Surprise Nr. 433

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Strassenmagazin Nr. 433 7. bis 20. September 2018

CHF 6.–

davon gehen CHF 3.– an die Verkaufenden

Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass

Wallis

Gefundenes Fressen Wölfe reissen immer wieder Schafe. Die Menschen streiten sich: Soll man die Raubtiere abschiessen dürfen? Seite 12

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GESCHICHTEN VOM FALLEN UND AUFSTEHEN Kaufen Sie jetzt das Buch «Standort Strasse – Menschen in Not nehmen das Heft in die Hand» und unterstützen Sie einen Verkäufer oder eine Verkäuferin mit 10 CHF. «Standort Strasse» erzählt mit den Lebensgeschichten von zwanzig Menschen, wie unterschiedlich die Gründe für den sozialen Abstieg sind – und wie gross die Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen. Porträts aus früheren Ausgaben des Surprise Strassenmagazins ergänzen die Texte. Der Blick auf Vergangenheit und Gegenwart zeigt selbstbewusste Menschen, die es geschafft haben, trotz sozialer und wirtschaftlicher Not neue Wege zu gehen und ein Leben abseits staatlicher Hilfe aufzubauen. Surprise hat sie mit einer Bandbreite an Angeboten dabei unterstützt: Der Verkauf des Strassenmagazins gehört ebenso dazu wie der Strassenfussball, der Strassenchor, die Sozialen Stadtrundgänge und eine umfassende Beratung und Begleitung. 156 Seiten, 30 farbige Abbildungen, gebunden, CHF 40 inkl. Versand, ISBN 978-3-85616-679-3 Bestellen bei Verkaufenden oder unter: surprise.ngo/shop Weitere Informationen T +41 61 564 90 90 | info@surprise.ngo | surprise.ngo | Facebook: Surprise NGO

Helfen tut gut. Zeit, zuzuhören. Zeit, abzuwarten. Zeit für Rückschläge. Zeit, zu helfen. All das gibt es in der Sozialberatung und -begleitung, die Surprise an seinen drei Standorten in Basel, Bern und Zürich anbietet. Die Verkaufenden des Strassenmagazins sowie die Stadtführer, die Strassenfussballer und die Chorsängerinnen erhalten hier nicht nur ihre Hefte, gratis Kaffee oder Internetzugang, sondern wenden sich mit ihren Sorgen und Fragen an die Surprise-Mitarbeitenden.

Ob bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, bei Schulden, beim Umgang mit Behörden und administrativer Korrespondenz, bei familiären Krisen oder Suchtproblemen – für rund 400 armutsbetroffene Menschen ist diese umfassende und niederschwellige Begleitung eine unentbehrliche Stütze im Alltag. Surprise hilft individuell und niederschwellig. Spenden Sie heute. Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3 surprise.ngo/spenden


TITELBILD: MARCO FRAUCHIGER

Editorial

Bilder im Kopf Der Surprise-Verkäufer Urs Saurer hat ein Bild im Kopf. Er sieht sich in Kamerun, denn er möchte auf dem Feld arbeiten. Er hatte das Bild schon fast wahr werden lassen. Nun ist der Urs in Kamerun aber wieder zum blossen Bild im Kopf geworden, denn das Schicksal hält ihn vorerst doch in der Schweiz fest. Hier entstehen wieder andere Bilder seiner Zukunft. Urs Saurer in Kanada wäre etwa so eins, siehe Seite 8. Die meisten von uns haben ein ziemlich klares Bild im Kopf, wenn es um wilde Tiere geht. Die einen haben ein romantisches Bild des Wolfes, verbunden mit Natur und Freiheit. Die andern sehen in ihm eine Bedrohung. Für die Schafe, für die Alp an sich. Es prallen in der Diskussion um den Wolf – und damit um das Jagdgesetz, das vermutlich verschärft werden wird –  zwei Weltsichten aufeinander. Seite 12. Der Syrer Alaa Amoka hat auch ein Bild im Kopf: Fussball als Friedensspiel. Er hat bereits dafür gesorgt, dass ein Schweizer

4 Aufgelesen 5 Vor Gericht

12 Wallis

Wer hat Angst vor dem bösen Wolf?

Es stinkt im Hof

Zwei Awards für Surprise

Hat Alaa Amoka nun aus Wölfen Schäfchen gemacht? Wahrscheinlich nicht, denn nur schwarz-weiss ist die Welt ja nicht. Aber er hat gezeigt: Bilder kann man laufend durch neue ersetzen. DIANA FREI Redaktorin

24 Kultur

Sexpositive Filme

30 Surprise-Porträt

«Ich bin nicht nachtragend»

25 Buch 20 Strassenfussball

6 Strassenzeitungen

Strassenfussballteam – berüchtigt für eine besonders rücksichtslose Spielweise – innert kürzester Zeit mit dem Strassenfussball-Fairnesspreis ausgezeichnet wurde. Man könnte – nicht ganz ohne Pathos, aber trotzdem richtig – sagen: Ein Syrer war es, der diesen Schweizern den Frieden gebracht hat. Wo wir doch normalerweise eher Syrien mit Krieg und die Schweiz mit Frieden in Verbindung bringen. Aber Geflüchtete aus Krisenregionen sind ja nicht die Kriegshetzer. Sondern vielleicht genau die Leute, die eine geschärfte Wahrnehmung dafür haben, was friedliches Zusammenleben bedeuten könnte. Lesen Sie ab Seite 20.

Unterwasserküsse

Ein Syrer hilft Bielern 26 Veranstaltungen 27 Fortsetzungsroman

7 All Inclusive

Nach dem Burnout

28 SurPlus Positive Firmen

8 Verkäufergeschichte

Urs Saurers Suche nach der Zukunft

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29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren

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Aufgelesen

BILD: PETTER NYQUIST AND THOMAS LǾBERG

News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 34 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Kaffeebar mit TV-Show

ILLUSTRATION: ARJAN JAGER

Das Strassenmagazin =Oslo betreibt in der norwegischen Hauptstadt eine edle Kaffeebar. Entstanden ist das Lokal im Rahmen einer Fernsehshow mit dem Titel «Petter Utteligger» (Peter Obdachlos), die der Sender TV2 letztes Jahr ausstrahlte. Sie zeigte, wie sieben =OsloVerkaufende die Bar zusammen mit Fernsehproduzent Petter Nyquist aufbauten. Sie alle arbeiten noch heute

dort und hatten schon hohen Besuch in =Kaffee, wie ihr Lokal heisst: Kronprinz Haakon und seine Frau Mette Marit waren ebenso zu Gast wie die norwegische Premierministerin Erna Solberg.

=OSLO, OSLO

Velo oder nicht Velo?

THE CURBSIDE CURBSID CHRONICLE, OKLAHOMA

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Der geborene Niederländer Arjan Jager vergleicht seinen Job als Stadtplaner in Oklahoma City mit dem Redigieren eines Drehbuchs: Der Grossteil der Geschichte sei schon geschrieben, er feile lediglich an den Details. Viele Projekte wie der «Bike-walkokc» brauchten zudem einen langen Atem: Der 20-Jahres-Plan zur Weiterentwicklung von Velo- und Fussgängerstrecken in der Grossstadt könnte in zehn Jahren ebenso gut wieder über den Haufen geworfen werden. Übrig blieben dann nur Jagers gezeichnete Visionen.

Verkäufer helfen Verkäufern Das kanadische Strassenmagazin L’Itinéraire bietet ein Mentorenprogramm an, in dem erfahrene Verkaufende ihr Wissen an neue Verkäuferinnen und Verkäufer vermitteln. Sie sprechen mit ihnen über Themen wie Widerstandsfähigkeit, Selbstwertgefühl, Obdachlosigkeit, psychische Gesundheit oder Suchterkrankungen. Das Programm sei sehr motivierend und stärke den Teamgeist, sagt der Projektverantwortliche Charles-Eric Lavery.

L’ITINÉRAIRE, MONTRÉAL

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ILLUSTRATION: PRISKA WENGER

Wiedereinstieg fördern

Wer in Deutschland in den letzten sieben Jahren durchgängig Hartz IV erhalten hat, kann sich bald um einen geförderten Arbeitsplatz bewerben. Das sieht der Gesetzesentwurf «Teilhabe am Arbeitsmarkt» des Bundesarbeitsministers vor. Demnach werden sozialversicherungspflichtige, mit Mindestlohn bezahlte Jobs in der freien Wirtschaft in sozialen Einrichtungen oder Kommunen für fünf Jahre bezuschusst. Für Menschen, die mindestens zwei Jahre arbeitslos sind, sieht ein weiteres Programm zudem Lohnzuschüsse für zwei Jahre vor.

HINZ & KUNZT, HAMBURG

An der Uhr drehen

Eine neue Studie gibt ehemaligen Drogenabhängigen Hoffnung: Sie zeigt, dass ausgestiegene Abhängige ihr biologisches Alter beeinflussen können, indem sie an Sportprogrammen teilnehmen. Während das biologische Alter von exzessiven Drogenkonsumenten rund 20 bis 25 Jahre höher ist als das von nichtabhängigen Gleichaltrigen, können ausgestiegene Drogensüchtige die Uhr etwas zurückdrehen, indem sie an einem achtwöchigen Sportprogramm teilnehmen.

SORGENFRI, TRONDHEIM

Live aus Roskilde

Vier junge Verkaufende des Strassenmagazins Hus Forbi haben dieses Jahr aus Roskilde berichtet, dem bekanntesten Musikfestival Dänemarks. Sie schrieben Artikel und fotografierten für die täglich erscheinende Festivalzeitung und bestritten über die Hälfte des Inhalts der AugustAusgabe von Hus Forbi. Chefredaktor Poul Struve Nielsen spricht von einer «unglaublich tollen Erfahrung».

HUS FORBI, KOPENHAGEN

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Vor Gericht

Ein Scheissfall Vor dem Gerichtssaal stehen zwei Dutzend Leute eng an eng. Das Gerichtspersonal schleppt, so scheint’s, alle im kleinen Landgericht im Zürcher Oberland auffindbaren Stühle herbei. Die Verhandlung beginnt verspätet, und wieder mal ist klar: An kaum einem Ort werden Streitereien erbarmungsloser ausgefochten als am Gartenzaun. Wobei : Dieser Kleinkrieg hat das ganze Dorf erfasst. Denn die Beschuldigten, ein Ehepaar mittleren Alters, sind sehr klagefreudig. Rundum decken sie die Leute im Dorf mit Anzeigen ein, allein den Gemeindepräsidenten mit deren zwanzig. Ohne Resultat. Stattdessen steht nun das Paar, private Finanzdienstleister, selbst vor Schranken. Verklagt von der Nachbarin, einer Sekundarlehrerin, wegen Verletzung des Geheim- und Privatbereichs, übler Nachrede und Nötigung. Eine herzliche Nachbarschaft war es nie. Aber dann kam die Sache mit der Scheisse. Die begann mit dem neuen Kiesplatz 2014, erzählt die Beschuldigte. Ihr Mann fügt hinzu: «Es hagelte Fäkalien!» Man liess den Kot liegen – und stinken. Sehr zum Verdruss der Nachbarin, die gleich hinter einem Sichtschutzzaun ihre Lounge hat, wo sie gern verweilt. Mehrfach bat sie um Beseitigung des Kots. Schliesslich forderte die ganze Nachbarschaft das Paar schriftlich zur Ordnung auf. Dem kam das Paar nach, indem es fortan die gesammelte Kacke direkt an die Trennwand stellte. Und es hagelte Briefe. Nachbarn, Freunde und ehemalige Lebenspartner der Lehrerin bekamen Schreiben des Paars. «Eine Lawine ist ins Rollen geraten», hiess es darin. «Sie werden auch bestraft wer-

den.» Medien, Gemeindeverwaltung, der Schulpräsident und die kantonale Bildungsdirektorin hatten ebenfalls Post: Die Sekundarlehrerin sei eine kriminelle Intrigantin. Das Quartier liess man in Sachen Kot wissen, man sei nicht Verursacher und ergreife «bauliche Massnahmen». Das war dann eine Kamera. Zu viel für die Lehrerin, die schon vorher ständig bedrängt worden war. Sie rief die Polizei. Die fand 79 Bilder von Familie und Bekannten auf der Kamera. Auf die Frage, warum man diese nicht ausschliesslich auf den Kiesplatz richtete, sagt die Beschuldigte nur: «Mit der Kamera hatte das Kacken ein Ende, brisant, nicht?» Für das Paar der Beweis: Die Nachbarn hatten den Kot abgelegt, um es rauszuekeln. Das wäre der Gemeinde zweifelsohne recht. Immer wieder schüttelt das Publikum im Saal mit vernehmlichem «Tssss» den Kopf. Der Verteidiger hingegen wischt alle Vorwürfe beiseite und fordert Freisprüche. Das bisschen Kot Nötigung? Albern. Mit der Kamera wollte man nur feststellen, wie der Kot auf den Kiesplatz kam. Völlig verhältnismässig. Die Briefe? Durch das öffentliche Interesse gedeckt – als Sekundarlehrerin habe die Frau eine Vorbildfunktion. Die Einzelrichterin sieht es anders. Die Briefe seien durch nichts zu rechtfertigen. Die Kamera ginge aber knapp in Ordnung, weil sie nichts aufnehme, das nicht auch von der Strasse her einsehbar wäre. Und der Kot? Da glaubt die Richterin, was das ganze Dorf glaubt: Bei den Haufen handelt es sich um die gesammelten Geschäfte der Hunde des Ehepaars. Die hätten sie selbst deponiert, um die Nachbarin zu schikanieren. Rechtskräftig werden die Schuldsprüche und milden Geldstrafen jedoch nicht – das Paar hat das Urteil bereits an die nächste Instanz weitergezogen. Y VONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin in Zürich

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Kongress der Strassenzeitungen

Unser Magazin ist am Internationalen Kongress der Strassenzeitungen, der Ende August in Glasgow stattfand, gleich mit zwei Awards ausgezeichnet worden. Der Artikel «Odyssee mit Hund und Katz» der Journalistin Gisela Feuz über das Berner Stadtoriginal Slavcho Slavov erhielt den Preis für das beste «Cultural Feature», also den besten Artikel mit kulturellem Bezug, der im letzten Jahr in einem Strassenmagazin abgedruckt wurde. Als bestes Foto wurde das Bild «Der postsowjetische Cowboy» des Fotografen Mario Heller aus seiner Reportage aus Tadschikistan ausgezeichnet, die Surprise im August 2017 veröffentlichte. «Diese Preise sind eine Anerkennung für alle 411 Verkaufenden auf der Strasse, unsere Redaktion, die freien Mitarbeitenden, unsere Grafikagentur Bodara und alle, die Surprise unterstützen», sagte SurpriseGeschäftsführerin Paola Gallo in ihrer Dankesrede in Glasgow. Eine internationale Jury vergab insgesamt elf Auszeichnungen. Eingereicht wurden 275 Beiträge von 49 Strassenzeitungen und -magazinen aus 27 Ländern. Der «Global Street Paper Summit» wird alljährlich vom Netzwerk der internationalen Strassenzeitungen (INSP) organisiert. Am dreitägigen Kongress nahmen 84 Delegierte von 43 Strassenzeitungen teil. Sie sprachen über aktuelle und mögliche zukünftige Entwicklungen – zum Beispiel über das bargeldlose Bezahlen. Das Göteborger Magazin Faktum hat die Kartenzahlung bereits eingeführt, da in Schweden fast niemand mehr Bargeld dabeihat. Auch die Strassenzeitung Real Change in Seattle kann man mit Karte

Surprise gewann INSP-Awards in zwei von elf Kategorien.

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Strassenmagazin Nr. 408 8. bis 21. September 2017

CHF 6.–

davon gehen CHF 3.– an die Verkaufenden

Bitte kaufen Sie nur bei Verkaufenden mit offiziellem Verkaufspass

Porträt

Am Ziel Nach zehn Jahren auf Europas Strassen hat Slavcho Slavov in Bern endlich ein Zuhause für sich, Hund und Katz gefunden. Seite 8

In Glasgow ausgezeichnet: Das Foto «Der postsowjetische Cowboy» von Mario Heller und das Porträt von Gisela Feuz über das Berner Stadtoriginal Slavcho Slavov.

erwerben, The Big Issue Australia führt das sogenannte Cashless Payment im Dezember ein. Doch welches System eignet sich am besten? Was machen Verkäuferinnen, die kein eigenes Bankkonto haben? Wie teuer darf ein Heft sein? Auch die Preispolitik gab Anlass zu Diskussionen: Mehrere Magazine in wohlhabenden Ländern haben die Preise in letzter Zeit stark erhöht, das finnische Strassenmagazin Iso Numero zum Beispiel von 5 auf 10 Euro. Herausgeberin Hannele Huhtala begründete den Schritt mit den allgemein hohen Preisen im Land. Rein kommerzielle Magazine am Kiosk würden heute auch über 10 Euro kosten. Da man bei einem Strassenmagazin nicht nur eine gut gemachte Zeitschrift erhalte, sondern gleichzeitig noch jemanden direkt unterstütze, sei der Preis absolut gerechtfertigt, so Huhtala. Der höhere Preis führe zu mehr Einnahmen bei den Verkaufenden und gleichzeitig dazu, dass das ganze soziale Projekt auf finanziell stabilen Beinen stehe. «Und beides ist ja im Sinn der Käuferinnen und Käufer», ist Huhtala überzeugt. Inspirierend war auch die Diskussion, wie man die Verkaufenden und ihre Lebenswelt im Heft abbilden soll und kann. Das Strassenmagazin Kralji Ulice aus der slowenischen Hauptstadt Ljubljana druckt seit Januar nur noch Beiträge von Verkäuferinnen und Verkäufern ab. Mit Erfolg, wie Chefredaktor Jean Nikolič sagt. Die

Auflage ist seither gestiegen. Hus Forbi aus Dänemark – mit 80 000 Exemplaren übrigens das auflagenstärkste Magazin des ganzen Landes – produziert eine Ausgabe pro Jahr, die nur mit Beiträgen von Verkaufenden bestritten wird. In den anderen Heften sind es jeweils 20 Prozent des Inhalts. Einen anderen Weg geht Novỳ Prostor aus Prag. Das tschechische Strassenmagazin hat in den letzten Jahren diverse Rubriken eingeführt, in denen Verkaufende im Mittelpunkt stehen. So ist in jedem Heft ein Interview zu finden, das ein Verkäufer mit einem Prominenten seiner Wahl führte. Weiter stellen die Mitarbeitenden ihren Verkaufsplatz vor, an dem sie jeden Tag stehen. Oder sie erzählen, welche Geschichte sich hinter ihren Tätowierungen versteckt. «Die Käuferinnen und Käufer unseres Magazins interessieren sich für das Leben unserer Leute», sagte Chefredaktor Jan Stepanek. Deshalb sei es wichtig, von den Verkaufenden zu erzählen. In jeder Ausgabe von Novỳ Prostor sind 14 Seiten für ihre Geschichten reserviert. Der Kongress bescherte Surprise neben zwei Preisen also auch eine Menge neuer Ideen. Nächstes Jahr findet er in Hannover statt. GEORG GINDELY nahm als Redaktor von Surprise am INSP-Kongress in Glasgow teil und kam inspiriert zurück.

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BILDER: MARIO HELLER, ANNETTE BOUTEILLIER, EUAN RAMSAY

Doppelte Ehre für Surprise


ILLUSTRATION: RAHEL NICOLE EISENRING

liches Scheitern empfanden. Dabei will die Invalidenversicherung nicht mehr nur als Renten-, sondern auch als Eingliederungsversicherung fungieren, die erkrankte Versicherte möglichst frühzeitig unterstützt.

All Inclusive

Erschüttert Einige Monate nach seinem Psychiatrieaufenthalt steht der ehemalige Geschäftsführer Matthias N. im Rahmen einer beruflichen Eingliederungsmassnahme hinter der Theke eines Integrationsbetriebes und soll Mineralwasser in Gläser abfüllen und Eiswürfel dazugeben. Er schaut eine gefühlte Ewigkeit auf die Gläser und ist völlig überfordert mit der Entscheidung, wie viele Eiswürfel er nun in jedes Glas geben soll. Die Szene aus dem Film «Weg vom Fenster – Leben nach dem Burnout», der Anfang des Jahres in Schweizer Kinos gezeigt wurde, zeigt eindrücklich, wie schwer eine Depression die Leistungsfähigkeit der Betroffenen beeinträchtigen kann. Der einstige Manager erzählt im Rückblick, wie er nach seinem Zusammenbruch möglichst schnell wieder «normal» arbeiten wollte. Wie demütigend er es empfand, als er zunächst in einer geschützten Werkstätte Anzündhilfen aus WC-Rollen und Holzstäbchen herstellen musste, und wie wütend ihn das machte. Matthias N. schildert, wie er auf seinem langen Genesungsweg immer wieder an den scheinbar einfachsten Aufgaben scheiterte Surprise 433/18

und wie schwer es ihm fiel, sich einzugestehen, dass er zum jeweiligen Zeitpunkt schlichtweg nicht in der Lage war, mehr zu leisten. Der Film gibt aufschlussreiche Einblicke in die emotionalen Prozesse, die mit einer psychischen Erkrankung einhergehen: angefangen beim schmerzhaften Eingeständnis, dass man Hilfe benötigt, über die Erkenntnis, dass Genesung viel Zeit braucht, bis zur Akzeptanz, dass manche Dinge danach nicht mehr möglich sind. Welch eine grosse Erschütterung eine schwere körperliche oder psychische Beeinträchtigung bedeuten, zeigen auch die Resultate einer kürzlich veröffentlichten Studie des Bundesamtes für Sozialversicherungen. Die Forschenden befragten knapp 1000 Versicherte, die eine Eingliederungsmassnahme der Invalidenversicherung erhalten hatten, zu ihren gesundheitlichen Problemen, ihren Erfahrungen mit der IV sowie zu ihrer allgemeinen Lebenssituation. Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie sich zuerst dagegen wehrten, sich bei der IV anzumelden, weil sie diesen Schritt als persön-

Die Angst vor dem – erneuten – Versagen spielt während des ganzen Eingliederungsprozesses eine wichtige Rolle. Die Studienautoren schreiben, dass die Ängste der Versicherten oft zu wenig erkannt und thematisiert werden und deshalb von Eingliederungsfachpersonen häufig als mangelnde Motivation fehlgedeutet werden. Die Befragung zeigte ausserdem auf, dass eine schwere gesundheitliche Beeinträchtigung nicht isoliert betrachtet werden kann, da sie alle Lebensbereiche der Betroffenen in Mitleidenschaft zieht und von ihnen wie auch von ihrem persönlichen Umfeld, wie Partner und Familie, grosse Anpassungsleistungen verlangt. Ausnahmslos alle Versicherten mit einer psychiatrischen Diagnose haben zudem auch starke körperliche Beschwerden, und alle Versicherten mit einer körperlichen Diagnose berichteten über psychische Symptome. Für eine erfolgreiche Eingliederung muss die Gesamtsituation der Betroffenen genau analysiert und verstanden werden und – statt eines Standardprogramms – eine auf die Einschränkungen zugeschnittene Massnahme erfolgen. Auf die spezifische Situation von Personen mit psychischen Erkrankungen wird oft noch zu wenig eingegangen: Während die IV-Massnahmen bei Versicherten mit primär muskoskelettalen Beschwerden in 45 Prozent der Fälle zum Eingliederungserfolg führen, sind sie bei Versicherten mit einer psychischen Erkrankung nur in einem Viertel der Fälle erfolgreich. Matthias N. gehört zu den Glücklichen: Über verschiedene Stationen und Umwege fand er nach zwei Jahren in die Arbeitswelt zurück.

MARIE BAUMANN schreibt unter ivinfo.wordpress.com über Behinderung und die Invalidenversicherung. Sie hat als Mitglied der BSV-Begleitgruppe die oben erwähnte Studie begleitet.

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Teil III

Von einem, der auswandern will Fernweh Urs Saurer hat Malaria. Der Surprise-Verkäufer aus Basel hat sich beim Versuch, nach Kamerun auszuwandern, mit der Tropenkrankheit infiziert. Nun darf er nicht nach Afrika zurück. Doch er hat schon eine neue Idee. TEXT SARA WINTER SAYILIR

ILLLUSTRATION BIRGIT LANG

Vorgeschichte: Urs Saurer ist der dienstälteste Verkäufer von Surprise, ein Basler Stadtoriginal. Mittlerweile ist er 60 und macht sich Gedanken über seine Pensionierung. Seine AHV wird mager ausfallen, viel verdient hat er nie. Mit zwei Kolleginnen kommt er auf eine Idee: Warum nicht auswandern? Die Frauen laden ihn in ihr Landwirtschaftsprojekt in Kamerun ein. Urs reist für drei Wochen hin und kann sich gut vorstellen, dort zu bleiben. Nach der Rückkehr in die Schweiz wird Urs mit einer akuten Malaria ins Spital eingeliefert. Erst zwei Monate später kann er das Unispital wieder verlassen. Seinen Traum vom Auswandern lässt er nicht los. Doch zum Pläneschmieden bleibt Urs keine Zeit: Mitte März muss er erneut ins Spital. 8

FOTOS ROLAND SCHMID

Anderthalb Monate verbringt Urs Saurer mit einem zweiten Anfall von Malaria tropica im Spital. Der erste Schub hatte bereits zu Organversagen von Leber und Nieren geführt und Urs mit abgestorbenen Zehen am rechten Fuss zurückgelassen. Er ist kraftlos, kaum noch kommt seine Stimme über seine Lippen. Bis zu einem Jahr können diese Rückfälle bei Malaria tropica auftreten. Das Rauchen hat Urs im Gegensatz zum Alkohol nicht aufgegeben, immer noch hält er an seinen zwei Päckchen pro Tag fest. Für jede Zigarette schleppt er sich mit dem Rollator durch die Gänge nach draussen. Die breiten Balkone des alten Felix-Platter-Spitals bieten eine schöne Aussicht. Wenn er nur wüsste, was mit ihm passieren soll, sobald das Spital ihn wieder entlässt. Zurück zu seinem Kollegen von Surprise 433/18


Surprise, bei dem er zwischendurch unterkam, möchte er nicht. Der Kollege hat selbst genug Probleme und befürchtet zudem durch Urs als Untermieter Einbussen bei den Ergänzungsleistungen. Urs fällt anderen nicht gern zur Last. Vom Spital ins Hostel Eine andere Bleibe muss gefunden werden. Die Sozialarbeiterin des Felix-Platter-Spitals möchte helfen. Doch Urs erzählt ihr kaum etwas von sich. Es fällt ihm schwer, über sich und seine Bedürfnisse zu sprechen. Besonders mit jemand Unbekanntem von einer Institution, die ihn bisher zwar gut umsorgt hat, jetzt aber offenbar loswerden will. So erscheint es ihm. Erst als die Surprise-Sozialarbeiter Anette Metzner und Thomas Ebinger sich vermittelnd einschalten, lässt er mit sich reden. Doch obwohl die beiden Urs schon viele Jahre kennen, sind auch sie nicht über alle Details seines Lebenswandels unterrichtet. Wo hast du denn vor deiner Reise nach Kamerun gewohnt? Kochst du dein Essen selbst? Als man ihm noch einmal das Männerwohnheim der Heilsarmee vorschlägt, wird Urs laut. Dorthin will er auf keinen Fall, da gebe es keinen Privatbesitz, das Zimmer müsse man mit einem Fremden teilen und teuer sei es obendrein, ist er überzeugt. Und er koche gern. Es gebe doch spezielle Wohnungen für Alte, warum könne er denn nicht in so eine einziehen, will er wissen. So wenig Betreuung wie möglich, das ist Urs wichtig, er möchte für sich selbst sorgen. Seiner Meinung nach käme er auch ohne festen Wohnsitz irgendwie zurecht. Doch seine in Folge des Organversagens blau angelaufenen Zehen erholen sich nur langsam, sie müssen regelmässig feucht in Jodverband eingeschlagen werden. Dazu muss die Spitex Urs alle zwei Tage am selben Ort und zur selben Zeit antreffen und versorgen können. Das sieht er nur ungern ein. Er würde lieber selbständig ins Spital gehen und sich dort versorgen lassen. Dort kennt er schon alles und wäre gleichzeitig unabhängiger. Eine ambulante Nachversorgung dieser Art aber sieht das Spital nicht vor, dazu müsste er zu seinem Hausarzt, und das möchte Urs wiederum nicht. Mit vereinten Kräften finden die Sozialarbeiterinnen von Surprise und dem Spital schliesslich eine Lösung: das Hostel Volta. Das Mietshaus in der Voltastrasse bietet günstige Wohngelegenheiten für Menschen in prekären Lagen an. Urs könnte sofort dort einziehen, gerade ist ein Zimmer frei geworden. Die Sozialhilfe übernähme auch die Miete, das ist schnell geklärt. Anette von Surprise und Urs vereinbaren einen Besichtigungstermin. Das Hostel scheint ein idealer Ort: Gerade so viel Betreuung wie nötig, aber nicht zu viel Einmischung. Urs sagt zu. Surprise 433/18

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Am 30. April wird er schliesslich aus dem Spital entlassen. Vertriebsmitarbeiter Christian Müller von Surprise holt ihn vom Felix-Platter-Spital ab und bringt ihn in sein neues Zuhause an der Voltastrasse. Es war ein immenser Aufwand herauszufinden, wo Urs noch überall Sachen gelagert hat, die nun gezügelt werden müssen. Und dann alle zu koordinieren: Das Umzugsteam von Overall, einem sozialen Integrationsprojekt. Den Kollegen von Surprise, wo Urs untergekommen war. Und eine weitere Person, die Urs ein Bett schenken will, das abgeholt werden muss. Auf dem Weg zum Hostel Volta wirkt Urs zufrieden, er ist immer noch gezeichnet von der langen Krankheit, aber deutlich fitter als noch vor zwei Wochen. Gemeinschaftsräume gebe es nicht in der neuen Unterkunft, es seien Einzelwohnungen, erzählt er. Mit Christian unterhält er 10

sich über den Sieg von YB über den FCB wenige Tage zuvor, obwohl Urs sich eigentlich nicht besonders für Fussball interessiert – und wenn, dann für den FC Thun. Mit Rollator, ohne Lift Am Eingang zum Hostel Volta muss Urs ein paar Stufen zur Haustür hochsteigen, den Rollator trägt Christian ihm ins Treppenhaus. Dort ist wenig Platz. Eine dauerhafte Lösung ist das nicht für die Gehhilfe. Hochtragen geht auch nicht, Urs kann sich ja kaum selbst die Stufen hochhieven. Es gibt keinen Lift, die Wohnung ist im dritten Stock. Langsam erklimmt Urs die Treppe. Ein Herr Ende 60 nimmt ihn oben in Empfang, stellt sich vor als Herr Bof, er ist einer der beiden Betreiber der vivere e abitare GmbH, die das Hostel besitzt. Daniel Bof schliesst die Tür zur DreiSurprise 433/18


zimmerwohnung auf. Eines der Zimmer gehört Urs, Küche und Bad teilt er sich mit zwei Mitbewohnern, von denen allerdings keiner auftaucht oder sich vorstellt. Urs ist unzufrieden, lässt sich seinen Unmut aber kaum anmerken. Jovial freundlich erklärt Daniel Bof Urs die wichtigsten Infos. «Wir haben da natürlich keinen Luxus, aber sind wir auch nicht gewöhnt, gell?» Urs reagiert verhalten auf den Unbekannten und dessen Ansagen. «Eigentlich wollte ich ja nach Kamerun», erzählt er. Da finden sie sich kurzzeitig, Daniel Bof hat dort mal gearbeitet, hatte ebenfalls Malaria und lag auf der Intensivstation. Urs erzählt vom Koma und von seinen blau angelaufenen Zehen, die sich langsam erholen. «Da haben Sie ja Sauglück gehabt, auf gut Deutsch gesagt», bemerkt Daniel Bof. Aber jetzt gehe es ja hier weiter. Nun müsse Urs nur noch aufpassen, dass er keine schwarzen Füsse bekomme, weil er sie nicht wasche, versucht Daniel Bof sich an einem Scherz. Urs ist noch ganz woanders. «Jetzt kann ich nicht mehr nach Kamerun», sagt er und schaut aus dem Fenster. Der Gedanke, dass er nun hierbleiben soll, in dem spartanisch eingerichteten Zimmer mit zwei fremden Mitbewohnern in der Wohnung, sagt ihm nicht zu. Wo soll er denn seine Sachen unterbringen, seine Pokale von den Waffen- und Marathonläufen? Im Zimmer ist wenig Platz, ein Bett, ein Couchtisch, ein kleines Gestell. Lieber erstmal wieder raus und irgendwo einen Kaffee trinken, wo er sich wohler fühlt. Im Quartier St. Johann ist er für viele ein alter Bekannter, man freut sich, ihn zu sehen. Wie im Café New Point an der Elsässerstrasse. Dort kommt die Wirtin persönlich an den Tisch und erkundigt sich, wo Urs denn so lange gewesen sei, sie habe ihn ja ewig nicht mehr gesehen. «Im Gefängnis war ich wieder mal», scherzt er. Dann erzählt er ihr von seinen wirklichen Abenteuern, von Kamerun und dem Spital. Rund einen Monat später sieht Urs wieder fast aus wie vor seiner Kamerun-Reise. Er kann wieder ohne Rollator laufen, sein Fuss erholt sich gut, und seit er einen eigenen Kühlschrank im Zimmer hat, ist es auch im Hostel Volta aushaltbar. Zumindest für den Übergang, denn dort wird er nicht alt werden. Derweil arbeitet er wieder volle Tage für Overall in den Gärten der Umgebung und verkauft Surprise am Bahnhof. Immer noch träumt er vom Land, von Ruhe und vom Ziegen züchten. Er hat da mal jemanden kennengelernt, der ist nach Kanada ausgewandert. Da gibt es keine Malaria. Mit einer losen Abfolge besonderer Geschichten feiert das Strassenmagazin das 20-jährige Bestehen von Surprise. Lesen Sie die ersten beiden Teile dieser Geschichte nach unter surprise.ngo/urs_bricht_auf

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Was bleibt: Wolle eines gerissenen Schafs.

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Blutspur im Bergparadies Wallis Innerhalb weniger Tage töteten Wölfe oberhalb des Unterwalliser Ferienorts Zinal 39 Schafe. Sie hinterliessen ein Schlachtfeld voller Blut und Eingeweide. Dürfen die das? TEXT ANDRES EBERHARD

FOTO MARCO FRAUCHIGER

Zinal

Freiwillig gehen sie nicht. Mit ganzer Kraft wehren sie sich, sodass die Männer sie von beiden Seiten an den Hörnern packen müssen. Doch es geht nicht anders: Die 150 Schafe werden zurück ins Tal gebracht. Es ist derzeit zu gefährlich auf der Alpage de la Lé oberhalb von Zinal im wilden Unterwalliser Val d’Anniviers. Vorige Woche kam der Wolf und riss fünf Schafe, wenig später holte er sich in der Nacht zwei weitere. «Die Brust war aufgerissen, die Innereien waren weg. Von meinem Lieblingsschaf lag nur noch Fleisch da», erzählt Amadé Leiggener. «Es ist zum Kotzen.» Insgesamt 39 Schafe töteten die Wölfe in den Alpen rund um Zinal innerhalb von drei Juliwochen. Viele davon liessen sie totgebissen auf der Weide liegen. Es war, man muss es so sagen, ein regelrechtes Massaker. Wer Bilder des Schlachtfeldes Surprise 433/18

sieht – eine Spur voller Blut, lebloser Tierkörper und Eingeweide zieht sich über die Weide –, bleibt nicht unberührt. Und man fragt sich: Warum töten Wölfe, ohne die Beute zu fressen? Oder, anders gefragt: Darf die Natur so grausam sein? Ein Schaf nach dem anderen wird in einen doppelstöckigen Transporter oder in die Kleinbusse der Tierhalter geladen. Jene, die noch nicht im Lastwagen sind, gehen auf engstem Raum unruhig hin und her, sodass sie mit den Köpfen zusammenstossen. Sie wirken gestresst, vielleicht wegen der Hitze, vielleicht auch wegen des plötzlichen Aufruhrs rund um sie. «Schau mal, wie sie leiden», sagt Leiggener, der selber vier Tiere verloren hat und noch immer zwei Lämmer vermisst. Er streicht einem der Schafe die langen weissen Haare aus den schwarz umrahmten Augen. Er sei

ein Tierliebhaber, sagt er. «Wenn ich auf der Strasse eine Smaragd-Eidechse sehe, gehe ich auf die Bremse.» Dass ausgerechnet Tierschützer den Wolf beschützen, der so etwas anrichtet, kann er nicht nachvollziehen. «Geht es so weiter, sind bald nicht mehr Wölfe, sondern Schwarznasenschafe vom Aussterben bedroht.» Als alle Schafe eingeladen sind, setzt sich Leiggener auf den Beifahrersitz eines Kleinbusses. «Ich möchte nicht wissen, wie ich reagiere, wenn der Wolf auf meiner Privatweide auftaucht», sagt er noch, bevor sie davonfahren, den steinigen Feldweg hinunter ins Tal und dann in Richtung Oberwallis, ihrer Heimat. Wer ist schuld an diesem Massaker? Der Täter an sich ist schnell ausgemacht. Der zuständige Wildhüter kann aufgrund der Bisswunden relativ einfach auf den 13


Wolf schliessen. Trotzdem kann das Raubtier nicht sofort zur Rechenschaft gezogen werden. Nicht unbedingt darum, weil erst viel später, sobald die DNA-Untersuchungen ausgewertet sind, klar sein wird, welcher Wolf die Schafe gerissen hat. Nein, ob Jäger die fehlbaren Wölfe abschiessen dürfen, ist eine komplizierte, ja politische Frage. Der Wolf steht nach wie vor unter Schutz. Doch macht man hierzulande Ausnahmen für besonders aggressive Tiere. 15 Risse innerhalb von drei Monaten bedeuten für einen Wolf derzeit das Todesurteil – jedoch nur, wenn die Herde beim Angriff ausreichend geschützt war. Bekannte künden Freundschaft auf Aus diesem Grund geht nach Angriffen des Wolfes regelmässig das Diskutieren und Rechnen los. Wurde der Herdenschutz auf der Alp eingehalten, zählen die Risse zur Abschussstatistik, ist schon genug passiert, damit die Jäger losziehen dürfen? Dem Täter wird quasi in Abwesenheit der Prozess gemacht. Noch am Morgen, als die Besitzer die Schafe von der Alp holen, teilt der Kanton Wallis mit: «Keine Abschussverfügung für Wölfe im Val d’Anniviers». Grund ist, dass sich ein Rudel im Tal herumtreibt, und da sind die Kriterien des Bundes für einen Abschuss strenger. Doch der Freispruch ist einer auf Zeit. Der Wolf wird wiederkommen, und die Geduld der Menschen wird ein Ende haben. Spätestens, wenn das neue Jagdgesetz so verschärft wird wie vorgesehen (siehe Artikel auf Seite 19), könnte es dem Wolf an den Kragen gehen, zumindest in manchen Kantonen. Wir treffen Peter Imboden im Gartenrestaurant des «Relais de la Tzoucdana», dem letzten Haus im Tal, von wo aus Wanderer und Bergsteiger dem wilden Fluss Naviscence entlang in Richtung Berge aufbrechen. Hier, vom Dorfende Zinals aus, sieht man talaufwärts den Hausberg Besso. Sobald man etwas an Höhe gewinnt, tut sich die imposante Viertausenderkette mit Weisshorn, Matterhorn und Dent Blanche auf. «Wenn das Gesetz kommt», sagt Imboden, «dann ist hier fertig. Dann wird der Wolf im Wallis ausgerottet.» Imboden, der ein Gruppenhaus hoch oben an den Hängen des Val d’Anniviers betreibt, ist pro-Wolf – und damit eine grosse Ausnahme im Wallis. Denn es gilt: Wo der Wolf oft zu Besuch kommt, sind seine Gegner zahlreicher. Wer sich hier wie er offen für den Wolf ausspricht, riskiert ernsthafte 14

Schwierigkeiten. Vor zwei Jahren erreichten die Emotionen ihren Höhepunkt, als sich das erste Wolfsrudel im Kanton gebildet hatte. Bekannte kündeten Imboden auf Facebook die Freundschaft auf, er geriet in Streit mit seinen Jägerkollegen, und wegen seines damaligen Nebenamts als Hilfswildhüter wurde er von offizieller Seite gar zu einer brieflichen Stellungnahme aufgefordert. Dass Imboden schwarz sieht für den Wolf, hat damit zu tun, dass mit dem Gesetz neu nicht mehr der Bund, sondern die Kantone die Hoheit über die Abschüsse erhalten sollen. Im Wallis ist der politische Druck so gross, dass Imboden glaubt, dass sich die Amtschefs in der Verwaltung den Forderungen der Wolfsgegner werden beugen müssen. Selbst der Justiz vertraut er nicht. Imboden verweist auf einen kürzlich abgeschlossenen Fall, bei dem ein geständiger Wolfswilderer aus dem Oberwallis mit lediglich 1200 Franken Busse davonkam. Der fehlbare Jäger argumentierte, dass er den Wolf mit einem Fuchs verwechselt habe – verfügte aber auch nicht über das Patent zur Fuchsjagd. Herdenschutz statt Rache am Wolf Man kann Imboden für einen allzu radikalen Pessimisten halten. Doch es gibt Anzeichen dafür, dass seine düsteren Prognosen wahr werden könnten. So machten vor wenigen Wochen Berner Forscher publik, dass der Luchs im Wallis – obwohl geschützt – fast unbemerkt ausgerottet wurde. Vermutlich als Folge von zügelloser Wilderei. Als die Schäfer an diesem Morgen die Tiere von der Alp im Transporter verstauen, ist auch Imboden in der Gegend. Er möchte sich ein Bild von der Situation machen. Wie kam es zu den Rissen, wie hätte der Tod von 39 Schafen verhindert werden können? Als Einheimischer kann er erreichen, was für viele Wolfsfans aus der «Üsserschwiz» nicht möglich ist: Er kann mit den Schäfern ins Gespräch kommen und sie davon überzeugen, dass Rache am Wolf nicht die geeignete Reaktion ist, dass es andere Lösungen gibt: Herdenschutzhunde etwa, einer pro 200 Schafe plus je einen weiteren für jedes weitere Hundert. Oder unter Strom gesetzte Nachtpferche, mindestens 1,2 Meter hoch, die unterste Litze maximal 20 Zentimeter über Boden, sodass der Wolf weder unten durchschlüpfen noch oben drüberspringen kann. «Die Zeiten, in denen man die Schafe Surprise 433/18


Amadé Leiggener hat sieben seiner Schafe an den Wolf verloren.

«Die Schafhalter haben sich aus den Wolfsgebieten zurückgezogen. Sind sie weg, führt das zur Verbuschung .» GEORGES SCHNYDRIG, GEMEINDEPR ÄSIDENT VON L ALDEN

Einsamer Streiter: Peter Imboden.

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auf die Alp schicken und sie drei Monate später wieder holen konnte, sind vorbei», sagt Imboden. Mit den Schäfern reden, das würde Peter Imboden auch an diesem Sommertag in Zinal gerne. Doch als er einige Meter entfernt an der Gruppe vorbeigeht, die sich um den Tiertransporter herum versammelt hat, bleibt es nicht bei bösen Blicken. Zwar ist Imboden zu weit weg, als dass er die Tiraden der Schafbesitzer hören könnte. Doch er merkt auch so, dass es bessere Momente als diesen für den Start einer Grundsatzdebatte gibt. Wie also sah es aus mit dem Herdenschutz auf den Alpen, auf denen der Wolf 39 Schafe tötete? Fakt ist, dass die Schafe weder eingezäunt noch durch Hunde bewacht waren, als der Wolf kam. Das bestätigte die Hirtin der Alpage de la Lé gegenüber der Zeitung Le Nouvelliste. Auf der

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anderen Talseite hingegen, wo die Tiere geschützt sind, gab es keine Risse. Das sagt ein Hirte einer der beiden Alpen, der dabeisteht, als die Besitzer ihre Schafe abalpen. Er habe Herdenschutzhunde und bisher noch keine Probleme gehabt mit dem Wolf, sagt er, während er ein paar Nüsse kaut. «Der Wolf ist der Wolf. Für ihn ist das hier oben der Kühlschrank. Hier könnte er sich einfach bedienen.» Kleine Alpen bleiben leer Als er vom fehlenden Herdenschutz erfährt, ärgert sich Imboden. «Die Wölfe sind mittlerweile seit drei Jahren hier. Wenn die Besitzer ihre Tiere so lieben, wie sie sagen: Warum schützen sie sie nicht einfach?» Stellt man diese Frage den Schäfern, bekommt man verschiedene Antworten zu hören: weil Herdenschutz nicht möglich sei, weil er gegen die Natur der Schafe

sei oder weil er dem Tourismus schade. Es sind aber wohl eher Ausflüchte, denn die ehrliche Antwort würde nicht jeder verstehen : weil sie sich vom Wolf nicht verdrängen lassen, ihm kein Revier abtreten wollen. Einer dieser Schäfer sitzt in einem Café am Bahnhofsplatz in Visp. Wie so viele aus dem Oberwallis heisst auch er mit Nachnamen Imboden. Richard Imboden hält Schafe auf der zweiten Alp im Val d’Anniviers, die von den jüngsten Angriffen betroffen war: der Alpe Singlinaz. Seit 1987 würden seine Schafe dort den Sommer verbringen. «Im Jahr 2000 kam einmal der Luchs, sonst hatten wir nie Probleme.» Dann, vor zwei Jahren, verlor er sechs Schafe an den Wolf und nun erneut sieben. «Das waren die traurigsten Tage meiner Schäferkarriere. In einer Nacht wurden viele Jahre Zuchtarbeit zunichtegemacht.» Für die Risse wird Imboden zwar entschädigt: Für ein Muttertier gibt es zwischen 2000 und 5000 Franken, je nach Zuchtwert. Doch ums Geld – pro Schaf zahlt der Bund 400 Franken pro Sommer, wovon aber auch Hirte, Material und Transport bezahlt werden müssen – gehe es ihm bei der Schafhaltung nicht. «Das hier ist eine Herzenssache.» Weil es einfach zu schwierig geworden sei mit dem Wolf, fürchtet Imboden, dass die jüngere Generation die jahrhundertealte Zucht von Schwarznasenschafen nicht mehr weiterführen wird. Das Treffen hat Georges Schnydrig eingefädelt, so etwas wie der höchste Wolfsgegner des Kantons. Schnydrig ist Gemeindepräsident von Lalden nahe Visp, Politiker der Christlich-sozialen Partei CSP sowie Präsident des Vereins «Kanton Wallis ohne Grossraubtiere» – dem politischen Motor der Wolfsgegner. Er sitzt neben Imboden, als wir uns am Bahnhof Visp treffen. Als Erstes weist er auf die Probleme des Herdenschutzes hin, welche diesen Sommer offensichtlich geworden seien: Wanderwege hätten gesperrt werden müssen wegen der Zäune und der Hunde. Ein Wanderer sei von einem Schutzhund ins Bein gebissen worden. Danach erklärt Schnydrig, dass Herdenschutz im Wallis nicht auf allen Alpen möglich sei. Tatsächlich ist effektiver Herdenschutz nur mit grossen Schafherden ab etwa 300 Tieren möglich. Denn erst dann lohnen sich für die Tierhalter die Kosten für Hirte, Hunde, Material und den Transport, der oft per Helikopter stattfindet. Weil die meisten Walliser nur ein paar Dutzend Surprise 433/18


Jagdgebiet: Wald im Val d’Anniviers.

Es geht im Grunde um eine grössere Frage als Herdenschutz. Die Frage ist, ob es noch Platz gibt für den Wolf, für die Wildnis. Die Schafe werden von der Alp ins Tal gebracht.

Schafe besitzen, haben sie begonnen, sich zusammenzutun, grössere Herden zu bilden und Schafe nur noch dort weiden zu lassen, wo entsprechende Flächen verfügbar sind – genau so, wie es die Herdenschutzexperten von Kanton und Bund empfehlen. Resultat ist allerdings, dass kleine Alpen leer bleiben. Diese würden nicht mehr bewirtschaftet, seit es vor zwei Jahren zu wiederholten Rissen kam, sagt Schnydrig. «Die Schafhalter haben sich aus den Wolfsgebieten zurückgezogen.» Schafe jedoch pflegen die Landschaft, während sie weiden. «Sind sie weg, führt das zu Vergandung und Verbuschung», so Schnydrig, «und das schadet letztlich dem Tourismusland Schweiz.» Zurück zu den Alpen im Val d’Anniviers: Warum verbrachten dort Schafe ohne jeglichen Herdenschutz den Sommer? Surprise 433/18

Schnydrig beugt sich vor und sagt: «Ein Bericht des Kantons zeigt, dass 60 Prozent der Alpen im Kanton gar nicht schützbar sind.» Unter anderem gelte dies für die Alpe Singlinaz. Das Gelände sei zu steil, zu felsig, zu weitläufig. Das Bild vom Raubtier Wie verfahren die Situation ist, zeigt sich darin, dass die Wolfsbefürworter genau das Gegenteil behaupten. So nimmt die Gruppe Wolf Schweiz als Reaktion auf die Risse auf denselben Bericht Bezug und schreibt auf ihrer Webseite: «Gemäss der kantonalen Schafalpplanung von 2014 ist Herdenschutz auf den betroffenen Alpen möglich.» Wie denn nun? Studiert man das Dokument, findet man darin zur entsprechenden Region den Satz: «Mit Anpassungen können Bedingungen für einen effizi-

enten Einsatz von Herdenschutzhunden geschaffen werden.» An anderer Stelle steht allerdings auch, dass im südlichen Teil des Val d’Anniviers «der Herdenschutz nicht auf jeder Alp gewährleistet werden» könne. Man kann den Bericht also so oder so lesen. Die Frage, ob die Schafe hätten geschützt werden können, ist zwar wichtig dafür, ob die Wölfe im Val d’Anniviers weiterleben dürfen oder nicht. Doch sie geht zu wenig weit. Betrachtet man die Erfolge des Herdenschutzes im benachbarten Turtmanntal, vor allem aber auch in anderen Wolfsgebieten, kommt man zu einem eindeutigen Fazit: Herdenschutz wirkt. Auf geschützten Weiden kommt es zwar hie und da zu Rissen, aber bedeutend seltener. Klar ist aber auch, dass wir für die Rückkehr des Wolfes einen Preis bezahlen. Ob dieser nun aus beissenden Herdenschutz17


Peter Imboden blickt zur Alp der gerissenen Schafe.

«Schau mal, wie sie leiden», sagt Schafzüchter Amadé Leiggener.

hunden, gesperrten Wanderwegen, verlassenen Alpen oder dem Ende der Schafzuchttradition besteht, sei dahingestellt. Es geht im Grunde um eine grössere Frage als Herdenschutz. Der Wolf überschreitet Grenzen. So wie in diesen Julitagen im Val d’Anniviers, in denen er 39 Schafe tötete und viele davon einfach liegen liess. Die Frage ist, ob es noch Platz gibt für den Wolf, den Vertreter einer verloren geglaubten Wildnis. Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht. Wir müssen es mit uns selbst ausmachen, ob der Wolf schuld ist am Massaker in Zinal und ob wir Ja oder Nein ins vorgesehene Kästchen schreiben, falls es nächstes Jahr zu einer Abstimmung über das neue Jagdgesetz kommen sollte. Wie wir uns letztlich entscheiden, hängt stark davon ab, welches Bild wir vom Raubtier im Kopf haben. Denn 18

kaum jemand hat einen direkten Bezug zum Wolf, ist ihm bereits einmal in der Wildnis begegnet. Zwei starke Narrative kämpfen dabei um die Vorherrschaft. «Ein frässiges Thier» Auf der einen Seite jenes vom bösen Wolf. Nicht nur in Märchen oder im Christentum (als Gegenpol zum Hirten, der seine Schafe schützt) wurde der Wolf als charakterschwach gezeichnet, auch in den ersten Monografien über Tiere, so etwa in der 1551 erschienenen «Thierwelt»: «Der Wolff ist ein rauberisches, schädliches und frässiges Thier, wird fast von allen gehasset und geflohen», steht da. In der Folge beschreibt der Autor, der Zürcher Conrad Gessner, detailreich, wie dem Wolf der Garaus gemacht werden kann: mit Fallen, Gruben, Gift, Aas, Stricken, Geschossen und der-

gleichen. Wie um gegen diese Boshaftigkeit der Natur etwas zu tun – so wirkt es aus heutiger Sicht –, haben wir Menschen vor langer Zeit eine Alternative zum schlecht angepassten Raubtier geschaffen, die heute als besonders charakterstark gilt: den Hund. Auf der anderen Seite wird seit einiger Zeit auch ein romantisierendes Bild von Wölfen kultiviert. Eines, in dem der Wolf ein Symbol für die verloren gegangene Wildnis ist. Vielleicht gerade wegen seiner Beinahe-Ausrottung ist er zum inneren Sinnstifter umgedeutet worden, der als Symbol für die Verbindung zur Natur dient, wie es die Schriftstellerin Petra Ahne in ihrem Porträtbuch «Wölfe» beschreibt. Er wurde zum «Vehikel einer Sehnsucht, die die Wände des Alltags abklopft und nach einer durchlässigen Stelle sucht, die einen Surprise 433/18


Der Wolf als Politikum Jagdgesetz Vermutlich stimmen wir bald darüber ab, ob wir den

Wolf in unseren Wäldern wollen. Denn das Parlament verschärft das Jagdgesetz, was Tierschützern gar nicht passt.

Videoüberwacht: der Wolf.

Raum dahinter eröffnet – hinter dem Leben als KfZ-Meister, als Bankkauffrau oder als Pianistin». Beide Bilder sind falsch. Der Wolf ist weder böse noch romantisch. Böse ist er nicht, weil er nicht per se mutwillig mordet, sondern einem§ Jagdinstinkt unterliegt: Er tötet Tiere dann, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet – manchmal, wie jüngst in Zinal, eben auch zu viele auf einmal. Ein romantisches Stück Wildnis ist er aber auch nicht. Ein Wolf passt sich dem Menschen an, findet sich sehr gut in zersiedelten Gebieten zurecht, auch in Städten und Agglomerationen. Ein Rückzugsort, wo er seine Jungen aufziehen kann, genügt. Der Wolf ist einfach Wolf. Wenn wir über ihn reden und uns über ihn streiten, dann geht es in Wahrheit um uns selbst. Um unsere Moral, um unsere Sehnsüchte. Surprise 433/18

Der Titel der amtlichen Mitteilung vom 23. August 2017 liest sich wie eine Vollzugsmeldung: «Bundesrat verabschiedet Botschaft zur Teilrevision des Jagdgesetzes». Doch es handelt sich um eine hochemotionale Angelegenheit. Es geht um geschützte Tierarten wie Wolf, Luchs oder Biber – und um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen sie abgeschossen werden dürfen. Die laufende Revision des Jagdgesetzes basiert auf einem Antrag des Bündner CVP-Ständerats Stefan Engler. Wo Wolfsrudel sind, so die Kernaussage der Motion, müssen auch Wolfsabschüsse möglich sein. Die bisherige Strategie, um den Wolf unter Kontrolle zu halten, ist der Abschuss von einzelnen Tieren, die besonders viele Schäden anrichten. In Rudeln lebende Wölfe abzuschiessen ist bis anhin kaum erlaubt. Denn der Wolf, erst vor wenigen Jahren in die Schweiz zurückgekehrt, gilt nach wie vor als vom Aussterben bedroht und ist im Rahmen der Berner Konvention – ein völkerrechtlicher Vertrag des Europarates aus dem Jahr 1979 – streng geschützt. Nachdem das nationale Parlament dem Vorschlag Englers zugestimmt hatte, arbeitete der Bundesrat einen Entwurf für ein neues Jagdgesetz aus. Dieses steht nun zur Debatte. Bereits behandelt hat es der Ständerat, demnächst ist der Nationalrat an der Reihe. Kern des neuen Gesetzes ist, dass Behörden neu nicht mehr nur einzelne Tiere, sondern ganze Bestände zum

Abschuss freigeben können. Während heute bei Abschussentscheiden vielfach der Bund das letzte Wort hat, sollen Kantone künftig mehrheitlich eigenständig entscheiden können. Weil die Verschärfung des Gesetzes nur schwer mit der Berner Konvention in Einklang gebracht werden kann, hat das zuständige Departement UVEK Ende Juli beim völkerrechtlichen Ausschuss beantragt, den Schutzstatus des Wolfs von «streng geschützt» auf «geschützt» zurückzustufen. Tierschützer wehren sich Der Ständerat verschärfte das Gesetz in einer viereinhalbstündigen Debatte im Juni dieses Jahres weiter. So sollen nicht nur Wölfe, sondern auch Luchse und Biber einfacher gejagt werden können. Die linke Minderheit im Ständerat schaffte es lediglich, eine Tierart von der Jagd auszunehmen: die Wildente. Bei Wolf, Luchs und Biber konnte sie zumindest durchsetzen, dass es nach wie vor Bedingungen braucht, damit geschützte Tierarten abgeschossen werden dürfen – die Allianz aus Bürgerlichen und Vertretern der Bergkantone wollte die Jagd auch dann möglich machen, wenn die entsprechenden Tiere gar keinen Schaden angerichtet hatten. In einer ersten Reaktion bezeichneten ProNatura, WWF, Schweizer Tierschutz sowie BirdLife Schweiz die Vorlage als «Abschussgesetz» und kündeten vorsorglich das Referendum an. EBA 19


Biel-Syrer in neuer Heimat: Alaa Amoka ist seit 2015 hier.

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Der Peacemaker Strassenfussball Alaa Amoka, ehemaliger Fussballprofi in Syrien,

lebt und engagiert sich seit bald drei Jahren in Biel. Im November spielt er am Homeless World Cup in Mexiko. TEXT BENJAMIN VON WYL

An der Adresse, die uns Alaa Amoka genannt hat, erstrecken sich acht Fussballfelder und ein Stadion. Vier Plätze entfernt leuchtet das Flutlicht der Tissot-Arena. Dort findet gerade das Finale der U19-Frauen-Europameisterschaft statt. Spanien schlägt Deutschland 1:0, während auf dem hintersten der acht Fussballfelder, dem letzten vor dem Autohaus, Alaa Amoka und sein Team trainieren. Amoka, 29, Kurde, ist ein ehemaliger Profifussballer aus Syrien, Mittelfeldspieler und Argentinien-Fan seit der WM 98 – seit seinem neunten Lebensjahr. Jetzt spielt er in Biel: bei Andam, dem informellen Fussballfreundeskreis, der bald ein Verein werden soll, und Strassenfussball bei Royal Action Biel. Ohne den Buben im Kurdistan-Shirt, der uns entgegengerannt kommt, hätten wir die Andam an diesem Montagabend auf den Fussballfeldern nie gefunden. Andam ist Kurdisch und bedeutet eigentlich «Mitglieder», aber Amoka besteht darauf: Für ihn und alle hier heisst es «Menschen». Die Andam, das sind Alaa Amokas Menschen. Die Spieler der Mannschaft stammen aus zehn Ländern. Sie sind Eritreer, Afghanen, Kurden und Schweizer. Amokas Strassenfussball-Formation Royal Action Biel besteht zu einem guten Teil aus demselben Fussballfreundeskreis und vereint immerhin Spieler aus fünf Nationen. Diese kulturelle Breite schafft Begegnung – und hat den Nebeneffekt, dass alle untereinander Deutsch sprechen. Und dass so alle Neuangekommenen die Sprache üben. Aber eine klasAL A A AMOK A sisch einsprachige Umgebung sind die Andam nicht, ein paar Fetzen Farsi und mindestens «Hallo» auf Tigrinya haben durch den Sport alle gelernt. «Alaa Amoka ist ein Peacemaker. Dieser Mensch hat einfach ein unglaubliches Verständnis für Frieden», sagt Lavinia Besuchet, die Leiterin des Surprise Strassenfussballs. «Seit dem ersten Tag ist er so ein motivierter Dude», sagt Remo Widmer, der Team-Koordinator von Andam, der zum guten Freund geworden ist.

FOTOS ROLAND SCHMID

pour Bienne› Deutsch gelernt. Wann immer wir Zeit haben, helfen wir dort auch.» Amoka spricht fast immer im Plural; «ich» nutzt er nur, wenn man ihn explizit nach seiner ganz eigenen Meinung fragt. Alaa Amoka ist das nachdenkliche Zentrum des Teams, sein Cousin Jamal Abdulsalam gibt die taktischen Anweisungen. Amoka ist zusammen mit ihm und seinem Neffen in die Schweiz geflohen. In nur zwölf Tagen übers Mittelmeer und über die Balkanroute. Und heute, nach knapp drei Jahren, erlebt er Biel bereits als neue Heimat. Geflüchtet sind sie Ende 2015, heute wäre eine so schnelle Flucht undenkbar: Die Balkanroute ist dicht; Familien werden auseinandergerissen; wer es nach Westeuropa schafft, erlebt unzählige Rückschläge, steckt oft jahrelang in Griechenland, Serbien oder Bosnien fest. Schon 2015 war es nicht selbstverständlich, dass die drei zusammenbleiben konnten, aber sie haben es geschafft. Auch in der Schweiz wohnen sie am gleichen Ort. Der Neffe lebt bei Amoka, der Cousin im selben Haus. Der Neffe ist der Bub im Kurdistan-Shirt, der uns entgegengerannt ist. Egal, wen man fragt: Man kennt sie nur als Dreiergespann. Auch Remo Widmer hat sie von Beginn an so erlebt. Widmer ist nicht nur Koordinator der Andam und der Royal Action Biel, sondern auch Mitinitiant des Vereins Fair und des «Haus pour Bienne». All die Namen, all die Projekte, von denen Amoka erzählt: Sie erscheinen auch in Widmers Erzählwasserfall. An all den Bausteinen, die Biel zu Amokas neuer Heimat machen, hat Remo Widmer mitgewirkt. Im Jahr 2015 wollten einige Bielerinnen und Bieler diejenigen willkommen heissen, die die Schweiz neu erreichen – und dabei aber auch Ortsansässige einbinden, denen es weniger ums Engagement als um Genuss und Spass ging. Eines dieser Projekte war der Fussball. Bis zu 50 Leute seien jede Woche in die Turnhalle gekommen, aus den Durchgangszentren der Region, aber auch aus Olten, fast im ganzen Landesteil sei bekannt gewesen: Hier kann man gratis tschutten und hat Spass. Es war ein Plauschnachmittag, Begegnungssport, denn «beim Fussball ist egal, wer wie wo lebt». Gleichwohl sei es vielen anfangs nur ums Gewinnen gegangen. «Alle sind reingegangen wie Munis, aber Alaa hat geschlichtet und beruhigt», erinnert sich Widmer begeistert. So sei es, seit sie

«Der Fussball hat mir geholfen, mit dem Krieg umzugehen.»

«Reingegangen wie die Munis» «Biel ist unsere neue Heimat. Hier treffen alle zusammen. Sogar Freunde aus Syrien begegnen uns in Biel wieder», erzählt Amoka, «hier haben wir bei der Bar des Vereins Fair eine erste Stelle gefunden, hier haben wir im ‹Haus Surprise 433/18

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ihren Fussballnachmittag lanciert haben, und so ist es bis heute: Immer, wenn es brenzlig wird, bleibt Amoka ruhig. Durch seinen Einsatz haben bald nicht mehr alle «bloss genickt und beim nächsten Mal wieder gegrätscht». Die Stimmung hat sich nachhaltig verändert. In Syrien entscheiden die Mächtigen Am Trainingsabend während des U19-Frauen-EM-Finales geht Jamal Abdulsalam an Krücken. Am Tag davor war Match. Er hat sich verletzt. Ebenjenen Match rekapituliert Abdulsalam eindringlich, gestikulierend, streng. Der Cousin wirkt wie der Bad Cop, Alaa hingegen motiviert, schmeichelt, lobt die Fähigkeiten der einzelnen Spieler. Als Alaa Amoka nach der Besprechung wieder breit lächelnd am Spielfeldrand sitzt und unter seiner dunklen Haarmähne hervor in den Himmel blickt, könnte man ihn für einen Lyriker halten. Später gehen ein Dutzend Kopfbälle zwischen ihm und seinem Mitspieler Hussein Hussein unterbruchfrei hin und her. Jetzt gilt dasselbe Lächeln dem Ball. Und anders als am Spielfeldrand ist sein Blick dabei fokussiert. «Der Fussball hat mir geholfen, mit dem Krieg umzugehen», sagt Amoka. Er nennt keine Details, aber in Syrien sei er eingezogen worden. Zwei Jahre lang diente er in Assads Armee. Auch in der Schweiz helfe ihm der Fussball: zu akzeptieren, dass der Grossteil seiner Familie von ihm getrennt und in Gefahr ist. «Fussball hilft mir beim Geradeauslaufen. Und man muss geradeaus laufen», sagt Amoka. Geradeaus laufen, vorwärts blicken, das scheint Amoka zu können. «Der Ball ist meine Liebe», sagt Amoka, «aber das Team ist mein Herz.» Das klingt nach einem Postkartenspruch, aber leuchtet ein: Team Andam als Organ, das seine Sentimentalität gegenüber dem runden Leder

ermöglicht. Der Ball wäre nichts, keinen fokussierten Blick wert, wenn er keinen Mitspieler wie Hussein Hussein hätte, der ihm die Kopfbälle zurückgibt, sodass es ein Dutzend werden, sodass sich die Konzentration lohnt. Hussein Hussein ist ein paar Jahre jünger als Amoka, aus derselben Stadt – Qamischli, heute Hauptstadt von einem der drei Kantone Rojavas – und laut Amoka «der beste Spieler Syriens». Aber in Syrien können nicht die Besten Profis werden, sagt Amoka. «Die Mächtigen entscheiden dort, wer spielt. Dabei sollte das eigentlich der Trainer tun.» Eine Karriere hänge von der Familie, vom Geld und vom Hintergrund ab. «Fussball wird für Propaganda missbraucht.» Weil er Kurde ist, hatte Amoka als Fussballer Probleme. Weil er Kurde ist, durfte er nach dem Gymnasium kein Studium beginnen. Früher war Fussball für Amoka mehr als Hobby, der Sport war nicht nur Lebensinhalt, sondern auch Berufsziel. «Heute bin ich zu alt für eine Profikarriere, doch viele, die nach Europa kommen, hoffen genau darauf.» Auch einige Spieler der Andam. Amoka begrüsst das: «Jetzt machen wir unsere eigene Mannschaft und sammeln Leute. Wir suchen auch jüngere Leute. Solche, die eine Chance haben.» Lavinia Besuchet organisiert bei Surprise die Strassenfussball-Liga. Sie attestiert Amoka ein «unglaubliches Verständnis für Frieden» und gibt ihm das Prädikat Peacemaker, weil sie eine Verwandlung erlebt hat: Royal Action Biel machte in der Surprise Strassenfussball-Liga Probleme. Die Spieler waren unerbittlich, aggressiv und hatten wenig Verständnis dafür, dass die Strassenfussball-Liga kein Grümpelturnier ist, bei dem man den Gegner am Boden liegen lässt. Sondern ein soziales Projekt mit persönlichkeitsbildenden Zielen. Es musste sich etwas ändern. Besuchet wollte das Team in der Liga halten. Also fuhr sie nach Biel, schaute sich ein Training an. Und fand in Amoka den Partner, der das Fairplay ins Spiel würde bringen können. Amoka habe analysiert, was die Gründe für die aggressive Spielweise waren und welche Teamkonstellationen sie verantworteten. Das Ranking des folgenden Turniers der Strassenfussball-Liga in Olten zeigte am 10. Juni 2018: Fairplay-Sieger: Royal Action Biel, Kategorie A. 1. Rang: Royal Action Biel. Die Delegation der Bieler «Menschen» hatte nicht nur das Turnier, sondern auch den Fairnesspreis gewonnen. Amokas Team sei ein komplett anderes gewesen.

«Ich» nutzt er nur, wenn man ihn explizit nach seiner ganz eigenen Meinung fragt.

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Die erste Reise ohne Druck Spricht man Amoka auf seinen Einsatz für den Frieden im Team an, wird er wortkarg. Es tue ihm leid, dass es früher Probleme gegeben habe. Aber sein eigener Beitrag sei gar nicht so gross gewesen. Ähnlich reagiert er auf die Frage nach der Weltmeisterschaft. Amoka gehört dieses Jahr zur Schweizer Auswahl für den Homeless World Cup in Mexiko. 500 Spielerinnen und Spieler werden in Surprise 433/18


Strassenfussball-Turniere

Sie trainieren in lockerer Formation regelmässig am Bielersee: die Andam, Alaa Amokas Fussballfreunde.

Die Strassenfussball-Schweizermeisterschaft, an der auch Alaa Amokas Mannschaft «Royal Action Biel» teilnimmt, findet am Sonntag, 23. September, auf dem Bundesplatz in Bern statt, Anpfiff um 11 Uhr. Um 13.30 Uhr ist der All Star Match mit Schweizer Prominenz angesagt: Musiker Oli Kehrli und Schauspieler Leonardo Nigro spielen mit, die Berner Radiomacherin Frau Feuz und der FC Nationalrat. Die Siegerehrung findet um 17 Uhr statt. Der Homeless World Cup – die Strassenfussball-Weltmeisterschaft  – findet vom 13.  bis 18.  November in Mexico City statt. DIF

Mexiko-City 47 Länder vertreten. Mehr als 200 000 Zuschauende werden erwartet. Der Spielort liegt zwischen dem Obersten Gericht, dem Nationalpalast und der Kathedrale. Dann wird Amoka nicht auf dem letzten Bolzplatz vor dem Autohaus spielen, während ein paar hundert Meter entfernt in der Tissot-Arena die Spieler am EMFinal im Flutlicht baden, sondern mit seinem Team im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Der Biel-Syrer vertritt dort dann die Schweiz. Er wisse, dass ihm Mexiko guttun werde. Mehr will er dazu nicht sagen, Alaa Amoka spricht lieber über die Balltechnik von Hussein Hussein als über diese Reise. Die erste Reise, die ihn über den Atlantik führt. Auch die erste Reise, die er ohne Zwang und Druck erlebt. Amoka wechselt das Thema, er erzählt wieder von Syrien. Oder von dem Vortrag, den er plant. Er will den Leuten in Biel von Syrien, aber auch von der schwierigen Situation der Kurdinnen und Kurden in den Nachbarländern erzählen. «Früher kamen Leute aus Europa zu uns nach Syrien – als Reisende und Touristen. Syrien hat eine schöne Natur und sehr alte Siedlungen und Städte. Das Land hätte Freiheit verdient.» Das Vorwärtsblicken: Es ist für Alaa Amoka ein Wollen und ein Müssen, und er blickt nicht nur für sich selbst vorwärts, sondern auch für seinen Cousin und natürlich für seinen kleinen Neffen. Alaa Amoka möchte leben, hier leben, sein Leben in der Schweiz aufbauen. Der Ball hilft ihm dabei. Wenn er an Hussein Hussein vorbeidribbelt, sieht man, wie sein Gesicht unter all den Haaren rot wird. Sein Mund ist vor Begeisterung weit aufgerissen, seine Augen lachen. Dabei wirkt er nie verbittert, nie unerbittlich. Wenn Alaa Amoka dribbelt, tut er das für seinen Frieden. Wenn der Peacemaker schlichtet, tut er das auch für sich selbst. Surprise 433/18

Alaa Amoka ist das nachdenkliche Zentrum des Teams.

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Transgender-Ikone Muniz in «Obscuro Barocco». Ein Männerpaar entflieht in die Natur: «He Loves Me».

Bebende Sinnlichkeit Kino Das Luststreifen Film Festival in Basel stellt

Klischees und Tabus rund um Lust und Erotik auf den Prüfstand.

Etwas Übersinnliches hat von Thelma Besitz ergriffen. Etwas, das die schüchterne junge Frau derart heftig erbeben lässt, dass die Ärzte erst einen epileptischen Anfall vermuten. Tief religiös auf dem Land aufgewachsen und eben erst fürs Studium nach Oslo gezogen, ist Thelma überwältigt von den vielen Freiheiten in der Stadt. Und verliebt sich kurz nach ihrem Anfall in ihre Kommilitonin Anja. Das Erwachen ihrer Sexualität, die sie selbst aufgrund ihrer Erziehung als etwas Falsches empfindet, stürzt sie in einen inneren Kampf: Sie steht zwischen den starren Moralvorstellungen ihrer Eltern und ihrem Bedürfnis nach Selbstbestimmung. Mit «Thelma» hat Regisseur Joachim Trier einen atmosphärischen Film über unterdrückte Sehnsüchte geschaffen, der in symbolgeladenen Bildern darauf hinweist, wie sehr die Frau und die (weibliche) Lust von der Religion geradezu verteufelt wurden und oft immer noch werden. «Thelma» ist einer von 42 Filmen, die im Rahmen des elften Luststreifen Film Festivals in Basel gezeigt werden. Im norwegischen Thriller, der ins Übernatürliche kippt, vereinen sich viele jener Themen, die dem Team am Herzen liegen. «Luststreifen zeigt vor allem Filme, die vorherrschende Normen hinterfragen», sagt Festival-Organisatorin Ledwina Siegrist. Der Fokus des Festivals liege auf der Sichtbarmachung von marginalisierten Personen, welche aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Sexualität oder Identität von der Gesellschaft ausgeschlossen würden, ergänzt die Medienverantwortliche Tara Toffol. Sexualität sei in enormen Machtstrukturen festgefahren und sei heterosexuell, binär und patriarchalisch normiert. «Luststreifen stellt sich dem entgegen, indem Sexualität weiter gefasst wird, als sie sich im Mainstream präsentiert», so 24

Toffol. «Der weisse heterosexuelle Mann ist nicht mehr länger das alleinige Mass aller Dinge. Wenn man auf Mainstream-Pornos konditioniert wurde, braucht es einige Zeit, um sexpositive, queer-feministische Filme erotisch zu finden», sagt Ledwina Siegrist. Der Begriff «sexpositiv» steht für eine ausdrückliche Akzeptanz jeder einvernehmlichen sexuellen Aktivität unter Erwachsenen und für die Förderung der sexuellen Freiheit jedes Menschen. Die Queer-Theorie untersucht Geschlechterrollen und vertritt den Standpunkt, dass sexuelle Identität nicht an das biologische Geschlecht gebunden sein muss, sondern vielmehr von eigenen Handlungen bestimmt wird. Beim Queer-Feminismus verbinden sich diese Ansätze mit feministischen Haltungen. «Konsensueller sexueller Ausdruck aller Formen und sexuelle Selbstbestimmung widersprechen Sinnlichkeit und Lust nicht», findet Siegrist. «Sexualität ist politisch» Dass in den letzten Jahren Filmfestivals wie Luststreifen oder die Porny Days in Zürich entstanden sind, scheint in einem neuen Selbstverständnis zu gründen. «Immer mehr Menschen setzten sich aufgrund von Debatten wie #MeToo oder #TimesUp für eine anti-sexistische und gleichberechtigte Gesellschaft ein», sagt Ledwina Siegrist. Auch Talaya Schmid, Mitgründerin der Porny Days, ortet den Grund für die wachsende Beliebtheit solcher Plattformen und Filme im Zeitgeist. «Wir sind die erste Generation, die von der sexuellen Revolution profitiert. Aber wir stehen noch am Anfang dieser Entwicklung, wenn man bedenkt, dass die WHO erst im Juni dieses Jahres BDSM – also Spielarten einer Erotik, die landläufig oft als Sadomasochismus bezeichnet wird – von der Liste Surprise 433/18

FOTOS: KONSTANTINOS MENELAOU, EKRANIOTI, MOTLYS SA

TEXT MONIKA BETTSCHEN


Der Kuss des Oktopus Buch Wenn die Naturforscherin Sy Montgomery

von ihren Begegnungen mit Riesenkraken erzählt, verwandelt sich Abscheu in Bewunderung. In Denis Villeneuves Science-Fiction-Film «Arrival» aus dem Jahr 2016 erscheinen wie aus dem Nichts zwölf gigantische Raumschiffe mit Aliens, die wegen ihrer sieben Arme Heptapoden genannt werden. Bei diesem Erstkontakt mit Ausserirdischen steht vor allem eines im Vordergrund: Wie kommuniziert man mit Wesen, die anders denken, fühlen, wahrnehmen? Doch wer diese Erfahrung machen möchte, muss nicht erst auf den Besuch von E.T. und Co. warten. Es gibt auch auf unserem Planeten Geschöpfe, die vielen Menschen wie ausserirdische Wesen vorkommen. Eines dieser irdischen Aliens, der Oktopus, bringt es sogar auf acht Arme, verfügt über Gift wie eine Schlange, hat einen Schnabel wie ein Papagei und Tinte wie ein Füllfederhalter. Er kann seine Form verändern und seine Farbe schneller und vielfältiger als ein Chamäleon. Er hat drei Herzen, sein Gehirn ist um seinen Hals gewickelt, statt Haare hat er Schleim und sein Blut ist blau. Seine Arme, die unabhängig voneinander handeln können, machen ihn multitaskingfähig, und er ist der knochenlose König der Ausbrecher, der sich selbst durch das kleinste Schlupfloch zwängen kann. Diese scheinbare Laune der Natur hat die amerikanische Naturforscherin und Autorin Sy Montgomery neugierig gemacht. Nicht zuletzt auch das so ganz Fremdund Andersartige der Oktopoden, die wir vor allem mit Schauermärchen und Horrorfilmen verbinden, in denen Riesenkraken – deren Grösse allerdings gerne übertrieben wird – ganze Schiffe auf den Meeresgrund ziehen. Alte und moderne Mythen, die uns mit Angst und Abscheu erfüllen. Doch was Montgomery bei ihren Begegnungen mit den Oktopoden – insbesondere den Pazifischen Riesenkraken – kennenlernt, sind keine Monster, sondern Wesen von erstaunlicher Empfindsamkeit und Intelligenz. Ja, mehr noch: Jeder Oktopus hat einen eigenen Charakter, eine Persönlichkeit. Manche sind scheu, andere verspielt und anhänglich. Sie schmecken mit ihrer Haut und können Menschen erkennen und unterscheiden. Und der Kontakt mit ihren Saugnäpfen, die schwere Lasten heben können, fühlt sich an wie Küsse – Küsse, die Knutschflecken hinterlassen. Sy Montgomery erzählt in ihrem Buch «Rendezvous mit einem Oktopus» warmherzig und voller Empathie von ihrer Begegnung mit einem anderen Bewusstsein, einer anderen Art des Denkens, Fühlens und Wahrnehmens. Und damit zugleich auch von uns Menschen, die in den Augen der Oktopoden vielleicht nicht weniger Aliens sind, als sie CHRISTOPHER ZIMMER in unseren.

geistiger Störungen genommen hat», sagt Schmid. «Männer durften bisher alles ausleben, Frauen und die LGTBCommunity kaum. Sexualität ist das Herzstück menschlicher Beziehungen und gerade deshalb politisch. Sie ist die kleinste Einheit von Gemeinschaft, und wenn dort Balance und Selbstbestimmung herrschen, beeinflusst das, wie jemand im Alltag mit anderen Menschen umgeht.» Ein Land, in dem in Sachen Sex noch einiger Nachholbedarf besteht, ist China. Im Dokumentarfilm «Fallen Flowers, Thick Leaves», der am Luststreifen Film Festival zu sehen ist, begleitet Regisseurin Laetitia Schoofs mehrere Frauen bei ihrer Suche nach Lust und Erfüllung. In einer Szene erläutert Sexualtherapeutin Hong Li anschaulich die Funktion von Dildos. Zu erfahren, dass frau die Befriedigung in die eigenen Hände nehmen darf, hat für die anwesenden Frauen etwas Befreiendes. Besonders für Lihua, die sich nach dem Tod ihres Mannes, der oft betrunken und gewalttätig war, für ihre zweite Lebenshälfte Liebe und Nähe wünscht. In China hätten viele Frauen durch das Wirtschaftswachstum zwar heute eine ökonomische Gleichheit erreicht, aber noch keine Ebenbürtigkeit in sexuellen Belangen, erklärt Hong Li im Film. Dies liege am nach wie vor traditionellen Denken. Das Brechen mit festgefahrenen Normen schliesst beim Luststreifen Film Festival neben der Auswahl der Filme und Themen die Produktionsbedingungen mit ein. Für viele queere Pornodarstellerinnen und -darsteller sei ihr Berufsfeld in dieser Form ein Weg zur Emanzipation des eigenen Körpers. Viele könnten sich damit von gängigen Körpernormen befreien, sagt Ledwina Siegrist. Am «Professional Meeting» vom 28. September steht auch die Vernetzung der Filmschaffenden im Zentrum. Ein Workshop trägt den vielversprechenden Titel «Die Lust in die eigenen Hände nehmen!». Denn auch im Rahmenprogramm möchte das sinnliche Filmfestival dazu anregen, selbstbestimmte Erotik in all ihren Spielarten kennenzulernen. «Luststreifen Film Festival», Mi, 26., bis So, 30. September, neues kino, Klybeckstrasse 247; kult.kino camera, Rebgasse 1; Panda, Spitalstrasse 32 (Ausstellung); Aktienmühle-Turbinenhaus, Gärtnerstrasse 46 (Festivalzentrum), Basel. www.luststreifen.ch

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FOTO: ZVG

Zerrissen zwischen Religion und Lust: «Thelma».

Sy Montgomery: Rendezvous mit einem Oktopus. Mare 2017. CHF 43.90

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Basel «Ohne Wohnung, mit Würde: Fotografische Begegnungen mit Menschen am Rand der Gesellschaft», Ausstellung, Vernissage 9. September, 11 Uhr, bis 10. Oktober, täglich 9 bis 15 Uhr, Sa und So 15 bis 16.30 Uhr, Eintritt frei, Spenden willkommen, Soup&Chill, Solothurnerstrasse 8. soupandchill.com

Der Kölner Gerd Bonse fotografiert seit Jahren auf Obdachlose auf den Strassen seiner Heimatstadt und kennt die Menschen, die dort leben, inzwischen sehr gut. Soup&Chill – eine soziale Institution für Obdachlose in Basel – zeigt die Strassenszenen aus Köln in einer Foto-Ausstellung, Gerd Bonses persönliche Beziehungen zu den Menschen auf der Strasse fanden Eingang in kurze Texte, die die Fotos ergänzen. Sie zeigen uns die sichtbare Seite der Obdachlosigkeit: Die Menschen bauen sich ihre Lager an öffentlich einsehbaren Plätzen, sie gehören zum Stadtbild. Im Gegensatz dazu sind obdachlose Menschen in Basel so gut wie unsichtbar – obwohl es sie auch hier gibt. Die dermassen unterschiedlichen Herangehensweisen der Stadtverantwortlichen sollen im Zentrum des Gesprächs in der Ausstellungsvernissage stehen. Gerd Bonse unterhält sich mit der Stadtführerin Lilian Senn und dem Stadtführer Heiko Schmitz von SurDIF prise. Beide kennen die Obdachlosigkeit aus eigener Erfahrung.

Bern «Einspruch! Spoken Word performt Migrationsgeschichten», 21. September, ab 18 Uhr, Aula Progr, beobachtungsstelle.ch «Einspruch!» hiessen Rolando Collas Kurzfilme, die die Flüchtlingsthematik zu Geschichten

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machten, die unter die Haut gehen. «Einspruch!» heisst auch die Veranstaltung der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht SBAA. Das passt nicht nur thematisch, sondern auch formal: Die Einsprüche finden auf der Bühne statt, als Spoken-Word-Auftritt. Einsprüche mit Hirn und Herz, starker Stimme und klarem Rhythmus. Die SBAA macht seit zehn Jahren menschenrechtsverletzende und verfassungswidrige Verschärfungen des Asyl- und Ausländerrechts sichtbar und nimmt mit fundiert recherchierten und juristisch aufgearbeiteten Falldokumentationen politisch Einfluss. Diese Texte werden nun von den Spoken-Word-Künstlerinnen und -Künstlern Renato Kaiser, Fatima Moumouni, Daniel Dill und Meloe Gennai auf die Bühne gebracht. Nobody Reads, Band aus Basel mit Sound zwischen Jazz und Rock ‘n’ Roll, begleitet sie. DIF

Bern «Wer bin ich? Adoption im Wandel», Fotoausstellung, bis 21. September, Mo 14 bis 18 Uhr, Di bis Fr 10 bis 18 Uhr, Sa 10 bis 16 Uhr, Finissage mit Lesung, Fr, 21. September, 18 Uhr, Käfigturm/PolitForum Bern. polit-forum-bern.ch

Zeit der Aufarbeitung, endlich: Seit Anfang Jahr gilt in der Schweiz das revidierte Adoptionsgesetz. Bis Ende März 2018 konnten die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen, darunter auch die Zwangsadoptierten, beim Bund einen Solidaritätsbeitrag einfordern. Zudem wurde Ende letzten Jahres ein grossflächiger Adoptionsbetrug in Sri Lanka in den Achtzigerjahren aufgedeckt, der auch die Schweiz betrifft. Das PolitForum Bern nimmt dies zum Anlass, eine Fotoserie der Berner Fotografin Carmela Harshani Odoni zu zeigen. Die Fotografin ist selbst aus Sri Lanka adoptiert und thematisiert die verschiedenen Formen von Adoptionen, die man in der Schweiz findet. Als Abschlussveranstaltung lesen Lisa Brönnimann aus ihrem Buch «Niemandskinder» und Regula Brühwiler-Giacometti aus «Seitensprungkind. Wie ich meine wahre DIF Identität fand».

Birsfelden «Augias oder Herakles auf der Kläranlage», Theater, Do, 20. bis So, 23. September, jeweils 20 Uhr, So 18 Uhr, Kläranlage ARA Birs, Freulerstrasse 1, Tram 14 oder Bus 36/37 bis St. Jakob und 10 Min. Fussweg. theater-roxy.ch Den Stall des Augias kennen wir noch aus der Schule: Eine der zwölf legendären Aufgaben des Herakles war es, den Stall des Königs Augias auszumisten. Praktisch unmöglich, denn dort lebten 3000 Rinder, und seit 30 Jahren war nicht mehr saubergemacht worden. Nun gibt es oft erstaunlich viel her, wenn man antike Mythologie ins Heute hin-

eindenkt und sich überlegt: Was wäre heute ein solcher Stall des Augias? Logisch: eine Kläranlage vor dem Kollaps. Im Stück der Theatergruppe Kurzer Prozess hat ein hochindustrialisierter Mastbetrieb sämtlichen Dung in die Kanalisation geleitet, die Anlage steht kurz vor dem Zusammenbruch. Herakles soll ausmisten. Es entspinnt sich die Geschichte unserer Abwässer, und die Kläranlage wird Nährboden für die apokalyptische Vision von der völligen Verdreckung. Wir sehen: Die Antike liefert uns nötige Einsichten. DIF

Zürich «100 Ways of Thinking – Universität Zürich in der Kunsthalle», bis 4. November, Kunsthalle Zürich, Limmatstrasse 270, alle Veranstaltungen sind kostenlos, ganzes Programm unter kunsthallezurich.ch/de/ calendar.

«100 Ways of Thinking» ist nicht einfach nur eine Ausstellung. Es finden Tagungen, Seminare, Podien und Performances statt und die Kunsthalle wird damit temporär zur Universität, wie sie vor Kurzem zur Kirche (Rob Pruitt: The Church) und zum Spielplatz wurde (The Playground Project). Unserem Gehirn entspringen Gedanken. Bei den einen sind das vielleicht eher wissenschaftliche Überlegungen, bei den anderen ist es Kunst. Jedenfalls hat beides irgendwie mit Denken und Inspiration, sei es Erkenntnis oder Musenkuss, zu tun. Nun kann man lustige Fragen stellen: Ist Musizieren eine Form des Denkens? Braucht es zum Denken nicht mindestens zwei? Warum können Computer keine Witze erfinden? In der Kunsthalle Zürich können Sie auf 100 Arten AntworDIF ten finden.

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BILD(1): GERD BONSE, BILD(2): FABIAN STÜRTZ, BILD(3): SUSANNE GOLDSCHMID, BILD (4): ARA KLÄRANLAGE BIRSFELDEN, BILD (5): ARTUR ZMIJEWSKI

Veranstaltungen


ILLUSTRATION: SARAH WEISHAUPT

Agglo-Blues

Folge 16

Eine Frage der Ehre Was bisher geschah: Auf der Suche nach dem Mörder eines Ingenieurs, der in der Agglomeration beim Joggen umgebracht wurde, stösst Vera Brandstetter auf eine illegale Spielrunde. Deren Mitglieder stellen sich aber als harmlos heraus. Dafür bemerkt die Kommissarin etwas, was ihr weiterhelfen könnte. Brandstetter hatte sich richtig erinnert: Über der Tür hing eine weisse, kugelförmige Kamera. Sie nahm einen Stuhl aus dem Hinterzimmer, stieg hinauf, entnahm der Kamera die Speicherkarte und steckte sie ein. An der Bar sassen nur noch zwei Frauen. Offenbar hatte sich ein Freier in den Salon verirrt. Brandstetter klopfte an die Tür des Büros und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Jackie sass auf seinem Chefsessel hinter dem Schreibtisch. Die Füsse lagen auf der Tischplatte, den Kopf hielt er im Nacken, in der rechten Hand hatte er eine Flasche Jack Daniels, aus der er einen tiefen Schluck nahm. «Das wäre nicht nötig gewesen, B … .» Er unterbrach sich, als sie in die Jacke griff und ihr Holster sehen liess. Somit blieb offen, ob er «Baby» oder «Bitch» hatte sagen wollen. Sie setzte sich auf die Schreibtischkante. «Eine schöne Runde hast du da aufgezogen. Bringt wahrscheinlich ziemlich was ein.» «Zeitweise mehr als die Nutten!», näselte Jackie. «Die Männer sind übersättigt. Hocken lieber zu Hause und schauen Pornos. Da können sie sich alles bis aufs kleinste Detail aussuchen, die Frau, was sie machen soll, alles haargenau nach Vorliebe, nichts ist zu abartig oder ausgefallen. Dazu kostenlos und keimfrei, wie sollen wir da mithalten? Von der Konkurrenz durch die schicken Grossbordelle will ich gar nicht erst reden.» Seine Empörung war echt. Fast hätte er Brandstetter leidgetan. Das gemütliche kleine Dorfbordell, das wie die Beiz, das Lädeli und der Metzger keine Chance mehr hatte gegen die Konkurrenz der Grossen. Weil sie aber wusste, wie die Frauen rekrutiert, behandelt und bezahlt wurden, kam bei der Kommissarin kein Mitleid auf. «In dem Fall kannst du froh sein, wenn wir den Laden dichtmachen. Es sei denn, du erzählst mir etwas über Reto Schwander.» «Ich weiss nichts.» Brandstetter schüttelte enttäuscht den Kopf. Surprise 433/18

«Ich weiss wirklich nichts über ihn. Er kam nur am Donnerstag her und hat immer nur gespielt.» «An welchen Tagen wird hier gezockt?» «Dienstag bis Samstag. Montag haben wir geschlossen. Anfang Woche läuft wenig, es gibt Leute, die jeden Tag arbeiten gehen müssen, verstehst du?» «Nicht so wie du, meinst du.» «Leck mich am Arsch.» «Du solltest an deinen Manieren feilen, Jackie.» Sie legte ihre Visitenkarte auf den Schreibtisch. «Ruf mich an, wenn dir etwas einfällt, Baby.» Ihr Hyundai war das einzige Auto auf dem Parkplatz, alle anderen waren verschwunden. Also war doch kein Freier mehr gekommen. Oder ein Fussgänger. Brandstetter setzte sich in ihr Auto, fuhr aber nicht gleich los. Sie würde die Pokerrunde in ihrem Rapport nicht erwähnen. Das brächte nur Arbeit, für sie selber, für die Gerichte, und für was? Jackie bekäme eine Geldstrafe oder ein paar Monate bedingt, wenn überhaupt. Der Salon würde nicht geschlossen, das war ihr klar. Der Laden lief wahrscheinlich über einen Strohmann, der glaubhaft machen könnte, von allem nichts gewusst zu haben. Ausserdem war sie Jackie etwas schuldig. So wenig Sympathien sie für ihn hegte, so wusste sie doch, dass ihm seine Rockerehre verbot, sie wegen der gebrochenen Nase anzuzeigen. Rocker waren Old School, die redeten nicht mit der Polizei. Als Zeugen nicht, als Opfer nicht, und als Täter schon gar nicht. Hätte er Anzeige erstattet, wäre sie ihren Job sofort losgewesen. Ihre Vorgesetzte, die Regierungsrätin, hätte hart durchgegriffen, um zu beweisen, dass sie auch von Frauen keine Gewalt tolerierte. Nein, Jackie würde sich nicht beschweren. Nicht wie die jungen Leute, die im Ausgang Polizisten gegenüber einen auf ganz dicke Hose machten, schimpften, spuckten oder Flaschen warfen, und dann, wenn sie unsanft angepackt wurden, zum Anwalt oder zur Presse rannten und etwas von Polizeistaat und Menschenrechten heulten, die kleinen Scheisser. Später wurden sie zu den Leuten, die, wenn ihnen etwas zustiess und die Polizei nicht innert Minuten auf der Matte stand, ihre Steuern zurückverlangten. Das Klingeln des Handys riss Brandstetter aus ihren Gedanken.

STEPHAN PÖRTNER schreibt Romane und Theaterstücke. Wer eine oder mehrere Folgen seines Krimis «Agglo-Blues» verpasst hat, kann sie auf unserer Webseite nachlesen oder auch hören: www.surprise.ngo/krimi

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IND 0.– S AB 50 ABEI! SIE D

Die 25 positiven Firmen Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung. Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit. Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist.

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Hervorragend AG, Bern

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Praxis Colibri, Murten

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Sublevaris GmbH, Brigitte Sacchi, Birsfelden

04

SBB Angebotsgestaltung Langstrasse, Zürich

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Stoll Immobilientreuhand AG, Winterthur

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Anyweb AG, Zürich

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Leadership LP3 AG, Biel

08

Echtzeit Verlag, Basel

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Maya-Recordings, Oberstammheim

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Gemeinnütziger Frauenverein, Nidau

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Scherrer & Partner GmbH, Basel

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Madlen Blösch, GELD & SO, Basel

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Velo-Oase, Erwin Bestgen, Baar

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Lotte’s Fussstube, Winterthur

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Cantienica AG, Zürich

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Arbeitssicherheit Zehnder GmbH, Zürich

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Brother (Schweiz) AG, Dättwil

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Kaiser Software GmbH, Bern

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Coop Genossenschaft, Basel

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Fischer + Partner Immobilien AG, Otelfingen

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Proitera betriebliche Sozialberatung, Basel

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Praxis PD Dr. med. Uwe Ebeling, Bern

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Burckhardt & Partner AG, Basel

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Ricardo Da Costa verliess 2003 GuineaBissau, wo seine Familie immer noch lebt. Der Mechaniker arbeitete zuerst als Bauarbeiter in Portugal und Italien. 2013 kam er in die Schweiz. Wenige Tage nach seiner Ankunft wurden ihm alle Wertsachen gestohlen und er stand er ohne Papiere da. Auf der Gasse lernte er einen Strassenmagazin-Verkäufer kennen und verkauft seither auch. «Ich bin froh, bei Surprise zu sein», erzählt Ricardo. «Manchmal komme ich traurig ins Büro und gehe mit einem Lächeln auf dem Gesicht wieder raus.» SurPlus ist für ihn eine grosse Unterstützung: Das ÖV-Abo ermöglicht Mobilität beim Heftverkauf und bei Schwierigkeiten stehen ihm die Mitarbeitenden mit Rat und Tat bei.

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FOTO: NICOLE PHILIPP

Wir alle sind Surprise

Seit einigen Jahren verkauft Mihretab Teklemichael vor unserer MigrosFiliale im Berner Kirchenfeld-Quartier Surprise. Durch ihn habe ich das Strassenmagazin eigentlich so richtig kennengelernt. Mihretab ist immer aufgestellt und für ein paar Worte zu haben. Es entstanden kleinere, dann längere Gespräche. So erfuhr ich mehr von seiner Familie, seiner Herkunft, seinen anderen beruflichen Tätigkeiten. Manchmal habe ich das Gefühl, manche Leute, die bei der Migros ein und aus gehen, nehmen ihn gar nicht wahr. Sind sie nicht neugierig, was Mihretab verkauft? Ich habe schon festgestellt, dass viele gar nicht wissen, was Surprise ist. Schade! Ich wünsche Mihretab weiterhin ganz viel Erfolg und ein glückliches Leben hier in der Schweiz. NICOLE PHILIPP, Bern

Geschäftsstelle Basel T +41 61 564 90 90 Mo–Fr 9–12 Uhr info@surprise.ngo, surprise.ngo Regionalstelle Zürich Kanzleistrasse 107, 8004 Zürich T  +41 44 242 72 11 M+41 79 636 46 12 Regionalstelle Bern Scheibenstrasse 41, 3014 Bern T  +41 31 332 53 93 M+41 79 389 78 02 Soziale Stadtrundgänge Basel: T +41 61 564 90 40 rundgangbs@surprise.ngo Bern: T +41 31 558 53 91 rundgangbe@surprise.ngo Zürich: T +41 44 242 72 14 rundgangzh@surprise.ngo Anzeigenverkauf Stefan Hostettler, 1to1 Media T  +41 61 564 90 90 M+41 76 325 10 60 anzeigen@surprise.ngo Redaktion Verantwortlich für diese Ausgabe: Diana Frei (dif) Sara Winter Sayilir (win), Georg Gindely (gg) Reporter: Andres Eberhard (eba), Simon Jäggi (sim) T +41 61 564 90 70 F +41 61 564 90 99 redaktion@strassenmagazin.ch leserbriefe@strassenmagazin.ch

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«Originelles Schaffen» Die literarische Spannweite der Literaturausgaben war mit überraschenden Erzählperspektiven (Simone Lappert), einer dialektsprecherischen Herausforderung (Dominic Oppliger), einem existenzialistischen Essay (Charles Lewinsky) bis zur spannenden Analyse (Romana Ganzoni) wunderbar gross. Diese Vielfalt würdigt das originelle und kreative Schaffen der Autorinnen und Autoren eindrücklich.

CHRISTIAN VONTOBEL, Basel

#428: Wieso ist das Kunst?

«Palaver ersparen» Das ganze ermüdende Kunstpalaver kann man sich heutzutage ersparen, denn nun ist alles und jedes Kunst, was als Kunst definiert oder deklariert ist. Dazu braucht es keine Kunstkommission, denn jeder und jede kann beispielsweise einen Baum, einen Kugelschreiber, ein Sternbild oder seinen Zeigefinger zum Kunstobjekt erklären. CHRISTIAN SCHERLER, Renan BE

Impressum Herausgeber Surprise, Münzgasse 16 CH-4051 Basel

#429 Status Quo und #430 Utopie

Ständige Mitarbeit Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Marie Baumann, Rahel Nicole Eisenring, Carlo Knöpfel, Yvonne Kunz, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Isabella Seemann, Sarah Weishaupt, Priska Wenger, Christopher Zimmer Mitarbeitende dieser Ausgabe Monika Bettschen, Marco Frauchiger, Birgit Lang, Roland Schmid, Benjamin von Wyl Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt. Gestaltung und Bildredaktion Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik Druck AVD Goldach Papier Holmen TRND 2.0, 70 g/m2, FSC®, ISO 14001, PEFC, EU Ecolabel, Reach

Ich möchte Surprise abonnieren 25 Ausgaben zum Preis von CHF 189.– (Europa: CHF 229.–) Verpackung und Versand bieten StrassenverkäuferInnen ein zusätzliches Einkommen Gönner-Abo für CHF 260.– Geschenkabonnement für: Vorname, Name

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FOTO: BODARA

Surprise-Porträt

«Ich bin nicht nachtragend» «Als ich 14 Jahre alt war, hatte ich einen schweren Unfall. Ein Auto fuhr mich um, als ich mit dem Velo unterwegs war. Mein Bein war mehrfach gebrochen, das Knie richtiggehend zerstört. Ich wurde sieben Mal operiert, aber durchbeugen kann ich mein Bein seither nicht mehr. Der Mann, der den Unfall verursachte, lebte damals schon in der Schweiz und war in seiner Heimat Eritrea in den Ferien. Als ich Jahre später ebenfalls in die Schweiz kam, habe ich ihn einmal zufälligerweise am Bellevue getroffen. Wir haben uns beide verblüfft gegrüsst. Ich hatte das Gefühl, dass es ihm unangenehm war. Mich hat es nicht gestört. Ich bin kein nachtragender Mensch, und was passiert ist, ist passiert. Ich kann es ja nicht mehr ändern. Aber ich kann etwas aus meinem Leben machen. Aufgewachsen bin ich zusammen mit fünf Brüdern und fünf Schwestern in einem kleinen Dorf in der Nähe der eritreischen Hauptstadt Asmara. Meine Mutter kümmerte sich um uns und das Haus, mein Vater baute Gemüse an, Salat, Kartoffeln, Kichererbsen, Bohnen. Ich half ihm schon als Kind. Trotz meines kaputten Knies musste ich in den Militärdienst. 2006 flüchtete ich in den Sudan und von da aus durch die Sahara nach Libyen. 2008 erreichte ich die Schweiz. Ich begann, in einem Golfclub als Platzwart zu arbeiten und später in einer Reinigungsfirma sowie in einem Restaurant. Die Arbeit gefiel mir, aber tat meinem Knie nicht gut, weil ich mich oft bücken musste. Zum Teil war das Knie am Abend so stark geschwollen, dass ich die Hose nicht mehr ausziehen konnte. Bei Surprise, zu dem ich 2012 über einen Kollegen kam, kann ich mir die Arbeit selber einteilen. Wenn ich Schmerzen bekomme, gehe ich heim. Meistens tut mir mein Knie aber nicht weh. Mein Trick ist, nicht zu stehen, sondern immer herumzulaufen. Dann macht mir die Arbeit nichts aus, im Gegenteil: Das Verkaufen liegt mir. Ich lache viel, bin freundlich und bedanke mich bei den Menschen, die mir ein Heft abkaufen – und auch bei jenen, die keins wollen. Ich habe oft erlebt, dass sie nach einigen Malen doch stehen geblieben sind. Ich habe verschiedene Verkaufsplätze in Zürich, vor der Migros Brunaupark, dem Coop an der Höschgasse oder am Central. Am liebsten bin ich am Wochenmarkt auf dem Helvetiaplatz. Dort herrscht eine besonders schöne Atmosphäre. 30

Teklit Tekeste, 36, verkauft Surprise an verschiedenen Orten in Zürich, am liebsten am Wochenmarkt auf dem Helvetiaplatz. Wenn er nicht arbeitet, spielt er mit seinen Söhnen und pflegt seinen Gemüsegarten.

Meine Familie und ich bekommen Sozialhilfe, aber ich versuche so viele Hefte zu verkaufen, dass wir fast oder gar keine Unterstützung mehr benötigen. Wenn es mir gelingt, freut mich das sehr. Manchmal verkaufe ich über 600 Hefte im Monat. Das macht mich stolz. Früher habe ich mich neben der Arbeit oft mit meinen Freunden getroffen. Jetzt habe ich keine Zeit mehr dafür, denn meine Kinder halten mich auf Trab. Mein älterer Sohn ist zweieinhalb Jahre alt, der jüngere gerade erst zwei Monate. Zu besonders viel Schlaf komme ich nicht, aber ich finde es schön, mit ihnen zusammen zu sein. Stressig finde ich es nicht. Stressig fände ich es, allein zu sein. Meine Frau ist auch aus Eritrea. Wir wohnen in einer Genossenschaftswohnung in Wollishofen und haben einen kleinen Garten, in dem ich Gurken, Tomaten, Salat und Chilis anpflanze – wie daheim mit meinem Vater. Ich habe meine Eltern seit über zehn Jahren nicht gesehen und denke oft an sie. Ich hoffe, ihnen bald meine Kinder vorstellen zu können.»

Aufgezeichnet von GEORG GINDELY

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GESUCHT: DER FAN-SCHAL FÜR DIE NATI 2018! Die Strassenfussball-Nationalmannschaft nimmt im November 2018 am Homeless World Cup in Mexiko-Stadt teil – mit Ihrem Schal im Gepäck? Wie in den Jahren zuvor überreichen unsere Spieler auch in diesem Jahr ihren Gegnern zum Handshake handgemachte Fanschals. Machen Sie mit! Der Schal sollte zirka 16 cm breit und 140 cm lang sein, Fransen haben und – Sie hätten es erraten - in Rot und Weiss gehalten sein. Gestrickt, gehäkelt, genäht: alles geht! Die Spieler unserer Nati werden den schönsten Schal küren – der Gewinnerin oder dem Gewinner winkt ein attraktiver Überraschungspreis!

Bitte schicken Sie den Schal bis spätestens 15. Oktober 2018 an: Surprise | Strassenfussball | Münzgasse 16 | CH-4051 Basel

Kultur

Solidaritätsgeste

STRASSENCHOR

CAFÉ SURPRISE

Lebensfreude

Entlastung Sozialwerke

BEGLEITUNG UND BERATUNG

Unterstützung

Job

STRASSENMAGAZIN Information

Zugehörigkeitsgefühl Entwicklungsmöglichkeiten

STRASSENFUSSBALL

Expertenrolle

SOZIALE STADTRUNDGÄNGE Perspektivenwechsel

SURPRISE WIRKT Surprise unterstützt seit 1998 sozial benachteiligte Menschen in der Schweiz. Unser Angebot wirkt in doppelter Hinsicht – auf den armutsbetroffenen Menschen und auf die Gesellschaft. Wir arbeiten nicht gewinnorientiert, finanzieren uns ohne staatliche Gelder und sind auf Spenden und Fördergelder angewiesen. Spenden auch Sie. surprise.ngo/spenden | Spendenkonto: PC 12-551455-3 | IBAN CH11 0900 0000 1255 1455 3

Erlebnis


T BES T EE R T S CER C O S

Sonntag, 23. September 11 – 17 Uhr Bundesplatz/Bern 13.30 Uhr Testspiel mit Oli Kehrli, Leonardo Nigro, FC Nationalrat and Friends vs. Surprise-Nati 2018

SURPRISE STRASSENFUSSBALL-LIGA SCHWEIZERMEISTERSCHAFT 2018 Offizieller Partner:

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