WANDERERS NACHTLIED
Kammerspiel von Holger Teschke Szenische Lesung
theater-vorpommern.de
Wanderers Nachtlied Kammerspiel von Holger Teschke Szenische Lesung Auftragsstück für das Theater Vorpommern zum Caspar-David-Friedrich-Jubiläum 2024 Mit Markus Voigt und Elke Zeh
Leitung
Arnim Beutel
Projektionen
Eva Humburg
Dramaturgie
Oliver Lisewski
Regieassistenz & Abendspielleitung
Bénédicte Gourrin
Inspizienz
Jürgen Meier, Bénédicte Gourrin, Kerstin Wollschläger
Premiere am 27.01.2024 im Pommerschen Landesmuseum Greifswald Aufführungsdauer: ca. 1 Stunde, keine Pause Aufführungsrechte: Holger Teschke
Ausstattungsleiterin: Eva Humburg / Technischer Direktor: Christof Schaaf / Beleuchtungseinrichtung: Julius Berner Bühnentechnische Einrichtung: Jens-Uwe Gut / Toneinrichtung: Leon Matzke / Leitung Bühnentechnik: Robert Nicolaus Leitung Beleuchtung: Kirsten Heitmann / Leitung Ton: Daniel Kelm / Bühne & Werkstätten: Produktionsleiterin: Eva Humburg / Tischlerei: Stefan Schaldach, Bernd Dahlmann, Kristin Loleit / Schlosserei: Michael Treichel, Ingolf Burmeister / Malsaal: Anja Miranowitsch, Fernando Casas Garcia, Sven Greiner / Dekoration: Frank Metzner / Kostüm & Werkstätten: Leiter der Kostümabteilung: Peter Plaschek / Gewandmeisterinnen: Annegret Päßler, Carola Bartsch / Modisterei: Elke Kricheldorf / Ankleiderinnen: Ute Schröder, Martina Klages Maske: Philipp Gielow
Liebe Gäste, wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen aus urheberrechtlichen Gründen untersagt sind. Vielen Dank. Gefördert durch die Universitäts- und Hansestadt Greifswald, Amt für Bildung, Kultur und Sport und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien:
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Letzte Hoffnung Kunst Am 10. August 1839 notiert Wilhelmine Bardua, die Schwester der Malerin Caroline Bardua, in ihr Tagebuch: „Ihren alten Freund Caspar Friedrich hat Caroline ganz gebrochen und krank gefunden. Sie geht jetzt jeden Morgen zu ihm, um ihn zu zeichnen; gestern brachte sie ein paar seiner kleinen Sepia-Bilder mit, die er ihr geschenkt hat – sie werden eine rechte Zierde unseres Heims sein.“ Diese letzte Begegnung zwischen Caroline Bardua und Caspar David Friedrich macht der Autor Holger Teschke zur Ausgangssituation für sein Kammerspiel „Wanderers Nachtlied“. Die Porträtsitzungen bilden den Rahmen für einen intensiven fiktiven Dialog, in dem die Bardua dem Malerkollegen ein sprachliches Selbstporträt abringt. Im letzten Jahr seines Lebens findet sie den Meister in einer unglücklichen Lage. Nach einem Schlaganfall sitzt er in seinem Atelier über der Elbe und kann kaum noch arbeiten. Stattdessen quält er seine Frau mit endlosen Monologen voller Wut auf die Kunstwelt, die ihn vergessen hat oder mit Hohn behandelt. Aus Friedrichs Monolog wird eine Stunde der Erinnerung an die Zeit seiner Ankunft in Dresden, seiner ersten Erfolge und der Aufnahme in die Akademie, seiner Begegnungen mit Goethe, Carus und Kleist sowie an die Zeit der Befreiungskriege. Aber auch die Jahre der Greifswalder Kindheit und der Reisen nach Rügen und Böhmen werden wieder lebendig, während die Bardua vorsichtig versucht, ihm Mut zu einem neuen Werk zu machen. Holger Teschke zeigt Caspar David Friedrich am Ende seines Lebens als einen Wanderer zwischen den Welten, dessen letzte Heimat die Erinnerung und dessen letzte Hoffnung die Kunst ist. Präsentiert wird das aus Anlass des Caspar-David-FriedrichJubiläums 2024 in Auftrag gegebene Kammerspiel in Form einer szenischen Lesung im Pommerschen Landesmuseum Greifswald. Caroline Bardua pflegte zu vielen noch heute bekannten Persönlichkeiten ihrer Zeit Freundschaften, die sie oft ihr ganzes Leben begleiteten. Zu diesen gehört auch der Maler Caspar David Friedrich, den sie während ihrer Zeit bei Gerhard Kügelgen in Dresden kennenlernte und bereits in der Blüte seines Schaffens im Jahre 1810 porträtierte. Das zweite Porträt entstand, als Friedrich bereits von Krankheit und einem Schlaganfall gezeichnet war. So sitzt er mit Gehstock, die Palette mit Pinsel neben ihm, in einem Lehnstuhl. Mit leicht zusammengesunkener Körperhaltung blickt er ins Unbestimmte. Im Hintergrund öffnet sich ein Fenster zu einem Fluss hin, über den eine steinerne Brücke führt.
Der Maler Caspar David Friedrich, um 1839 Öl auf Leinwand, 77x63 cm, Anhaltinische Gemäldegalerie Dessau, Inv. Nr. 229 4
Friedrich und Goethe Natur, Wissenschaft, Kunst Goethe traf Caspar David Friedrich im Herbst 1816, um ihn zu bitten, die in Luke Howards Wolken-Terminologie beschriebenen Wolkentypen zu malen. Es war nicht ihre erste Begegnung. Schon 1805 hatte der junge Friedrich zu den alljährlich veranstalteten Weimarer Preisaufgaben einige Sepiabilder eingeschickt, die von Goethe mit einem Preis bedacht worden waren. Sein 1809 entstandenes Bild Landschaft mit Regenbogen basierte auf Goethes Gedicht „Schäfers Klagelied“. In Weimar wurden einige seiner Gemälde gekauft, und seit 1810 besuchte Goethe Friedrich zum ersten Mal in seinem Dresdener Atelier und notierte zu den beiden großformatigen, in Arbeit befindlichen Gemälden Abtei im Eichenwald und Der Mönch am Meer, die er dort sah, in sein Tagebuch: „zu Friedrich. Dessen wunderbare Landschaften. Ein Nebelkirchhof, ein offnes Meer“. Dabei ist das Adjektiv „wunderbar“ doppeldeutig und hat auch einen negativen Beiklang. Friedrichs Malerei gefiel ihm nicht übermäßig. Obwohl ihr Verhältnis bis 1816 nach außen von gegenseitiger Anerkennung geprägt war, machte Goethe im engeren Kreis keinen Hehl aus seiner Meinung. Der Kunsthistoriker Sulpiz Boisserée etwa notierte Goethes Meinung über Friedrich 1815: „Die Bilder von Maler Friedrich können eben so gut auf dem Kopf gesehen werden. Goethes Wuth gegen dergleichen; wie er sich ehemals ausgelassen, mit Zerschlagen der Bilder an der Tischecke; Zerschießen der Bücher u.s.w.“ Nichtsdestotrotz suchte Goethe im Herbst 1816 durch Vermittlung der Malerin Louise Seidler Friedrich erneut mit dem Vorschlag auf, gemeinsam einen „Wolkenatlas“ zu erstellen. Friedrich lehnte das Angebot ab. Mit seiner Reaktion verdarb er ihr ohnehin nicht ungetrübtes Verhältnis vollends. Fortan fielen Goethes Urteile über ihn immer kritischer aus. Zur großen Abrechnung kam es 1817, ein Jahr später. In seiner Studie „Neudeutsche religiös-patriotische Kunst“, gemeinsam mit J. H. Meyer, wirft Goethe Friedrich nichts Geringeres vor, als dass er die Kunst der Beleuchtung nicht kenne oder verschmähe und auch der Milderung und Übereinstimmung der Farben keine Beachtung schenke. Das 1818 entstandene Bild Der Wanderer über dem Nebelmeer kann sogar als malerische Botschaft an Goethe verstanden werden – noch nie hatte Friedrich seine Vorliebe für Wolken und Nebel so offenkundig vor Augen geführt. Er bewies damit, dass er Wolken und Nebelschwaden sehr wohl malen konnte, und zwar auf Grund durchaus genauer Beobachtung, wobei er sich weitgehend hütete, sie auch auf naturwissenschaftlicher Basis zu studieren.
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Friedrichs Verhältnis zur Natur bietet ein ganz anderes Verständnis als die naturwissenschaftliche Erklärung. Im achtzehnten Jahrhundert war die Natur immer offenkundiger zu einem Objekt des rationalen, wissenschaftlichen Denkens geworden, was ihrer Unterjochung durch die Technik den Weg ebnete. Das Wort „Naturwissenschaft“ tauchte 1703 im deutschen Sprachraum auf und wurde von Nietzsche später als Wille zur Macht über die Natur, als Vergewaltigung der Natur gedeutet. Gleichsam als Reaktion darauf wollten viele Romantiker in der Natur wieder das Subjekt des Universums sehen, die Manifestation der ästhetischen Harmonie, der verstandesmäßig nicht zu begreifenden Vollkommenheit, einer Art mystischen Identität. Obwohl Goethe keineswegs zur Gruppe der rationalistischen Naturwissenschaftler zählte, enthielt er sich weitgehend des romantischen Naturkults. Nach Friedrichs Ablehnung schlug seine Zurückhaltung in offene, unverhohlene Ablehnung um. László F. Földényi
Klassik und Romantik Der Schriftsteller Ralf Rothmann hat das Verhältnis zwischen Goethe und Friedrich und also zwischen Klassik und Romantik in seiner wolkenreichen Theorie des Regens auf die kürzestmögliche mathematische Formel gebracht: Klassik: A plus B gleich C. Romantik: A plus B gleich Unendlich. Florian Illies
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Caroline Barduas Schwester Wilhelmine über den Besuch Friedrichs in Ballenstedt im Jahre 1811 An einem Sonntagnachmittag, als Caroline am Piano saß, um sich die etwas langgedehnten Stunden, wie sie ein Feiertagsnachmittag immer zu bringen pflegt, durch Gesang zu verkürzen, zeigten sich zwei Fremde auf der Straße. Es war der Landschaftsmaler Friedrich und der Bildhauer Kühne, die, von Dresden kommend, auf einer Harztour begriffen waren und ein oder zwei Tage in Ballenstedt verweilen wollten. Sie kamen sogleich Carolinen aufsuchen und das Zusammensein mit beiden Künstlern war für sie ein überaus großes Vergnügen. Friedrich war damals in der Blüte seiner Künstlerlaufbahn. Seine Persönlichkeit erschien ebenso interessant wie eigentümlich. Er war groß, stark gebaut, blond, von ernstem Ausdruck: eine echt nordische Erscheinung. Carolines Eltern bewirteten die beiden Gäste, die sich‘s in dem patriarchalen Leben des Hauses sehr wohl sein ließen. Friedrich streifte viel in der Umgegend von Ballenstedt umher und zeichnete nach der Natur. Wie er in seinem Wesen erschien: still, verschlossen, weltscheu, absonderlich, tief denkend, voll warmer Liebe für Kunst und Natur – so waren auch seine Bilder: wunderbar einfach, melancholisch, eigentümlich, voll geistreicher, religiöser Bedeutung. Man erzählte, Friedrich habe in früher Jugend das Unglück gehabt, einen sehr geliebten Bruder beim Baden ertrinken zu sehen, ohne ihm zu Hilfe kommen zu können, nachdem er selbst früher durch denselben Bruder aus ähnlicher Gefahr gerettet worden war. Dieses traurige Geschick habe ihm unauslöschlich den Stempel der Schwermut aufgedrückt. Doch ist wohl zu glauben, dass der besondere Ausdruck seines Wesens ihm unmittelbar von der Natur gegeben war. Mit diesem Hang zur Melancholie, brachte man den enormen Bart, den er trug, in Verbindung, der ihm manche Neckerei anderer Künstler zuzog. Wer Friedrich noch einmal sehen wolle, hatte Hartmann gesagt, solle sich beeilen, da er nächstens ganz zuwachsen werde. Friedrichs Landschaften wurden wegen der gedankenreichen Eigentümlichkeit ihrer Motive und der hohen Meisterschaft ihrer Ausführung außerordentlich gesucht und wert gehalten. Sein Ruhm war schon damals, als er nach Ballenstedt kam, weit verbreitet. Wilhelmine Bardua
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Johann Wolfgang von Goethe Wandrers Nachtlied (Der du von dem Himmel bist), 1776 Der du von dem Himmel bist, Alles Leid und Schmerzen stillest, Den, der doppelt elend ist, Doppelt mit Erquickung füllest; Ach, ich bin des Treibens müde! Was soll all der Schmerz und Lust? Süßer Friede, Komm, ach komm in meine Brust!
Wanderers Weggefährten JOHANN FRIEDRICH COTTA (1764 – 1832); Verleger, Industriepionier und Politiker. 1787 übernahm er das 1659 in Tübingen gegründete Familienunternehmen, die Cotta’sche Verlagsbuchhandlung, die sich unter seiner Leitung zum bedeutendsten Verlag der deutschen Klassik entwickelte. CARL GUSTAV CARUS, auch Karl Gustav Carus (1789 – 1869); Mediziner und Maler, Philosoph, Naturwissenschaftler und Hochschullehrer. Er war befreundet mit Alexander von Humboldt, korrespondierte mit Goethe und zeichnete gemeinsam mit Caspar David Friedrich. FRANZ GERHARD VON KÜGELGEN (1772 – 1820); Porträt- und Historienmaler, Professor an der Kunstakademie in Dresden, Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Künste in Berlin und Mitglied der Kaiserlich Russischen Akademie der Künste in St. Petersburg. JEAN PAUL, eigentlich JOHANN PAUL FRIEDRICH RICHTER (1763 – 1825); Schriftsteller und Dichter. Sein Werk steht literaturgeschichtlich zwischen den Epochen der Klassik und Romantik. Die von ihm gewählte Namensänderung geht auf Jean Pauls Bewunderung für Jean-Jacques Rousseau zurück. JOHANN GOTTFRIED QUISTORP (1755 – 1835); Architekt, Maler und Hochschullehrer. Er begleitete Caspar David Friedrich auf vielen Reisen in Vorpommern. In einer Skizze vom Gützkower Hünengrab von 1802 wurde Quistorp darauf liegend und Pfeife rauchend durch Friedrich verewigt. PHILIPP OTTO RUNGE (1777 – 1810); neben Caspar David Friedrich gehörte er zu den großen Malern der Romantik und studierte wie dieser an der Kunstakademie in Kopenhagen. Zusammen mit Friedrich durchwanderte er die Insel Rügen und berichtete in Briefen an Goethe von ihrer Schönheit. JOHANN HEINRICH MEYER (1760 – 1832); Schweizer Maler und Kunstschriftsteller. Der Füssli-Schüler ging 1784 nach Rom, wurde 1787 Goethes Freund, lebte ab 1791 in Weimar, wirkte dort ab 1806 als Direktor der Fürstlichen freien Zeichenschule und war Goethes rechte Hand in Kunstangelegenheiten. Heinrich Meyer ist als Kunschtmeyer oder auch als Goethemeyer bekannt. AUGUST JACOB FRIEDRICH SPONHOLZ (1762 – 1819); Pastor im mecklenburgischen Breesen. Heiratete 1791 Friedrichs Schwester Catharina Dorothea (1766 – 1808). LUDWIG GOTTHARD KOSEGARTEN (1758 – 1818); Pfarrer der Kirche Altenkirchen auf Rügen, später Professor an der Universität Greifswald. Caspar David Friedrich hat Kosegarten über seinen Greifswalder Zeichenlehrer Johann Gottfried Quistorp auf Rügen um 1792 kennengelernt. Bei seinen Wanderungen auf der Insel besuchte der Maler den Pastor in den folgenden Jahren immer wieder.
ADOLPH PHILIPP THEODOR SCHWARZ (1777 – 1850); evangelischer Pfarrer, Schriftsteller und Maler. Er schrieb unter den Pseudonymen Theodor Melas und Theodor Pyl. Der Vater stammte aus einer der ältesten Greifswalder Bürgerfamilien und war Nachfahre der Barockdichterin Sibylla Schwarz. SIBYLLA SCHWARZ, auch Sibylle Schwartz (1621 – 1638); Barock-Dichterin und jüngste Tochter des Greifswalder Bürgermeisters Christian Schwarz. Im Alter von etwa zehn Jahren begann sie, Gedichte zu schreiben. Ihre Poesie reflektiert die harte Zeit inmitten des Dreißigjährigen Krieges. SYLVIE VON ZIEGESAR (1785 – 1858); Freundin der Malerin Louise Seidler und Gegenstand des Gedichts An Sylvie von Ziegesar von Goethe. Sie war die Tochter des Gothaer Geheimrats August Friedrich Karl. Ihr Vater bekleidete im Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg zahlreiche Ämter und kannte Goethe als Freund der Familie. E. T. A. HOFFMANN (1776 – 1822); bedeutender deutscher Schriftsteller der Romantik. Außerdem wirkte er als Jurist, Komponist, Kapellmeister, Musikkritiker, Zeichner und Karikaturist. Wegen seiner Schauer- und Spukgeschichten auch „GespensterHoffmann“ genannt. BERNHARD OLIVIER FRANK (1759 – 1833); lutherischer Geistlicher und Heimatforscher. Seine Sammlung von Altertümern war über die Grenzen Neuvorpommerns hinaus berühmt. Zu den Besuchern gehörten unter anderem Wilhelm von Humboldt, Gotthilf Heinrich von Schubert und Caspar David Friedrich. PUBLIUS TERENTIUS AFER, zumeist einfach TERENZ (zwischen 195 und 184 v. Chr. – 159 oder 158 v. Chr.), war einer der berühmtesten Komödiendichter der römischen Antike. Von Terenz sind sechs Komödien erhalten, die zwischen 166 und 160 v. Chr. entstanden und aufgeführt wurden. PETER VON CORNELIUS (1783 – 1867); Maler und Direktor der Kunstakademie Düsseldorf. Einer der Hauptvertreter des Nazarener-Stils. 1816 erschien seine Illustrationsfolge zu Goethes Faust I, mit der er seinen anfänglich barocken Klassizismus aufgab und sich neogotischen Formen zuwandte. WASSILI ANDREJEWITSCH SCHUKOWSKI (1783 – 1852); russischer Dichter und Übersetzer der Romantik. Als Kunstsammler war er einer der wichtigsten Förderer Caspar David Friedrichs und sicherte dem Maler vor allem in späten Schaffensjahren durch eigene Ankäufe und Vermittlung für die Zaren-Familie das wirtschaftliche Überleben. Nach Friedrichs Tod sorgte er für finanzielle Unterstützung der mittellosen Malerwitwe durch den Zaren.
Caroline Bardua (1781 – 1864) wurde 1781 in Ballenstedt geboren, wo seit anderthalb Jahrzehnten der fürstliche Hof residierte. Sie war die älteste Tochter des Johann Adam Bardua, Kammerdiener beim Erbprinzen und späteren Herzog Alexius von Anhalt-Bernburg. Die Eltern waren musisch begabt, doch das weit größere Talent der Tochter war offensichtlich. Schweren Herzens folgte man der Empfehlung eines Verwandten und ließ Caroline ab 1805 die Kunstschule in Weimar besuchen. Die junge Frau fand Aufnahme in den Kreis um Goethe, der Caroline förderte und sich von ihr porträtieren ließ. Ihre künstlerische Ausbildung setzte Caroline anschließend in Dresden bei Gerhard von Kügelgen fort. Hier nannte man die junge Frau aus dem anhaltischen Harz die „wilde Katze vom Brocken“. In der Elbestadt erzielte sie auch erste Erfolge bei Ausstellungen. Unstete Reise- und Wanderjahre folgten, immer auf der Suche nach Aufträgen. Es waren ihre fein gezeichneten Porträts, die ihr Anerkennung und Einnahmen brachten. Mehr als dreihundert Porträtgemälde von Caroline Bardua sind bekannt, unter anderem ließen sich der Maler und Freund Caspar David Friedrich, Stargeiger Niccolo Paganini, Komponist Carl Maria von Weber und Angehörige der königlichpreußischen Familie porträtieren. Berlin wurde längere Zeit zum Lebensmittelpunkt. Caroline verband zahlreiche Freundschaften mit Männern und Frauen der Kunstund Kulturszene, genannt seien nur die Namen Tieck, Schadow, Schopenhauer, von Arnim. Mit den Einkünften aus ihrer Malerei konnte die Bardua ihr Leben selbst finanzieren. Geschäftstüchtig legte sie Geld in Aktien an, unter anderem war sie am neuen Kurbad Alexisbad beteiligt. Nie verheiratet, gehört Caroline Bardua zu den ersten bürgerlichen Frauen, die sich im Künstlerberuf eine eigene Existenz aufbauten. Ganz ohne Mäzen oder reichen Ehemann. Den Lebensabend verbrachte Caroline Bardua in ihrer Heimatstadt Ballenstedt, wohin sie schließlich zurückgekehrt war. Hier verstarb sie auch am 2. Juni 1864.
Caroline Bardua Selbstbildnis mit Gitarre, 1822 12
Caspar David Friedrich (1774 – 1840) der bedeutendste Landschaftsmaler der Romantik, wurde am 5. September 1774 in Greifswald geboren. Er entstammt einer Handwerkerfamilie und war das sechste von zehn Kindern, die im Haus des Greifswalder Seifensieders Adolf Friedrich und seiner Ehefrau Sophie Dorothea, geb. Bechly zur Welt kamen. Die Kindheit des Malers war überschattet durch den frühen Tod der Mutter und zweier Geschwister. Friedrich war seit 1790 Schüler des Greifswalder Universitäts- Zeichenlehrers Johann Gottfried Quistorp, der ihn besonders förderte. Seine künstlerischen Studien setzte er an der Kunstakademie in Kopenhagen fort. Ab 1798 lebte und arbeitete Friedrich in Dresden, wo er am 7. Mai 1840 starb. Auch als sich Friedrich auf Dauer in Dresden niedergelassen hatte, zog es ihn immer wieder in seine vorpommersche Heimat zurück, die von ihm mehrfach aufgesucht und bereist wurde. Das innige und dauerhafte Verhältnis Friedrichs zur norddeutschen Landschaft und zu seiner Geburtsstadt Greifswald haben seine Persönlichkeit und Kunst nachhaltig geprägt. Seine präzisen Bildkompositionen sind als Ausdruck einer gedankentiefen Landschaftsdarstellung zum Synonym für die Romantik geworden. Caspar David Friedrich gehört zu den herausragenden Künstlern, deren Werke höchste Berühmtheit erlangten und überaus populär sind. Die Präsenz seiner Werke in bedeutenden Museen der Welt und die große Anzahl von Publikationen, Ausstellungen und Forschungsprojekten in vielen Sprachen und Ländern auch außerhalb Europas zeugen vom allgemeinen Interesse an der Kunst Friedrichs und von der anhaltenden Faszination, die von ihr ausgeht.
Caspar David Friedrich Selbstbildnis, um 1810 13
Der Autor Holger Teschke, geboren 1958 in Bergen auf Rügen und aufgewachsen in Sassnitz, erlernte den Beruf eines Schiffsmaschinenschlossers und fuhr bis 1980 zur See. Nach seinem Studium der Schauspielregie in Berlin war er von 1987 bis 1999 als Dramaturg am Berliner Ensemble engagiert. Von 1990 bis 2010 arbeitete er als Regisseur und Gastprofessor für Regie in den USA, Kanada und Südostasien. Für die Seebühne Hiddensee hat er Shakespeare, Defoe, Goethe, Poe und Kafka bearbeitet und inszeniert. Seit 2010 unterrichtet er Theatergeschichte und Dramaturgie an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Holger Teschke schreibt Theaterstücke, Hörspiele, Reisebücher und Essays und wurde 1989 mit dem Kritikerpreis der Berliner Zeitung, 2005 mit dem Kulturpreis der Kulturstiftung Rügen und 2008 mit dem Kinderhörspielpreis von Karlsruhe ausgezeichnet. Seit 2019 ist er Ehrenmitglied der Seebühne Hiddensee.
„Das Leben eines Malers ist das elendeste von der Welt, das wissen Sie doch. Man pinselt sich die Seele aus dem Leib und dann steht das Publikum vor den Bildern und macht blöde Bemerkungen.“
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Abbildungsverzeichnis der Projektionen Caspar David Friedrich: Das große Gehege. 1832, Öl auf Leinwand, Dresden, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Georg Friedrich Kersting: Caspar David Friedrich in seinem Atelier. 1811, Öl auf Leinwand, Hamburger Kunsthalle / Caspar David Friedrich: Der Mönch am Meer. Um 1809, Öl auf Leinwand, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Caspar David Friedrich: Abtei im Eichwald. 1810, Öl auf Leinwand, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Caroline Bardua: Porträt Caspar David Friedrichs, 1810, Öl auf Leinwand, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Caspar David Friedrich: Eine Eule auf einem Sarg, 1835-1838, Pinsel in Braun über Bleistift, Feder in Grau, Hamburger Kunsthalle / Caroline Bardua: Porträt Caspar David Friedrichs, um 1839, Öl auf Leinwand, Anhaltinische Gemäldegalerie Dessau / Caspar David Friedrich: Gartenterrasse. 1811, Öl auf Leinwand, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg, Neuer Pavillon, Schloss Charlottenburg / Caspar David Friedrich: Wiesen bei Greifswald. 1820/22, Öl auf Leinwand, Hamburger Kunsthalle / Caspar David Friedrich: Kreidefelsen auf Rügen. 1818, Öl auf Leinwand, Winterthur, Museum Oskar Reinhart / Caspar David Friedrich: Frau am Fenster. 1822, Öl auf Leinwand, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Caspar David Friedrich: Blick aus dem Atelier des Künstlers. 1805/1806, Sepiatusche auf Papier, Österreichische Galerie Belvedere Wien / Caspar David Friedrich: Sommerlandschaft mit abgestorbener Eiche (Herbstabend am See). 1805, Pinsel in Braun, Weimar, Staatliche Kunstsammlung Klassik Stiftung Weimar / Caspar David Friedrich: Wallfahrt bei Sonnenuntergang. 1805, Pinsel in Braun, Bleistift, stark verblasst, Weimar, Staatliche Kunstsammlung, Klassik Stiftung Weimar / Caspar David Friedrich: Landschaft mit dem Regenbogen. 1810, Öl auf Leinwand, Weimar, Staatliche Kunstsammlung, Klassik Stiftung Weimar / Caspar David Friedrich: Das Eismeer. 1823/24, Öl auf Leinwand, Hamburger Kunsthalle / Caspar David Friedrich: Der Baum der Krähen. 1822, Öl auf Leinwand, Depot Louvre Paris / Caspar David Friedrich: Wanderer über dem Nebelmeer. 1818, Öl auf Leinwand, Hamburger Kunsthalle / Caspar David Friedrich: Kathedrale. 1818, Öl auf Leinwand, Museum Georg Schäfer Schweinfurt / Caroline Bardua: Porträt Johann Wolfgang Goethe. Öl auf Leinwand 1811, Goethe Museum Frankfurt / Caroline Bardua: Bildnis des Komponisten Carl Maria von Weber. 1821, Öl auf Leinwand, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Caspar David Friedrich: Lebensstufen. 1834, Öl auf Leinwand, Museum der bildenden Künste Leipzig Animationen Eva Humburg
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Termine PREMIERE AM 27.01.2024 im Pommerschen Landesmuseum Greifswald
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Trailer
folgt in Kürze
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Außerdem im Programm
WILLKOMMEN IM WUNDERLIFT
DER SCHIMMELREITER
GILGAMESCH
LICHT!: Das (interaktive) Spielzeitheft 2023/24
www.theater-vorpommern.de 17
Impressum Herausgeber: Theater Vorpommern GmbH, Stralsund – Greifswald – Putbus, Spielzeit 2023/24 Geschäftsführung: André Kretzschmar
Redaktion: Oliver Lisewski Gestaltung: giraffentoast
Literaturnachweise: László F. Földényi: Der Maler und der Wanderer. Caspar David Friedrichs Urkino, Berlin 2021. / Walter Schwarz: Jugendleben der Malerin Caroline Bardua. Nach einem Manuskript ihrer Schwester Wilhelmine Bardua, Breslau 1874, S. 58f. / S. 37-40. Franziska Gradl, in: Wolf Eiermann (Hrsg.): Talent kennt kein Geschlecht. Malerinnen und Maler der Romantik auf Augenhöhe, Schweinfurth 2020, S. 189. / Florian Illies: Zauber der Stille. Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeiten, Frankfurt a. M. 2023, S. 198f. / J. W. v. Goethe: Sämtliche Gedichte. Erster Teil. dtv Gesamtausgabe, Bd. 1, München 1961, S.60. / Matthias Prasse: Caroline Bardua, zit. nach: www.val-anhalt.de/archiv/anhaltseiten/as_bardua.html / Caspar David Friedrich (1774-1840), zit. nach: https://caspar-david-friedrichgesellschaft.de Bildnachweise: S. 5: Caroline Bardua, Porträt Caspar David Friedrichs, um 1839 / Public domain, via Wikimedia Commons; S. 8: Caroline Bardua: Selbstbildnis, 1822 / Public domain, via Wikimedia Commons, S. 9: Selbstbildnis C. D. Friedrich, 1810, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Jörg P. Anders Public Domain Mark 1.0, Fotos: Peter van Heesen.