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«Bis 2023 klimaneutral»
Standortentwicklung – Bis 2030 will Siemens, ein in 190 Ländern rund um den Globs aktives Unternehmen, sein operatives Geschäft komplett klimaneutral betreiben. Ein noch höheres Tempo legt die Konzernsparte Siemens Smart Infrastructure bei ihrem Hauptsitz in Zug vor.
Von Birgitt Wüst – Fotos: Siemens, zVg
Die Zahlen sind beeindruckend: Eigenen Angaben zufolge hat Siemens seine CO2-Emissionen seit 2014 weltweit um nicht weniger als 54 Prozent reduziert und deckt inzwischen bereits 70 Prozent seines globalen Strombe«Innovation und darfs durch Ökostrom. Bis spätestens technologischer 2030 will der in über 190 Ländern aktive
Fortschritt in den Bereichen Energie, Konzern sein operatives Geschäft kom plett klimaneutral betreiben. Am globa len Hauptsitz von Siemens Smart Infra Gebäudetechnik, structure in Zug, mit 1.700 Mitarbeitern Industrie und Mobili- in Forschung, Entwicklung, Produktion tät sind zentral, um den CO2-Ausstoss und Verwaltung grösster Schweizer Siemens-Standort, soll dieses Ziel schon im Jahr 2023 erreicht werden. langfristig zu reduzieren.» Campus mit Vorbildcharakter Zum neuen Siemens Campus in Zug gehören ein neues, Ende 2018 in Betrieb genommenes Bürogebäude – der Hauptsitz von Siemens Smart Infrastructure und ein neu erstelltes Produktionsgebäude. Das Investitionsvolumen für Neubauten, Renovationen und damit verbundene Massnahmen beziffert sich nach Unternehmensangaben auf 250 Millionen Franken. Die Gebäude wurden als Referenzprojekte von Siemens mit innovativer Gebäudetechnik ausgestattet. Der neue Campus, eines der ersten Neubauprojekte, bei dem BIM (Building Information Modeling) in Planung und Realisierung zum Einsatz kam, ist mit Gebäudeautomation, Sicherheits- und Brandschutztechnik von Siemens Smart Infrastructure ausgestattet. Besonderer Wert wurde dabei auf die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz der Gebäude gelegt. So erfüllt das Bürogebäude höchste Ansprüche nach dem LEED-Standard und erhielt eine PlatinZertifizierung, das Produktionsgebäude erfüllt die Kriterien für die Gold-Zertifizierung nach dem LEED-Standard. Ein integriertes Gebäudeautomationssystem mit Energieoptimierung – basierend auf der integrierten GebäudemanagementPlattform Desigo CC – steuert den Energieverbrauch und alle Gewerke der Gebäudetechnik. Fossile Brennstoffe werden von den Gebäuden des Campus nicht zur Energieerzeugung benötigt. Ener-
tanks und Abfallbehälter sind im Gebäude integriert, um die Geräuschbelastung für angrenzende Wohnbebauung zu minimieren und ein architektonisch ansprechendes Erscheinungsbild zu schaffen.
Der globale Hauptsitz von Siemens Smart Infrastructure in Zug.
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gieeffiziente Wärmepumpen nutzen Wasser aus dem Zugersee als Wärmequelle respektive zur direkten Kühlung. Die Anlagen für Heizung, Lüftung und Klima sind mit Wärme- und Kälterückgewinnungssystemen ausgestattet. Selbst die Luftdruckanlagen in der Produktion sind mit einem Energierückgewinnungssystem für die Warmwasseraufbereitung ausgerüstet. Die Dachflächen sind begrünt, im Bürogebäude werden rund 1.500 Kubikmeter Regenwasser genutzt - und seit dem Frühjahr 2019 ist auf dem Dach des Produktionsgebäudes eine Photovoltaikanlage in Betrieb. Insgesamt bietet das Bürogebäude mit einer Grundfläche von 56 × 56 Metern auf sieben Stockwerken Platz für 1.000 Mitarbeiter. Die Bruttogeschossfläche umfasst 32.000 Quadratmeter, davon 18.400 Bürofläche und 11.000 Quadratmeter in der zweigeschossigen Tiefgarage mit 250 Plätzen. Die Gebäudehöhe beträgt 25 Meter. Das dreigeschossige Produktionsgebäude mit einer Grundfläche von 125 × 50 Metern hat zwei Produktionsgeschosse. Das zweite Obergeschoss des 16 Meter hohen Bauwerks beinhaltet neben 120 Büroarbeitsplätzen weitere Flächen für Berufsausbildung und Labors. Anlieferung, Stickstoff-
Baustart für das letzte Teilprojekt
Als letztes Teilstück auf dem Weg zur angestrebten Klimaneutralität des Campus begann in diesem Frühjar die rund 70 Millionen Franken teure Modernisierung eines ebenfalls zum Gelände gehörenden Büro- und Produktionsgebäudes. Die rund 70 Millionen Franken teure Sanierung des Gebäudes Theilerstrasse 1c, in dem in Zukunft Forschung und Entwicklung, diverse Testlabore und die IT-Abteilungen angesiedelt werden, soll imJahr 2023 fertiggestellt sein und dann rund 450 Mitarbeiter der genannten Abteilungen beherbergen. Mit Fertigstellung der Sanierungsarbeiten wird der gesamte Campus dann klimaneutral betrieben – ermöglicht wird dies Siemens zufolge durch eine intelligente Gebäudetechnik, die Verwendung erneuerbarer Energien, den Verzicht auf fossile Energieträger und mithilfe energieeffizienter Produktionsanlagen. «Dass wir die Klimaneutralität an unserem grössten Schweizer Standort bereits 2023 erreichen, spornt uns natürlich an, diesen Weg konsequent weiterzugehen und unsere Anstrengungen zur Reduktion der CO2-Emissionen zu intensivieren», sagt Matthias Rebellius, Siemens-Vorstandsmitglied und globaler CEO von Siemens Smart Infrastructure. «Den grössten Hebel zur Linderung des Klimawandels erreichen wir mit dem Siemens-Umweltportfolio, das bei unseren Kunden rund um den Globus im Einsatz ist.» Mit neu installierten Systemen habe Siemens allein im letzten Geschäftsjahr die Treibhausgasemissionen weltweit um sieben Millionen Tonnen reduzieren können, fügt Rebellius hinzu. «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass mit unseren Lösungen in den meisten Gebäuden beträchtliche Energieeinsparungen von bis zu 30 Prozent erzielt werden können»
Mehr als 600 Tonnen CO2 eingespart
Der Siemens-Campus in Zug ist ein gutes Beispiel dafür, wie Technologie und digitale Lösungen einen wichtigen Beitrag zu Dekarbonisierung und Effizienzsteigerung leisten. Bei den 2019 eröffneten Büro- und Produktionsgebäuden wurden dank intelligenter Gebäudetechnik und erneuerbarer Energien bereits im ersten Betriebsjahr, im Vergleich zum durchschnittlichen Wärmeverbrauch der letzten Jahre, mehr als 600 Tonnen CO2 eingespart – entsprechend einer Reduktion von 60 Prozent. «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass mit unseren Lösungen in den meisten Gebäuden
beträchtliche Energieeinsparungen von bis zu 30 Prozent erzielt werden können», so Rebellius. Diese Erkenntnis komme den Siemens-Kunden zugute, aber auch dem Unternehmen selbst. Für Gerd Scheller, Country CEO von Siemens Schweiz, sind «Innovation und technologischer Fortschritt in den Bereichen Energie, Gebäudetechnik, Industrie und Mobilität zentral, um den CO2-Ausstoss langfristig zu reduzieren». In der Schweiz, wo Siemens mit rund 5.800 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der grösste Industriearbeitgeber ist, hat das Unternehmen diverse weitere Umweltmassnahmen auf den Weg gebracht.
Ambitionierte Pläne
In den vergangenen Monaten konnten gemäss Unternehmensangaben zudem mit der Lancierung von innovativen Ladelösungen namhafte Kundenaufträge abgeschlossen werden. So haben die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) Ladelösungen für ihre neuen Elektrobusse bestellt und auch Bernmobil und die Verkehrsbetriebe Glatttal setzen bei der Elektromobilität auf Ladeinfrastruktur von Siemens. Auch für die firmeneigene Fahrzeugflotte hat Siemens ambitionierte Pläne: Bis 2030 werden weltweit sämtliche Serviceautos komplett auf elektrisch angetriebene Fahrzeuge umgestellt – allein in der Schweiz sind dies fast 1.200 Autos. Zur weiteren Unterstützung der Dekarbonisierung werden alle Unternehmensstandorte mit Siemens-Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge ausgestattet – so auch in Zug: Dort wird die bestehende Ladeinfrastruktur in Kürze um rund 40 neue Ladepunkte erweitert. Darüber hinas können Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihre Fahrzeuge an allen Siemens-Standorten in der Schweiz können kostenlos aufladen.
Weitere Speicherkapazitäten erforderlich
Für das Unternehmen sind die Elektromobilität und insbesondere die Integration von Ladeinfrastruktur, Energieverteilung und Gebäudetechnik ein vielversprechender Wachstumsmarkt und der Haupttreiber, um die angestrebten Dekarbonisierungsziele zu erreichen. Insbesondere die Schnittstelle zwischen Energienetz und Verbraucher, die man im Konzern als «Grid Edge» bezeichnet, berge «enormes Potenzial», ist man bei Siemens überzeugt. «Innovative Produkte in Kombination mit der Digitalisierung ermöglichen das effiziente Zusammenspiel aller beteiligten Akteure», sagt Gerd Rebellius und verweist auf die vielen Gebiete, auf denen Siemens in diesem Umfeld tätig ist und wozu unter anderem Lastmanagement, virtuelle Kraftwerke, Microgrids, Elektromobilität oder Lösungen für das Gebäude- und Energiemanagement zählen. Ziel ist ein intelligentes System, in welchem Erzeuger, Stromnetz, Speicher und Verbraucher autonom interagieren. Doch bevor dieses realisiert werden kann, braucht es zusätzliche Speicherkapazitäten, sowohl auf Netzebene, wo der Energiefluss innert Sekundenbruchteilen reguliert werden muss, als auch im Bereich der Langzeitspeicher. Es gibt demnach noch viel zu tun. ∙
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