Antonioni, Michelangelo,‘Beyond the Clouds‘, Film, 1995
„We know that behind every image revealed there is another image, more faithful to reality, and in the back of that image there is another, and yet another behind the last one, and so on, up to the true image of the absolute mysterious reality that no one will ever see.“
FOTOGRAFIE Re p ro d u k t i o n M a n i p u l at i o n
Architektur im Bild der Fotografie
erarbeitet von Theresa Allekotte unter Betreeung von Prof. Kazu Blumfeld Hanada msa I münster school of architecture 11. August 2015
In h a l t sv e r ze i c h n i s
1. Einleitung: Reproduktion und Manipulation
7
2. Entstehung der Fotografie
11
3. Walter Benjamin: Kunst und Fotografie
17
3.1 Evozierte Staffage
19
3.2 der Begriff der ‘Aura‘
25
4. Das Neue Sehen
35
4.1 Blickwinkel und Bildkomposition
37
4.2 Perspektivischer Wahrnehmungswandel
43
4.3 Exkurs physiologische Wahrnehmung
49
5. Imaginäres Museum und Überlieferung kulturellen Erbes
51
6
Apparatgedächtnis
59
7
Siegfried Kracauer
63
7.1 Zeitgebundene Fotografie
65
7.2 Massenmedium Fotografie
71
8. Susan Sontag: Fotografien als Bruchstücke der Welt
75
9. Frühe Pressefotografie und Bildbau Propaganda
81
10. Henri Cartier-Bresson: Der entscheidende Augenblick
87
11. Architektur Fotografie Medien
93
11.1 Mies van der Rohe: Macht der Printmedien
97
11.2 Künstlerische Architekturfotografie
11.2.1 Hélène Binet
12.Objektivität der Düsseldorfer Schule: Die Bechers
105 113
119
12.1 Andreas Gursky
123
12.2 Thomas Ruff
127
13. Mediale Verbreitung der Architektur im Zeitalter Visualisierung
131
Bachelorarbeit 14. Architektursprache und Fotografie Herzog & de Meuron
141
15. Motivwahl Elbphilharmonie
149
Künstlerisches Artefakt
167
Danksagung
169
Literaturverzeichnis
171
Abbildungsverzeichnis
175
1 .
E i nl ei t u n g : Re p ro d u kt i o n u n d M a n i p u l a t i o n E i n e s d e r P h ä nome n e de r Fot ografi e i st e s, u n se re Et h i k de s Seh e n s u n d di e n at ü rl i c h e Wah rn e h mu n g u n se re r Umwe l t zu b e e i n fl u sse n .
Eines der Phänomene der Fotografie ist es, unsere Ethik des Sehens und die natürliche Wahrnehmung unserer Umwelt zu beeinflussen. In der Tätigkeit des Fotografierens liegt die Aufgabe, die Realität zu erfassen und sie parallel in die als ‚aufbewahrendes Medium’ dienende Kamera zu übertragen. Es entsteht ein visuelles Gedächtnis aus technisch erzeugten Bildern. Doch das wahrheitsgetreue Abbilden von Objekten spielte in der Kunst und der Fotografie schon immer eine verantwortungsvoll große Rolle. Die Identität der Fotografie ist gesellschaftlich und kulturell geprägt, sie dient aber immer dem Abbilden des Tatsächlichen. Doch auch die Fotografie kann die Realität nicht einfangen. Das Sehen und Nachbilden eines Motivs ist schon seit Langem mit der Thematik der objektiven Interpretation des Wirklichen behaftet. Wenn der Fotoapparat aufnimmt, reproduziert er. Allein diese Reproduktion ist eine Interpretation des Wirklichen. Die Wahl des Ausschnittes, Blickwinkels oder Zeitpunkt der Aufnahme impliziert eine gebaute Szene, ob unbewusst oder bewusst. Es gibt keine Objektivität in der Fotografie. Das Bild als eigentliches Mittel und Medium der Erkenntnis, ist der Manipulation unterlegen. Es entsteht eine zweiseitige Thematik, denn einerseits gilt die Fotografie als realistischste Wiedergabe der Gegebenheiten, dennoch ist sie eine individuelle Deutung. Inwiefern ist ein Foto manipulierte Interpretation oder neutrale Abbildung der Wirklichkeit?
7
Durch das digitale Zeitalter und die Massenverbreitung der Fotografie in den Medien, ist der Status des Aufnahmemediums umso prekärer. Der Alltag wird permanent bildlich begleitet, und die Nachfrage nach Fotografien ist größer als die nach Texten. Die allgegenwärtige Reproduktion der Fotografie ist ein Konstrukt der Realität, plastisch figurative Objekte werden in ein ebenes Flächengebilde übersetzt und reduziert. Dabei gehen wichtige Informationen verloren. Bei der analogen Fotografie ist der Wahrheitsgehalt höher, da nur das Trägermaterial, zum Beispiel ein Film, zwischen Motiv und Abbild steht. Durch die digitale Aufnahmeweise ist die Möglichkeit der Bildbearbeitung unbegrenzt. Der mediale Bilderbau hat Auswirkungen auf die menschliche Wahrnehmung. Ob eine Fotografie neutral und dokumentarisch die Realität versucht wiederzugeben oder eine produzierte Fälschung darstellt, ist nicht nachzuvollziehen. Dennoch nehmen die Menschen denselben Standpunkt wie der in den Medien ein und orientieren sich naiv auf das in sekundenbruchteile geschossene Foto, welches aus einem viel umfangreicheren Prozess herausgenommen wurde. Bei der Architekturdarstellung herrscht ein ähnlicher Fall vor. Viele namenhafte Architekten beschäftigen sich mit dem Thema der Fotografie. Mittels der fotografischen Abbildung in den Medien kann die Architektur von Massen rezipiert werden. Jeder kennt das Sydney Opera House, die meisten sind noch nie dort gewesen. Der Zustand des Objektes ist nur häufig idealer dokumentiert, als die Realität selbst, der Aha-Effekt bleibt aus. Das Gebaute muss transportiert werden, sonst ist es nicht 8
(vgl. Sam 2013, S.23)
populär. Architekten versuchen ihre Gestaltungsideen bildlich darzustellen oder die existieren Gebäude ins beste Licht zu rücken. Bei Entwurfsideen eines zukünftigen Bauprojekts, geht es um die bestmöglichste Visualisierung des fiktiven Gebäudes. Öffentlichkeitswirksame Werbebilder verhelfen dem Projekt zur Realisation. Ein Rendering zeigt ein ikonisches Idealbild, bei welchem die Gefahr besteht, der Realität nicht nachzukommen. Es wird „eine Sicht auf das Haus suggeriert, welche (Sam 2013, S.24)
die einzig Richtige zu sein beansprucht“. Welche Auswirkungen hat die digitale Visualisierung, mit dessen Hilfe eine fiktive Realität produziert wird, auf unsere Vorstellung des gebauten
(Sam 2013, S.24)
Raums? Der Anspruch meiner Arbeit ist es, die Bedeutung der Reproduzierbarkeit und die gesellschaftliche Funktion der Fotografie, insbesondere in Zusammenhang mit den Medien und der Architekturdarstellung, zu untersuchen. Über die Geschichte der Fotografie, bis hin zu kritischen Auseinandersetzungen unterschiedlichster Schriftsteller über das Medium Fotografie und dessen medialen Einfluss und zu dem Aspekt, dass Abbilder die eigentliche sichtbare Erscheinung verändern wird die Problematik von digital visualisierten Bildern thematisiert. Diese sind großer Bestandteil der Architekturbranche geworden. Daher wird untersucht, inwieweit sich eine bildorientierte Architektur auf eine medial wirksame Geste reduziert und in welchem Ausmaß sich das unwirkliche Abbild 9
von dem Wirklichen entfernt. Darüberhinaus wird untersucht, welche Absicht hinter einem gebauten Bild steht, welches vor seiner Realisierung als Aushängeschild des zukünftigen Baus veröffentlicht wird. Anhand der aktuellen Problematik wurde ein in den Medien präsentes und im Bau befindliches Gebäude analysiert und für diesen Vergleich herangezogen. In meinem praktischen Teil der Bachelorarbeit werde ich auf die Gesichtspunkte meiner Vertiefung eingehen und eigens Fotografien anfertigen. Da mein Thema auf einer sehr theoretischen Basis fungiert, wird auf abstrakte und plakative Art und Weise ein Artefakt erstellt, welches die Kernaussage der Arbeit bündelt und künstlerisch wiedergibt.
1 0
(Sam 2013, S.24)
2 .
E n t ste h u n g d e r Fo to g ra fi e
(Talbot zit, nach: Kemnitz 2011).
„ E s h an de l t si c h u m e t was wi e v e rwi rk l i c h t e M agi e : N at ü rl i c h e s Zau b e rwe rk . Ma n l ä s s t di e Kräft e de r N at u r fü r si c h arbe i t e n [ ...] .“
Das die Fotografie im weiten Sinne schon im Zeitalter des 4. Jahrhunderts v. Chr. seinen Ursprung findet, ist schwer zu glauben. Dennoch hat Aristoteles zu diesem Zeitpunkt die Erzeugung eines auf dem Kopf stehenden Bildes beschrieben, bei welchem das Licht durch ein kleines Loch in einen dunklen Raum fällt. Die Grundlage der ersten Lochkamera. Camera Obscura ist Urform der fotografischen Kamera
Die Camera Obscura besteht aus einem lichtschwachen Hohlkörper und einem schmalen Loch beziehungsweise einer Sammellinse, durch welche mithilfe des Lichtes eine auf dem Kopf stehende und spiegelverkehrte Szene an die Rückwand des Kastens projiziert wird. Durch die Wahl einer transparenten Rückwand kann das Abgebildete von außen angesehen werden, insofern für ausreichende Verdunklungsmaßnahmen, wie beispielsweise ein lichtundurchlässiges Tuch über dem Kopf des Betrachters, gesorgt ist. Die Entfernung der Rückwand zur Öffnung
der geometrische Strahlensatz beschäftigt sich mit Streckenverhältnissen
spielt außerdem eine Rolle, da die Bildgröße in Anlehnung an den Strahlensatz in der Geometrie von diesem Abstand entschieden wird. Ende des 13. Jahrhunderts, benutzten Wissenschaftler der Himmel und Gestirne ein vergleichbares Verfahren zur Beobachtung von Sonnenflecken und Finsternissen, um einen direkten Blick in das grelle Sonnenlicht zu
Leonardo da Vinci, 1452-1519, Italien, Maler und Architekt
vermeiden. Leonardo da Vinci stellte fest, dass dieses Phänomen unfern der Natur des Menschen wieder zu finden ist, da auch die Einstrahlung im Auge ähnlich funktioniert. Im 17. Jahrhundert verwendeten viele berühmte Maler die Camera Obscura als Zeichenhilfe. Ein erweiterter Aufbau der Lochkamera durch Johann Zahn machte es möglich, Sze1 1
nen nicht frontal sondern horizontal nach oben auf eine matte Fläche abzubilden. Dazu verhalf ein im 45 Grad Winkel angebrachter Spiegel im Inneren des Kastens. Durch dieses Gefüge gelang es Malern, die Gegebenheiten vor der transportablen Box proportional und detaillierter auf einem Papier wiederzugeben. Jan Vermeer, ein bedeutender Maler des Barocks, benutzt das Hilfsmittel der Kamera für seine Werke. Der Detailreichtum und die stimmige Bildkomposition seiner Werke sind
Jan Vermeer, 16321675, Niederlande, Maler des godenen Zeitalters
berühmt. Eines mithilfe der Camera Obscura entstandenes Gemälde ist die ‚Ansicht von Delft’. Das Gemälde hat einen Fluss im Vordergrund und die Stadtansicht Delfts zum Motiv. Man erkennt deutlich einen perspektivischen Bildaufbau und Schattierungen, welche die hinteren
Stadtansicht Delfts 1660/61, Ölgemälde, 98,5 x 117,5 cm Mauritshuis den Haag.
Gebäude von denen weiter vorne abheben. Die Architektur war damals aufgrund ihrer unbeweglichen und statischen Eigenschaften ein beliebtes Aufnahmemotiv, welches im späteren Verlauf der Arbeit noch näher erläutert wird. Auch heute gibt es noch Nachbildungen großer Camera Obscuras, welche man besichtigen kann. Als einen bedeutenden Meilenstein der Fotografie kann man das Verfahren der Heliografie von Joseph Nicéphore Niépce setzen. Ihm gelang es erstmals ein dauerhaftes Bild zu erzeugen. Eine Zinnplatte, welche mit Asphalt beschichtet wurde, verhalf Niépce zu seiner fundamentalen Abbildung ‚Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras’ 1826. Die, wenn auch nur schwache Lichteinwirkung, welche durch die Camera Obscura auf die Platte gelang, führte zur Erhärtung des Belags. Dieser wurde an1 2
Joseph Nicéphore Niépce, 1765-1833, Frankreich, Erfinder Heliographie
Abb. 1, S. 15, Jan Vermeer: Ansicht von Delft. 16601661 1 3
schließend mit Petroleum und Lavendelöl behandelt, um die schwächer belichteten Partien des Bildes herauszulösen und es lichtbeständiger zu machen. Vor allem wurde es durch dieses Verfahren fixiert und dementsprechend dauerhafter gemacht. Durch die Verwendung von ZinkSilber oder Kupferplatten und das anschließende Abdampfen mit Jod, erstellte Niépce kontrastreiche Schattenpartien auf dem Direktpositiv. In Zusammenarbeit mit Joseph Nicéphore Niépce entsteht durch Louis Jacques Mandé Daguerre 1829 das Geburtsjahr der Fotografie, da er durch sein neues Fotografieverfahren einen weiteren revolutionären Wandel bringt. Diese praktikable Methode stand aufgrund mangelnder
(vgl. Hutchins 2010, S. 8-4). Louis Daguerre, 1787-1851, Frankreich, Erfinder Daguerreotypie
Patentrechte nach einiger Zeit jedermann zur freien und unentgeltlichen Nutzung zur Verfügung und begünstigte eine beschleunigte und fortlaufende Entwicklung. Die Daquerreotypie lieferte Bebilderungen mit gut nuancierter und fein detaillierter Struktur. Die Fotografie entstand auf einer spiegelglatten und blanken Metalloberfläche, hauptsächlich auf versilberten Kupferplatten. Eine positive Einschränkung der daguerrischen Lichtbilder war dessen Rarität, da aufgrund des aufwändigen Verfahrens die Abbildung selbst zunächst nicht vervielfältigt werden konnte, welches natürlich seinerzeit dessen Wertschätzung um einiges erhöhte. Die unumgängliche Verspiegelung war ein negativer Aspekt. Nichtsdestotrotz verbreitete sich die Daquerreotypie in den Jahren von 1839 bis 1850 rasch und erlangte besondere Beliebtheit bei Architekturaufnahmen und kleinformatigen Portraits.
1 4
(vgl. Benjamin 1931/2010, S.248)
William Talbot, 1800-1877, vereinigtes Königreich, Erfinder
Der Engländer William Fox Talbot erfand zwischen den Jahren 1834 und 1838 das Negativ-Positiv-Verfahren. Man nannte diese Art der Bildherstellung Fotogramme und später Talbotypie. Dabei wurde ein dünnes Papier als Ausgangsträger verwendet. Dieses wurde in stark essighaltigem Silbernitrat und Gallussäure getränkt, welches sich zu lichtempfindlichen Chlorsilber entwickelte. Darauf folgte die Belichtung in der Sonne, indem der Fotograf die Objekte auf das präparierte Papier legte. Die verdeckten Stellen des Gegenstandes blieben hell, der Rest des Papiers wiederum wurde schwarz. Durch Fixierung mit Natriumthiosulfat behielt man diesen Abdruck bei. Es entstand die negative Abbildung. Talbot tränkte das Negativ anschließend in einem Wachsbad, sodass sich eine transparente Abbildung ausbildete, mit welcher er dann dasselbe Motiv erneut auf einem Papier zu einem Positiv belichtete. Nach mehreren Versuchen wurden die Papierstücke dann in die Camera Obscuras gelegt, um das Verfahren nicht nur an kleinen Gegenstände auszutesten. Trotz der im Vergleich zur Daguerreotypie ernüchternden Unschärfe der Bilder, hatte William Fox Talbot mit seinem Verfahren einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Fotografie gesetzt. Nicht nur die Materialkosten und die übersichtliche Herstellung waren Vorteile - von nun an konnte man beliebig viele Kontaktabzüge einer Aufnahme erstellen. Die Vervielfältigung und Reproduktion von Abbildern hatte von da an seine Niederkunft.
1 5
„Es handelt sich um etwas wie verwirklichte Magie: Natürliches Zauberwerk. Man lässt die Kräfte der Natur für sich arbeiten – und es ist kein Wunder, daß diese Arbeit gut und rasch ausgeführt wird … aber schließlich – was ist die Natur anderes als ein großer Bereich von Wundern, die sich jenseits unseres Fassungsvermögens vollziehen?“
1 6
(Talbot zit, nach: Kemnitz 2011).
3 .
Wal te r Be n j a m i n Ku n st u n d Fo to g ra fi e (Benjamin 1931/2010, S.253; Anpassung und Auslassung: T. A.)
„ [ . . . ] v o r e i n e m App arat zu st e h e n , de r i n kü rze st e r Ze i t e i n B i l d d e r s i c h t b a re n Umwe l t e rze u ge n kon n t e , dass so l e b e n di g u n d w a hrh aft wi rk t e wi e di e N at u r se l b st [ ,] [ ...] “
Über die Entwicklung und Auswirkungen der Fotografie beschäftigte sich lange Zeit der Philosoph und Literaturkritiker Walter Bendix Walter Benjamin, 1892-1940, Deutschland, Philosoph und Kunstkritiker
Schoenflies Benjamin. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt die Fotografie sehr frisch und neu war, schrieb er Anfang des 19. Jahrhunderts einen der einflussreichsten Aufsätze zur Theorie der Fotografie : ‚Die kleine Geschichte der Fotografie’ von 1931. Benjamin beschäftigt sich in dem Essay mit der Frage, ob man Fotografie überhaupt als Kunst bezeichnen kann, welchen Wert ein Diapositiv im Vergleich mit einem bildnerischen Gemälde besitzt, und was eine mögliche, unbegrenzte Vervielfältigung für Konsequenzen mit sich bringt. Es war schwierig die neue Errungenschaft Anfang des 19. Jahrhunderts gesellschaftlich einzuordnen, da sie zwischen Kunst und Technik, sowie Naturgesetzen und Ideal stand, und der Status der Bilder den Realismusbegriff prägte. Walter Benjamin beschreibt, dass es in den Anfängen der Fotografiegeschichte etwas revolutionäres war, „vor einem Apparat zu stehen, der in kürzester Zeit ein Bild der sichtbaren Umwelt erzeugen konnte, dass so lebendig und wahrhaft wirkte wie die Natur selbst[,] [...] so verblüffend wirkte die ungewohnte Deutlichkeit und die ungewohnte
(Benjamin 1931/2010, S.253; Anpassung und Auslassung: T. A.)
Naturtreue der ersten Daquerreotypbilder auf jeden’’. Viele der ersten Lithografen waren Maler, welchen ihre feinsinnige und handwerkliche Ausbildung zu Gute kam. Durch die geschulte Fähigkeit des perspektivischen Bildaufbaus in Zeichnungen und Gemälden konnten die Künstler eine harmonische und atmosphärische Komposition für die Motive anfertigen. Die erste Fotografengeneration, in der auch David Octavius Hill 1 7
tätig war, erzielte durch diese Erfahrung ein zeitgerecht hohes Niveau an fotografischer Leistung. Wie auch bei Hill hatten Maler statt durch ihre Gemälde oft erst durch ihre Fotografien einen höheren Bekanntheits-
David Octavius Hill, 1802-1870, vereinigtes Königreich, Maler und Lithograf
grad erlangt. Man war zu diesem Zeitpunkt der Meinung, dass sich mit der Hand gemalte Zeichnungen nicht mit der begeisternden Wahrheitsgetreue der Fotografien messen konnten. Doch ab 1850 warf man der Fotografie „eine mechanische Wirklichkeitswiedergabe ohne jegliche Selektion und Akzentsetzung [vor].“ Es setzte mit der Industrialisierung auch die Vermarktung der Fotografie ein. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Nachfrage nach Bildern sehr groß, und die Fotografie entwickelte sich zu einem Massenmedium für den kommerziellen Gebrauch. Viele Theoretiker kritisierten diese Phase der Weiterentwicklung mit abschlägigen Argumenten und Diskussionen über die zunächst angesehene Entdeckung. Die funktionslose und gestellte Aufmachung der Motive, welche sich als Typbild immer stärker ausdehnte, hatten nichts mehr mit dem eigentlichen Gedanken der bildnerischen Fotografie zu tun. Die Mitbegründer der Erfindung wendeten sich von diesem strebhaften Gebrauch ab und behielten ihren professionellen und nüchternen Blick bei. Anfang des neuen Jahrhunderts wollten sie die Fotografie von dem merkantilen Gedanken befreien und vielmehr als Kunst etablieren. Die Fotografie sollte an Wert gewinnen.
1 8
(Kemp 2011, S.21; Anpassung: T. A.)
3 . 1 .
Ev oz i e r te St a ffa g e
(Newhall 1998, S.68)
„Man machte keinerlei Versuch, den Charakter des Porträtierten durch eine differenzierte Beleuchtung oder durch Wahl einer bestimmten Körperhaltung oder eines Gesichtsausdrucks zu verdeutlic h e n .“
Walter Benjamin betrachtet die Entwicklung der Fotografie aus mehreren Standpunkten und zieht Parallelen zur Kunst und dem damaligen gesellschaftlichen Fortschritt. Er beschreibt Unterschiede zwischen dem Bildnis als Kunstwerk und der Portraitfotografie. Dadurch entsteht eine neue Sichtweise auf die Fotografie mit besonderer Betrachtung auf die Darstellung der Gesamtheit eines Objektes und der Realität. Benjamin war ein Kritiker, welcher der Fotografie die Eigenschaft anerkannte, über die reine Abbildung der sichtbaren Realität hinauszugehen. Seiner Meinung nach schaffe das Diapositiv als erstes Medium den Augenblick der Realität festzuhalten, wie es mit der normalen Wahrneh(vgl. Maier 2004, S.1)
mung nicht einzufangen sei. Er sah die Blütezeit der Fotografie in den ersten Jahren nach seiner revolutionären Erfindung, in der sich erfahrene Portraitmaler mit geschulten handwerklichen Fähigkeiten diesem neuen Medium zuwandten. In dieser Zeit enthielten, nach Benjamins Meinung, die Fotografien Beständigkeit und einen einzigartig elementaren Bildcharakter. Gründe für dieses besondere Kennzeichen gab es mehrere, unter anderem die lichtschwachen Aufnahmebedingungen, welche talentierte Lithografen dieser Zeit versuchten zu bewältigen. David Octavius Hill gelang dieses beispielsweise in vielen gelungenen Fotografien wie in ‚The
‚The Fairy Tree in Colinton‘, 1846, Calotype negative/ Papierdruck, 21,70 x 16,40 cm
Fairy Tree in Colinton’ von 1846. Diese bestechen infolgedessen durch ihre zusammenfassende Lichtführung im Sinne von starken Absetzungen zwischen Lichteinwirkung und Schattierung. Der fotografierte Baum setzt sich vom helleren Hintergrund ab, und die Fotografie enthält eine 1 9
Abb. 2, S. 22, David Octavius Hill: The Fairy Tree of Colinton.1846 2 0
gewisse Tiefe. Die damaligen Aufnahmen bergen Ausdruck an Intensität, Geltung und Authentizität. Es steckte viel Wissen und Zeitaufwand hinter den ersten Lichtbildern, denen man die Wertigkeit der Handarbeit und Auseinandersetzung mit dem Medium anmerkt. Die geringe Lichtempfindlichkeit der daguerreschen Platte veranlasste eine ausgiebige Belichtung im Freien; daher war ein langes Stillhalten, insofern das Objekt vor der Kamera beweglich war, erforderlich. Dies führe nach Benjamin zu einer Art Ruhe und Schlichtheit auf dem Bild und rufe beim Betrachten eine andauernde Wirkung hervor. Außerdem bekämen die Aufnahmen durch diesen Aspekt einen eindringlichen und beständigen Charakter. Benjamin beschreibt, dass dieses Verfahren und die Dauer der Aufnahme die Modelle dazu bedinge, „nicht aus dem Augenblick (Benjamin 1931/2010, S.254; Auslassung: T. A.)
heraus sondern in ihn hinein zu leben […]“. Benjamin spricht hier von der Abbildung einer Person. Sie würde mit der Aufnahme verschmelzen und jedes Detail des Bildes, der Ausdruck der Personen und die Wahl des Bildausschnittes vermittle die Wirkung einer langlebigen Dauer. Dies ist seiner Meinung nach der detailreichen Technik zu verdanken, welche einen magischen Wert hervorbringt, wie es ein Gemälde nicht besitzen kann. Besonders der starre Blick der abgebildeten Personen, bedingt durch die ausgiebige Belichtungszeit, hätte auf den ersten Fotografien eine unverkennbare Tiefe. Die Bilder würden einen besonderen Wert ausstrahlen, da sich der Abgebildete intensiv mit der Aufnahme identifiziere.
2 1
Dieses Phänomen schreibt der Historiker eine bestimmte ‚Aura‘ zu, welche in einem späteren Abschnitt noch näher erläutert wird. Doch nicht lange hielt diese Wirkung der Aufnahmen an. Walter Benjamin sieht in der zweiten Phase der Fotografiegeschichte um 1850 eine negative Rückentwicklung. Er begründete den Verfall der Fotografie mit der aufkommenden Industrialisierung. Zu dieser Zeit füllten sich stets mehr Zeitschriften mit künstlich überladenen, überflüssigen und gestellten Fotografien, da man der immer größer werdenden Nachfrage nach Abbildern gerecht werden wollte. Die Menschen bewunderten das bildnerische übermitteln von Ereignissen aus der ganzen Welt mehr als das Erzählen in Schrift. Der Alltag wurde kontinuierlich bildhaft untermalt. Außerdem war das portraitieren seiner Selbst beliebt geworden. Die neue Art der Portraitierung, durch die Erfindung des kleinen Visitformats beflügelte das Bürgertum. Das Format der Miniportraits war klein, verbrauchte somit wenig Material, und die wirtschaftliche Herstellungsweise begünstigte zusätzlich geringe Herstellungskosten. Von nun an konnte neben dem Namen und der Adresse auch ein Abbild von einem Selbst auf der Visitenkarte abgedruckt werden. Es war üblich die kleinen Abzüge zu verschenken oder in Fotoalben aufzubewahren.
„Als Porträtaufnahmen hatten die meisten Cartes de visite nur geringen ästhetischen Wert. Man machte keinerlei Versuch, den Charakter des Porträtierten durch eine differenzierte Beleuchtung oder durch Wahl 2 2
André Disdéri, 1819-1889, Frankreich, Fotograf und Erfinder des standartisierten Formats 5,5 x 9 cm
einer bestimmten Körperhaltung oder eines Gesichtsausdrucks zu ver(Newhall 1998, S.68)
deutlichen.“ Benjamin sieht diese Entwicklung als Defizit. Bei der Portraitierung standen ästhetische Qualitäten im Hintergrund. Die lange Expositionsdauer, welche ursprünglich etwas Einzigartiges mit sich brachte, evozierte eine Staffage von Tischen und Balustraden als Stützpunkte für die Modelle. Diese wurden dann nach dem Kriterium ausgewählt, typische Merkmale aus Gemälden aufzunehmen, wie beispielsweise Säulen und Vorhänge, um einen künstlerischen Aspekt in die Fotografie einfließen zu lassen. Dies würde zusätzlich zu einem imitierten und affektierten Charakter führen, welche die Aufnahme dann enthielt. Die Inszenierung von Gegenständen auf einem Foto und mittendrin ein Junge mit leerem Blick, so
(vgl. Benjamin 1931/2010, S.257).
beschreibt Benjamin die entschwundene Aura in den Portraitfotografien. Fernerhin wurde um 1900 der Piktoralismus zu einer Ausdrucksform. Um die Fotografie näher an eine Kunstrichtung zu schieben, wurden auf empirische Weise per Hilfsmittel wie Filter, Linsen und Nachbearbeitung durch Gummidrucke, Effekte und Wirkungen von Kunstwerken des Impressionismus adaptiert. Eine bildmäßige Fotografie entstand. Bei den Gummidrucken bestand die Gelegenheit einen Abdruck zu präparieren, zu kopieren, und anschließend, während der jeweils einzelnen Schritte,
(vgl. Pizzighelli 1904, S.293).
in das endgültige Abbild einzugreifen. Man konnte das physische Motiv der Realität manipulieren, und willkürlich Objekte und Elemente in den 2 3
Abzug einkopieren oder verändern. Diese waren meist an den Idealen eines Gemäldes angelehnt. Wolken im Himmel eines Landschaftsfotos wurden verschÜnert oder gar verdoppelt, Farbigkeit eines Gegenstandes bekam eine intensivere Kolorierung.
)
2 4
3 . 2 .
‚A u ra ‘
(Benjamin 1931/2010, S.260f.)
Se i n e Fot ografi e n „ sau ge n di e Au ra au s de r Wi rk l i c h ke i t wi e Wasse r au s e i n e m si n ke n de n Sc h i ff.“
In der dritten Phase der Fotografiegeschichte sieht Benjamin einen Wiederaufschwung. Schon in den späten sechziger Jahren protestierten die ersten Fotografen gegen die verfehlte Entwicklung der Lithografie. Um 1880 sahen sie es dann als ihre Aufgabe „[…] die Aura, die […] verdrängt wurde […] durch die zunehmende Entartung des imperialistischen Bürgertums aus der Wirklichkeit […] durch alle Künste der Retusche, insbesondere jedoch durch sogenannte Gummidrucke vorzutäuschen.“ (Benjamin 1931/2010, S.259; Auslassung: T. A.). Von diesem zweifelhaften Versuch der Rückkehr der Aura durch die Bearbeitung war Benjamin jedoch nicht überzeugt und zieht im Gegensatz dazu den französischen Maler und Fotografen Eugène Atget als Vorläufer des Wiederaufstiegs vor. Fasziniert von dessen Blick für die Realität beschreibt Benjamin Atget’s surrealistische Fotografien als Befreiung von der wertlos gewordenen Aura. Sie würden die wahrlich greifbare Aura, wie es anfangs der Entwicklung war, aus der Wirklichkeit ziehen. „Als erster desinfiziert er die stickige Atmosphäre, die die konventionelle Portraitphotographie der Verfallsepoche verbreitet hat. Er reinigt diese Atmosphäre, ja bereinigt sie […].“ (Benjamin 1931/2010, S.260; Auslassung: T. A.) Walter Benjamin verbindet und erklärt den Begriff der Aura häufig mit den Fotografien des Fotografen Atget. Dieser fotografiert in seinen Anfängen zunächst Pflanzen und Landschaften. Es ist zu vermuten, dass er für 2 5
diese Fotografien von dem Fotografen Karl Blossfeldt inspiriert wurde. Dieser war für seine dokumentarische Gewächsfotografie bekannt. Der Fotograf schrieb einer Pflanze einen künstlerisch-architektonischen Aufbau zu und vermittelte diese durch die Wahl von konturenscharfen, dokumentarischen und detaillierten Pflanzenfotografien. In den darauffolgenden Jahren beginnt Atget mit einer Motivwahl, welche dem damaligen Schema eines ‚gestellten’ Motivs nicht entsprach. Er dokumentierte die sich im Wandel befindliche Pariser Innenstadt und dessen Architektur auf neue Art und Weise; leere und stimmungslose Plätze und Straßen. Gewiss gab es zu dieser Zeit außer der Portaitfotografie schon andere Stadtaufnahmen. Doch diese bestanden im Komplement zu Atget’s Bildern meist aus typischen ‚postkartenähnlichen‘ Repräsentationsbauten und wie es Benjamin formulierte; „Rettungsringen am Ufer mit dem Namen der Stadt.“. Mit seiner menschenleeren Fotografiereihe schuf er einen neuen Blickwinkel, denn er eruierte nach dem Kontrast zur konventionellen Fotografie. Das Unbeachtete, aber auch für das Auge Unauffindbare festzuhalten, stand für ihn hierbei im Vordergrund. Es scheint, als würde er Geheimnisse eines Ortes aufdecken wollen. Er legte den Fokus auf die Objekte, welche man nur durch eine bedachte Fotografie wirklich sichtbar machen könne. Damit sind beispielsweise Motive gemeint, welchen man aufgrund ihrer Nebensächlichkeit und Selbstverständlichkeit im rastlosen Leben kaum Beachtung schenkt. Atget hatte ein subtiles Empfinden für deren versteckte Wirkung, welche erst auf dem Abbild auftritt. 2 6
(Benjamin 1931/2010, S.260)
Abb. 3, S. 29, Karl BloĂ&#x;feldt: Passionsblume. 1898-1932 2 7
Er entdeckte das Potential in der Pariser Architektur und den Stadtplätzen, und brachte diese auf seine Fotografien, enthüllt und unkonventionell. Starke Hell- und Dunkelkontraste machen das Bild Kontrastreich und verleihen dem ihm eine authentische Stärke. Durch seine gezielte Aufnahmeweise mit einem Stativ, einer kurzen Brennweite und einer langen Belichtungszeit erlangen die Fotografien einen okkulten Charakter, da beispielsweise auf bestimmten Bildern das Vorbeilaufen eines Menschen zum Zeitpunkt der Aufnahme, eine verschwommene Gestalt auf dem Abzug herausbildete. Für seine nostalgische Poesie der Straßenbilder ging er schon morgens früh im Nebel in die Stadt, um dort, vor der Aufruhr der Menschen, das Verborgene, welches man normalerweise im Alltag übersehen würde, zu erfassen. Seine Art der Aufnahme war etwas Sonderbares und bestach durch die ungewöhnlich neutrale und ‚nackte‘ Wiedergabe des Dargestellten. Es entsteht eine Entfremdung zwischen Umwelt und Mensch und macht dem „politisch geschulten Blick das Feld frei, dem alle Intimitäten zugunsten der Erhellung des Details wegfallen.“ Seine Fotografien „saugen die Aura aus der Wirklichkeit wie Wasser aus einem sinkenden Schiff.“ Atget ist bis heute ein Bezugspunkt für viele Fotografen und war damals als ‚Straßendichter’ Vorbild für die Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 2 8
(Benjamin 1931/2010, S.262)
(Benjamin 1931/2010, S.260f.)
Man kommt über das Beispiel der künstlerischen Eigenschaften Atgets Fotografien zurück auf den anfangs erwähnten Begriff der ‚Aura’. Was genau meint Benjamin mit dem Terminus der Aura? Er ist zentraler Sinngehalt und Begriff in Benjamins Aufsatz und seines fotografiehistorischen Denkens. Dennoch ist es schwer, den Begriff zu erklären und fassbar zu machen, da er diesen nur mit einem poetischen Leitbild einer Naturerscheinung veranschaulicht und konkretisiert. Die Reproduktion, welche später etwas näher erläutert wird, spielt hierbei eine wichtige Rolle. Durch die ständige Verfügbarkeit und Präsenz eines Objektes würde dessen Verbundenheit mit dem Hier und Jetzt verloren gehen, (Benjamin 1936/2013, S.13)
„sein einmaliges Dasein an dem Orte, an dem es sich befindet“. Die Aura verbindet somit Raum und Zeit. Der Philosoph unterscheidet bei seiner Annahme jedoch zwischen Erscheinung und Gegenstand. Bei-
(vgl. Hauskeller 2005).
spielsweise das Lesen eines Buches und das Buch selbst. Egal wo und wann das Buch gelesen oder betrachtet wird, der Gegenstand an sich verändert sich nicht und bleibt identisch, gleich ob es schnell oder langsam gelesen wird. Die Erscheinung hingegen ist Verbunden mit dem Menschen selbst, der Zeit und dem Ort. Und dieses einmalige Zusammenspiel zwischen Raum und Zeit fundiert den Begriff der Aura. Also entschwindet die Aura eines Objektes sobald es aus seinem einmaligen Umfeld und zeitlicher Einordnung herausgenommen wird. Reproduzierte Abbilder, oder Retusche in Aufnahmen entreißen und verfälschen ebenso die enthaltene Aura.
2 9
Abb. 4, S. 32, Eugene Atget: Rue Lhomond and rue Rataud.1913
3 0
Abb. 5, S. 33, Eugene Atget: Rue Laplace and Rue Valette.1926
3 1
Auch der Psychologe Ludwig Klages unterstützt diese Annahme zwischen Ding und Erscheinung und stärkt somit Benjamins Aussage. Nach Klages Meinung lässt sich verstehen, „dass Erscheinungen im
Ludwig Klages, 1872-1956, Deutschland/ Schweiz, Psychologe und Philosop
engeren Sinne immer einzigartig sind, und zwar vor allem deshalb, weil sie stets Ausdruck der gesamten Wahrnehmungssituation sind, in der sich ein bestimmter Mensch in einem bestimmten Augenblick befindet.“ Um nochmal auf Atget Bezug zu nehmen, ist zu vermuten, dass Benjamin ein gelungenes Einfangen der Aura in dessen Fotografien erkennt, da es Atget gelingt, die Aura und das Zusammenspiel von Zeit, Standort und Dasein während der Aufnahme neuartig wahrheitsgetreu einzufangen. Er schreibt einer gelungenen Fotografie außerdem zu, dass sie das Unsichtbare zum Vorschein bringt und das Fünkchen Zufall festhält, auch wenn es durch seine Reproduktion seine Einmaligkeit verliert. Die Fotografie kann die Zeit analysieren, sodass sie Sekundenbruchteile aufzeichnen kann. Atget bringt somit zwei Aspekte in seiner fotografischen Richtung zusammen; die neuartige unverhüllte Abbildungsweise frei von Ausschmückung gepaart mit einem surrealen verborgenen Charakter. Atget war einer der ersten Fotografen, welche die Umgebung so detailreich, umfassend und neu abbildete. Er verbindete das Künstlerische mit dem Dokumentarischen. Der Fotograf lehrt die Gesellschaft das neue rationale und nüchterne Sehen.
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(Hauskeller 2005, S. 5).
Kunstrichtung Surrealismus: künstlerisches Gestalten des Traumhaften und Unbewussten
Diese Art der Aufnahmeweise stützt sich an den entstehende Surrealismus; man könnte sagen, dass Atget sogar einer dessen Schöpfer ist. Diese Bewegung beschäftigte sich mit dem Traumhaften und Unbewussten. Neue Sichtweisen und Erfahrungen sollten durch Ungreifbares und Geheimnisvolles geschaffen werden. Eine logisch-rationale Auffassung der Welt wurde bei dieser Stilrichtung abgelehnt. Künstler sollten ihre Fantasie als Inspiration nutzen und dadurch das Bewusstsein, mithilfe von Kunst, Schrift und Fotografie, für die Umwelt erweitern. Fotografien konnten Motiven neues Leben einhauchen und so, wie bei Atget durch künstlerischen Wagemut, architektonische Schätze zum Vorschein bringen. „Was man in den diversen Arten der Fotografie suchte, war nicht das Abbild, die Information, die Struktur, noch nicht einmal die ungewöhnli-
(Kemp 2011, S.66).
che Perspektive. Man erwartete das Unerwartete.“ Aber auch für die Bildsprache des neuen Sehens sind Atget’s Fotografien heranzuziehen. Festgefahrene Strukturen und Veranschaulichungen sollten abgelöst und durch eine ausdrucksstärkere objektive Bildsprache aufgelockert werden. Auch wenn Atget’s Fotografien noch eine sehr künstlerische Tendenz haben, heben sie sich erstmals von typischen Aufnahmemustern ab.
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4 . .
Da s Ne u e Se h e n D i e Fo t o g ra fi e v on e i n e m re i n re produ zi e re n de n zu e i n e m prod u z i e re n d e n M e di u m zu e rwe i t e rn war das B e st re b e n de s n e u e n Se h e n s al l e mal .
Vor dem ersten Weltkrieg entwickelte sich eine neue Stilrichtung, welche neben dem Surrealismus dem Bestreben nach einer sehr nüchternen und sachlichen Abbildungsweise nachging. Es wurde nicht mehr der Bezug zur Malerei hergestellt, sondern sehr rational geurteilt und dargestellt. Trotz der Sachlichkeit tasteten sich die Fotografen an neue Aufnahmeweisen und experimentelle Perspektiven heran. Die Fotografie von einem rein reproduzierenden zu einem produzierenden Medium zu erweitern war das Bestreben des neuen Sehens allemal. Die Fotografen wollten sich Anfang des 20. Jahrhunderts von der strikten Simplifizierung der Abbildungen separieren und ferner eine dynamische Bildsprache schaffen. Ein Bild, welches dazu auffordert sich mit dem Abgebildeten auseinander zu setzen, und so neue Sichtweisen bei dem Betrachter zu produzieren, verwandt dem Gedanken der surrealen Bewegung. Die Anlehnung an den frühen aber immer noch vorherrschenden Piktoralismus wollte überwunden werden, und die Fotografie sollte sich eigenständig und von der Malerei losgelöst, entfalten. Die sich durch die Industrialisierung im Wandel befindliche Gesellschaft festigte diesen Impuls, der dynamischen und aufgeschlossenen Sichtweise. Allerdings war diese auch ungewohnt neu und man war der vorangegangen Abbildungsweise vertrauter.
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4 . 1 . .
Bl i c kw i n ke l u n d Bi l d ko mp o si t i o n (Rodtschenko 1928/2010, S.182f.; Auslassung und Anpassung: T. A.)
„ [ … ] d i e Fo to grafi e , sol l t e si c h mögl i c h st mi t de m Ab bi l de n de r We l t v o n a l l e n Pu n k t e n au s be fasse n , sol l t e zu r Fäh i gke i t e rzi eh e n, [ di e We l t ] v on al l e n Se i t e n zu se h e n .“
Wenn man von graphischen Kompositionen und künstlerische Experimenten spricht, spielt der russische Fotograf, Künstler und Architekt Alexander Rodtschenko (zunächst Grafikstudium und bekannt durch Fotomontagen) eine große Rolle. Kompositionen, Formgebung und Fotomontagen waren für den Pionier für graphische Darstellungsweisen essentiel. Er beschäftigt sich außerdem in seinem Essay ‚Wege der zeitgenössischen Fotografie‘ von 1928 mit der Wahrnehmung der Fotografie und kritisiert die damals vorhandene Schematisierung bei Darstellungen. Wie nehmen wir Fotografie wahr? Die Wahl des Blickwinkels, wie es bei den meisten Werken des Künstlers zu sehen ist, spielt bei Rodtschenko eine große Rolle. Zunächst untersucht er die Darstellungen der Gemälde der Kunstgeschichte. Er kritisiert die damals idealistische und wirklichkeitsfremde Abbildungsweise. Alles (Rodtschenko 1928/2010, S.181; Auslassung T. A.)
sei „von der Nabel- oder der Augenhöhe aus gemalt […]“. Außerdem gäbe es, abgesehen von ein paar Ausnahmen bei den Realisten, keine wirklichkeitsgetreue Perspektive von überlappenden oder hintereinander dargestellten Objekten. Für ihn sei der Beobachtungspunkt zu stark auf eine mittlere Ebene festgesetzt, welches eine fehlerhafte räumliche Verzerrung mit sich bringt. Die Maler waren zwar affin dafür, ihre Bilder lebendig darzustellen, wurden aber dafür verurteilt, die Fotografie nachzuahmen. (vgl.Rodtschenko 1928/2010, S.182) Bei der zeitgenössischen Fotografie verstärkt sich diese Argumentation. Die meisten Fotografien wurden nüchtern auf Ebene der Horizontlinie 3 7
geschossen. Abstrakte Aufnahmeweisen von abgeschnittenen Gebäudekanten oder das Ablichten eines Objektes aus der Vogelperspektive, geschweige denn der Froschperspektive, waren sehr selten. Die in den Medien veröffentlichten Fotografien gliederten sich ebenso in die Reihe der gewohnten und routinierten Abbildungsweise ein. Die visuelle Wahrnehmung der Menschen würde somit zu einer einseitigen Betrachtungsweise erzogen werden, da ,wie Benjamin schon beobachten konnte, die medialen Abbilder zur Zeit der Industrialisierung für die Menschen einen großer Bezugspunkt darstellten, und bedeutender und einflussreicher waren, als die Schrift. Rodtschenko verurteilte die Ignoranz gegenüber der Suche nach neuen Blickwinkeln. Nur wenige zeitgenössische Fotografen würden sich diesem Thema widmen. „[…] die Fotografie, sollte sich möglichst mit dem Abbilden der Welt von allen Punkten aus befassen, sollte zur Fähigkeit erziehen, [die Welt] von allen Seiten zu sehen. Aber hier stürzt sich nun die Psychologie der Nabelperspektive mit ihrer jahrhundertealten Autorität auf den zeitgenössischen Fotografen, […]“. Er selbst beschäftigte sich ebenfalls sehr mit dem Entdecken von neuen Fluchtpunkten in der Fotografie. Bei den Fotografien ‚Treppe’ und ‚Maedchen mit Leica’ erkennt man deutlich, wie empirisch sich Rodtschenko mit Blickrichtungen, Sichtachsen und linearer Bildkomposition ausein3 8
(Rodtschenko 1928/2010, S.182f.; Auslassung und Anpassung: T. A.)
andersetzt. Die Frau schreitet mit ihrem Kind über die Treppenstufen. Das Bild ist so geneigt aufgenommen, dass Stufen und Person zueinander einen schrägen Winkel ergeben. Die Linien der Stufen dominieren dass Bild, die Frau durchbricht diese. Das Bild strahlt Dynamik und zugleich Ordnung aus, man möchte den Kopf drehen um die unstimmige Perspektive gerade zu ‚rücken’. Die Fotografie des Mädchens mit der Leica hat ähnliche ungewohnte Fluchten. Noch dominanter ist jedoch die in Szene gesetzte lineare Schattierung eines Gitternetzes, das als ein Schleier über dem gesamten Bild liegt. Der Kontrast zwischen Licht und Schatten, sowie der hellen Kleidung der Frau, ist stilistisch raffiniert eingesetzt. Die Frau durchbricht farblich das verschattende Gitternetz. Auch wenn das Motiv an sich ein sehr einfaches und schlichtes ist, gelingt es Rodtschenko durch prägnante Stilmittel, eine außergewöhnliche Bildsprache entstehen zu lassen. Die Fotografie ist zugleich komplex wie auch real. „[...] um den Menschen zu einem neuen Sehen zu erziehen, muss man alltägliche, ihm wohl bekannte Objekte von völlig unerwarteten Blickwinkeln aus und in unerwarteten Situationen zeigen; neue Objekte sollen von verschiedenen Seiten aus aufgenommen werden, um eine vollstän(Rodtschenko 1928/2010, S.185; Auslassung: T. A.).
dige Vorstellung vom Objekt zu geben.“ Der Blickwinkel von oben nach unten und von unten nach oben sei der
(vgl. Rodtschenko 1928/2010, S.183).
interessanteste und elementarste. 3 9
Abb. 6, S. 42, Alexander Rodtschenko: Treppe. 1929 4 0
Abb. 7, S. 43, Aexander Rodtschenko: M채dchen mit Leica. 1934 4 1
Wenn Fotografen diesen Blickwinkel häufiger gebrauchen würden, wäre das eine positive Abspaltung von der Malerei. Außerdem würde man das Unsichtbare von bestimmten Motiven und Situationen zum Sichtbaren verhelfen. Dies kann man mit einem Beispiel erklären; normalerweise könnte man bei einem Stadtrundgang in Himmelsrichtung schauen und die Gebäude von unten nach oben betrachten und dabei möglicherweise Details erkennen, welche einem zunächst nicht aufgefallen wären. Rodtschenkos Meinung nach, würden jedoch viele Menschen diesen Blick nicht anwenden sondern mit der eingetrichterten und geradlinigen Betrachtungsweise die Stadt wahrnehmen. In seinem Essay erzählt der Maler von seinem Eindruck des Eiffelturms, als er ihn zum ersten Mal sah. Aus der Ferne konnte er dem Koloss nichts abgewinnen, bis er mit dem Bus an ihm vorbeifuhr und „durchs Fenster die nach oben, links und rechts wegführenden Eisenbänder sah, da gab mir dieser Blickwinkel einen Eindruck der Massivität und der Konstruktion; vom Nabel aus erhält man nur ein nettes Bildchen, wie auf den sattsam bekannten Postkarten.“ Er war fasziniert von der Detailwahrnehmung, die man durch neue Betrachtungsweisen erlangen kann. Der Entscheidung, wie Dinge abgebildet werden, liegt in dem Blick des Menschen, genauer gesagt in der des Fotografen. Er kann durch die Wahl der Gestaltungsmittel, des Kontrastreichtums oder der Kompositionslinien und vielen weiteren Aspekten, die Wirkung seines Bildes beeinflussen. Intimität, Distanz, Freude oder Betroffenheit; nichts kann man besser in einer gelungenen Fotografie beim Betrachter auslösen. Fotografien erzählen Geschichte, wenn man Sie lässt. 4 2
(Rodtschenko 1928/2010, S.184).
4 . 2 . .
Pers p e kt i v i sc h e r Wa h r n e h m u n g sw a n d e l (László Moholy-Nagy, zit. In: Benjamin 1931/2010, S.269)
„ Ni c h t d e r Sc h ri ft - , son de rn de r Ph ot ograph i e u n ku n di ge wi rd, so h at man ge sagt , de r An al p h ab e t de r Zu ku n ft se i n .“
Dass die Fotografie das Wahrnehmungsfeld des Menschen erweitern kann, ist für den Maler und Fotograf Laszlo Moholy-Nagy maßgebend. Das Potential von der Fotografie sei, ausgenommen der neuen Strömungen, in den vergangenen Jahrzehnten keineswegs ausgeschöpft worden und bei der, wie es Alexander Rodtschenko schon passend (vgl. Stiegler 2006, S.204).
beschrieben hatte, ‚Bauchnabelperspektive‘ stagniert. „Die Photographie als „objektive Sehform unserer Zeit“ gestattet uns, „die engen grenzen unseres auges“ zu verlassen und die unverstellte
(Moholy-Nagy 1936/1982, S.320, zit. In: Stiegler 2006, S.206)
objektive Wirklichkeit zu erkennen.“ Moholy-Nagy sah in der avantgardistischen Fotografie mehr Potential als die bis dahin strikte Anlehnung an die Abbildungsweise der malerischen Künste. Der Entwicklungsprozess der Fotografie sei nach der Kommerzialisierung auf einem Nulllevel und würde sich kaum weiter ausbauen. Wegbereiter gab es zu dieser Zeit nicht viele, doch die künstlerischen Ambitionen mit der Absicht einer objektiven Darstellungsweise wertet Moholy-Nagy als affirmativ. Fotografie könne eine neue Wahrnehmung der Umwelt eröffnen. Die Fotografie wird zu einem „neuen Instrument
(Moholy-Nagy 1936/1982, S.342)
des Sehens“. Bekannte Motive in unbekannter Darstellungsweise waren den Menschen fremd und widersprachen den bekannten Verbildlichungen. Doch der Fokus auf Licht und Schatten, verzerrte Perspektiven und besondere 4 3
Detailansichten zeichnete das neue Sehen aus und sollte sich positiv auf die Gesellschaft auswirken. Ähnlich dem Surrealismus gilt die Kamera als optisches Instrument, welche das menschliche Sehen erweitert und ergänzt. Moholy-Nagy ist der Ansicht, dass die Kamera anders sehen würde als das menschliche Auge.
(vgl. Kemp 2011, S.45).
„Das Geheimnis ihrer Wirkung ist, dass der fotografische Apparat das rein optische Bild reproduziert und so die optisch-wahren Zeichnungen, Verzerrungen, Verkürzungen usw. zeigt, während unser Auge die aufgenommenen Erscheinungen mit unserer intellektuellen Erfahrung durch assoziative Bindungen formal und räumlich zu einem Vorstellungsbild ergänzt.“
(László Moholy-Nagy, zit. In: Kemp 2011, S.45)
Des Weiteren beabsichtigte die Bewegung des neuen Sehens eine Sicht auf die damals modernen Verhältnisse und voranschreitende Industrialisierung sein. Die zeitgenössischen Fotografen wollten durch neue Blickwinkel neue Betrachtungsweisen schaffen. Durch die Entstehung von großen Fabriken, Industriezentren, Fuhrwerken wie Schiffe, sowie kolossalen Stahlbauten, ging allerdings eine neue Anforderung an die Optik hervor. Man musste sich als Fotograf der Herausforderung stellen, mit dem damals vorhandenen Kameraequipment die beste Position für ein gelungenes Foto dessen zu finden, auf welchem ein großflächiges Objekt richtig platziert ist. Eine gelungene Beispielfotografie für das Zusammenspiel von zeitgemäßen, dokumentarischen und trotzdem 4 4
(vgl. Kemp 2011, S.45).
ungewöhnlichen Stil ist der „Blick vom Funkturm“, 1928 von László Moholy-Nagy. Die Fotografie sollte als moderne Dokumentation fortschrittlicher Zeiten verstanden werden, irritiert jedoch vorab durch die ungewöhnliche Aufnahmeweise von oben nach unten. Wie es Rodtschenko schon beschrieb, sei der spannende und interessantere Blick der aus einer ungewohnten Perspektive. Das Bild enthält eine durchgehende Tiefenschärfe und sichtbare Verkürzung des Tiefenstoßes, nicht unbedingt eine rein dokumentarische Abbildungsweise. Zusätzlich wirkt die Position vom Restaurantdach und dem Rondell , welche eine geometrische Komposition bilden, auffällig und sehr dynamisch. Nicht nur der Aspekt des Ingenieursgeschick, auch die Darstellung der zusätzlichen Funktion, dass der Funkturm eine Attraktion und ein Anziehungspunkt war, gelangt hier zum Ausdruck. (vgl. Kemp 2011, S.46) Das Verhältnis des Menschen zum Raum wurde spannungsvoll. Gewöhnlich wäre der Fernsehturm von einer entfernteren horizontalen Perspektive aufgenommen worden, hier bekommt man jedoch „die optische Wahrheit des (László Moholy-Nagy, zit. In: Kemp 2011, S.45) zu sehen.
Blicks vom Funkturm“.
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Abb. 8, S. 48 L谩szl贸 Moholy-Ngay: Blick vom Funkturm.1928.
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Ein sehr passendes und kompaktes Zitat über den neuen Wahrnehmungswandel, bringt der deutsche Kunstkritiker Franz Roh in seinem ersten Bildband über Moholy-Nagy: „Für (Moholy) war vorerst ausschlaggebend, alle fotografischen Mittel in die Hand zu bekommen. Er hat das Realfoto gepflegt, das zunächst nichts anderes will als – so unmittelbar wie irgend möglich – ein Stück Wirklichkeit festzuhalten. [...] Alte Gegenstände aber wurden neu gesehen: durch kühnere Plastizität, neue Art der Abstufung von Hell und Dunkel, andere Verteilung der Schärfungsgrade, vor allem aber andere Verwendung der Perspektive. [...] Die kühnen Auf- und Niedersichten [...], die uns von seiten neuer Technik durch plötzliche Niveauänderungen (Lift, Flugzeug usw.) nahegelgt werden, waren bildnerisch noch wenig ausgenutzt worden. Moholy kostete als einer der ersten jenes Auf (Franz Roh 1930, zit. In: Fiedler 2001, S.11; Auslassung: T. A.)
und Nieder aus.“
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4 8
4 . 3 .
E xku r s p h y si o l o g i sc h e Wa h r n e h m u n g
(Emerson 1889/2010, S.169).
„ a l l e a n d e re n Eb e n e n de s B i l de s mü sse n h e rabge mi l de rt , so daß d a s fe rt i g e B i l d de m Au ge e i n e n Ei n dru c k gi bt , de r de mj e n i ge n , d e n d i e N atu rsze n e v e rmi tt e l t , so n ah wi e mögl i c h kommt .“
Die Aussage, dass das, was man sieht, und das, was man fotografiert übereinstimmt, ist ein oft behandelter Streitpunkt der Theorie der Fotografie, auch wenn man wie bei Moholy-Nagy und Rodtschenko versucht, eine Fotografie nüchtern, objektiv und real aufzunehmen vermag. Mit fotografischem Blick auf das Sehorgan, kann man physiologisch gesehen die Kamera dem menschlichen Auge gleich setzen. Bei der Camera Obscura wurde ein belichteter Gegenstand durch eine Öffnung oder eine Linse auf eine dahinter liegende Platte verkehrt herum projiziert. Beim Auge ist es ähnlich; das Gesehene wird durch die Linse Retina / Innere Augenhaut: mehrschichtiges, spezialisiertes Nervengewebe; Licht wird hier in Nervenimpulse umgewandelt
auf die Retina geleitet und dort verarbeitet. Unsere Netzhaut ist leicht gewölbt, aber zweidimensional glatt, dennoch nehmen wir die Welt räumlich wahr. Die plastische Tiefenwahrnehmung entsteht aufgrund unserer beiden Augen. Die jeweils zwei getrennten Strahlengänge besitzen zwei Blickwinkel und bilden folglich eine räumliche Darstellung der Umgebung. Durch die unterschiedlichen Bilder jeden Auges und deren Überlappung auf der Netzhaut wird ein räumlicher Gesamteindruck vermittelt. Das Wahrnehmen des Menschen ähnelt somit der Entstehung einer
(vgl. Stiegler 2006, S.57).
Fotografie. Viele Theoretiker beanstanden jedoch bei einer Fotografie die fälschliche Wiedergabe der Farbwerte und die verzerrte Projektion, da eine Fotografie auf einer glatten Platte entsteht und das Innere des Auges eine Hohlkugel ergibt. Legt man seinen Blickpunkt jedoch auf die Schärfentiefe eines Auges, im Vergleich zu der einer Fotografie, gibt es Möglichkeiten diese dem Vorbild 4 9
bestmöglich nachzubilden. Wenn wir Sehen, richten wir uns automatisch auf einen Punkt und sehen diesen mit der größten Schärfentiefe. Der Rest ist verschwommen und wird bei der Wahrnehmung unbewusst als Nebenerscheinung wahrgenommen. Emerson geht auf dieses Wahrnehmungsphänomen ein und sieht es als Wichtigkeit an, ein Bild so naturgetreu zu entwickeln wie es das Auge tut. Er spricht von dem Einsatz einer großen Blende um eine möglichst natürliche Fotografie zu erhalten: „Wie wir oben sagten, muß der Hauptgegenstand des Bildes genügend scharf erscheinen, genauso scharf wie das Auge ihn sieht
Blende: Vorrichtung an Kameras, Lichtdurchlass durch das Objektiv kann hier verändert werden
und nicht schärfer, aber alles andere, alle anderen Ebenen des Bildes müssen herabgemildert, so daß das fertige Bild dem Auge einen Eindruck gibt, der demjenigen, den die Naturszene vermittelt, so nah wie möglich kommt.“ Demzufolge erklärt Emerson theoretisch den physiologischen Ablauf der Wahrnehmung eines Bildes . Er legt mit dem Beispiel der Blende dar, wie technische Einstellungen die Wirkung einer Fotografie naturgetreu und realistisch wirken lassen können, sofern der Fotograf diese korrekt anzuwenden vermag. Wie Moholy-Nagy schon prognostizierte, stellt sich der Fotograf folglich der Verantwortung, die richtigen Einstellungen für das Technische, sowie die optisch vorteilhaften Darstellungspraktiken zu verbinden, um ein nahezu wahrheitsgetreues Bild entstehen zu lassen.
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(Emerson 1889/2010, S.169).
5 .
Imagi näres M u se u m u n d Ü b e r l i e fe r u n g ku l t u re l l e n E r b e s (André Malraux 1947, zit. In: Geimer 2009, S.148)
„[...] ein imaginäres Museum [...], es wird die Intellektualisierung, wie sie durch die unvollständige Gegenüberstellung der Kunstwerke in den wirklichen Museen begann, zum Äußersten treiben“.
Der neue Blick auf die Fotografie, mit dem Erproben neuer Perspektiven und Ausdrucksweisen bestimmte den Verlauf des fotografischen Fortschritts. Doch nicht nur die Art der Aufnahmeweise wurde in Frage gestellt. Ferner drängte sich das Thema der Pluralität und Serialität der Fotografie in den Vordergrund. Welche Veränderungen unterzieht sich das Original nach seiner Vervielfältigung? Wie zu Beginn der Thesis erläutert, setzt Walter Benjamin einen Grundstein für weitere Diskussion über die Reproduzierbarkeit eines Bildes. An seine Annahme, dass das Reproduktionsprinzip Konsequenzen mit sich trägt und sich Prägung und Sachlage des Abgebildeten durch die Fotografie verändern würden, stützen sich viele nachfolgende Kritiker. Sie erweitern die Auslegung Benjamins mit Analysen, Gegenthesen oder nutzen den Grundgedanken für nächstliegende Zusammenhänge. Im Folgenden werden einige dieser Positionen aufgelistet und Querverbindungen hergestellt. Diese Überlegungen dienen als ein Vorwort für den Entwicklungsverlauf der Fotografietheorie im Hinblick auf Reproduktion, Manipulation und Realismuseffekt sowie dessen gesellschaftliche Auswirkungen, insbesondere durch mediale Einflüsse. Außerdem kann dieser Abschnitt als eine parallele Vorstellung unterschiedlichster Auffassungen über Fotografie gelesen werden.
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Viele Kapazitäten beschäftigten sich mit der Thematik des Originals und des Abbilds, sowie auch der französische Schriftsteller André Malraux. Er betrachtet die Vervielfältigung in Zusammenhang mit der
André Malraux, 1901-1976, Frankreich, Schrifsteller und Filmregisseur
Überlieferung des kulturellen Erbes und analysiert das Schicksal der absolut bedingten Reproduktion der Künste. Eher eine sehr individuelle Betrachtung, welche ausgestellte Artefakte eines Museums als Beispiel und Untermauerung heranzieht. Die Übertragung der kultischen Masse auf Abbilder würde jedoch, wie Benjamin schon beschrieb, eine Veränderung mit sich bringen. Die These Malraux’, bei welcher sich die Bedeutung entscheidender Werke nicht durch ihre eigene Totalität selber, sondern im Vergleich mit anderen bereits existierenden Kunststücken bestimme, beinhaltet den Akt der Vervielfältigung. Es sei entscheidend, auf welche Weise eine solche Differenz und Nähe, genauer gesagt, ein Austausch zwischen Artefakten produziert wird. Diese Abhängigkeit, am Beispiel von fotografischer Reproduktion, verdeutlicht der Philosoph mithilfe der Beziehung der Fotografie zum Museum, ebenso wie dem Bewahren der Kunst. In einem Museum werden ausgewählte Kunstwerke präsentiert und man habe die Möglichkeit diese zu betrachten und miteinander zu vergleichen. Gerade Kritiker und Experten konnten damals durch das Unterbringen verschiedenster Kunstwerke in einem Raum einen offenbar fachgerechten Vergleich anstellen. Die Kunstwerke seien jedoch aus ihren eigentlichen räumlichen und zeitlichen Zusammenhängen herausgenommen. Durch das Präsentieren einer Sammlung in einem Museum entstünde 5 2
(vgl. Geimer 2009, S.147)
ein gezwungener Dialog zwischen verschiedenen Werken, welche zuvor normalerweise isoliert für sich standen und dort einen individuellen Wert entfalteten. Nicht nur in dieser Komponente, sondern auch der Fakt, dass sich Kritiker nur an den ausgewählten Werken orientieren konnten, sieht Malraux als abschlägig. Außerdem würden die Kunstbetrachter ihren Text über den Vergleich der Kunstwerke erst ungewisse Zeit später anhand von Skizzen und dem visuellen Erinnerungsvermögen verfassen. Es sei schwierig gewesen, in dem Zeitalter, in der es keine Reproduktion gab, wahrgenommene Objekte im Gedächtnis zu behalten. Dies könne zu ungenauen Wertungen führen. Die Leitfrage Malraux’ stellt sich in der Weise, wie man den Austausch und die Differenz dieser Artefakte besser entstehen oder gar erzwingen lassen kann. Diese Wechselbezie(vgl Geimer 2009, S.147).
hung entstünde durch die fotografische Reproduktion der Kunst „Das imaginäre Museum behandelt zwei Institutionen der Distribution von Kunst – zum einen das traditionelle Museum, das Kunstwerke als materielle Artefakte präsentiert, zum anderen das mit Fotografien illustrierte Buch, das diese Werke in Gestalt fotografischer Reproduktion
(Geimer 2009, S.147).
miteinander kombiniert.“ Um einen sinnvollen und kongruierenden Vergleichsraum zu schaffen, bedient sich Malraux dem ‚imaginären Museum‘:
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„[...] ein imaginäres Museum, wie es noch niemals da war, hat seine Pforten aufgetan: es wird die Intellektualisierung, wie sie durch die unvollständige Gegenüberstellung der Kunstwerke in den wirklichen Museen begann, zum Äußersten treiben“.
(André Malraux 1947, zit. In: Geimer 2009, S.148)
Was meint Malraux mit dem imaginären Museum? In diesem Zusammenhang ist mit imaginär die Versammlung von Kunst durch Fotografien in einem Buch gemeint und nicht durch physisches Zusammentreffen. Die Optimierung einer realen Galerie geschieht in dem Sinne, da das fotografische Museum Kunstwerke enthalten kann, welche fest an ihrem Ort gebunden sind. Daher sind Kunstkritiker nicht wie zuvor gezwungen, für einen Vergleich zweier Objekte an bestimmte Orte zu reisen, und hauptsächlich Erinnerungsbilder als Beleg für eine Gegenüberstellung heranzuziehen. Zwar würde der Gegenstand aus seinem eigentlichen Kontinuum herausgenommen werden, „[d]ie Konvertierung dreidimensionaler Objekte in zweidimensionale Fotografien, wie sie für das imaginäre Museum charakteristisch ist, bewirkt [jedoch] eine radikale Vereinheitlichung der Werke. [...] Das imaginäre Museum [...] annulliert die Materialität [und] Materialeigenschaften [eines Kunstwerks].“ Die fotografische Reproduktion erlaubt also physisch zeitlich und örtlich getrennte Werke nebeneinander in einem Vergleichsmedium zu präsentieren. Malraux sieht durch diese formale Vereinheitlichung einen visuellen Mehrwert und Gewinn an Bedeutung für die Werke. Die einheitliche Zusammenstellung führt jedoch zu einer kulturkritischen Nivellierung, da 5 4
(Geimer 2009, S.149; Anpassung und Auslassung: T. A.)
der Maßstab eines Originals nach Belieben vergrößert oder verkleinert wird, „eine monumentale Skulptur erscheint in gleicher Größe wie eine (Geimer 2009, S.149)
Elfenbeinminiatur“. Also seien gewisse Bedingungen an die Übertragung vom Objekt in dessen Kopie geknüpft. Wie schon William Henry Fox Talbot feststellte, kann man durch die Reproduktion in die Integrität eines Originals eingreifen, was Malraux als eine produktive Manipulation empfindet. Er sieht im Gegensatz zu einem Verlust eher einen Profit. Die Kunstwerke würden sich ausschließlich über diesen konkurrierenden Vergleich entfalten und ihre stilistische Identität hervorbringen. Die Gelegenheit sogar nach einem unterzogenem Angleich gegen andere Kunstwerke standzuhalten, sei einer der stärksten künstlerischen Erfolge. Aus dieser Herangehensweise Malraux’ lässt sich schließen, dass eine komprimierte und allerorts zugängliche Vermittlung von Objekten, hier Kunstwerke, auch immer eine Anpassung und Nivellierung mit sich bringt. Außerdem kommt er zu der Erkenntnis, dass die Fotografie nicht nur ein bescheidener Abzug von abgebildeten Werken für solche sei, welche sich das Original nicht leisten können. Denn mit dem technischen Fortschritt würde immer mehr reproduziert werden, und die Fotografie besäße einen entscheidenden Einfluss auf die Wahl, was veröffentlicht und fotografiert werde. Die Fotografie ist nicht mehr nur ein nutzbringendes Element der Kunst, sondern diese richtet sich darauf aus, für eine Reproduktion die besten Voraussetzungen zu besitzen.
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Abb. 9, S. 58, André Malraux: Das imaginäre Museum. 1950.
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„[...] Die Reproduktion dient nicht länger der Kunst, vielmehr richtet sich (Geimer 2009, S.154).
die Kunst an den Bedingungen ihrer Reproduzierbarkeit aus.“ Oder wie es Walter Benjamin in seinem Essay auslegt: „Das reproduzierte Kunstwerk wird in immer steigendem Maße die Re-
(Benjamin 1936/2013, S.24)
produktion eines auf Reproduzierbarkeit angelegten Kunstwerks“ Abgesehen von dem Gedanken der Kunstverbreitung, gibt es Parallelen dieser Konzeption in der modernen Gesellschaft. Zu diesem Standpunkt kann man in Frage stellen, ob eine solche Angleichung unterbewusst stattfindet, um in der medial geprägten Welt standzuhalten. Idealisieren um einen größeren Nutzen zu erfahren, sich der Konkurrenz zu stellen und im Idealfall zu triumphieren. Es scheint als würde alles darauf ausgerichtet sein, den Idealen der Gesellschaft gerecht zu werden und den Gegenstand ins rechte Licht zu rücken, auch wenn dort Manipulation in Frage kommt. Ist die Grundlage eines Objektes eine gute Voraussetzung, um auch nach einer Reproduktion denselben qualitativen Wert zu besitzen? Da Malraux’ Schrift eher eine zeitgemäße Bedeutung hat, kann sie heute nur entfernt so gedeutet werden, wie damals. Es ist nicht mehr zwingend notwendig, für eine Vergleichsanstellung ein Museum zu besuchen. Grund dafür sind die allgemein technischen und medialen Fortschritte, bei dem jedoch die Vermittlung des künstlerischen Erbes nicht im Vordergrund steht. Die Art der Zusammenstellung von Kunstwerken in 5 7
Form von Fotografien stehe jedem Menschen als Selbstverständlichkeit auf Internetseiten oder in Büchern zur Verfügung. Dennoch sind die Überlegungen Malraux’, ein Buch mit collagenartiger und komprimierter Zusammenstellung von Fotografien als Vergleichsraum zu schaffen. Ein interessanter Grundgedanke in Bezug auf die fotografische Reproduktion und deren Auswirkung, sowie die Kunstvermittlung und Medienästhetik zu erstellen.
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A p p a ra t g e d ä c h t n i s (Heidegger 1989, zit. In: Geimer 2009, S.164)
„ [ ...] ü be ral l p h ot ograp h i e re n de Le u t e . S i e we rfe n i h r Ge däc h t n i s we g i n das t e c h n i sc h h e rge st e l l t e B i l d“.
Vilém Flusser, 19201991, Tschechien, Koomunikationswissenschaftler
Der Medienphilosoph Vilém Flusser und der Philosoph Martin Heidegger,
Martin Heidegger, 1889-1976, Deutschland, Philosoph der Phänomenologie
beschäftigen sich weniger mit dem Schicksal der Künste in den Medien
analysierten die Thematik der fotografischen Beeinflussung unter ähnlichen und dennoch divergenten Gesichtspunkten. Die Gedankengänge oder der bildlichen Überlieferung des kulturellen Erbes, wie sie bei Malraux vorherrschten. Vielmehr geht es um die allgemeinen Gesetze einer technisch vermittelten Bilderwelt und dem Verhältnis der Menschen zur Umwelt unter dem Aspekt, dass die Fotografie zum alltäglichen Begleiter geworden ist. Die Kritik, die Flusser und Heidegger an der Abbildung der Wirklichkeit und die Einwirkung dessen auf unser Gedächtnis ausüben, lässt sich als eine analoge Vorbemerkung der Schriftsteller Sigfried Kracauer und Susan Sontag, welche im späteren Abschnitt noch näher erläutert werden, beschreiben. Der deutsche Philosoph Martin Heidegger schrieb 1962 in seinem Tagebuch über das fotografische ‚Apparategedächtnis’, bei welchem die Menschen in der Kamera einen Aufbewahrungsort für Erlebtes sehen. Bei einer Reise beobachtete er Touristen, stehend vor einer digkeit, welche kurze Zeit nach dem Ankommen an der prominenten Stelle ein Festhalten des Gegenwärtigen durch die Kamera, einer reale Besichtigung in natura bevorzugten. „[...] überall photographierende Leute. Sie werfen ihr Gedächtnis weg in
(Heidegger 1989, zit. In: Geimer 2009, S.164)
das technisch hergestellte Bild“. 5 9
Nicht länger die persönliche Erfahrung an Ort und Stelle sondern das Festhalten eines Ereignisses durch Hilfestellung der Kamera zähle. Die Wirklichkeit, spiegele sich in der Aufnahme wieder, nicht in der eigenen Erinnerung. Das Foto, welches man geschossen hat wird in die Sammlung der anderen Aufnahmen zugefügt. Die Exemplare sind Eigentume derer, die sie geschossen haben und ergründen somit ein Gefühl der Autorität über einzelne Fragmente der Realität. Die Architektur wird auf trivialer Ebene rezipiert und in Form von Urlaubsfotos verewigt. Oft ist als Bildausschnitt ein Motiv gewählt, welches dem ausgewählten Ausschnitt von Ansichtskarten konform ist. Das
(vgl. Geimer 2009, S.164) (vgl. Adriani 2002, S.9)
Wichtige ist der Status als Wahrzeichen des Gebäudes und das man dort gewesen ist, die Gebäude, die einem im Alltag begegnen, werden schließlich auch nicht isoliert fotografiert. Die Thesen Flussers sind simultan und belaufen sich ferner auf das moderne Zeitalter. Dort würde das technisch hergestellte Bild mit negativen Auswirkungen überhandnehmen. Flusser schildert in seinem Buch ‚Für eine Philosophie der Fotografie’ von 1983 die Orientierung des Menschen an der Fotografie. Auch wenn die Menschen die Fähigkeit nicht mehr besäßen, die zeitgeschichtlich älteren Artefakte und Fotografien zu lesen, setze sich die Wirklichkeit ausschließlich aus den eigenen gegenwartsnahen Fotografien zusammen. Der Kritiker behauptet, wie auch sein Kollege Sigfried Kracauer, dass die Gegenwart in der wir uns befinden sich innerhalb der Begrenzungen 6 0
(vgl. Adriani 2002, S.10)
(vgl. Geimer 2009, S.162).
abspielt, welche uns der Fotoapparat vorgibt. Dabei spielt natürlich der Fotograf selber eine große Rolle, da er die Kontrolle über die technischen Möglichkeiten des Apparates besitzt. Einerseits eine Entscheidungsfreiheit, andererseits ist die Programmwahl der Kamera nicht unendlich und grenzt sie somit wieder ein. Der Fotograf befindet sich in einer Wechselbeziehung zur Kamera; „Während der Apparat in Funktion der Absicht des Fotografen funktioniert, funktioniert diese Absicht selbst in Funktion des Programms des Apparats. [...] In der Fotogeste tut der Apparat, was der Fotograf will, und der Fotograf muß wollen, was der Apparat
(Vilém Flusser 1983 zit. In: Geimer 2009, S.162).
kann.“ Neben dem Fotografen gäbe es noch den ‚Knipser’. Dieser liefert sich den Funktionen der Kamera aus, anstatt diese zu durchleuchten. Er wird selbst zu einer Art Verlängerung der Kamera und sieht die Welt nur noch durch den Blick des Suchers. Eine Anhäufung an wertlosen
(vgl. Geimer 2009, S.163)
und unbewusst geknipsten Bildern sind die Folge. Eine Art ‚Apparatgedächtnis’ als Speicher für Erlebtes. Die Geschehnisse, welche für die Kamera annehmbar und empfänglich sind, sind auch diejenigen, die das Umfeld des Menschen bilden, so beschreibt es Flusser wie auch Kracauer. Blind von den Abbildern, gelangen wir zu einer verminderten und beschränkten Wahrnehmung der Realität. „Die Absicht der illustrierten Zeitungen sei die ‚vollständige Wiedergabe
(Siegfried Kracauer 1977, zit. In: Geimer 2009, S.163)
der dem photographischen Apparat zugänglichen Welt [...]’’.“
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7 .
Si e g fr i e d K ra c a u e r
(Kracauer 1927/2010, S. 240).
„ Fo to g ra fi e n v e ran sc h au l i c h e n n i c h t di e Erke n n t n i s de s Ori gi n al s, son de rn di e räu ml i c h e Kon fi gu rat i on e i n e s Au ge n b l i c ks [ ...] .“
Welche Beziehung entsteht zwischen geschichtlichem Hintergrund, Erinnerung und Wahrnehmung? Welche Rolle spielt die Zeit in der Fotografie? Siegfried Kracauer, 1889-1966, Deutschland/USA Journalist und Filmtheoretiker
Siegfried Kracauer verfasst in seiner Zeit als Schriftsteller mehrere fotografietheoretische Überlegungen. Nicht nur die Zeit im Bild, sondern auch die zeitgenössische Pressefotografie um 1930 und darüber hinaus die Fotografie als Bilderwelle in der Gesellschaft, interessieren ihn. Sie geben einen einflussreichen Denkanstoß und lassen sich in gewissem Maße ebenfalls auf die heutige Zeit beziehen. Zunächst wird die Kernaussage und der Leitgedanke Kracauers über die Beziehung zwischen Erinnerung, Wahrnehmung, Fotografie und Realität dargelegt. In seiner Abhandlung ‚Die Fotografie’ von 1927, befasst sich Sigfried Kracauer mit dem Verhältnis vom fotografierten Bild und dem menschlichen Erinnerungsbild einer Gegebenheit. Er analysiert die Wechselwirkung zwischen Gedächtnis und Wahrnehmung.
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7 . 1
Ze i t g e b u n d e n e Fo to g ra fi e (Siegfried Kracauer 1927, zit. In: Stiegler 2006, S.288)
„ D i e Fot ografi e i st n ot we n di g ze i t ge b u n de n , erfasst das Ge ge b e n e al s räu ml i c h e s ( ode r ze i t l i c h e s) Kon t i n u u m.“
Kracauer beschreibt zunächst die Fotografie als eine Wiedergabe des als wahr Erkannten, im Gegensatz zu den oftmals konfusen und verwor(vgl. Kracauer 1927/2010, S. 233).
renen Erinnerungen des Gedächtnisses. Dazu erwähnt Kracauer des Öfteren die Begriffe Bildgedächtnis oder Gedächtnisbilder; Sein Essay beginnt mit einem Vergleich zweier Fotografien. Eine dieser zeigt eine junge, erfolgreiche und bekannte Schauspielerin vor einem Hotel. Ein, zurzeit des Aufsatzes um 1927, aktuelles Titelbild einer Zeitung. Auf der zweiten Aufnahme lässt sich ebenfalls eine junge Dame erkennen. Der Unterschied ist hingegen, dass dieses Foto eine nun um sechzig Jahre gealterte Frau aus dem Jahre 1864 zeigt. Bei der Schauspielerin konnten die Betrachter direkt einen Bezug herstellen und erkennen die Frau aufgrund ihres aktuellen Bekanntheitsgrades. Die abgebildete Person ist real und gegenwärtig. Abgesehen von der Prominenz der Frau erleichtert die aktuelle Ähnlichkeit von Original und
(vgl. Kracauer 1927, S. 101f. in Kemp 1979)
Photographie den Erkennungsprozess. Bei dem Bild der damals jungen Großmutter gibt es keine vergleichbare Analogie zur Gegenwart. Die Frau ist altersbedingt nur schwer als derselbe Mensch von damals erkennbar. Der zeitliche Bezug geht verloren. Daher wird für Kracauer eine zusätzliche, mündliche oder schriftliche Erläuterung zu einer Fotografie zu einem entscheidenden Informationsträger. Hiermit bekäme das Bild einen Bezugsrahmen, auch wenn folglich eine Aussage oder Erläuterung nicht immer für Wahrheit und Verlässlichkeit garantiert.
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Diese menschliche Essenz und Erinnerung, oder nach Kracauer, die Gedächtnisbilder, hätten zwar einen zeitlichen Bezug und Kontext zu dem Geschehnis, seien dennoch lückenhaft. Das Gedächtnis bewahrt Vergangenes im Hinblick auf dessen Sinn und speichert nur Aspekte mit einer elementaren Wichtigkeit ab. „Die Bedeutung der Gedächtnisbilder ist an ihren Wahrheitsgehalt geknüpft“. Ein kritischer Punkt sei somit, dass ein Bild einerseits Inhalt durch die menschliche Erinnerung
(Kracauer 1927/2010, S. 233)
bekommt, andererseits diese wertend und unvollständig sein könnte. Eine Verfälschung des richtigen Kontextes könne passieren. Eine Fotografie ist eine Momentaufnahme, welche Raum und Zeit so verbindet und wiedergibt, wie sie im exakten Augenblick dieser Aufnahme vorzufinden war. Ein Erstarren des Moments, ein Herausnehmen einer Situation aus seiner Umgebung. Was wir mit der Fotografie festhalten, kann kein anderes Medium so präzise Greifen. Das Zusammenspiel aller Elemente wird nach dem Drücken des Auslösers nicht nochmals erscheinen, es ist die Sekunde des einmaligen Seins. Wenn man den Aspekt des Manipulierens durch den Fotografen außer Acht lässt, ist eine Aufnahme das Abbild eines vergangenen Jetzt, welches diesen Moment zeitunabhängig und immerwährend so wiedergibt, wie es zum damaligen Augenblick gewesen ist. In einer Fotografie gäbe es nur die eine Zeit und der eine Raum der Aufnahme. Das Abgebildete scheint verewigt, in Wahrheit ist jedoch alles schon Verschwunden. Somit entsteht in Kracauers Theorie und Erklärung zwei bildnerische 6 6
(vgl. Gronmaier 2008, S.10).
Eigenschaften. Zum Einen erläutert er das einmalige Einfrieren eines Momentes durch die Fotografie, zum Anderen die Möglichkeit des Überdauerns einer Situation im Bild. Die Sekunde der Aufnahme, mit seinen zu diesem Zeitpunkt geltenden raumzeitlichen Konstellationen wird, wenn auch nur als Abbild, konserviert. Die Zeit an sich läuft aber weiter. Die eigentliche Aufgabe und Funktion der Fotografie bestünde aus dem Zeichen des Vergehens und Vergessen, die eigentliche Vergänglichkeit (vgl. Gronmaier 2008, S.10).
wird umso deutlicher. Nach diesen Analysen und Annahmen Kracauers entsteht in einem Abschnitt seines Essays eine Diskrepanz, mit der er sich auseinandersetzt. Er sieht die schwache Verbindung zwischen einem Abbild und dessen wahren Inhalt, durch Gedächtnisbilder nicht nur als Lücke sondern auch als einen positiven Aspekt. Die Loslösung von Bedeutungskontexten könne mehr Freiraum für ein vorurteilsloses und neutrales Bild schaffen. Kontexte würden den Blick auf die Realität tendenziös und vorurteilsbehaftend beeinflussen und die Impression schon in eine Richtung hin delegieren. Die Kamera, das Objektiv und die Abspeicherung eines Motivs sind technische und somit unbefangene Aufnahmekomponenten. Die Fotografie an sich erfasst die Natur unabhängig und ohne symbolische Vermittlung. Der materielle Gegenstand wird zum Zeitpunkt der Aufnahme stillgestellt. Kracauer sieht in dieser Deutungsfreiheit die große Fähigkeit der Fotografie, einen Blick frei von persönlichen oder geschichtlichen Einflüssen und Bezügen entstehen zu lassen. Unkonventionelle und auf6 7
geschlossene Gefüge können durch diesen Aspekt neu gesetzt werden und der Interpretation individuellen Wert geben. Eine neue Erschließung der Welt entstünde. Das, was wir in einer Aufnahme sehen, hat auch viel damit zu tun, was wir in die Aufnahme hinzufügend interpretieren, aus eigenen Erfahrungen oder Erinnerungen. Wir erweitern den Kontext eines Bildes auf unsere Art und Weise jeder anders. Für Kracauer auch ein fruchtbare Fähigkeit der Fotografie, insofern die Menschen sich mehr auf ihr Bewusstsein fokussieren würden. Aufnahmen könnten aus ihrem zeitlichen Kontext genommen und in neue Beziehungen gesetzt werden. Allerdings hat die Betrachtungsweise der unvollständigen Momentaufnahme, welche zu Beginn erläutert wurde, gegenüber dem Aspekt der Deutungsfreiheit eine essenziellere Bedeutung, da sich Kracauer in seinen Texten des Öfteren darauf zurück beruft und die individuelle Interpretation eher nebensächlich erwähnt. Diese sei auch nur ein mögliches Potential der Fotografie, welche aufgrund der tendenziös festgelegten Symbolhaftigkeit der Medien ohnehin kaum mehr umsetzbar sei. Kommen wir zurück auf die Anfangs erläuterte Problematik, die Kracauer in dem zeitgebundenen Aspekt eines Bildes begreift. Wie zu Beginn sieht er in der Verwendung des Mediums Fotografie gleichzeitig ein Verschwinden der Geschichte und der Welt, trotz des neuen Wahrnehmungsgedankens. Durch die reinen Abbildungen würde sich die Ver6 8
(vgl. Stiegler 2006, S.288)
gangenheit schneller aus dem Gedächtnis der Menschen auflösen und durch aktuelle Inhalte der Gegenwart eingetauscht werden. Er erwähnt die unterschiedliche Beziehung zur Geschichte bei Fotografien und jene bei Erscheinungen die im Gedächtnis abgespeichert sind. „Die Fotografie ist notwendig zeitgebunden, erfasst das Gegebene als (Siegfried Kracauer 1927, zit. In: Stiegler 2006, S.288)
räumliches (oder zeitliches) Kontinuum.“ Die Bedeutung und Aussage einer Fotografie könne nur durch ihren zeitlichen Hintergrund richtig gelesen werden. Da Fotografie nur aus gesammelten Fragmenten der Zeit bestünde, ist der unmittelbare Bezug auf den Originalzustand kaum mehr möglich. Den Zustand, welchen man in der Gegenwart vorfinde oder welcher in der Vergangenheit stattgefunden hat, und die Abbildung dessen, seien voneinander zu trennen, da sie nicht auf demselben Realitätsniveau stünden. Kracauer eröffnet mit dieser Argumentation das Thema; „Der Wahrheitsgehalt des Originals bleibt in seiner Geschichte zurück; die Fotografie faßt den Restbestand, den die Geschichte abgeschieden
(Kracauer 1927/2010, S. 238).
hat“. Der zeitgebundene Aspekt eines Bildes ist für Kracauer von entscheidender Bedeutung. Eine Fotografie würde nur einen Teil eines Geschehnisses aufnehmen, eine Momentaufnahme. Das Motiv würde ausschließlich in einem Raumkontinuum festgehalten werden. Ein Abbild würde nur einen
(vgl. Kracauer 1927/2010, S. 233).
Teil aus einem eigentlich viel umfangreicheren Zusammenhang zeigen. 6 9
„Fotografien veranschaulichen nicht die Erkenntnis des Originals, sondern die räumliche Konfiguration eines Augenblicks [...].“
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(Kracauer 1927/2010, S. 240).
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M a sse n m e d i u m Fo to g ra fi e
(Geimer 2009, S.154).
„Die Menge der publizierten Bilder bringt der Erfahrung die Wirklichkeit also nicht näher, sondern rückt sie im Gegenteil von ihr ab. Die tägliche Ration an Bildern verstellt die Wirklichkeit [...]“
Trotz der Euphorie der Menschen über das beliebte Ausdrucksmittel, übte Siegfried Kracauer zur gleichen Zeit Kritik an der Funktion der Foto(Kracauer 1927, S. 109 in Kemp 1979)
grafie als Massenmedium in der Presse aus. Ein treffender Leitgedanke Kracauers steckt in dieser Aussage: „In den Illustrierten sieht das Publikum die Welt, an deren Wahrnehmung
(Kracauer 1927, S. 109 zit. In: Kemp 1979)
es die Illustrierten hindert.“ Oder von Stiegler formuliert: „Die illustrierte Zeitschrift füttert das hungrige Auge mit den Bildern der Welt, die, wie Kritiker vermuten, zur allei-
(Stiegler 2006, S.288)
nigen Welt werden können.“ Die Menschen würden sich ausschließlich auf die reinen Abbildungen stützen ohne den historischen Kontext dahinter zu erfahren. Allerdings sind diese Abbildungen im geschichtlichen Rückblick nur als gegenwärtige Momentaufnahme aufzufassen und ist daher von ihrer Bedeutung her unvollständig. Sie erkannten eine Fotografie als Beweismittel an, obwohl diese nicht immer verlässlich sei. Dabei galten Fotografien über mehrere Jahre hinweg als die authentischsten und glaubwürdigsten Zeugnisse. Gerade das ist vermutlich ein Grund für die massenhafte Verbreitung von Fotografien. Was bleibt in den Medien von der Realität übrig? Ersetzt eine Flut an Bildern die eigentliche Realität? 7 1
Kracauer ist der Meinung, dass das Abbilden im privaten Gebrauch sowie in den Medien zur Alltäglichkeit geworden ist und dadurch eine geballte Masse an Fotos existiere, eine Flut an Bildern. Der Mensch glaubt an das Festhalten der Geschichte durch die Fotografie. Eine Fotografie wird glaubhaft gelesen und verinnerlicht, trotz der Tatsache, dass der Betrachter zur Zeitpunkt der Aufnahme vermutlich gar nicht anwesend war. Streng genommen ist er also nicht befugt, durch die fehlende sachliche Verknüpfung, eine Beurteilung abzugeben. Eine Kritik die Kracauer weiter ausübt, ist die der ‚Bilderflut’. Eine Unmenge an Fotografien würden im Umlauf sein und in den Medien und Zeitschriften publiziert werden. Eigentlich ein positiver Aspekt, da man über die aktuellen Geschehnisse der Welt in Kenntnis gesetzt wird. Kracauer sieht darin jedoch auch eine Gefahr. Die Generation, welche dieser Bildproduktion ausgesetzt ist, weiß über die Gegenwart, in der sie sich befindet, Bescheid. Aber nur in dem Sinne, wie sie überall als Fotografie abgebildet und dargestellt ist. Also ist es gewissermaßen eine Generation, die kaum etwas über sich weiß. Und dies würde das vorhandene Bewusstsein der Wahrnehmung entscheidend verändern; „Die Menge der publizierten Bilder bringt der Erfahrung die Wirklichkeit also nicht näher, sondern rückt sie im Gegenteil von ihr ab. Die tägliche Ration an Bildern verstellt die Wirklichkeit, die sie angeblich zur Anschauung bringt. [...] Zwar unterhält sie ein Verhältnis zu den Dingen, die sie reproduziert, aber ihr massenhaftes Erscheinen erzeugt zugleich 7 2
(Geimer 2009, S.154).
auch eine ganz eigene Wirklichkeit. Der Zuwachs an Bildern geht mit (Geimer 2009, S.154).
einem Verlust des Bewusstseins einher “ In einer Zeit, in der die Fotografie sich langsam zu einem Massenmedium entwickelte, analysierte der Schriftsteller die historische Bedeutung der Fotografie. Er kam zu der Erkenntnis, dass die reproduzierenden Abbilder und dessen Allgegenwärtigkeit in den Medien die eigentliche Erinnerung und Geschichte ersetzen würden. In der modernen Gesellschaft ist bei dieser Argumentation zusätzlich der Gesichtspunkt der energischen Fotomanipulation nicht zu vernachlässigen. Fünfzig Jahre nach Kracauers Theorie, spricht auch die Schriftstellerin Susan Sontag von einer inflationär fotografischen Aufzeichnung der Realität. Ihre Überlegungen lassen sich mit denen von Kracauer gut vergleichen und erweitern; beide teilen denselben Grundgedanken der Indoktrination und Rolle der Fotografie in der Gesellschaft.
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7 4
8 .
Sus an Sont a g : Fo to g ra fi e n a l s Br u c h st ü c ke d e r We l t (Sontag 1977/2010, S.301; Auslassung: T. A.)
Susan Sontag, 1933-2004, USA Schrifstellerin
„ D a s B e d ü r fn i s n ac h B e st ät i gu n g de r Real i t ät u n d Au swe i t u n g d e s E r fa h r u n gsh ori zon t e s du rc h Fot ografi e n i st e i n äst h e t i sc h e s Ko n s u m v erh al t e n , de m h e u t e j e de rman n v e rfal l e n i st .“
Die amerikanische Essayistin Susan Sontag setzt sich ebenfalls mit der Thematik der Ontologie des fotografischen Bildes auseinander. In einem ihrer bekannten Aufsätze ‚Über Fotografie’ von 1977 und dessen Textabschnitt ‚In Platos Höhle’ beschreibt sie, inwieweit Fotografie als das Mittel zur Erkenntnis der Welt auf die Gesellschaft wirkt. Auch bei Sonntag geht der Gedächtnis- und Doppelgesichtigkeitsdiskurs der Fotografie einher, einer der meist diskutierten Themenkomplexe in er Fotografietheorie. Sontag trennt die Eigenschaften eines Gemäldes nicht von denen einer Fotografie. Beide seien Interpretationen der Welt und schon von der ersten Sekunde ihrer Entstehung beeinflusst worden. Dabei besitzt die Fotografie dennoch den Sonderstatus aufgrund ihrer detailgenauen Wiedergabe. Die Schriftstellerin bezeichnet Fotografien als Bruchstücke der Welt, welche als Unterstützung des menschlichen Erinnerungsver-
(vgl. Sontag 1977/2010, S.277)
mögens fungieren. Eine Fotografie von etwas Vergänglichem zu besitzen verleihe uns das Gefühl, ein Stück dieses Momentes immer bei sich zu tragen, aufzubewahren und das Erlebte somit wieder aufzurufen. Eine Gedächtnisstütze eben. Eingefangene Erfahrungen und das Gefühl, Miniaturfragmente der Welt zu besitzen, sei ihrer Meinung nach eine Eigenschaft der Fotografie sondergleichen. Sie zeigen einen vergangenen Moment; bei dem man eventuell anwesend war; die Betrachter denen man es zeigt, sich aber zu diesem Zeitpunkt außer Reichweite befinden würden. Wir wollen Erlebnisse für uns festigen, aber auch mit anderen 7 5
teilen und belegen. Fotografien beweisen und dokumentieren. Eine weitere Überlegung Sontags über zwei unterschiedliche Bildtypen erklärt Sie zu Beginn ihres Essays und basiert auf der kritischen Zweigleisigkeit der Realitätswiedergabe eines Fotos. Sie unterscheidet zwischen „Fotografien, die am Maßstab der Welt herumbasteln [...]“ und solchen „[...] die die Welt zusammenbündeln, [...]“.
(Sontag 1977/2010, S.279)
Nicht nur am Maßstab, sondern auch an der menschlichen Wahrnehmung gegenüber der Welt, experimentieren die in den Medien veröffentlichten Fotografien herum. Um an den Geschehnissen der Welt teilzuhaben stütze man sich auf bildnerische Beweisstücke, zu denen jeder Zugang hat. Diese Aussagen über die Welt sind allerdings oft „verkleinert, vergrößert, beschnitten, retuschiert, manipuliert, verfälscht.“ Also würde eine große Verantwortung gegenüber der Gesellschaft auf
(Sontag 1977/2010, S.279)
den Fotografen und den Medien lasten, welche die Entscheidung über die repräsentativsten Fotos als Aussage eines Kontexts treffen. „Bei der Entscheidung, wie ein Bild aussehen sollte, bei der Bevorzugung einer von mehreren Aufnahmen zwingen die Fotografen ihrem Gegenstand stets bestimmte Maßstäbe auf.“ Die Menschen schenken diesen Maßstäben und den dokumentarischen Qualitäten der Bildmaschenerie ein nahezu naives Vertrauen, können es aber auch kaum anders. Der anschaulichste Bezugspunkt auf die Welt liegt nun mal so gut wie unausweichlich in den Abbildern, wel7 6
(Sontag 1977/2010, S.280).
(vgl. Sontag 1977/2010, S.280)
che uns vorgelegt werden und auf welche wir zurückgreifen können. Leitbilder werden von Menschen angenommen und nur selten wirklich hinterfragt. Ein Ereignis von dem wir nur flüchtig etwas mitbekommen haben, scheint durch eine Fotografie bestätigt. Bei dem zweiten Bildtypus den Sontag beschreibt, handelt es sich mehr um die Verwendung von Fotografien in privater Umgebung, da diese dort die Fragmente von Erinnerungen und Erlebnissen zusammentragen. Durch Abbilder baut man sich seine eigene Welt der Erinnerungen, und diese scheint vollkommen zu sein, da der Großteil dieser gesammelten Fotografien erfreuliche Ereignisse zeigen. Diese müssen somit den Status einer besonderen Qualität erreichen um als interessantes Abbild zu gelten, welches nach Ablauf dieser Situation stetig als dessen Repräsentativ gilt. Eine Fotografie könne man als Pseudo-Präsenz
(vgl. Sontag 1977/2010, S.292)
und Zeichen des Vergangenen bezeichnen. Auch wenn die Kamera die Wirklichkeit so nackt und realistisch abzubilden vermag, steckt in ihrem reproduzierten Bild immer eine Interpretation. Das ist die Problematik des Realitätsgrades eines Abbildes, welche schon viele Auseinandersetzungen in der Fototheorie mit sich brachte. Die Fotografie macht den Eindruck „eine unschuldigere und deshalb genauere Beziehung zur sichtbaren Realität zu haben als andere mimetische Objekte.“ Aber „Auch wenn es in gewisser Hinsicht zutrifft, dass die Kamera die Realität einfängt und nicht nur interpretiert, sind Fotos doch genauso eine Interpretation der Welt wie Gemälde und Zeichnun-
(Sontag 1977/2010, S.280)
gen.“ 7 7
Da auch Sontag die Fotografie nur als einen schmalen Ausschnitt aus Sphäre und Dauer einer Begebenheit sieht, wie es Sigfried Kracauer angenommen hatte, kann sie nicht als verlässlicher Informationsträger gelten. Die Fotografie lasse uns die Umwelt erreich- und greifbarer machen, als sie überhaupt ist, da sie uns kompensiert als Duplikat in den Händen liegen kann. Da die Gegenwart aber ein Prozess ist und kein Moment, kann eine reduzierte Fotografie nicht den vollständigen Komplex des Ereignisses wiedergeben. „Das Bedürfnis nach Bestätigung der Realität und Ausweitung des Erfahrungshorizontes durch Fotografien ist ein ästhetisches Konsumverhalten, dem heute jedermann verfallen ist. Die Industriegesellschaften verwandeln ihre Bürger in Bilder-Süchtige; dies ist die unwiderstehlichste von geistiger Verseuchung. Die schmerzliche Sehnsucht nach Schönheit, [...].“
(Sontag 1977/2010, S.301; Auslassung: T. A.)
Wir haben das Gefühl über die Welt Bescheid zu wissen. In Wirklichkeit wissen wir nur über die Welt bescheid, welche die Kamera aufzeichnet und wiedergibt. Die Vorgänge des Lebens sind zeitliche Abläufe und müssen auch in ihrem zeitlichen Kontext erklärt werden. Sie sind, beziehungsweise können, aufgrund dessen keine stagnierten Abbildungen sein.
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„Es ist sicher nicht falsch zu sagen, daß der Mensch einen zwanghaften Drang zum Fotografieren hat, einen Drang, Erfahrungen in eine bestimmte Sehweise zu verwandeln. Eine Erfahrung zu machen, wird schließlich identisch damit, ein Foto zu machen, und an einem öffentlichen Ereignis teilzunehmen, wird in zunehmendem Maß gleichbedeutend damit, sich Fotos davon anzusehen. Der konsequenteste Ästhet des neunzehnten Jahrhunderts, Mallarmé, sagte, alles in der Welt sei dazu da, in einem (Sontag 1977/2010, S.30)
Buch zu landen. Heute ist alles dazu da, auf einem Foto zu landen.“
Diese Doppelgesichtigkeit, dass der Fotografie einer der realistischsten Abbildungsverfahren zugesagt wird, sie aber dennoch durch den zeitgebundenen Aspekt, die Manipulation und Idealisierung nicht objektiv sein kann, gilt als Kern der theoretischen Auseinandersetzungen um die Fotografie.
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9 .
Frühe Pre sse fo to g ra fi e u n d Bi l d b a u Pro p a g a n d a (Jan Tschichold zitiert durch Stiegler 2006, S.281).
„Die medienhistorische Relevanz der Photographie verdankt sie der Presse, da erst hier die Photographie von einem Medium,[...] zu einem Massenmedium mit seinen spezifischen Verbreitungs- und Rezeptionsformen wird.“
Ein Exkurs zur Betrachtung der damaligen Presse liegt dem der Fotoreportage nahe. Der Bogen zu Kracauers und Sontags Theorien der ‚Bilderflut’ wird durch knappe Erläuterungen anderer Schriftsteller untermalt und die Ausrichtung von Bildern auf bestimmte Situationen thematisiert. Neue grafische Verfahren erlaubten den Zeitungen Anfang des 19. Jahrhunderts, eine schnelle Reproduktion von Fotografien in den Print(vgl. Sam 2013, S.26)
medien. Fast ein Jahrhundert sind die Verschriftlichungen Kracauers zum Thema der historischen Bedeutung der Pressefotografie alt und dennoch sind sie aufschlussreich. Es gab viele Kritiker um 1930, die sich ebenso dem Thema der Fotografie in Zusammenhang mit dem
Paul Renner, 18781956, Deutschland, Autor Ausstellung „Das Lichtbild“, 1930, München
Zeitungswesen zuwandten. Paul Renner sprach bei einer Rede am 5. Juni 1930, zu Eröffnung der Ausstellung „Das Lichtbild“ in München, von „illustrierte[n] Zeitungen, die von der ersten bis zur letzten Seite mit Fotos aufgefüllt sind. [...] Das ist nur eine von den vielen Tatsachen, welche die Verbreitung und Bedeutung der Fotografie in der Gegenwart
(Paul Renner zit. In: Stiegler 2006, S.28; Anpassung: T. A.).
beweisen“. Da viele Menschen diese bebilderten Zeitschriften kauften, läge es in der Verantwortung der Fotografen und der Presse, die Fotografie auf den richtigen Weg zu führen. Auch ein Vertreter der Thematik
Jan Tschichold, 1902-1974, Deutschland/ Schweiz, Autor
war der Redakteur Jan Tschichold, welcher das anbrechende Zeitalter der Fotografie wahrnimmt; „das foto ist zu einem so bezeichnenden merkmal unserer zeit geworden, daß man es sich nicht mehr hinwegdenken könnte. der bildhunger 8 1
des modernen menschen wird hauptsächlich durch die fotografisch illustrierten zeitschriften und magazine befriedigt (sic!).“ Außerdem hätte sich der Bedarf an Bildern so drastisch erhöht, dass für einen Druck eine manuelle Vorgehensweisen nicht mehr in Frage käme, wie es bei den damaligen Holzschnitten gewesen war. Um das Verlangen nach Abbildungen gerecht zu werden, würden mechanische Herstellungs- und Druckprozesse gefordert und ausgeschöpft werden. Erstaunlich ist, dass schon in der Zwischenkriegszeit von einem Abbil-
(Stiegler 2006, S.281). Holzschnitt bezeichnet Hochdruckverfahren zur Erzeugung von hölzernen Druckstöcken (vgl. Stiegler 2006, S.281)
dungshunger gesprochen wird. Vermutlich, weil die Errungenschaft des Diapositivs relativ neuartig war. Bezieht man diese Beobachtung auf die moderne Zeit, ist diese Gier nach Fotografien, Beweisen und Abdrucken noch immer nicht gestillt und eine Zeitschrift oder Internetseite ohne Abbildungen nicht wegzudenken. Noch immer erweist sich das Foto als das ausdrucksstärkste und bestvermittelnde Element. Tschichold ist der Meinung, dass damals das steigende Interesse an der Fotografie und deren Erreichbarkeit durch die Illustrierte ausgelöst und ermöglicht wurde, und diese die Fotografie erst zu einem Massenmedium herausgebildet hat. „Die medienhistorische Relevanz der Photographie verdankt sie der Presse, da erst hier die Photographie von einem Medium, dass massenhaft praktiziert wird, zu einem Massenmedium mit seinen spezifischen Verbreitungs- und Rezeptionsformen wird.“ Es scheint, als hätte die Pressefotografie die Eigenschaft, Grenzen im geographischen sowie dem religiösen und sozialen Bereich, aufzulösen. 8 2
(Jan Tschichold zitiert durch Stiegler 2006, S.281).
Bilder seien um einiges leichter zu lesen und zu verstehen, als intellektuelle Texte, welche gewöhnlich auf eine gebildete Schicht ausgerichtet (vgl. Stiegler 2006, S.282)
waren. Doch die Frage, wie viel eine Fotografie von einem Geschehnis preisgeben kann und wie eine Geschichte reduziert, und nichtsdestotrotz mit demselben Umfang an Information, zu einer Abbildungen werden kann, stellte sich auch der Fotograf Henry Cartier Bresson in seinem Aufsatz ‚Der entscheidende Augenblick’ Jahre später. Außerdem lassen sich bei Tschicholds Überlegungen Parallelen zu László Moholy-Nagy und Walter Benjamin ziehen. Alle vertreten die Meinung, dass es durch medientechnische und kulturelle Veränderungen zu neuen Rezeptionsformen gekommen ist und die Lesbarkeit der neuen Darstellungsweise durch Fotografien beherrscht werden muss. Wie Benjamins Kernaus-
(vgl. Stiegler 2006, S.283)
sage schon damals auf den fotografischen Analphabetismus hinwies. Somit sei es für die Menschen eine Voraussetzung das Leitmedium Fotografie richtig deuten und endziffern zu können, um den Kontext und Hintergrund des Bildes umfassend zu verstehen. Dazu verhalfen mit der Zeit Erläuterungen durch Bildunterschriften, welche es häufig zusätzlich unter den Abbildungen gab. Auch lassen sich Vergleiche mit Vilém Flusser, welcher rund fünfzig Jahre später einen Analphabetismus in Bezug auf die neue Bedeutung und Position des Computers ziehen. Die Schriftkultur würde durch den digitalen Index verdrängt werden.
8 3
Das Spektrum der Zeitschriften reichte von der Klatschpresse bis hin zu Kunstblättern oder themenspezifische Zeitschriften. Nicht nur Europa, sondern auch Amerika entwickelte sich zu einem illustrativ geprägten Land. Die naive Konsequenz, dass die Menschen glaubten, was auf einem Foto und in den Printmedien abgebildet war, insbesondere deren Bebilderung, immer mehr Aufmerksamkeit und Vertrauen schenkten, nutzte der nationalsozialistische Staat zur Zeit des zweiten Weltkriegs aus. Die Propaganda Presse beherrschte den Bildbau und die Fotomanipulation tadellos. Retuschen wurden an ungünstigen Stellen oder bei unerwünschten Personen innerhalb der Bildfläche vorgenommen. Das Ereignis Ende des zweiten Weltkriegs, bei welchem auf dem Berliner Reichstag eine rote Fahne symbolisch für den Triumph der Sowjetarmee über Deutschland aufgestellt wurde, war nicht nur manipuliert. Denn „die „Unwahrheit“ des porträtierten Ereignisses selbst, das zu einem späteren Zeitpunkt nachgestellt wurde, um das historische Ereignis visualisieren und verewigen zu können“ war der eigentliche Betrug. Auch fehlende oder der abgebildeten Tatsache nicht entsprechende Betitelung der Fotografien waren zur Zeit des Krieges ein angewandtes Täuschungsmittel. Inhaftierte Zivilpersonen aus Russland, wurden in England durch die Presse zu druckverspürenden deutschen Arbeitern.
8 4
(Sabrow 2013, S.5)
Abb. 10, S. 87, Bildarchiv Preuร ischer Kulturbesitz / Kunstbibliothek, SMB, Photothek/ Willy Rรถmer: German Worker feels the Pinch. o. D. um 1920. 8 5
8 6
1 0 .
H enri Car t i e r-Bre sso n : De r e n t sc h e i d e n d e A u g e n b l i c k
(Cartier-Bresson 1952/2010, S.204f.)
„ Ma c h e n w i r e i n e Au fn ah me , dan n fäl l e n wi r u n ge wol l t e i n U rt e i l ü be r das, was wi r se h e n , e i n Vorgan g, de r groß e Ve ran t wort u n g v e rl an gt .“
Dass der Fotograf und die Medien einem Pflichtbewusstsein gegenüber dessen, was sie veröffentlichen, tragen, ist bekannt. Welche Verantwortung trägt der Fotograf und was macht eine Aufnahme gelungen? Die Fotokamera war das erste vermittelnde Element, (vgl. Cartier-Bresson 1952/2010, S.209)
welches den Zugang zu einer objektiven Wirklichkeit über die Welt bot. Wenn man von der Entwicklung der medialen Verbreitung der Fotografie spricht, gibt es keinen Verzicht auf die Bekenntnisse des Mitbegründers
Henri-Cartier Bresson, 1908-2004, Frankreich, Fotograf
des modernen Fotojournalismus: Henri-Cartier Bresson. Der französische Architekt Bresson widmet sich intensiv der dokumentarischen Reportagefotografie und der Abbildungsleistung eines Fotografen. „Für mich heißt Fotografie, im Bruchteil einer Sekunde gleichzeitig die Bedeutung eines Ereignisses und dessen formalen Aufbau zu erfassen, durch den es erst seinen eigenen Ausdruck erhält“. (Cartier-Bresson 1952/2010, S.205). Für Bresson ist es bedeutend, bei einer Fotografie den entscheidenden Augenblick festzuhalten und das Ereignis möglichst wahrheitsgetreu zu schildern. Es sei wichtig eine visuelle Strukturierung eines zeitlichen Ablaufs auszuformen und das Wesentliche einer Handlung aufzunehmen. (vgl. Stiegler 2006, S.309) Man müsse eine Situation von mehreren Seiten betrachten, um die wahrhafte Darstellung zu finden. Er bezieht sich mit dieser Ansicht hauptsächlich auf die Fotoreportage. Eine gelungene Bildergeschichte zeichnet sich für ihn dadurch aus, das Hauptaspekte 8 7
ebenso wie Nebenerscheinungen einer Situation eingefangen werden. Dabei spielt die Auswahl der Bilder einer Serie eine große Rolle. Anders als beim Film besteht bei einer Fotoreportage nicht die Möglichkeit einen fortlaufenden Prozess zu zeigen. Trotz einer Reihenaufnahme fehlen minimale Bruchstücke der Situation zumal eine Häufung an Fotografien
(vgl. Cartier-Bresson 1952/2010, S.197). Fotoreportage bezeichnet eine örtlich und zeitlich begrenzte Darstellung realer Ereignisse
den Umfang eines Berichtes ohnehin sprengen würden. Man müsse daher den Rhythmus der Bilder erkennen um auch bei Auslassung mancher Fotografien eine aussagekräftige Wirkung zu erzielen, welche die Handlung umfassend wiedergibt. Unter anderem spielen zwei wichtige Faktoren eine Rolle bei der Erfassung eines Motivs; zunächst das fotoaffine Auge, welches in der Fülle von Motiven den nüchternen Blick für die aussagekräftigste Darstellung erkennen muss, dann die technische Fähigkeit, das Gesehene mit der Kamera festzuhalten. Außerdem beschreibt der Franzose weitere Fähigkeiten, welche ein Fotograf mit sich bringen muss, um gute Aufnahmen zu schießen; „Ein Photograph muss sich während seiner Arbeit völlig darüber im klaren sein, was er will. Manchmal glaubt man, man habe bereits das bestmögliche Bild im Kasten, aber man macht trotzdem weiter, da man niemals sicher sein kann, wie sich die Situation noch entwickeln wird.“ Es sei also von bedeutender Wichtigkeit, eine Situation vor dem Festhalten zu beobachten und zu bewerten. Ein Fotograf sollte das Potential seiner Aufnahme erkennen und den richtigen Zeitpunkt abwarten, bis er 8 8
(Cartier-Bresson 1952/2010, S.198)
die Elemente eines Ereignisses gebündelt als Fotografie wiedergeben kann. Das ist wichtig, um einen Zustand wahrheitsgetreu wiederzugeben. Eine gelungene Beispielfotografie Bressons selber ist die des Rue Mouffetard,Frankreich 1954, Gelatin Silber Print, 36.6 x 24.7cm
Jungen in der ‚Rue Mouffetard’ von 1954. Was bedeutet in diesem Zusammenhang wahrheitsgetreu? Cartier-Bresson gibt dem Fotografen die Verantwortung für die Bildwirkung, welche durch zuvor getroffene Entscheidungen entstanden ist. Wahrheitsgetreu ist folglich das, welches der Fotograf selber als ‚wahr’ empfindet und interpretiert. Schon durch den ausgewählten Blickwinkel, den Bildausschnitt und die darauffolgende Aussortierung und Auswahl der Bilder wird automatisch und häufig auch unterbewusst eine Wahl getroffen. Die Wahl der Darstellung, die ihrer Meinung nach am gelungensten ist. „Machen wir eine Aufnahme, dann fällen wir ungewollt ein Urteil über
(Cartier-Bresson 1952/2010, S.204f.)
das, was wir sehen, ein Vorgang, der große Verantwortung verlangt.“
8 9
Abb. 11, S. 92, HenriCartier-Bresson: Rue Mouffetard. Paris, 1954. 9 0
Die Fotografen treffen eine Entscheidung zwischen guten und schlechten Aufnahmen und welche davon präsentiert werden. Um so wahrheitsgetreu und sachlich zu bleiben wie möglich, müsse der Fotograf der Frage nachgehen, ob er die Beziehung zwischen einem Detail zum Ganzen (vgl. Cartier-Bresson 1952/2010, S.198)
und allen Aspekten einer bestimmten Situation gerecht geworden ist. Um die Genauigkeit einer Reportage überdies zu verstärken, schreibt Cartier-Bresson in seinem Aufsatz „Der entscheidende Augenblick“ sei es von Bedeutung nicht wild umher zu ‚knipsen‘ und sich so mit überflüssigen Aufnahmen zu belasten, wie Vilém Flusser ebenfalls argumentierte. Belasten in dem Sinne, da man sich bei der anschließenden Betrachtung der Bilder nicht mehr in der Situation zurzeit der Aufnahme befindet und minder nachvollziehen kann, wie das Geschehene wirklich von Statten gegangen ist. Die überzähligen Fotografien würden nur die
(vgl. Cartier-Bresson 1952/2010, S.199)
Erinnerung verwirren. „Der Raum dehnt sich für jeden von uns von den Augen fort ins Unendliche. Er berührt uns mehr oder weniger intensiv, wenn wir ihm gegenüberstehen, und sobald uns der unmittelbare Anblick verlässt, finden wir ihn verändert in unserer Erinnerung wieder. Photographie ist die einzige Ausdrucksform, die den vergänglichen und unverwechselbaren Augen-
(Cartier-Bresson 1952/2010, S.199).
blick für immer festhalten kann.
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Cartier Bresson vergleicht außerdem die Arbeit des Fotografen mit der eines Schriftstellers und unterstreicht, dass dieser seine Gedanken verschriftlichen, zu jeder Zeit jedoch abändern kann, bis das Endprodukt vorgelegt wird. Somit kann er, gleich welcher Zeitpunkt oder welcher Ort, seine Gedanken aufschreiben verändern oder wiederholen. Das ist bei der Fotografie gegenteilig. Eine einmalige Situation, lässt sich nicht exakt wiederholen oder nachstellen, sondern nur im Augenblick des Geschehnisses mit der Kamera als Hilfsmittel, festhalten und konservieren. Die Aufgabe des Fotografen ist es, die Realität zu erfassen und keineswegs zu manipulieren. Auch nicht durch Retuscheprogramme, wie es Walter Benjamin schon thematisierte, dürfe das Abbild verfälscht werden. Jeder Mensch, der einen maßgeblichen Sinn für die Fotografie hätte, würde dies bemerken. Im Übrigen bestärkt er Benjamins Mutmaßung, dass überflüssige Begleiterscheinungen wie Lichtanlagen und künstliches Arrangieren von Requisiten die Fotografie verfälschen würden. Außerdem fechtet er, wie Sontag, das ästhetische Konsumverhalten an sowie die Unmenge an trugreichen Fotografien, welche die Disparität von Realität und Fiktion verdrehen würden. Welche Folgen trägt es dagegen mit sich, wenn die Betrachter eines Bildes diesen Sinn für die Fotografie nicht besitzen, nicht unterscheiden können was Tatbestand und was Trugbild ist?
9 2
(vgl. Cartier-Bresson 1952/2010, S.198)
1 1 .
A rc h i te kt u r Fo to g ra fi e M e d i e n
(vgl. Sam 2013, S.23)
D u rc h di e Fot ografi e kon n t e di e Arc h i t e k t u r mi tt e l s de sse n fot ografi sc h e r Re p rodu k t i on v on M asse n re zi pi e rt we rde n .
Ferner der Bilderflut in der Gesellschaft, sowie den indoktrinierenden Pressemanipulationen, widme ich mich dem Thema der Architektur in der Fotogafie und den Medien. Die Architektur ist schon seit der Erfindung des Diapositivs eine dessen wichtigste Komponente, aufgrund ihres gradlinigen und unbeweglichen Motivaufbaus. Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras, 1826, Heliographie, 20x 25 cm, Frankreich
Joseph Nicéphore Niépce schuf 1826 mit seinem ‚Blick aus dem Arbeitszimmer von Le Gras’ ein Leitbild der Kunst- und Fotografiegeschichte. Wie schon zu Anfang dieser Thesis erwähnt, war die erste gelungene Fotografie unter der Technik der Heliographie geboren. Die Fotografie zeigt einen Baum, einen kleinen Turm und ein Haus mit Pultdach in einem Innenhof. Somit besteht das Bild hauptsächlich aus starren, feststehenden Objekten, genauer gesagt aus Gebäudeteilen. Es war daher nicht nur die erste dauerhaft fixierte Fotografie, sondern auch die erste fotografische Architekturdarstellung. Es ist zu vermuten, dass Niépce sich bereits über die Wahl des Bildausschnitts bewusst war. Die lange Belichtungszeit von acht Stunden hätte jedes bewegende Element auf dem Abbild aufgrund der langen dauer unkenntlich erscheinen lassen. Durch ihren substanziellen und starren Charakter war die Architektur zu Anfängen des Diapositivs ein beliebtes Motiv. Somit entstand schon sehr früh eine Verbindung der Architektur zum Medium der Fotografie. Diese sollte sich mit der Zeit noch intensiver festigen und ausbilden. Nicht nur die ausgesprochene, wachsende Bebilderung in Illustrierten und die verfälschten politischen Fotografien 9 3
Abb. 12, S. 96, Joseph Nicéphore Niépce: Blick aus dem Fenster von Le Gras. 1826-1827.
9 4
waren Anfang des 19. Jahrhunderts ein Thema der medialen Entwicklung. Auch die Architektur war ein wichtiges Segment der Bildsprache. Architekturzeitschriften um 1900 wurden alle sehr bildlastig und somit dokumentarisch wertvoll, auch wenn die Redakteure des jeweiligen Journals viele Bilder ausschließlich unter der Bedingung, dass das Abgebildete ihnen gefällt, veröffentlichten. Durch die Fotografie konnte die Architektur mittels dessen fotografischer Reproduktion von Massen (vgl. Sam 2013, S.23)
rezipiert werden. Die bildliche Architekturdarstellung bot außerdem eine gute Referenz für Entwürfe von noch nicht ausgeführten Bauvorhaben, welche vor Baubeginn einen Eindruck des Projektes vermitteln konnten.
Fotomontage zeichnet sich durch das Zusammensetzen verschiedener Fotomaterialien aus
Entsprechend der aussichtsreichen Form der Bildverbreitung, erlangte
(vgl. Sam 2013, S.16).
alisten. Alexander Rodtschenko war, wie zu Beginn erwähnt, auch ein
Pictorialismus ist eine kunstfotografische Stilrichtung, die versucht eine symbolische Darstellung durch z.B. Gemütszustände zu erzeugen
mit der reinen fotografischen Abbildung beschäftigte. Nach geraumer
auch die direkte Manipulation eines rohen fotografischen Abzugs Beliebtheit. Fotomontagen waren die neuen Fotoexperimente der PiktoriAnhänger der Anfertigung von Bildarrangements, bis er sich intensiver Zeit bedienten sich nicht nur Künstler, sondern auch Architekten an diesen manipulativen Collagen. Auch für sachliche Entwürfe des neuen Bauens kam die Fotomontage in Frage, da diese den modernen Projekten zu bedeutendem Ikonenstatus verhalfen. Der Entwurf wurde durch die Komponente der Fotografie realistischer und nachvollziehbarer. Einer 9 5
der Anhänger der Fotomontage war der Architekt Ludwig Mies van der Rohe, von dem zweifellos ein Erfolg durch Verbildlichung seiner Bauten sichtbar ist – sein Entwurf zu einem Hochhaus in der Berliner Fried-
Ludwig Mies van der Rohe, 18861969, Deutschland/ USA, Architekt
richsstraße steht heute noch, siebzig Jahre nach der Veröffentlichung der Montage, in der Diskussion – Soll das Gebäude nicht doch gebaut werden? Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass das Abbild aus einer Fügung von Fotografie und Zeichnung besteht.
9 6
(vgl. Sam 2013, S.17).
1 1 . 1 .
Mi es v a n d e r Ro h e : M a c h t d e r Pr i n t me d i e n
(Stierli 2011, S.409; Änderung T. A.).
„ Mi t [ d e r ] Fo t omon t age sc h e i n t di e I de e – se l b st de r me c h an is c h e n – Re p rä se n t at i on an i h r En de ge l an gt . Was si e bi e t e t , i st e i n e v i rtu e l l e Vi si on , ke i n e Darst e l l u n g v on e t was Ge ge be n e m.“
Wie stellte Mies van der Rohe seine Architektur in den Medien dar? Was bedeutet für ihn die Macht der Printmedien? In der jungen Architekturgeschichte vertritt der Autodidakt Mies van der Rohe eine wichtige Rolle. Seine klassische Baukunst und konstruktive Logik übte auf viele nachfolgende Architekten einen großen Einfluss aus. Konzepte des fließenden Raums sowie eine aussagekräftige Architektursprache verhalfen ihm zu Berühmtheit und Repräsentanz der modernen Architektur. Sein außerordentlicher Sinn für Materialien spiegelt sich in Werken wie dem Barcelona Pavillon von 1929 wieder. Dieses Gespür erlang er durch den frühen Kontakt zu den Materialien aufgrund seines Vaters, welcher den Beruf des Steinmetzes ausübte. Eine offene, räumliche Freiheit und großflächige Verglasung sind Merkmale seiner (vgl. Stierli 2011, S.401)
Architektur. Mies stellte mit seinen fundamentalen Bauten die zentrale Figur der neuen Architektur dar. Nicht nur diese, sondern auch Entwürfe welche nicht realisiert wurden, standen im Mittelpunkt kontroverser Diskussionen. Die neue avantgardistische Bewegung mit Strömen der DADA Bewegung erlaubten nach dem ersten Weltkrieg experimentelle Spielräume, welche auf Mies Projekte und Entwürfe abfärbten. Mies van der Rohes Aufmerksamkeit gilt außerdem der Fotografie und den visuellen Medien als „zentrale Elemente der architektonischen Pro-
(Stierli 2011, S.401)
duktion in der Moderne.“ So gegensätzlich dies zu seiner somatischen Arbeit auch steht, sah er in der Fotografie ein Mittel zur Visualisierung seiner Entwürfe. Der Ruhm Mies’ beruft sich, neben den später reali9 7
sierten Bauten, im deutlichen Maße auf die Präsentation und Produktion von bildlicher Architektur in den Printmedien. Er selbst war sich dessen bewusst und nannte diese Art der Publikation „Papierarchitektur“. Diese
(Stierli 2011, S.401)
theoretischen Beiträge bestanden hauptsächlich aus Fotomontagen und verhalfen zum Ausruf seiner Architektur. Die Art der Collage, wurde erstmals durch die Kunstbewegung des Dadaismus verwendet und entwickelte sich nach dem ersten Weltkrieg zu ersten Fotomontagen. Das neue künstlerische Ausdrucksmittel der Dadaisten stand im Kontrast zu den romantischen Vorstellungen der Kunst und brachte einige Diskussionen mit sich. Die Dadaisten sahen ihr ästhetisches Programm als Renitenz zu der Gesellschaft der ‚Spießbürger’.
Dadaismus: künstlerische und literarische Bewegung die sich durch Ablehnung „konventioneller“ Kunst auszeichnete
„Die Fotomontage war somit eine Reaktion der Künstler auf das angebrochene Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit.“ Mies van der Rohe war beeindruckt von diesem Auftreten und dem technischen Einsatz der künstlerischen Szene. Anhand der Vielzahl seiner angefertigten Montagen ist zu vermuten, dass er in dem Konzept der Fotomontage, in Bezug auf die Architekturdarstellung, großes Potenzial sah. Die erste Fotomontage Mies’ entstand um 1910, die er mit seinem Bruder für einen Wettbewerb anfertigte. Diese Darstellung zeigt eine landschaftliche Umgebung an einem Hügel, auf welchem der Entwurf der Bismarckischen-Nationalgalerie herausragt. Beide Komponenten 9 8
(Stierli 2011, S.401)
der Abbildung sind Fotografien, welche geschossen und dann ineinander gesetzt wurden. Zum einen das abgebildete Gebäude, welches ursprünglich nur ein in der Werkstatt produziertes Modell war, zum anderen die Fotografie der realen Umgebung in Bingen am Rhein. Auf der Montage wurde dann nachträglich der Bau mit Wasserfarbe ausgestaltet. Mies’ manipulierte Architekturdarstellung besaß gewissermaßen zwei Bestandteile. Montage- und Collagetechnik mit dem arrangieren von Bildfragmenten zu einem Gefüge sowie das nachträgliche über(vgl. Stierli 2011, S.404f.).
malen und idealisieren von der Fotografie. Quasi die analoge Form der digitalen Retusche. Mies fertigte vor seinen Collagen Zeichnungen an, aus denen die Abschnitte und der Bildaufbau, welche eine Collage besitzen müsse, ablesbar waren. Andere Architekten zogen ebenfalls die Fotomanipulation, oft auch mit der Fügung von Fotografie und Zeichnung, in Erwägung. Es schien als wäre es Anfang der neunziger Jahre eine allgemein übliche Praxis gewesen, fotografischem Material einen zeichnerischen Nachtrag zu verleihen. Mies erkannte, wie er den Realitätsgehalt einer Fotografie auf seine Entwürfe übertragen konnte. „Schon in den 1890er Jahren waren retouchierte oder zurechtgeschnittene Fotografien bei Architekturdarstellungen weit verbreitet, wobei oftmals der Hintergrund manipuliert oder entfernt wurde. Diese sogenannte »Maschinenretouche« wurde häufig verwendet, um fotografierte Objekte von einem störenden Hintergrund oder von (An-)Bauten in der
(Stierli 2011, S.406f.)
unmittelbaren Umgebung zu isolieren [...].“
9 9
Abb. 13, S. 102, Ludwig Mies van der Rohe: BismarckNationaldenkmal. Bingen, 1920. Zeichnung, Fotomontage f端r Wettbewerb. 1 0 0
Abb. 14, S. 103, Ludwig Mis van der Rohe: Hochhaus in der FriedrichsstraĂ&#x;e. 1921. 1 0 1
Ein weiteres bahnbrechendes Projekt Mies ist eine architektonische Darstellung, welche darauf abzielte, den Zusammenhang eines Bauprojekts in den städtebaulichen Kontext zu illustrieren. Bei der Fotomontage des Hochhauses in der Berliner Friedrichsstraße ist auffällig, dass die Achsen der zwei Bildelemente nicht aneinander angepasst wurden und sich keine einheitliche Realitätsebene ergibt. Das Bild wirkt auf den ersten Blick geheimnisvoll und dennoch transparent. Es ergibt sich ein Gefüge aus dem modernen vergläsertem Hochhaus und den Bestandgebäuden
(Stierli 2011, S.406f.) Hochhaus in der Berliner Friedrichsstraße: Beitrag zum Ideenwettbewerb durch van der Rohe, 1922
und dennoch erkennt man bei näherem Betrachten die verzerrten Blickwinkel der Bereiche. Der Betrachter bekommt nur eine Ahnung von der Wirkung des Gebäudes in der Straßenflucht. Der Kontrast zwischen den einzelnen Bildkomponente und die Wirkung des Bildes verleihen ihm dennoch einen okkulten und eher unrealistischen Charakter. „Indem die Architekten auf die technisch avanciertesten ihnen zur Verfügung stehenden Darstellungsformen zurückgriffen, versuchten sie nicht, die individuellen Bildelemente miteinander zu kontrastieren, sondern im Gegenteil, diese zu integrieren, um somit die den Bildern immanenten Brüche zu verwischen, anstatt sie ostentativ zur Schau zu stellen. [...]
(Stierli 2011, S.409; Änderung T. A.).
Mit [dieser Art von] Fotomontage scheint die Idee – selbst der mechanischen – Repräsentation an ihr Ende gelangt. Was sie bietet, ist eine virtuelle Vision, keine Darstellung von etwas Gegebenem.“
1 0 2
(Stierli 2011, S.409; Änderung T. A.).
Mies van der Rohe war sich Bewusst, welchen enormen Einfluss die Printmedien schon zur damaligen Zeit ausüben konnten und nutze dies für seine Architekturdarstellungen. Nicht nur die physische Arbeit des Architekten an dessen Bauvorhaben, auch die Publikation von architektonischen Visionen und entwurflichen Qualitäten eines Projektes seien von Bedeutung. Viele von Mies’ Arbeiten erschienen in der Hans Richter, 18881976, Deutschland/ Schweiz Maler
avantgardistischen „Zeitschrift G für elementare Gestaltung“, welche um
(ohne A. 2015, S.4)
wurde. Das deutsche Journal publizierte Konzeptionen von Architektur
Werner Graeff, 1901-1978, Deutschland/USA Maler und Fotograf
und Design und thematisierte unter anderem Formensprache, Gestal-
El Lissitzky, 18901941, Russland Maler und Architekt
1920 von Hans Richter, Werner Graeff und El Lissitzky herausgebracht
tung und Komposition. Mies arbeitet aktiv an der Zeitschrift mit und war Hauptverantwortlicher für das Themengebiet der Architektur. Er nutzte den Print nicht nur zur Veröffentlichung seiner Fotomontagen sondern auch um über Gestaltungsprinzipien der Architektur zu schreiben. In der ersten Ausgabe erschien sein theoretischer Entwurf „Bürohaus in Eisenbeton“ und Niederschriften über industrielle Bauweise, welche dem Journal eine zunehmend architektonische Bedeutung zukommen
(ohne A. 2015, S.)
lies. Somit wurde die Architektur zum zentralen Bestandteil der „G für elementare Gestaltung“. „Mies van der Rohes zentraler Beitrag zur Architekturkultur der Moderne scheint vielmehr in seinem bewussten Umgang mit (Bild-)Medien zu liegen und darin, dass er Architektur in erster Linie als ein Problem der
(Stierli NZZ 2011)
Darstellung und der Repräsentation und weniger des Raumes begriff.“ 1 0 3
Seine Entwürfe haben Ruhm erlangt und sind bis heute aus der architektonischen Baukunst nicht wegzudenken. Und das, obwohl ein Großteil der Projekte nicht realisiert wurde und nur aus einer Staffage aneinandergefügter Fotografien bestand. Bis in die einfachste Reduzierung von nur einer Skizze, wie beim „Landhaus aus Backstein“, gehen Mies entwurfliche Abbildungen. Diese eine Skizze ging um die Welt, ohne die Printmedien wäre diese Wirkung nicht ermöglicht worden. Auch wenn die Architektur aus physischen, haptischen und materiellen Körperlichkeiten besteht, kann sie durch ihre theoretische Verbreitung an Bedeutung gewinnen. Die architektonischen Vorstellungen müssen transportiert werden, da sie sonst nicht populär werden. Nach mehreren Jahren ist die Skizze des Landhauses aus Backstein immer noch bekannt, obwohl nicht ein Grundstein gelegt wurde. Der Architekt Mies van der Rohe wusste wie kein Anderer, die Medien für seine architektonischen Utopien zu benutzen und auszuschöpfen. Er sah schon früh die Macht der medialen Welt.
1 0 4
Landhaus aus Backstein: erstmals auf der großen Berliner Kunstausstellung 1924 gezeigt
1 1 . 2 .
Kü n st l e r i sc h e A rc h i te kt u r fo to g ra fi e
(vgl. Sam 2013, S.1)
D i e s e ex p e r i m en t e l l e Zu samme n arbe i t zwi sc h e n Arc h i t e k t e n u n d Fo to g ra fe n v erh al f de r kü n st l e ri sc h e n Arc h i t e k t u rfot ografi e zu e i n e r We i t e re n t wi c k l u n g.
Mies van der Rohe, war Vorreiter der geschickten Bearbeitung von darzustellenden Architekturentwürfen. Das Konzept der Publikation von idealisiert dargestellten Projekten und die Betonung des vorbildlichen Charakters seiner Werke, prägte die Architekturmedien bis zur heutigen (vgl. Sam 2013, S.26)
Entwicklung. Eine Sehenswürdigkeit oder ein architektonisch wertvolles Gebäude erhält Aufmerksamkeit durch seine Publikation. Die Objekte sind an ihren Ort gebunden, würden somit ohne ihre bildnerische Vervielfältigung ausschließlich bei gegenwärtigen Besuchern präsent sein. Jeder kennt die Bauikonen der vergangenen Jahrzehnte, und das, obwohl das Original meist noch nie besichtigt wurde. Viele namenhafte Architekten schlossen Kooperationen mit Künstlern und Fotografen, mit welchen sie die eigenen Entwürfe auf ein neues Metier brachten. Einerseits durch die Verwendung von digitalen Visualisierungstechniken, andererseits durch wertvoll künstlerische Architekturfotografien, dessen Wirkung unverfehlbar bleibt.
Peter Zumthor, 1943-, Schweiz, Architekt und Denkmalpfleger
Ende des 20. Jahrhunderts begannen erfolgreiche Architekten wie Peter Zumthor sich über eine neue Abbildungsweise ihrer Bauten zu beschäftigen. Dabei galten sie eher als schweigsame Baukünstler, welche die physische und ästhetische Präsenz der Architektur sehr schätzten, und den Fokus weniger auf einen medialen Auftritt als auf einen künstlerischen Ausdruck der Werke legten. Sie wiesen Künstlern und Fotografen die Aufgabe zu, sich ein Bild von deren Architektur zu machen und diese
(Sam 2013, S.1)
fotografisch festzuhalten. Da das Bild zu einem der wichtigsten Leitme1 0 5
dien der Zeit geworden ist, setzen die Architekten nicht mehr auf eigene Regie für die Ablichtung ihrer Bauprojekte. Außerdem wollte man den geläufigen und typisierten Architekturabbildungen eine Umgestaltung bieten. Diese experimentelle Zusammenarbeit zwischen Architekten und Fotografen verhalf der künstlerischen Architekturfotografie zu einer Weiterentwicklung.
(vgl. Sam 2013, S.1)
Herzog und de Meuron sowie Peter Zumthor waren große Anhänger der künstlerischen Architekturfotografien und kooperierten um 1990 mit Künstlern und Fotografen für Ausstellungen ihrer Projekte. Auf der Biennale in Venedig 1991, stellten Herzog und de Meuron Werke von Thomas Ruff oder Hannah Villiger aus. Diesen hatten Sie zuvor ohne jegliche Eingrenzungen, was die Anzahl der Fotografien oder die aufgenommene Perspektive des Baus anging, den Auftrag gegeben, sich mit den eigens entworfenen Gebäuden auseinander zu setzen und das Interpretierte als Fotografie festzuhalten. Das Bild Thomas Ruffs „Ricola Laufen“ erlangte nicht nur durch seine enorme Größe besondere Beachtung.
Herzog & de Meuron: Gründung 1978 durch Jaques Herzog und Pierre de Meuron, Sitz in Basel Hannah Villiger, 1951-1997, Schweiz, Fotografin Thomas Ruff, 1958-, Deutschland, Fotograf (vgl. Sam 2013, S.19)
Das Kunstwerk besteht aus zwei zusammengesetzten Fotografien, wie es bei dem Großfoto „Paris Montparnasse“ von Andreas Gursky der Fall ist, wurde das Gebäude vertikal in der Mitte fotografisch getrennt, um beide Seitenende großflächig festzuhalten, um später wieder digital zusammengesetzt zu werden. In dem Bild ist die frontale, flache und nüchterne Aufnahmeweise, welche in der Düsseldorfer Schule zum bestimmenden Lehrinhalt gehörte, zu sehen. Diese wird im nächstfol1 0 6
Andreas Gursky, 1955-, Deutschland, Fotograf
genden Abschnitt näher erläutert. Ruff zieht es in Erwägung das Lagerhaus als flachen kontrastlosen Körper darzustellen, und grenzt sich durch seine Neutralität von den anderen beauftragten Künstlern, wie die zu kontrastreiche tendierenden Fotografien Margherita Krischanitzes (vgl. Sam 2013, S.19)
ab. Durch den großformatigen Ausdruck und die Gradlinigkeit, sowie die nonkonforme direkte Bildsprache erhalten Ruffs Fotografien einen steigernden Kunstcharakter.
1 0 7
1 0 8
genden Abschnitt näher erläutert. Ruff zieht es in Erwägung das Lagerhaus als flachen kontrastlosen Körper darzustellen, und grenzt sich durch seine Neutralität von den anderen beauftragten Künstlern, wie die zu kontrastreiche tendierenden Fotografien Margherita Krischanitzes ab. Durch den großformatigen Ausdruck und die Gradlinigkeit, sowie die nonkonforme direkte Bildsprache erhalten Ruffs Fotografien einen steigernden Kunstcharakter.
Abb. 15, S. 110&111, Thomas Ruff: Ricola Laufen. (Architektur: Herzog & de Meuron), 1992 1 0 9
Abb. 16, S. 112, Hans Danuser: Kapelle Sogn Benedetg in der Surselva. 1986-1988.
1 1 0
Auch Peter Zumthor widmet sich dem künstlerischen Aspekt von ArchiHans Danuser, 1953-, Schweiz Künstler
tekturdarstellungen und fand Gefallen an den Arbeiten Hans Danusers. Dieser verhalf Zumthor im Verlauf der Zusammenarbeit zur Verbreitung seiner Architektur. Durch die künstlerischen Abbildungen seiner Bauten, wurde Zumthor international bekannt. Die Bildserie der „Kapelle Sogn Benedetg“, eine Außenaufnahme mit mystischem und stimmungsvollem Charakter, ist das meistpublizierte Bild, trotz dessen Subjektivität. „Bei den Bildern der Kapelle mischt Danuser Fotos aus dem Bauprozess mit solchen des fertigen Gebäudes, kombiniert Details, welche die Materialität im Fokus haben, mit Totalen. Die Kombination der Kapelle mit dem fragilen Holzzaun ist ebenso ungewöhnlich wie die Aufnahme im Nebel: Stimmungen und Atmosphären sind wichtiger als ein dokumentarischer Ansatz.[...] Auch die subjektive Perspektive von Danuser, die einen Gegenpol zur objektivierenden-neutralen Sicht Ruffs darstellt,
(Sam 2013, S.19f.)
wird als Architekturfotografie akzeptiert.“
1 1 1
1 1 2
1 1 . 2 . 1 .
H e l e n e Bi n e t
(Hélène Binet 2015 zit. In: Lange 2015)
„ I l i ke to p ro du c e some t h i n g i c an t ou c h wi t h my h an ds. I c an p r i n t . U s i n g th e h an d i s a way of t h i n k i n g. I l i ke l i mi t at i on as a c reat i v e proc e ss, rat h e r t h an possi b i l i t y.“
Durch das Gebäude Therme Vals kommt Peter Zumthor mit einer weiHélène Binet, 1959-, Schweiz, Fotografin
teren Fotografin in Kontakt, Hélène Binet. Die Fotografien, welche zunächst die Therme Vals zu dessen Eröffnung zeigten, würden nicht die gewünschte Stimmung der Räume des Bades wiedergeben und keine architektonisch-harmonische Bildwirkung erzielen. Binet gelang es, diese ersehnten Innenperspektiven zu verwirklichen. Zunächst entschied sich Binet für farblose schwarz-weiß Aufnahmen, welche für sie typisch waren. Sie war der Meinung, dass man die Erfahrung von einem Ort auf einer Fotografie ohnehin nur reduziert wiedergeben kann. Durch die Farblosigkeit wollte die Fotografin die nächste Stufe der Reduzierung bilden und ebenfalls durch Kontraste von Licht und Schatten Details intensiver zur Geltung bringen. Zur Materialveranschaulichung wurden später auch ausdrucksstarke Farbfotografien von dem Thermalbad aufgenommen. Hélène Binet ist eine der repräsentativsten und wichtigsten Architekturfotografen dieser Zeit. Durch ihre analoge Aufnahmeweise ist Binet nicht mit dem Mittel der Fotomanipulation in Verbindung zu bringen. Höchstenfalls bei der aktiven Beeinflussung während des Fotografierens. Sie ist als bedeutender Kontrast zum heutigen Visualisierungseinschlag zu betrachten. Ihre ausdrucksstarken und ästhetisch wertvollen Abbilder sind Meilensteine der Architekturfotografie. Die in der Schweiz geborene Künstlerin, studierte Fotografie in Rom und spezialisierte sich um 1980 immer mehr auf die Architekturabbildung. 1 1 3
Nicht nur Bauten Peter Zumthors, auch die Zaha Hadids, David Chipperfields und Daniel Libeskind gehören zu ihren Motiven. Auch historische Werke werden von ihrer Kamera verewigt, ihre große Anerkennung gilt dennoch den hervorragenden Fotografien moderner Architektur. Ihre Werke setzen sich häufig mit dem Zusammenspiel zwischen Hell und
Zaha Hadids, 1950Irak, Architektin,erste weibliche Pritzker-Preisträgerin David Chipperfield, 1953-, England, Architekt
Dunkel, Raum und Kontur auseinander. Sie setzt die Architektur wie kein anderer in Szene; und dies ohne jegliche Hilfsmittel. Ihr talentiertes Gespür für Blickwinkel und die Wiedergabe der Verschmelzung von Licht und Architektur, wie man es bei der eindrucksvollen Aufnahme des Kolumba Museums von Peter Zumthor beobachten kann, machen ihre Fotografien einmalig. Wenn man die substanziellen und wiederum bedächtigen Werke Hélène Binets auf sich wirken lässt, versinkt
Kolumba Museum, Kunstmuseum gegründet 1853, Neubau durch Zumthor 2007
man in eine Interaktion mit dem Abgebildeten, vergleichbar mit einem Buch, welches man liest und derweilen in eine eigens gebaute Sphäre entschwindet. Man baut sich seinen eigenen Raum und definiert eine persönliche Auffassung des Abgebildeten. „In a world glutted with crystalline digital images of buildings to be scrolled, scanned and pinned, Hélène Binet’s architectural photography stands out for its reserve, its simplicity and an ineffable quality that comes from shooting on film. Her images can reduce a complex building on a spectacular site, like le Corbusier’s monastery at La Tourette, to a series of vertical lines.“
(Lange 2015)
1 1 4
Abb. 17, S. 117, Hélène Binet: Kolumba Museum. Kunstmuseum des Erzbistums Köln (Architektur: Peter Zumthor), 2007
1 1 5
Abb. 18, S. 118, HÊlène Binet: Therme Vals. (Architektur: Peter Zumthor), 1996. Fotografie. .
1 1 6
genden Nicht nurAbschnitt Bauten Peter näherZumthors, erläutert. auch Ruff zieht die Zaha es inHadids, Erwägung David das ChipLagerhaus als perfields undflachen Daniel kontrastlosen Libeskind gehören Körper zudarzustellen, ihren Motiven. undAuch grenzt historisich durchWerke sche seine werden Neutralität von von ihrer den Kamera anderen verewigt, beauftragten ihre großeKünstlern, Anerkennung wie die dennoch gilt zu kontrastreiche den hervorragenden tendierendenFotografien Fotografienmoderner Margherita Architektur. Krischanitzes Ihre ab. Durch Werke setzen densich großformatigen häufig mit dem Ausdruck Zusammenspiel und die Gradlinigkeit, zwischen Hellsowie und die nonkonforme Dunkel, Raum und direkte Kontur Bildsprache auseinander. erhalten Sie setzt Ruffsdie Fotografien Architektureinen wie steigernden kein anderer Kunstcharakter. in Szene; und dies ohne jegliche Hilfsmittel. Ihr talentiertes Gespür für Blickwinkel und die Wiedergabe der Verschmelzung von Licht und Architektur, wie man es bei der eindrucksvollen Aufnahme des Kolumba Museums von Peter Zumthor beobachten kann, machen ihre Fotografien einmalig. Wenn man die substanziellen und wiederum bedächtigen Werke Hélène Binets auf sich wirken lässt, versinkt man in eine Interaktion mit dem Abgebildeten, vergleichbar mit einem Buch, welches man liest und derweilen in eine eigens gebaute Sphäre entschwindet. Man baut sich seinen eigenen Raum und definiert eine persönliche Auffassung des Abgebildeten. „In a world glutted with crystalline digital images of buildings to be scrolled, scanned and pinned, Hélène Binet’s architectural photography stands out for its reserve, its simplicity and an ineffable quality that comes from shooting on film. Her images can reduce a complex building on a spectacular site, like le Corbusier’s monastery at La Tourette, to a Abb. 19, S. 119, Hélène Binet: Therme Vals 2. 1826-1827
series of vertical lines.“
1 1 7
„I like to produce something i can touch with my hands. I can print. Using the hand is a way of thinking. I like limitation as a creative process, rather than possibility. Even if you are quite strict with Photoshop, you have in the back of your mind that you can do everything.“
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(Hélène Binet 2015, In: Lange 2015)
1 2 .
Obj ek t i vi t ä t d e r Dü sse l d o r fe r Sc h u l e : Di e Be c h e r s Es e n t wi c ke l t e si c h e i n Wan de l i n de r fo to g ra fi s ch e n Praxi s u n d se t zt e di e Fot ografi e zwi sc h e n Ku n st u n d Doku me n t at i on . Düsseldorfer Schule: Professur an der Kunstakademie Düsseldorf Bernd Becher 1976-1996
Das Schaffen des Ehepaars Bernd und Hilla Becher ist bei dem Thema der Architekturfotografie nicht wegzudenken. Sie verkörperten eine neue und sehr objektive architekturtheoretische Position. Diese beeinflusste durch das Lehren der Bechers im Fach Fotografie sowie deren fotografische Werke einige nachfolgende Generationen. Auch wenn das Augenmerk nicht auf die mediale Verbreitung von eigenen Entwürfen oder dem vorbildlichen Ablichten von Bauprojekten zielte, sind die strenge Objektivität der Bechers und deren akribisch typologische Untersuchung von Industrielandschaften eine bedeutende Marke der kunstfotografischen Bewegung.
Paul Strand, 18901976, USA/Frankreich, Fotograf
Um 1920 herum haben Fotografen wie Paul Strand oder Man Ray mit
Man Ray, 18901976, USA/Frankreich, Fotograf
Fotografie entstehen lassen. Bewegung und Formexperimente wurden
surrealen Arrangements und Fotogrammen eine Form der abstrakten mithilfe der Fotografie künstlerisch ausgedrückt. Bernd und Hilla Becher traten mit ihren schnörkellosen und rein dokumentarischer Fotografie gegen diese Subjektivität an. Es entwickelte sich ein Wandel in der fotografischen Praxis und setzte die Fotografie zwischen Kunst und Dokumentation. Überdies, wird von der Architektur als Motiv wieder Gebrauch gemacht. Besondere Arten von Gebäuden werden als Sujet ausgeschöpft.
1 1 9
Bei den Becher-Fotografien handelt es sich um industrielle Fachwerkbauten, welche kurz vor dessen Abriss standen. Um die Erinnerung an diese zu bewahren schoßen Sie systematisch Fotos der ‚anonymen Skulpturen’. Sie wollten nicht den Zweck dieser stillgelegten Anlagen zeigen, sondern
(vgl. Kemp 2011, S.116)
unverfälscht das, was sie sind. Doch wie erreicht man das Festhalten eines solchen Objektes in unverfälschter Wahrheit? Die Bechers folgten einem einheitlichen Aufnahmestil mit gewissen Untersagungen. Eines der wichtigsten Mittel für die neusachliche Repräsentationsform war die Zentralperspektive, um perspektivische Verzerrungen des Objektes zu vermeiden. Dazu verhalf außerdem die Verwendung einer kurzen Brennweite sowie die vertikal mittige Posi-
Industrielle Fachwerkbauten: Dokumentation industrieller Grundformen wie z.B. Hochöfen, Fördertürme oder Gasbehälter. Industrielandschaften
tionierung der Kamera, um einen gekippten Bildwinkel zu vermeiden. Hinzufügend umgehen die Bechers jegliche Ablenkung vom fotografierten Gegenstand. Nebenerscheinungen, sämtliche Aktivitäten, Effekte im Vordergrund oder sogar Farbe störten die Konzentration auf das Objekt. Daher auch die ausschließliche Verwendung der Schwarz-Weiß Foto-
(vgl. Naumann 2011)
grafie. Dazu wurde der Aufnahmezeitpunkt meist bei neutralen Lichtverhältnissen gewählt, da sonst Schattierungen die Tiefe des Objektes beeinflussen würden. Beispiel Bild im Video Nichts sollte eine Verschönerung der Industriebauten mit sich führen. Objektivität könne nur erreicht werden wenn man auf die Aspekte verzichtet, welche die Subjektivität ausmachen. Otto Steinert liefert eine 1 2 0
Otto Steinert, 19151978, Deutschland, Fotograf
Beispielfotografie, welche einen Gegensatz zu den Becherfotografien verkörpert. Der perspektivische Blick von unten hinauf wurde gewählt, wie in Rodtschenko schon glorifizierte. Bei der Beispielfotografie geht es um die Komposition von Linien und Kontrasten und einer ausdrucksstarken Bildsprache. Bernd und Hilla Becher dokumentieren weiter mit frontaler Aufnahmeweise Silos und Hochöfen, des Öfteren auch ein und dasselbe Gebäude aus verschiedenen Winkeln. Diese Fotografien werden dann zu einer Collage vereint. Diese Collage gibt es ebenso mit einzelnen Bilden gleichartiger Gebäude als Typologiereihung. Der Bekanntheitsgrad der Bechers stieg durch diese kompositorischen (vgl. Naumann 2011)
Collagen und sachlichen Abbilder.
1 2 1
Abb. 20, S. 124, Bernd und Hilla Becher: Coal Bunkers.1974.
1 2 2
1 2 . 1 .
A n d re a s Gu r sky
(Galassi 2001, S 34)
„ B e h i n d G u r s ky ‘s t ast e for t h e i mposi n g c l ari t y of u n broke n p ara l l e l fo r m s s p a n n i n g a sl e n de r re c t an gl e l i e s a ri c h i n h e ri t an c e of re du c t i v i st ae st h e t i c s [ ...] “
Um 1980 wird Bernd Professor der Kunstakademie Düsseldorf. In dem Fach Fotografie lehrte er mehrere Generationen über dessen Ausdrucksmöglichkeiten. „Diese Schule hat so etwas wie die Gattungsfotografie eingeführt: Die klassischen Bildgattungen wie Landschaft, Porträt, Architektur, Genre, Stillleben sind von ihr neu definiert worden. Aber mit allen Mitteln verweigert diese Schule den Effekt der Präsenz, des Dabei(Kemp 2011, S.117)
gewesenseins in räumlichen, zeitlichen und emotionalen Beziehungen.“ Mehrere Studenten der Düsseldorfer Schule erlangten mit der Zeit durch ihre oft mit dem Ansatz der Bechers behafteten Fotografien und dennoch verschiedenen Vorgehensweisen, Bekanntheitsgrad. Die meisten Werke der Studenten implizieren deutliche Zeichen der Objektivität, der Distanz und der zentralen Perspektivwahl. (vgl. Naumann 2011) Die Schüler der Bechers verarbeiteten die Lehrinhalte in ihren Projekten auf ihre Art und Weise weiter, und stützten sich aufgrund des technischen Fortschritts ferner auf digitale Bildverarbeitung. Einer der erfolgreichsten und bekanntesten Lehrlinge der Bechers ist
Andreas Gursky, 1955-, Deutschland, Fotograf
Andreas Gursky. Zwei Extreme zeichnen den Fotografen aus. Einerseits enthalten seine Fotografien eine extreme Leere. Andere Fotografien sind wiederum immens überfüllt. Eine Beispielfotografie dessen Aufnahmeweise ist sein Projekt einer Aufzeichnung eines sechzehnstöckigen Hochhauses. Wie bei seinem damaligen Professor benutzt Gursky ein Gebäude, ein unbewegliches Objekt als Motiv. Verständlicherweise ist es bei einem Koloss von solcher Größe kaum möglich, es frontal und 1 2 3
Abb. 21, S. 126, Andreas Gursky: Paris Montparnasse. 1993.
1 2 4
ohne Verzerrung abzubilden. Der Fotograf löst das Problem, indem er das Hochhaus von dem Dach des Gebäudes gegenüber aus zentraler Position aufnehmen kann. Die Fotografie grenzt an denselben typologischen Collageneffekt der Bechers, aufgrund der Aneinanderreihung von unzähligen Fenstern des Hauses, welche gleich und dennoch individuell aussehen. Ähnlich wie bei der Sequenz der Wassertürme. „Behind Gursky‘s taste for the imposing clarity of unbroken parallel forms spanning a slender rectangle lies a rich inheritance of reductivist aesthetics, from Friedrich to Newman to Richter to Donald Judd...[with] (Galassi 2001, S 34)
images that read like horizontal versions of Newman paintings.“
Paris Montparnasse, 1993, Großfotografie, 206x421 cm, Paris
„Das Großfoto Paris,Montparnasse von 1993, 421cm breit, lässt sich
(Kemp 2011, S.119).
begrenzten Einblick in die Wohnungen geben.“
einerseits als abstrakte Rasterkomposition lesen, andererseits bei näherem Hinsehen als Ansammlung Hunderter kleiner Bildchen, die einen Was einem jedoch trotz der enormen Größe des Fotodrucks nicht auffällt, ist die verdeckte Manipulation, die dahinter steckt. „Wir sehen die
(Naumann 2011).
Wahrheit des Gebäudes, aber nicht die des Bildes“ Aufgrund der technischen Voraussetzungen der Kamera war es Gursky nicht gelungen, das Gebäude in seiner kompletten Länge auf ein Foto zu bringen. Daher nahm er die zwei Seitenenden des Gebäudes einzeln auf, um sie später digital am Computer zusammenzusetzen. Trotz der 1 2 5
Gelegenheit, durch den metergroßen Ausdruck, in Details der Fassade zu verweilen, ist für den Betrachter keine Bearbeitung erkennbar.
(vgl. Naumann 2011)
„Dokumentarischer Realismus oder digitale Manipulation, modernistischer Idealismus oder postmoderner Skeptizismus, Kunst oder Kommerz, konzeptuelle Strenge oder spontane Beobachtung, Fotografie oder Malerei – diese [...] Antagonismen haben so manche scharfe Diskussion ausgelöst. Für Gursky sind sie keine Gegensätze, sondern Gefährten. [...] [Er hat die] Fähigkeit viele dieser scheinbaren Polaritäten in seine Arbeiten zu integrieren.“
(Galassi 2002, S.40)
1 2 6
1 2 . 2
T h o ma s Ru ff
(Naumann 2011)
„We i l d i e Real i t ät de r We l t n i c h t mi t B i l de rn e i n ge fan ge n we rde n kan n , bl e i bt n i c h t s al s di e Real i t ät de s B i l de s an si c h zu ze i ge n .“
Ein weiterer erwähnenswerter Fotograf der Düsseldorfer Schule, welcher schon kurz mit dem Foto ‚Ricola Laufen’ vorgestellt wurde, ist Thomas Ruff. Eine seiner ersten Fotoserien von passfotoähnlichen Portraits seiner Freunde weist die typischen Merkmale der schulischen Fotopraxis auf; Strenge, Frontalität und Inhaltsleere aufgrund der exakten Positionierung der Person auf dem Bildausschnitt und dem unauffälligen weißen Hintergrund. Ruff war offen für jede Art der Gestaltung und Fotografie, erprobte immer wieder neue Herangehensweisen und studierte unterschiedlichste Themen. Dabei spielte auch die Manipulation eine Rolle, (vgl. Naumann 2011)
welche er aber offensichtlich zeigte und nicht unmerklich einsetzte. Im modernen Zeitalter wandte er sich der Entwicklung der entstandenen Anreicherung an Bildern im Internet zu. Der Fotokünstler suchte sich Bilder aus dem unendlich scheinenden digitalen Speicher und interpretierte sie neu. Vermeintlich empirisch wertvolle Fotografien, wie beispielsweise die des 11. September, stellt Ruff durch seine Arbeit in Frage. Einer der Merkmale der Bilder im Internet sei es bekanntlich, dass sie gar falsche oder nur wenig Information besäßen. Diese Kommunikationsform hinterfragen jedoch nur wenige Menschen; sie geben sich mit der komprimierten Form der Realität zufrieden und verlassen sich auf diese. Die Datenmenge einer Bilddatei wird bei dem Komprimierungsformat des Jpegs minimiert. Die für das Internet oder die Medien unbrauchbare Information aus den Bilddaten wird gelöscht, sodass eine grobe Pixelstruktur entsteht. Bei der Datenkompression von Jpegs wird versucht, den Datensatz möglichst kurz zu halten. Die Bildinformationen liegen in 1 2 7
Abb. 22, S. 130,Thomas Ruff: JPEG NY02. 2004
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kodierter Form vor um durch wenig Zeichen eine kleinere Datengröße zu erhalten. Man hat die Möglichkeit die Bildzellen auszutauschen oder zu verändern, zu manipulieren. Auch wenn Bildinformationen verloren gehen, wird dieses Format der originalgetreuen Wiedergabe bevorzugt. Bildzelle (auch Pixel): Farbwerkte einer digitalen Rastergrafik
Die vereinzelten Pixel nimmt das Auge aufgrund der geringen Größe des Bildes kaum wahr. Vergrößert man diese Daten jedoch auf 2 Meter große Abzüge, wie es Ruff getan hat, werden die vereinzelten monochromen Quadrate sichtbar. Man erkennt den Inhalt des Bildes nur, wenn man es weit weg aus der Ferne betrachtet. Stünde man direkt vor dem Abzug, würde man nur die Information der einzelnen blockartigen Bildelemente sehen. Die Bildzellen und deren Rasterstruktur wurden durch diese Vorgehensweise intensiviert und sichtbarer gemacht. Man wird sich bewusst, dass die virtuelle Welt voller falscher und verdichteter Auskünfte steckt. Ruff bekräftigte diese These, indem er diesen Mangel ausbaute und deutlicher machte. Der Fotokünstler überträgt die Abbildungen aus dem virtuellen Raum in den Realen. Er stellt das Dogma über die dokumentarische Präzision in Frage und reflektiert die Verbreitung der Bilder in den Medien. Die Abbildungen im Internet bestehen nur aus Bildzellen mit komprimierter Information. Somit ist die informelle Übertragung unvollständig und eventuell gestört. Die Pixel. „Weil die Realität der Welt nicht mit Bildern eingefangen werden kann,
(Naumann 2011)
bleibt nichts als die Realität des Bildes an sich zu zeigen.“ Zur Zeit der Aufnahmen von Bernd und Hilla Becher spielte diese do1 2 9
kumentarische Überlieferung noch keine Rolle. Ihre sachliche Aufnahmeweise war durch die analoge Technik von vorneherein an die Realität gebunden und hatten eine greifbare und substanzielle Wirkung. „Die Fotografie hat an Freiheit gewonnen. Und ihre Unschuld verloren.“ Damit kann die Frage beantwortet werden; Inwiefern ist ein Foto manipulierte Interpretation oder neutrale Abbildung der Wirklichkeit? Betrachtet man außerdem die Gesichtspunkte der Fotokünstler kommt man zu folgendem Bewusstsein; Der Fotograf kann entscheiden wie er ein Motiv darstellen will. Hat er die Absicht ein Motiv schmal darzustellen, wird er zu einer langen Brennweite greifen. Soll mit dem Foto eine bestimmte Wirkung impliziert werden, werden verschiedene Position und Lichtverhältnisse erprobt, bis die gewünschte Wirkung auf dem Bild erscheint. Lediglich die Wahl der Perspektive, der Aufnahmeeinstellungen oder des Standortes kann einer Szene eine gegensätzliche Wirkung verleihen. Auch wenn versucht wird, dass Objekt so nüchtern und objektiv wie möglich darzustellen, ist auf die Fotografie kein Verlass. Denn kaum etwas von einer Aufnahme hält sich an das, was das Auge sieht. (vgl. Ochs 2013) Zusätzlich kann eine digitale Ausbesserung oder die Verwendung von technischen Hilfsmitteln angewandt werden. Diese unsichtbare Manipulation des Digitalbildes ist ein Beweis dafür, mit welchen Hilfsmitteln man gerade im Zeitalter des technischen Fortschritts einer Fotografie eine bestimmte Atmosphäre und vermeintliche Vertrauenswürdigkeit verleihen kann. 1 3 0
(Naumann 2011)
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Medi a l e Ve r b re i t u n g d e r A rc h i te kt u r i m Ze i t a l te r d e r Vi su a l i si e r u n g [...] die Gefahr; uns werden realistische Bilder von Bauwerken mittels Visualisierung und Retuscheprogrammen vorgetäuscht, die in der Realität möglicherweise noch nicht einmal vorhanden sind.
Die permanente Digitalisierung von Allem und Jedem. Durch das technische Zeitalter und den Siegeszug der digitalen Fotografie ist der Diskurs um das Reale im Foto und die Verbindung zur Wirklichkeit weiterhin präsent. Auch wenn dem Wahrheitsanspruch der Fotografie zugestimmt wird, ist es durch die Möglichkeiten der digitalen Manipulation nicht weniger zweifelhaft geworden, ob den Bildern zu trauen sei. Der Verzicht auf Fotografien als dokumentarisches Medium und Beweismittel hat sich dabei absurderweise nicht zurückentwickelt, sondern eher vermehrt. Aufgrund der Hybride, aus der eine Fotografie bestehen kann, ist es nicht mehr möglich zu erkennen, ob es sich um ein digitales oder analoges Bild, eine zusammengesetzte Collage oder eine äußerst real visualisierte Version eines Objekts handelt. Daher birgt (vgl. Sam 2013, S.18)
das Lesen von Fotografien eine Erschwernis und Verwirrung. In Bezug auf die Architektur ist die Verbreitung von Entwürfen, Bauprojekten oder architektonischen Ikonen durch fotografische Abbilder
(vgl. Sam 2013, S.23)
zur Allgegenwärtigkeit geworden. Viele prominente Architekten haben ihren jetzigen Status erst durch die Bekanntmachung ihrer Projekte in der medialen Welt erlangt und nicht durch die physische Präsenz ihrer realisierten Bauten. Die vermehrte Konzentration und Aufmerksamkeit
(vgl. Baus 2010)
auf die reine Darstellung ergibt sich durch die Digitalisierung. Visualisierungen, gleich ob in gegenständlicher oder völlig absurder Form, beherrschen den Markt und sind zu einem wichtigen Bestandteil der Architektur-Projektierung geworden. Es scheint schon fast, als wäre ein 1 3 1
Konzept ohne ein beigefügtes, digitalisiertes und von parametrischen Variationen erstelltes Rendering unnahbar und hermetisch.
(vgl. Baus 2010)
Nicht nur in Wettbewerben oder den Medien, vertritt ein getäuschtes Rendering das bevorstehende Bauvorhaben. Auch vor Entscheidungsträgern, wie den Bauherren, wird vergoldet was es zu vergolden gibt. Finessen dabei sind vor Allem die Farbigkeit der Materialien aufzubessern, Objekte wie Bäume auf ungünstige Stellen des Bildes hereinragen zu lassen oder für eine apartere Erscheinung von eigentlich massiven Elementen, eine überdimensional große Menschenfigur als Maßstab zu verwenden. Glamouröse Darstellungen lenken die Aufmerksamkeit beispielsweise auf reflektierendes Sonnenlicht in der Glasfassade oder die perfekte Positionierung von Bildinhalten, statt auf das zu realisierende Projekt. Umso beeindruckender, desto einprägsamer. Dabei ist in Frage zu stellen, welche Konsequenzen dieser Bildbau für die Architekturvermittlung und das Verständnis von Raumgefügen mit sich trägt. „Die Emanzipation des Blickes durch die starke Präsenz digitaler Bilder verlangt nach neuen visuellen Wahrnehmungsmustern. Der fotografische Ausdruck eines Architekturbildes suggeriert einen dokumentarischen Blick, welcher bis vor Kurzem ein sicherer Zeuge der gebauten Realität war. Das ‚Cardillo’-Phänomen – der italienische Architekt vermittelte seine gekonnt gemachten Renderings als gebaute Häuser an mehrere Architekturmagazine – ist ein gutes Beispiel dafür.“ 1 3 2
(Sam 2013, S.18)
Genau darin besteht die Gefahr; uns werden realistische Bilder von Bauwerken mittels Visualisierung und Retuscheprogrammen vorgetäuscht, die in der Realität möglicherweise noch nicht einmal vorhanden sind. Wie es beim Fall des jungen, als Nachwuchsarchitekten deklarierten Antonio Cardillo war, welcher für seine luxuriösen Wohnlandschaften Anerkennungen erhielt, wobei sich später erst herausstellte, dass er nichts von dem in der Praxis verwirklicht hatte und die Projekte nur aus (vgl. Novotny 2014)
täuschend echten Visualisierungen bestanden. Die Zeitschriften waren desavouiert; dabei entgegnete Cardillo den Vorwürfen der Täuschung, dass doch ohnehin ständig manipuliert werde. Die Demarkationslinie zwischen Ungebautem und Gebautem zerfällt. „Gesendet, gesehen, weitergeleitet und im Gedächtnis eingebrannt. Die Bilder halten sich, wenn sie beeindruckend genug sind. Mit einem einzigen Mausklick binnen Sekunden rund um den Erdball geschickt, angesehen, im Gedächtnis eingebrannt, weitergeleitet und reproduziert,
(Ochs 2013)
führen manche ein Eigenleben, das sich von der Realität abkoppelt.“ Architekturportale Im World Wide Web füllen sich immer mehr mit beeindruckend plagiierten Darstellungen. Es gibt aber auch vereinzelte Künstler, welche den Design-Boom als affirmativ bewerten. So auch der
Jürgen Mayer H., 1965, Deutschland, Architekt
junge deutsche Architekt Jürgen Mayer H.: „ Der Informationsfluss ist viel zeitnaher und unmittelbarer als bei üblichen Architekturpräsentationen. Das Internet ist wie ein Teaser oder 1 3 3
Trailer, ein geeignetes Medium, um rasch einen Überblick über Architekturtendenzen zu bekommen.[...] Architektur wird dadurch persönlicher.“ Die Bilderflut diene jungen Architekturbüros in Erscheinung zu treten und auf sich aufmerksam zu machen. Dies gelinge nur durch die Visitenkarte der virtuellen Welt. Was geschieht, wenn eine Darstellung die in sie gesetzte Erwartung nicht gerecht wird? Parallel zum visualisieren werden auch bestehende Gebäude fotografiert, welche sich nicht noch in einem Realisierungsprozess befinden, um anschließend idealisiert und bearbeitet zu werden und den Anschein zu erwecken, das Gebäude existiere so. Bei einigen Sehenswürdigkeiten beispielsweise erscheinen einem die Objekte in realer Form divergent zu dem Erscheinungsbild, welches man vor dem Besuch besaß; Ein durch die mediale Welt vermitteltes Erscheinungsbild. Trotz der meist langen und erwartungsvollen Reise zu einer solcher Kultstätte wird die mögliche eintretende Enttäuschung vor Ort nach Rückkehr und Berichten der Reise selten erwähnt. Es zählt das: „Ich bin dort gewesen.“ Die Lücke zwischen Vorbild und Realität bleibt, nur wird sie ‚übersehen’.
1 3 4
(Jürgen Mayer H. zit. In: Novotny 2014).
Auch wenn eine Visualisierung eines Gebäudes vor dessen Entstehung existiert, letztendlich das Objekt die dargebotene Vorstellung aber nicht erfüllt, arrangieren sich die Menschen meist mit der realen Begebenheit. Bei einer Kunstinstallation in New York von Ólafur Elíasson kann man diese Abweichung zwischen Illustrierung und Gegebenheit beobachten. Bei dem Rendering bekommt das Wasser eine übergeordnete Rolle und Ólafur setzt es bewusst in Szene. Es wirkt viel kraftvoller und beeindruckender als in der Realität und lenkt von der eigentlichen Konstruktion eher ab. Der Architekt bedient sich den bildschönen Eigenschaften des Wassers und lässt das Projekt hiermit transparenter und unbefangener erscheinen. Eine Leichtigkeit wird vermittelt, welche die Hauptkomponente der Installation - ein Stahlgerüst - normalerweise nicht ausstrahlt. Die Realität und die visionärsten Architekturideen lassen sich nun einmal leicht fingieren, und das Dank der technischen Entwicklung, die sich Selbstverständlich in das Leben der Menschen integriert. Daher ist auch zu vermuten, dass vieles so hingenommen wird, wie es gerade erscheint. Ein visualisiertes Projekt lässt an etwas Schönes glauben. Die trügerische Perfektion eines Renderings weckt anfänglich die Neugierde der Menschen und ‚vergiftet’ diese mit dem Idealbild, welches in den Köpfen hängen bleibt. Es zählt der erste Eindruck, der Wow-Effekt im Bild, um die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erhalten.
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Abb. 23, S. 139,Kunstintallation Ólafur Elíason: Cascada NY 2008, Visualisierung und Fotografie
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Pra kt i sc h e r Te i l Ba c h e l o ra r b e i t Das bleibende Bild ist immer noch die publizierte Vollkommenheit, welche auch noch f端nfzig Jahre nach dessen Erscheinung als DAS eine, bestimmte Leitbild herangezogen wird.
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Arc h i te kt u r sp ra c h e u n d Fo to g ra fi e H e r z o g & d e M e u ro n (Ursprung 2005, S.8)
„ [ . . . ] H e r z o g & de M e u ron ’s way of v i e wi n g t h e se worl ds t h at t h e y l o o k o n fro m t he t re sh ol d be t we e n t h e fan c i fu l an d t h e sc i e n t i fi c , t h e p l a y fu l a n d t h e re v e re n t , t h e mat e ri al an d t h e me t aph y si c al .“
Die Realität wurde längst von
Architekturrenderings überholt. Pla-
nungsbüros setzen auf Experten, welche sich auf die Bildproduzierung spezialisiert haben. Denn es gewinnt derjenige das Rennen, der die ausdrucksstärksten Bilder bieten kann. Zwei von diesen Virtuosen, leiten das Büro „bloomimages“ aus Hamburg. Die Architekten Christian Zöllner und André Feldewert gründeten das Visualisierungsbüro 2008. Ikonen wie Gustaf Lange oder David Chipperfield gehören nun zu ihren Klienten. Mit großem Erfolg erstellen die fotoafinen Architekten Computersimulationen zukünftiger Architektur – „die digitale Variante der (Metropolis 2013)
Architekturzeichnung.“ Dass der erste Auftrag des Büros einer Visualisierung bahnbrechende Form annahm, ist einem bedeutsamen Entwurf Herzog & de Meurons zu verdanken.
Herzog & de Meuron: Sitz in Basel, Gründung 1978 durch Jaques Herzog und Pierre de Meuron Pritzker Preis: weltweit renommierte Auszeichnung für Architektur
Herzog & de Meuron in einem Wort beschreiben? Undenkbar. Die Philosophie und Bauweise der Pritzker-Preisträger schöpft aus einem Meer künstlerischer Fragmente und vergisst dabei nie, der Teil von etwas Besonderem zu sein. Das spiegeln auch dessen Werke mit einem unverwechselbaren Charakter wieder. Einzigartige Artefakte, welche die Grenze zwischen Kunst und Architektur anfechten. Ein Dialog zwischen Architektur und Kunst.
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„It is apparent from Herzog & de Meuron’s way of viewing these worlds that they look on from the treshold between the fanciful and the scientific, the playful and the reverent, the material and the metaphysical. In the same way, the force of their built work seems to emerge from the tensions set up between evanescene and substance, illusion ans specifity, slickness ans tactility.“
(Ursprung 2005, S.8)
Das schweizer Architekturbüro mit bereits fünf weiteren Niederlassungen wurde 1978 gegründet. Bestehend aus Jacques Herzog und Pierre de Meuron hat das weltweit gefragte Büro seinen Sitz im kulturbesessenen Basel, wo der Großteil ihrer erfolgreichen Entwürfe seinen Ursprung findet. Strikte Ordnung und dennoch der Einfluss utopischer und fantasievoller Entwurfsideen strahlen die repräsentativen Bauten Herzog & de Meurons aus. Die Unikate der Architekten haben einen versteckten Charakter, etwas Geheimnisvolles, das im Kontrast zur ebenfalls vorhandenen Dynamik und Verspieltheit der Objekte steht. Die Architekten leben die Kreativität unter Einbehalt der strikten Ordnung. Das Tate Gallery of Modern Art in London ist eines der Werke, die diese Disposition ausstrahlt. Im Jahr 2000 eröffnete das Meisterwerk und beherbergt seitdem eine der größten Sammlungen für moderne Kunst. Sir Gilbert Scott erbaute 1945 ein imposantes Kraftwerk, die Bankside Power Station. Damals waren Transformatoren und Turbinen in der Halle untergebracht, heute fühlen 1 4 2
TATE Gallery of Modern Art, ursprüngliches Ölkraftwerk, Umbau durch Herzog & de Meuron ab 1993
sich Werke Vincent van Goghs und Salvador Dalís in dem dreischichtigen Bau beheimatet. Die ehemalige Turbinenhalle fungiert heute als eine Art Foyer, in das man durch eine Rampe an der Westseite gelangt. Der Industriecharme der Fabrik wurde bei der Neugestaltung bewusst aufrechterhalten. Ein Merkmal Herzog & de Meurons ist es, Tradition und ‚lebendige’ Materialen leidenschaftlich zu kombinieren. Auf dem gigantischen Ziegelbau wurde nach den Plänen HdM’s ein zweigeschossiger Glasriegel platziert, von außen die einzig ersichtlichste Erneuerung. Die Gebäudetechnik der umgebauten Halle und ein Panoramarestaurant mit atemberaubenden Blick über die Themse sind Inhalt dieses transparenten Aufbaus, welcher nachts als Blickfang hell erleuchtet. Ein Glasaufbau auf einem Bestandsobjekt, kommt einem dieses entwurfliche Prinzip nicht bekannt vor?
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Abb. 24, S. 146,Fotograf ohne Angabe: TATE Gallery of London. 2011
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Schauen wir von London in die Geburtsstadt der Architekten. Die Denk- und Bauweise Pierres und Jacques zeichnet sich sichtbar auf dem Areal ab, auf welchem das aus mehreren Gebäuden bestehende Büro seinen Sitz hat. Wie eine Miniaturwelt stehen kleine Skulpturen und Projekte, Modelle und Möbel auf dem Gelände und veranschaulichen die Vielfalt des Büros. Die reichlichen Objekte dienen dem Erproben, ob sie sich in der Realität auch bewähren. Kraft und Leidenschaft, Transparenz und Scharfsinnig sind Eigenschaften, welche das Büro wörtlich ausdrücken. Die Mischung aus Anpassung und Kür, der aufgeweckte Charakter und die Präzision der Spitzenarchitektur zeichnet die Maßarbeiten Herzog & de Meurons aus. Das Spielen mit Form und Material, hat etwas Verträumtes, die Akkuratesse der Entwürfe entgegnet diesem. Dass die Gedanken und Inspirationen nicht nur empirisch sind, sondern auch aus der Kunst geschöpft werden, ist nicht zu überlesen. Herzog & de Meuron und die Fotografie. Die Auseinandersetzung mit dem Thema der Fotografie, beginnt schon zu Beginn der architektonischen Laufbahn von Herzog und de Meuron. Jaques Herzog, 1950-, Schweiz, Architekt
Schon in den achtziger Jahren verwendete Jacques Herzog Standbilder aus einem eigens gedrehten Video, um bei Architekturpräsentationen einen komplexeren Realitätsgehalt zu schaffen, als es durch ein Modell
(vgl. Sam 2013, S.22)
üblich war. Die ersten Projekte HdMs, das Freibad in Riehen und das Legohaus wurde mithilfe dieser künstlerischen Bildfragmente untermalt. Sie evo1 4 5
zieren einen bis dahin unkonformen, mystischen und hermetischen Charakter. Es ging um die kritische Auseinandersetzung der Architekturdarstellung, bei welcher das Medium der Fotografie einen Zugang bot. Die Verwendung von digitalen Aufnahmeweisen in Verbindung mit der Architektur war bis dorthin schon erprobt, aber nicht ausgeschöpft worden. Die Moderne bediente sich vornehmlich an entleerte Skizzen. „Die auslaufende Moderne wurde von den damals tonangebenden Architekten unreflektiert übernommen, und das stand uns als jungen Architekten schlicht im Wege. Weil wir einen neuen Zugang zur Architektur suchten, lag für uns das Thema der Darstellung und des Bildes der Architektur nahe. Zum einen, weil Inhalt und Darstellung natürlich miteinander verbunden sind, zum anderen, weil man sich, wenn man noch gar nichts gebaut hat, eine Darstellung der Architektur suchen muss, die diese Aufgabe glaubwürdig übernimmt.“ Die Darstellungsweisen ließen einen neuen Realitätsbezug und unberührte Architektursprache entstehen. Viele der Darlegungen ließen durch ihren zugänglichen Charakter einen kontextuellen Freiraum zu und boten dem Betrachter die Möglichkeit dessen eigene Interpretation einfließen zu lassen. Auch die schon erwähnten Kooperationen mit namenswerten Fotografen, wie Thomas Ruff, spiegelt das Interesse der Architekten an der Fotografie wieder. Herzog und de Meuron, besonders Jacques Herzog, erkannten schon früh das Potential der Fotografie als Realitäts1 4 6
(Jacques Herzog zit. In: Hubertus Adam Sam 2013, S.147)
abbild und sammelten durch eigene Untersuchungen Erfahrungen im Bereich der digitalen Darstellungsweise. Zur heutigen Zeit zählen die Fotografie und insbesondere das Rendering in den Medien zu einem überzeugenden Darstellungsmedium. Die Architekten Herzog und de Meuron waren sich dessen durchaus bewusst und wandten sich schon früh dem Thema zu. Besonders die Effizienz eines Renderings erfuhr das Büro bei dessen Entwurf für ein neues glanzvolles Wahrzeichen der Stadt Hamburg.
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Elbphilharmonie Ei n di gi t al v i su al i si e rt e s Ge b äu de al s das Au sh än ge sc h i l d au f e i n e m Re i se fü h re r. Speicherstadt Hamburg: Seit 2015 UNESCO Weltkulturerbe ist ein auf Eichenpfählen gegründeter Lagerhauskomplex
Der Standort des Entwurfs für das Konzerthaus „Elbphilharmonie“, befindet sich in der historischen Speicherstadt Hamburgs, dort wo die Geschichte der Weltstadt ihren Ursprung hat. Das 110 Meter Hohe Konstrukt besticht durch seine außergewöhnliche, kristallartige Kubatur und die unverwechselbare Silhouette. Der geschwungene Aufbau steht in Kontrast zu seinem Fundament, einem kubischen, archaischen Bestandsspeicher und Lagerhaus von 1963. Glas und Massivität stellt eine bekannte entwurfliche Kombination dar. Doch aufgrund der ausdrucksstarken Fügung, ist die Philharmonie so besonders und einprägsam. Denn der Kristall im Hafen ist passgenau aus der Form des Kaispeichers extrudiert. Die Spitze des Gebäudes ragt stolze 110 Meter empor, zur Ostfassade hin flacht das Gebäude ab, wieder in gezahnter Form. Der große Konzertsaal mit vertikal angeordneten Rängen, ist das Herzstück des Hauses. Dieser ist auch formgebende Struktur des gesamten Baukörpers und zeichnet sich nach außen hin ab. Die Glasfassade, bestehend aus einzelnen Glaselementen mit gewölbter und ausgefachter Form, ist ebenfalls ein einzigartiges Merkmal. Dass das Konstrukt ein Wahrzeichen ist, besser gesagt wird, liegt nicht nur an den eigens angefertigten konkaven Glasscheiben; Die Sichtbarkeit und unmittelbar wirkende Symbolik, gepaart mit der extravaganten Form und dem Material, verleihen dem Gebäude die gewisse Anstecknadel, ähnlich wie es schon beim Olympiastadion in München oder dem Guggenheim in Bilbao der Fall ist.
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Das Gebäude bietet ein Intermezzo an Kultur und Leben, bestehend aus einem beachtlichen Vorplatz vor und einem Plaza auf der ersten Ebene des Konzerthauses. Von diesem erhascht man besonders einzigartige Blicke über die Elbe und auf nennenswerte Monumente der Stadt. Ein freier Interaktionsraum steht den Besuchern somit zur Verfügung. Konzertsäle, ein Hotel, Seminarräume und Wohnungen sind Bestandteil des immensen Gebäudes. Der Termin der Fertigstellung wurde schon mehrere Male verschoben, sodass der aktuelle Eröffnungstermin, nach Planungsbeginn 2003 und Grundsteinlegung 2007, auf Ende 2016 fällt. Außerdem stand die Philharmonie schon häufig aufgrund ihrer enormen Kosten, welche stetig wuchsen, in der Kritik. Doch das überschattet nicht die Vorfreude auf das Sinnbild für die traditionsreiche Kultur der urbanen Hafenstadt. Herzog & de Meurons Stil von Kühnheit und die Woge aus Innovation und Traditionsgebundenheit zeichnet sich in diesem entwurflichen Prachtstück deutlich ab. Der Anziehungspunkt bietet aus verschiedenen Blickrichtungen immer neue Erscheinungsbilder, facettenreich und verspielt. Die sphärisch gebogenen Scheiben lassen sich in Verbindung mit dem charakterlichen Merkmal des Architekturbüros HdM bringen.
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Die Bewohner Hamburgs und die Medien waren von den Projektvorstellungen des neuen Herzstückes angetan und bejahten das Vorhaben. Abgesehen von den ständig aktualisierten Bauinformationen wollte man eine visuelle Zugänglichkeit produzieren, an denen sich die Menschen bis zur Fertigstellung festhalten können. „[...] so setzten wir nun durchaus das Bild als Waffe ein – um einen Inhalt zu transportieren, nicht eine (Jacques Herzog zitiert durch Hubertus Adam Sam 2013, S.148)
Werbebotschaft.“ Dieses Bild, die Visualisierung des gläsernen Konzerthauses, war ein medialer Coup. Und damit ist diejenige Darstellung gemeint, die um die Welt ging, als noch kein Grundstein der Philharmonie gelegt war. Die, die auf dem Cover eines für reale Sehenswürdigkeiten werbenden Reiseführers, Platz eingenommen hat. Die frontale Ansicht, die jeder im Kopf hat wenn er an das zukünftige Konzerthaus denkt. Die Abbildung hat bei den Betrachtern wohlwollende Empfindungen ausgelöst und war gar der Sprung zur Realisierung. Damit kommen wir zurück auf das schon erwähnte Büro, welches den Auftrag für das berühmte Rendering erhielt. Die Mischung aus Fotografie, Rendering und
bloomimages: Sitz in Hamburg, Gründung 2008 durch Christian Zöllner und André Feldewert
Werbung wurde durch das Visualisierungsbüro „bloomimages“ ermöglicht. Kaum zu glauben, dass dieser fundamentale Bau der erste Auftrag des jungen Hamburger Büros war. In den darauffolgenden Jahren zählen 1 5 1
internationale Architekten zu dessen Klienten. Das bekannteste Projekt befindet sich allerdings nur einen Steinwurf entfernt. Eine Visualisierung ist im Grunde genommen eine Fotografie von virtuellen Objekten. Auch wenn man ein Gebäude nicht anhand einer Fotografie oder einem Rendering beurteilen kann, sind diese immer mehr
(vgl. Metropolis 2013)
gefragt. Dieser visuelle Aspekt der Architektur wird oft überbewertet. Gerade Architektur hat mehr Erfahrbares zu bieten, als auf einem zweidimensionalen Foto je zur Geltung kommen könnte.
(Metropolis 2013)
Im fortgeschrittenen digitalen Zeitalter reicht es nicht mehr aus, einen Korpus aufgrund der Daten des Grundrisses digital ‚hochzuziehen’. Nachbearbeitungen an dem Milieu, in welchem der Bau steht sind zum Beispiel typisch, um dem Objekt die perfekte Bühne zu geben. Die virtuellen Baumeister reichern die Vision mithilfe von atmosphärisch erstellter Stimmung an. So wie auch bei dem visualisierten Entwurf der Elbphilharmonie. Wir werden dazu verführt diese Visualisierung als glaubhaft abzuspeichern; so wird das Gebäude aussehen. „Das Bild ist das, was für alle zugänglich ist, sofort. Ich glaube darin liegt eine gewisse Gefahr, die, auch mit unserem Metier zu tun hat, aber vor allem, mit der medialen Verbreitung von Bildern.“ Es ist nicht selten der Fall, dass die Auftraggeber ein Projekt ohne konkrete Vorstellungen weiterleiten, vielleicht mit einer Skizze oder Stich1 5 2
(Christian Zöllner in Metropolis 2013)
punkten und die visuellen Architekturgrafiker somit das Bild vage auf der Basis von dürftigen Informationen schaffen müssen. Dort zähle dann mehr der insgesamte Ausdruck und die Anreicherung von spannenden Bildelementen. (Metropolis 2013; Anpassung T. A.
„[Visualisierungen sind] Bildgewordener Ausdruck einer Idee.“ Das bleibende Bild ist immer noch die publizierte Vollkommenheit, welche auch noch fünfzig Jahre nach dessen Erscheinung als DAS eine, bestimmte Leitbild überdauert und herangezogen gebraucht wird. So wird es auch bei dem Abbild der in Sphäre getauchten Elbphilharmonie sein.
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Abb. 25, S. 156, Herzog & de Meuron: Elbphilharmonie. 2007.
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Abb. 26, S. 158, Herzog & de Meuron: Elbphilharmonie Fassade
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Abb.27,28,29,30 (v.l.o.n.r.), div.Fotografen, Fotografien Fassade
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Abb. 31, S. 160, Herzog & de Meuron: Elbphilharmonie Fassade Fenster
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Abb.32,33,34,35 (v.l.o.n.r.), div.Fotografen, Fotografien Fassade Fenster
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Abb. 36, S. 162, Herzog & de Meuron: Elbphilharmonie Seitenansicht
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Abb. div. FoAbb37, tograf, Fotografie Fassade Seitensansicht
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„Der bildgewordene Ausdruck einer Idee“ bekommt bei der Elbphilharmonie eine ganz besondere Bedeutung. Bei einem Besuch vor Ort und aufgrund des aktuellen Standes der Bauarbeiten erhält man schon einen sehr guten Eindruck von dem zukünftigen Bau. Es stehen nur noch wenig ersichtliche Kräne um die Baustelle, die Bauarbeiten des Grundkörpers der Philharmonie sind abgeschlossen. Hält man sich in der Umgebung der Hafencity auf, erhascht man immer wieder Blicke des kristallartigen Körpers. Es gestaltet sich jedoch schwierig, die Philharmonie in dessen ganzer Pracht zu beobachten, da viele Gebäude die Sicht erschweren. Befindet man sich im östlichen Teil der Speicherstadt erkennt man nur schwer die ganze Gestalt des Objektes, auch wenn man sich ihr nähert entstehen selten ungehinderte Blickfelder. Auf dem Platz der Deutschen Einheit, die zukünftige Plaza vor dem Bauwerk, kann man dann das massive Fundament und den aufgesetzten Glaskörper erblicken. Unmittelbar davor verweilend ist man gezwungen, die Position der Froschperspektive einzunehmen und in den Himmel zu schauen. Anders würde man auf einer so unmittelbaren Entfernung nur gegen den Klinker des Bestandskubus schauen. Bei diesem fallen einem direkt dürftig eingesetzte Kunststofffenster auf, welche wie eine unbedachte Notwendigkeit wirken. Auf der Visualisierung dieser NordOst Seite ist davon nichts zu sehen. Immer noch auf der Suche nach der vorgelegten Perspektive des Renderings gelangt man über mehrere kleine Brücken zur Elbpromenade; ein Ort zum Verweilen am Wasserufer, der Blick auf die noch brachliegen1 6 2
(Metropolis 2013)
den Teile der Hafenumgebung ist ungehindert. Der Blick zur Philharmonie ebenfalls, jedoch eher zu ihrer nördlichen Seite, statt zu ihrer Front. Es gibt gesonderte Schiffsrundfahrten für die Elbphilharmonie. Diese umfahren die Baustelle und informieren Besucher über das immense Bauprojekt. Kann man die prächtige Südfront des Gebäudes nur aus einer dieser typischen Rundfahrtboote bestaunen? Wo kann man diesen Blick, den einem Stadtbesucher als Flyer abgedruckt über die Elbphilharmonie in die Hand gedrückt wird, einfangen? Die Schiffe, welche entlang der Promenade schippern, legen zu unterschiedlichen Zeiten bei den Anlegestationen an. Diese befinden sich hauptsächlich auf astartig, angeordneten Stegen vor dem Ufer. Normalerweise sind nur die Schiffsführer befugt, die Anlegebrücken zu betreten. Doch eine bewegliche Plattform, mit gerichteter Auskragung zur Elbphilharmonie ist zu bestimmten Zeiten und Gegebenheiten für Besucher begehbar. Tatsächlich. Am Ende des vom Wasser ständig bewegten Plateaus ist es DER Blick, der von den Architekten auserwählte Standpunkt, der Blick des werbenden Reiseführers. Aber das ästhetisch schöne Empfinden, welches bei dem Abbild ausgelöst wird, liegt in Realität nicht vor. Es ist nicht unbedingt die Form des Aufbaus, die enttäuschend wirkt. Das Abbild ist zwar deutlich schlanker und formschöner ausgearbeitet, die Höhe und der Blickwinkel des Ren1 6 3
derings zum Original stimmt dennoch prinzipiell überein. Nur das man diese Perspektive ausschließlich von einem unattraktiven und schwer erreichbaren Standpunkt einnehmen kann, ist der eigentliche Betrug. Bei der Visualisierung ist die realitätsferne Darstellung der Materialeigenschaften auffallend. Die intensiv bläulich schimmernde Haut des realen Gebäudes gibt die ‚frostartige’ Fassade nicht wieder. Es fehlt die scheinbare Einsichtigkeit. Außerdem fallen einem die weißen Ränder der ausgewölbten Glaselemente direkt in den Blick, da sie sich von der getönten Fassade stark absetzen. In der Visualisierung ist diese sehr dezent dargestellt, alle Elemente wurden in einen hellen und einheitlichen Farbton getränkt. Selbst der gerenderte Speicher ist dem Farbton des Wassers angepasst, in Wirklichkeit fallen dem Betrachter roter Backstein und grünlich schimmerndes Wasser ins Blickfeld. Es wirkt so, als hätte das Visualisierungsbüro die Sättigung des Bildes abgemildert und nur das Gebäude durch einen imitierten ‚Schein’ nach außen hervorgehoben. Die Gesamtatmosphäre wirkt somit imposant und nicht apathisch und hart wie in Wirklichkeit. Natürlich spielt für die Wirkung des Gebäudes auch die Jahreszeit eine wichtige Rolle, da, je nachdem welche Witterungsverhältnisse herrschen, die Materialien unterschiedlich hell oder dunkel erscheinen, beziehungsweise reflektieren. Vermutlich sticht der Farbton der Fassade nicht so sehr ins Auge, wenn die Philharmonie bei winterlichen Verhältnissen betrachtet wird.
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Die in Nebel gebettete und aus dem Wasser erhebende Philharmonie, entpuppt sich in der Realität als weniger anmutig und formvollendet.
Somit ist festzustellen, dass bei diesem Projekt das Abbild des Baus idealisiert wurde. Auch wenn die heutigen Renderings täuschend echt erscheinen und oft die Grenze zwischen Realität und Illusion verschwimmen lassen, erkennt man wie sie von der Wirklichkeit entrückt sind. Bewusst in Szene gesetzt, macht das Idealbild die Menschen werbeträchtig und bleibt in den Köpfen der Betrachter hängen. Das digital produzierte Bild mit fotografischer Wirkung täuscht die Realität vor. Das Bild der visualisierten Elbphilharmonie wird im Gedächtnis der Menschen präsent bleiben und die gespannte Erwartung, auch wenn der Bau in der Realität weniger imposant erscheint, weiterhin aufrecht erhalten. Wie Kracauer es schon erwähnte, spielt sich die Gegenwart in einem Radius ab, welchen uns die Kamera vorgibt, besser gesagt die (vgl. Geimer 2009, S.162).
Abbilder, welche von ihr produziert und bearbeitet werden. Blind von den Abbildern, gelangen wir zu einer verminderten und beschränkten Wahrnehmung der Realität. Die verschleierte und fiktive Illustration, das unerreichbare Faktum wird immer das Bild hinter der Elbphilharmonie sein.
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Da n ksa g u n g
An dieser Stelle möchte ich mich bei den Menschen bedanken, die mich während meines Studiums und der Anfertigung meiner Bachelorarbeit, begleitet und motiviert haben. Zunächst möchte ich meinem Erstprüfer Prof. Kazu Blumfeld Hanada meinen Dank für die lehrreiche Betreuung und die hilfreichen Anregungen aussprechen. Besonders für das Ermöglichen eines eigens ausgewählten Themas und die motivierenden Ratschläge bedanke ich mich. Vielen Dank auch für die immer amüsante/fröhliche/lustige und nette Zusammenarbeit. Des Weiteren würde ich mich gerne bei meinen Eltern für den Rückhalt, die Hilfe und die finanzielle Unterstützung der Thesis und des gesamten Studiums bedanken. Dank gebührt auch meiner Familie und meinen Freunden, die es sich nicht haben nehmen lassen, mich in der schwierigen Zeit zu motivieren und aufzubauen. Dafür bin ich sehr dankbar.
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A b b i l d u n g sv e r ze i c h n i s
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https://deanokeeffe96.files.wordpress.com/2015/02/intersection-of-the-
rue-lhomond-and-rue-rataud-1913.jpg Abb. 5, S. 33, Eugene Atget: Rue Laplace and Rue Valette. 1926. Fotografie aus:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Eugène_Atget,_Rue_Lapla-
ce_and_Rue_Valette,_Paris,_1926.jpg?uselang=de Abb. 6, S. 42, Alexander Rodtschenko: Treppe. 1929. Fotografie. aus:https:// annawiederaenders.files.wordpress.com/2013/09/rodtschenko_5.jpg Abb. 7, S. 43, Aexander Rodtschenko: Mädchen mit Leica. 1934. Fotografie, aus: http://www.altertuemliches.at/files/rodtschenko_3.jpg Abb. 8, S. 48 László Moholy-Ngay: Blick vom Funkturm.1928. Fotografie. aus: Kemp, Wolfgang: Geschichte der Fotografie. Von Daguerre bis Gursky. München: C.H.Beck 2011, S. 47) Abb. 9, S. 58, André Malraux: Das imaginäre Museum. 1950. Fotografie. aus: http://museemuseum.be/wp-content/uploads/2014/06/beeld_musee.jpg Abb. 10, S. 87, Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz / Kunstbibliothek, SMB, Photothek/ Willy Römer: German Worker feels the Pinch. o. D. um 1920. Gedruckte Fotografie in Zeitungsartikel, aus: http://cdn1.spiegel.de/images/ image-762148-galleryV9-yrqk.jpg
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https://html1-f.scribdassets.com/199lqbe6yo2xua18/images/5-5ee-
401a7bc.jpg Abb. 14, S. 103, Ludwig Mis van der Rohe: Hochhaus in der Friedrichsstraße. 1921. Fotografie und Zeichnung. aus: https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/ originals/46/84/8e/46848e2e9f9f2f9b5f1e6d8a889e105a.jpg Abb. 15, S. 110&111, Thomas Ruff: Ricola Laufen. (Architektur: Herzog & de Meuron), 1992. Fotografie. 153 x 295 cm, aus: http://www.sothebys.com/content/dam/stb/lots/N09/N09346/341N09346_82HGQ.jpg Abb. 16, S. 112, Hans Danuser: Kapelle Sogn Benedetg in der Surselva. 19861988. Fotografie. aus: http://www.damianzimmermann.de/blog/wp-content/ uploads/Ansichtssache_p297_SognBenedetgDanuser.jpg Abb. 17, S. 117, Hélène Binet: Kolumba Museum. Kunstmuseum des Erzbistums Köln (Architektur: Peter Zumthor), 2007. Fotografie. Deutschland, aus:
http://www.uncubemagazine.com/sixcms/media.php/1323/Peter-Zum-
thor_Kolumba-Diocesan-Museum,Cologne,-Germany.jpg Abb. 18, S. 118, Hélène Binet: Therme Vals. (Architektur: Peter Zumthor), 1996. Fotografie. Schweiz, aus: https://vsmallfires.files.wordpress.com/2012/12/ vals-diptych-b_medium-resolution1.jpg Abb. 19, S. 119, Hélène Binet: Therme Vals 2. 1826-1827.
(Architektur:
Peter Zumthor), 1996. Fotografie. Schweiz, aus: https://www.flickr.com/pho1 7 6
tos/53096614@N03/5902179305 Abb. 20, S. 124, Bernd und Hilla Becher: Coal Bunkers.1974. Fotografie auf Platte. 1495 x 1003cm, aus: http://www.tate.org.uk/art/images/work/T/T01/ T01923_10.jpg Abb. 21, S. 126, Andreas Gursky: Paris Montparnasse. 1993. Großfotografie 206 x 421 cm, aus: http://kulturtipp.trendresistent.com/files/2013/10/gursky-paris-montparnasse.jpg Abb. 22, S. 130,Thomas Ruff: JPEG NY02. 2004. Großfotografie. 269 x 364cm, aus: https://artblart.files.wordpress.com/2009/03/jpeg-ny02-2004.jpg Abb. 23, S. 138,Ólafur Elíason: Cascada NY 2008. ohne Angabe:Collage. aus: http://bzarquitectura.com/wp-content/uploads/2014/01/virtual_real_02.jpg Abb. 24, S. 146, ohne Angabe: TATE Gallery of London. 2011. Fotografie aus: https://londonliaison.files.wordpress.com/2011/10/img_8569.jpg Abb. 25, S. 156, Herzog & de Meuron: Elbphilharmonie. 2007. Gerenderte Visualisation durch Büro Bloomimages, Hamburg, aus: http://bloomimages.de/ portfolio_category/architecture-visualisation/ Abb. 26, S. 158, Herzog & de Meuron: Elbphilharmonie Fassade. 2007. Gerenderte Visualisation durch Büro Bloomimages, Hamburg, aus: http:// inhabitat.com/construction-crawls-ahead-on-herzog-de-meurons-elbphilharmonie-in-hamburg/elbphilharmonie-hallhamburg-germany-by-herzog-de-meuron-7/ Abb. 31, S. 160, Herzog & de Meuron: Elbphilharmonie Fassade Fenster. 2007. Gerenderte Visualisation durch Büro Bloomimages, Hamburg, aus: http:// inhabitat.com/construction-crawls-ahead-on-herzog-de-meurons-elbphilharmonie-in-hamburg/elbphilharmonie-hallhamburg-germany-by-herzog-de-meuron-7/ Abb. 36, S. 162, Herzog & de Meuron: Elbphilharmonie Seitenansicht. 2007. Gerenderte Visualisation durch Büro Bloomimages, Hamburg, aus: http:// inhabitat.com/construction-crawls-ahead-on-herzog-de-meurons-elbphilhar1 7 7
monie-in-hamburg/elbphilharmonie-hallhamburg-germany-by-herzog-de-meuron-7/ Bei den Fotografien auf Seite 159, 161 und 163 handelt es sich um diverse Bilder aus Fotocommunitys und Internetforen, welche für einen empirischen Vergleich benötigt wurden. Aufgrund des Datenschutzes, werden die Fotografen nicht beim Namen genannt. Der Link zur Wiederverfolung des Bildes ist angehängt. Abb. 27, S. 159, Elbphilharmonie Fassade. aus: https://farm3.staticflickr. com/2881/10581173074_9abbf7cf6c_o_d.jpg, https://www.flickr.com/photos/ ulrichneitzel/10581173074/in/photolist-h82h7w-pvsLg4-cZy5gS-mfHwEr-pg4GA5-oEuFDA-aocoVK-ciJdAA-nskKxh-h7M62q-oq39Jg-oeW92C-oETvuLpvheMk-bp9kme-uj2u5A-qgQX6b-g4bfNU-cSX69o-r9LQe9-oEuvRu-pP6HibrX1cPC-8KV8L2-oq3ESc-jrKSUjAbb. 28, S. 159, Elbphilharmonie Fassade. aus: http://t1p.de/ozyf Abb. 29, S. 159, Elbphilharmonie Fassade. 2007. Gerenderte Visualisation durch Büro Bloomimages, Hamburg, aus: http://inhabitat.com/construction-crawls-ahead-on-herzog-de-meurons-elbphilharmonie-in-hamburg/elbphilharmonie-hallhamburg-germany-by-herzog-de-meuron-7/ Abb. 30, S. 159, Elbphilharmonie Fassade. aus:https://commons.wikimedia. org/wiki/File:Elbphilharmonie,_Februar_2015-4964.jpg Abb. 32, S. 161, Elbphilharmonie Fassade Fenster. aus: http://t1p.de/25on Abb. 33, S. 161, Elbphilharmonie Fassade Fenster. aus: http://t1p.de/n8sg Abb. 34, S.161, Elbphilharmonie Fassade Fenster. aus: http://t1p.de/cnfo Abb. 35,S.160, Elbphilharmonie Fassade Fenster. aus: http://t1p.de/vomk Abb. 37,S.162, Elbphilharmonie Fassade Fenster. aus: http://t1p.de/vomk Alle hier nicht eigens nachgewiesenen Abbildungen stammen vom Autor. Fotografien der angegeben Websiten wurden am 06.08 heruntergeladen. Infos in Textboxen sind aus verschiedenen Lexika. 1 7 8
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