Am Horizont

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Spielzeit

2024/25

Am Horizont

„Ich spüre den Widerstand, der mich umgibt.

Beinschlag.

Beinschlag.

Und ich gleite

wieder.

Druck in meinen Ohren.

Verzerrte Laute.

Hier gibt es keine Sprache.

Nur Geräusche,

die scheinbar unendlich langsam zu mir durchdringen.“

Janek

Liebe Gäste, wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen aus urheberrechtlichen Gründen untersagt sind. Vielen Dank.

Am Horizont (10+)

von Petra Wüllenweber

Janek

Opa

Anna Regie

Bühne & Kostüme

Dramaturgie

Regieassistenz & Abendspielleitung

Inspizienz

Soufflage

Jakob Schleert

Lutz Jesse

Paula Dieckmann

Arnim Beutel

Peter Sommerer

Nadja Hess

Wolf-Dietrich Stückrad

Kerstin Wollschläger

Nadim Hussain

Premiere in Greifswald am 02. Oktober 2024

Premiere in Stralsund am 15. November 2024

Premiere in Putbus am 20. Februar 2025

Aufführungsdauer:

ca. 50 Minuten, keine Pause

Aufführungsrechte:

Theaterstückverlag im DREI MASKEN VERLAG GmbH München

Ausstattungsleiterin: Eva Humburg Technischer Direktor: Christof Schaaf Licht: Friedemann Drenck, Raik Motczinski Bühnentechnische Einrichtung: Andreas Franke, Fred Schulz-Weingarten Toneinrichtung: Samuel Zinnecker Leitung Bühnentechnik: Robert Nicolaus, Michael Schmidt Leitung Beleuchtung: Kirsten Heitmann Leitung Ton: Daniel Kelm Leitung

Requisite: Alexander Baki-Jewitsch, Christian Porm Bühne & Werkstätten: Produktionsleiterin: Eva Humburg Tischlerei: Stefan Schaldach, Bernd Dahlmann, Kristin Loleit Schlosserei: Michael Treichel, Ingolf Burmeister Malsaal: Anja Miranowitsch, Fernando Casas Garcia, Sven Greiner Dekoration: Frank Metzner Kostümwerkstätten: Gewandmeisterinnen: Carola Bartsch, Annegret Päßler Modisterei: Elke Kricheldorf Assistenz: Dorothea Rheinfurth

Maske: Tali Rabea Breuer, Jill Dahm, Antje Kwiatkowski, Kateryna Maliarchuk, Ilka Stelter

Wenn die Demenz am Bücherregal rüttelt

Ihr könnt euch das Erinnerungsvermögen eines Menschen mit Demenz vielleicht ein bisschen vorstellen wie ein Bücherregal. Ein billiges Regal aus Massenproduktion zum Selbstaufbauen. Dieses Bücherregal entspricht eurem Faktengedächtnis. Auf dem obersten Brett – das ist das, wo sich manche schon auf die Zehenspitzen stellen müssen – stehen die jüngsten Erinnerungen, zum Beispiel, was ihr heute Morgen zum Frühstück gegessen habt. Auf Schulterhöhe befinden sich die Bücher aus eurer Lebensmitte, mit diesen Büchern sind wir alle bestens vertraut, und wir sind es gewohnt, sie jederzeit aus dem Regal zu nehmen –mühelos, ohne jede Anstrengung. Auf

Kniehöhe befinden sich die Bücher aus euren Zwanzigern. Und dann geht ihr in die Hocke und seht die Bücher ganz unten im Regal. Dort, vor euren Zehenspitzen, findet ihr die Bücher mit den Erinnerungen aus eurer Kindheit. Die Demenz jedoch rüttelt euer Regal gehörig hin und her. Dabei purzeln die Bücher aus den oberen Regalen als erste hinunter und werfen alles andere mit durcheinander. Etwas, das ihr für eine ganz frische Erinnerung haltet, stammt also in Wirklichkeit aus einem der unteren Regale, aus einer früheren Zeit in eurem Leben. Ihr könnt euch dann zwar vielleicht ganz deutlich vorstellen, wie es war, zwischen den Gitterstäben eures Laufstalls hindurchzu-

schauen, aber wisst nicht mehr, was ihr heute Morgen gefrühstückt habt.

Außerdem gibt es noch einen weiteren Bereich des Gehirns, ein zweites Bücherregal, nicht so wackelig wie das erste. Dieses Regal ist sehr massiv; es ist das Bücherregal mit eurem emotionalen Gedächtnis. Wenn die Demenz versucht, dieses Regal hin und her zu kippen, als wären die zwei Versionen von euch – vorher und nachher – zwei aufeinanderstoßende tektonische Platten, so erweist sich dieses zweite Regal als stärker, widerstandsfähiger, und sein Inhalt ist länger geschützt. Auch wenn ihr möglicherweise vergesst, dass eure Familie oder Freunde erst kürzlich zu Besuch gewesen sind – denn dieses

Buch stammt aus eurem Faktengedächtnis, – bleiben von ihrem Besuch trotzdem Gefühle von Liebe, Glück und Trost übrig. Möglicherweise habt ihr zwar vergessen, was ihr getan habt, worüber ihr gesprochen habt oder dass sie überhaupt da gewesen sind, trotzdem vermittelt ihr Anblick euch ein Gefühl von Freude und Sicherheit. Aus diesem Grund hört bitte niemals auf, Leute mit Demenz zu besuchen, auch wenn sie sich vielleicht hinterher nicht an euch erinnern können.

Drei Fragen an den Regisseur Arnim Beutel

Anhand einer engen Großvater-Enkel-Beziehung erzählt die Dramatikerin Petra Wüllenweber in „Am Horizont“ davon, was eine Alzheimer-Erkrankung für die Betroffenen und ihre Familienangehörigen bedeuten kann. Was begeistert dich an diesem Stück?

Zunächst begeistert mich, dass es ein schöner, kluger und dichter Text ist, der die Zuschauer*innen – egal ob jung oder alt – ernst nimmt. Der Text biedert sich nicht an, sondern schafft es auf eine poetische Weise, mit dem Thema umzugehen. Es wird nicht die Krankheit erzählt, sondern die Veränderung einer Beziehung – und das macht es möglich, sich auf spielerische Weise dem Thema zu nähern.

Den Großvater und seinen Enkel Janek verbindet die Leidenschaft für das Schwimmen – warum hat die Autorin ausgerechnet diese Sportart für ihre beiden Figuren ausgewählt?

Dazu muss ich etwas weiter ausholen, denn für mich ist der Gedanke wichtig, dass jeder Mensch in seinem Kopf mit sich selbst allein ist, d. h. grundsätzlich hat jeder Mensch seine ganz eigene, individuelle Wahrnehmung von Welt. Was aber passiert, wenn diese innere Welt allmählich verloren geht und für den an Alzheimer erkrankten Menschen die gewohnte Welt- und Selbstwahrneh-

mung ins Wanken gerät, die Haltepunkte verloren gehen und letztlich vollends im Nebel versinken. Als Metapher dafür hat die Autorin das „Wasser“ gewählt, die sich motivisch durch das gesamte Stück zieht – eine Metapher, die vor allem Assoziationsräume zur Unterwasserwelt öffnet, also zu einer Welt, in der sich alles anders anfühlt, in der einen Geräusche verlangsamt erreichen und Sprache nur noch wie verzerrte Laute wahrgenommen wird.

Auch das Bühnenbild weckt Wasser-Assoziationen – was für einen Raum hast du gemeinsam mit dem Bühnenbildner Peter Sommerer entwickelt?

Die Herausforderung an das Bühnenbild ist, dass sich das Stück aus vielen kurzen Szenen zusammensetzt und ständig die Spielorte gewechselt werden – vom Schwimmbad in die Wohnung, dann in die Schule, zurück ins Schwimmbad usw. Also haben wir einen offenen Raum erfunden, der es ermöglicht, diese Ortswechsel nur durch das Spiel und minimale Requisiten zu erzählen. Es ist ein Bühnenbild entstanden, das durch das Aufnehmen der Schwimmbad-Architektur mit Sprungturm und Beckenrand zugleich an die Kernmetapher der Unterwasserwelt anknüpft – und damit auch für die Innenwelt der Figuren stehen kann.

Wenn die Großeltern sich verändern

Die emotionale Nähe zwischen Kindern und Großeltern bleibt von einer Demenz unberührt. Eine Voraussetzung dafür ist die Haltung der Eltern, die hier Vorbild für Kinder sind. Ist diese von Wertschätzung und liebevoller Zuneigung getragen, dann nehmen Kinder demenzbedingte Veränderungen manchmal mit Erstaunen, aber wertfrei wahr. Sie bleiben im Kontakt und kommunizieren auf ihre Art.

Kinder sind unvoreingenommen. Sie kommunizieren im Tun, auch wenn es mit der Sprache nicht klappt. Körperberührung ist Teil dieser Kommunikation und für Menschen mit Demenz eine Ausdrucksmöglichkeit, wenn die Worte nicht mehr fließen wollen. Trotz aller Einschränkungen ist der emotionale Zugang zu Menschen mit Demenz intakt. Hierfür sind alle Register der nonverbalen Kommunikation bedeutsam, die Kinder sowieso beherrschen: Körpernähe, Mimik, Gestik, Sprachmelodie etc.

Kinder hören gerne Geschichten. Wenn die Sprache noch fließt, dann sind die lange zurückliegenden Erinnerungen eine Quelle für Erzählungen. Auf Wortsalat reagieren Kinder gelassen und nehmen ihn spielerisch auf. Wenn Menschen mit Demenz z. B. das letzte

Wort eines Satzes wiederholen, dann kann sich daraus ein Dialog entwickeln, in dem die Worte variiert werden oder Reimworte aneinandergereiht werden.

Wenn Kinder bei ihren Großeltern Veränderungen bemerken und den Eltern ihre Beobachtungen mitteilen und nachfragen, dann brauchen sie eine wahrheitsgemäße Antwort. Eine Verharmlosung oder eine Dramatisierung sind fehl am Platz. Eine Erklärung wie „eine Demenz ist wie Schmetterlinge im Kopf“ schafft Spielräume. Dann flattern die Erinnerungen davon und Worte, Namen, Ereignisse, Fähigkeiten etc. werden vergessen. Nur manchmal bringt ein Schmetterling wieder etwas zurück.

Wenn Kinder merken, dass sich ihre Großeltern verändern, dass sie Dinge vergessen (vielleicht sogar den eigenen Geburtstag, der Oma doch immer so wichtig war), dann kann dies zu Traurigkeit, Wut, Angst oder auch Rückzug führen. Wenn Oma oder Opa die Enkelkinder/Kinder nicht mehr erkennt, tut das zunächst mal weh. Eltern helfen ihren Kindern, indem sie eine vertraute Atmosphäre schaffen, in der sie ihre Gefühle zeigen können. Eltern sind auch die Kinder ihrer Eltern, die mit den Veränderungen zurechtkommen

müssen. Zu den eigenen Gefühlen zu stehen, zu zeigen, dass man traurig ist, dass auch mal Tränen fließen können, das zeugt von innerer Stärke. Hier können Kinder lernen, dass es auch Zeiten gibt, wo man traurig sein darf.

Früher, erzählt Opa, sei sein Kopf ein riesiger Palast gewesen mit vielen Gemächern: „Kleinen und großen, in denen wunderbare Erinnerungen verborgen sind. Jetzt sind viele von den Räumen verschlossen. Und ich finde auch keinen Schlüssel, um sie aufzuschließen.“

Ich erzähle ihm eine Geschichte von Oma. Da weint Opa wieder. Dieses Mal aber vor Glück, und er bedankt sich, dass ich ihm eins seiner Kopf-Gemächer geöffnet habe.

Rolf Barth

„Ich kann manchmal einfach nicht mehr denken“

In jüngsten Interviewstudien schildern Menschen mit Demenz, dass sie

● keine Entscheidungen mehr treffen können, weil ihnen die Vorstellungskraft fehlt, die sie bräuchten, um zu erkennen, welche der zur Auswahl stehenden Alternativen sie lieber hätten,

● keine Probleme mehr lösen können, selbst wenn es sich um ganz alltägliche „Probleme“ handelt, wie z. B. das Öffnen der Schiebetür am Kleiderschrank

● ihre persönlichen Dinge wie Schlüssel, Portemonnaie, Versichertenkarte oder wichtige Unterlagen ständig verlegen

● nicht mehr aus dem Haus gehen wollen, weil sie fürchten, auf Bekannte zu treffen, die sie nicht mehr wiedererkennen,

● Unterhaltungen anderer Menschen nicht mehr folgen können

Was ist eine Demenz?

Ein Mensch mit einer Demenz leidet unter einer Gehirnerkrankung, in deren Verlauf seine geistigen Fähigkeiten allmählich verschwinden. Doch eine Demenz beeinträchtigt nicht nur den Bereich der geistigen Leistungsfähigkeit, sondern alle Bereiche, die das Menschsein ausmachen.

Das menschliche Gehirn besteht aus etwa 86 Milliarden Nervenzellen. Bei der neurodegenerativen Form der Demenz beginnen im mittleren bis späteren Lebensalter Nervenzellen im Gehirn abzusterben.

Die Ursache des Zellsterbens liegt dabei in der Bildung schwer löslicher Eiweißablagerungen zwischen den Nervenzellen des Gehirns und unterschiedlich zusammengesetzter Einschlüsse innerhalb dieser Zellen. Diese Ablagerungen und Einschlüsse führen dazu, dass die Kontaktstellen zwischen den Gehirnzellen, die sogenannten Synapsen funktionsuntauglich und schließlich zerstört werden. In Folge sterben schließlich die Gehirnzellen selbst ab. Wenn 10% aller Nervenzellenkontaktstellen im Gehirn zerstört sind, treten die ersten wahrnehmbaren Krankheitszeichen, meistens zuerst Vergesslichkeit, auf. Die Demenz vom „Alzheimer-Typ“ ist die häufigste Unterform der neurodegene-

rativen Demenzen, die der Psychiater Alois Alzheimer Anfang des 20. Jahrhunderts erkannte.

Von der Krankheit betroffen sind zunächst nur bestimmte Gebiete des Gehirns, z. B. die beiden Hippocampi, die tief im Inneren des Gehirns jeweils an den Innenseiten der beiden Gehirnhälften liegen. Sie spielen eine wichtige Rolle bei Gedächtnisprozessen.

Daneben sind auch Gebiete der Großhirnrinde sehr früh betroffen. Diese nur wenige Millimeter dicke äußerste Schicht des Gehirns ist wesentlich an der Durchführung höherer geistiger Aufgaben beteiligt, also Sprache, Denken, Orientierung, Urteilen, Gedächtnis, Rechnen und Schreiben.

Prof. Dr. Sabine Engel

Aktuell leben rund 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung in Deutschland. Häufigste Ursache ist die Alzheimer-Krankheit. Die überwiegende Mehrheit der Erkrankten (knapp 70%) lebt in Privathaushalten und wird von Familienangehörigen gepflegt, so dass Kinder oft sehr direkt den Verlauf der Krankheit mitbekommen.

„Meine Oma Anni vergisst zum Beispiel, wie man Kaffee kocht. Jedenfalls weiß sie nicht mehr, wo sie das Wasser einfüllen soll, wenn sie vor der Kaffeemaschine steht. Sie weiß aber noch, wie man Kaffee mit einem Filter über der Tasse mit der Hand aufbrüht, so wie sie das früher vor fünfzig Jahren gemacht hat. Das finde ich komisch.“

Wie

verläuft eine Demenz-Erkrankung?

Leichte Demenz

Im frühen Krankheitsstadium stehen Beeinträchtigungen des Kurzzeitgedächtnisses im Vordergrund. Die Erkrankten können sich den Inhalt von Gesprächen nicht einprägen oder finden abgelegte Gegenstände nicht mehr wieder. Zusätzlich bestehen Störungen des planenden und organisierenden Denkens, Wortfindungs- und Orientierungsstörungen. Menschen mit Demenz erleben in diesem Stadium oft bewusst, dass sie etwas vergessen. Sie sind verwirrt, weil andere Menschen Dinge behaupten, an die sie sich nicht erinnern können. Dies wirkt bedrohlich für sie und es kommt vermehrt zu peinlichen Situationen. Je nach Persönlichkeitsstruktur reagieren die Erkrankten depressiv, aggressiv, abwehrend oder mit Rückzug. Sie versuchen, eine „Fassade“ aufrechtzuerhalten.

Mittelschwere Demenz

Die Einschränkungen von Gedächtnis, Denkvermögen und Orientierungsfähigkeit nehmen allmählich zu und erreichen einen Grad, der die selbstständige Lebensführung nicht mehr zulässt. Viele Erkrankte können keine vollständigen Sätze mehr bilden und sind dadurch schwer zu verstehen. Die Erinnerungen an lang zurückliegende Ereignisse verblassen ebenfalls. Sie wis-

sen nicht mehr, wen sie geheiratet oder welchen Beruf sie ausgeübt haben, wie ihre Kinder heißen oder wie alt sie sind.

Schwere Demenz

Im fortgeschrittenen Stadium besteht ein hochgradiger geistiger Abbau, die Sprache beschränkt sich nur noch auf wenige Wörter oder versiegt ganz. Die Demenzerkrankten sind bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens auf Hilfe angewiesen. Die Alzheimer-Krankheit selbst führt nicht zum Tod. Die häufigste Todesursache ist eine Infektionskrankheit wie eine Lungenentzündung oder eine Entzündung der Harnwege.

www.deutsche-alzheimer.de

Ich war von meinem Schreibtisch aufgestanden, genau wie immer; und stand plötzlich ganz allein auf dem Gipfel dieses Berges, von Wolken umhüllt, die so dicht waren, dass ich nichts mehr erkannte: nicht meinen Tisch, nicht mein Telefon, meinen Tacker, meinen Namen an der Tür und auch nicht meine Kollegen. Also wartete ich ab. Einfach sitzen bleiben und warten, bis der Nebel im Kopf sich lichtet.

Mitchell

Besondere Verhaltensweisen bei Demenzkranken

Zu den Symptomen der Demenz gehören auch verschiedene typische Verhaltensweisen und Handlungsmuster der Betroffenen. Die Ursachen liegen zum Großteil im Verlust von Gedächtnis und Erinnerungsvermögen und in der Unfähigkeit, logische Verknüpfungen herzustellen. Dazu zählt man u. a. das Wiederholen immer gleicher Fragen und Handlungen und eine steigende innere Anspannung und Nervosität, die sich durch einen ausgeprägten Bewegungsdrang äußern kann.

Menschen mit Demenz verhalten sich manchmal verbal oder körperlich aggressiv.

Sie schreien und beschimpfen die betreuenden Personen oder – was allerdings seltener vorkommt – schlagen oder werfen mit Gegenständen. Auslöser für Wutausbrüche und aggressives Verhalten sind weniger krankheitsbedingte Veränderungen im Gehirn als vielmehr die erschwerten Lebensbedingungen und die daraus resultierende Angst der Betroffenen. Sie leben in

einer Welt, die sich für sie dauernd verändert, und sind deshalb ständig beunruhigt, weil sie nicht wissen, was sie als Nächstes erwartet.

Es kann aber auch zu Sinnestäuschungen, Halluzinationen und wahnhaften Handlungen kommen.

Die eingeschränkte Fähigkeit der Betroffenen, Situationen und Wahrnehmungen richtig zu deuten, führt häufig zu Erklärungsversuchen, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. So

beschuldigen sie beispielsweise ihre Angehörigen, Geld gestohlen zu haben, oder halten Verwandte für verkleidete Fremde. Sie erkennen den „alten Menschen“ im Spiegel nicht und fürchten sich vor Bildmotiven oder Teppichmustern.

bundesgesundheitsministerium.de

Die Autorin

„Ich liebe es Geschichten zu erzählen – Geschichten, die uns zum Lachen, Weinen und vor allem zum Nachdenken bringen. Und am liebsten tue ich das im Theater. Vor einigen Jahren suchte ich als Regisseurin zusammen mit einem künstlerischen Leiter ein Theaterstück zum Thema Alzheimer, doch wir fanden keines. Deshalb schrieb ich ‚Am Horizont’ – die Geschichte eines Jungen, der seinen Opa allmählich an die Krankheit verliert. Es folgten weitere Schreibaufträge von anderen Intendanten. Mir ist es wichtig, als Theatermacherin ‚am Puls der Zeit‘ zu sein und mit den Zuschauern in einen Dialog zu kommen. Denn diese Möglichkeit bietet uns das Theater – also, nutzen wir sie!“

Petra Wüllenweber, 1971 in Saarbrücken geboren, studierte von 1992 bis 1996 Regie an der Theaterakademie in Ulm und ging anschließend von 1997 bis 2000 als Regieassistentin an die Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld/Mönchengladbach. Seit Herbst 2000 arbeitet sie freischaffend als Regisseurin und Autorin an verschiedenen deutschsprachigen Theatern. Neben ihren eigenen Stücken v. a. für das Kinder- und Jugendtheater (u. a. 2011 „Zur Zeit nicht erreichbar“, 2013 „Netboy“, 2015 „Und morgen?“, 2016 „Auf Eis“, 2018 „Die Weiße Rose“) hat sie auch zahlreiche Bühnenadaptionen von Romanen und klassischen Stoffen entwickelt. Neben ihrer freischaffenden Tätigkeit am und für das Theater arbeitet sie zudem erfolgreich im Coaching-Bereich.

„Am Horizont“ kam am 24.05.2009 zur Uraufführung am Theater Überzwerg in Saarbrücken und ist seitdem vielfach an deutschsprachigen und auch internationalen Bühnen aufgeführt worden. 2008 wurde es in den Stückepool von Kaas & Kappes aufgenommen und 2010 erhielt es den 3. Mülheimer KinderStückePreis.

Man muss erst beginnen, sein Gedächtnis zu verlieren, und sei’s nur stückweise, um sich darüber klar zu werden, dass das Gedächtnis unser ganzes Leben ist. Ein Leben ohne Gedächtnis wäre kein Leben, wie eine Intelligenz ohne Ausdrucksmöglichkeit keine Intelligenz wäre. Unser Gedächtnis ist unser Zusammenhalt, unser Grund, unser Handeln, unser Gefühl. Ohne Gedächtnis sind wir nichts.

Impressum

Herausgeber: Theater Vorpommern GmbH

Stralsund – Greifswald – Putbus

Spielzeit 2024/25

Geschäftsführung: André Kretzschmar

Literaturnachweise:

Redaktion: Nadja Hess

Gestaltung: Wenzel Pawlitzky

1. Auflage: 500

Druck: Flyeralarm www.theater-vorpommern.de

Besondere Verhaltensweisen bei Demenzkranken, unter: www.bundesgesundheitsministerium.de Barth, Rolf / Bunge, Daniela: Mein Andersopa. München 2018.

Buñuel, Luis: Mein letzter Seufzer. Königstein/Ts. 1983.

Engel, Prof. Dr. Sabine: Alzheimer und andere Demenzen. Die Methode der einfühlsamen Kommunikation. Stuttgart 2021.

„Ich kann manchmal einfach nicht mehr denken“ – aus: Engel, Prof. Dr. Sabine: Alzheimer und andere Demenzen. Stuttgart 2021. Kuhn, Christina/Rutenkröger, Anja/Czolnowska, Magdalena (Illustr.): Oma Luise und die Schmetterlinge im Kopf. Ein Kinderfachbuch über Demenz. Frankfurt/Main 2021.

Mitchell, Wendy: Der Mensch, der ich einst war. Mein Leben mit Alzheimer. Hamburg 2019. Mueller, Dagmar H.: Herbst im Kopf. Meine Oma Anni hat Alzheimer. Mit Illustrationen von Verena Ballhaus. Wien – München 2006. Wie verläuft die Demenz-Erkrankung?, unter: www.deutsche-alzheimer.de Wüllenweber, Petra: Am Horizont. München 2007.

Petra Wüllenweber: „Ich liebe es Geschichten zu erzählen...“, unter: www.fabulamundi.eu/de/petra-wullenweber-2 „Drei Fragen an den Regisseur Arnim Beutel“ ist ein Originalbeitrag für dieses Heft von Nadja Hess.

Bildnachweise:

Das Coverfoto (U1) und die Fotos auf den Seiten 2, 3, 5, 8, 9, 11, 13, 14 und 15 stammen von Peter van Heesen.

Das Theater Vorpommern wird getragen durch die Hansestadt Stralsund, die Universitäts- und Hansestadt Greifswald und den Landkreis Vorpommern-Rügen

Es wird gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und EU-Angelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

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