raum und klang

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raum und klang juliane deppermann



ba.V.6 vertiefung

raum und klang juliane deppermann wintersemester 2011 I 2012 prof. kazu blumfeld-hanada zweitpr端ferin prof. kirsten schemel msa I m端nster school of architecture 2011



“Erst der Klang gibt dem Raum eine Zeit. Und erst in seiner Zeit erfüllt sich der Sinn des Raumes.” Charlotte Pöchhacker


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INHALT .

EINLEITUNG

I. Klang

II.I II.II II.III II.IV II.V

Definition von Klang Entstehung Bedeutung des Hörens Wahrnehmung im Raum Mensch und Raum

II.

Musik und Architektur

II.I Geschichte

III. Theorien

III.I “Soundscapes” III.II “Aurale architektur” III.III auditive Architektur

IV. Architektur

IV.I IV.II IV.III IV.IV

Iannis Xenakis Peter Zumthor Hans Scharoun Alvar Aalto

V.

Musik und Kunst

V.I V.II V.III V.IV V.V

Philipps Pavillon Klangkörper Expo 2000 Philharmonie Berlin Bibliothek Viipuuri

John Cage Carsten Nicolai Suzan Philipsz Ulla Rauter Robin Minard

VI Fazit VII Quellenangaben

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EINLEITUNG

Intrada

Die Wahrnehmung von Architektur ist stark geprägt von visuellen Eindrücken. Unsere Umwelt nehmen wir jedoch jederzeit zugleich auch akustisch wahr. Wir können akustischen Phänomenen weniger entgehen als den visuellen Erlebnissen, sie prägen unser Leben. Die meist von uns selbst gestalteten architektonischen Umgebungen, in denen wir uns aufhalten, wurden in der Regel aber nicht für unsere akustische Wahrnehmung entworfen. Das Thema Klang spielt mit wenigen Ausnahmen eine sehr untergeordnete Rolle in der derzeitigen architektonischen Entwurfs- und Planungspraxis. Obwohl wir in jeder Umgebung, in der wir uns aufhalten, hören und das akustische Wahrnehmen unser Erleben der Architektur mitbestimmt. Warum findet ein Entwerfen mit dem Hören als Ausgangspunkt nicht statt? Wie verhält sich die auditive Wahrnehmung im Vergleich zur visuellen bezüglich des Erlebens von Architektur? Und wie lassen sich Strategien des Entwerfens nutzen, welche den auditiven Aspekt nicht nur explizit mit einbeziehen sondern als Ausgangspunkt für einen Entwurf nehmen? Ist es möglich aus Klang Raumstrukturen zu entwickeln und wie kann ich Gebäude „verklanglichen“? Welche Möglichkeiten bietet dieses “neue” Gestaltungsfeld der akustischen oder auditiven Architektur und welche Anforderungen stellt es an uns? Warum ist Klang überhaupt wichtig?

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Es gibt bereits eine Reihe von Ansätzen, welche mit Teilaspekten dieser Fragen arbeiten. Besonders im Bereich der Bauten für Musik haben sich Architekten wie Hans Scharoun explizit mit dem Aspekt des Hörens und Wahrnehmens beschäftigt. Wobei auch hier die klassische bauphysikalische Schallakustik im Vordergrund stand. Einen anderen Ansatz verfolgte Iannis Xenakis. Er nahm die mathematischen und systematischen Grundlagen musiktheoretischer Zusammenhänge als Grundlage für den Entwurf des Phillips-Pavillons und zeigt so die enge Verbundenheit von Musik und Klang im weiteren Sinne mit der Architektur. Ferner haben seit Mitte des 20. Jahrhunderts einige Forscher begonnen, Klangphänomene im Bezug auf unsere (gebaute) Umwelt zu untersuchen und zu kategorisieren, um sie steuern und somit gestalten und verbessern zu können. Eine Reihe von Künstlern haben die Thematik Klang und Raum als Ausgangspunkt für ihre (Klang-)Installationen genommen und durch diese Arbeiten das Verhältnis von Raum, Klang und Wahrnehmung untersucht und in Frage gestellt und somit eine erweiterte Sichtweise bezüglich der Thematik geschaffen.

So besteht ein recht breites, aber überschaubares Spektrum an Musikern, Künstlern, Architekten und Forschern, die sich dem Thema Klang und Raum gewidmet haben. All diese Aspekte werden im Folgenden vorgestellt, analysiert und auf ihre Zusammenhänge hin untersucht, um so schließlich Rückbezüge auf die Architektur ziehen zu können und die Bedeutung, aber auch die mögliche Notwendigkeit und den “Bedarf” des “Klanges” für Architektur herauszuarbeiten.

“Raum und Klang”

“Pavillon des Hörens” Museum Kalkriese

Das Ziel dieser Analyse ist die Definition und Weiterentwicklung von architektonischen Strategien zur Typen- und Form-Genese - und - zur prozessualen Umsetzung von Baukörpern, welche zum einen durch ihren Nutzungsanspruch oder aber auch durch ihre Form einen spezifischen Bezug auf Klang nehmen und diese entweder explizit vermitteln oder sie verstärken, zum anderen aber bestehende Objekte oder Entwurfsstrategien aufwerfen und weiterentwickeln können.

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"Zu hören wissen. Auch die Stille. Sehr schwierig, in der Stille die Anderen, das Andere zu hören. Anderes Denken, andere Signale, andere Klänge, andere Wörter, andere Sprachen." Luigi Nono

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I.I

Definiton von Klang

I.II

Bedeutung des Hรถrens

I.III

Wahrnehmung im Raum

I.IV

Raum und Klang

KLANG

Part I KLANG

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I.I KLANG Raum durch Klang oder Klang durch Raum? Wie wird Klang definiert und warum ist Klang, seine Wahrnehmung und das Hören selbst von Bedeutung? Zunächst lässt sich “Klang” wissenschaftlich wie folgt definieren: “Ein Klang ist ein Schallsignal mit harmonischen Teilfrequenzen, dem das menschliche Gehör eine Tonhöhe zuordnen kann” (Wikipedia) Physikalisch gesehen besteht ein Klang aus mehreren Schwingungen, welche sich aus einem “natürlichen Ton” mit seinen Teiltönen (Obertönen) zusammensetzt. Der “Ton” jedoch wird als “reiner Ton ohne Teiltöne” definiert und ist somit Grundlage für alle weiteren natürlichen Töne und somit auch aller Klänge. Der physikalisch “reine Ton” basiert auf einer Sinusschwingung, welche in der Natur praktisch nicht existiert. Er kann somit nur technisch hergestellt werden und ist in der Musik demnach nur mit elektrischen Instrumenten wie Synthesizern oder einem Computer erzeugbar. Aus Sicht der Musikwissenschaft ist ein “Klang” ein Akkord oder ein Mehrklang und wird auch allgemein als Ausdruck für ein Qualitätsmerkmal von Musik verwendet. Der “Ton” wird hier als “natürlicher Ton” definiert. Der natürliche Ton wird bestimmt durch seine Tonhöhe, die Tondauer, die Lautstärke sowie die Klangfarbe.

Ein wahrnehmbares Klangereignis kann somit technisch gesehen also aus einzelnen (reinen) Tönen bestehen, sich aber auch aus Klängen im Sinne von Akkorden und in ihrer Aneinanderreihung aus Melodien oder auch aus Geräuschen zusammensetzen. Können einem akustischen Ereignis nicht alle diese Merkmale zugeordnet werden, spricht man meist nicht von Klang sondern einem Geräusch, da beispielsweise die Tonhöhe und Klangfarbe nicht definierbar sind. Als zusammenfassender Begriff für Geräusch, Klang und Ton wird “Schall” verwendet. Damit der Schall vom menschlichen Gehör aber überhaupt wahrgenommen werden kann, ist der Raum als dritte und die Zeit als vierte Dimension notwendig.

KLANG

01 Ton I Klang I Geräusch

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verdichtung

zeit

02 Pinzip von Schallwellen

Schall entsteht durch die Ausbreitung von kleinsten Druck- und Dichteschwankungen in einem elastischen Medium. Diese Druckschwankungen werden durch ein vibrierendes Objekt wie beispielsweise eine angezupfte Gitarrenseite erzeugt. Es entstehen so mechanische Wellen, welche sich mit einer vom jeweiligen Medium abhängigen Schallgeschwindigkeit ausbreiten. Das wichtigste Medium ist das Gasgemisch Luft. Bei einer Temperatur von 20 °C beträgt die Schallgeschwindigkeit hier 343 m/s. Zum Vergleich liegt die Geschwindigkeit im Wasser bei 1521 m/s. Eine Schallausbreitung im Vakuum ist folglich nicht möglich. Schallwellen werden in Frequenz (Hz) gemessen. Die Frequenz gibt an, wie viele Schwingungsperioden innerhalb einer Sekunde vorhanden sind. Je stärker die Auslenkung eines schwingenden Körpers ist, desto größer ist die Amplitude und somit auch die Periodendauer der Schwingung. Eine hohe Frequenz bedeutet einen höher klingenden Ton, da eine große Anzahl an Schwingungsperioden pro Zeiteinheit vorhanden ist.

Je weniger Masse und Elastizität ein schwingender Körper hat, desto höher liegt der Bereich der ihm eigenen Frequenzerzeugung; eine kleine Geige klingt somit im Verhältnis zum großen Kontrabass deutlich höher. Der Frequenzbereich des für den Menschen hörbaren Schalles liegt bei 20 - 20000 Hz. Darüber und darunter liegende Frequenzbereiche werden als Ultra- und Infraschall bezeichnet. Werden die Schallwellen vom menschlichen Ohr aufgenommen, beginnt das Trommelfell den Druck- und Dichteschwankungen folgend zu schwingen. Spezielle Nervenzellen wandeln diese Vibrationen dann in Sinnesreize um, welche zur Auswertung an das Gehirn weitergeleitet werden. amplitude

amplitude

frequenzsprekctum von (1)+(2)+(3)+(4)

(1) grundton

(1)

(2)

(3)

(2.) 3. teilton

(1)+(2)

(3.) 5. teilton

(1)+(2)+(3)

(4) 7. teilton

(4)

frequenz

(1)+(2)+(3)+(4)

03 Aufbau des Tons mit Teiltönen

KLANG

verdünnung

amplitude

druck

verdichtung

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KLANG

Hรถrbereich des Menschen

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I.II BEDEUTUNG DES HÖRENS

120° 200°

SEHEN

360°

HÖREN

“Einzugsbereich” der Sinneswahrnehmung

KLANG

Das Hören hat seit jeher eine eher nebensächliche Bedeutung im Vergleich zum Sehen. Die visuellen Reize sprechen uns grundsätzlich zuerst an, während akustische Signale meist nur unbewusst aufgenommen werden. Die Omnipräsent des Hörens wird somit jedoch stark unterschätzt. Das Ohr lässt sich im Gegensatz zum Auge nicht einfach verschließen und ist bei jeder Wahrnehmung ganz automatisch beteiligt. Oft sind akustische Ereignisse zu hören, welche gar nicht sichtbar sind, da das Ohr in der Lage ist, alle Klänge und Geräusche in einem Raum wahrzunehmen und nicht wie das Auge an einen Blickwinkel gebunden ist. “Irgendwo hinsehen bedeutet immer auch woanders wegsehen” (Hannes Raffaseder). Diese drastische Einschränkung des Seh-Sinnes stellt deutlich die Überlegenheit unseres Gehöres dar. So ist das Sehen ein selektiver, spezialisierter Vorgang, das Hören aber ein raumfassender, ganzheitlicher. In jedem Moment sind wir zum Hören gezwungen. Der akustische Informationsfluss ist somit aber meist zu groß, um komplett bewusst aufgenommen und bewertet werden zu können. Ein Großteil der im persönlichen Umfeld vorhandenen akustischen Sinnesreize wird daher unbewusst wahrgenommen. Dieses unbewusste Wahrnehmen wird häufig mit “Nichtwahrnehmung” gleichgesetzt. Wir nehmen jedoch auch vermeintlich uninteressante und unwichtige akustische Signale im Hintergrund wahr und werten diese aus. Jene unterschwelligen, akustischen Reize spielen eine wesentliche Rolle in der menschlichen Kommunikation, obwohl sie dem Hörenden meist gar nicht bewusst auffallen.

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“Das Auge führt den Menschen in die Welt, das Ohr führt die Welt in den Menschen”

KLANG

Lorenz Oken (1779- 1851)

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I.III WAHRNEHMUNG IM RAUM dementsprechend reflexartig. Die zweite Ebene ist das “Hören zur Orientierung in der Umwelt”. Hier ortet das Gehirn die akustischen Sinnesreize und wertet diese aus. Schallquellen können so meist gezielt zugeordnet werden, und im Bezug darauf lässt sich entsprechend reagieren. Die dritte Ebene ist das “Hören zur Kommunikation mit der Umwelt” Dieser Vorgang ist meist auch passiv. Hier werden aber schon Funktionen und Bedeutungen erfasst und ein Bezug zu umfassenderem Kontext hergestellt. Als vierte Ebene lässt sich das “Zuhören zur Konstruktion neuer Wahrnehmungsmuster” definieren. Dieser aktive und bewusste Prozess lässt uns durch die wahrgenommenen akustischen Ereignisse Neues erfahren und dieses interpretieren oder neu konstruieren.

HANDLUNG

ÜBERWACHUNG

REFLEX

ORIENTIERUNG

(RE-)AKTION

KOMMUNIKATION

INTERAKTION

KONSTRUKTION / KREATION

INTERPRETATION / ERFAHRUNG

KLANG

HÖREN

ZIEL

ZUHÖREN

Wie wird aber Klang, der sich im Raum ausbreitet, wahrgenommen, und wie verläuft die Verarbeitung dieser Wahrnehmung bei uns Menschen? Die physiologischen Aspekte des Hörens sind recht kompliziert und stehen in engem Zusammenhang mit der subjektiven, psychologischen Auswertung und Weiterverarbeitung des einzelnen Lebewesens. Die Grundeigenschaften und Grenzen des Hörsinns spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Das Gehör ist an Schallwahrnehmung in Räumen nicht zwingend angepasst sondern dient primär dazu, Informationen über Objekte und die Umgebung zu erlangen. Es kann unterscheiden zwischen der Art einer Schallquelle, der Richtung und Entfernung des Schalles und - in der Weiterverarbeitung - der Bedeutung der von ihr erzeugten Schallsignale. Es gibt mehrere Ebenen der akustischen Wahrnehmung. Das “passive Hören” analysiert die kurzen, akuten Zeitausschnitte der akustischen Umwelt und versucht so, durch das Vergleichen mit bekannten Mustern und vertrauten Ereignissen, eventuell erforderliche Handlungen zu generieren. Das “aktive Zuhören” reflektiert kritischer und setzt das akustische Ereignis in einen umfangreichen, zeitlichen und räumlichen Zusammenhang im Bezug auf persönliche Erfahrungen und Erinnerungen. Diese beiden Hörmodi lassen sich in vier Ebenen unterteilen. Die erste Ebene ist das “Hören zur Überwachung der Umwelt”. Bei ungewöhnlichen, auffälligen Geräuschen sind wir sofort alarmiert und werden auch gegen unseren Willen meist direkt darauf aufmerksam. So erkennen wir beispielsweise automatisch Gefahrensituationen und verhalten uns

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I.IV RAUM UND KLANG Klang kann schlussendlich ohne Raum nicht entstehen. Definieren wir das Vakuum als “Raum”, so kann der Raum selbst durchaus ohne Klang bestehen. Der “luftleere” Raum ist für den Menschen jedoch nicht erlebbar. Somit halten wir uns grundsätzlich in einem Raum auf, welcher mit Klang erfüllt ist, durch ihn definiert wird und ohne diesen folglich auch nicht als Raum erfahrbar wäre („Raum durch Klang und Klang durch Raum“). Diese gegenseitige Abhängigkeit zeigt die grundlegende Bedeutung von Klang für die Architektur auf. Die Gestaltung, Fügung, Gliederung und Bemessung von Raum ist die wichtigste Aufgabe des Architekten. Somit gilt der Raum als primäres Arbeits-Medium und mit ihm schließlich auch der Schall und der Klang. Definieren wir den Raum durch unsere Architektur neu, so definieren wir auch immer den Klang und die an dieser Stelle vorherrschenden akustischen Verhältnisse neu.

Als gängige “Antwort” auf diese Tatsache gibt es bisher nur die klassische Bau-Akustik, welche sich jedoch lediglich aus funktionaler Sicht mit dem Schall beschäftigt, was sich vor allem auf den Schallschutz und die Schallminderung in, um und an Bauwerken bezieht. Des Weiteren gibt es noch den großen Bereich der Bauten für Klangdarbietung. Hier wird seit jeher viel mit Klang, Schall und der optimalen Ausbreitung derselben experimentiert und geforscht. Als führendes und erstes Beispiel steht hier die Berliner Philharmonie von Hans Scharoun, bei der nicht nur in technischer Hinsicht Maßstäbe gesetzt wurden. Scharoun hat sich bei seinem Entwurf von dem soziokulturellen Hintergrund, den das Klangereignis der Musikdarbietung mit sich bringt, leiten lassen und so eine neue Form der Philharmonie geschaffen. (Siehe Kapitel 3.2)

KLANG

Raum Raum und und Klang Klang Raum Raum durch durch Klang Klang Klang Klang durch durch Raum Raum Raum Raum ohne ohne Klang Klang Klang Klang ohne ohne Raum Raum Raum Raum für für Klang Klang Klang Klang für für Raum Raum Raum Raum mit mit Klang Klang

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Rückbeziehend auf die Architektur stellt die Akustik eines klassisch, konventionell bezeichneten Raumes immer eine bewusst oder unbewusst erlebte charakteristische Eigenschaft desselben dar. Im Idealfall kommt diese seiner Funktion entgegen. Wie ein Raum beschaffen sein muss, um eine als “angenehm” empfundene Akustik zu haben, welche seiner Funktion entspricht, kann bisher nur in Teilaspekten von der Wissenschaft beantwortet werden. Diese Beurteilung hängt jedoch in großen Teilen von dem subjektiven Empfinden der jeweiligen Menschen ab. Dies zeigt die Problematik für die Wissenschaft und die Anwendung ihrer Erkenntnisse auf und verdeutlicht sogleich die schwer erfassbare Komplexität des Wahrnehmens durch hören

KLANG

Für die allgemeine, alltägliche (gebaute) Umwelt besteht das Bewusstsein für “Klanggestaltung” bisher aber nur in vereinzelten Ansätzen. Im vergangenen Jahrhundert haben einige Wissenschaftler begonnen, nach systematischen Forschungsmöglichkeiten für die Dokumentation, Auswertung und Weiterentwicklung von auditiven Umgebungen zu suchen. Die drei wichtigsten Theorien dieser Art, “auditive Architektur”, “Aural Architecture” und “Soundscapes” arbeiten mit den Begriffen “Klangumwelten” beziehungsweise “Soundscapes” und beziehen sich nicht spezifisch auf klassische, abgeschlossene gebaute Räume sondern auf die gesamte uns umgebende Umwelt. Im folgenden werden diese vorgestellt und verglichen.(Kapitel 2) Doch auch in der Kunst ist das Verhältnis von Raum und Klang auf vielseitige Weise Thema von Installationen und Werken. Der Künstler und Musiker John Cage hat mit seinen Arbeiten grundlegende Prinzipien entwickelt welche heute unter anderem für viele Musiker, Künstler und Architekten die Grundlage bezüglich des Verhaltens zum Klang und das ihn umgebende Medium darstellen. Er stellt so auch die direkte Verbindung zur Musik und Musiktheorie her.(Part II)

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"Architektur ist verstummte Tonkunst" J. W. Goethe

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Part II MUSIK UND ARCHITEKTUR

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ARCHITEKTUR UND MUSIK

MUSIK UND ARCCHITEKTUR

Der Zusammenhang von Musik und Architektur ist in der griechischen Antike verwurzelt. Seit phytagoreische Philosophen Musik mit einem zahlentheoretischen Ordnungssystem verknüpften, ist die musikalische Komposition in Form einer Harmonielehre mit dem architektonischen Entwurf in Form einer Proportionstheorie verbunden. Die gemeinsame Grundlage ist hier ein konstituierendes, ästhetisches Prinzip. Beide Disziplinen beruhen somit auf Ordnungsstrukturen welche mittels Zahlenverhältnissen ausgedrückt werden können. Die pythagoreische Harmonielehre wurde zum universellen Maßstab der musikalischen Komposition und in der Weiterentwicklung auch des architektonischen Entwurfes; dies spiegelt sich in den Säulenordnungen, der Gestaltung von Fassaden oder Maßverhältnissen in Grundrissen wider. Im Mittelalter wurde die Harmonielehre mit christlichem Symbolgehalt angereichert, was sich an christlichen Kultbauten wie Kathedralen und Klosterkirchen deutlich ablesen lässt: der goldene Schnitt als Proportionsvorgabe oder die FibonacciReihe als rhythmisches Ordnungssystem wurden hier vielmals angewandt.

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In der Renaissance wurden Analogien zwischen Schönheit und Ausgewogenheit eines Gebäudes oder Raumes mit musikalischer Harmonie und Wohlklang weiter ausgearbeitet. Architekten wie Leon Batista Alberti und Wissenschaftler wie Leonardo da Vinci waren auf der Suche nach den idealen Proportionen (zu sehen beispielsweise anhand der Fassadengestaltung des Florentiner Palazzo Rucellai von Alberti aus dem Jahre 1455). Die pythagoreische Zahlenästhetik entwickelte sich zu einer umfassenden Proportionslehre weiter. Neben Verhältnissen wie Oktave, Quinte und Quarte kamen Terzen und Sexten zum Proportionsgefüge hinzu. Dies spiegelt sich in der Musik durch die entstehende Dreiklangs-Harmonik wider, welche das mittelalterliche Quint- und Quartorganum ablöste. Im 17. Jahrhundert kam mit der Romantik eine Infragestellung dieser Proportionslehre auf. Schönheit und Harmonie könnten nicht auf abstrakten, unveränderlichen Zahlenverhältnissen beruhen. Das ästhetische Empfinden wurde mehr und mehr als ein vom subjektiven Geschmack geprägtes persönliches Urteil gesehen. Die Musik nimmt in dieser Zeit neben der Dichtung den höchsten Rang unter den Künsten ein. Die Architektur hingegen weilt in dieser Rangfolge eher weiter unten. Aussprüche Goethes oder Schellings, wonach “Architektur gefrorene oder erstarrte Musik” ist, entstammen dieser Entwicklung.


Chopin, Liszt Verdi, Puccini Strawinsky, Debussy, Varèse, Penderecki, Ligeti, Cage Blues, Jazz, Rock´n´Roll Hip Hop Club Music World Music

RENAISSANCE 1600-1750 BAROCK 1750-1820 KLASSIK

Haydn, Mozart, Beethoven

1820-1900 ROMANTIK

Bach, Händel, Vivaldi, Corelli

20. JAHRHUNDERT

Gregorianik Plainchant

MITTELALTER

ROM GRIECHENLAND

Einflüsse von Topografie, Pflanzen

Schall im natürlichen Umfeld

Tempel, Natürliche Amphitheater Theater Zirkusse Eingebaute Resonanzkörper Gotische Kathedralen Lange Nachhallzeiten Taj Mahal, Agra, Indien 1653 Nachhallzeit 28 Sekunden Kleine Theater, Ballräume Musikzimmer Kürzere Nachhallzeiten Konzerthallen, Opernhäuser, Öffentliche Institutionen

Großer Musikvereinssaal Wien 1870 Festspielhaus Bayreuth 1876 Concertgebouw Amsterdam 1888 Symphony Hall Boston 1900 Philharmonie Berlin (Hans Scharoun) 1963 Meyerson Symphony Hall Dallas (I.M.Pei) 1989 Konzerthalle Luzern (Jean Nouvel) 1999 Disney Concert Hall Los Angeles (Frank Gehry) 2003 I 01 I

Aufnahmestudios Sehr kurze Nachhallzeiten

MUSIK UND ARCHITEKTUR

TON UND ARCHITEKTUR

PRÄHISTORISCHEZEITEN

GESCHICHTE GESCHICHTE

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PROPORTIONEN

ARCHITEKTUR I MUSIK

Oktave

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Quinte

Quarte

große Terz

INTERVALL

PROPORTION

Prime

1:1

kleine Sekunde große Sekunde

16:15 10:9

kleine Terz große Terz

6:5 5:4

Quarte

4:3

Quinte

3:2

kleine Sexte große Sexte

8:5 5:3

kleine Septime große Septime

16:9 15:8

Oktave

2:1

kleine Terz

9:8

9:5

7:4

übermäßige Quarten

verminderte Quinten


Im 20. Jahrhundert begann eine Relativierung der objektiven zahlentheoretischen Grundlage bis hin zur Aufhebung dieses Verständnis. Stattdessen entstanden im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung neue ästhetische Einstellungen wie die Maschinenästhetik und die Synthese der Künste. Es wurden unmittelbare Zusammenhänge von musikalischer Komposition und architektonischer Konstruktion gezogen. Der französische Purismus zeigt dies in Form von Corbusiers konstruktivistischer Phase oder der des Bauhauses. Sein Ausspruch “Das Haus ist eine Maschine zum Wohnen.” repräsentiert diese Haltung. Gleichzeitig entstanden frühe Formen der “Maschinenmusik” - repräsentiert durch beispielsweise Eric Satie oder Edgare Varèse. Zweckgerichtete Aspekte - sowohl in der Architektur in Form von funktionalistischen Wohnmaschinen als auch in der populären Gebrauchsmusik der 1920er Jahre - zeigen neue Analogien und Synthesen der beiden Schaffensbereiche auf. Die Kompositionen Saties nehmen beispielsweise Bezug auf den Raum, in dem er diesen eine “ornamentlose, einfache Klarheit wie die Architektur der Antike” zuschreibt. Die neoklassizistischen Tendenzen der modernen Architektur, wie Corbusier sie vertritt, nehmen zudem direkten Bezug zu der entstehenden neuen Klassizität der modernen Musik von Satie oder Strawinsky. In der expressionistischen Strömung bildeten sich weitere Analogien. Der architektonische Expressionismus knüpft an die romantische Vorstellung der “Architektur als gefrorene Musik” an und verbindet assoziativ den Entwurf mit “Komposi-

tion”, wie beispielsweise Scharoun es bei der Entwicklung seiner Philharmonie macht. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erweitert sich die Schnittstelle von Musik und Architektur um die Aspekte des Stadt- und Landschaftsraumes bezogen auf “Klangarchitektur”. Formanalogien wie der Philips Pavillon von Iannis Xenakis oder Kompositionen der Fenster im Kloster la Tourette nach der Zahlenreihe des Modulors von Corbusier nehmen direkten Bezug auf den Zusammenhang der beiden Künste. Es entstehen architektonische Projekte, in denen der Architekt Musik “frei übersetzt”, wie Steven Hall mit dem “Streta House” (1998) verfährt, bei dem er Bela Bartoks “Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta” (1936) in Architektur übersetzt. Aber auch in die andere Richtung findet eine Übertragung statt. Urbane Geräusche werden in diversen Klanginstallationen verarbeitet, John Cages Formen der indeterminierten, aleatorischen Musik entstammen den utopischen Gedanken Buckminster Fullers. Der Raum gilt als formbildendes Kriterium in der Klangkunst, und die vorgefundenen architektonischen Umgebungen werden als auditiv wahrnehmbar erkannt und beschäftigen die Klangarchitektur. Die Erkenntnis, dass architektonisches Erleben immer auch auditives Wahrnehmen ist, festigt sich und wird zum Forschungsgegenstand.

ARCHITEKTUR I MUSIK

ARCHITEKTUR UND MUSIK

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"Sound is Architecture in Time" Marioni

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Part III THEORIEN III.I

“Soundscape” I Murray R. Schafer

III.II

“Aurale Architektur” I Barry Blesser “Auditive

Architektur”

I

Arteaga/ Kusitzky

THEORIEN

III.III

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III.I Soundscape

THEORIEN

Der Begriff „Soundscapes“ setzt sich aus den Worten Sound und Landscape zusammen und beschreibt die akustische Hülle, die den Menschen an bestimmten Orten umgibt. R. Murray Schafer gründete Ende der 60er Jahre das “World Soundscape Projekt” (WSP) an der Simon Fraser University in Vancouver. Das ursprünglich als musikpädagogisch geplante Projekt entwickelte sich in den 70er Jahren zu einem umfangreichen Forschungsbereich, dem der Versuch zu Grunde liegt, die hörbare Umwelt als Ausgangspunkt für künstlerische und wissenschaftliche Arbeit zu machen. Schafer analysiert die Landschaft und ihre klanglichen Eigenschaften, um diese Klangerscheinungen aufzuzeichnen und zu katalogisieren. Über die Jahre hinweg soll so aufgrund der Analysen eine Erforschung der soziologischen und ästhetischen Aspekte der akustischen Umwelt möglich sein. Schafer definiert Klänge als “Bedeutungsträger, welche lokal verankert sind und über ihre Verbindung zur Klangquelle den Ort charakterisieren.” Verschiedene Landschaften besitzen demnach eigene Tonalitäten, welche durch die charakteristischen klanglichen Ereignisse, die sogenannten “soundmarks” definiert sind.

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Schafer differenziert die Klanglandschaften in zwei Bereiche: Die sogenannten “Lo-Fi” Landschaften befinden sich meist im städtischem Raum, wie beispielsweise eine große Straßenkreuzung. Sie sind akustisch überladen und geprägt von Maschinenlärm oder Lautsprecherklängen und überfordern somit den Menschen, da dieser nur noch sehr laute Klänge wahrnehmen kann und die ganze Klanglandschaft so undifferenzierbar bleibt. Die “Hi-Fi” Landschaften hingegen lassen den Hörer aufgrund ihrer sich nur in geringem Maße überlappenden Töne weiter in die Ferne hören. Hier besteht laut Schafer eine akustische Anordnung als Perspektive mit einem Vorder- und einem Hintergrund. Als Beispiel hierfür stehen naturbelassene, ländliche Räume wie beispielsweise ein einsam gelegener Bauernhof.


“Lo-FI” Umgebung

THEORIEN

“Hi-FI” Umgebung

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THEORIEN

Schafers Bestrebungen seine Theorie im konstruktiven Diskurs der akustischen Gestaltung zu verankern, verliefen mäßig erfolgreich. Höhepunkt war die 1997 in Stockholm stattfindende Konferenz zusammen mit dem “CRESSON - Centre de Recherche Sur l´espace sonore et l´environnement”. Diese Institution wurde 1978 von den Franzosen Henri Torkle und Jean Francois Boyard gegründet und vertritt eine anthropologische, transdisziplinäre Position - entgegen der „musikologisch“künstlerisch ausgelegten “Soundscapes”. Das CRESSON legt den Fokus auf eine Erfassung des Raumes mittels wissenschaftlicher Studien, welche sich sowohl dem Klang, als auch der Atmosphäre als multisensorische Wahrnehmung widmen. Die gemeinsame Konferenz ebnete den Weg zu dem Versuch, Klänge und Geräusche nicht nur in Dezibel zu erfassen, sondern sie auch über das persönliche Hören in der Gesamtheit ihrer Qualitäten ohne Messgeräte festzuhalten. Der Begriff Soundscape findet heute Verwendung in der Musikwissenschaft bis hin zur Stadtplanung. Die damit verbundenen Untersuchungen sind jedoch nach wie vor Randerscheinungen der jeweili-

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gen Disziplinen geblieben. Die Klanglandschaftsstudien lassen sich als empirische Wissenschaft definieren, welche sich aber auf unmittelbare Erfahrungen beruft. So entsteht eine mögliche und erklärbare Nähe zur Kunst. Die Experimente der 60er und 70er erklären die Kunst als Forschung und die Forschung zur Kunst. Schlussendlich ist jedoch dem künstlerischen und wissenschaftlichen Eingriff vorangehend eine Sensibilisierung für das real Vorhandende Grundvoraussetzung.


THEORIEN

Notation von Klangereignissen in der Landschaft

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THEORIEN

Klangereigniskartierung (Michael Southworth)

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III.II Aurale Architektur Blesser bezeichnet den Auralen Architekten als einen “Sozialwissenschaftler”, welcher die Fähigkeit hat, aurale Attribute Raum- und Nutzerspezifisch auszuwählen. Ein Akustischer Architekt im Gegensatz dazu ist ein physikalischer Wissenschaftler, der etwas davon versteht, wie man Raum erzeugen kann, welcher die von dem auralen Architekt zuvor gewählten Attribute schon beinhaltet. Der “Aurale Architekt” muss nach Blesser nicht zwingend ein Spezialist sein. Im weiteren Sinne sieht er jeden als “auralen Architekt” an. Allen Menschen ist es möglich, den von ihnen bewohnten und benutzten Raum zu beeinflussen, zu gestalten und zu hören, was nicht zuletzt durch die simple Anwesenheit eines jeden selbst im Raum geschieht. Jeder Ort hat zudem akustische Eigenschaften, welche durch die Klangeigenschaften des Klangereignisses, aber auch durch den Raum selbst, in dem der Schall gehört werden kann, und durch die sich dort befindenden Menschen verändert wird.

THEORIEN

Diese Theorie geht auf den MIT-Wissenschaftler und Toningenieur Barry Blesser zurück. Sein Konzept “Aurale Architektur” (Aural architecture) befasst sich mit dem auditiven Hörerlebnis unserer Umwelt(en) und dem Zusammenhang von diesem mit dem sozialen und emotionalen Befinden der Bewohner und Nutzer. Er beschäftigt sich auch mit der allgemeinen gesellschaftlichen Bedeutung des Hörens und dessen Unterbewertung. Blässer definiert Architektur als “eine Disziplin, die durch die Gestaltung der physikalischen Eigenschaften von Räumen künstlerische Ideen kommuniziert.” So arbeitet der “aurale Architekt” mit den Gegebenheiten des Raumes und versucht durch Materialwahl und Formgebung die “hörbaren Aspekte” von Räumen explizit zu gestalten. Aurale Architektur eines Raumes kann jedoch nicht erlebt werden ohne das Vorhandensein von dynamischen Prozessen, welche Klänge und Geräusche hervorbringen, aber auch nicht ohne die den Raum nutzenden Personen. Diese vervollständigen die Architektur.

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THEORIEN

Die aurale Architektur wird zu diesen akustischen Eigenschaften der erfahrenen Umwelt, welche unsere sozialen und emotionalen Erfahrungen von Klang beeinflusst. Laut Blässer wird der Raum allerdings erst durch aufmerksames Hören erfahrbar und erlebbar. Die Erfahrung des Hörers bezüglich klangräumlicher Gegebenheiten ist somit wichtig. Es gibt zwei Konzepte der auralen Architektur: den akustischen Horizont und die “aurale Arena”. Der Horizont beschreibt das Entfernungslimit, an dem man ein Klangereignis nicht mehr wahrnehmen kann. Dies definiert ein bestimmtes Areal bei welchem der Horizont die akustische Grenze darstellt, welche somit nicht sichtbar ist. Die “aurale Arena” ist das Gebiet in dem alle Zuhörer eine Schallquelle hören können. In beiden Fällen sind Form und Größe über die akustischen Eigenschaften und die HIntergrundsgeräusche definiert. Diese Definition von Raum steht oft nicht im Zusammenhang mit der visuellen Erfahrung. Klang ist immer vergänglich und auf den Moment bezogen. So ist es im übertragenen Sinne nicht möglich, ein aurales Erlebnis eines Raumes aufzunehmen. Das aurale Erinnerungsvermögen für Räume und auch das Vokabular zur verbalen Beschreibung des Erlebnisses sind seines Erachtens in der Gesellschaft bisher schlecht entwickelt. So fehlt es allgemein an einer schlüssigen und anerkannten Möglichkeit, auditive Architektur in akustischer oder aber auch visueller Form wiederzugeben.

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Als Zusammenfassung seiner Forschung und Theorien schrieb Blesser in Zusammenarbeit mit seiner Frau Dr. Linda-Ruth Salter im Jahr 2007 das Buch “Spaces Speak - Are you listening? Expieriencing Aural Architecture”. In diesem Werk stellen sie ihre Thesen, Theorien und Ideen bezüglich des auditiven Erfahrens und Erlebens von Raum vor und möchten einen neuen Fachbereich in der Architektur etablieren. Wie können diese Erkenntnisse jedoch in den Gestaltungsprozess mit einbezogen werden und wie sollen soziale und kulturelle Aspekte von Aural Architecture ermittelt oder integriert werden? Darauf gibt das Buch bisher keine klaren Antworten. Blessers Ansatz verfolgt soziale und kulturelle Aspekte. Im Vergleich zu Murray Schafer sieht er den Klang als Stil- und Ausdrucksmittel von und für Raum. Der Klang illuminiert den Raum auf akustischer Ebene, so wie das Licht dies auf visueller Ebene tut. Schäfers Soundscapes hingegen stehen für sich selbst und drücken sich durch den eigenen Klang aus. Ein deutlicher Ansatz an den man in der Praxis anknüpfen könnte besteht jedoch nicht. Einen Schritt weiter gehen die Forscher der Auditiven Architektur im folgenden Kapitel.


“aurale Arena”

THEORIEN

akustischer Horizont - nicht sichtbar

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III.III Auditive Architektur

THEORIEN

Wie klingt Architektur? Und wie sollte sie klingen? Diese Fragen erforschen die Musiker und Architekten Alex Ortega und Thomas Kusitzky in ihrem seit 2006 bestehenden Forschungsbereich “Auditive Architektur” an der UdK in Berlin. Die Wahl des Adjektives “auditiv” statt “akustisch” weist auf die grundsätzlich erkenntnistheoretische Position hin und charakterisiert die Erweiterung des Architekturbegriffs und somit des architektonischen Konzeptions- und Entwurfsprozesses. Die Forschungsgruppe beruft sich unter anderem auf Murray Schafer und seine “Soundscapes” sowie auch auf Barry Blässer, kritisiert jedoch die rein theoretische Beschaffenheit der auralen Architektur und arbeitet an dem “SoundscapeGedanken” weiter.

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Ziel der Forschung ist es, den auditiv erlebten Raum für die architektonische Entwurfspraxis zu erschließen. Den Ausgangspunkt bildet hierbei die Tatsache, dass das auditive Erleben zweifelsohne ein fester Bestandteil erfahrener Architektur ist, ein Entwerfen mit dem Hören als Ausgang bisher in der Praxis jedoch nicht stattfindet. So existieren bisher weder Methoden noch Ansätze für eine explizite Gestaltung unter dem Höraspekt. Um ein systematisches Gestalten zu ermöglichen, werden anhand von konzeptionellen und praktischen Projekten Strategien, Instrumente und Methoden erarbeitet. Die Forscher beschäftigen sich außerdem mit den Fragen, in welcher Weise der Klang gebauter Umgebungen entworfen und gestaltet werden kann und wie durch architektonisches Entwerfen und Planen bewusst und nachhaltig Voraussetzungen für das auditive Erleben geschaffen werden können.

KLANG

UMGEBUNG

UMWELT

SCHALL


Interaktion Subjekt mit Umwelt

THEORIEN

Der generelle Forschungsgegenstand, die sogenannten”Klangumwelten”, ist grundlegender Bestandteil der auditiven Architektur. Das Wort selbst soll den Begriff Klang im architektonischen Kontext spezifizieren, so das dieser sich von anderen verwandten Begriffen wie Schall, Lärm, Geräusch oder Ton unterscheiden lässt. Klangumwelten beruhen auf einem komplexen Konzept von Wahrnehmung, welche im Kontext mit der Kognitionswissenschaft “embodied cognition” steht. Eine mehrschichtige, dynamische Interaktion zwischen dem erkennenden Subjekt und seiner Umgebung, in der beide Instanzen sich in einem ununterbrochenen Prozess von Sinngebung gegenseitig bestimmen. Vordergründig ist also das subjektive Erleben des hörenden Menschen in der architektonischen Schallumgebung. Die Klangumwelt ist “unumgänglich konstitutiver Bestandteil erfahrener Architektur”. Eine wichtige Unterscheidung ist bei den Begriffen “Klangumwelt” und “Schallumgebung” zu beachten. Dem Klang als perzeptives Phänomen wird die Umwelt als “geistig geformte Gestalt” zugeordnet. Der Schall hingegen gliedert sich der Umgebung als “Gegebenes” an. Mit dem Hintergrund der weiträumigen Etablierung der auditiven Architektur in der Architekturszene gibt es eine Vielzahl an umfangreichen Publikationen in verschiedenen architektonischen Fachblättern. Des Weiteren fließt die Lehre von der auditiven Architektur im Rahmen des Masterstudiengangs “Sound Studies” an der UdK Berlin in verschiedene Seminare und Lehrveranstaltungen ein.

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Langzeitbeobachtung Schlieren

THEORIEN

Das wohl umfangreichste Projekt dieser Art ist die “Langzeitbeobachtung Schlieren”. In Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule der Künste wird darin innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren die Klangumwelt der Schweizer Stadt Schlieren dokumentiert und neu gestaltet. Neben der Untersuchung der dynamischen Entstehung sowie der Struktur von Klangumwelten gibt es ein angekoppeltes Projekt der fotografischen Dokumentation. Die Klangumwelten der Kleinstadt werden durch Schallaufnahmen mit Kunstkopftechnik, Hörprotokollen, Interviews, Raumklangsimulationen und - Installationen erforscht. So soll möglichst systematisch die architektonisch-klangliche Situation kognitiv zugänglich gemacht werden. Die permanente Dynamik dieses Prozesses stellt die besondere Schwierigkeit der Forschung dar: Jede der Erfassungs-methoden und ihre Ergebnisse

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oder Auswirkungen verändert die Perspektive des Hörenden und somit auch seine Wahrnehmung. Die kategorische Trennung von Subjekt und Objekt ist nicht vorgesehen und auch nicht möglich. Dieses stetige Verändern der Hörperspektiven ist als ein “partizipatives” Gestalten durch aktives Wahrnehmen vor dem “produzierenden” Gestalten zu bezeichnen. Es können folglich keine allgemein gültigen Kenngrößen und auch keine festgelegten Schritte für eine Problemlösung benannt werden. Der auditive Architekt kann somit nur auf die Bedingungen für das Entstehen der Klangumwelten einwirken und entwirft den “Rahmen” für das auditive Erleben der Architektur. Auditives Entwerfen ist folglich klar dem Entwurfsprozess zuzuordnen, im Gegensatz zur Bau- und Raumakustik, die der Baukonstruktion zugehörig sind.

Kartierung der Stadt Schlieren mit markierten “Entwicklungsarealen”


“Schulstraße” (fotografisches Dokumentationsprojekt)

Standorte der Aufnahmen in der Stadt

Alex Artega und Thomas Kusitzky schaffen durch ihre Forschung eine neue Plattform für die Diskussion über die Bedeutung des Hörens in der Architektur und finden vor allem im europäischen Raum Beachtung, welchen Blesser bisher nicht nennenswert beeinflussen konnte. Sie greifen auch die Thematik, die Murray Schafer mit seinen “Soundscapes” behandelte, wieder auf, und setzen sie in den aktuellen Kontext. Durch ihre umfassenden Beschreibungen des Entstehens, Erschaffens und Entwickelns der Klangumwelten lässt sich die Methode durchaus applizieren. Dennoch ist die akute, praktische Umsetzung schwer zu vermitteln. Zum einen gibt es bisher keine Möglichkeit, die entwurfsspezifischen Erkenntnisse bezüglich einzelner bestimmter Projekte visuell, plakativ darzustellen, was sich im dynamischen Entwurfsprozess in der Kommunikation mit den verschiedenen Beteiligten als Problem erweisen könnte. Zum anderen setzt das bewusste Wahrnehmen und somit auch Schätzen und Bewerten der Klangumwelten, ähnlich wie bei Blessers

auraler Architektur, recht umfangreiche Vorkenntnisse voraus, so dass der “normale” ungeschulte Hörer entweder keinen Zugang zu der auf diesem Wege gestalteten Architektur findet, oder diese nur passiv wahrnimmt und dementsprechend nicht als “besser” oder “schlechter” definieren kann. Womit die Frage des Bedarfs an gezielter Klangumweltgestaltung neu aufgeworfen wird: Ist die Besinnung auf “allgemein gültige Klangempfindungen” der Gesellschaft, jeweils auf die spezifischen Ansprüche der zu gestaltenden Räume bezogen, wichtig? Sicherlich lassen sich Stimmungen von Räumen durch die Klanggestaltung vermitteln und können somit gezielt eingesetzt werden. Eine umfassende Anwendung und Einbindung stellt sich jedoch nach wie vor als schwierig hervor, nicht zuletzt durch mögliche fehlende Akzeptanz und Wertschätzung einer solchen „Gestaltungsverfeinerung“. THEORIEN

Auditive Architektur

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"Ein schÜnes Gebäude ist in der Tat nichts anderes als eine mit dem Auge empfundene Musik, ein nicht in der Zeit sondern in der Raumfolge aufgefasstes Simultanes Konzert von Harmonien und Harmonischen Verbindungen" Friedrich W.J. Schelling

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IV.I

Philharmonie Berlin I Hans Scharoun

IV.II

Vortragssaal Bibliothek VIipuuri I Alvar Aalto

IV.III

Klangkรถrper Expo 2000 I Peter Zumthor

IV.IV

Philipps Pavilon I Iannis Xenakis

ARCHITEKTUR

Part IV Architektur

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IV.I PHILHARMONIE BERLIN HANS SCHAROUN

ARCHITEKTEN

Die Berliner Philharmonie ist eines der Wahrzeichen Berlins. Am Kulturforum gelegen erregt sie noch heute allein durch ihr außergewöhnliches äußeres Erscheinungsbild Aufmerksamkeit. Den 1956 ausgeschriebenen Wettbewerb für eine neue Philharmonie in West-Berlin gewann Hans Scharoun, welcher mit seinem für die damalige Zeit sehr modernen und visionären Konzept die Jury überzeugte. Im Jahre 1963 wurde das Bauwerk fertig gestellt. Hans Scharoun, am 20. September 1893 in Bremen geboren, hat in seiner Schaffenszeit als Architekt verschiedene Phasen durchlaufen und kann somit nicht in einen bestimmten Architekturstil eingeordnet werden. Der Autodidakt bekam nach dem Ende des zweiten Weltkrieges die Leitung der Abteilung für Bau- und Wohnungswesen von Groß-Berlin zugeschrieben und machte es sich in dieser Zeit mit zum Hauptanliegen Bauten für die Gemeinschaft zu errichten. Sein Meisterwerk, die Berliner Philharmonie ist eines der populärsten Gebäude in organischer Bauweise und gilt gleichzeitig auch als Hauptwerk des Funktionalismus. Diese Überlagerungen der auf den ersten Blick recht widersprüchlich erscheinenden Strömungen sind bei genauerer Betrachtung jedoch durchaus plausibel. Sie basieren auf ähnlichen Prinzipien, entstammen jedoch verschiedenster Ideologien.

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Die organische Architektur strebt nach der Harmonie von Gebäude und Landschaft. Es gibt keine vorgegebenen Stilmittel da die Form aus den jeweiligen Bedingungen wie der Zweck, die Funktion oder die gewählten Materialien erwächst. Ebenso ist das Gebäude keiner bestimmten Ästhetik verpflichtet sondern wächst heterogen aus diesen Bedingungen, weswegen sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Ergebnissen ausbilden kann: von strengen, geradlinigen bis hin zu recht plastischen und biomorphen Formen. Der vor allem mit dem Funktionalismus in Zusammenhang gebrachte Leitsatz „Form follows function“ welchen Louis Sullivan, einer der ersten Vertreter organischer Bauweise, einst formulierte entstammt somit auch den Theorien der organischen Architektur.


ARCHITEKTEN

Innrenraum des Konzertsaales

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PHILHARMONIE BERLIN

01

ARCHITEKTEN

03

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02

04

01 Querschnitt 02 Grundriss Konzertsaal 03 Innenansicht Foyer 04 Wege der Schallreflexion


Beim Entwurf der Philharmonie hat Scharoun als

Scharoun selbst verglich diese Ränge auch mit

Leitgedanken die „Musik im Mittelpunkt“ gese-

Weinbergen. Es war ihm wichtig dass die Entfer-

hen und sich somit im weiteren Verlauf nur auf

nung des Publikums von der Bühne und den agier-

die Funktionalität bezogen, welche das Gebäude

enden Künstlern möglichst gering gehalten wird,

übernehmen soll. Oberste Priorität hatte hiermit

was durch die versetzte Rang-Anordnung vorbild-

also das Erleben und Erzeugen von Musik. Die ge-

lich gelungen ist. Diese Idee entstand aus der von

samte Konzeption geht vom „Vorgang“ welcher

ihm gemachten Beobachtung, dass Menschen die

im Gebäude stattfinden wird aus und nicht von

beispielsweise einem Straßenmusiker lauschen sich

einer erdachten oder eventuell durch die Umge-

um diesen in einem Kreis zusammenschließen. Die

bung bedingten Ästhetik.

direkte Kommunikation und Interaktion von Kün-

Die Musik im Zentrum zu sehen bedeutete, dass

stler und Zuschauer setze Scharoun somit auch in

der Konzertsaal das Herzstück der Philharmonie

der Philharmonie um.

bildet, von welchem ausgehend das gesamte Ge-

Über dem kompakten Saal spannt sich zeltartig die

bäude von innen nach außen entworfen wurde.

dreischalige, abgestufte Decke welche durch die

Umgeben und getragen von den Dienstleistung-

konvexe Form und gezielt platzierte Reflektoren

sräumen und -bereichen sowie den zahlreichen

eine besondere Akustik ermöglicht. Die bewusst

Treppenaufgängen zu den einzelnen Rängen und

gewählte Asymmetrie und der Verzicht auf hori-

den weitläufigen Foyers ergibt sich ein sehr kom-

zontale und vertikale sowie parallel zueinander

pakter Grundriss welcher wiederum von außen

stehende Wände im gesamten Saal unterstützen

nach innen geplant ist. Das Foyer ist dabei ein sehr

die diffuse Schallverteilung im Raum. Scharoun ar-

flexibles Element welches die äußeren und inneren

beitete für dieses Projekt eng zusammen mit dem

Kräfte zusammenfügt und in einem dynamischen

Akustiker Lothar Cremer. Eine solche neuartige

Spannungsverhältnis zur feierlichen Gelassenheit

Anordnung eines Konzertsaales war revolutionär:

des Konzertsaales steht.

Das Orchester wird nicht nur räumlich sondern

Der Konzertsaal selbst ist einer architektonischen

auch optisch zum Mittelpunkt und der Ton steigt

Landschaft gleich wie ein Tal gestaltet. In der „Tal-

aus der „Tiefe“ des Raumes auf und senkt sich

sohle“ sitzt das Orchester und ist rundum umge-

auf vielfältige Weise auf das Publikum nieder. Ein

ben von den terassen-ähnlichen Zuschauerrängen

neues Erleben der Musik in diesem weitläufigen

welche sich in unterschiedlicher Höhenstaffelung

Saal, der trotz allem eine gewisse Intimität behält,

um die im Zentrum liegende Bühne gruppieren.

ist somit möglich.

ARCHITEKTEN

HANS SCHAROUN

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IV.II BIBLIOTHEK IN VIIPUURI ALVAR AALTO

ARCHITEKTEN

Hugo Alvar Henrik Aalto wurde am 3. Februar im finnischen Kuortane geboren. Der berühmte Architekt und Designer ist einer der wichtigsten Vertreter der organischen Architektur. Nach seinem Schulabschluss 1916 begann der junge Aalto ein Praktikum in einem Architekturbüro und fing anschließend sein Architekturstudium am Polytechnikum in Helsinki an. Zwei Jahre nach seinem Abschluss gründete er 1923 sein eigenes Büro in Jyväskylä. Sein erster Auftraggeber war sein Vater, für den er den Umbau des Hauses Mammula konzipierte. Bereits 1924 heiratete Aalto seine Mitarbeiterin Aino Mariso mit der er zwei Kinder hatte. 1928 nahm er während einer Europareise an der CIAM Konferenz in La Sarah, Schweiz, teil, bei der er unter anderem Bekanntschaft mit Le Corbusier machte. Er gründete weniger Jahre später mit Freunden einen Möbelherstellungsbetrieb.

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Seit 1940 hat Aalto eine Professur am Massachusetts Institute for Technology in Cambridge. Aaltos Bautätigkeit erstreckte sich weit über Nordeuropa. Besonders aktiv war er aber in Finnland und ganz Skandinavien sowie im Baltikum und ab den 1950er Jahren in Deutschland. Seine bedeutendsten Projekte hier sind neben dem AaltoTheater in Essen dass Aalto-Hochhaus in Bremen neue Vahr und das Alvar Aalto Kulturhaus sowie die Heilig-Geist-Kirche in Wolfsburg. Sein Gesamtwerk umfasst 200 Projekte, von denen ca. die Hälfte zur Ausführung kam. Neben seinen architektonischen Arbeiten sind aber besonders auch seine weltweit bekannten Design- und Möbelprodukte bemerkenswert. Neben vielzelligen Experimenten mit Holz(möbeln) ist sein bekanntestes Designerstück die Aalto-Vase. Er verstarb 1976 in Helsinki. Neben dem “Alvar Aalto Museum” welche sich seinem Leben und Schaffen widmet, ist auch die von ihm entworfene “Aalto Universität” in Helsinki nach ihm benannt worden. Aalto sieht eine enge Verbindung von Gebäuden und Landschaft, was in der Theorie der organischen Architektur begründet ist, welche er grundlegend geprägt hat. Desweiteren ist er beeinflusst vom Bauhaus sowie vom Stil des Deutschen Werkbundes. In dem Konzept seiner Architektur betrachtet er alle den Menschen umgebenden Gegenstände als “Zellen und Gewebe”, welche als “lebendig” erachtet werden müssen und wie andere Einheiten der Biologie behandelt werden sollen, um nicht “unmenschlich” zu werden und weiterhin ins System zu passen. (Alvar Aalto).


01 EingangsgrundriĂ&#x;: rechts Vortragssaal, links Lesesaal, rechts davon die Jugendbibliothek

03 Querschnitt durch die Eingangshalle

ARCHITEKTEN

02 GrundriĂ&#x; Untergeschoss mit Archiv und Eingang zur Jugendbibliothek

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BIBLIOTHEK VIIPUURI

ARCHITEKTEN

Mit seinem Entwurf für Bibliothek in Viipuri, dem heutigen russischen “Wyborg”, gewann Aalto 1927 den ersten Platz. Das in einem alten Park neben einer Kathedrale gelegene Gebäude wurde im Krieg gänzlich zerstört und ist heute nur noch eine Ruine. Die Bibliothek umfasste einst eine Leihbücherei, Lesesäle, eine Jugendbibliothek, einen Zeitschriftenleseraum, diverse Verwaltungsräume sowie einen Vortragssaal. Die einzelnen Säle und Gebäudekomponenten überschneiden sich in ihren Grundrissen so, dass sich eine fließende Erschließungsmethodik im Gebäude ergibt. Jeder Bereich hat einen separaten Eingang neben dem im Erdgeschoss liegenden Haupteingang unter der Bücherei und den Lesesälen. Zwecks Isolation zum umgebenden Verkehrslärm wurden die Mauern in 75 cm Stärke ausgeführt. Die Ventilation erfolgt natürlich. Wichtigstes Element für die Bibliothek und die Lesesäle sind die einem speziellen Belichtungskonzept folgenden konischen runden Oberlichter. Mit einem Durchmesser von 2m wird das einfallende Tageslicht durch ihre Trichterform tausendmal reflektiert so dass im Innenraum an jeder Stelle ein schattenfreies, diffuses Licht besteht.

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07 Akustikschema bei einer Diskussion

05 Vortragssaal mit Bestuhlung

06 Rednerpult im Vortragssaal


ALVAR AALTO

08 Ausblick aus dem Vortragssaal

09 Die wellenförmige Decke im Vortragssaal

ARCHITEKTEN

Ähnlich wie er die Lichtsituation den räumlichen Ansprüchen anpasste, behandelte er auch den Vortragssaal, welcher neben Vorlesungen und Vorträgen auch für Kongresse und Diskussionen genutzt wurde. Die Akustik des Raumes war somit nicht nur auf die Situation eines Vortragenden mit einem sich vor ihm befindenden Publikum fixiert, sondern sollte eine möglichst weitläufige Reflexwirkung erzielen, so dass sich die Schallwellen möglichst weit vom Sprechenden aus in den Raum verteilen, unabhängig von seinem Standpunkt aus, die Peripherie immer mit einbeziehend. Möglich wurde dies durch eine wellenförmige Decke aus dünnen Holzstäben, welche durch ihre Konstruktion ermöglichte, dass jeder Punkt im Raum akustisch aktiv war. So erzielte Aalto eine intime Diskussionsstimmung.

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IV.III KLANGKÖRPER PETER ZUMTHOR Peter Zumthor entwarf den Klangkörper-Pavillon als schweizerischen Beitrag auf der Expo2000 in Hannover. Der eher dezente und geheimnisvolle Auftritt des Klangkörpers steht im starken Kontrast zu der funkelnden Hightech Architektur, die die restlichen Architekturbeiträge der Weltausstellung dominierte. Der “Klangkörper” fungiert als Ort der Entspannung und verführt zum Schlendern, Genießen, Entdecken und Loslassen.

01 Grundriss Klangkörper

ARCHITEKTEN

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Er gibt so eine einzigartige Antwort auf die Reizund Informationsflut der gesamten Weltausstellung. Der Pavillon stellt ein Gesamtkunstwerk aus Architektur, Musik, Lichtschrift und Gastronomie dar. Während der Ausstellungszeit wird durch eine gezielte, unsichtbare Inszenierung ein dynamisches Energiefeld erzeugt, was aus einem bewussten Zusammenspiel aller beteiligten Kräfte entsteht und so eine gewisse Spannung aufbaut und erhält.


können sich nicht unabhängig voneinander verbiegen. Die so entstehende Biegesteifigkeit wird also durch die Vorspannung sichergestellt. Aufgrund der biegesteifen Verbindungen werden die Windkräfte über die ganze Konstruktion verteilt. Die “Spannung” ist jedoch nicht nur konstruktiv Thema des Klangkörpers. Die im Klangkonzept verwendeten “GrundklangInstrumente”, das Akkordeon und das Hackbrett beispielsweise, funktionieren mit eingespannten Metallzungen beziehungsweise gespannten Metallsaiten. Aber auch die gesamte Inszenierung arbeitet mit einem die vollständige Atmosphäre beeinflussenden Spannungsbogen und setzt die Spannung als dramaturgisches Mittel ein.

02 Modell des Pavillons mit sichtbaren Höfen

03 Detailplan Spannstelle Stapelwand

ARCHITEKTEN

KONSTRUKTION Der Pavillon wurde auf einer abschüssigen Fläche von 50 x 60 Metern errichtet. In dem aus zwölf Holzstapeln bestehenden, labyrinthartigen Grundriss befinden sich verschiedenartige Höfe. An den drei Stellen, wo die Stirnseiten von jeweils vier Holzstapeln aufeinandertreffen, liegen drei nicht überdachte “Kreuzhöfe”. Der Raum läuft hier kreuzförmig auseinander. Eine weitere Hofform sind die “Flankenhöfe”, in denen die spiralförmigen Versorgungseinheiten platziert sind. Sie werden durch die Flanken der Stapel begrenzt. Im inneren der voluminösen Stapel befinden sich unter anderem drei Bars und vier Klangräume. Die verwinkelte Raumstruktur bekommt durch die fluktuative Wand- und Weggestaltung eine besondere Dynamik. Alle Hölzer der Wände liegen, nur durch kleine Schifthölzer getrennt, lose aufeinander. Durch Spannfedern werden die Balken aufeinander gepresst. Die so entstehende Zugspannung wird an den gepressten Balken zur Druckspannung. Die Stapelwände sind mit dem Dach und den Fundamenten stark verbunden und

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KLANGKÖRPER

ARCHITEKTEN

Das Klangkonzept wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Architekten von Daniel Ott entwickelt. Der Schweizer Komponist konzipierte eine lebendige Klanginstallation, die sich aus einem Grundklang und improvisierten “Ausbrüchen” zusammensetzt. Der Grundklang besteht aus 153 Klängen welche von je 3 Akkordeon-Spielern und 3 Hackbrettspielern gespielt werden. So entstehen durch den Raum wandernde Klangfarben, deren Klänge flächig und breit sind. Die Ausbrüche hingegen erscheinen laut, grell, rhythmisch ungerade und aperiodisch, geradezu überraschend. Sie werden von je drei täglich wechselnden Musikern erzeugt, welche auf den Grundklang bezogen improvisieren. Insgesamt waren während der Zeit der Weltausstellung 350 Musiker beteiligt, welche in dreistündigen Schichten als “Mitkomponisten” den Klangkörper bespielten. Die zusätzlichen Geräusche und Klänge aus der Gastronomie und den Barräumen sind des Weiteren wichtiger Bestandteil des Klangkörpers und gelten nicht als “störend”, sondern werden als Inspiration für die Musiker gesehen.

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04 Grundstruktur

Die Komposition des Grundklangs beruht auf Zahlen, die Daniel Ott aus den entstehenden Zahlenreihen und Proportionen der Architektur übernahm und in zeitliche Strukturen und Klänge umwandelte. Die zeitliche Gliederung, der Aufbau von Intervallstrukturen aber auch die Angaben in Sekunden, die Tonketten und Pausen beziehen sich somit auf diese Zahlenwerte. 153 Ausstellungstage 23 Wochen 12 Stapel 3 Höfe die Anzahl der Balkenreihen innerhalb eines Stapels (4, 5, 6, 8, 10, 11) Proportionen des Grundrisses Die gefundenen Klangerlebnisse überprüfte der Komponist jedoch stetig und veränderte sie stets weiter, damit “es nicht zu sehr aufgeht”. Ott wechselt so ständig den Standort zwischen intuitivem Aushören von Klängen und dem rechnerischen Überprüfen von Intervallen und Dauern.

05 Struktur Kreuz- und Flankenhöfe

06“Batterie” der Kreuzhöfe


PETER ZUMTHOR

08 Ablaufskizze Klangversuch

ARCHITEKTEN

07 Klangkรถrper-Solist

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ARCHITEKTEN

KLANGKÖRPER

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Zumthor sah als “Bild” für den Entwurf einen großen Resonanzkörper. Das schließlich gebaute begeh- und erlebbare Gesamtkunstwerk fungiert als eben solcher. Die räumliche, konstruktive Struktur verstärkt die eigens komponierten Töne und Klangfarben und leitet sie durch die Raumfolgen. Der ausstellungsmüde Besucher findet im Schweizer Pavillon einen Ort der Entspannung und wird mit all seinen Sinnen gefordert und angesprochen. Der Klang als zusammenfügendes Glied führt den Spannungsbogen des gesamten

Konzeptes. Das spezielle Klangkonzept arbeitet mit der Konstruktion, dem Material, den Musikern selbst, dem gastronomischen Angeboten und den Lichtinstallationen. So werden neben dem Hören auch das Riechen, Schmecken und Fühlen zusammen in einem engen Wechselspiel angesprochen. Der Klangkörper ist ein Ereignis der sinnlichen Art. Der Besucher wird bei Betreten des Körpers Teil des Ganzen und beeinflusst durch seine spezifische Anwesenheit die dynamische Gesamtinstallation des Pavillons.

09 Kompositionsbeispiele Grundklang

10 Grundklang-Spieler am “Hackbrett”


11 Gang zwischen den Stapelw채nden

ARCHITEKTEN

PETER ZUMTHOR

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"Ich werde keinen Philips Pavillon bauen, sondern ein elektronisches Gedicht. Es wird sich alles im Inneren abspielen – Ton, Licht, Farbe und Rhythmus. Ein Gerüst wird das Äußere des Pavillons bilden."

ARCHITEKTEN

Le Corbusier

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IV.IV PHILIPS PAVILLON IANNIS XENAKIS

ARCHITEKTEN

Der griechische Architekt und Komponist Iannis Xenakis, am 29.5.1922 in Rumänien geboren und dort zunächst aufgewachsen, verbrachte seine Jugend in Griechenland, wo er 1949 ein sechsjähriges Ingenieursstudium in Athen ablegte. Aufgrund seines Engagements im Widerstandskampf gegen die Nazi-Besatzung geriet er in Gefangenschaft und wurde zum Tode verurteilt. Nach seiner Flucht 1947 ging er nach Paris. Sein bisher nur autodidaktisches musikalisches Wissen und Schaffen festigte er nun durch musikalischen und kompositorischen Unterricht bei Arthur Honegger, Daraus Milhaud und Olivier Messiaen. Zur selben Zeit begegnete er dem Architekten Le Corbusier, für den er 12 Jahre als Assistent arbeiten sollte. Er war unter anderem an der Planung diverser Häuser in Nantes und Marseille sowie des Klosters “Saint Marie de la Tourette” beteiligt. Sein bekanntestes Werk ist jedoch der Philips Pavillon von 1958, welcher zur Brüsseler Weltausstellung vom gleichnamigen Technik-Konzern in Auftrag gegeben wurde. Aufgrund Corbusiers intensiven Engagements für Projekte in Indien und dem arabischen Raum hatte Xenakis für diesen

Pavillon die Projektleitung vor Ort und war somit vorrangig für die Gestaltung verantwortlich. Der Pavillon als Gesamtkunstwerk wird im Folgenden gesondert vorgestellt. Seit 1954 begann Xenakis mit der Entwicklung eines eigenen Musikstils: die “Stochastische Musik”. Diese beruht auf den Versuchen, Verfahren und Erkenntnisse der Spieltheorie sowie der Mengenlehre und Zahlentheorie in Kompositionen umzusetzen. Neben diesem starken Interesse an mathematischen und akustischen Gesetzmäßigkeiten arbeitet Xenakis auch bereits mit dem digitalen Rechner und einem speziell entwickelten Programm, dem “UPiC-Programm”. Dieses wandelt graphische Kurven in Klang und Klangabläufe um. Sein erster Förderer, der Dirigent Hermann Schergen, veröffentlichte 1955 in den “Gravesaner Blättern” einen ersten Essay von Xenakis und inszenierte die Uraufführungen mehrerer Werke Xenakis’. Seinen Durchbruch an die Spitze der internationalen Szene der neuen Musik erlangte er jedoch1955 mit der Uraufführung seiner Komposition “Metasthaseis”, welche auf der Basis von hyperbolischen Funktionen komponiert wurde, eine Strategie, welche er auch bei dem Entwurf des Philips Pavillons anwandte.

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ARCHITEKTEN

IANNIS XENAKIS

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1966 gründete er das Studio CEMAMu (Centre d´Etudes de Mathématiques et Automatique Musicals), in welchem er sein mathematisches und musikalisches Interesse und Wissen bündelte und weiterentwickelte. Ab 1972 unterrichtete er zudem an der Universität Paris. Neben seinem musikalischen Schaffen, welches bis zu seinem Tod 2001 über 140 Werke umfasste, schrieb er zahlreiche Essays und Analysen über eigene und fremde Kompositionen und erhielt 1997 den Kyoto Preis sowie 1999 den Polar Music Prize, welcher als inoffizieller Nobelpreis für Musik gilt. Xenakis ist ein Künstler und Wissenschaftler, der aufgrund seines sehr weit gefassten intellektuellen und künstlerischen Horizontes als eine prägende Größe in der Entwicklung der “neuen Musik” gesehen wird.

Er lässt sich in die Reihe der großen Künstler des 20. Jahrhunderts eingliedern, gleich neben John Cage und Luigi Nono sowie Olivier Messiaen. Seine enge Verbindung zur Architektur bietet durch die mathematischen Theorien und Harmonie-Studien eine umfangreiche Inspirationsmöglichkeit in Bezug auf die Zusammenhänge und Verhältnisse von Musik, Mathematik und schließlich der Architektur.

01 Entwurfsskizze Philips-Pavillon

02 Formfindung - Kristall der unter den Tisch fällt


PHILIPS PAVILLON bild zum Ausdruck zu bringen. Es überlagern sich Lichtbildprojektionen mit kurzen Filmsequenzen, suggestiven Farbeffekten und verzerrte Dia-Abbildungen, welche in 7 Abschnitte gegliedert die Entwicklungsgeschichte der Menschheit erzählen. Varese hat in seiner Komposition die von ihm entwickelte spatiale Musik in idealer Weise umgesetzt. Die Komposition weist eine Art Zweitteilung auf, die einerseits aus der Musik besteht und andererseits aus hervortretenden Menschenstimmen. Reichhaltige Klangmaterialien wie Orgelklänge, Klavierakkorde, Chor- und Sologesang, Schlagzeugeffekte, Geräusche aus Fabrik- und Montagehallen sowie Detonationsgeräusche überlagern sich und verschmelzen miteinander. Die Klänge wurden auf drei Tonbändern aufgenommen und in einem der für die damalige Zeit am besten ausgestatteten Tonstudios von Philips in Eindhoven eingespielt und zusammengeschnitten. Über 350 Lautsprecher, die auf Klangbahnen, den “routes sonores”, im Pavillon angeordnet sind, wird während der Wiedergabe der Komposition der Effekt erzielt, dass sich die Klänge durch den Pavillon bewegen (spatial music).

03 Kompositions-Skizzen von Edgard Varèse

ARCHITEKTEN

Der Pavillon wurde als Auftragsarbeit des niederländischen Technik-Konzern Philips anlässlich der Weltausstellung 1958 in Brüssel an Le Corbusier übergeben. Philips brauchte ein neues Aushängeschild, um durch Demonstration der technologischen Errungenschaften die Bedeutung des Konzerns weltweit zu bestätigen. Das Projekt wurde als multimediale Installation geplant, beruhend auf immateriellen Raumqualitäten durch Licht, Farbe, Bild und Ton. Corbusier selbst zeichnete sich für die Grundrissentwicklung sowie die Licht, Farb- und Bildgestaltung verantwortlich. Der Komponist Edgar Varese wurde von ihm für die klanglichen Komponenten vorgeschlagen, und trotz diverser Diskrepanzen über diese Entscheidung mit Philips setzte sich Corbusier schließlich mit seinem Wunsch durch. Iannis Xenakis übernahm aufgrund von Corbusiers Projekten in Indien die Gesamtleitung sowie die Konstruktion der äußeren “Hülle”. Er war seinerseits ein großer Bewunderer und Fan Vareses. Der Grundriss des Pavillons ist einem Magen nachempfunden, was auf der Tatsache beruht, dass durch die räumliche Trennung von Ein- und Ausgang eine Vielzahl an Weltausstellungsbesuchern durch den Pavillon geschleust werden können. Während die Zuschauer sich durch den Raum bewegen, wird eine 8-minütige Lichtbildprojektion abgespielt sowie die Komposition Vareses. Das Zusammenspiel dieser beiden Installationen ist als “Poeme Electronique” bekannt und basiert auf einer gemeinsamen Konzeption; das akustische und visuelle Werk stehen aber dennoch jeweils für sich. Corbusier sah in der Entwicklung der Installation die Möglichkeit, sein kulturpolitisches Welt-

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PHILIPS PAVILLON

ARCHITEKTEN

Der Besucher wird durch den Besuch des Pavillons in einer bis dahin nicht bekannten Form einer gleichzeitigen Beanspruchung aller Sinne ausgesetzt. Dieser vielfach beschriebene “Poetische Schock” war ein gewünschter Effekt Corbusiers, da jedem Rezipienten ein emotionales Erlebnis widerfährt. Xenakis Entwurf für die “äußere Hülle” folgt einer Formgebung durch hyperbolischen Funktionen. Neben diversen Erkenntnissen aus Corbusiers Modulor-Theorie war Xenakis großes Werk “Metastasis” Ausgangspunkt für die Konstruktionsprinzipien. Die zu Beginn dramatisch inszenierten Glissandi (kontinuierliche, gleitende Veränderungen der Tonhöhe, die Verf.) der Streicher übertrug er auf mathematische Prinzipien, die bei der Berechnung der Kurven zur Anwendung kamen, die sog. hyperbolischen Paraboloide. So entstanden die sich gekrümmt emporschwingenden Außenflächen. Diese selbsttragende Konstruktionsweise macht ein Stahlgerüst überflüssig.

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04 Innenraum-Perspektive

05 Tonstudio in Eindhoven - Philips

06 Der Pavillon während der Ausstellung


IANNIS XENAKIS

07 Graphische Übertragung der Glissandi auf Entwurf

ARCHITEKTEN

„Im Philips Pavillon verwirklichte ich die Grundgedanken von Metastasis. Wie in der Musik, so war ich hier an der Frage interessiert, ob es möglich sei, von einem Punkt zu einem anderen zu gelangen, ohne die Kontinuität zu unterbrechen. In Metastasis führte mich dieses Problem zu den Glissandi, während beim Philips Pavillon das Ergebnis die hyperbolischen Paraboloide waren.“ Die kontinuierliche Bewegung der Klangfolgen des Stückes führen schließlich zu der durchgehenden Umhüllung des Pavillons.

08 Graphische Studien

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PHILIPS PAVILLON

ARCHITEKTEN

09 Entwurfsskizzen von Xenakis

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10 “Metastaseis”


IANNIS XENAKIS

11 Kompositions-Schema “Metastaseis”

ometrischen Kontinuität des Pavillons konzipiert. Das multimediale Gesamtwerk war ein großer Erfolg auf der Weltausstellung und führte neben Xenakis auch den Komponisten Varèse wieder in das zentrale Interesse der Öffentlichkeit. Xenakis selbst hatte aufgrund dieses Werkes jedoch einen Urheberrechtsstreit mit Le Corbusier, welcher zunächst nicht “zugeben” wollte, dass Xenakis leitender Architekt des Objektes war. Diese Diskrepanz führt zur Trennung Xenakis vom Büro von Le Corbusier. Der Pavillon selbst wurde nach der Weltausstellung gesprengt, so dass heute nur noch Bilder, Augenzeugenberichte sowie die Aufnahmen der Klang und Videoinstallation bestehen. Ein aktuelles Forschungsprojekt versucht, mittels eines 3-D-Wiedergabesystems, bestehend aus einem Datenhelm mit Headtracker, binauralen Kopfhörern und stereoskopischem Display, das damalige “Raumerlebnis” wieder herzustellen.

ARCHITEKTEN

Xenakis erschafft so eine Entgrenzung der Architektur. Wand und Decke verschmelzen hier, so dass die Raumgrenzen entschwinden und die Hülle als Raummodulator fungiert. Die Modulation des Raumes erfolgt in enger Abhängigkeit und dauerhaftem Wechselspiel mit dem „Poème Electronique“ im Innenraum. Xenakis selbst komponierte für die Pausen während der “Vorstellungen” im Pavillon das Stück “Concrète PH”, dessen Name ein Wortspiel mit verschiedenen das Gebäude beeinflussenden Faktoren ist: “conrète musique” für das Baumaterial Beton, PH als Abkürzung für den Auftraggeber Philips sowie als Gradmesser für Säuregehalt. Das Stück beinhaltet die Aufnahme des Geräusches glimmender Holzkohle sowie einem verbrannten Mikrophon, was Assoziationen an das Bersten der dünnen, vorgespannten Betonhülle hervorruft. Xenakis hat dieses Stück mit seiner granularen Struktur als Antithese zu dem Konzept der ge-

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PHILIPS PAVILLON

ARCHITEKTEN

12 Komposition “Poème Electronique”

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13 Konstruktions-Modell


IANNIS XENAKIS

15 Grundriss-Skizze - Le Corbusier

ARCHITEKTEN

14 Aussenansicht

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"Alle Kl채nge sind sinnvoll" John Cage

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V.I

John Cage

V.II

Robin Minard

V.III

Susan Philipsz

V.IV

Ulla Rauter

V.V

Carsten NIcolai

KUNST I MUSIK

Part V KUNST UND MUSIK

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V.I JOHN CAGE

KUNST I MUSIK

John Milton Cage jr. wurde am 5. September 1912 in Los Angeles geboren und verstarb am 12. August 1992 in New York City. Er war einer der bedeutendsten und einflussreichsten Komponisten und (Klang-) Künstler des 20. Jahrhunderts. Seine musik- und kompositionstheoretischen Arbeiten sind von grundsätzlicher Bedeutung und gelten als Schlüsselwerke der “Neuen Musik”. Cage studierte zunächst Literatur, brach dies jedoch nach zwei Jahren ab und ging 1930 nach Europa, wo er gotische und griechische Architektur bei Erna Goldfinger sowie Klavier bei Lazare Lévy in Paris studierte. 1932 kehrte er nach Amerika zurück und be-

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gann dort ein Kompositionsstudium an der “New School of Social Research”, New York. Neben Adolph Weiss und Henry Cowell hatte er Mitte der 1930er Jahre Unterricht bei Arnold Schönberg. In den folgenden Jahren reiste Cage quer durch die USA. Seine erste Komposition entstand als eine Begleitung für eine Choreografie für das “Präparierte Klavier”, eine Erfindung Cages, bei dem die Saiten und Hämmer des Klaviers mit Radiergummis, Nägeln und anderen kleinen Dingen präpariert sind, so dass das Instrument eine besondere Klangfarbe erhält. Er unterrichtete unter anderem für kurze Zeit Experimentelle Musik an der Chicago School of Design, kehrte 1942 jedoch wieder nach New York zurück, wo er sich mit einem Konzert im „Museum of modern Art“ als Komponist etablierte und so auch in den Avantgarde-Kreisen bekannt wurde. Neben zahlreichen Kontakten zu bildenden Künstlern, Tänzern und Musikern lerne er so auch Marcel Duchamp kennen und später während einer Lehrtätigkeit in North Carolina auch Buckminster Fuller. Wichtige Inspirationen erhielt Cage durch die Musik von Erik Satie und die Literatur von Henry David Thoreau und James Joyce. Er entwickelte auf dieser Basis eine eigene Form von Musik über Musik und von Text über Text.


01 Cover von 4 ´33

02 “Präpariertes Klavier”

KUNST I MUSIK

Schlüsselelemente seines Schaffens sind neben der “Stille” der “Zufall und die Autonomie” und die “Zeitklammern” (“time brackets”). Cages Auffassung von Stille ist eine Frage der Intention Es gibt nach seiner Auffassung keine absolute Stille, denn selbst im schalltoten Raum hören wir noch Geräusche: beispielsweise die des eigenen Herzschlages, das Rauschen des Blutes in den Adern oder den eigenen Atem, was er durch ein eigen ausgeführtes Experiment erforschte. Er versteht „Stille“ als einen Zustand, in dem keine oder weniger Töne hörbar sind, diese jedoch nicht absichtlich produziert wurden oder die Absicht einer Tonerzeugung nicht erkennbar ist. Lärm im Gegenzug ist ein Zustand mit vielen Tönen, die jedoch ebenso frei von jeglicher Intention entstanden sind. Das bekannte Stück 4`33 aus dem Jahre 1952 ist so konzipiert, dass es für den Zuschauer einen Rahmen schafft, in dem er seine Aufmerksamkeit auf die Geräusche der unmittelbaren Umgebung richten kann und so ein neues Bewusstsein für die vermeintliche “Stille” erlangt.

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JOHN CAGE

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„Zufall und Autonomie“ als Konstruktionsprinzip setzte John Cage seit den 1950er Jahren vermehrt für die Komposition verschiedener Werke ein. Er verwendete diverse Zufallsoperationen für nichtintentionale Ereignisse, um diesen eine gewisse Autonomie zu verleihen. In dieser Phase wand er sich vermehrt Geräuschen und Alltagsklängen zu, da er die “alten Klänge”, welche bewusst erzeugt werden und so durch “Intellektualisierung” verbraucht sind, als uninteressant erachtet. Laut Cage werden bei solchen Klängen wie klassisch komponierten Stücken durch Syntax und Logik aus allen möglichen Beziehungen und Klangzusammenstellungen nur die “Guten” ausgewählt. Später betrachtet Cage die “alten Klänge” wieder als “frisch und neu” und wendet sich in seiner Arbeit wieder vermehrt den Tönen zu. Die Zufallsphänomene für seine Stücke realisiert er unter anderem auf Grundlage von Losentscheidungen durch das “I Ching” (Buch der Wandlungen - eine chinesische Orakelsammlung. Anm. der Verf.) oder auch durch beobachtete Mängel in verwendeten Papierbögen, an Hand derer er dann Klangaspekte festmacht. Die Zeitklammern (“time brackets”), mit denen Cage vor allem in den letzten Jahren seines Schaffens arbeitete, ermöglichen eine große zeitliche Flexibilität und lassen Zufallsereignisse entstehen. Er unterteilt diese in “fixe” und “flexible” Klammern. Bei den fixen Klammern gibt er genau Beginn und Ende der Einsätze in Minuten und Sekunden vor, bei den “flexible brackets” bestimmt er die Zeiträume, in denen Einsatz und Ende stattfinden, jedoch nicht wann innerhalb dieses

Zeitraumes die Töne gespielt werden müssen. In seinen “Zahlenstücken” (“Nummer pieces”), welche für traditionelle Instrumente und/ oder Chor geschrieben sind, finden die Zeitklammern vorrangig Anwendung. Durch die Arbeit mit den “time brackets” radikalisierte Cage das Prinzip der Zusammenhanglosigkeit und sagt selbst “… alles ist getrennt überhaupt von allem.” Cage hatte bei all seinen Arbeiten das Bedürfnis, ein “Bewusstsein zu schaffen” für Musik, aber auch für die uns umgebende Umwelt. Seine Bedeutung für die Entwicklung eines neuen Verständnisses in der Musik geht über den Rahmen des musikalischen Schaffens hinweg und lässt sich so auch auf Tendenzen und Strömungen von Raumkonzepten und Klangzusammenhängen sowie Gestaltungskonzepten der Architektur übertragen und anwenden.

03

“64 Hexagramme des I-Ching”


IMAGINARY LANDSCAPES

04 “Nr. 1”

06 “Nr. 3”

Diese Reihe an Kompositionen entstanden zwischen 1939 und 1952 in Seattle während er an der Cornish School lehrend tätig war. Imaginary Landscapes sind insgesamt 5 Stücke, welche als Live-Performance konzipiert sind. Aufgeführt werden diese mit Hilfe von herkömmlichen Instrumenten sowie elektronischen Geräten. Zur Besetzung gehören 4 Spieler mit präpariertem Klavier und chinesischen Becken, zwei Plattenspieler mit variabler Umdrehungszahl. Die verwendeten Platten waren Messplatten auf denen

sich Test-Töne befanden und normalerweise zur Prüfung der Plattenspieler eingesetzt wurden. Die elektronischen Komponenten waren also vorgefundene Elemente und wurden nicht spezifisch für diesen Zweck komponiert. Die Wiedergabe während der Performance findet grundsätzlich über das Radio statt und kann nicht in einem Konzertsaal erfolgen.

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05 “Nr. 2”

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V.II ROBIN MINARD

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Robin Minard ist einer der bedeutendsten Klangkünstler dieser Zeit. Der 1953 in Montréal geborene Komponist studierte Komposition und elektroakustische Musik in Kanada und Paris. Sein künstlerischer Schwerpunkt liegt seit den 1980er Jahren auf der elektroakustischen Komposition und Klanginstallationen im öffentlichen Raum. Neben Lehraufträgen in den 1990er Jahren an der TU Berlin und dem Institut für elektronische Musik in Graz arbeitet er seit 2004 als Leiter des Instituts für Neue Musik an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT sowie der Bauhaus-Universität in Weimar. Seine Klangkunst liegt dem Konzept einer “Musik für den öffentlichen Raum” zugrunde, indem er musikalische Forschung und Funktion verbindet. Geprägt durch die komplexe, großstädtische Klangkulisse seiner Heimatstadt Montréal, welche Minard aufgrund der omnipräsenten Lautsprecherberieselung, den U-Bahnschächten, Highways und Unterführungen eher negative akustische Erfahrungen machen ließen, sucht er mit seiner Kunst nach neuen Wegen, die funktionale Musik im Kontext einer lärmbelasteten Umwelt neu zu definieren. Die Klanginstallationen sollen den hörenden Besucher wieder für ihren Hörsinn sensibilisieren, so die vernachlässigten synthetischen Fähigkeiten des Menschen erhalten und ihm eine neue, wichtigere Rolle bei der Wahrnehmung von Umwelten geben.

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01 MUSIC FOR QUIET SPACES

1 Ein Delay ist eine Laufzeitverzögerung und entsteht dadurch, dass der Schall langsamer ist als das mit dem Mikrofon aufgenommene, verstärkte und über Lautsprecher wiedergegebene Audiosignal (wikipedia.de)

Ausstellungsräume, Kunstgalerien und Museen, Eingangshallen oder meditative Bereiche. Das Publikum kann sich während der Präsentation frei bewegen und die Klanginstallation jeweils auf persönliche Weise erkunden, erleben und erfahren.

01 Komposition-Skizzen “Music for Quiet Spaces”

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Die Komposition “Music for quiet spaces” ist ein Instrumentalwerk für Vibraphon und Tonband delay1. Es ist die erste Komposition Minards für die unkonventionelle Präsentation in öffentlichen Räumen und stellt einen wichtigen Wendepunkt von seinen speziell für den Konzertsaal komponierten, instrumentalen Werken zu den späteren Klanginstallationen dar. Um den “narrativen Ausdruck” der “konventionellen” Musik zu vermeiden, begann er zu Beginn der 1980er Jahre akustische Phänomene, Interferenztöne, akustische Überlagerungen und Fluktuationen im Spektrum von Klängen in musikalische Strukturen zu transferieren. “Music for quiet spaces” beeinflusst den Raum durch das homogene, sich langsam verändernde Klangfarbenfeld. Die Arbeit basiert auf den Schwebungen, welche zwischen den gleichtemperierten Intervallen der Grundharmonik des Werkes bestehen. So werden die vom Vibraphon aufgenommenen Originalklänge während der Aufführung abgespielt, kontinuierlich aufgezeichnet und in einem Zeitabstand von 12 Sekunden stetig reproduziert. Es entstehen so genannte “Klangfarbenwolken”. Diese verzögerten Klänge sind so konzipiert, dass sie sich über einen Zeitraum von 3 Minuten langsam verlieren. Das Werk wurde speziell für Raumsituationen geplant, in denen generell keine musikalischen Aufführungen stattfinden, wie beispielsweise

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02 SILENT MUSIC

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Die Installation besteht aus 100 bis 500 PiezoLautsprechern1 welche aufgrund ihrer sichtbaren Kabel und der über den Raum verteilten Anordnung pflanzenartige Strukturen bilden. Konzipiert ist diese Arbeit für ruhige, öffentliche Räume oder auch Ausstellungsräume. Die hohen, aber relativ ruhigen Klänge färben die Stille des vorhandenen Raumes ein und erinnern an “leichten Wind, der durch Blätter weht, weit entfernte Meeresbrandung oder nahe gelegenes, fließendes Wasser”. Der Klang selbst stammt aus natürlichen und synthetischen Quellen. Dies spiegelt auch die visuelle

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Dimension der Arbeit wieder: die Lautsprecher und Kabel sind so arrangiert, dass sie einer Pflanze gleichen, welche nach Licht suchend Wachstum und Leben suggeriert. So “bewuchert” das Werk den Raum auf seine Weise und macht sich ihn zu Eigen. Für den Besucher bedeutet dies ein Wechselspiel von vertrauten und nichtvertrauten Eindrücken. Das natürlich und lebendig Wahrgenommene wechselt sich ab mit “technischen” oder künstlich empfundenen Geräuschen und Klängen.


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ROBIN MINARD

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V.III SZUSAN PHILIPS

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Die Künstlerin Susan Philipsz beschäftigt sich mit der Beziehung des Menschen zum ihm umgebenden Ort und Raum. Ihre Audioarbeiten nehmen direkt oder indirekt Bezug auf den Ort der Installation. Ihre Kunst soll die Menschen zum Innehalten bewegen und diese somit einerseits den Ort und andererseits sich selbst im Bezug auf diesen bewusster wahrnehmen. Sie integriert in ihren Liedern und Klängen musikalische, literarische oder historische Vorlagen, welche beim Hörer Erinnerungen und Empfindungen hervorrufen können.

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hat beide Stimmen eingesungen und schickt ihre “Stimmen” von einem Ufer des Aasees zum anderen und wieder zurück. So scheinen die Stimmen sich gegenseitig zuzurufen, vereinigen sich und verlieren sich wieder. Auf diese Weise wird der Zuhörer unter der mächtigen Betonbrücke ein wenig in das Flair und Gefühl der Lagunenstadt versetzt.

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Die Installation “The lost Reflexion” wurde im Rahmen der “Münster Skulpturen 07” unter der Torminbrücke am Aasee in Münster angebracht. Es erklingt eine von der Künstlerin eingesungene Arie, die “Barkarole” aus Jacques Offenbachs Oper “Hoffmans Erzählungen”. Die Handlung der Arie spielt an den beiden Ufern des Kanale Grande in Venedig, an der sich ein vom Schicksal betrübtes Liebespaar gegenübersteht. Philipsz

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V.IV ULLA RAUTER

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Ulla Rauter ist eine junge Medienkünstlerin, die sich vornehmlich mit Klangphänomenen und Geräuschen beschäftigt. Ihre Kunst beschreibt stets die Schnittstelle von Klang und Bild. Sie untersucht mit ihren Installationen das Abtasten, Übersetzen, Transferieren und Transportieren der verschiedenen Medien Klang und Licht. Der Klang ist ein zentraler Bestandteil ihrer Arbeiten und wird auf vielschichtige Weise bildhaft wiedergegeben und dargestellt. Aber auch das nicht sichtbare Prozesshafte ihrer Installationen wird, transformiert in Datenmengen, zu Klang und Licht. Eine Auswahl ihrer Arbeiten, welche auf verschiedene Weise mit dem (öffentlichen) Raum umgehen, ist auf den folgenden Seiten vorgestellt.

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Grundlage dieser Arbeit ist die Stimme der Künstlerin. Ulla Rauter interpretiert die FrequenzSpektogramme gesprochener Wörter als “Röntgenbilder” des Stimmkörpers und fügt neben Frequenz und Zeit noch das Volumen (in diesem Fall die Lautstärke) als dritten Parameter hinzu. So entstehen dreidimensionale “Voice-Shapes” mit lamellenartigen Ausweitungen, die zur Partitur der Installation werden und das Gesprochene als objekthafte Spur im Raum darstellen. Durch Rückübersetzung des Videobildes der “Voice-Shapes” in Klang wird die Stimme wieder hörbar.

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01 VOICE-VOID-NOISE

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02 FASSADENSCAN

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Diese Arbeit übersetzt visuelle Reize in auditive Strukturen und Klänge. Rauter hat sich durch eine Stadt bewegt und die Fassaden der Häuserzeilen abgelichtet. Diese Bilder werden als Spektogramme verwendet, welche von einem Rechner mit einem Klangprogramm wie eine Partitur eingelesen und vertont werden. Die vertikale Einteilung bestimmt die Intervalle und Harmonien, der horizontale Abstand der Elemente wird zum Rhythmus. Jedes, Fenster, jede Tür und alle weiteren Fassadenelemente werden so zu Tönen. Die Architektur wird gescannt und sonifiziert, so dass jedes Gebäude durch sein spezifisch erzeugtes Klangergebnis akustisch definierbar wird.

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ULLA RAUTER

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03 NAMEN DIE NICHT VERHALLEN

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Wettbewerbs “Servitengasse 1938” realisiert; seine inhaltliche Aufgabe bestand darin, ein Denkmal für die 1928 vertriebenen jüdischen Bewohner der Gegend zu entwerfen. Die begehbare Klanginstallation besteht aus zwei doppelwandigen, konkav geformten Wänden. Im Innenraum hört man über die Lautsprecher die Namen der Vertriebenen, welche außen jedoch nur als anhaltender Hallklang wahrnehmbar sind. Dieser Hallklang wird durch gezielt verteilte Lautsprecher im Zwischenraum der zweischaligen Wände erzeugt.. Die in der inneren Schale platzierten Lautsprecher senden die Namen der Vertrie-

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benen in den Raum des Objektes, welche dann, durch die konkave Form bedingt, automatisch den Mittelpunkt der Kugel fokussieren und somit deutlich wahrnehmbar und verständlich sind. Die Installation ist somit Quelle und Resonanzraum zugleich. Die Arbeit soll den Weg weg vom “allgemeinen, verschwommenen Gedenken” hin zu einem konzentrierten und bewussten Erinnern verdeutlichen: die von außen als undefinierbar wahrgenommenen Klänge werden erst beim Eintreten ins Innere des Denkmals identifizierbar. Ein schrittweises Erinnern des sich Näherns, Nachgehens und Einprägens kann so vollzogen werden.


04 TACET

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Die Installation ist als “Stille-Detektor” konzipiert. Durch das Sinken des Geräuschpegels der Umgebung wird der Schriftzug “TACET” - eine Pausenbezeichnung aus der Musik - zum Leuchten gebracht. Er markiert so visuell den Moment der Stille. Durch diese Arbeit möchte die Künstlerin Fragen aufwerfen wie: “Wer soll hier schweigen?” und richtet sich an die gesamten Dinge und Lebewesen in der unmittelbaren Umgebung, die Geräusche produzieren und in sich täglich wiederholenden Prozessen um die “akustische Hoheit” des Ortes kämpfen.

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V.V CARSTEN NICOLAI

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Der deutsche Künstler und Musiker wurde am 18. September 1965 in Karl Marx Stadt geboren und ist heute einer der bekanntesten Vertreter der zeitgenössischen elektronischen Musik. Nicolai studierte zu Beginn der 1990er Jahre zunächst Landschaftsarchitektur in Dresden und arbeitet jedoch bereits fortwährend als bildender Künstler. 1997 nahm er an der documenta X teil sowie 2001 an der Biennale in Venedig, welche für ihn den Sprung in die internationale Kunstszene ebneten. Es folgten Einzelausstellungen in Frankfurt, Berlin, Zürich und New York. Er gründete zudem 1994 das Label noton.archiv für ton und nichtton, welches heute, zusammengelegt mit dem Label “Raster music”, unter dem Namen “raster-noton” bekannt ist. Unter den Pseudonymen “noto” und “Lava noto” arbeitet er vielfach mit international renommierten Künstlern wie Ryuichi Sakamoto, Scanner oder Thomas Knak zusammen. Seine Klangperformances führte er unter anderem schon im solomon r. guggenheim Museum, New York, im Centre Pompidou, Paris sowie in der Tate Modern, London auf. Carsten Nicolai sucht mit seiner Kunst nach der Überwindung von klassischen Kunstformen und -genres. Beeinflusst von wissenschaftlichen Bezugssystemen verwendet er mathematische und kybernetische Modelle wie Gitter, Codes, Störungen, Zufalls- und sich selbst organisierende Strukturen und Ordnungsprinzipien für seine Musik und Installationen.

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01 INVERTONE Diese experimentelle Installation basiert auf dem Phänomen des Ergebnisses einer Subtraktion von invertierten Schallwellen. In den mit weißen schallabsorbierendem Schaumstoff ausgekleidete Installationsraum wird ein "weißes" Geräusch von zwei sich gegenüberstehenden Lautsprechern gesendet. Im gesamten Raum ist der Klang hörbar, nur im zentralen Punkt genau zwischen den beiden Lautsprechern wo sich die Schallwellen direkt begegnen, löschen sie sich, im Idealfall, gegenseitig aus, so dass kein Klang vernehmbar ist.

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2007; zwei Lautsprecher, Klang, modulare Schaumstoffplatten, Dimension variabel

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02 MILCH Die Grundlage dieser Bilder ist eine Serie von Experimenten welche die Beziehungen von Ordnung und Unordnung mittels der Oberfläche einer Flüssigkeit welche unter dem Einfluss verschiedener Frequenz-Oszillationen steht. In der Testserie wurden der Flüssigkeit Milch Sinuswellen von 10 - 150hz zugeführt, welche für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar sind. Diese niedrigen Frequenzen versetzten Flüssigkeiten in Bewegung. Es entstanden visuelle regelmäßige und chaotische Strukturen welche sich permanent umformten und veränderten. So wird der direkte Zusammenhang zwischen akustischen Signalen und visuellen Mustern deutlich sichtbar. Dieses komplexe Phänomen kann mit akustischen Signalinterferenzen im dreidimensionalen Raum verglichen werden.

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milch 2000; lambda print auf aluminium 60 x 50 cm

KUNST I MUSIK

CARSTEN NICOLAI

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03 WELLENWANNE 2001/2003/2008

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Die Installation "wellenwanne" kann als ein Model oder eine Testanordnung verstanden werden. Flache Wannen, welche mit Wasser gefüllt sind, ruhen auf auf vier Lautsprechern. Via Vibrationen übertragen diese Klangkompositionen auf die Wasseroberfläche. Die verschiedenen Klänge,

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welche teilweise für den Menschen nicht wahrnehmbar sind, variieren bei jeder Wellenwanne, so dass die unterschiedlichen Klangsignale sich ändernde interferierende Muster auf der Wasseroberfläche generieren.


CARSTEN NICOLAI

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Basierend auf den ungewöhnlichen physischen Eigenschaften von Wasser rührt diese ästhetischwissenschaftliche Installation an Bereichen der Teilchenphysik und befasst sich mit der Problemstellung wie Sound-Frequenzen, als eine Energieform, Moleküle modulieren können.

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"Der Dialog ist immer dreistimmig" Edmond JabĂŠs

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Part VI FAZIT

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Fazit

Coda

Hören ist etwas Persönliches. Ein innerlicher Vorgang, gestützt auf die jeweilige persönliche Wahrnehmung. Ein sich ständig anpassender, verändernder, dynamischer Prozess, welcher uns mehr als alle anderen Sinne beeinflusst, steuert und prägt. Vor allem ist das Hören aber auch ein Prozess, der weitaus unbewusster abläuft, als beispielsweise das Sehen. In der heutigen Mediengesellschaft werden wir mit Bildern überflutet. Diese sinnvoll zu filtern fällt uns zunehmend schwerer - ebenso wie die Konzentration nur auf das für uns Wichtige zu lenken. Genau dies passiert aber auch mit dem Gehör. Geräusche und Lärm sind mehr denn je in unserer vermehrt städtischen Umgebung omnipräsent. Lautsprecher ermöglichen die Beschallung an jedem erdenklichen Ort; Straßen, Autobahnen und Gleise bilden ein dichtes infrastrukturelles Netz durch sämtliche Landschaften und bringen so eine hohe Dichte an stetigen Schallereignissen mit sich. Kopfhörer und technische Geräte wie Handys ermöglichen zu jedem Zeitpunkt, Gespräche zu führen, Musik zu hören und in Kontakt mit anderen zu treten. Bei den Möglichkeiten, dieser Reizüberflutung zu entkommen, haben die Augen den Ohren gegenüber den entscheidenden Vorteil, dass sie sich verschließen lassen. Wir können im Normalfall wegsehen - aber nicht weghören.

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Laut Cage lässt sich zudem keine “absolute Stille” definieren. Selbst im schallfreien Raum hören wir nicht zuletzt das Rauschen des eigenen Blutes. Wir hören somit jederzeit überall, bewusst oder unbewusst. Selbst im Schlaf ist unser Gehör meist so geschult, dass es uns in Gefahr- oder Ausnahmesituationen warnt und so stets mit dem Unterbewusstsein verbunden ist, um uns so beispielsweise aufzuwecken. Eine Gegebenheit, die sich evolutionstechnisch entwickelt und bewährt hat. So wichtig uns das Sehen also auch scheint, besonders im Bezug auf die Wahrnehmung von Architektur, so unterschätzt und vernachlässigt ist das Hören und seine Bedeutung in dieser Hinsicht. Raumwahrnehmung findet immer auch durch den Gehörsinn und die weitere Interpretation von Schall und seinen Reflexionen oder seiner Absorbierung statt. Die sich auf diesen Ansatz stützenden vorgestellten Theorien und Forschungen, aber auch die Ausgangspositionen diverser Klangkünstler haben zunächst gemeinsam, dass sie die bewusste Wahrnehmung von Klang und das Hören als essenziellen Erfahrungs- und Verarbeitungsprozess weiter in den Mittelpunkt rücken wollen. Vor allem mit dem Hintergrund der vermehrten “akustischen Umweltverschmutzung” unserer Umgebung, wie sie beispielsweise der Künstler Robin Minard (V.II) in seiner Heimatstadt Montréal als prägend empfand.

John Cage “Williams Mix”

Carsten Nicolai - “Telefunken”

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Fazit Die sich gegenseitig bedingenden Phänomene Raum und Klang stehen hier als Protagonisten im Zentrum der Beobachtung. Wie bereits in Teil II.III aufgeführt, kann der Raum technisch-physikalisch gesehen ohne Klang bestehen (Beispiel Vakuum). Klang jedoch kann ohne Raum nicht entstehen oder wahrnehmbar werden. (Klang durch Raum - Raum ohne Klang!) Der für den Menschen erlebbare Raum, welcher das Vakuum automatisch ausschließt, beinhaltet somit immer automatisch Klang und wird durch diesen definiert und spezifiziert. Robin Minard “Still-Life”

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Im Rückbezug auf die Architektur zeigt dies deutlich, dass der Architekt als Gestalter von Raum immer zugleich auch mit dem ihn innehabenden oder zu beinhaltenden Klang arbeiten muss. Dies wird bisher ausgiebig im Bereich der technischen Bauakustik in Form von Schallvermeidung und Dämpfung sowie Abschirmung betrieben, sowie auch in Form von gezielter Schallverbreitung und -reflexion im Sinne von Vortragsräumen für musikalische Darbietungen. Diese beiden klassischen Richtungen der Akustik in der Architektur waren einst rein baukonstruktiv ausgelegt. Sie bewegen sich im Laufe der Forschung jedoch mehr auf den Bereich der “alltäglichen Akustik” zu und nähern sich einer allgemeinen “akustischen Betrachtung” von Architektur an. Die gezielte Einbringung, Verwendung und Handhabung von Klang als entwurfsergänzendem Stilmittel (und nicht als zu eliminierendes Element in alltäglichen Architekturumwelten) findet bisher dennoch nicht statt.


Alle drei aufgezeigten Forschungs-Theorien thematisieren den Aspekt der Wahrnehmung des Menschen im Bezug auf Klang; die Forscher der Auditiven Architektur gehen mit ihren aufgeführten Zielen aber einen Schritt weiter, in dem sie sich das Entwickeln einer systematischen Aufzeichnung und im weiteren Schritt die Findung einer gängigen Anwendungs-Methodik zur Aufgabe machen. Anhand ihres Bauforschungsberichtes und den darin dokumentierten, bisher bestehenden Projekten lassen sich hier sinnvolle und vielversprechende Ansätze erkennen. Die Umsetzung in die Praxis ist jedoch weitaus schwieriger und steckt noch in den allerersten Anfängen. Der von ihnen definierte subjektivdynamische Forschungs- und später auch Gestaltungsgegenstand - die “Klangumwelt” - ist so komplex und nicht klar definierbar, dass eine objektive Übertragung und Anwendung auf generelle Projekte bisher nach wie vor sehr schwierig ist. Dennoch ist hiermit eine wichtige Grundlage für die in logischer Konsequenz notwendige weitere Forschung und Erarbeitung von Lösungen der Problematik des Zusammenkommens von Mensch, Raum und Klang geschaffen worden.

K. Stockhausen “Studie I” - Komposition mit Sinustönen

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Fazit Die Musik als “Königin des Klanges” hat, wie bereits erwähnt, einen besonderen Stellenwert im Bereich der Architektur. Jede moderne Großstadt die etwas auf sich hält, schmückt sich derzeit mit architektonisch innovativen “Konzertpalästen”, welche, begründet auf dem Sydney-Opera House, als Statussymbol und Wahrzeichen fungieren sollen. Die kulturelle Wertschätzung eines Opernhauses oder Musiksaales ist nach wie vor ungebrochen und fordert die Architekten zu konstruktiven und entwurfstechnischen Höchstleistungen heraus. Die Erforschung der perfekten Schallausbreitung, Schallübertragung und Nachhall-Zeiten erreicht dank Computertechnik immer höhere Standards und eine Vielzahl an Möglichkeiten für die Umsetzung. Die Berliner Philharmonie von Hans Scharoun steht hier als analog erbrachtes Vorbild grundlegend für die Gestaltung eines Musikhauses mit einem architektonischen Ansatz, der von der Musik und den Eigenschaften des Klangs ausgeht. Eine zeitgenössische Philharmonie muss mittlerweile jedoch viel mehr Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten aufweisen, als noch vor fünfzig Jahren.

Mit der absoluten Integration von “neuer Musik”, Klangkunst und Klangperformances in die Musikund Kunstszene besteht ein stetes Interesse in der Gesellschaft an der Aufführung dieser Werke. Dies bedeutet jedoch einen gänzlich anderen Anspruch an den jeweiligen Vortragsraum. Die experimentellen Anteile der Stücke und die gegebenenfalls bestehende, dynamische und bedingt gewollte Abhängigkeit des Klangergebnisses zum Raum geben diesem eine neue Rolle im Zusammenspiel aller Einflussfaktoren. Darauf zu reagieren ist ein recht neuer Aspekt in der Gestaltung einer solchen Architektur. So bedingen die Auswirkungen und nachgewiesenen Tatsachen der vorgestellten Aspekte und Phänomene eine berechtigte und notwendige Beachtung im aktuellen architektonischen Diskurs. Neben dem großen Einfluss von Klang auf unsere (Raum)Wahrnehmung zeigt vor allen Dingen die nicht vermeidbare Omnipräsenz von Klängen, die wir zu jedem Zeitpunkt aufnehmen und verarbeiten müssen, dass eine sinnvolle Handhabung der Thematik in der Architektur unumgänglich ist.

Philharmonie Berlin - Hans Scharoun

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Aber nicht nur inhaltlich bietet das Themenfeld Klang Inspiration für das Kreieren von Raum. Ansätze wie Xenakis sie einst verwendete - die direkte konstruktive Umsetzung von musikalischen Prinzipien in eine architektonische Ausführung stellen eine Möglichkeit der Formfindung im klanglichen Zusammenhang dar. Und dies nicht nur für Gebäude, die Klang ausstellen oder vermitteln sollen. Die städtebauliche Einbindung eines zu planenden Gebäudes lässt sich durch die Untersuchung der jeweiligen “Soundscape” des Ortes sowie der bisher bestehenden “Klangumwelten” untersuchen und eventuell herleiten. Und auch die Parameter für Innenräume können anhand von „auralen“ und „auditiven“ Aspekten und den nutzerspezifischen Bedürfnissen bedingt und entwickelt werden. Jede alltägliche architektonische Situation ist automatisch mit Klangphänomenen verknüpft und bedarf dementsprechender Behandlung, so dass das ihr innewohnende Potential ausgeschöpft werden kann. Denn die Klänge dieser Welt müssen nicht erst erfunden, sondern nur entdeckt werden.

Robin Minard “Audiobooks”

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Quellenangaben LITERATUR “Räume zum Hören” 6 Redaktion Dr J. Martina Schneider, München Verlagsgesellschaft Rudolf Müller GmbH, Köln 1989 Robin Minard “Silent Music”, Kehrer Verlag Heidelberg 1999 “spaces speak, are you listening? experiencing aural architecture”, Barry Blesser & Linda Ruth Salter 2007, MIT “Klangkörperbuch” Hrsg. Roderick Hönig2000 birkhäuser Verlag “Audiodesign”, Hannes Raffaseder, Carl Hanser Verlag 2010 “Sound Studies”, Hrsg. Holger Schulze, transcript Verlag Bielefeld 2008 "Auditive Architektur"Abschlussbericht, Alex Arteaga, Thomas Kusitzky Fraunhofer IRB Verlag 2009 “Alvar Aalto”, Hrsg. Karl Feig, Karl Krämer Verlag Stuttgart 1963 “Musik und Raum”, Institut für neue Musik und Musikerziehung Darmstadt, SCHOTT Verlag 1989 “Le Corbusier und die Musik”, Peter Bienz, Vieweg Verlag 1999 “John Cage”, Richard Kostelanetz, Verlag M.DuMont Schauberg, Köln 1973 “Hans Scharoun” – J. Christoph Bürkle - Studio Paperback - Artemis Verlag 1993 “Soundspace - Architektur für Bild und Ton”, Peter Grueneisen, 2003 Birkhäuser Verlag “Static Fades” - Carsten Nicolai, jrp ringier 2007 “Archithese - Ton und Raum” 6 / 2008 “Tec 21 -Architektur hören” 22 / 2008

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WEBLINKS http://www.carstennicolai.de/ http://www.hy-end.de/ http://www.see-this-sound.at/kompendium/text/75/6#textbegin http://de.wikipedia.org http://www.baunetzwissen.de/standardartikel/Akustik-Auditive-Architektur_762131.html http://www.blesser.net/downloads/Positionen%20Review.pdf http://www.udk-berlin.de/sites/auditive-architektur/content/index_ger.html http://www.skulptur-projekte.de/kuenstler/philipsz/ http://ullarauter.com/ http://www.robinminard.com/

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Die Musik der Welt muss nicht erfunden sondern nur entdeckt werden.

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leonardo solaas “standing wave”

juliane deppermann ba-vertiefung wintersemester 2011 I 2012 msa I münster school of architecture 2011 prof. kazu blumfeld hanada


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