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Dossier Nummer 1

Die 2.S채ule im Umbruch Ziele, Massnahmen und Folgen der BVG-Strukturreform einfach erkl채rt.


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Editorial Was bezweckt die Reform? Viele kleine und ein paar grosse Änderungen Neue Aufsichtsregelung Striktere Governance-Regeln Transparenz versus höhere Kosten Interview mit einem Stiftungsrat Wir über uns Hier finden Sie uns Unsere Verantwortlichen

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Vorsorgeeinrichtungen vor fundamentalen Veränderungen

Liebe Leserin, lieber Leser Die Strukturreform der beruflichen Vorsorge (BVG) bringt für die Vorsorgeeinrichtungen eine Vielzahl von fundamentalen Ver­ änderungen. Sie fordert die Vorsorge­ einrichtungen dazu auf, zum Wohl der Versicherten eine grundsätzliche Überprüfung durchzuführen und eine umfassende Lagebeurteilung vorzunehmen.

Wichtig für alle in der Vorsorge tätigen Akteure ist daher, nicht bloss die Strukturreform nach Buchstaben zu befolgen, sondern darüber hinaus durch ihre persönliche Integrität zu überzeugen. Ihr Daniel Werdenberg, Geschäftsführer

Obwohl der Bundesrat die BVV-Verordnungen 1 und 2 weitgehend gemäss den Einwänden aus der Branche überarbeitet hat, bleiben aber insbesondere für kleinere Einrichtungen Herausforderungen bestehen. Zudem fehlen für einzelne Bestimmungen die gesetzlichen Grundlagen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob und wie die schärfere Regulierung der Branche Wirkung zeigt und ob das verlorene Vertrauen der Bevölkerung in die 2. Säule wiedergewonnen werden kann. Dass die Bevölkerung hinter der BVG steht, ist aber vordringlich. Denn nur mit der Unterstützung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger lassen sich die anstehenden gravierenden finanziellen Herausfor­ derungen lösen.

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Was bezweckt die Reform? Die Strukturreform der beruflichen Vorsorge ist die Reaktion auf den Schock über das Volks-Nein zum Umwandlungssatz vom März 2010. Die Konsequenzen für Vorsorgeeinrichtungen sind noch schwer absehbar. Der Urnengang vom 7. März 2010 über eine Senkung des Umwandlungssatzes war ein Schuss vor den Bug der Pensionskassen und des Bundesamts für Sozialversicherungen. Das Volk gab mit seinem Nein zu verstehen, dass es wenig Vertrauen in die berufliche Vorsorge hat. Unter dem Schock des Abstimmungsausganges verabschiedete das eidgenössische Par­ lament nur wenige Tage später – am 19. März 2010 – die Strukturreform der be­ruf­lichen Vorsorge. Der erste Teil war bereits am 11. Dezember 2009 durchgewinkt worden. Vordergründig haben Abstimmung und Strukturreform nichts miteinander zu tun.

Doch greift die Strukturreform diverse Themen auf, die im Abstimmungskampf ins Feld geführt worden waren. So setzten sich die eidgenössischen Räte Transparenz als oberste Devise für die Reform. Waren doch nicht zuletzt die vermeintlich zu hohen Verwaltungskosten der 2. Säule, insbesondere die Vermögensverwaltungskosten, von den Gegnern eines tieferen Umwandlungssatzes als Waffe im Abstimmungskampf genutzt worden. Verschiedene Knackpunkte Das Streben nach Transparenz zeigt verschiedene Auswirkungen auf die Vorsorgeeinrichtungen. Als Folge der Strukturreform müssen Pensionskassen nicht nur ihre

Neuordnung für öffentlich-recht­liche Vorsorgeeinrichtungen Nebst der Strukturreform hat das eidgenössische Parlament am 17. Dezember 2010 ebenfalls eine BVG-Änderung zur Finanzierung von öffent­lich-recht­lichen Vorsorgeeinrichtungen ver­ abschiedet. Künftig müssen Institutionen mit einem Deckungsgrad von unter 80 Prozent Massnahmen ergreifen, um innert 40 Jahren den Zieldeckungsgrad von 80 Prozent wieder zu erreichen. Die entsprechende Änderung des Gesetzes tritt auf den 1. Januar 2012 in Kraft. Die öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen sollen zudem rechtlich, organisatorisch und finanziell aus der Verwaltungsstruktur herausgelöst und verselbständigt werden. Für die Anpassung an die organisatorischen Anforderungen haben die Vorsorgeeinrichtungen Zeit bis Ende 2013.

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Verwaltungskosten präziser ausweisen. Sie werden nach wie vor einer kantonalen bzw. re­ gionalen Aufsichtsbehörde unterstellt. Diese wird neu von einer zu errichtenden Oberaufsicht kontrolliert. Die Aufgaben von Revisionsstelle und Experten werden klarer umschrieben. Und für alle in der Verwaltung von Vorsorgegeldern tätigen Personen gelten strengere Vorschriften bezüglich Integrität und Loyalität. So viel positiver Wille dahinter steckt: Die Reform hat auch Schattenseiten. Fachleute warnen davor, dass die Verwaltungskosten wegen dieser strengeren Auflagen steigen könnten. Beziffert doch der Bundesrat selbst die Kosten für die neue Oberaufsicht auf 80 Rappen pro versicherte Person und zusätzlich 300 Franken pro beaufsichtigte Vorsorgeeinrichtung. Die Kostenerhöhung könnte noch für politische Auseinandersetzungen sorgen. Denn laut einer Umfrage des Pensionskassen­ verbandes ASIP wären nur gut ein Viertel der Befragten einer Demoscope-Studie bereit, für eine strengere Regulierung höhere Verwaltungskosten zu akzeptieren. 56 Prozent dagegen sind sicher oder eher gegen höhere Verwaltungskosten.

Nicht nur die Kosten sind ein Knackpunkt der Reform. Ebenso wird befürchtet, dass die Komplexität der Administration zunehmen wird. Kritiker warnen zudem, dass die Jahresrechnung sich wegen der zusätzlichen Detailauskünfte verteuern könnte. Ebenso dürften die Ausgaben für Aus- und Weiterbildung steigen. Und nicht zuletzt wird eine Zunahme von Rechtsfällen bei den nicht vollständig geklärten Sachver­ halten befürchtet. Ziele der BVG-Strukturreform

Transparenz

Governance

Unabhängigkeit

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Viele kleine und ein paar grosse Änderungen Die BVG-Strukturreform wird in drei Etappen eingeführt. Die Umsetzung erfolgt zwischen 2011 und 2012. Was sich alles ändert.

Die neuen Verordnungen Die Verordnung über die Aufsicht in der beruflichen Vorsorge BVV1 ersetzt die bisherige BVV1. Die Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invali­ denvorsorge BVV2 wird teilrevidiert. Die Verordnung über die Anlagestif tungen ASV wird neu geschaffen. Weitere Infos: www.bsv.admin.ch

Die BVG-Strukturreform gliedert sich in drei Hauptbestandteile. Die erste Etappe beinhaltet Massnahmen zu Gunsten von älteren Arbeitnehmenden. Sie ist bereits seit Januar 2011 in Kraft. Neu können erwerbstätige Personen bis zur Vollendung des 70. Altersjahres weitere Altersgutschriften äufnen. Und wenn Angestellte ab dem 58. Altersjahr ihr Arbeitspensum um höchstens die Hälfte reduzieren, sollen sie trotzdem auf eigenen Wunsch bis 65 den vollen Lohn weiterversichern können. Bundesrat reagiert auf harsche Kritik Weitreichendere Auswirkungen auf Strukturen, Prozesse und Akteure innerhalb der beruflichen Vorsorge haben die zweite und dritte Etappe. So strebt die Reform im Be-

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reich Transparenz und Governance wesentliche Veränderungen an. Die zweite Etappe wurde am 1. August 2011 umgesetzt. Der Bundesrat hat in seinen Bestimmungen auf die harsche Kritik reagiert, die dem Entwurf der Verordnungsänderung in der Vernehmlassung entgegenschlug. Kritisiert wurden bei der Teilrevision der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV2) besonders die Vorschriften über ein internes Kontrollsystem (IKS). Der Bundesrat hat in der definitiven Fassung nun verschiedene Erleichterungen eingebaut. Die Pensionskassen haben bis zum 31. Dezember 2012 Zeit, ihre Organisation, Reglemente und Verträge anzupassen. Erstmals werden sie dann im Rechnungsjahr 2012 nach den neuen Bestimmungen geprüft. Tiefere Kosten Am 1. Januar 2012 treten auch die Bestimmungen zur neuen Aufsichtsstruktur in Kraft. Die neue Oberaufsichtskommission wird ebenfalls dann ihre Arbeit aufnehmen. Die Verordnung über die Beaufsichtigung und die Registrierung der Vorsorgeeinrichtungen (BVV1) wird im Zug dieser dritten Etappe aufgehoben. Sie wird ersetzt durch


die Verordnung über die Aufsicht in der beruflichen Vorsorge (BVV1). Auch hier hat der Bundesrat auf gewichtige Kritikpunkte reagiert. So wird der Geltungsbereich von BVV1 präzisiert. Auch hat der Bund auf die Vorwürfe der Kostensteigerung reagiert. In der definitiven Umsetzung wird die Stellenzahl der Oberaufsichtskommis­ sion und ihres Sekretariats von 29,8 auf

ma­ ximal 25,5 reduziert. Das ergibt eine Kosten­einsparung von 20 Rappen pro versicherte Person auf neu 80 Rappen pro Jahr. Bei Verwaltungs-, Vermögensverwaltungsund Arbeitsverträgen findet zudem während der Gründung einer Einrichtung keine Vorprüfung der Entwürfe durch die Aufsichtsbehörde statt. Das war im Entwurf der Verordnung noch vorgesehen.

Bei diesen Punkten der BVV2 hat der Bundesrat eingelenkt Eine der Grösse und Komplexität der Vorsorgeeinrichtung angemessene in terne Kontrolle wird als ausreichend erachtet. Die Unabhängigkeitsanforderungen an Revisionsstelle und Experten für beruf liche Vorsorge wurden gestrafft. Das Verbot von Dauerverträgen wurde ge strichen. Die umstrittenen Vorschriften be treffend Leistungsverbesserungen bei nicht vollständig geäufneten Wert schwankungsreserven werden auf Sam mel- und Gemeinschafts-Einrichtungen beschränkt. Firmeneigene Kassen sind nicht betroffen.

Präzisierung, dass die Entschädigungs art und -höhe von Geschäftsführern, ­Verwaltern oder Ver­mögensverwaltern in einer Vorsorgeeinrichtung eindeutig bestimmbar schriftlich festgehalten werden müssen. Alle darüber hinaus gehenden Vermögensvorteile müssen der Vorsorgesorgeeinrichtung abgelie fert werden. Geschäftsführer und Vermögensverwal ter müssen ihre Interessenverbindun gen nur gegenüber dem obersten Organ offenlegen, nicht aber gegen über der Revisionsstelle. Die Pflicht, Konkurrenzofferten einzu­ holen, wird auf bedeutende Rechtsge schäfte mit Nahestehenden beschränkt.

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Bei der Gründung einer Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtung ist eine Garantiestellung auch mittels Vollversicherungsvertrag möglich. Und die Frist für die Durchführung paritätischer Wahlen bei Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtungen wird auf ein Jahr nach Erlass der Aufsichtsübernahmeverfügung verkürzt. Erstmals gesetzlich erfasst Mit der Strukturreform werden Anlagestiftungen erstmals gesetzlich erfasst und der BVG unterstellt. Im Zusammenhang mit dieser Neuregelung wurde die neue Verordnung zu den Anlagestiftungen ASV geschaffen. Darin sind der zugelassene Anlegerkreis, die Äufnung und Verwendung des Vermögens, dessen Anlage, die Buchführung und die Rechte der Anlegenden festgelegt.

Die betroffene Konferenz der Geschäftsführer von Anlagestiftungen KGAST hält in ihrer Stellungnahme zur ASV fest, dass die definitive Verordnung für die meisten Mitglieder keine inakzeptablen Vorschriften enthält. Tatsächlich hat der Bundesrat auf diverse Vorwürfe in der Vernehmlassung reagiert und mehrheitlich die heutige Praxis bestätigt. Zudem wurden Erleichterungen aufgenommen. So werden etwa bei der Vorprüfung nur Statuten und Reglemente berücksichtigt. Und bei der Fokussierung von Anlagegruppen kommt eine prozentuale Abweichung vom Index zum Zug anstelle des Tracking Errors.

Die zentralen Punkte der BVG-Strukturreform Ausführlicher Aufgabenkatalog des Stif­ tungsrates, der aus mindestens vier Mitgliedern bestehen muss. Klare Anforderungen an Integrität und Loyalität für alle in der Vorsorge täti gen Personen. Offenlegung von Rechtsgeschäften mit Nahestehenden. Vermögensvorteile von Dritten müssen an die Vorsorgeeinrichtung abgeliefert werden. Verbot, Insiderwissen zu nutzen. Detailliertere Darstellung von Verwal tungskosten in der Jahresrechnung.

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Klarerer Beschrieb von Aufgaben der Revisionsstelle und Experten. Neue Oberaufsicht. Direktaufsicht von Vorsorgeeinrich tungen mit nationalem und über nationalem Charakter geht an Kan tone bzw. regional organisierte Auf sichtsbehörden über. Kantonale Aufsichtsbehörden in Form von öffentlich-rechtlichen Anstalten. Anlagestiftungen werden erstmals ge setzlich erfasst.


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