im benach­barten Sudan in Sicherheit. Zurück liess ich meine Frau und zwei kleine Söhne. Im Moment, in dem ich flüchtete, war ich so verzweifelt, dass ich nicht realisierte, dass ich sie für Jahre nicht mehr sehen könnte. Vom Sudan setzte ich meine Flucht in Richtung Libyen fort. Weil ich unterwegs immer wieder Geld für die Weiterreise verdienen musste, dauerte meine Flucht zwei Jahre. Im Somer 2007 beantragte ich Asyl in der Schweiz. Der Zufall wollte es, dass in der Flüchtlingsunterkunft in Büren an der Aare, in die ich nach ein paar Wochen verlegt wurde, Leute wohnten, die bereits Surprise verkauften. Weil ich so schnell wie möglich ­arbeiten wollte, fing ich auch damit an. Seit mehr als zehn Jahren verkaufe ich nun Surprise. Selbst während Festanstellungen habe ich nie damit aufgehört. Surprise war in all den Jahren eine wichtige Stütze für mich. Natürlich eine finanzielle, aber vor allem auch eine moralische. Es gibt mir sehr viel, wenn sich meine Kunden im Freudenberg-Zentrum im Berner Ostring-Quartier erkundigen, wie es mir geht, was die Familie macht, ob sie bald in die Schweiz kommen dürfe. Ehrlich gesagt ist das Leben für mich phasenweise nur ein Überleben, fast wie damals im Militärdienst, wo ich einfach durchhalten musste. Seit neun Jahren hoffe ich, dass meine Frau und meine Kinder mit mir in der Schweiz ­leben dürfen. Doch in meinem Fall lief vieles schief. Während andere Eritreer, die desertierten, eine B-Bewilligung erhielten, bekam ich zunächst nur die Aufenthaltsbewilligung F für vorläufig aufgenommene Flüchtlinge – weshalb, weiss ich nicht. Klar ist nur: Mit dieser Bewilligung ist der Familiennachzug nicht möglich. Meine Frau flüchtete 2009 in den Sudan, weil sie hoffte, dass sie mir mit den Kindern von dort aus folgen könnte. In Khartum harrte sie zwei Jahre aus, dann reiste sie in die äthiopische Hauptstadt Addis Abeba. Das Leben im Sudan war für sie als Frau, allein, dazu christlichen Glaubens, auf die Dauer viel zu schwierig. In Äthiopien ist das Leben für eritreische Flüchtlinge auch nicht einfach, doch wenigstens können die Kinder zur Schule gehen. Wann immer es finanziell möglich ist, besuche ich sie in Addis Abeba. So kam es auch, dass wir Ende 2012 einen dritten Jungen bekommen haben. 2013 bekam ich, weil ich bereits vier Jahre eine Festanstellung hatte und keine Sozialhilfe mehr bezog, die B-Bewilligung. Die ganze Familie war glücklich – wir dachten, jetzt können 30

Awet Iyasu (39) hofft seit neun Jahren, dass seine Frau und seine drei Söhne zu ihm in die Schweiz ziehen dürfen – bisher vergebens.

wir endlich zusammenleben. Doch es folgte die nächste Enttäuschung: Die Behörden fanden, mein Lohn als Reinigungs­ mitarbeiter im Freizeit- und Einkaufszentrum West Side reiche nicht aus, um die Lebenskosten für die ganze Familie zu decken. Nach einiger Zeit fand ich in einem Hotel in Thun eine Stelle in der Hauswirtschaft und im Portierdienst. Letzten Herbst ­verlor ich die Stelle jedoch. Ich war bei der Arbeit auf dem nassen Boden ausgerutscht und hingefallen und fiel für ein paar Wochen aus. Gegen die Kündigung habe ich mich nicht gewehrt, weil mir der Arbeitsweg von Bern nach Thun eigentlich von Anfang an zu teuer war – 265 Franken im Monat ist viel Geld für mich. Momentan erhalte ich Geld vom RAV, suche aber mit Hochdruck eine neue Stelle. Unterstützung beim Schreiben von guten und korrekten Bewerbungen erhalte ich bei der ­Beratungsstelle Triio in Bern. Eine Vollzeitstelle, die es mir ermöglicht, meine Familie zu mir in die Schweiz zu bringen, das ist mein grösster Wunsch.»

Aufgezeichnet von ISABEL MOSIMANN

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Kultur Kultur

Solidaritätsgeste Solidaritätsgeste

STRASSENSTRASSENCHOR CHOR

CAFÉ CAFÉ SURPRISE SURPRISE

Lebensfreude Lebensfreude Entlastung Entlastung Sozialwerke Sozialwerke

BEGLEITUNG BEGLEITUNG UND UND BERATUNG BERATUNG

Unterstützung Unterstützung

Job Job

STRASSENSTRASSENMAGAZIN MAGAZIN Information Information

SURPRISE WIRKT SURPRISE WIRKT

ZugehörigkeitsZugehörigkeitsgefühl gefühl EntwicklungsEntwicklungsmöglichkeiten möglichkeiten

STRASSENSTRASSENFUSSBALL FUSSBALL

Erlebnis Erlebnis

Expertenrolle Expertenrolle

SOZIALE SOZIALE STADTRUNDSTADTRUNDGÄNGE GÄNGE PerspektivenPerspektivenwechsel wechsel

Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, uns ohne staatliche sind aufHinsicht Spenden Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschenfinanzieren in der Schweiz. Unser Angebot Gelder wirkt inund doppelter – und auf den armutsbetroffenen Menschen surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC gewinnorientiert, 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1455 3Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht finanzieren uns ohne1255 staatliche surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

Helfen tut gut. Zeit, zuzuhören. Zeit, abzuwarten. Zeit für Rückschläge. Zeit, zu helfen. All das gibt es in der Sozialberatung und -begleitung, die Surprise an seinen drei Standorten in Basel, Bern und Zürich anbietet. Die Verkaufenden des Strassenmagazins sowie die Stadtführer, die Strassenfussballer und die Chorsängerinnen erhalten hier nicht nur ihre Hefte, gratis Kaffee oder Internetzugang, sondern wenden sich mit ihren Sorgen und Fragen an die Surprise-Mitarbeitenden.

Ob bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, bei Schulden, beim Umgang mit Behörden und administrativer Korrespondenz, bei familiären Krisen oder Suchtproblemen – für rund 400 armutsbetroffene Menschen ist diese umfassende und niederschwellige Begleitung eine unentbehrliche Stütze im Alltag. Surprise hilft individuell und niederschwellig. Spenden Sie heute. Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 surprise.ngo/spenden Surprise 423/18

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Café Surprise – eine Tasse Solidarität Zwei bezahlen, eine spendieren. BETEILIGTE CAFÉS IN BASEL BackwarenOutlet, Güterstr. 120 | Café Bohemia, Dornacherstr. 255 | Café-Bar Elisabethen, Elisabethenstr. 14 | Flore, Klybeckstr. 5 | Café Restaurant Haltestelle, Gempenstr. 5 | Kiosk Amann, Claragraben 101 | Oetlinger Buvette, Unterer Rheinweg | Quartiertreffpunkt Kleinhüningen, Kleinhüningerstr. 205 Quartiertreffpunkt Lola, Lothringerstr. 63 | Les Gareçons to go, Badischer Bahnhof | Restaurant Manger et Boire, Gerbergasse 81 | Trattoria Bar da Sonny, Vogesenstr. 96 | Didi Offensiv, Erasmusplatz 12 | Radius 39, Wielandplatz 8 IN LUZERN Jazzkantine zum Graben, Grabenstr. 8 | Meyer Kulturbeiz, Bundesplatz 3 | Blend Teehaus, Furrengasse 7 | Quai4-Markt Baselstrasse, Baselstr. 66 | Restaurant Quai4, Alpenquai 4 | Quai4-Markt Alpenquai, Alpenquai 4 Pastarazzi, Hirschengraben 13 | Netzwerk Neubad, Bireggstr. 36 | Sommerbar Volière, Inseli Park IN STEIN AM RHEIN Raum 18, Kaltenbacherstr. 18 IN RAPPERSWIL Café good, Marktgasse 11 IN SCHAFFHAUSEN Kammgarn-Beiz, Baumgartenstr. 19 IN BERN Café Kairo, Dammweg 43 | Café Marta, Kramgasse 8 | Café Tscharni, Waldmannstr. 17a | Café-Bar das Lehrerzimmer, Waisenhausplatz 30 | LoLa Lorraineladen, Lorrainestr. 23 | Luna Llena Gelateria Restaurant Bar, Scheibenstr. 39 | Restaurant Genossenschaft Brasserie Lorraine, Quartiergasse 17 | Restaurant Löscher, Viktoriastr. 70 | Restaurant Sous le Pont – Reitschule, Neubrückstr. 8 | Rösterei Kaffee und Bar, Güterstr. 6 | Treffpunkt Azzurro, Lindenrain 5 | Zentrum 44, Scheibenstr. 44 | Café Paulus, Freiestrasse 20 IN BIEL Treffpunkt Perron bleu, Bahnhofplatz 2d IN ZÜRICH Café Zähringer, Zähringerplatz 11 | Cevi Zürich, Sihlstr. 33 | Flussbad Unterer Letten, Wasserwerkstr. 141 IN WINTERTHUR Bistro Dimensione, Neustadtgasse 25 IN OBERRIEDEN Strandbad Oberrieden, Seestrasse 47

Weitere Informationen: surprise.ngo/cafesurprise


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