Michael Simon – FERTIG gibt’s nicht. Bühnenbild. Prozesse

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Michael Simon F e r t i g gibt's nicht Bühnenbild Prozesse


Fragen zum Buch: Ist es strukturiert oder kann es eine Landschaft sein? Ein Bild hat keinen Anfang und kein Ende, aber das Buch hat immer eine erste und eine letzte Seite. Ich kann es in der Mitte aufschlagen, rückwärts blättern und auf einer Seite bleiben, solange ich will. Anders als eine Theateraufführung, denke ich. Die fängt für alle im gleichen Moment an und hört im gleichen Moment auf. Theater ist zeitbasierte Kunst. Wir arbeiten mit Text, Musik und mit dem Körper im Zeit-Raum. Wir definieren im Proben-Prozess zwar die Zeit-Dauer, aber dieser Prozess muss mit der Premiere nicht abgeschlossen sein wie das Buch bei der Drucklegung. Wie kann ich von diesem prozesshaften Arbeiten auch etwas in dieses Buch überführen?


Der obige Schriftzug ist Hindi und bedeutet AIR oder Luft. Dieses Wort sollte den Grundriss für einen begehbaren zweistöckigen Pavillon von 20x12m bilden. Im Januar 2020 war ich zu Gast in Kolkata, um die Realisierung des Projekts AIR für den Herbst 2020 zu besprechen. Der Pavillon aus flexibler Drahtgaze sollte sich pneumatisch im Rhythmus des Ein- und Ausatmens ausdehnen und wieder zusammenziehen - blaues LED Licht im gleichen Rhythmus pulsieren. Diese symbolhafte Architektur, geplant für das Durga Puja Festival im Oktober 2020, war eine utopische Vision inmitten der indischen 5 Millionenstadt Kolkata mit ihrer apokalyptischen Luftverschmutzung. Dieses Projekt konnte wegen der CovidPandemie nicht realisiert werden.



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Bildnachweise Alle Fotos und Videostills stammen bis auf die unten genannten Ausnahmen aus dem Bildarchiv von Michael Simon. Wir haben uns um die Einholung der Abbildungsrechte bemüht. Da in einigen Fällen die Inhaber der Rechte nicht zu ermitteln oder zu kontaktieren waren, werden rechtmäßige Ansprüche nach Geltendmachung abgegolten. David Baltzer S. 13, 31, 70, 71, 78, 80 | Thilo Beu S. 91, 94-99, 104, 168-171 | Mara Eggert S. 38, 39, 62-65 | Claude Giger S. 158, 159 | Franziska Greber S. 252, 254 | Frank Heller S. 176, 177 | Birgit Hupfeld S.128, 129, 132, 133, 141 | Christian Leiber S. 52, 53 | Liu Haifei S. 222 | Georg Hochmuth S. 74, 75 | Sebastian Hoppe S. 105 | Gerhard Kassner S. 84, 85, 88 | Jochen Klenk S.114, 115, 136, 137, 141, 236243 | Maurice Koerbel S.119, 120-123, 141 | Dominik Mentzos S. 79, 80, 81 | Hans Jörg Michel S. 102 | Dominik Rinnhofer S. 179, 188, 189 | Sonja Rothweiler S. 106-109 | Judith Schlosser S. 72, 73 | Maik Schug S. 100, 102 | Suzanne Schwiertz S. 33 | Matthias Stutte S. 13, 91, 92, 93 | Lupi Spuma S. 112, 113, 174, 175, 194-199, 232-235 | Bernd Uhlig S. 164, 165, 166 | Ruth Walz S. 208, 214-217 | Gert Weigelt S. 10, 11, 42, 44, 88, 149, 150, 151 | Gong Xun S. 202, 203 | Chris Ziegler S. 179, 184-187, 193.

Erscheint als Band 25 in der Reihe subTexte des „Institut für Performing Arts“ der Zürcher Hochschule der Künste Michael Simon FERTIG gibt’s nicht Bühnenbild Prozesse Herausgegeben vom Tilman Neuffer und Stephan Wetzel © 2022 by Theater der Zeit Texte und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich im Urheberrechts-Gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Medien. Verlag: Theater der Zeit Verlagsleiter: Harald Müller Korrektur: Sybill Schulte Winsstraße 72 | 10405 Berlin | Germany www.theaterderzeit.de Umschlag: „Kudlich, eine Anachronistische Puppenschlacht“, Videostill Michael Simon; Vordere Umschlagklappe Innen: Air-Modellfoto Michael Simon; Hintere Umschlagklappe Außen: Porträtfoto Franziska Greber; Hintere Umschlagklappe Innen: New Green Land Michael Simon Druck: Westermann Druck Zwickau Gedruckt auf FSC zertifiziertem Magno Satin Bilderdruckpapier. 135g Inhalt und 300g Umschlag. Printed in Germany ISBN 978-3-95749-365-1 (Paperback) ISBN 978-3-95749-410-8 (ePDF)


Michael Simon F e r t i g gibt's nicht Bühnenbild Prozesse Herausgegeben von Tilman Neuffer und Stephan Wetzel Text: Michael Simon, Mitarbeit: Tilman Neuffer Grafische Gestaltung: Simone Manthey Augmented Reality App Entwicklung: Innoversa.de (Leitung: Leila Mekacher)


I n h a l t s ve r

Dieses Buch dokumentiert die Prozesse und Ergebnisse meiner Arbeit als Bühnenbildner in der Zusammenarbeit mit Choreografen und Regisseur*innen sowie meine Arbeit in Personalunion von Bühnenbildner und Regisseur. In sechs Kapiteln versuche ich, die Arbeiten unter verschiedenen Blickwickeln zu betrachten und zu beschreiben. Deshalb gibt es keine Chronologie. Neben Fotos professioneller Fotograf*innen gibt es viele Probenfotos und Videostills von mir. Michael Simon

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LEUCHTENDE RÄUME

e r z e i ch n i s BEWEGTE RÄUME

Vorab 6 APP Gebrauchsanweisung 9

1. Leuchtende Räume 10 2. Bewegte Räume 38

WORT RÄUME

3. Wort Räume 84 4. Befragte Räume 144 5. Projizierte Räume 174

BEFRAGTE RÄUME

6. Material Räume 202 Fertig gibt′s nicht 244 Verzeichnis der Produktionen (Auswahl) 246 Team-Bios 250 Die schlafende Frau 251 New Green Land 252

PROJIZIERTE RÄUME

MATERIAL RÄUME


VORAB Wozu ein Buch über die eigene Theaterarbeit? Theater ist doch live. Das Buch zeigt nur Fotos, Momentaufnahmen. Kann es mehr sein als ein Rückblick? Kann man damit auch nach vorne schauen? Einen offenen Prozess zeigen? Mit solchen und ähnlichen Fragen kam eines Tages Michael Simon, vom Verlag Theater der Zeit auf die Idee gebracht, auf mich zu: Ob ich Lust hätte, mich an einem Buch über seine Bühnenbilder als dramaturgischer Mitarbeiter bzw. Herausgeber zu beteiligen. Ja, hatte ich. Aber zunächst mussten wir Antworten auf seine Fragen finden – oder besser: uns an die Antworten herantasten. Also machten wir, was wir schon öfter für Inszenierungen gemacht haben: Spazieren gehen, die Landschaft anschauen, uns über Gott und die Welt unterhalten, erste Gedanken austauschen, Wein trinken, dabei jeden Druck vermeidend, um in einen Zustand von Kreativität zu kommen. Michael ist ein Meister darin, im besten Fall entspannt fokussiert zu sein und die Dinge kommen zu lassen. Er ist bereit, auch erst mal gut funktionierende Lösungen für Bühnenbild- bzw. Inszenierungsfragen zu verwerfen, wenn sie seinem künstlerischen Instinkt oder seinen Ansprüchen nicht genügen. Seit unserer ersten Zusammenarbeit bei Jelineks „Prinzessinnendramen“ 2005 in Karlsruhe habe ich selten jemanden erlebt, der so offen, sich selbst hinterfragend, prozesshaft und teamorientiert arbeitet wie er und dabei die künstlerischen Energien aller Beteiligten freisetzen kann.

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Für das Buch kristallisierte sich allmählich eine Idee heraus: Es sollte eine Art Arbeitsbuch werden, das in seiner Form den Prozess des künstlerischen Arbeitens von Michael widerspiegelt. Und das nicht nur Highlights, sondern auch Umwege und Irrtümer

dokumentiert, um zu vermitteln, dass das prozesshafte Arbeiten nie endet: Fertig gibt’s nicht. Der Titel stand, der Rest ein vager Plan. Für diese Art von Buch ist die Form, das Layout entscheidend. Dafür kam schon früh die Grafikerin und Bühnenbildnerin Simone Manthey ins Team, die nicht nur grafisch, sondern auch inhaltlich wichtige Impulse einbrachte. Im Laufe eines Jahres trafen wir uns immer wieder, sprachen über einzelne Produktionen, machten Sprachaufnahmen unserer Unterhaltungen und verschriftlichten die Gespräche. Schließlich kristallisierte sich eine Struktur heraus, die tauglich schien. Im Mittelpunkt stehen Michaels zentrale Arbeitswerkzeuge, seine Gedanken-Räume werden zu Kapiteln: Licht, Bewegung, Worte, Konstruktion/ Dekonstruktion, Video und Material(ität). Diese Einteilung hebt Teilaspekte in den einzelnen Produktionen heraus. Es gibt Überschneidungen, Gedankensprünge und Parallelen, auf die verwiesen wird, im Text und grafisch durch Pfeile. Eine Frage blieb: Wie können die Abbildungen, die im Buch ja statisch sind und die Bewegung und den Wechsel der Szenarien nicht wiedergeben können, lebendig werden? Leila Mekacher entwickelte eine App, die die Bühnenbildfotos im Buch mit Videoclips verlinkt. Das lässt die Bilder tanzen, das Buch lebt. Die ursprüngliche Gesprächssituation sollte im Buch keine Rolle mehr spielen, sondern als Gerüst für Michaels eigenen Text und persönliche Schwerpunkte dienen. So entstand eine „Erzählung“, die die künstlerischen Prozesse transparent macht. Im zweiten Drittel der Arbeit am Buch stieß noch Stephan Wetzel dazu, der das Entstandene mit Kritik und Vorschlägen ergänzte.


VorAB Diese TeamProduktion geht dem Ende entgegen, das Buch wird sich in Papierform materialisieren. Aber es wird digital eine offene Form bewahren: Am Ende des Buchs gibt es einen Link auf die Homepage von Michael Simon zu den „Bonus-Tracks“, dem Material, das auf diesen 256 Seiten keinen Platz fand. Fertig gibt‘s nicht. Tilman Neuffer

„Das ist ein langes Wort: Immer!“, sagt Leonce zu Rosetta in Büchners Lustspiel, als seine Liebe endet. Genau 14,65m lang ist es auf Michael Simons Bühne. Die kolossalen Buchstaben füllen das Portal von rechts nach links und von oben nach unten, sie vergittern den Blick in den Raum dahinter, sie miniaturisieren die Schauspieler. Auf diese Weise den Text beim Wort zu nehmen, ist zu einem Markenzeichen in der Arbeit von Michael Simon geworden, verweist aber über die Wort-Bilder hinaus auf grundlegende Fragen bei der Raumfindung: Auf welchen Gegenstand trifft das Licht, gegen welche Wand rennt ein Körper, welchem Körper begegnet ein Text, welcher Text wird zum Gegenstand? Der Zusammenstoß erst schafft die Sichtbarkeit der verschiedenen Elemente, macht sie physisch, unhintergehbar, erlebbar. Dass sich aus solchen bei der Befragung des Raums entstandenen Gedanken andere dramaturgische Zwangsläufigkeiten ergeben als aus braver TextHermeneutik, habe ich in Michael Simons Dresdner „Werther“-Inszenierung gelernt. Eine Wand in Form einer blendend weißen steilen Treppe verschloss am Ende des Abends den Bühnenausschnitt. Geplant und gebaut war sie, bevor der Ablauf der Szenen gefunden war, eine Voraus-Setzung, gegen die sich das Spiel und die Geschichte behaupten mussten. Wie vereinzelte Schriftzeichen wirkten die Darsteller in ihren schwarzen, historische Silhouetten zitierenden Kostümen, festgeschrieben auf dem Weiß und ohne Spielraum. Aus der Weite, in der zuvor alles möglich war – von tänzerischer Bewegung bis zu entfernten Video-Traumbildern – wurde ein schmaler Grat, von dem das Werther-Gefühl unweigerlich abstürzen musste. Ob eine Form des Theaters, das im fortwährenden Prozess seine ästhetischen Mittel reflektiert, auch politisch sein kann, ist natürlich eine rhetorische Frage. Sie ist im idealen Fall sogar auf eine Art politisch, die nicht kalkuliert ist, die unversehens den Assoziationsraum Bühne sprengt. Das Spiel mit den Wort-Tafeln, das Jelineks Textflächen begehbar macht oder aufrecht stellt und zum Tanzen bringt, wird zum Kommentar auf eine Medienmaschine, die uns schon morgens auf dem Weg vorbei am Zeitungs-Kiosk – klassischerweise mit Reizworten in großen schwarz-roten Überschriften auf weißem Papier – Angst einjagen will. Aber auch darum geht es eigentlich nicht. Es geht um einen glücklichen Gedanken, den Gedanken, dass es möglich ist, ein Instrumentarium zu sammeln – Michael Simon bezieht es zu einem großen Teil aus seiner Arbeit mit William Forsythe – , das zugleich der analytischen Neugier dient und dem Gelingen der Neufindung. Das hört dann nicht auf. Stephan Wetzel

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In welchem Bühnenbild hätten Sie gerne einmal gewohnt?

Die sind nicht zum drin Wohnen da, sondern zum Performen. Wenn sich da jemand wohnlich drin fühlt, sind das schlechte Bühnenbilder. (Michael Simon, Zwischenrufe im „Jubiläumsband der Berliner Festspiele zu 50 Jahre Theatertreffen“)

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Achtung! Dieses Buch lebt! Mit Hilfe einer Augmented-Reality-App, die Sie auf Ihr Handy laden können, werden mehr als 35 Bilder in diesem Buch lebendig. 1. Diese App ist kostenlos. Sie finden die AppVersionen für Ihr iOS- oder Android-Gerät auf meiner Homepage https://michaelsimon.ch/buch oder direkt, indem Sie diesen QR-Code scannen: 2. Starten Sie die App und richten Sie Ihr Handy, das mit dem Internet verbunden sein muss, im Querformat auf die mit einem roten Quadrat markierten Fotos (erstes ARBild finden Sie auf Seite 23). Die optimale Distanz zum Foto beträgt 10 bis 20cm: Die Bühnenbilder lernen laufen. Die Videoclips aus meinem Videoarchiv sind größten Teils keine HD-Qualität. Sie sind zusammengeschnitten mit dem Fokus auf die Bühnenbilder und geben keinen Eindruck der Inszenierungen wieder. Sie haben keinen Ton, sind maximal 90 Sekunden lang und laufen oft in doppelter Geschwindigkeit ab, um zum Beispiel Bewegungen zu verdeutlichen.

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leuchtende

R


RÄume

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LDC Seite 42


LEUCHTENDE RÄUME

WERTHER

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2007

Bei jedem Discobesuch in meiner Jugend ging der Blick zuerst zur Lichtorgel. Pink-Floyd-Konzerte haben mir die Augen für die Wirkung von Licht auf der Bühne geöffnet. Während meines Bühnenbildstudiums in Stuttgart wollte ich nie ins Modell schauen, sondern eins zu eins arbeiten. Licht lässt sich im Modell mit einer Taschenlampe nicht wirklich simulieren. Ich habe lieber eine Glühbirne in einem dunklen Treppenhaus zwischen den Stockwerken rauf- und runterbewegt und dabei das Verhältnis zwischen Licht, Schatten und Raum erforscht.


BLACK RIDER

1994

Licht kann sich in Bewegung setzen. Das bewegte Licht ist ein eigener Akteur zusammen mit der Wand, auf die der Schatten eines Menschen fällt.

Lost siehe Seite 24

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LEUCHTENDE RÄUME

THIS GUY IN THE MAGAZINE

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1980

Meine Projekte in New York zwischen 1979 und 1981 lebten nur vom Licht. Ich hatte gar keine anderen Mittel. Dort habe ich Licht als aktives Mittel begreifen gelernt: Bühnenbild = Licht in Bewegung. Die Erfahrung dabei war, dass es nicht allein um die Frage geht, mit welchen Mitteln ich einen Raum gestalten kann, sondern dass es um

Beeinflussung der Wahrnehmung vom Raum geht. Ein Raum kann sich durch einen Umbau verändern, aber ein Lichtwechsel lässt uns den Raum und die Menschen darin sofort anders wahrnehmen.


Bei der Performance THIS GUY IN THE MAGAZINE, 1980 im ersten Stock eines leergeräumten Billardsaloons in der 14. Straße in New York, benutzte ich das Licht einer Straßenlaterne, das durch ein Fenster mit Jalousie fiel, und kombinierte es mit einer Tischlampe. Je nach Stellung der Jalousie veränderte sich die Atmosphäre des Raums. Die Performer positionierten die Tischlampe für jede Szene neu. Der eindrückliche Bildraum entstand mit minimalsten Mitteln.

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siehe Material Räume 204

Die Beziehung zwischen Körper, Licht und Raum konnte ich bei MEMORIES CAN’T WAIT 1981, inszeniert gemeinsam mit Marc Maislen, weiterentwickeln.

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Der Ort, die Performing Garage der Wooster Group, war eine Lastwagengarage für hundert Zuschauer. Wir hatten nur ein paar Stühle, eine grüne Armeeplane, das Auto der Schauspielerin, das Garagentor und sechzig Scheinwerfer. Die Hälfte der Scheinwerfer stellte ich auf den Boden, um mit den Schatten der Schauspielenden zu arbeiten. Das war meine Abschlussarbeit als Student. Ich habe die Fotos zusammen mit einer Kritik der New York Times in die Akademie in Stuttgart gehängt und behauptet: Jetzt bin ich fertig.


LEUCHTENDE RÄUME

MEMORIES CAN'T WAIT

1981

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Der Choreograf William Forsythe hatte „Memories can’t wait“ in New York gesehen und lud mich 1982 ein, an der Ballettproduktion GÄNGE im Nederlands Dans Theater in Den Haag mitzuarbeiten. Nach der Erfahrung in New York siehe Befragte entschied ich, für die Entwicklung des LichtRäume und des Bühnenkonzepts bei jeder Probe im 148 Ballettsaal dabei zu sein.

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Harte Lichtwechsel aus verschiedenen Richtungen strukturierten den Stückablauf. Bodenscheinwerfer warfen die Schatten der Tänzer*innen auf eine Wand, wo sie vermessen und mit Kreide markiert wurden. Als Artefakte einer Bewegung der Tänzer*innen und ihrer Schatten entstanden so sich überlagernde Körperbilder.

Um den Blick der Zuschauenden auf kleine Dinge zu lenken, setzte ich Diaprojektoren ein, die flach über dem Boden nur die Spitzenschuhe der Tänzerinnen beleuchteten. Ein Lichtstrahl aus einem schmalen Türschlitz hob allein die Hand einer Tänzerin bei ihrer Annäherung aus dem dunklen Raum heraus. Diese scheinbar einfachen Details verdichteten sich zu einer zusammenhängenden

Erzählweise des Lichts.

Diese Arbeit fand ihre direkte Fortsetzung an der Frankfurter Oper, wo nach einem dreiviertel Jahr Proben 1983 der 2. und 3. Teil von GÄNGE. EIN STÜCK ÜBER BALLETT Premiere hatte.


Das Prinzip der harten Lichtwechsel, der vermessenen LEUCHTENDE RÄUME Schatten und der abgeschobenen Lichträume erweiterte ich in dem dreiteiligen Abend auf der 40m tiefen Bühne zu einer Untersuchung über die Perspektive. Beleuchtungsgeräte mit unterschiedlichsten Lichtqualitäten, von Natriumdampf über HQI zu HMI, wurden hinter zwanzig sich verjüngenden Türen in einer diagonal verlaufenden Wand installiert. Der ganze Abend mit seinen andauernden Hell-Dunkel-Szenen war eine Zumutung für die Tänzer*innen. Ich glaube, nur durch mein kontinuierliches Arbeiten am Licht während des Probenprozesses konnte ich das Vertrauen der Tänzer*innen gewinnen und ihnen dann auf der Bühne ein sicheres Gefühl zwischen den krassen Lichtwechseln, dem Geblendet-Werden und dem Black Out geben.

GÄNGE. EIN STÜCK ÜBER BALLETT 1982 + 83

Die gleichen Tänzer*innen wirbelten zwei Jahre später bei der Produktion LDC von William Forsythe Halogenlampen an ihren Kabeln wie Lassos über ihre Köpfe. In dieser Produktion setzten wir zum ersten Mal das Licht selbst in Bewegung. 19

siehe Bewegte Räume 42

LDC

1985


Am Nederlands Dans Theater, 1988 in Den Haag, wollte ich zusammen mit dem Choreografen Jiri Kylian KAGUYAHIME, einen Stoff aus dem japanischen Mittelalter, zeitlos im Jetzt erzählen. Ich arbeitete nur mit Materialien, die auf der Bühne vorhanden waren: Scheinwerfer, Ballettboden, schwarze Vorhänge, Zugstangen und Seile, Flightcases und Schminkkoffer. 20

Alle Türme für das Gassenlicht wurden dicht an dicht auf eine Seite gestellt. Die Zugstangen waren bis auf 3m über den Boden heruntergefahren und nur mit kleinen Halogenstrahlern bestückt. Die Stangen, einmal angestoßen, konnten minutenlang an ihren langen Seilen seitlich hin und her schwingen. Ich habe nur die schwingenden Seile beleuchtet: ein Wald aus Drahtseilen. Eigentlich sah man nur Technik, aber die Poesie entstand über die Bewegung und über das Licht.


LeUCHteNDe rÄUMe

Für eine Kampfszene schnitten Tänzer*innen die Rückwand aus Ballettboden mit langen Messern auf. Das Licht zweier HMI-Scheinwerfer durch die langen Schlitze machte die Bewegung der freihängenden Bahnen bedrohlich.

KAgUYAHiMe

1988

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LEUCHTENDE RÄUME

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Für eine andere Szene wurden 24 Profilscheinwerfer zu einem scharfen Raster abgeschoben. Der Leerraum zwischen den Lichtstreifen blieb dunkel. Das Hell-Dunkel gab den Bewegungen der Tänzer*innen eine extreme Dynamik. Am Schluss des Balletts bildeten die zwölf Tänzer*innen mit den 12 Flightcases eine Reihe unter einer Zugstange mit 20 Flutern. Als sie die Kisten mit der Spiegelseite schräg kippten, wurde das gleißend helle Licht ins Publikum geworfen. Das Besondere bei dieser Zusammenarbeit mit dem Choreografen Jiri Kylian war, dass er viele technische Vorgänge in die Choreografie integriert hat.


KAgUYAHiMe

1988

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LeUCHteNDe rÄUMe

Für meine erste Schauspielinszenierung BLACK RIDER von Burroughs, Waits, Wilson, 1994 in Dortmund, habe ich das Theater angeschaut und der Bühnenbildner in mir dachte: „Du musst eigentlich nur die Bühne leer lassen“. Ich suchte eine Verbindung von Licht und Nebel, der beim Einlass und während der ersten Szene den gesamten Zuschauerraum mit einhüllte. Quasi ein Hörstück im grünen Nebel-Licht. In der zentralen Waldszene führt der Teufel den jungen Wilhelm zuerst mit einer einzigen Glühbirne in den Nebel, der die Bühne grenzenlos erscheinen lässt. Die Lampe fliegt durch den Raum. Ein bewegter Baum im Nebel ist der Wald. Das

Mittel der fliegenden Glühbirne wird durch zwei HMI-Scheinwerfer erweitert, die, von der Darstellerin des Teufels angestoßen, ebenfalls im Nebel pendeln. Sylvie Rohrer stemmt dazu einen Fluter auf einem Stativ quer in die Luft und dreht sich mit dem Scheinwerfer um die eigene Achse. Alle Lichtbewegungen, zusammen mit dem pendelnden Baumstamm im Nebel, erzeugten eine komplette Orientierungslosigkeit. Der Zustand wurde nicht gespielt, er war real:

lost in the forest.

Diese Erfahrung beim Einsatz von Nebel in Verbindung mit Licht konnte ich bei anderen Produktionen mit differenzierteren Nebelmaschinen und Hazern weiterentwickeln. Ich denke, dass mich meine Arbeit in New York dreizehn Jahre zuvor konditioniert hatte, mit sparsamsten Mitteln einen Bühnenraum zu „füllen“.


LeUCHteNDe rÄUMe LeUCHteNDe rÄUMe

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BLACK riDer

1994


LeUCHteNDe rÄUMe

BLACK riDer

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1994


LeUCHteNDe rÄUMe LeUCHteNDe rÄUMe


Für DREAMTIME, frei nach Shakespeares „Macbeth“, 2003 in Karlsruhe, entwickelte ich eine Schattentheater-Produktion im Cinemascope-Format. Gekauft wurde nur eine weißes Leinwand von 24x8m.

Der Rest war Licht und Schatten. 28

Es waren sechs Scheinwerfer am Start, die, von Statist*innen bewegt, die Schatten zum Tanzen brachten. Die Schauspieler*innen konnten unter der Leinwand hindurch auf die Vorbühne, wurden aber von den Schatten weiter verfolgt.

Das Publikum stand nach der Pause auf der Bühne. Nachdem in einer Szene die Leinwand heruntergerissen worden war, erkundeten Schauspieler*innen den dunklen Zuschauerraum mit starken Taschenlampen.


DREAMTIME

LEUCHTENDE RÄUME 2003

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LeUCHteNDe rÄUMe

BiLDBeSCHreiBUNg

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1996

Die ungewöhnlichste Arbeit mit Licht war meine Inszenierung von Heiner Müllers BILDBESCHREIBUNG, 1996 für das Weimarer Kunstfest. Im Steinbruch Ehringsdorf wurde sie zu einer begehbaren Installation, in der das Publikum einen Kilometer zurücklegen konnte. Es gab keine gebauten Bühnenbilder, sondern das Licht hatte die Aufgabe, Schauplätze zu definieren. Ich hatte keine Erfahrung darin, eine Landschaft zu beleuchten, wollte aber Lichtbewegungen über große Entfernungen erzeugen. Dafür benützte ich die Scheinwerfer von fahrenden Lastwagen und Planierraupen. Das wörtliche „Highlight“ bestand in einem Kran, an dem ein Baustellenfluter montiert war. Durch die Rotation des Krans konnte ich mit einem Scheinwerfer abwechselnd verschiedene Bereiche der umgebenden Landschaft und des Steinbruchs beleuchten.


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LEUCHTENDE RÄUME

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In den letzten Jahren hat die LED-Technologie die Möglichkeiten des Theaterlichts erweitert. Bei der Oper DIE STADT DER BLINDEN von Arno Schreier, 2011 inszeniert von Stephan Müller in Zürich, habe ich mir eine Besonderheit dieser Technologie zu Nutze gemacht. Die Geräte sind deutlich kleiner als Halogen-Scheinwerfer. Für das Thema des „Eingeschlossen-Seins“ entwarf ich einen geschlossenen Raum ohne Ausgänge. Für die Struktur der Wände und der Plafonds habe ich mich von der Blindenschrift „Braille“ inspirieren lassen. Die Seitenwände und Plafonds waren mit Schlitzen perforiert, durch die Licht in den Raum dringen konnte. Die schmalen LED-Rampen hinter den Schlitzen wurden fest in die fahrbaren Seitenwände eingebaut.


Das Besondere des Raums ohne Türen waren die horizontalen und vertikalen Bewegungen der einzelnen Raumsegmente. Fünf Hubpodien mit den darauf stehenden Seitenwänden, fünf Plafonds und die Rückwand bewegten sich über die gesamte Dauer der Aufführung. Die Auftritte der Sänger*innen und des Chors erfolgten nur über die Unterbühne. Es entstand ein

Raum der Verunsicherung.

Durch Schweinwerfer, die neben den Wänden und über den Plafonds bewegt wurden, bekam der ganze Raum eine zusätzliche Dynamik.

StADt Der BLiNDeN

2011


LEUCHTENDE RÄUME

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Stadt der blinden 2011


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Veränderung erzeugt in unserer Wahrnehmu ng


mu ng einen Zustand erhöhter Aufmerksamkeit


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Römische Hunde Seite 62

Bewegte Räume 39


BEWEGTE RÄUME


„Bewegung in der Zeit“ heißt, schnell oder langsam von einem Ort zum anderen zu kommen. „Bewegung im Sozialen“: Die Gesellschaft verändert sich ständig, befindet sich in permanenter Umwälzung. „Bewegung im Kopf“ als mentaler Zustand bedeutet geistige Beweglichkeit, Offenheit für Neues. „Bewegung im Körper“: Die Knochen im Körper bewegen sich über Gelenke. Alle sind verbunden mit Sehnen und Muskeln.

Bühnenbilder haben sich in meiner Fantasie eigentlich immer bewegt. So wie sich beim Lesen eines

Textes die Augen von links nach rechts über die Worte bewegen und dadurch eine Erzählung entsteht, erscheint mir die Bewegung von Objekten auf der Bühne gleichsam wie ein bildhaftes Erzählen. Jeder neue Blickwinkel lässt die Dinge in einem anderen Licht erscheinen. Was passiert, wenn ich auf einer Drehscheibe einen Körper von allen Seiten sehen kann? Was erzählt sich da vor unseren Augen? Es entsteht ein Dialog zwischen Objekt und Körper. Das Bühnenbild wird zum aktiven Spielpartner, die Performenden müssen sich zu der Bewegung verhalten. Zu Beginn jeder neuen Produktion habe ich mich mit den technischen Möglichkeiten der Bühne auseinandergesetzt und überlegt, wie ich etwas in Bewegung übersetzen kann: Etwas taucht von unten aus der Versenkung oder von oben aus dem Schnürboden auf und verschwindet wieder; etwas fährt von einer Bühnenseite zur anderen, oder etwas kommt von der Hinterbühne nach vorne auf uns zu. Und natürlich die endlose Kreisbewegung auf der Drehbühne. Ob es ein Mensch auf einem Laufband ist oder Objekte, die vorbeidrehen, jede Bewegung erzeugt in unserer Wahrnehmung einen Zustand erhöhter Aufmerksamkeit.

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Die erste Erfahrung mit Maschinenbewegungen habe ich 1985 während der Produktion LDC von William Forsythe auf der 38m durchmessenden Drehscheibe der Frankfurter Opernbühne machen können. Als ich damals selbst auf der Drehbühne stand und sie sich in Bewegung setzte, fragte ich mich: Bewegt sich der Raum um mich herum, oder bewegt sich die Bühne mit mir im Raum?

BEWEGTE RÄUME

Diese Beobachtung passt zum Inhalt dieses Projekts, das sich auf die Tagebücher Robert Scotts bei seiner Expedition zum Südpol bezog. Der Begriff „Expedition“ impliziert „Bewegung“ und „Forschen am Unbekannten“. Für mich war es ein „Forschen“ an und mit der Theatermaschinerie der Frankfurter Oper. Eine vollständige Drehung der großen Drehbühne dauert fast fünf Minuten, und der Vorgang, ein Objekt aus 40m Bühnentiefe nach vorne zu bewegen, scheint endlos, als ob Raum und Zeit ineinanderflössen. Ich entwickelte zwei Objekte: Einen Kubus von 5m Kantenlänge als Versorgungsobjekt der Expedition. Er war Material-, Licht-, Klang- und Informationsquelle in einem und wurde wie ein Schlitten von den Tänzer*innen in einer Sisyphus-gleichen Arbeit über die Bühne gezogen. War der Kubus nach 40m Arbeit vorne angekommen, drehte ihn die Bühne wieder nach hinten.

42 siehe Leuchtende Räume 19

LDC

1985


BEWEGTE RÄUME

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BEWEGTE RÄUME

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BEWEGTE RÄUME

Das zweite Objekt war eine Turbine wie für einen Jumbojet. Die Rotorblätter blieben still.

Bewegung und Stillstand bildeten die beiden Pole dieser Produktion.

LDC

45 1985


BEWEGTE RÄUME

Maria Stuart

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1986

Bei Schillers MARIA STUART 1986 in Freiburg, in der Regie von Thomas Reichert, stellte ich durch „Bewegung“ Beziehungen zwischen Objekten her. Zwei Kronen-Symbole waren ins Architektonische vergrößert und schräg gekippt. Narration durch Überhöhung mit Symbolen.

Diese zwei Objekte standen sich auf der Drehbühne gegenüber und bildeten je nach Position einen Innenraum, der der jeweiligen Königin zugeordnet war. Oder sie traten bei der Drehung in eine räumliche Spannung, die inhaltlich die Frage aufwarf, welche der beiden Kronen die Macht gewinnen wird. (Heute stört mich die Goldfarbe der einen Krone sowie die rostrote Bemalung der anderen. Die Oberfläche hätte rohes Holz bleiben müssen. Realität, nicht Deko.) siehe Material Räume 208


SPIEL VOM ENDE DER ZEIT

1994

Einen Raum aus der Balance bringen oder unsere Wahrnehmung des Raums aus dem Gleichgewicht: Diese Aufgabe hat sich mir bei der Inszenierung von Carl Orffs SPIEL VOM ENDE DER ZEIT, 1994 in Ulm, gestellt. Eine hängende rote Wand von 14x8m schwang langsam vor und zurück, während der Bühnenboden in eine schräge Position kippte. Der dreieckige Plafond von 11m Kantenlänge neigte sich steil, bis er fast auf einer Spitze zu stehen kam. Auf der Hinterbühne stand eine ZEIT-Tafel, und die Sängerin Ute Döring sang, auf einer hohen Leiter stehend, in ein überdimensionales Sprachrohr. Die Drehscheibe mit der ZEIT-Tafel setzte sich in Bewegung, die Leiter kippte, und die Sängerin hing in der Luft.

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BEWEGTE RÄUME

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Dass sich Bewegung mit einem Inhalt verbinden lässt, zeigen die zwei Fassungen der Produktion DER AUFTRAG von Heiner Müller, in der Regie von Herbert König, 1988 für die Ruhrfestspiele in Recklinghausen. Ein weißer Kubus fuhr auf einer Schiene diagonal über die Bühne in die Höhe. Sich auf die Textpassage „Der Mann im Fahrstuhl“ beziehend, bewegte er sich zwischen der „Revolution“, dargestellt durch eine riesige blaue „Menschenwelle“, und der abstrahierten Guillotine hin und her.


DER AUFTRAG

1988

Bei der späteren Fassung im Düsseldorfer Schauspielhaus habe ich die technischen Möglichkeiten der dortigen Bühne ausgeschöpft und den Kubus aus der Versenkung bei gleichzeitig drehender Bühne kommen lassen. Durch die Drehung setzte sich die „Menschenwelle“ in Bewegung. Beide Fassungen hatten unterschiedliche Schwerpunkte, waren für mich aber gleichwertig.

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BeWegte rÄUMe

gOLeM

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2002


Das Verhältnis zwischen zwei Figuren eines Stücks mit einem Bewegungsbild auf den Punkt zu bringen, war die Aufgabe bei GOLEM nach Gustav Meyrink, 2002 im Theater Basel. Die Figur des Pernath versucht, auf dem Laufband rennend, dem Golem zu entkommen. Während Pernath an einem Ende des Laufbandes ankommt, dreht es wieder nach vorne und bringt ihn an den Ausgangspunkt seiner Flucht zurück. Der Golem steht dabei still und lässt sich vom Laufband wieder zu Pernath transportieren. Ein expressionistischer Albtraum.

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L'espace dernier

BEWEGTE RÄUME

Bei meiner Inszenierung von Lʼ ESPACE DERNIER von Matthias Pintscher, 2004 an der Pariser Bastille Oper, habe ich die gleichzeitige Bewegung mehrerer Elemente auf der Bühne verfeinert. Ein Objekt drehte sich in der Luft, auf einer mobilen Drehscheibe fuhr ein begehbares spiralförmiges Objekt diagonal über die Bühne. Für dieses Element ließ ich mich vom Möbius-Band, einer Metapher für die unendliche Bewegung, inspirieren. Die kreisende Fahrt zweier 8m hoher und 18m langer, gebogener Wände ließ immer wieder neue Durchblicke in die Raumtiefe zu. Ziel dieses Konzepts war es, ein

Labyrinth der Bewegung zu schaffen. Im „Letzten

Raum“, so der Titel der Oper, sollte es keinen festen Halt für unser Auge und die Figuren mehr geben.

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2004


BEWEGTE RÄUME

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BEWEGTE RÄUME

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BEWEGTE RÄUME

LIMBS THEOREM

1990

Bei dem Ballett LIMBS THEOREM von William Forsythe, 1990 in Frankfurt, gab der Titel schon das Untersuchungsthema vor. „Limb“, also das Gelenk in unserem Körper, lässt uns die Arme und Beine bewegen. Die Untersuchung der Gelenkfunktionen übertrug ich auf Bühnenbildelemente. Im ersten Teil des Abends rotierte ein schräg auf einer Ecke stehendes Rechteck von 11x7m um seine Achse. Mit der Bewegung dieses Objekts auf der Bühne war der gesamte Raum „gefüllt“. Das Drehgelenk für dieses rechteckige Segel war in der Bühnenmitte verankert. Das Objekt erzeugte je nach Position immer wieder neue Raumspannungen auf der 20x20m großen Bühne.

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BEWEGTE RÄUME

LIMBS THEOREM

1990


1990

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BEWEGTE RÄUME

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LIMBS THEOREM

1990


Im dritten Teil von „Limbs Theorem“ kehrte sich die Beziehung um. So, wie im ersten Teil das Segel durch seine Bewegung den Raum um sich herum definierte und jeweils freigab, bildete das hängende Kugelsegment mit einer kreisenden Bewegung einen Leerraum. Darin fand ein Dialog zwischen dem rotierenden Objekt und den bewegten Körpern der Tänzer*innen statt. Der Prozess dahin war allerdings nicht geplant. Das Kugelsegment stand bei der technischen Einrichtung bewegungslos auf einer Metallkonstruktion mit der weißen Innenfläche nach vorne. Es wirkte komplett langweilig, undynamisch, trostlos. Erst als wir es um 45 Grad gekippt und mittig aufgehängt hatten, ließ es sich drehen. Die metallene Stützkonstruktion ragte jetzt seitlich heraus und gab dem Objekt eine zusätzliche Spannung. Durch die nicht geplante Drehung wurde plötzlich die technische Rückseite sichtbar. Ich hatte nie über deren Gestaltung nachgedacht, war aber begeistert von der Konstruktion, die sich die Werkstatt beim Flugzeugbau abgeschaut hatte. Das Objekt wurde erst durch die Ansicht von allen Seiten zu einem ästhetischen Highlight. Ein wunderbares Beispiel für ACCIDENTAL DESIGN. Diese Arbeit war nach acht Jahren der Höhepunkt meiner Zusammenarbeit mit William Forsythe. Sie hat mein Verständnis von der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen Performenden und Bühnenbild nachhaltig geprägt: prozesshaftes Arbeiten, auch nach der Premiere.

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BEWEGTE RÄUME

Was auf den vorherigen Seiten zu sehen ist, ist die weiterentwickelte Probeversion des ursprünglich geplanten Objekts. Die Orginalkonstruktion, die von einem Motor gesteuert werde sollte, brach vier Tage vor der Premiere auseinander. Diese Katastrophe führte zu einem tiefgreifenden Umdenken. Meine Faszination für Maschinenbewegungen wich der Erkenntnis, dass die Drehung eines Objekts, ausgeführt von einem Menschen, die Bewegung im Raum viel sinnlicher erfahrbar macht. Bis heute bewegt deshalb ein Tänzer die simplere Probenversion. Bis zu den Wiederaufnahmeproben 1999 in Frankfurt hatte sich mein Blick auf die Produktion verändert. Ich wollte den ersten Teil auf das Wesentliche, das Segel und dessen Bewegung, konzentrieren. Mehrere kleine Objekte sah ich 60 jetzt als dekoratives Beiwerk an, sie wurden aus-

gemustert. Im dritten Teil haben wir einen rotierenden und pneumatisch sich senkenden Aluminiumträger aus Sicherheitsgründen eliminiert. Da er inhaltlich für mich das Gegenstück zum Kugelsegment bildete, war das eine Herausforderung. Damals habe ich es mir zum Prinzip gemacht, ein Bühnenbild immer zuerst für den Ort der Premiere zu konzipieren. Bei Gastspielen oder Neuauflagen auf anderen Bühnen versuchte ich, flexibel auf die dortigen Gegebenheiten zu reagieren und gegebenenfalls auch inhaltliche Veränderungen zuzulassen. Ein Gastspiel an der technischen Realisierbarkeit scheitern zu lassen, kam für mich nicht infrage. Ein Beispiel dafür ist die letzte Fassung von „Limbs Theorem“ 2014 in Lyon. Hier musste wegen anderer Bühnenmaße das Segel verkleinert werden. Alle Veränderungen haben der Grundidee nicht geschadet, sondern diese Produktion über 24 Jahre lebendig gehalten.

KATASTROPHE?


LIMBS THEOREM

1990


BEWEGTE RÄUME

RÖMISCHE Hunde

1991

Für RÖMISCHE HUNDE, die zweite Produktion zusammen mit Heiner Goebbels 1991 am Theater am Turm in Frankfurt, suchte ich nach einer Metapher für die Begriffe „Dynamik“ und „Bewegung“. Dafür entwickelte ich, inspiriert von Wladimir Tatlins „Monument für die Revolution“, eine ansteigende spiralförmige Wand, die auf einer steilen Schräge stehend bis unter die Saaldecke reichte. Die Schräge war wiederum auf einer Drehscheibe fixiert. Das Objekt machte während der Drehung den Eindruck, als ob es in die erste Zuschauerreihe kippen könnte. Die Wände der Spirale wurden während der Vorstellung aufgeschoben, um den Blick in den Innenraum freizugeben.

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Bei dieser Produktion hatte ich das Glück, für den zweiten Aufführungszyklus am Bühnenbild weiter arbeiten zu können. Ich war bis zur Premiere der Meinung, dass alle Materialien ihre Originaloberflächen behalten sollten. Die „Spirale“ wie auch alle umgebenden Wände waren aus hellem Sperrholz. Als ich die Bühne aber nach einigen Monaten wieder sah, schienen sich die Objekte gegenseitig zu „erschlagen“. Daher ließ ich für die zweite Fassung alles schwarz streichen. Die Objekte traten zurück und verbanden sich mit der sie umgebenden Blackboxarchitektur. Im übertragenen Sinn bekamen sie „Luft“ zum Atmen.


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BEWEGTE RÄUME

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RÖMISCHE Hunde 1991

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BEWEGTE RÄUME

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Die Idee für einen spiralförmigen Raum habe ich für ROBERTO ZUCCO von Jean-Marie Koltès, 1991 in der Regie von Herbert König, am Düsseldorfer Schauspielhaus weiterentwickelt. Hier entstand die Spirale nur in unserer Wahrnehmung durch eine spezielle Anordnung der Wandsegmente, die sich einzeln, unabhängig von der Drehbühne auf Kreisbahnen bewegen konnten.


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ROBERTO Zucco

1991


BeWegte rÄUMe

„Bewegung“ heißt aber nicht nur maschinelle Bewegung. Meine Inszenierung der PRINZESSINNENDRAMEN von Elfriede Jelinek, 2005 in Karlsruhe zusammen mit dem Dramaturgen Tilman Neuffer entwickelt, zeigte zuerst eine leere Bühne. Es gab nur einen „Baukasten“ mit Bühnenbildversatzstücken. Auf den Proben entstand das Bühnenbild aus ausgewählten Elementen, die auf offener Bühne in einer inszenierten Bewegung gemeinsam durch die Techniker*innen und Schauspieler*innen positioniert wurden. „Bewegen“ hieß hier „Auffüllen“, „Aufrichten“, „Einschließen“ usw. Diese Vorgänge waren Szenen, kein klassischer Umbau –

prozesshaftes Bühnenbild

ein . Diese Arbeitsweise kam unserem Umgang mit dem offenen Textmaterial von Jelinek entgegen.

PriNZeSSiNNeNDrAMeN

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2005


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Für die Bühne meiner Inszenierung von JEKYLL UND HYDE nach Robert Louis Stevenson, 1995 an der Volksbühne Berlin, setzte ich auf die Bereitschaft der Schauspieler*innen, sich auf extreme Setzungen einzulassen. Entsprechend zur Doppelfigur konstruierte ich zwei bewegliche Stege, wovon der eine auf der Drehbühne positioniert war und der zweite über die ersten fünf Zuschauerreihen hinausragte. Für die Verfolgungsjagd auf Jekyll setzte ich zwei Wandsegmente in Bewegung. Eins kippte mit den Schauspielern auf der Vorbühne knapp über die erste Reihe, und das zweite drehte über der Bühne in 7m Höhe.

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Die Schauspieler Herbert Fritsch und Bernhard Schütz enterten die hängende Wand von der sich bewegenden Bühne aus und lieferten sich ein Duell auf der frei drehenden Wand. Hier stieß die Idee, mit vollem Körpereinsatz alles in Bewegung zu versetzen, an physische und sicherheitstechnische Grenzen. Leider haben sich die wenigen Elemente auf der Bühne nicht zwingend verbinden lassen, sondern blieben beliebige Klettergerüste wie im Zirkus. Sie erzeugten nicht den notwendigen Widerstand, der inhaltlich einen Mehrwert für die Szene gebracht hätte.

JEKYLL & HYDE

1995

BEWEGTE RÄUME


BEWEGTE RÄUME

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Richard III.

2010


Auch die Inszenierung von RICHARD III., 2010 auf der großen Bühne in Basel, setzte bewusst auf wenige Bühnenbildelemente, die alle beweglich waren. Das zentrale Objekt war ein Trichter, der verschiedene Funktionen erfüllte. Wie ein Hamsterrad wurde er von einer Schauspielerin, als Metapher für die Aussichtslosigkeit, im Kreis bewegt. Der Trichter, als Versprechen der zukünftigen Macht, hing in der Luft und stand am Ende als riesiger Thron Richards umgekehrt am Boden.

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BEWEGTE RÄUME

Die Reduktion auf das Wesentliche bildete die Idee für das Bühnenbild von FASCHING von Gerhard Fritsch, 2015 inszeniert von Anna Badora am Volkstheater Wien: Ein großer Rahmen als zentrales Objekt auf der leeren Drehbühne, auf der sich zwei Figuren gegenüberstehen. Hier thematisieren sich das „Sehen“ und das „Gesehen-Werden“ mit jeder Drehung neu. Der Rahmen vergrößerte und konzentrierte den Blick auf die Figuren und ihre Konflikte.

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Fasching

2015


BEWEGTE RÄUME

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Bei KUDLICH von Thomas Köck, 2018 in Ingolstadt, war die größte Herausforderung das Timing für die zwölf Wortwände, die im Schnürboden hingen. Um den Lesevorgang für das Publikum zu einem assoziativen Ereignis zu machen, war der Rhythmus des Auftauchens und Verschwindens der Worte entscheidend. Ich nannte diesen Vorgang das 76

siehe Wort Räume 136

Schreiben im Raum

. Für eine perfekte Abstimmung hätte ich die doppelte Programmierzeit auf der Bühne gebraucht.


BEWEGTE RÄUME

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BLAUBART

2013

KUDLICH

2018


Den Begriff „Bewegung“ habe ich am Anfang des Kapitels an die „Wahrnehmung“ gekoppelt. Bisher war damit die Perspektive des passiv im Theater sitzenden Publikums gemeint. Was passiert, wenn ich die Zuschauenden in Bewegung setze und sie auf eine Entdeckungsreise durch das Theater schicke?

BEWEGTE RÄUME

Dies war mein Ansatz bei meiner Inszenierung von SCHLAFLOS von Bettina Erasmy 1996 an der Schaubühne Berlin. Es war eine Raumerkundung der Schaubühnen-Architektur und -Technik, ganz neu damals für dieses Theater. Eine Wahrnehmungserforschung von Farben, von Hell und Dunkel, voller Bühne und leerer Bühne, Bewegung der Bühne und des Lichts. Das Publikum erkundete das gesamte Gebäude vom Foyer über die Unterbühne, die Säle A und B bis zum Dach. Dieser erste Teil des Abends wurde zu einer szenischen Installation, die eine perfekte Inszenierung des Zuschauerstroms erforderte. Die Zuschauer*innen gingen vom Foyer in die Unterbühne, wo die Schalltore zwischen Saal A und Saal B so weit geöffnet waren, dass der Wald aus Scherenstützen der Podien in voller Länge des Gebäudes sichtbar war.

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SCHLAFLOS

1996

Nachdem man die Unterbühneninstallation durchquert hatte, stieg man die Treppe hoch in den Saal A. Der gesamte Raum war im Nebel nur zu erahnen, wie auch die Person an der einzigen Lichtquelle, einer Glühbirne, die an- und ausging. Eine Tür weiter fand man sich auf der Straße wieder und sah eine Performance auf dem Dach der Schaubühne. Eine Hintertür führte auf die Bühne des Saals B.

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Durch ein Labyrinth farbiger Wände und unter kreisenden Lautsprechern und Scheinwerfern gelangte man durch einen Vorhangschlitz in den nicht bestuhlten Zuschauerraum. Diese ersten dreißig Minuten waren ein Versuch, durch das Wandern durch Installationen, lebende Bilder und Performances eine andere Perspektive auf das nun Folgende zu bekommen.

SCHLAFLOS

1996


BEWEGTE RÄUME

Auf zwei Podesten und zwischen dem Publikum tauchten die ersten Figuren des Stücks auf, während hinter dem schwarzen Vorhang die Bühne leergeräumt wurde und alle Bühnenpodien in die Unterbühne abfuhren. Als der Vorhang von 21x8m fiel, war der Blick frei auf ein großes Loch. Wie ein riesiges Puzzle setzten sich die zwölf Podien von 7x3m, zeitversetzt fahrend, über die nächsten Minuten wieder zu einer ebenen Bühnenfläche zusammen. Dieser technische Vorgang war bei der Bauprobe ein kraftvoller poetischer Moment. Endlos hätte das dauern können. Im Zusammenhang des Probenprozesses ließ sich das nicht wieder herstellen. Das gesamte Raumkonzept fasziniert mich bis heute. Die Herausforderung, die die Bewegung von vierhundert Zuschauer*innen mit sich brachte, hatte ich aber unterschätzt. Stau produziert Unruhe und Unzufriedenheit. Man sieht nicht richtig und hört nichts. Einen Parcours im Theater kann man nie richtig probieren ohne Publikum.

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Bildhaftes Denken scheint immer au


er auch an Worte gekoppelt zu sein


WORT Räume 84


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Wo stehe ich? Alles ist eine Frage der Perspektive. Entscheidende Impulse gab mir 1984 die Kunstausstellung „Von hier aus“ in einer Messehalle in Düsseldorf. Der Eingang in die Halle führte über eine von Hermann Czech konzipierte Rampe. Man konnte sich dadurch vom ersten Stock einen Überblick über die gesamte Ausstellung verschaffen. Der Kurator Kaspar König inszenierte den Blick auf die Kunst von oben, bevor man eintauchte in die nahe Betrachtung. Wenn ich für ein Bühnenbild oder eine Inszenierung angefragt werde, lese ich den Text, höre Musik, schaue Bilder, um dann wieder einen Abstand herzustellen: Wie blicke ich auf etwas? Von der Seite? Von oben oder unten? Wie schaue ich auf die Handlung? Erzähle ich etwas von innen oder von außen?

WORT RÄUME

Ich wechsle die Position. Ich nehme im übertragenen Sinn ein umgedrehtes Fernglas, und die Dinge und Themen rücken in die Ferne. Dabei wird das Umfeld, der Kontext plötzlich wichtiger. Die Fantasie bekommt mehr Raum außerhalb der konkreten Arbeit an der Vorlage. Früher hat man durch ein Periskop, einem doppelten Spiegel, in Bühnenbildmodelle geschaut. Dadurch verliert man das Gefühl, in eine Puppenstube zu blicken, man befindet sich gleichsam im Raum. Ein ähnlicher Vorgang findet statt, wenn man in einen Text eintaucht: Ein einzelnes Wort kann sich plötzlich herausschälen, es steht allein vor einem, wird zum Bild, zum Raum. Vielleicht ist das der Grund, warum ich Worte schon früh so wichtig fand. HIER, IMMER, ICH, diese Worte haben etwas mit meiner Raumwahrnehmung oder meiner Raumbefragung zu tun. Dass sich dann diese und ähnliche Worte in meinen Arbeiten wiederholen, ist vermutlich kein Zufall. Vielleicht ist das der Kern meiner Arbeit, dass ich nicht allein in visuellen Formen denke, sondern dass mein bildhaftes Denken immer auch an Worte gekoppelt ist.

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Angefangen hat alles auf einer alten Schreibmaschine. Ich habe mit sich

WORT RÄUME

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wiederholenden Buchstaben und Satzzeichen grafische Strukturen erzeugt. Worte als Bild, als Botschaft auf Gebäuden und auf der Leinwand, Worte mit Bildern kombiniert, haben mich immer fasziniert. Die Kunst von Jenny Holzer und Barbara Krüger, die Wortbilder mit gesellschaftlich relevanten Inhalten zu verbinden wussten, haben bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen. Was das auf einer Bühne bedeuten würde, wusste ich damals noch nicht. In der ersten Produktion mit William Forsythe in Frankfurt, GÄNGE. EIN STÜCK ÜBER BALLETT tauchten das erste Mal Zahlen und Worte im Bühnenbild auf. Die Körper und die Bewegungen der Tänzer*innen wurden vermessen. Dazu kam die Bestimmung der Position der Körper im Raum, die mit Wortprojektionen sichtbar gemacht wurden. In diesem Stück über Ballett wurde die klassische Tanzsprache analysiert. Auf der Bühne wurde gesprochen, die Tänzer*innen haben einander ihre Positionen zugerufen: Wo bist du? Hier! Aus der Beobachtung bei den Proben entstand die Idee, das Wort HIER an einem Ort zu fixieren. Daraus ergab sich die Spannung zu den ständig sich verändernden Positionen der Tänzer*innen. siehe LEUCHTENDE & BEFRAGTE räume 18/148


Die nächsten Worte tauchten ab 1988 in meinen Bühnenbildern auf, jetzt vehementer, größer. Bei meinem eigenen Projekt ELEMENTS OF CRIME mit Tänzern des Nederlands Dans Theater habe ich einen Widerspruch zwischen Wortinhalt und Bildwahrnehmung zu erzeugen versucht, z. B. durch die Beschriftung eines übergroßen, roten Schwertes mit IMPOSSIBLE OBJECT. Alle Bilder und Objekte auf der Bühne waren in ständiger Bewegung und bezogen sich auf mögliche Tatwerkzeuge und Tatorte eines Verbrechens. Die Berge wurden durch das Wort MOUNTAINS in der Größe von 18x6m monumental repräsentiert. Die Buchstaben waren mit Gaze unterlegt, also transparent: Man konnte durch „Berge“ durchschauen. Ziel war es, den Zuschauenden die Möglichkeit zu eröffnen, eigene, „(un)mögliche“ Kombinationen und Zusammenhänge im Bühnengeschehen zu entdecken. Die Bühne zu DER EINGEBILDETE KRANKE von Molière, 1988 in Darmstadt inszeniert von Thomas Reichert, wurde von drei gemusterten Wänden abgeschlossen, auf denen das Wort SCHEINBAR, je nach Beleuchtung stärker oder schwächer, aufschien. Im Halbdunkel dahinter war eine lebensgroße Giraffe zu ahnen. Ein weiterer Versuch, mit der Wahrnehmung der Zuschauenden zu spielen: Sehe ich dort wirklich eine Giraffe? Und steht da wirklich das Wort SCHEINBAR? Ist das alles Einbildung? Für mich war das eine spannende Erweiterung des Stücktitels. Eine visuelle Finte sozusagen.

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Die wichtigste Arbeit für mich in dieser Serie war das Bühnenbild zu LEONCE UND LENA von Georg Büchner, inszeniert von Christof Nel an der Freien Volksbühne Berlin im gleichen Jahr. Jetzt stand das Wort IMMER 5m hoch, 4m tief und 14m breit im Weg. Es blockierte das gesamte Portal, als Widerstand. Die Körper der Schauspieler*innen mussten sich durch das Wort zum Auftritt zwängen. Dieses Wort hat mich fasziniert, es beschreibt keinen Zustand, sondern es behauptet raumfüllend „Zeit“. Es bezieht sich auf eine Textstelle im 1. Akt. ROSETTA: Du liebst mich, Leonce? LEONCE: Ei warum nicht? ROSETTA: Und immer? LEONCE: Das ist ein langes Wort: immer! Wenn ich dich nun noch fünftausend Jahre und sieben Monate liebe, ist‘s genug? Es ist zwar viel weniger als immer, ist aber doch eine erkleckliche Zeit, und wir können uns Zeit nehmen, uns zu lieben. Hier taucht der Begriff „Zeit“ zum ersten Mal auf: Etwas, was mich immer wieder über die Wahrnehmung von Bühnenbildern nachdenken lässt. Im Museum haben die Betrachtenden es selbst in der Hand, wie lange sie etwas auf sich wirken lassen. Im Theater bestimmen wir, wie lange die Zuschauer auf unser Bild schauen. Also kann das Wort IMMER Einfluss auf die Wahrnehmung haben: Ist es erträglich über eine längere Zeitdauer? Aus der heutigen Perspektive denke ich, dieses Wort IMMER hätte das einzige Element auf der Bühne sein müssen, statt bebildernde wie der rotierende Mond im 2. Akt und die Riesenfliege im 3. Akt. Heute würde ich fragen: Kann das Wort auseinanderfallen? Was wäre die Konsequenz? Was könnten die Buchstaben noch? Das wäre ein Möglichkeitsraum.

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Die Arbeit an den Worträumen war kein kontinuierlicher Prozess, sie wurde unterbrochen von der Fokussierung auf andere Themen und rückte 1998 wieder verstärkt ins Zentrum. Davor lag die Erfahrung als Regisseur mit dem gesprochenen Wort, wiederum von Büchner. Das Erstellen der Textfassung zusammen mit Thomas Reichert und die Proben für „Woyzeck“ mit zwei Schauspielern haben mir die Ohren geöffnet. Diese Intensität von Büchners Sprache kam dann interessanterweise an der Schaubühne zunächst nur mit einer kahlen Holzwand aus.


Den nächsten Schritt machte ich mit dem Projekt DANTES GESICHTER für zwei Schauspieler*innen und A-Capella-Chor 1998 in Krefeld. Sätze aus Dantes „Die Göttliche Komödie“ liefen spiralförmig über Wände, Decke und Boden eines trichterförmigen Raums. Ein Versuch, aus Worten einen Innenraum als Entsprechung zu Dantes Sprachräumen zu bilden. Der Trichter wurde nach vorne mit einem perspektivisch gestalteten Schleier abgeschlossen, der mit jeder Lichtveränderung transparenter oder undurchsichtiger wurde. In Bonn konnte ich das Prinzip mit der zeitgenössischen Oper NARCISSUS von Beat Furrer im gleichen Jahr weiterentwickeln. Dieser Komponist hat einen ganz eigenen Ansatz, mit Sprache umzugehen. Er nimmt die Worte auseinander, benützt Vokale und Konsonanten als eigenes musikalisches Material jenseits des Inhalts. Damit schuf er einen Kontext jenseits des Dramas von Narziss, der sich in sein Spiegelbild verliebt. Das Thema „Selbstliebe bis zum Tod“ habe ich auf den Wort-Raum ICH reduziert. Der Schleier zwischen Zuschauenden und der Bühne war mit den drei Buchstaben I/ C/ H seitenverkehrt beschrieben. Alle Elemente auf der Bühne bestanden aus Flächen, die ebenso die Buchstaben I/ C/ H bildeten: drei Tische, die Seiten- und die Rückwand. Der „ICHRaum“ war sozusagen in jede Richtung geschlossen. Ein Thema mit einem Wort so konsequent auf die Bühne zu bringen, war für mich ein erster Höhepunkt bei der Entwicklung von Wort-Räumen. Das zeitgenössische Musiktheaterprojekt STIMME ALLEIN von Klaus Lang und Beat Furrer, 1999 in der Bundeskunsthalle Bonn, nahm nur die „Ich“-Sätze aus allen Büchner-Stücken als Textvorlage. Diesmal saß das Publikum im Kreis auf der Bühne um ein hohes Podest quasi in einem Wort. Der gesamte Raum wurde durch einen runden Schleier umschlossen, auf dem das Wort IMMER die gesamte Wand bedeckte. Der restliche Außenraum inklusive des Zuschauerraums war von großen Buchstabenfragmenten des Wortes IMMER übersäht. In dieser „unendlichen“ Textlandschaft bewegte sich der A-Capella-Chor.

WORT RÄUME

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WORT RÄUME

WORT RÄUME

DANTES GESICHTER

1998



WORT RÄUME

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NARCISSUS

1998


WORT RÄUME

WORT RÄUME

NARCISSUS

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1998


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98


WORT RÄUME

stimme allein

1999

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WORT RÄUME

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We didn't start the fire

1999

Dieses Prinzip variierte ich beim Kunstfest Weimar 1999 für die Performance WE DIDN‘T START THE FIRE nach dem Song von Billy Joel. Die Aufforderung BE HERE NOW war auf drei hintereinander hängende Schleier geschrieben. Diese Worte bezogen sich auf den Albumtitel der Band Oasis, in Weimar als szenisches Konzert von der Band Madonna Hiphop umgesetzt. Die eindrücklichste Erfahrung bei dieser Produktion

Schreiben mit Licht, das die Worte

war das

isolieren konnte und Varianten des Textes ermöglichte.


WOrt rÄUMe

Die Kammeroper GESPRUNGENE GLOCKEN von Matthias Pintscher, 2000 in Mannheim, bediente sich assoziativ der Texte aus Büchners „Woyzeck“, aber ohne die Figuren auftreten zu lassen.

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Für diesen Klangraum habe ich mit drei Worten eine Ortsbestimmung auf der Bühne gesucht: VON HIER AUS. Das Wort VON auf einem Schleier ist nach innen gespiegelt. Hinter dem Schleier auf der Bühne stand das Wort HIER als kleines mobiles Objekt. Das AUS im Hintergrund war wiederum dreidimensional, aber negativ wie aus einer 18m langen, 5m hohen und 4m tiefen Wand herausgeschnitten. Die Performenden suchten verschiedene Perspektiven auf das HIER, erschienen vor und hinter dem VON und verschwanden im AUS. Diese Arbeit bezog sich auf einen Text, den Woyzeck zu seinem Freund Andres sagt: Es geht hinter mir, unter mir. Stampft auf den Boden. Hohl, hörst du? Alles hohl da unten.


GESPRUNGENE GLOCKEN 2000

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Besuchszeit

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2001

Die Oper BESUCHSZEIT von Reinhard Febel, 2001 in Bonn, orientierte sich an dem Roman „Stalker“ der Strugatzki-Brüder, in dem sich drei Personen in der „Verbotenen Zone“ verlieren. Ich habe den Zustand des „Verlorengehens“ übersetzt in ein Labyrinth aus beschriebenen Gazevorhängen, in dem auch das Publikum eingeschlossen war. Die Sätze aus dem Libretto wurden ergänzt durch Worte der Zeit- und Ortsbestimmung.


WORT RÄUME

Im gleichen Jahr entwickelte ich in Basel bei der Produktion ALPENKÖNIG UND MENSCHENFEIND von Nestroy mit den Schauspieler*innen einen neuen Umgang mit Worten. Sie machten Worte zu Objekten und hantierten mit Worttafeln, bauten Buchstaben aus Leitern und balancierten auf den A-L-P-E-N.

alpenkönig und menschenfeind 2001

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StADt AUS gLAS

WOrt rÄUMe

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2003

Bei STADT AUS GLAS von Paul Auster, 2003 in Düsseldorf, habe ich das Bühnenbild in den Dienst einer sehr komplexen Geschichte gestellt. Die Worte sind auf die Namen der drei handelnden Figuren reduziert: Der Autor Paul Auster tritt selbst auf und nimmt nach einem Telefonat die Identität von Quinn an, der als Privatdetektiv Stillmann beschatten soll. Während dieser Beschattung verliert sich Quinn in der Geschichte. Er verschwindet, und es bleibt nur ein rotes Notizbuch übrig. Die Bühne ist eigentlich eine leere Bühne, wie das leere Notizbuch. Auf dieser Bühne gibt es keine Räume, sondern nur sich verschiebende Namenswände.


Die Namen konnten sich verändern, vervielfältigen, verschwinden und verbrennen. Mit der Idee, die Figurennamen als Wortbild zu benutzen, erweiterte ich das Auster-Prinzip im dreidimensionalen Raum. Etwas, was der Autor auf dem flachen Papier nicht kann. Ich drehte eine Wortwand um 180 Grad, zeigte den Namen auf der Rückseite spiegelverkehrt, oder die Namenswände wurden transparent im Licht. Diese Bilder übersetzten die labyrinthische Konstruktion des Romans auf die Bühne. In dieser Inszenierung habe ich eine Form gefunden, bei der das Bühnenbild aktiv und Teil der Handlung wurde.

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WORT RÄUME

STADT AUS GLAS 108

2003


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THE OUTCAST

2012

Die Oper THE OUTCAST von Olga Neuwirth, 2012 in Mannheim, bringt wie bei „Stadt aus Glas“ den Autor, in diesem Fall Melville mit seinem Roman „Moby Dick“, auf die Bühne. Die Wände des Bühnenbilds waren zuerst leer, und das „Beschreiben“ wurde Teil des Probenprozesses, ein Versuch, aus dem unglaublichen Textkonvolut bestimmte Sätze als Widerstand gegen das Vergessen herauszuheben. 110

Wie ein großes Notizbuch, so sah es auch aus, mit der Hand schnell geschrieben, Gedanken, Behauptungen, die übrig bleiben, während die Handlung voranschreitet. Der Vorgang unterschied sich von den bisherigen Verfahren dadurch, dass ich mit dem Pinsel den „Inhalt“ des Bühnenbilds erst während der Proben entwickelt habe.


WORT RÄUME

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WORT RÄUME

IMMER NOCH STURM 112

2014

Das Schreiben während der Proben wurde bei IMMER NOCH STURM von Peter Handke, 2014 in Graz, zentrales Gestaltungsprinzip auf den 40m langen Wänden, die auf der Drehbühne an uns vorbeifuhren. Slowenische und deutsche Texte zitierten Momentaufnahmen und Notizen aus dem Text oder wurden zu Schlagworten vergrößert. Neu war die expressive Art, Wörter malerisch zum Schreien zu bringen und dem Zweisprachigen, einem Anliegen Handkes, einen Platz zu geben.


WORT RÄUME

113


WORT RÄUME

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Wie schon früher bei Büchner, so zeigte mir Handke bzw. intensiver noch Elfriede Jelinek, was Sprache für eine besondere Kraft entwickeln kann. Gerade bei Jelinek bemerkte ich, dass ihre Sprache jenseits des Inhalts ein Eigenleben entwickelt. Sie vibriert, sie ist visuell, voller Assoziationen, ihre Satzkonstruktionen bohren sich ins Ohr. In meiner Inszenierung von Elfriede Jelineks WINTERREISE, 2011 in Karlsruhe, tauchten minutenlang Wortbilder in von Chris Ziegler animierten Projektionen auf. Die Worte liefen über eine 20m lange Wand ebenso wie der endlose Reigen gesichtsloser Menschen vor ihnen. Gesprochen wurde erst, nachdem die Worte die Bühne verlassen hatten. Der Raum gab den Worten Kraft, und es entstand eine Reibung zwischen der Jelinekschen Sprachwut und dem Bildraum.

WORT RÄUME

siehe MATERIAL räume 240

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WINTERREISE

2011


WORT RÄUME

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DIE SCHUTZBEFOHLENEN

2014


WORT RÄUME

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Einen weiteren Schritt machte ich mit dem Bühnenbild zu Jelineks DIE SCHUTZBEFOHLENEN 2014 in Freiburg. Der drängende aktuelle Inhalt, die auf der Flucht Ertrinkenden im Mittelmeer und die Debatten um den Umgang damit, hatte Jelinek wortgewaltig beschrieben. Mir stellte sich die Frage, wie dramatisch und aktuell muss oder kann das Bühnenbild dafür sein. Dass es nicht mit einem Wort getan wäre, war klar. Ich fing an, Wortsammlungen anzulegen, die sich mit dem Phänomen beschäftigten. So kam das wichtigste Wort ANGST in die Sammlung. UNSre ANGST, dass SIE kommen. Diese Wortsammlung baute ich zusammen wie einen Baukasten in den Farben Rot, Schwarz und Weiß. Natürlich war mir der Stil von Barbara Krüger, den sie seit den 1980er-Jahren etabliert hatte, bewusst. Aber für die Dringlichkeit des Anliegens nahm ich in Kauf, dass man mir formal das Epigonale vorwerfen könnte. Ich wusste, warum ich es brauchte. WOrt rÄUMe

3m hoch und 14m breit waren die Wörter ANGST, WÜRDE, SIE und WIR. Dazu viele andere auf dem Boden und den Seiten. Entscheidend war dann der Probenprozess. Die Wortwände wurden zum szenischen Material. Man konnte sich dem Bühnenbild nicht entziehen, es schrie uns förmlich an. Das Publikum betrat zuerst die Bühne, stand mitten im Wort-Raum auf der HEIMAT zwischen der GEGENWART und der GEWESENHEIT. Das UNS in der Performance schließt UNS mit ein. Das Befragen und die Veränderung des Bühnenbilds wurde während der Proben immer wichtiger, da die Schauspieler*innen sich zu Probenbeginn von den riesigen Worten erschlagen fühlten. Der Umgang mit den Worten war ein mühsamer Prozess. Die Wortwände konnten erst während der Proben mit den gesprochenen Texten auf ihre Wirkung hin überprüft und in den inhaltlichen Zusammenhang gebracht werden.

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Wie nehme ich einen Text wahr, gesprochen vor dem Wort ANGST oder vor dem WIR oder SIE? Was passiert, wenn OPFER über HEIMAT gelegt wird und dann GEWALT über OPFER geschoben wird? Diese szenischen Erfindungen entstanden gemeinsam mit den Schauspieler*innen im Bezug zum Jelinek-Text.

Die SCHUtZBeFOHLeNeN

2014


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WORT RÄUME

DIE SCHUTZBEFOHLENEN 2014


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Die SCHUtZBeFOHLeNeN

2014

WOrt rÄUMe

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Der berührendste Moment war der Schluss der Inszenierung: Die Schauspieler*innen bauten nahezu alle Wortwände in den letzten 20 Minuten ab, stapelten die Bodenplatten, auf deren Rückseite die Namen und das Todesdatum der Ertrunkenen von Hand mit weißer Farbe vermerkt waren, wie Särge aufeinander. Ein Vorgang, bei dem sich die monumentale grafische Ästhetik des Bühnenbilds in eine einfache Botschaft verwandelte. Die banalen Platten bekamen eine neue Bedeutung. Der Bühnenboden, auf dem das Publikum am Anfang gestanden hatte, bekam einen konkreten Bezug zur Realität. Wann und von wem die Idee während der Proben kam, weiß ich nicht mehr. Vielleicht entstand sie einfach aus Überdruss, weil wir die ganze Zeit auf diese riesigen Worte starren mussten.


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WORT RÄUME

DAS SCHWEIGENDE MÄDCHEN 124

2015


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DAS SCHWEIGENDE MÄDCHEN 2015

Ich folgte Elfriede Jelinek in ihrer Auseinandersetzung über die NSU-Morde und das Schweigen der Beate Z. in ihrem Strafprozess. 2015 bereitete ich Jelineks Stück DAS SCHWEIGENDE MÄDCHEN in Dortmund vor. Die Wortwände von „Die Schutzbefohlenen“ hatte ich in Freiburg nach der letzten Vorstellung einlagern lassen und die vage Idee, sie weiter zu verwenden. Wegen knapper Werkstattzeiten in Dortmund wurde diese Idee zur Realität. Der Megastore, die Ersatzspielstätte des Dortmunder Schauspiels, war eine weiße leere Lagerhalle, das Gegenteil der Freiburger Blackbox. Die längere Probenzeit in der Halle machte es möglich, mit einem offenen Raumkonzept anzufangen, ohne das Bühnenbild fertig zu denken. Ich stellte die Worte aus Freiburg in den Raum. Sie bildeten Kojen für die einzelnen Schauspieler*innen. Der erste Teil des Abends war als begehbare Installation geplant. Die schlechte Akustik der großen Halle machte es notwendig, Stoff an die Wände zu hängen. Ich fand hierfür zwei alte Prospekte und ließ eine 40m lange Deutschlandfahne anfertigen. Im Probenprozess veränderten sich fast alle Elemente.

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Es wurde klar, dass die Aussagen der mitgebrachten Worte passten, die Ästhetik sich aber verändern musste. Die ANGST-Wand stand am Anfang quer in der Halle wie eine Absperrung und wurde handschriftlich mit roter WUT überschrieben. Die WÜRDE bildete die Rückwand für die Gerichtsszene, und die Buchstaben wurden mit brauner Farbe übermalt. Die Worte verloren ihre objektive grafische Kälte, fransten aus, wurden emotional. Der Berglandschaftsprospekt, der ganz pragmatisch wegen des FeuerwehrHydranten ein Loch brauchte, bekam eine zweite Bedeutungsebene mit den Namen der Orte, an denen die NSU-Morde passiert waren. Der romantische Barockprospekt mit Nymphen wurde mit dem Menschenrechts-Artikel 1 des Grundgesetzes überschrieben. Nahezu jedes Element wurde überarbeitet. Zusätzlich hatte ich zwei schwarze Objekte entworfen, die den Umriss des Wohnmobils der beiden Täter, in dem sie Suizid begingen, und den Umriss des Wohnhauses von Beate Z. zeigten. Da die Objekte als reine Schattenrisse zu abstrakt schienen, überschrieb ich sie mit der Postadresse des Hauses und dem letzten Standort des Wohnmobils. Die Deutschlandfahne wurde Träger der Namen der zehn Mordopfer. Auch hier wieder das (Um-)Benennen/UmBeschreiben von Objekten, eine Technik, die ich im kleinen Rahmen zehn Jahre zuvor bei Jelineks „Prinzessinnendramen“ in Karlsruhe mit häuslichen Adjektiven auf Möbelstücken ausprobiert hatte. Für die letzte Szene wurde die Halle leergeräumt und ließ uns mit den Namen der Mordopfer, der Tatorte und den Menschenrechten allein.

WORT RÄUME

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WOrt rÄUMe

WOrt rÄUMe

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DAS SCHWEIGENDE MÄDCHEN

129 2015


DAS SCHWEIGENDE MÄDCHEN 2015

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WORT RÄUME

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DAS SCHWEIGENDE MÄDCHEN 2015

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KUDLICH

WORT RÄUME

siehe PROJIZIERTE räume 182

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2018

Die Arbeit mit den Wortwänden von „Die Schutzbefohlenen“ und „Das Schweigende Mädchen“ setzte ich zusammen mit Tilman Neuffer bei KUDLICH von Thomas Köck in Ingolstadt 2018 fort. Das Stück mixt die Geschichte des Anführers der Bauernrevolution im Österreich im 19. Jahrhundert mit der heutiger rechter Populisten und Identitären. Zusätzlich zu den Elementen aus Dortmund hatte ich noch das Bühnenbild meiner Münchner Tanzproduktion „Der gelbe Klang“ aufbewahren lassen. Die Bühnensituation war dieses Mal wiederum eine ganz andere: Jetzt standen Schnürboden, Seitenbühne und Hubpodien zur Verfügung, sodass alle Elemente auftauchen und verschwinden konnten. Im Probenprozess wurde die Wortwand WÜRDE, die in Dortmund und Freiburg zentral war, umgeschrieben in WERTE. Die farbigen Elemente aus München wurden mit Worten übermalt, die sich auf die Kapitalismuskritik des Stücks bezogen.


WORT RÄUME


WOrt rÄUMe

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KUDLiCH

siehe Bewegte räuMe 76

2018

Zwölf Worte schwebten zu Beginn des Stücks über sieben Minuten aus dem Schnürboden herab und wieder herauf. Die Fahrten dieser Worte glichen wieder einem Schreiben im Raum. Für die räumliche Übertragung des Stückuntertitels „Eine anachronistische Puppenschlacht“ sammelte ich Worte zusammen, um den Portalausschnitt zu verkleinern. Wir sehen WERTE, GEWALT, GERECHT, UNS, WIR und FREI, als Portal zusammengebaut, mit einem kleinen Bühnenausschnitt in der Mitte. Das mit einer Adresse beschriebene Wohnmobil aus „Das schweigende Mädchen“ wird umbenannt zu KAPITAL. Auch die ANGST bekommt am Stückschluss eine eigene Szene. Sie fährt als Bühnenwagen aus dem 15m tiefen Raum bis auf die Vorbühne, während davor der Chor rechtsnationale Gedanken skandiert. Nach seinem Abgang bleibt die ANGST übrig. Am Ende schiebt ein Mädchen ganz allein die ANGST von der Bühne.

WOrt rÄUMe

137


WOrt rÄUMe

WOrt rÄUMe

KUDLiCH

2018


139


Im Rückblick bezeichne ich die drei zuletzt vorgestellten Produktionen „Die Schutzbefohlenen“, „Das Schweigende Mädchen“ und „Kudlich“ als ANGST-Trilogie. Ich verstehe sie als Höhepunkt einer Entwicklung, die vielleicht nur in der Personalunion als Bühnenbildner und Regisseur möglich war. Die Tatsache, dass der Bühnenbildner auf jeder Probe anwesend war, hat dem Regisseur die Sicherheit gegeben, sich auf das

Abenteuer des „Nicht-Wissens“,

WOrt rÄUMe

140

den offenen Prozess bei der Entwicklung des Bühnenbilds auf Proben, einzulassen. Der Bühnenbildner lässt ein Wort auf der Bühne herumstehen, der Regisseur inszeniert es dann und macht es gegebenenfalls lebendig. Das hat sich bis „Kudlich“ immer weiterentwickelt. Je länger ich so arbeitete, umso weniger stand die Ästhetik im Vordergrund, sondern der inhaltlich relevante Umgang mit Worten.


141


die die geschichte geschichte ist ist noch noch nicht nicht vorbei vorbei die weiß dort  w dort w


ort rt  wo wo es es macht macht gibt gibt gibt gibt es es widerstand widerstandvielen vielendank dank Thomas Köck in Kudlich


BEFRAGTE RÄU   M

144


U   ME

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S(E)NT 2007


Was ist ein Raum? Wer definiert den Raum? Wie definiert sich der Raum? Was verlangt der Raum von mir?

Wie gehe ich mit dem leeren schwarzen Ra

Wie ist das Verhältnis zwischen Zuschauer

Was gibt mir der Bühnenraum an essenzie

Was macht das Theater aus, außer die Sum


n Raum um?

auerraum und Bühne?

nziellen Informationen? Summe seiner einzelnen Elemente?

BEFRAGTE RÄUME


Gleich in der ersten Produktion mit William Forsythe GÄNGE. EIN STÜCK ÜBER BALLETT, 1982/83 in Frankfurt, stellte der Titel schon etwas infrage. Das Wort „über“ impliziert ja die Untersuchung eines Gegenstands, in dem Fall des Begriffs „Ballett“ mit seinen tradierten Regeln für die Bewegung der Tänzer*innen. Wir haben während den Proben ein dreiviertel Jahr Grundlagenforschung über die Mittel des klassischen Balletts betrieben. Dazu lasen wir Roland Barthes „Die Lust am Text“. Ein Buch, in dem Barthes feste Denksysteme überprüft, ohne dabei zu eindeutigen Ergebnissen zu kommen, und das mit widersprüchlichen Aussagen lebt. Das Raumkonzept für den ersten Teil von GÄNGE bestand aus zwei Wänden, die die Bühne zu einem Drittel der normalen Fläche verengten und einen Innenraum definierten. Links eine 3m hohe Holzwand mit einem Podest dahinter als zweite Ebene. Rechts eine perspektivisch zulaufende Stoffwand, die den menschlichen Körper je nach Position größer oder kleiner erscheinen ließ. Der Raumeindruck durch die zwei Wände hatte etwas Zwingendes, Laborartiges. Es entstand ein Zusammenhang zwischen der

Dimension des Raums und der Bewegung der Körper. Die Holzwand

GÄNGE. EIN STÜCK ÜBER BALLETT 1982/83

wurde zum Widerstand gegen den Körper. Der Körper maß sich an der Wand, erschien wie unterm Mikroskop. Spuren der Bewegungen blieben als Kreidemarkierungen auf der Holzwand sichtbar. Die Stoffwand hingegen fing die größer und kleiner werdenden Schatten der Körper auf. Diese Wand wurde bei einer Verwandlung durch einen Prospekt mit entgegengesetzt laufender Perspektive ausgewechselt. Durch diese Veränderung wurde der Innenraum zum Außenraum. Der Raum hatte sich sozusagen aufgefaltet.


siehe LEUCHTENDE Räume 18

BEFRAGTE RÄUME

149


Im zweiten Teil ging es um die Vermessung des Raums, der Ortsbestimmung der Tänzer*innen auf der Bühne und das Verhältnis der Körper zueinander. Wortwörtlich wurde das „Hier“ ins Verhältnis zum „Dort“ gesetzt. Größenverhältnisse wurden am Beispiel eines Sofas untersucht, das in sechs verschiedenen Größen von 60cm bis 5m Breite auf der Bühne erschien. Dieses perspektivische Vexierspiel, ein Objekt zuerst in Modellgröße zu zeigen, um es dann schrittweise zu vergrößern, spielten wir im dritten Teil mit einem Bergmodell von zuerst 60cm Höhe durch. Das Bergmodell wuchs auf eine Höhe von 6m bei einer Bühnentiefe von 40m. Um die perspektivische Wirkung zu erhöhen, wurden in die 40m lange Wand 20 kleiner werdende Türen eingebaut.

BEFRAGTE RÄUME

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GÄNGE. EIN STÜCK ÜBER BALLETT 1982/83


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Nach den grundsätzlichen Themen wie Innen-Außen, Hier-Dort, Groß-Klein und der Untersuchung der perspektivischen Wahrnehmung ging ich bei meinem Projekt NEWTONS CASINO, 1990 zusammen mit Heiner Goebbels am Theater am Turm in Frankfurt, einen neuen Weg.

BEFRAGTE RÄUME

152

Der Architekt Daniel Libeskind hatte für mich Derridas Konzept des „Dekonstruktivismus“ kongenial in den Raum übersetzt. Seine „Voids“, also Leer- oder Zwischenräume im Jüdischen Museum Berlin, hatte er als gleichwertig zu den funktionalen Ausstellungsräumen definiert. Sie verweisen auf das Fehlende oder Abwesende, in Berlin auf die Opfer des Holocaust und der damaligen Kultur. Bis dahin sah ich in „Fragmenten“ nur „Übriggebliebenes“ oder „Unfertiges“ und nicht eine Bereicherung der räumlichen Konzeption.


Zu dieser Zeit bin ich auf Heinrich Schliemanns Bericht über seine Ausgrabungen Trojas gestoßen. Im Buch fiel mir die Darstellung der verschiedenen Zeitschichten Trojas auf, sich überlagernde archäologische Grundrisse, die durch Schraffuren voneinander abgehoben waren. Die Leerräume hier bedeuteten Unbekanntes oder Zerstörtes. Aus diesem Grundriss habe ich ein Raummodell mit unterschiedlichen Ebenen für das Theater entwickelt. Die übereinander liegenden Grundrisse der Zeitschichten Trojas von der 1. bis zur 7. Epoche bildeten die Grundlage für eine dreidimensionale Re-Konstruktion der unterschiedlichen architektonischen Fragmente. Diese Formen füllten das Theater bis unter die Decke des Bühnen- und Zuschauerraums. Dabei verwischte die allgegenwärtige Farbe Schwarz die Übergänge zwischen Bühnenbild, Theaterarchitektur und Technik. Der Zuschauerbereich beschränkte sich auf den Balkon, damit das Publikum das Schichtenmodell über, unter und vor sich sehen konnte.

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newtons casino

1990


Die unterste Schicht, oder Basis, war die Schliemannsche Erzählung, deren Texte fragmentarisch in diesem Raum auftauchten und wieder verschwanden, überlagert von Geräuschen und Musik. Drei Performende mit unterschiedlichen Stimmen, vom Countertenor über eine männliche Sprechstimme zur rauen weiblichen Gesangsstimme, erkundeten den Raum. Manchmal auch nur mit einem kleinen Blasrohr, durch das Erbsen in den Raum geschossen wurden und die beim Aufprall Geräusche erzeugten, die den Unterschied zwischen der Theaterarchitektur und den Bühnenbildelementen wie durch ein Echolot hörbar machten. Diese Erfahrung, den Raum im Theater nach unten und nach oben zu erweitern, in Schichten zu denken, war neu für mich. Und die Erkenntnis, dass ein ganzes Projekt auf einer Bühnenbildidee aufgebaut sein kann. Im Frankfurter Theater am Turm war dieses 154

Experimentieren unter Laborbedingungen möglich, weil dort die Suche nach neuen Theaterformen Programm war.


newtonS Casino 1990

BEFRAGTE RÄUME

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BEFRAGTE RÄUME

newtonS Casino 1990

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In einem Opernhaus war die Veränderung der Gegebenheiten, anders als in einer Experimentierbühne, eine große Herausforderung. Was kann das Orchester sein außer der Klangquelle im Graben? Mit dem Graben scheint dem Orchester schon in der Theaterarchitektur ein fester Ort zugewiesen. Im Basler Theater kann die klassische Trennung zwischen Bühne, Orchestergraben und Zuschauerraum komplett aufgehoben werden. Bei der Bühnenbildkonzeption zur Oper WOZZECK, 1990 in Basel in der Regie von Christoph Nel, fragten wir uns: Wo stirbt Wozzeck? In der Geschichte geht er ins Wasser und ertrinkt. Bei mir ertrank er in der Musik. Ich begriff das Orchester als aktiven Teil der Szene und holte es wörtlich aus dem Graben. Die Musiker*innen saßen auf Bühnenniveau bis in die fünfte Reihe des Zuschauerraums, und ein ovaler Steg umschloss das Orchester: Ein Beispiel, wie das Hinterfragen von Strukturen, gerade in Musiktheaterproduktionen, produktiv werden kann.

BEFRAGTE RÄUME

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Wozzeck

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S O in

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Sprengt die Opernhäuser in die Luft! Dieser provokative Aufruf von Pierre Boulez 1967 bezog sich auf die Strukturen des Musikbetriebs, für mich aber auch auf das Raumkonzept eines Opernhauses und die in repräsentativer Architektur erstarrten Gebäude. Diese Räume dominieren das Denken und das Arbeiten in ihnen, ganz im Gegensatz zu den leeren Industriehallen der Ruhrtriennale, die keine Vorgaben machen. Als Handlungsanweisung mag ich den Begriff des „Dekonstruierens“: etwas Neues schaffen aus altem Material und alten Regeln. In diesem Sinne war das wichtigste Projekt als Bühnenbildner und Regisseur PROMETHEUS, 1994 in Nürnberg. Gemeinsam mit dem Dirigenten und Operndirektor Eberhard Klokke konnte ich während zwei Wochen im geschlossenen Opernhaus an der Dekonstruktion musikalischer Theatergesetze arbeiten. Durch Gerüstbauten mitten im Zuschauerraum und Drahtgaze-Verkleidungen der Balkone entstand eine Baustelle für neues Musiktheater im alten Opernhaus.

BeFrAgte rÄUMe

Diese Produktion bestand aus unterschiedlichem musikalischem Material, es gab keine äußere Handlung. Mich interessierte die Verbindung von Bild- und Klangraum. Dabei wurden tradierte Hör- und Sehgewohnheiten aufgebrochen. Beispiel: Für Richard Wagners „Zum Raum wird hier die Zeit“ stellten sich alle Bratschen und Geigen in einer Linie auf der Bühne nebeneinander auf.

Das Auge hörte in dem Fall mit. Etwas noch nie so Gesehenes ließ neu hören. Die Bühne wurde durch bewegliche Gerüste,

Stege und Träger immer wieder neu strukturiert. So spielte ein Kammerorchester Barockmusik auf einer Drehscheibe und erzeugte eine psychedelische Klangwolke.

PrOMetHeUS

1994

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BAUSTELLE PROMETHEUS ein Interview

1993


BEFRAGTE RÄUME

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BEFRAGTE RÄUME

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Das Anliegen, den klassischen Theaterraum zu dekonstruieren, verfolgte ich auch bei den beiden Produktionen IPHIGENIE IN AULIS und IPHIGENIE AUF TAURIS, von Christoph Willibald Gluck, 2009 in Brüssel und 2011 in Amsterdam in der Regie von Pierre Audi. Im Brüsseler Opernhaus stellte sich mir die Frage: Wie reagiere ich auf die Theaterarchitektur? Kann eine Intervention diesen Bühnenrahmen sprengen?

Iphigenie en aulide

2009/2011



Ich kehrte die Grundsituation um, setzte das Orchester auf die Bühne und platzierte die Sänger*innen auf den Orchestergraben. Zusätzlich ließ ich die Logen mit Plattformen überbauen. Unzählige Metallrohre, Stützen und Treppen stemmten sich gegen die überladene Stuckarchitektur. Die Struktur aus unkontrollierten Linien verlieh der Installation einen instabilen Eindruck, als ob das Opernhaus kurz vor dem Einsturz stände. Diese Instabilität hatte auch eine inhaltliche Funktion: In beiden Opern wird die Machtfrage zwischen den Göttlichen und den Menschen gestellt. Das fragile Machtsystem wankt.

BEFRAGTE RÄUME


Iphigenie en tauride

2009/2011


KöniginÖK Eine andere Herausforderung ist es, ein Raumkonzept gemeinsam mit Komponisten für eine Uraufführung zu entwickeln. Ein Beispiel war KÖNIGINÖK von Klaus Lang, 2000 in der Bundeskunsthalle in Bonn. Hier saßen drei Sänger auf hohen Stühlen mitten zwischen den Zuschauern. Ihr Betrachten des Bühnenraums war auch unser Betrachten. Wir alle waren Zeugen, wie ein Performer versuchte, sich in einem Bühnenraum, der aus architektonischen Elementen des Gemäldes „Las Meninas“ von Velázquez bestand, zu orientieren. Der Raum auf der Bühne rekonstruierte den Bildraum im Gemälde. Der Performer erforschte wie ein Detektiv die Bildperspektiven dieses zweidimensionalen Gemäldes im dreidimensionalen Raum. Die Blickachsen der Figuren des Bildes zueinander wurden nachgestellt und durch eine Videokamera auf eine Projektionswand übertragen. Über allem schwebte die Frage: Wer ist die Figur im Hintergrund des Gemäldes.

Wer schaut wem zu und warum? Der Mensch auf der Bühne uns? Wir ihm?

BEFRAGTE RÄUME

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2000


BEFRAGTE RÄUME

BEFRAGTE RÄUME

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KöniginÖK

BEFRAGTE RÄUME

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2000



Der griechische Philosoph Demokrit ging davon aus, dass sich von jedem Gegenstand farbige Abbilder lösen, durch die Luft wandern und in unser Auge gelangen, von wo sie unser Bewusstsein erreichen, das sie dann erkennt



PROJIZIERTE RÄume PROJIZIERTE RÄUME

174 PROJIZIERTE RÄUME


PROJIZIERTE RÄUME

175 PROJIZIERTE RÄUME

Salome Seite 194


Wie erweitert sich der Bühnenraum mit Projektionen? Was macht eine Kamera auf der Bühne? Kann der Kamerablick mehr, als aus ungewohnten Perspektiven auf die Bühne zu schauen, mehr, als Live-Bilder aus der Unterbühne zu liefern? Wie verbindet sich die Videoprojektion mit den realen Objekten und Menschen auf der Bühne? Ist der immaterielle Bildraum genauso Teil des Bühnenbilds wie die Lichträume? Worauf fällt das projizierte Bild? Was passiert, wenn ich durch das Videobild hindurch schauen kann? Was sind die Auswirkungen der digitalen Bildverarbeitung, von Slowmotion, des IneinanderMorphens von Bildern und des Videomappings auf den Probenprozess? Wie verändert das die Wahrnehmung der Zuschauenden?

PROJIZIERTE RÄUME

Arbeit mit Videoprojektionen auf der Bühne ist ein offener Prozess. Auch wenn ich nur in Ausnahmefällen für das Video verantwortlich bin und ansonsten mit Videokünstler*innen zusammenarbeite, denke ich in der Konzeptionsphase den Einsatz des Videos ähnlich dem des Lichts mit. Die Anwendung dieser Mittel ermöglicht bis zur Premiere die konstante Weiterentwicklung der Bildsprache.


Bei der zeitgenössischen Oper DIE BLINDEN, 2000 in Aachen, zeigte sich der Zusammenhang von Bühnenobjekt und Projektionsidee. Beat Furrers Komposition erzeugte einen assoziativen Klangraum für Orchester und Sänger*innen jenseits einer Handlung. Alle Musiker*innen waren auf der Bühne durch einen Projektionsschleier sichtbar.

Ich suchte nach Bildern für die Phänomene des „Sehens“, des „Gesehen-Werdens“ und des „NichtSehens“. Daraus entstand die Idee einer sich drehenden Projektionsfläche auf

der Vorbühne mit der Großaufnahme eines Auges. Dieses Auge, das unseren Blick auf die Bühne spiegelt, sollte sich wegdrehen und dabei den Raum wahrnehmen. Ich wollte das Verschwinden des Blicks im dreidimensionalen Raum zeigen. Ein Beispiel, wie sich räumliches Denken mit Projektionsideen, in diesem Fall von Hannah Gronninger und Armin Purkrabek realisiert, verbinden kann.

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Bei der Barockoper ORFEO von Luigi Rossi, 2003 in Wuppertal, war meine Grundidee, lebende Bilder mit den Sänger*innen zu stellen. Videoprojektionen sollten die Inszenierung im heutigen Wuppertal verorten, ohne dabei einen realistischen Filmstil zu erzeugen. Der Videokünstler Chris Ziegler stellte mir die Morphing-Technologie vor: Dabei generiert der Computer aus mehreren Standbildern die fehlenden Zwischenbilder und erzeugt einen zusammenhängenden Film. Dieser Verfremdungseffekt in Zeitlupe sollte

die Zeitwahrnehmung der Zuschauenden beeinflussen. Als eigene Ebene zwischen Darstellenden,

Videoprojektion und Handlung schoben sich Wortbildwände wie das SEIN durch den Bühnenraum. Diese fahrende Wortwand gab den Blick auf die Sängerin der Eurydike für ihre Arie frei, um sie nach dem Tod Eurydikes wieder zu verdecken. Die Gleichzeitigkeit von Zeitlupenbildern, eingefrorener Darstellung und Wortbildern eröffneten einen Assoziationsraum über Tod, Existenz, Sein und Nicht-Sein. Die Bühne als philosophischer Ort mit der Reduktion auf ein Wort. Sänger*innen, die sich nicht bewegen, nicht handeln, sondern singen.

178

Was sieht die Kamera und was sehen wir? Bei DER GELBE KLANG 2014 am Bayrischen Staatsballett in München vermischt sich das projizierte Bild mit dem Blick durch den Schleier auf die Bühne. Die Szene fängt mit einem über der Bühne hängenden Kamerabild an. Die Choreografie für die Kameraperspektive lässt die Tänzer*innen auf dem Boden liegen. Im Verlauf wird der Projektionsschleier transparent und wir sehen das „Making of“ des Bildes. Die Tänzer*innen stehen auf und das Bild löst sich auf.


Für meine Inszenierung des Romans BLAUBART von Max Frisch, 2013 in Bern, entwarf ich einen Querschnitt durch ein vierstöckiges Haus auf einem Hubpodium. Die einzelnen Zimmer waren mit Treppen verbunden. Zwei Projektionsschleier schlossen diese Räume zum Zuschauerraum und zur Bühne hin ab. Die Hauptfigur des Romans wird in ihren Träumen von der Geschichte ihres Mordprozesses verfolgt. Mit der MorphingTechnologie von Chris Ziegler entstanden traumatische Erinnerungsbilder, die in den ersten dreißig wortlosen Minuten das Haus mit seinen Bewohner*innen gleichsam einschlossen. Zusätzlich konnten durch das VideoMapping einzelne Räume aus der laufenden Projektion ausgespart werden. In diesen realen Räumen erschienen die Performenden als Standbilder. Bewegung entstand nur durch die Videos.

ORPHEUS ILLEGAL von Jury Andruchowitsch, inszeniert von Anna Badora 2005 in Düsseldorf, zeigt den Versuch, Videoprojektionen, hier von Dominik Rinnhofer realisiert, in einen dreidimensionalen Raum zu überführen. Das Bühnenbild, eine weiße Box mit verschiebbaren Wänden, stand in einem 10cm tiefen Wasserbecken. Es wurden Szenen mit Möbeln und Schauspielern aufgenommen und wieder in den gesamten Raum projiziert. Durch die zusätzliche Spiegelung des Wassers flossen Erinnerungen und Realität ineinander.

PROJIZIERTE RÄUME


PrOJiZierte rÄUMe


OrFeO

2003

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PrOJiZierte rÄUMe


PrOJiZierte rÄUMe

Der geLBe KLANg

2014


PROJIZIERTE RÄUME

BLAUBART

2013


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PROJIZIERTE RÄUME


187

BLAUBART

2013


PROJIZIERTE RÄUME

orPHeUS ILLEGAL

2005


189 PROJIZIERTE RÄUME


Die Wahrnehmung und Hinterfragung der Realität stand im Zentrum der TanzProduktion IN THE COUNTRY OF LAST THINGS, 2006 im Bayrischen Staatsballett München. Inspiriert war die Inszenierung vom gleichnamigen Roman von Paul Auster. Dieser beschreibt das mysteriöse Phänomen, dass es in einer Stadt heute Dinge gibt, die morgen verschwunden sind: Menschen, Gegenstände, selbst Gebäude. Das Bühnenbild bestand aus Versatzstücken wie einem Auto und einem kippbaren Raum.

PrOJiZierte rÄUMe

Ich habe die Tänzer*innen gebeten, Fotos von sich selbst und ihren Wohnungen mitzubringen. Ihre Lebensrealität wurde Teil des Bühnenbilds. Um Paul Austers surreale Welt zu erzählen, bedurfte es der Videoebene, die heterogene Gegenstände, Realitätspartikel, Handlungen und Blickwinkel etc. verband. In der ersten Szene ging es um Perspektivwechsel. Auf der Bühne überfährt eine Frau ihren Mann in slow motion. Dann läuft die Szene rückwärts: Das Auto fährt zurück, und der Mann steht wieder auf. Darüber wird die gleiche Szene auf zwei Videoprojektionen gezeigt, zeitgleich aus zwei unterschiedlichen Kameraperspektiven gefilmt. Wir schauen auf drei Informationen über denselben Vorgang. Außerdem wurde das „making of“ gezeigt, Szenen mit leichten Veränderungen wiederholt und wie bei einer Filmaufnahme nummeriert. Gearbeitet haben wir mit Live-Kameras und vorproduzierten Videos (wiederum von Chris Ziegler).

Über allem stand die Frage:

Was sehe ich? Ist das wahr, was ich sehe? Die Gleichzeitigkeit von

Ereignissen auf mehreren Bildebenen ist für mich der Mehrwert, eine zusätzliche Erzählperspektive. Im Roman misstraut Paul Auster der Realität der Dinge. Ich zeigte ihre verschiedenen Erscheinungsformen: Wir sehen das Auto als Schatten hinter einer Stoffwand, sehen den Schatten der Fahrerin, die aus dem Schatten aussteigt, um die Wand herum geht, quasi aus dem Bild aussteigt in die Realität. Solche Phänomene haben mich interessiert.


iN tHe COUNtrY OF LASt tHiNgS

191 2006


PrOJiZierte rÄUMe

192


iN tHe COUNtrY OF LASt tHiNgS

2006


LEUCHTENDE RÄUME

PROJIZIERTE RÄUME

194 PROJIZIERTE RÄUME


wer schaut auf wen? Der Blick der Männer auf die Frau spielte bei meiner Inszenierung von Oscar Wildes SALOME, 2015 in Graz, die zentrale Rolle. Salome ist das Zentrum, und alle schauen sie an. Sie begehrt den einzigen Menschen, der sie nicht anschauen will.

Ansehen, Wegsehen, Nicht-Sehen: Um sich diesen Themen zu

nähern, war der Einsatz einer Live-Kamera naheliegend. Das Bühnenbild bestand aus einer großen aktiven Videowand, deren Lichtstärke die Bilder intensiver als eine Projektion machte. Sie war Bühnenbildelement und Bildquelle gleichzeitig, konnte auf der Drehbühne gedreht und bis zur Vorbühne gefahren werden. Seitlich wurde der Raum durch zwei Wände begrenzt. Dazu kamen vorproduzierte Bilder der Grazer Videogruppe Evil Frog. In der Eröffnungsszene sehen wir Salome alleine in einem Bildraum ohne Ausgang. Hinter ihr die Videowand und vor ihr ein Portalschleier. Das Livebild, von vorne projiziert, vermischt sich mit dem Bild der Videowand hinter ihr. Dazwischen rennt sie im Kreis und kann den Blicken der Männer auf der Videowand nicht entkommen. Bei dieser Produktion verschmolzen Raum-, Video- und Bildkonzept. Das Bühnenbild bestand eigentlich nur aus Menschenbildern, die aber auch Spielpartner*innen sein konnten, wie in der Szene zwischen Herodes, Herodias, Salome und Jochanaan. Sein Gesicht wurde groß aus der Unterbühne übertragen und damit den Blicken Salomes ausgesetzt. Ihr Spiel mit seinem Bild, seine Anwesenheit im Medium, bei gleichzeitiger physischer Unerreichbarkeit für Salome, war die Weiterführung der Eröffnungsszene. Mit dem Einsatz der drahtlosen Kamera konnte bei Salomes Tanz für Herodes der Blick von Herodes auf Salome umgekehrt werden. Die Szene spielte hinter der Videowand, und Salome hatte die Kamera auf Herodes gerichtet. Statt sie tanzen zu sehen, sahen wir nur das geifernde Gesicht des Herodes. In der letzten Szene hält Salome den abgeschlagenen Kopf des Jochanaan in der Hand und spricht mit ihm. Die Frau schaut dem Mann direkt in die toten Augen. Die Live-Kamera ist jetzt eingebaut im Kopf des Jochanaan. Erst als Toter schaut er sie an. Die Kamera vergrößert Salomes Blick auf ihn. Wir sehen ihren Kuss aus seiner Perspektive.

SALOME

2015

PROJIZIERTE RÄUME

195


PrOJiZierte rÄUMe

196

SALOMe

2015


PROJIZIERTE RÄUME

197 PROJIZIERTE RÄUME


SALOMe

PrOJiZierte rÄUMe

198 PrOJiZierte rÄUMe

2015


PrOJiZierte rÄUMe


E li w lä w e


Ein echter Stein liegt da, ist kalt, wackelt nicht und lässt sich nicht wegtragen wie ein Styroporblock


MATERIAL Räume

202

MATERIAL RÄUME MATERIAL RÄUME


203

MATERIAL RÄUME MATERIAL RÄUME


Natürlich hatte ich als Student kein Geld. Deshalb putzte ich in New York 1980 den „Broken Kilometer“ von Walter De Maria. Dieses Kunstwerk, ein 1km langer Bronzestab mit 5cm Durchmesser wiegt 18 Tonnen. In Kassel ist er als Erdkilometer im Boden vor dem Museum Fridericianum versenkt, und in New York liegt er in 500 Stücken auf dem Boden der DIA Art Foundation. Diese Berührung im Wortsinne mit materialisierter Konzeptkunst hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dass Material zur Kunst wird, wie es Josef Beuys und vor allem Jannis Kounellis und seine Kollegen der „Arte Povera“ mit Stein, Stahl, Feuer, Kohle, gefundenen Kleidern und Möbeln vorgemacht haben, war beeindruckend. Wie sie immer wieder Installationen aus Abfallmaterialien entwickelt haben, hat mir Mut gemacht. Ohne Geld direkt in Räumen zu arbeiten, und wenn es nur mit einer Glühlampe und einem Kassettenrekorder war, hat mich schon während des Bühnenbildstudiums weit gebracht. Modell bauen mochte ich nie. Mein Misstrauen gegenüber allem Künstlichen, Kaschiertem auf der Bühne habe ich nie verloren. Ein echter Stein liegt da, ist kalt, wackelt nicht und lässt sich nicht wegtragen wie ein Styroporblock. Ich wollte den „echten“ Körpern der Performenden auf der Bühne mit „echten“ Objekten begegnen. So, wie bei MEMORIES CAN’T WAIT, 1991 in New York, wo die Schauspielerin mit ihrem eigenen Auto auf die leere Bühne fuhr. Klar, sie hat Theater gespielt, eine fiktive Story behauptet. Aber die Körper krachten während einer Kampfszene auf die reale Motorhaube. Diese Materialerfahrung setzte sich beim ersten Teil von „Gänge“, 1982 mit William Forsythe, fort. Ich recycelte alte Wände, ließ illusionistische Malereien abkratzen bis das Holz zum Vorschein kam.

MATERIAL RÄUME

siehe Leuchtende Räume 16


Als junger Bühnenbildner am Stadttheater war es schwieriger, solche ästhetischen Setzungen zu realisieren. Zum Beispiel bei DER KIRSCHGARTEN von Tschechow, 1985 inszeniert von Ansgar Haag in Darmstadt, wollte ich die Formen sprechen lassen, nicht eine Atmosphäre herstellen. Als einziges Material für das gesamte Bühnenbild verwendete ich Sperrholz. Rohes Holz überall als ästhetische Einheit. Die Bühne sah dadurch aus wie ein Modell. Sie war das Zeichen für eine Welt. Kein Versuch, die Welt realistisch nachzuerzählen. Allerdings kam ich im 1. Akt in den Zugzwang des Narrativen. Die Innenräume sollten bewohnt wirken. Der Prozess vom bewohnten zum unbewohnten Raum im 3. Akt sollte sichtbar werden. So habe ich Möbel in den Modellraum des 1. Akts gestellt. Ein unsauberer Kompromiss in meinen Augen. Sperrholz auf der Bühne war damals ein Schimpfwort, es wurde als billig und unfertig denunziert. Für mich war das Material aber eine „ehrliche“ Realität und nicht die Illusion einer kunstvoll patinierten Welt.

Die Holzwand ist eine Holzwand, nicht mehr.

Die kann umfallen, sich bewegen usw., ein realer Vorgang und keine Illusion. Ich wollte dem Bühnenbild ein Eigenleben zugestehen. Daher entwickelte ich mich weg von der Auseinandersetzung mit Innen- und Außenräumen hin zu objekthaften Bühnenbildern. Später deckte sich diese Erkenntnis bei der Arbeit mit Elfriede Jelineks Texten. Dort ist es die reale und mentale Anstrengung der Sprechenden, die selbst zum Material ihrer Arbeit an Jelineks Sprache geworden sind. Da ist kein Platz für „so tun als ob“. 205


DIE perser

1991

Der bewusste Einsatz von Materialien zieht sich durch viele Arbeiten wie bei DIE PERSER von Aischylos, 1991 an der Freien Volksbühne Berlin inszeniert von Christof Nel. Eine hohle Metallkugel von 3m Durchmesser wurde zum Klangkörper. An einem Gitterträger fixiert, schleifte sie über den sich unter ihr drehenden Bühnenboden. Eine Handvoll Sand an einer Stelle ließ die Metallkugel vibrieren, und sie gab ein knirschendes Geräusch von sich. Ein Scheibenwischermotor schlug den Takt an einem Drahtseil über den Köpfen der Zuschauer.

206

MATERIAL RÄUME



Sensibilität für Material kann Widerstand hervorbringen. Im Zu-

schauerraum des 1986 eröffneten Opernhauses in Amsterdam mit seinen feuerroten Plüschsesseln war meine erste Reaktion: Ich brauche Materialien auf der Bühne, die sich gegen diese plüschige Aggressivität wehren können. Für die von Pierre Audi inszenierten Monteverdi-Opern IL RITORNO DI ULISSE, L’INCORONAZIONE DI POPPEA und ORFEO setzte ich auf reale Oberflächen aller Objekte. Bei „Ulisse“ wurden der Plafond und eine Säule mit Kupferblech belegt. Die Wände bestanden aus rostigem Blech und aus naturbelassenem Holz. Der Thron des Ulisse wurde aus 1cm dickem Stahl geschweißt. Ein 7x4m großer Stein bekam eine Steingranulat-Oberfläche und wog noch eine Tonne. Im Bühnenboden wurden ein Sandkanal und eine pneumatisch gesteuerte Flammenwand eingelassen. Die Bühne selbst blieb nackt, ein technischer Ort vor dem eisernen Tor zur Hinterbühne. Bei Gastspielen in New York, Sydney und auch als Neuproduktion in Los Angeles blieb dieses Prinzip gleich, obwohl jedes Bühnenhaus eine gänzlich andere Ästhetik hatte. Die Gegensätze zwischen den Materialien und Elementen Stein, Holz, Kupfer, Rost, Feuer und Wasser erzeugen eine Spannung, deren archaische Kraft mich bei diesen Bühnenbildern interessiert hat. Es war sicher eine Reaktion auf meine Erfahrung mit den klassischen Theaterdekorationstechniken, wie ich sie noch einige Jahre zuvor bei MARIA STUART in Freiburg gemacht hatte. Die spannende Architektur zweier verschachtelter Kronenelemente meinte ich mit Goldfarbe übertünchen zu müssen, statt die Konstruktion aus Sperrholz sichtbar zu lassen.

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siehe Bewegte Räume 46


Auf der Suche nach „echten“ Oberflächen ließ ich für die POPPEA den 300m² großen Bühnenboden mit Blattgold auslegen. Darauf stand ein zusammengestauchtes rostiges Blechzelt. Es bestand aus einzelnen Blechplatten, die auf einer Fläche von 8x8m zusammengeschweißt wurden. Das Besondere dabei war die Formgebung. Ich nenne das

Accidental Design

, weil das Blech mit zwei Gabelstaplern zusammengequetscht wurde und dieser Vorgang die Form bestimmte. Das Ergebnis kam dem Modell, das nur aus einem zusammengeknüllten Stück Papier bestand, erstaunlich nah. Diese Unschärfe im Arbeitsprozess erfordert eine Offenheit, sich mit den Werkstätten über vage Ideen zu unterhalten, mit Näherungswerten umzugehen und dem Zufall eine Chance zu geben.

siehe Limbs 3.Teil 58

Für die dritte Monteverdi-Oper ORFEO gab es für die Unterweltszenen eine Kombination von Feuer und Wasser. Auf der Oberfläche eines Wasserteichs mit 10m Durchmesser erschienen plötzlich an zwölf Stellen Flammen, ein wunderbar poetisches Bild. Im wadentiefen Wasser waren Schläuche verlegt, die Gas an die Oberfläche zu kleinen unsichtbaren elektrischen Zündern leiteten. Hier kam die Qualität besonders der Amsterdamer Oper zur Geltung, Spezialisten aus allen Gewerken zu versammeln, die Lust hatten, nach neuen Lösungen zu suchen. Ohne Kompromisse ging es trotzdem nicht. Sieben echte Baumstämme von 10m Länge wie ein Tipi auf die Bühne zu stellen, war allein vom Gewicht her unmöglich. Und für die Idee, einen Stein von 6x5m schweben und über die ganze Bühne rotieren zu lassen, griffen wir auf die Kaschur mit Granulat-Oberfläche zurück. Die Diskrepanz zwischen technisch Möglichem und den Ideen des Künstlers bleibt ungelöst.

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IL RITORNO DE ULISSE

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1990


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IL RITORNO DE ULISSE

1990


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L'INCORONAZIONE DI POPPEA 1993

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ORFEO

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1995


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Die Spannung, die bei der Kombination gegensätzlicher Materialien entsteht, hat mich trotzdem nicht losgelassen. Für LEAR von Shakespeare, inszeniert von Li Liuyi 2017 in Peking, habe ich Materialien dem Verlauf der Handlung zugeordnet. Die Eröffnungsszene spielte zwischen zwei halbrunden, mit Kanthölzern strukturierten Wänden in Blattgold. Mit dem Verfall der königlichen Macht wurden diese Wände von einer überdimensionalen Rostwand abgelöst. Ein Stahlquader fuhr in der Sturmszene aus der Unterbühne hoch. Für das Schlachtfeld schob sich eine durchschossene glänzende Metallwand dazu. Diese Wand brauchte für die Verformungen des Blechs reale Kraft- und Gewaltanwendungen.

LeAr

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2017


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LEAR

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2017


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HAMLET

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2018


Für Shakespeares HAMLET, anderthalb Jahre später am gleichen Ort wiederum mit dem Regisseur Li Liuyi, war der Ansatz ein ganz anderer. Im Stück werden Machtstrukturen infrage gestellt, deren Balance fragil ist. Eine 13m große Scheibe, die in jede Richtung kippen konnte, war die Metapher für diese unsicheren Verhältnisse. Der Absturz war jederzeit möglich. Die Kipp-Bewegung der Scheibe wurde technisch einfach gelöst.

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Für die Oberfläche suchte ich nach organischen Materialien und kam auf eine archaische Lösung: sechzig Pferdefelle. Als Zeichen für Macht, die auf dem Rücken von Pferden erkämpft wurde. Natürlich wirft eine Entscheidung für solch ein Material heute ethische Fragen auf und verweist auf eine generelle Debatte, wie und welche

Ressourcen

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wir am Theater überhaupt benützen und verbrauchen sollten. Das Objekt, ein nicht zu entwirrendes Knäuel aus 300m Aluminumrohr, das über Hamlet kreiste, gehört in die harmlosere Kategorie, da es zu 100% recycelbar war. Dennoch bleibt der Diskurs über die Absicht und die Wirkung von Materialien entscheidend: Spüren die Schauspieler*innen und das Publikum den Unterschied zwischen einem echten und einem Kunstfell? Ich glaube, ja.

HAMLET

2018


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Eine mögliche Antwort auf die Debatte: Reduktion. Dafür steht auch mein Umgang mit dem simplen Material Drahtgaze, zum Beispiel bei DOUX MENSONGES, 1999 von Jiri Kylian in der Pariser Oper. Hierfür wurden über 400m² Drahtgaze zusammengenäht und anschließend gefaltet und gestaucht. Diese Drahtwolke konnte durch unterschiedlich fahrende Punktzüge immer wieder neue Formen annehmen.

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Doux mensonges

1999

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Für die Oper WOZZECK von Alban Berg, 2008 in Brüssel inszeniert von David Freeman, habe ich die leere Bühne vom Orchestergraben bis zur Rückwand mit Torf aufschütten lassen. Diese hügelige Erdlandschaft konnte in einer Senke innerhalb von wenigen Minuten mit Wasser geflutet werden. In diesem Teich „ertrank“ Woyzeck auf offener Bühne. In der Realität tauchte der Sänger Dietrich Henschel im Wasser durch einen Siphon in einen kleinen Luftraum, wartete dort die letzten fünf Minuten der Oper ab und tauchte zum Applaus wieder auf.

Wozzeck

2008


Meine Beschäftigung mit Nachhaltigkeit begann 1990 weniger aus ökologischen als aus künstlerischen Gründen in der Frankfurter Schmidtstraße. Die Hallen des heutigen Frankfurt-Lab standen damals noch leer. Für die Veranstaltung THE MIXER im Rahmen der Art Frankfurt sollte ich mit einem kleinen Budget die riesigen Hallen strukturieren und ein Lichtkonzept entwerfen. Ich habe nur mit Miet- und Pfandmaterial gearbeitet. Mit zwölf schräg gegeneinander gestellten Bauschuttcontainern habe ich eine Diagonale durch die große Halle gezogen, Getränkekisten zu einem Kubus von 5x5x4m aufgeschichtet und in einem anderen Raum Paletten mit Ytong Baumaterial im Raum verteilt. Alles wurde an einem Tag geliefert und am nächsten Tag wieder abgeholt. Solch ein Prinzip ließe sich am Theater nur anwenden, wenn die Struktur des Repertoire-Theaters mit seinem täglich wechselnden Programm überdacht würde.

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THE MIXER

1990


Rechnitz

2012

Neben der Reduktion der Materialien für ein Bühnenbild eröffnen

auf dem Weg zum nachhaltigen Arbeiten strukturelle Ver-

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änderungen der Stadttheater neue Möglichkeiten für Bühnenbildner*innen. Das Grazer Theater hat die Werkstätten als Eigenbetrieb vom Theater abgekoppelt. Für meine Produktion RECHNITZ von Elfriede Jelinek 2012 waren 60.000 € als Budget für die Herstellung der gesamten Ausstattung, ohne Bindung an eine Werkstatt, vorgesehen. In einem Theater mit integrierten Werkstätten wären das 20.000 €, weil die restlichen 40.000 € im Personalbudget der Werkstätten fix verankert wären. Ich habe das als künstlerische Herausforderung begriffen und nicht über Standardmaterialien wie Holz, Metall und Farbe nachgedacht, die in einer Werkstatt verarbeitet werden müssten.


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MAteriAL rÄUMe

RECHNITZ handelt vom Mord an jüdischen Menschen, die in einer Scheune auf Schloss Rechnitz eingeschlossen wurden. Die Scheune wurde angezündet, während die Schlossgesellschaft munter weiter feierte. Zur Eröffnung war eine Schafherde, als Metapher für christliche Opferlämmer, auf der leeren Bühne. Für diese sprachlich überzeichnete Farce arbeitete ich mit einer großen Zahl gemieteter Prospekte, deren finale Auswahl sich erst auf den Bühnenproben herauskristallisierte. Es entstanden groteske Schlossbildcollagen, und ein kompletter Bergund Waldaushang für ein Schwanensee-Ballett bildete eine Gassenbühne. Nur tanzte hier das Bühnenbild in den Zügen auf und ab. Für die

letzte Szene brachte ich vier Hüpfburgen auf die drehende Bühne, die ab dem Moment, in dem sie sichtbar wurden, über fünf Minuten die Luft verloren. Hier hat mich der Prozess interessiert: Der Herrschaft geht die Luft aus. Die Hüpfburgen konnten nach der letzten Vorstellung wieder verkauft werden. Es war für mich eine befreiende Erfahrung, nicht Schreiner-, Schlosser- und Malarbeiten vergeben zu müssen, nur weil die Struktur des Theaters diese vorhält und die Leistungen im Budget schon verbucht sind. Ein zukunftsweisendes Konzept, da nur so Mittel frei werden, die eine neue Ästhetik auf der Bühne ermöglichen.


Rechnitz

2012

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MAteriAL rÄUMe


Thematische Recherche im Fundus hat mir einen weiteren Weg eröffnet. Beim SPIEL VOM FRAGEN von Peter Handke 2008 in Karlsruhe suchte ich eine Lösung für das Problem des viel zu kleinen Materialetats und fixen Werkstattbudgets. Das Stück zeigt den Abschied von der Zivilisation und den Weg einer Menschengruppe ins Handkesche „Niemandsland“. Diesen Abschied wollte ich zeigen und stellte die Bühne komplett mit Errungenschaften der Zivilisation voll. Alles aus dem Fundus des Theaters. Unter anderem ein echtes Flugzeug, ein Auto, ein Motorboot, eine Gondel, römische Statuen neben einem Dixi-Klo, eine Kutsche mit Pferden. Diese „Zivilisationsüberreste“ wurden in der Eröffnungsszene über zehn Minuten lang wortlos von der Bühne geräumt. Dieser Vorgang schuf einen

Raum der abwesenden Dinge. Übrig blieben die Schauspieler*innen mit Handkes Sprachbildern und uns in einem poetischen Möglichkeits-Raum, jenseits der Dinge.

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SPieL VOM FrAgeN

2008


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spiel vom Fragen

siehe Bewegte Räume Der Abbau als Szene 68

2008

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Winterreise

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2011


Bei WINTERREISE von Elfriede Jelinek, 2011 im gleichen Theater, suchte ich nach einem Bild für den Prozess der Demenz mit fortschreitendem Erinnerungsverlust. Ich stellte alle großen und kleinen Tiere aus dem Fundus auf die leere Bühne. Vor den Augen der dementen Figur verschwanden diese Tiere eins nach dem anderen von der Bühne. In einer ganzen Serie „Lebender Bilder“ erschienen zwanzig gesichtslose Menschen auf der leeren Bühne, die als Wegweiser dem DemenzKranken verschiedene Richtungen anzeigten, ihn mit Abgüssen seines Gesichts spiegelten, oder alle Möbel um ihn herum in Bewegung setzten und vor seinen Augen verschwinden ließen. Ein Raum verliert das Gedächtnis. Nach 35 wortlosen Minuten blieb nur ein 2m breiter Streifen vor einer 20m langen Wand als Spielfläche übrig. Die Erinnerungen oder deren Bilder waren hinter der Wand unerreichbar für den Dementen. Er blieb allein mit der Sprache von Jelinek vor dieser Wand. Die „Bühnenbilder“ waren in dieser Produktion auch die „Menschenbilder“.

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Winterreise 2011

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F ERTIG Bei meiner Suche für einen Grund, überhaupt etwas auf die Bühne zu stellen, lande ich immer wieder bei der Architektur und ihrer Entwicklung. Dort geht es um Grundsätzliches. Es wird gebaut, damit der Mensch ein Dach über dem Kopf hat. Symmetrie beherrschte die Architektur. Immer alles schön rechtwinklig, wie beim Bauhaus. Anders der Dekonstruktivismus. Da platzen die Räume bei Frank Gehry und verbiegen sich. Oder die Wände stehen schräg und haben spitze Winkel bei Daniel Libeskind. Diese Vielfalt jenseits des Dekorativen suche ich immer noch. Bei früheren Schauspielinszenierungen habe ich behauptet: „Ich brauche kein Bühnenbild“. Das ist noch kein Konzept, sondern nur eine Einstellung. Es entbindet einen nicht von der Aufgabe, auf jeder Probe den Raum zu hinterfragen. Als Regisseur und Bühnenbildner in Personalunion muss ich mich fragen: Was kann ich eigentlich alleine bewältigen? Wie viele Partner*innen brauche ich auf der konzeptuellen Ebene? Was habe ich aus den Augen verloren? Wenn du allein arbeitest und Erfolg hast, kommst du leicht in einen Zustand von Hybris, wo du denkst, du kannst die Welt beeinflussen. Ich habe mich durch meine Neugier, immer etwas anderes auszuprobieren, auch verzettelt, und bestimmte Ideen und Erfindungen nicht konsequent weiter entwickelt. Es hätte öfters kritischer Auseinandersetzung bedurft. Eine Lösung wäre kollaboratives Arbeiten in einer Gruppe. Modelle wie Rimini Protokoll oder Monster Truck sind aus meiner Sicht da wegweisend. Nachhaltigkeit kann auch den gesammelten Erfahrungsschatz im Umgang mit künstlerischen Mitteln meinen. Nachhaltigkeit als künstlerisches Denk- und Handlungsprinzip hat für mich mit einer prozessorientierten Ästhetik und Formensprache zu tun. 244

gib


gibt's

n i ch t

Dinge auf die Bühne zu stellen, um sie abzuräumen, Dinge wieder zu verwenden, nicht nur aus Geldmangel, sondern auch aus Neugier. Das Besondere an der Arbeit mit vorhandenem Material aus dem Fundus ist der Such- und Entscheidungsprozess auf den Proben. Dadurch, dass nichts angefertigt werden muss, ist alles von Probenbeginn an verfügbar. Passt ein Objekt nicht in die Szene, fällt die Entscheidung leicht, es wieder in den Fundus

Leichtigkeit ist faszinierend

zurückzuschicken. Diese , das Gegenteil eines klassischen Bühnenbildentwurfs mit Bauprobe, Werkstattabgabe und technischer Einrichtung. Dieser kreative Prozess, Entscheidungen offenzuhalten, ist eine Haltung. In diesem Prozess entstehen keine gebauten Innenräume, sondern Objektlandschaften. Ich mag Autos. Sie sind leicht zu bekommen, auf der Bühne durchaus nachhaltig, weil sie nicht fahren und wieder zurückgegeben werden. Theater wird nie völlig nachhaltig sein können. Allein, wenn ich mir den Energieverbrauch der Gebäude anschaue, lässt sich absehen, dass künstlerische Arbeit immer wieder ein Surplus ist, ein Luxus, der nicht allein nach vernünftigen Kriterien zu betreiben ist. Systemfrage: Ist im Hinblick von schwindenden materiellen und finanziellen Ressourcen das Repertoiresystem mit wechselnden Vorstellungen, täglichen Proben und Vorstellungsauf- und -abbau überhaupt zu vereinbaren mit dem Begriff der Nachhaltigkeit? Die Sehnsucht nach Einfachheit entsteht aus einem Überangebot an Dingen, Materialien und ihrer Verschwendung. Diese Einfachheit, die in den kleinen Dingen steckt, wenn du nur deinen Blickwinkel änderst, eröffnet neue Dimensionen der künstlerischen Produktivität. Offen bleiben für den Prozess. 245


Verzeichnis der Produktionen (Auswahl) Aus meinen über 200 Produktionen habe ich auf Grund der Kriterien für die sechs Kapitel ca. 70 Produktionen ausgewählt. Aus Platzgründen kann ich nur die Regieteams nennen und nicht die vielen Tänzer*innen, Sänger*innen, Schauspieler*innen und sonstige Beteiligte, bei denen ich mich herzlich bedanke und ohne die die Produktionen nicht denkbar gewesen wären. THIS GUY IN THE MAGAZINE von Marc Maislen, Michael Simon Performance von Marc Maislen, Michael Simon Musik: Brian Eno Bühne, Licht, Kostüm: Michael Simon New York Avantgarde Festival 10.7.1980 (siehe S. 14/15) MEMORIES CAN’T WAIT von Uwe Froehling Regie: Marc Maislen, Michael Simon Bühne, Licht, Kostüm: Michael Simon Choreografie: Ron Thornhill Performing Garage New York 30.7.1981 (siehe S. 16/17/202) GÄNGE. EIN STÜCK ÜBER BALLETT von William Forsythe, Michael Simon, Thomas Jahn Inszenierung, Bild: William Forsythe, Michael Simon Musik: Thomas Jahn Kostüm: Randi Bubat, Ingolf Thiel, Tom Schenk Musikal. Einstudierung: Bernhard Kontarsky Klangregie: Andreas Breitscheid

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Erster Teil: Nederlands Dans Theater 13.2.1982 Teil Eins bis Drei: Ballett der Oper Frankfurt 27.2.1983 (siehe S. 18/19/88/148-151/204) LDC von William Forsythe Choreografie: William Forsythe Musik: Thom Willems Bühne: Michael Simon Kostüm: Benedikt Ramm Ballett der Oper Frankfurt 1.5.1985 (siehe S. 10/11/19/42-45) DER KIRSCHGARTEN von Anton Tschechow Regie: Ansgar Haag Bühne: Michael Simon Kostüm: Ferial Simon Musik: Michael Eberhard Staatstheater Darmstadt 1985 (siehe S. 205) MARIA STUART von Friedrich Schiller Regie: Thomas Reichert Bühne: Michael Simon Kostüm: Ferial Simon Musik: Christoph Marthaler Theater Freiburg 13.12.1986 (siehe S. 46) ELEMENTS OF CRIME von Michael Simon Musik: Lulu von Alban Berg Regie, Bühne, Licht: Michael Simon Mitarbeit: Arnold Brookhuis Nederlands Dans Theater Den Haag 24.11.1988 (siehe S. 89)

DER EINGEBILDETE KRANKE von Jean Baptiste Moliere Regie: Thomas Reichert Bühne: Michael Simon Kostüm: Kristine Upesleja Dramaturgie: Carin Marquardt Staatstheater Darmstadt 1988 (siehe S. 89) KAGUYAHIME von Jiri Kylian Choreografie: Jiri Kylian Musik: Maki Ishii Bühne, Licht: Michael Simon Kostüm: Ferial Simon Nederlands Dans Theater 2.6.1988 (siehe S. 20-23) LEONCE UND LENA von Georg Büchner Regie: Christof Nel Bühne: Michael Simon Kostüm: Ulla Gothe Musik: Lars Rudolph Licht: Heinrich Brunke Dramaturgie: Christoph Rüter Künstlerische Mitarbeit: Thomas Brasch Musikal. Mitarbeit: Christof Marthaler Freie Volksbühne Berlin 6.4.1989 (siehe S. 84/85/90) DER AUFTRAG von Heiner Müller Regie: Herbert König Bühne: Michael Simon Kostüm: Beatrice von Bomhard Dramaturgie: Simone Kranz Ruhrfestspiele Recklinghausen 4.5.1989 (siehe S. 48/49) THE MIXER Installation von Michael Simon Verein 7.07. in der Kommunikationsfabrik Frankfurt 17.3.1990 (siehe S. 230/231) LIMBS THEOREM von William Forsythe

Choreografie William Forsythe Bühne Teil 1, 3: Michael Simon Bühne Teil 2: William Forsythe Licht: William Forsythe, Michael Simon Kostüm: Ferial Simon Konzeptmitarbeit: Heidi Gilpin Ballett Frankfurt 17.3.1990 (siehe S. 54-61) WOZZECK von Alban Berg Musikal. Leitung: Michael Boder Regie: Christof Nel Bühne: Michael Simon Kostüm: Benedikt Ramm Licht: Herman Münzer Chor: Werner Nitzer Dramaturgie: Ute Becker Theater Basel 30.4.1990 (siehe S. 158/159) ROBERTO ZUCCO von Bernhard Koltes Regie: Herbert König Bühne: Michael Simon Kostüm: Beatrice von Bomhard Dramaturgie: Simone Kranz Düsseldorfer Schauspielhaus 21.9.1990 (siehe S. 66/67) IL RITORNO D’ ULISSE IN PATRIA von Claudio Monteverdi Musikal. Leitung: Glen Wilson Regie: Pierre Audi Bühne: Michael Simon Kostüm: Jorge Jarra Licht: Jean Kalman Dramaturgie: Klaus Bertisch De Nederlandse Opera Amsterdam 10.11.1990 (siehe S. 208/210-213) NEWTONS CASINO von Michael Simon, Heiner Goebbels Regie, Bühne, Licht: Michael Simon Regie, Musik: Heiner Goebbels Dramaturgie: Ute Becker Theater am Turm 16.12.1990 (siehe S. 152-157)


RÖMISCHE HUNDE von Michael Simon, Heiner Goebbels Regie, Bühne, Licht: Michael Simon Regie, Musik: Heiner Goebbels Theater am Turm 18.12.1991 (siehe S. 38/39/62-65) DIE PERSER von Aischylos Regie: Christof Nel Bühne, Licht: Michael Simon Kostüm: Peter Schubert Musik: Blix Bargeld Dramaturgie: Christoph Rüter Freie Volksbühne Berlin 13.4.1991 (siehe S. 206/207) IL INCORONAZIONE DI POPPEA von Claudio Monteverdi Musikal. Leitung: Christophe Rousset Regie: Pierre Audi Bühne: Michael Simon Kostüm: Emi Wada Licht: Jean Kalman Dramaturgie: Klaus Bertisch De Nederlandse Opera Amsterdam 13.11.1993 (siehe S. 209/214/215) PROMETHEUS II von Eberhard Kloke, Michael Simon Musikal. Leitung: Eberhard Kloke Regie, Bühne, Licht, Kostüm: Michael Simon Dramaturgie: Wolfgang Hofer Oper Nürnberg 23.1.1994 (siehe S. 160-163) DAS SPIEL VOM ENDE DER ZEIT von Carl Orff Musikal. Leitung: Alicya Munk Regie, Bühne: Michael Simon Kostüm: Anna Eiermann Ulmer Stadttheater 26.3.1994 (siehe S. 47) BLACK RIDER von Wilson, Waits, Burroughs Regie, Bühne, Licht: Michael Simon Musikal. Leitung: Volker Griepenstroh Regie Mitarbeit, Choreografie: Ron

Thornhill Kostüm: Anna Eiermann Dramaturgie: Ingoh Brux Schauspiel Dortmund 8.10.1994 (siehe S. 13/24-27) ORFEO von Claudio Monteverdi Musikal. Leitung: Stephen Stubbs Regie: Pierre Audi Bühne: Michael Simon Kostüm: Jorge Jarra Licht: Jean Kalman Dramaturgie: Klaus Bertisch De Nederlandse Opera Amsterdam 6.5.1995 (siehe S. 209/216/217) JEKYLL UND HYDE nach Robert Louis Stevenson Regie, Bühne: Michael Simon Choreografie, Regiemitarbeit: Ron Thornhill Kostüm: Anna Eiermann Musik: Jörn Brandenburg Licht: Michael Simon, Ulrich Schneider Akrobatik: Lajos Kovacs Dramaturgie: Bettina Erasmy, Matthias Lilienthal Volksbühne Berlin 19.12.1995 (siehe S. 70/71) BILDBESCHREIBUNG von Heiner Müller Regie, Bühne: Michael Simon Kostüm: Anna Eiermann Kunstfest Weimar 12.7.1996 (siehe S. 30/31) SCHLAFLOS von Bettina Erasmy Regie, Bühne: Michael Simon Kostüm: Mechthild Feuerstein Musik: Achim Kubinski Dramaturgie: Christian Zertz Schaubühne Berlin 16.11.1996 (siehe S. 78-81) NARCISSUS von Beat Furrer

Musikal. Leitung: Beat Furrer Regie, Bühne, Kostüm, Licht: Michael Simon Choreinstudierung: Sibylle Wagner Klangregie: Peter Böhm Dramaturgie: Paul Esterhazy Oper Bonn in der Bundeskunsthalle 10.1.1998 (siehe S. 91/94-97) DANTES GESICHTER nach Dante Alighieri von Michael Simon Inszenierung, Bühne: Michael Simon Musikal. Leitung, Choreinstudierung: Heinz Klaus Kostüm: Nina Reichmann Licht: Bernhard Schröder, Michael Simon Dramaturgie: Josef Mackert Theater Krefeld 6.9.1998 (siehe S. 91-93) STIMME ALLEIN von Beat Furrer, Michael Simon Musik von Beat Furrer, Klaus Lang Texte von Georg Büchner Textmontage: Hannes Hellmann Regie, Bühne, Kostüm: Michael Simon Licht: Michael Simon, Jürgen Zoch Dramaturgie: Paul Esterhazy Oper Bonn in der Bundeskunsthalle 15.1.1999 (siehe S. 91/98/99)

Zachhuber Video: Arianne Andereggen, Dominik Rinnhofer Sound Design: Big D. Dramaturgie: Bettina Erasmy, Lukas Matthaei Kunstfest Weimar 23.7.1999 (siehe S. 100/101) KÖNIGINÖK von Klaus Lang Text: Steffen Kopetzky Musikal. Leitung: Klaus Zapf Einstudierung Vocalensemble: Sibylle Wagner Regie, Bühne, Kostüm: Michael Simon Licht: Michael Simon, Klaus Richter Dramaturgie: Paul Esterhazy Oper Bonn in der Bundeskunsthalle 16.3.2000 (siehe S. 168-171) GESPRUNGENE GLOCKEN von Matthias Pintscher Musikal. Leitung: Stefan Blunier Regie, Bühne, Kostüm, Licht: Michael Simon Video: Hannah Gronninger, Armin Purkrabek Dramaturgie: Dietmar Schwarz Nationaltheater Mannheim 8.4.2000 (siehe S. 102/103)

DOUX MENSONGES von Jiri Kylian Musikal. Leitung: Paul Agnew Choreografie: Jiri Kylian Bühne, Licht: Michael Simon Kostüm: Joke Visser L‘Opéra National des Paris Garnier 20.5.1999 (siehe S. 226/227)

BESUCHSZEIT von Reinhard Febel Regie, Bühne, Kostüm: Michael Simon Musikal. Leitung: Anton Zapf Mitarbeit Raum: Marc Thurow Licht: Michael Simon, Klaus Richter Dramaturgie: Jens Neuendorf Oper Bonn in der Bundeskunsthalle 10.4.2001 (siehe S. 104)

I DIDN’T START THE FIRE von Michael Simon Musik: Madonna Hip Hop Massaker Regie, Bühne: Michael Simon Licht: Michael Simon, Michael

DER ALPENKÖNIG UND DER MENSCHENFEIND von Ferdinand Raimund Regle, Bühne: Michael Simon Musik: Franz Tröger


Kostüm: Sabine Blickensdorfer Dramaturgie: Judith Gerstenberg Theater Basel 5.4.2001 (siehe S. 105) DIE BLINDEN von Beat Furrer Musikal. Leitung: Beat Furrer, Bernhard Moncado Regie, Bühne, Kostüm: Michael Simon Co-Regie: Lukas Matthaei Video: Hanna Gronninger, Armin Purkrabek Licht: Michael Simon, Josef Duyx Choreinstudierung: Bernhard Moncado Dramaturgie: Sophie Becker, Paul Esterhazy Theater Aachen 2000 (siehe S. 176/177) GOLEM nach Gustav Meyrinck von Bettina Erasmy Musik: Martyn Jacques Regie, Bühne: Michael Simon Kostüm: Pia Janssen Dramaturgie: Judith Gerstenberg Theater Basel 31.5.2002 (siehe S. 50/51) STADT AUS GLAS von Paul Auster in der Fassung von Ulrich Hub Regie, Bühne: Michael Simon Co-Regie, Choreografie: Ron Thornhill Kostüm: Sabine Blickenstorfer Licht: Hans-Joachim Börensen Sound Design: Hans-Jürgen Becker Musikal. Mitarbeit: Klaus-Lothar Peters Dramaturgie: Ingoh Brux Düsseldorfer Schauspielhaus 5.3.2003 (siehe S. 106-109) ORFEO von Luigi Rossi, Francesco Buti Musikal. Leitung: Christoph Spering

Regie, Bühne: Michael Simon Video: Chris Ziegler Kostüm: Sabine Blickenstorfer Licht: Karl Ulrich Maria Feja Dramaturgie: Christian Baier Wuppertaler Bühnen 4.10.2003 (siehe S. 178/180/181) DREAMTIME nach William Shakespeare Regie, Bühne: Michael Simon Dialogregie: Anke Bussmann Musik: Martyn Jacques Musikal. Leitung: Nina Wurman Kostüm: Anna Eiermann Dramaturgie: Gabriele Rebholz Staatstheater Karlsruhe 24.11.2003 (siehe S. 28/29) L’ESPACE DERNIER von Matthias Pintscher Musikal. Leitung: Kwamè Ryan Regie, Bühne: Michael Simon Licht: Michael Simon, Jo Schramm Kostüm: Anna Eiermann Choreografie: Ron Thornhill Video: Dominik Rinnhofer Opera National de Paris Bastille 23.2.2004 (siehe S. 52/53) PRINZESSINNENDRAMEN von Elfriede Jelinek Regie, Bühne: Michael Simon Kostüm: Zana Bosnjak Licht: Michael Simon, Stefan Woinke Video: Wolfram Jantsch Dramaturgie: Tilman Neuffer Staatstheater Karlsruhe 24.9.2005 (siehe S. 68/69) ORPHEUS ILLEGAL von Juri Andruchowytsch Regie: Anna Badora Bühne: Michael Simon, Dominik Rinnhofer Video: Dominik Rinnhofer Licht: Hans-Joachim Börensen Kostüm: Uta Meenen Musik: Mikolaj Trzaka Choreografie Michael Schmieder

Dramaturgie: Ingoh Brux Düsseldorfer Schauspielhaus 16.10.2005 (siehe S. 179/188/189) IN THE COUNTRY OF LAST THINGS von Michael Simon Musik: Heiner Goebbels Regie, Bühne, Licht: Michael Simon Video: Chris Ziegler Kostüm: Steven Galloway Bayrisches Staatsballett München 17.4.2006 (siehe S. 190-193) WERTHER nach Johann Wolfgang von Goethe in einer Bearbeitung von Uli Hub Regie, Bühne: Michael Simon Kostüm: Zana Bosjnak Video: Arianne Andereggen Dramaturgie: Stephan Wetzel Dresdner Staatsschauspiel 2.11.2006 (siehe S. 12) S(C)ENT von Richard Wherlock Choreografie: Richard Wherlock Mitarbeit: Hans Kaspar Hort Bühne, Licht: Michael Simon Kostüm: Heidi de Raad Dramaturgie: Maya Künzler Theater Basel 19.4.2007 (siehe S. 144/145) WOZZECK von Alban Berg Musikal. Leitung: Mark Wigglesworth Regie: David Freeman Bühne, Licht: Michael Simon Kostüm: Anna Eiermann Chor Leitung: Piers Maxim Kinderchor Leitung: Denis Menier Opera La Monaie Brüssel 26.2.2008 (siehe S. 228/229) SPIEL VOM FRAGEN von Peter Handke Regie, Bühne: Michael Simon Kostüm: Zana Bosjnak

Video: Yvette Pistor Licht: Stefan Woinke Dramaturgie: Tilman Neuffer Karlsruhe 4.10.2008 (siehe S. 236-239) IPHIGENIE EN AULIDE, IPHIGENIE EN TAURIDE von Christoph Willibald Gluck Musikal. Leitung: Christophe Rousset Regie: Pierre Audi Bühne: Michael Simon Kostüm: Anna Eiermann Licht: Jean Kalman Dramaturgie: Klaus Bertisch Chor Leitung: Piers Maxim Opera La Monnaie Brüssel 1.12.2009 De Nederlandse Opera 7.11.2011 (siehe S. 164-167) RICHARD III. von William Shakespeare Regie, Bühne: Michael Simon Kostüm: Pia Jansen Musik: Jorgos Margaritis Licht: Guido Hölzer Dramaturgie: Martin Wigger Theater Basel 12.2.2010 (siehe S. 72/73) WINTERREISE von Elfriede Jelinek Regie, Bühne: Michael Simon Chorregie: Thomas Reichert Kostüm: Zana Bosnjak Musik: Nina Wurman Video: Chris Ziegler Dramaturgie: Tilman Neuffer Staatstheater Karlsruhe 16.4.2011 (siehe S. 114/115/240-243) DIE STADT DER BLINDEN von Anno Schreier Musikal. Leitung: Zsolt Hamar Regie: Stephan Müller Bühne: Michael Simon Kostüm: Carla Caminati Licht: Michael Simon, Elfried Roller Choreografische Mitarbeit: Ramses Sigl Dramaturgie: Ronny Dietrich, Kathrin Brunner


Opernhaus Zürich 12.11.2011 (siehe S. 32-35) RECHNITZ von Elfriede Jelinek Regie, Bühne: Michael Simon Kostüm: Denise Heschl Musik: Bernhard Neumaier Video: Sebastian Hirn Licht: Thomas Trummer Dramaturgie: Regina Guhl Mitarbeit Regie, Dramaturgie: Thomas Reichert Schauspielhaus Graz 16.3.2012 (siehe S.232-235) THE OUTCAST von Olga Neuwirth Musikal. Leitung: Johannes Kalitzke Inszenierung, Bühne: Michael Simon Kostüm: Zana Bosnjak Video: Lillevan Licht: Ralph Schanz Dramaturgie: Anselm Dalferth Chor: Tilman Michael Nationaltheater Mannheim 25.5.2012 (siehe S. 110/111) BLAUBART nach Max Frisch Musikal. Leitung: Sébastien Rouland Regie, Bühne: Michael Simon Choreografie: Nicola Gründel Kostüm: Anna Eiermann Video: Chris Ziegler Dramaturgie: Katja Bury, Karla Mäder, Wanda Puvogel Licht: Morawec Chor Leitung: Zsolt Czetner Konzerttheater Bern 6.10.2012 (siehe S. 179/184-187) IMMER NOCH STURM von Peter Handke Regie, Bühne: Michael Simon Kostüm: Denise Heschl Musik: Bernhard Neumaier Licht: Thomas Trummer Dramaturgie: Heike Müller-Merten Schauspielhaus Graz 13.2.2014 (siehe S. 112/113)

DER GELBE KLANG nach Kandinsky Musik: Frank Zappa Regie, Bühne: Michael Simon Choreografische Mitarbeit: Christine Bürkle Kostüm: Besim Morina Bayrisches Staatsballett München 4.10.2014 (siehe S. 178/182/183)

KUDLICH, eine Anachronistische Puppenschlacht von Thomas Köck Regie, Bühne: Michael Simon Regiemitarbeit, Dramaturgie: Tilman Neuffer Chorregie: Ariane Andereggen Kostüm: Kerstin Grießhaber Theater Ingolstadt 24.3.2018 (siehe S. 76/77/134-141)

NEW GREEN LAND von Michael Simon Leitung: Michael Simon in Kollaboration mit Shannon Scrofano, Chris Ziegler Langzeitprojekt in der Mojave-Wüste mit Echtzeitübertragung in der Entwicklung seit November 2019 (siehe S. 252-256, (Innen)-Umschlag hinten)

DIE SCHUTZBEFOHLENEN von Elfriede Jelinek Regie, Bühne, Kostüm: Michael Simon Licht: Stephanie Meier Video: Ariane Andereggen Dramaturgie: Julia Reichert Theater Freiburg 28.11.2014 (siehe S. 116-123/141)

LEAR von William Shakespeare Regie: Li Liuyi Bühne: Michael Simon, Gong Xun Kostüm: Emi Wada Licht: Li Liuyi, Chen Xiaji Sound Design: Liu Bo National Center for the Performing Arts, Peking 20.1.2017 (siehe S. 202/203/218-221)

AIR von Michael Simon Konzept für eine begehbare Installation: Michael Simon Kollaboration: Saumik Chakraborty Kolkata Durga Puja Festival Oktober 2020 Nicht realisiert wegen Corona (siehe (Innen)-Umschlag vorne)

SALOME nach Oscar Wilde von Einar Schleef Regie, Bühne: Michael Simon Kostüm: Denise Heschl Video: Evil Frog Dramaturgie: Heike Müller-Merten Schauspielhaus Graz 23.4.2015 (siehe S. 174/175/194-199) FASCHING von Gerhard Fritsch Regie: Anna Badora Bühne: Michael Simon Kostüm: Denise Heschl Puppen/ Masken: Nikolas Habjan Musik: Klaus von Heydenaber, Gabor Keresztes Licht: Tamas Banyai Dramaturgie: Roland Koberg Volkstheater Wien 5.9.2015 (siehe S. 74/75) DAS SCHWEIGENDE MÄDCHEN von Elfriede Jelinek Regie, Bühne: Michael Simon Kostüm: Mona Ulrich Licht: Sibylle Stuck Dramaturgie: Michael Eickhoff Schauspiel Dortmund 11.12.2015 (siehe S. 124-133/141)

HAMLET von William Shakespeare Regie: Li Liuyi Bühne: Michael Simon Kostüm: Chang Suk ping William Licht: Deng Wen Komposition: Zhou Juan Sound Design: Liu Bo National Center for the Performing Arts, Peking 28.11.2018 (sieh S. 222-225)

DIE SCHLAFENDE FRAU von Rainer Behr Musik: Andreas Eisenschneider Bühne, Licht: Michael Simon Kostüme: Susanne Stehle Tanztheater Wuppertal Pina Bausch Premiere geplant Januar 2022 (siehe S. 251)

DANK Zuerst allen Bühnenbildassistent*innen und Hospitant*innen. Dann allen Menschen hinter und auf der Bühne für all das, was sie möglich gemacht haben. Für die Entstehung des Buches danke ich dem Team des Verlags und der Druckerei, dem Institut für Performing Art und Film, ZHDK Zürich, für die finanzielle Unterstützung. Ein besonderes Dankeschön für die Zusammenarbeit geht an Simone Manthey, Leila Mekacher, Tilman Neuffer und Stephan Wetzel.

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TEAM-BIOS SIMONE MANTHEY Geboren und aufgewachsen in Westerstetten, studierte sie am Mozarteum Bühnenbild- und Kostümentwurf. Sie arbeitet seitdem, mit kurzen Unterbrechungen (Ausstattungsleitung/Assistenz), als freiberufliche Bühnen/Kostümbildnerin und Grafikerin. Neben ihren Engagements an verschiedenen deutschsprachigen Theatern arbeitet sie mit unterschiedlichen Kulturinitiativen vor Ort zusammen (Werkraum Karlsruhe, Künstler ohne Grenzen u. a.). Leila Mekacher Geboren in Köln und aufgewachsen in Tunesien, kam sie 1998 als Stipendiatin zurück nach Deutschland. Nach einem Vorbereitungskurs an der Uni Heidelberg und einem Elektro- und

Bonustracks Das Buch lebt weiter!

Automatisierungstechnik-Studium an der TU Kaiserslautern promovierte die passionierte Ingenieurin in Robotik und Softwaretechnik an den Universitäten Mannheim und Heidelberg. Die Mutter zweier Kinder hält Fachvorträge, veröffentlicht in Fachzeitschriften, gibt Vorlesungen, forscht zu komplexen Zukunftsthemen und setzt sich für Forschung und Praxistransfer im MINT-Bereich ein. Neben ihrer Funktion als Initiatorin und Verantwortliche für die Blog-Plattform „B4U-mind.com“ hat sie mit „Innoversa.de“ ein interdisziplinäres Team ins Leben gerufen, um die Möglichkeiten der digitalen Revolution zu erforschen und das erworbene Knowhow zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich dabei um ein Team von motivier-

ten jungen Menschen mit und ohne Einschränkungen, deren Verbundenheit auf zwei Fundamenten basiert: Inklusion und fortschreitende Digitalisierung in all ihren Facetten. TILMAN NEUFFER Nach dem Studium der Germanistik und Geschichte in Freiburg im Breisgau arbeitete er als Regieassistent bzw. als Dramaturg an Stadt- und Staatstheatern u. a. in Köln, Kassel und Bonn. Daneben machte er diverse Regiearbeiten, vor allem in der „Freien Szene“. Von 2003 bis 2016 war er als Dramaturg am Badischen Staatstheater Karlsruhe, am Schauspiel Essen, am Theater Freiburg und am Nationaltheater Mannheim engagiert und arbeitet seitdem als Dramaturg und als Mitglied von „Unterneh-

Der Link https://michaelsimon.ch/book/bonus-tracks/ oder dieser QR-Code zu meiner Homepage führen zu einer Mediathek, auf der weiteres Hintergrundmaterial zu meiner Arbeitsweise zu finden ist. Außerdem gibt es die Möglichkeit des Feedbacks.

men Volksbaustelle“ an freien Projekten. STEPHAN WETZEL Stephan Wetzel studierte Germanistik und Anglistik in Tübingen und Glasgow. Von 1992 bis 1998 war er Mitarbeiter von Peter Palitzsch sowie Dramaturg und Pressesprecher am Berliner Ensemble. Danach arbeitete er bis 2005 als Dramaturg am Schauspielhaus Zürich, ab 2006 am Staatsschauspiel Dresden, ab 2009 am Düsseldorfer Schauspielhaus. Von 2011 bis 2015 war er als freier Übersetzer, Redakteur und Dramaturg tätig, u. a. bei den Berliner Festspielen, am Schauspiel Stuttgart und am Schauspiel Frankfurt. Seit Oktober 2015 ist er Lektor bei henschel SCHAUSPIEL.


Pandemisches Theater

DIE SCHLAFENDE FRAU Eine Herausforderung für die Produktion DIE SCHLAFENDE FRAU im Wuppertaler Tanztheater Pina Bausch im Herbst 2020 war die lange Online-Phase. Das Kennenlernen des Choreografen Rainer Behr, die Entwicklung des Raum- und Lichtkonzepts, die Bauprobe und Abgabe waren online. Die Tänzer*innen mussten wegen der Kontaktbeschränkungen wochenlang in ihren Wohnungen proben. Die Bühnenproben im Frühjahr 2021 waren das erste physische Aufeinandertreffen. Eine Premiere hat es bis heute, Stand November 2021, nicht gegeben. Nach zwei Verschiebungen im Frühjahr flutete das NRW Hochwasser die Wuppertaler Unterbühne. Diese Erfahrung mit dem digitalen Kommunikations-Raum war ein erster Schritt auf der Suche nach der Verbindung zwischen realer und digitaler Bühne.

2021/2022

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NEW GREEN LAND

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ONGOING


Kann ich als Bühnenbildner Grundlagenforschung betreiben? Jedenfalls suchte ich den Nullpunkt, einen wirklich leeren Ort, von dem aus Raum anders wahrgenommen werden kann. 2019 hatte ich diesen Ort in der kalifornischen Mojave-Wüste gefunden, eine 100x100m große Fläche für ein Land-Art-Projekt. Die Buchstaben des Titels sollten in die Wüste gepflanzt werden. Die Geschichte des Ortes und die Erfahrung mit Onlinekommunikation während der Pandemie gaben dem Projekt allerdings eine Wendung. Ein Loch im Boden der vermeintlich leeren Wüstenfläche (siehe Foto auf der hinteren Umschlagklappe) gab dem Projekt einen entscheidenden Impuls. Das 5m tiefe Loch war der Überrest eines Schachts einer verlassenen Goldmine.

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Die leere Fläche wurde zum dreidimensionalen Raum, der sich bis heute ausdehnt und historische, ökologische und soziale Räume generiert. Geplant sind partizipative und transdisziplinäre Recherchen mit lokalen Partner*innen und Organisationen im Open Space der Mojave-Wüste, die zeitgleich im Theater-Raum mit dem Publikum umgesetzt werden können. Erste Versuche einer Zoom-Konferenz mit Projektpartner*innen, die live aus der Wüste in eine Zürcher Probebühne übertragen wurden, haben gezeigt, dass der projizierte Wüstenraum ein großes Entwicklungspotenzial hat. Dieses Projekt ist bei der Drucklegung des Buches nicht abgeschlossen und wird mich über 2022 hinaus beschäftigen.

NeW greeN LAND

ONgOiNg

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MATERIAL RÄUME



Warum muss ich überhaupt etwas auf die Bühne stellen?


MICHAEL SIMON studierte Bühnenbild an der Kunstakademie Stuttgart bei Jürgen Rose. Seit 1981 ist er als Bühnenbildner und Lichtdesigner für Oper, Tanz und Schauspiel tätig, u. a. für William Forsythe, Jiri Kylian, Peter Greenaway, Christof Nel, Thomas Reichert, Stefan Bachmann, Stefan Pucher und Li Liuyi in Amsterdam, Berlin, Frankfurt, Los Angeles, Madrid, Paris, New York, Tokio und Peking. Seit 1990 arbeitet er auch als Regisseur an eigenen Projekten, im Schauspiel, Musiktheater und Tanz. Zuerst in Frankfurt mit Heiner Goebbels, dann an Theatern in Basel, Berlin, Bonn, Bremen, Düsseldorf, Dortmund, Dresden, Freiburg, Graz, Hannover, Karlsruhe, München, Paris und Wien. 1994 Einladung zum Berliner Theatertreffen mit seiner Dortmunder Inszenierung von THE BLACK RIDER. Politische Themen rücken ab 2014 in den Mittelpunkt seiner Arbeiten: Seine Inszenierung von Elfriede Jelineks DIE SCHUTZBEFOHLENEN in Freiburg erzählte vom Drama der im Mittelmeer ertrinkenden Bootsflüchtlinge. Ein Jahr später reflektierte DAS SCHWEIGENDE MÄDCHEN von Jelinek die Morde der rechten Terrorgruppe NSU. KUDLICH von Thomas Köck beschäftigte sich 2018 mit der rechtspopulistischen Bewegung in Österreich. Seit 2019 arbeitet Simon an dem Projekt NEW GREEN LAND, das Fragen des Klimawandels in der kalifornischen Wüste behandelt. Michael Simon lehrte von 1998 bis 2004 Bühnen- und Lichtgestaltung als Professor für Szenografie an der HfG Karlsruhe. Von 2008 bis 2021 leitete er den Studiengang Bühnenbild an der ZHdK Zürich.


subTexte Band 25


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