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«Ohne BIM kein Auftrag»
«Ohne BIM keinen Auftrag»
Projektentwicklung – Building Information Modeling revolutioniert Planungs- und Bauprozesse. Doch fordert die neue Baumethode auch von allen Beteiligten ein konsequentes Umdenken, solidarisches Miteinander und kontinuierliches Lernen. Eine Herkulesaufgabe für Bauherren, Projektentwickler und Architekten.
Von Susanne Osadnik – Fotos: zVg
Für die Schweiz war es ein Pilotprojekt – ein wegweisendes, wie sich bald herausstellen sollte. Ohne die deutlichen Worte von Jean Luc Perrin wäre seine Realisierung vermutlich aber gar nicht möglich gewesen wäre. Denn als Mitglied der Spitaldirektion fand Perrin von Anfang an deutliche Worte, als es um den Neubau des Felix-PlatterSpitals in Basel und die Ausschreibung des Wettbewerbs für diesen Grossauftrag ging. Die schlichte und eindrückliche Botschaft «Man setzt vor des Diplom-Ingenieurs, der als interner allem während des Planungsprozesses Projektleiter verantwortlich für das Bauvorhaben zeichnete, lautete: «Ohne BIM keinen Auftrag.» auf das Know-how aus Vergleichspro- Gelungenes Pilotprojekt jekten und auf enge Das Kürzel BIM steht für Building Infor-
Zusammenarbeit der Beteiligten.» mation Modeling, eine Arbeitsmethode für vernetzte Planung sowie Bau und Bewirtschaftung von Gebäuden mithilfe
Tamara Bott, Drees & von Software – und der inzwischen verSommer Schweiz storbene Spitalmanager war überzeugt, dass man mit dieser Vorgehensweise Kosten und Zeit bei Bau und Planung sparen und später auch den Gebäudebetrieb besser steuern kann. Jean Luc Perrin sollte recht behalten: Denn BIM erlaubt nicht nur die Integration und Nutzung aller notwendigen Daten über alle Projektphasen hinweg – die Informationen können nach der Fertigstellung auch ins Facility Management überführt und kontinuierlich abgeglichen und fortgeschrieben werden. Der Entwurf, der dafür den besten Ansatz lieferte, war bezeichnenderweise das «Hand in Hand»Projekt der Architekturbüros Wörner Traxler Richter Planungsgesellschaft mbH aus Frankfurt am Main und Holzer Kobler Architekturen aus Zürich, die im Dezember 2014 den Auftrag für den Bau des neuen Spitals erhielten. Damals war das Votum des Beurteilungsgremiums einstimmig: «Das Projekt überzeugt mit einer subtilen städtebaulichen Haltung sowie der geforderten Wirtschaftlichkeit in der Erstellung wie auch im Betrieb. Es weist das beste Preis-Leistungs-Verhältnis auf.» Inzwischen sind immer mehr Spitäler dem Beispiel von Felix Platter gefolgt. Denn der Kosten- und der Wettbewerbsdruck sind erheblich und setzen das Gesundheitswesen sowie die Kliniken unter Sparzwang. Gleichzeitig steigen die Ansprüche an Bauökologie, Ästhetik und Architektur.
Alle Projektbeteiligten sind gefordert
Besser, schöner, nachhaltiger und trotzdem kostengünstiger? Um der Quadratur des Kreises gerecht zu werden, bedarf es immer häufiger der Fachleute, die sich nicht nur mit traditionellen Bauprozessen auskennen, sondern auch mit zeitgemässen Techniken und Technologien. Am Universitätsspital Basel (USB), das zurzeit mehrere Neubau- und Ausbauprojekte plant, kommt daher auch BIM zum Einsatz. Die Entwicklung des Areals gilt zurzeit als wichtigstes Infrastrukturvorhaben des USB – vor allem deshalb, weil es die Vernetzung der benachbarten Areale Schällenmätteli und Universität mit dem Campus entsprechend dem Masterplan Campus Gesundheit vorsieht. Das übergeordnete Ziel: Forschung, Lehre und medizinische Dienstleistung besser miteinander zu verbinden. «Um das zu gewährleisten, setzt man vor allem während des Planungsprozesses auf das Know-how aus Vergleichsprojekten und auf enge Zusammenarbeit der Beteiligten», erklärt Tamara Bott, Projektmanagerin bei Drees & Sommer Schweiz. Das international aufgestellte Beratungsunternehmen im Bau- und Immobiliensektor begleitet derzeit mehrere Spitalprojekte in Zürich, Basel und Bern. Jedoch sei jedes Bauprojekt ein individuelles Unterfangen, sagt Bott: «Man kann die Erkenntnisse und Erfahrungen aus einem Projekt nicht eins zu eins auf neue Bauvorhaben übertragen», so Bott.
BIM ist keine Schablone, die sich einfach überstülpen lässt. Vielmehr ist es eine Methode, die Planungsabläufe im Baugewerbe komplett verändert – und damit auch alle Beteiligten auf nie gekannte Art zur Zusammenarbeit fordert. Alle Arbeitsabläufe von Architekten, Tragwerksplanern oder Fachplanern müssen neu koordiniert werden. Dank BIM kann ein Projekt vollständig virtuell durchgeplant werden, was nicht zuletzt Kosten spart. Denn Schwierigkeiten, die sich vielleicht sonst erst auf der Baustelle ergeben, können im Vorfeld erkannt und bereits im Planungsprozess behoben werden. Ein weiterer Pluspunkt: Wenn in der Projektierung bereits konkrete Vorgaben aus dem Informationsbedarf des Betriebs einfliessen, können diese nach Fertigstellung direkt in die Systeme des Facility Managements übernommen werden. Damit das klappt, müssen alle Verantwortlichen vollständig umdenken und sich von ihren bisherigen Herangehensweisen verabschieden. Das passiert nicht von heute auf morgen, weiss auch Patrick Pick aus langjähriger Erfahrung. «Es ist ein stetiger Prozess, der auf kontinuierlichem Lernen basiert», so der Projektmanager von Drees & Sommer. «Wenn man allen Beteiligten die Sorge nimmt, Fehler zu machen und stattdessen eine offene und ehrliche Fehlerkultur praktiziert, aus der man lernen kann, ist das schon der erste Schritt zu mehr Miteinander.» Flexible Denkweisen müssten genauso reifen wie neue Formen der Kommunikation, die die Grundvoraussetzung für das Gelingen von BIM sind. Auch das Bewusstsein, dass alle gemeinsam bis zur Fertigstellung eines Bauvorhabens in einem Boot sitzen, sei enorm wichtig. «Häufig sind den Projektbeteiligten ihre Rollen «Durch BIM wurde noch nicht bewusst», sagt Pick. «Wir auch die Tür für machen im Rahmen unserer Arbeit daher immer wieder darauf aufmerksam, dass alle Projektbeteiligten gleicherweitere digitale Prozesse geöffnet, massen aktiv an Planungsprozessen dadurch konnten teilnehmen müssen und ein wichtiger sich wiederholende, Teil des gesamten Ablaufes sind.» zeitintensive ProJe mehr im Vorfeld geklärt werde, desto besser könne man auch die Bauherren von ihrem Engagement überzeugen, ist zesse erheblich verbessert werden.» Tamara Bott überzeugt: «Man muss den Jochen Köhler, Sinn und Zweck bestimmter Prozesse Implenia AG genau erklären und darlegen, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt geliefert werden müssen. Dann erspart man allen Beteiligten später langwierige Diskussionen.»
Unabdingbar: eine exakte Zieldefinition
Mit ein Grund, warum BIM in der Praxis noch nicht so flächendeckend zum Einsatz kommt, ist aber gerade die frühe Festlegung und auch Offenlegung aller Informationen und Ideen. Kann ich später noch etwas ändern? Oder schränke ich mich
Bei den Neubau- und Ausbauprojekten des Basler Universitätsspitals kommt BIM zum Einsatz.
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Das Universitätsspital Basel soll Forschung, Lehre und medizinische Dienstleistung optimal verbinden.
durch frühzeitige Planungen nicht ein? Das sind neben rechtlichen Fragen die grössten Vorbehalte gegenüber der neuen Methodik. Aber auch Eigentumsaspekte sind noch nicht hinreichend geklärt und werden häufig diskutiert: Wem gehören die digitalen Bauwerksmodelle? Dem Ingenieur, dem Architekten oder dem Auftraggeber? Da BIM-Modelle aus Daten bestehen, die aufgrund fehlender Körperlichkeit nicht als Sache gelten, gehen die Meinungen, ob überhaupt Eigentumsrechte an Daten zu erheben «Es ist ein stetiger Prozess, der auf kontinuiersind, auseinander. Dennoch sollten sich alle Beteiligten vor Projektstart darüber verständigen, rät Huber, Leiter des Instituts Digitales Bauen an der Fachhochlichem Lernen schule Nordwestschweiz FHNW, in eibasiert.» nem Fachartikel: «Es empfiehlt sich, Patrick Pick, Drees & Sommer soweit wie möglich schon bei Projektbeginn konkret zu definieren, zu welchem Zweck digitale Bauwerksmodelle genutzt werden sollten und welche Ziele damit zu erreichen sind. Building Information Modeling als Zweck zu nennen reicht nicht. Vielmehr führt eine fehlende Zieldefinition dazu, dass die digitalen Bauwerksmodelle den gewünschten Nutzen nicht ermöglichen.»
Deutlicher Wettbewerbsvorteil
Wer indes rechtzeitig die wichtigsten Fragen klärt, über professionelle Mitarbeiter verfügt und auf Projekterfahrungen zurückgreifen kann, hat nach Ansicht von Fachleuten bereits heute einen Wettbewerbsvorteil. Denn immer mehr Unternehmen freunden sich mit der BIM-Methode an. Das sieht man auch bei Implenia so. Der multinational agierende Baudienstleister profitiert bereits vom digitalen Wandel und von Trends in der Bauindustrie, indem er Raum schafft für neue Ideen und Lösungsansätze: Nach eigenen Angaben wurde schon 2019 gruppenweites Vorgehen definiert, dessen Ziel es ist, einen einheitlichen digitalen BIM-basierten Prozess über die ganze Wertschöpfungskette hinweg zu etablieren. Ein globales BIMTeam habe Anwendungsfälle weiterentwickelt, die zum Teil divisionsübergreifend erprobt würden. Lokale BIM-Experten unterstützten die Projektteams in der Anwendung. Darüber hinaus hätten die Divisionen Buildings, Development und Civil Engineering jeweils ein eigenes BIM-Core-Team etabliert. Durch die geplante Kombination von BIM und Lean Construction sei Implenia in der Lage, Prozesse und Daten effizient miteinander zu verknüpfen und Informationen über den kompletten Lebenszyklus eines Bauwerks zu verwalten. Dass BIM die Wettbewerbsfähigkeit von Implenia stärke, werde bereits über Aufträge wie die Entwicklung des Stadtviertels Lokstadt in Winterthur oder den Varbergtunnel in Schweden deutlich. Nun gehe es zunehmend darum, alle Prozesse flächendeckend zu digitalisieren. BIM verbessere nicht nur die Effizienz und die Qualität der Projekte, sondern fördere auch die Kollaboration unter den Kollegen. «In der Division Buildings und Civil Engineering haben wir bereits neue Ideen umsetzen können. Und auch der Kontakt zum Kunden hat sich verändert: Wir arbeiten intensiver und vertrauensvoller zusammen», heisst es im Geschäftsbericht 2019. Beispiel Varbergtunnel: «Die Kollaboration und Planungskoordination wurde durch den Einsatz von BIM erheblich vereinfacht. Bei Varberg arbeiten sehr viele verschiedene Fachplaner an einem Grossprojekt zusammen. Das ist nur durch BIM möglich», erläutert Jochen Köhler, Global Head BIM bei Implenia. «Durch BIM wurde auch die Tür für weitere digitale Prozesse geöffnet, dadurch konnten sich wiederholende, zeitintensive Prozesse erheblich verbessert werden. Varberg ist ein Beispiel, dass die Digitalisierung funktioniert und im Bauwesen immer mehr kommen wird.» Auch beim nächsten anstehenden Projekt, dem Bau des Tunnels Lyon-Turin, könnten Planungskoordination und Kollaboration ähnlich angewendet werden, ist Köhler sicher: «Einige Prozesse, etwa der Bewehrungseinbau aus Varberg, sind auch schon in anderen Projekten im Einsatz.» Und auch die «papierlose Baustelle», mit der man beim Varbergtunnel gute Erfahrungen gemacht habe, lasse sich gut auf andere Projekte übertragen. ∙
Innovationen bei Bouygues Energies & Services
Bei Bouygues Energies & Services ist die Innovationskultur ein integraler Teil der Unternehmens-DNA. Getreu ihres Claims «Shared Innovation» entwickelt die global tätige Unternehmensgruppe gemeinsam mit Mitarbeitenden, Partnern und Kunden intelligente Lösungen, die Mehrwerte schaffen und schon heute Antworten auf die Zukunftsfragen bieten. Von zentraler Bedeutung ist dabei die interne Forschungs- und Entwicklungsorganisation, welche als Impulsgeber wirkt und den internationalen Austausch von Know-how zwischen der Gruppe garantiert. Neue Methoden, Tools und Services werden im Rahmen von regelmässig stattfindenden Workshops mit den Konzernschwestern geteilt und kollaborativ weiterentwickelt. Diese interdisziplinäre Vernetzung über Landesgrenzen hinweg schafft Synergien sowie neue Perspektiven.
Eine strategische Achse für die kommenden Jahre liegt insbesondere auf den Bereichen Smart Building und Smart City. Auf Grundlage unserer Kernkompetenzen in den Bereichen Security, Automation und ICT beschäftigen wir uns mit der Konvergenz zwischen konventioneller Automation und ICT-Lösungen. Dafür entwickeln wir Prototypen von Building Operating Systems (BOS), welche unter Einbindung unterschiedlichster Systeme und auch des «Internet der Dinge» (IoT) entstehen. Über die Verknüpfung und den Abgleich von Daten, Sensoren und Prozessen wird eine erhebliche Verringerung des Ressourcenverbrauchs bei gleichzeitiger Verbesserung des menschlichen Komforts, bzw. der Wirtschaftlichkeit im Unterhalt ermöglicht. Unabhängig davon, ob der Energieverbrauch nachhaltig gesenkt, die Sicherheit erhöht, der Komfort verbessert oder eine bessere Auslastung ihrer Immobilien angestrebt werden soll: Bouygues Energies & Services ist stets darauf bedacht, innovative, zukunftsfähige und wertsteigernde Lösungen zu entwickeln und ihren Kunden zugänglich zu machen.
Gelebte Innovation am Beispiel der IAA
Die Internationale Arbeitsamt (IAA) in Genf residiert in einem der grössten Gebäude der Schweiz. Gearbeitet wird täglich rund um die Uhr. «Während der Renovation des Gebäudes haben wir die Elektroinstallationen und die Automatisierung für die 1500 Arbeitsplätze vorgenommen. Für die Wartung in den Büros (Heizung, Klimaanlage, Jalousien, Beleuchtung etc.) bleibt nur wenig Zeit. Dank unserer Technikauswahl sind wir Marktführer und können eine Lösung anbieten, bei der nicht mehr jedes Büro einzeln verwaltet wird, sondern jede Etage über eine zentralisierte intelligente Verwaltung verfügt. Dank dieser innovativen Herangehensweise konnte Bouygues Energies & Services die Zahl der erforderlichen Geräte zur Steuerung der Anlagen erheblich reduzieren. Um den Auftrag zu erhalten, haben wir Produkte aus der Industrie in die Gebäudeverwaltung eingeführt. Jetzt gehen alle Alarme des Gebäudes, also von rund 300 000 Überwachungspunkten, in einem zentralen Hypervisor ein», erläutert Jean-Marie Zimmer, Leiter der Abteilung Sicherheit & Automatisierung in Prilly.
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Das Gebäude des internationalen Arbeitsamts der Vereinten Nationen in Genf. Die Büros werden nicht einzeln verwaltet sondern über eine zentralisierte intelligente Steuerung.
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