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Bela B von Die Ärzte verrät, ob „Dunkel“ der schäbige Rest von „Hell“ ist
musik show 2 0 2 1 sport theater kabarett
OKT
Ausgabe 244
2,90 €
Damit sind Sie live dabei!
Michael Buchinger bricht aus der Glücks-Tyrannei aus Harry G ist schlecht gelaunt Gewalt blasen zur Götterdämmerung
ED SHEERAN
bad habits
Zugegeben, Mathematik war wohl für die wenigsten das Lieblingsschulfach. Wenn Ed Sheeran aber auf „The Mathematics Tour“ geht, dann kommen sie alle! Und bis zu seinen zwei Stadion-Konzerten in Wien im September können wir auch alle die Songs von „=“ auswendig ...
TM © 1981 RUG LTD CATS LOGO DESIGNED BY DEWYNTERS / Foto: vbw © Deen van Meer 2019 TM © 1981 RUG LTD CATS LOGO DESIGNED BY DEWYNTERS
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DIE ÄRZTE Ja, die „In The Ä Tonight“-Tour von den Ärzten wurde gerade (fast komplett) abgesagt. Aber immerhin ein Österreich-Termin konnte gehalten werden. In mit der Doppelbeschallung „Hell“ und „Dunkel“ retten wir uns wohl bis 2022 ...
18 Frühkindliche Jäger und Sammler
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rst kürzlich saß ich im Freundeskreis bei einem Weinchen zusammen und wie so oft war man bald beim Thema der letzten Plattenkäufe gelandet.Vieles deckte sich, manchmal wurde hektisch das Mobiltelefon gezückt und gleich aus dem Lokal heraus beim Plattendealer des Vertrauens eine Bestellung getätigt: nur nichts verpassen! Einer der Freunde gab sich erstaunlich schweigsam, war immerhin auch seine Partnerin anwesend und sie ist, wenig überraschend, nicht sonderlich amused über Neuzugänge: Immerhin besitzt man schon eine mit Platten vollgeräumte Zweitwohnung. Ein anderer dieser Freunde ist bekannt dafür, regelmäßig spontan zu inventarisieren – nicht, dass in einem unbeobachteten Moment seine Partnerin einzelne Sammlerstücke gar aussortiert und der Allgemeinheit zum Verkauf feilbietet. Auch in meiner Wohnung stapeln sich mittlerweile die Tonträger quer durch sämtliche Räume und nicht selten ernte ich gerade aus meinem weiblichen Umfeld Unverständnis oder gar besorgte Blicke, wenn sie erfahren, dass ich gerade hunderte Euros für eine ältere Platte hingeblättert habe: Gerade die
jüngeren unter ihnen meinen dann oft, ob ich denn noch nichts von Spotify gehört habe. Selbst meine leidgeprüfte Mutter fühlte sich einmal bei einem Besuch meiner Wohnung erschlagen und nahm meine Auffassung, Plattenregale seien auch eine gute Dämmung und sparen somit Heizkosten, lediglich mit einem gequälten Lächeln auf. Nicht selten leiden Menschen – und sagen wir, wie es ist: Männer wie wir tausend Tode, wenn ein Künstler oder ein Label neue Tonträger in den freien Handel wirft und das Shop-System aufgrund großen Ansturms in die Knie gezwungen wird und gerade limitierte Versionen aus dem prall gefüllten Warenkorb wieder verschwinden. Da möchte man dann, der Irrationalität insgeheim eh bewusst, schon einmal den Laptop durchs geschlossene Fenster donnern – denn während andere Leute Regale voll mit Vinyl sehen, sieht der Sammler nur die Lücken zwischen den Platten. Es ist ja auch kein wahlloses Kaufen, eine konfuse Ansammlung: Eine richtige Plattensammlung gibt es nur haptisch und nicht digital, sie ist akribisch sortiert, etwa alphabetisch, chronologisch, nach Genres, Labels oder ganz speziell
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nach Farben oder autobiographisch. Und natürlich reicht selten nur eine Pressung aus – immerhin gibt es unterschiedliche Vinylfarben, abweichende Cover-Variationen, Test- und Fehlpressungen oder Pressungen aus dem Ausland mit Bonustracks. Nur selten wird da auf den Preis geachtet, es zählt allein das Objekt der Begierde. Irgendwann ist vielleicht auch nicht mehr ganz klar, was schließlich wichtiger ist: die Musik, die auf einer Platte zu hören ist, oder eben das Objekt der Begierde, die Platte selbst. Ein Normalsterblicher – besser: eine Normalsterbliche – wird niemals verstehen, was die gleichgesinnten Junkies antreibt, wird zumindest erneut verwundert den Kopf schütteln. Schade eigentlich, denn das unschätzbare Glück, sich einer Leidenschaft so bedingungslos hingeben zu können, ist eigentlich ein wunderbares Gefühl, das die frühkindliche Freude ins ohnehin steife, normierte Erwachsenalter rettet. Daher mein nicht ganz uneigennütziger Tipp an „leidgeprüfte“ Partnerinnen: Akzeptiert im Sinne des Hausfriedens einfach die Obsession. Stefan Baumgartner (Chefredakteur)
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JAN FEB MAR APR MAI JUN JUL AUG SEPT OKT NOV DEZ
IN DIESER AUSGABE
[13] Bücherwurm mit Heinz Strunk, Thomas Mulitzer und Ulrike Haidacher [14] Michael Buchinger ein kathartischer Ausbruch aus der Glücks-Tyrannei [16] Harry G aufregen können sich viele, aber Granteln will gelernt sein [18] Die Ärzte ist „Dunkel“ Ausschussware? [22] Gewalt ihr „Paradies“ zelebriert unser aller Untergang [24] Thorsteinn Einarsson sprengt die Ketten der Vergangenheit
fanSALE: Tickets von Fan zu Fan. Auf der neuen Plattform fansale.at können nun Tickets von Fan zu Fan sicher und unkompliziert weitergegeben werden. Hinter fanSALE steht der Ticketvertrieb oeticket.com, dadurch ist der besonders sichere „Ticketcheck“ möglich: So wissen Sie, dass es sich bei den angebotenen Tickets um keine Fälschung handelt und zudem das Preis fair ist, also maximal den Originalbetrag beträgt oder sogar darunter liegt! Damit reagiert fanSALE auf die typischen Missbrauchsrisiken des Verkaufs von Tickets über Online-Plattformen und hat diverse Checkposten integriert, die den Betrug mit gefälschten Tickets nahezu ausschließen.
Wann Mathematik begeistert angenommen wird
In der Schule Bei Ed Eheeran
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Fotos: oeticket.com, Industrial Light & Magic, Illustration: Österreich in leiwanden Grafiken
oeticket auf Spotify. Seit Juli ist oeticket nicht nur auf Instagram, Facebook und Twitter aktiv, sondern dreht auch auf Spotify die Lautsprecher auf die sprichwörtliche 11: Monatlich werden bis zu zwei Playlisten veröffentlicht, die zu einem bestimmten Thema – sei es ein Festival, ein bestimmter Künstler oder ein Genre – eine akustische Brücke schlagen und somit „Lust auf mehr“ machen soll. Ganz aktuell: Marco Pogo von Turbobier hat uns eine bierige Playlist zusammengestellt, Dead „Richy“ Gein von Bloodsucking Zombies From Outer Space eine Einstimmung auf Halloween!
ABBA sind zurück. Eine der größten und einflussreichsten Popgruppen der Geschichte hat sich Anfang September zurückgemeldet: ABBA! Am 5. November wird ihr neues Album „Voyage“ erscheinen, die ersten zwei Singles „I Still Have Faith In You“ und „Don’t Shut Me Down“ zeigen bereits, dass die vier Schweden an ihrem Erfolgsrezept nicht viel verändert haben – und es immer noch funktioniert. „Live“ kommen ABBA natürlich auch: Bei der Show treten Agnetha, Björn, Benny und Anni-Frid nicht selbst auf, sondern als „Abbatare“, die live von einer 10-köpfigen Band begleitet werden; Start ist am 27. Mai in London. Die digitalen Avatare wurden in akribischer Detailarbeit erstellt: Ein 850-köpfiges Team von George Lucas’ Industrial Light & Magic hat dafür auf die allerneuesten Motion-Capture- und Performance-Techniken gesetzt und keine Mühen gescheut. Wir sind gespannt!
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The Tiger Lillies sind die Kultband aus den Nischenwelten Dark Cabaret, Vaudeville und zirkusbeeinflusster VarietéMusik. Die Bezeichnung „Brechtian Punk Cabaret“ geht auf sie zurück, sie revolutionierten die Verschmelzung von Musical und Theater und wurden schlagartig zur internationalen Bekanntheit für Liebhaberinnen abseitiger, dunkel-humorvoller Kunst. Ihre anrüchige Provokation gibt es Ende Oktober in Amstetten, Hallein & im Wiener WUK. Helene Fischer ist zweifelsohne der größte Stern am Schlagerhimmel – das hat sie gerade mit ihrem neuen Album „Rausch“ eindrucksvoll bewiesen. Doch noch viel mehr als auf CD kann sie live überzeugen und bei ihren Fans ein wahres Feuerwerk der Emotionen entfachen: Gelegenheit dazu gibt es gleich doppelt, wird sie nicht nur am 8. April am Sound & Snow in Bad Hofgastein für Stimmung sorgen, sondern am 20. August auch auf der Sonderfreifläche Messe München für atemlose Momente!
David Hasselhoff bringt nach all den Monaten Trübsal mit „Party Your Hasselhoff“ nicht nur auf CD, sondern auch live endlich wieder Partystimmung ins Land: Am 29. März 2023 in Wien, am 25. in Schladming und am 30. in Graz.
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Fotos: Pascal Riesinger (Bloodsucking Zombies From Outer Space), Ingo Pertramer (Grissemann/Dolezal),
Mag. Roberta Scheifinger Chefredakteurin und Herausgeberin
Mittlerweile hat der Herbst tatsächlich und auch wettertechnisch Einzug in Wien gehalten, aber meine Hoffnung, dass das letzte Quartal zumindest auf der Bühne weniger trist als das vergangene wird, dürfte sich erfüllen! Ja, die Ärzte haben ihre komplette „In The Ä Tonight“-Tour stornieren müssen, einzig der Termin in Bad Hofgastein konnte (nebst ihres „Buffalo Bill in Rom“-Termin kommenden Frühherbst in Graz) gerettet werden – und wie uns Bela B im Interview verrät, freuen sie sich schon sehr darauf, zwischen fliegenden Schneebällen aufzuspielen. Davor gibt es mit u. a. Klaus Eckel, Ohne Rolf und Omar Sarsam aber am großen Kabarettgipfel am 11. und 12. Oktober in der Wiener Stadthalle noch viel zu lachen, die großartigen Tiger Lillies entführen in gleich mehreren Städten in ihre schräge Welt und nicht zu guter Letzt feiern wir am 18. November bei unserem eigenen ALIVE in der ((szene)) mit Monokay, Pure Chlorine und Up Close auch wieder die heimische Musik. Roberta Scheifinger
Dennis & Kevin Leuphold (David Hasselhoff), Jenny Risher (Alice Cooper), Leutgeb Entertainment (Helene Fischer), Karlina Vitolina (The Tiger Lillies)
SCHEINWERFERLICHT
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BLUT UND BUSEN
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Bloodsucking Zombies From Outer Space werden pünktlich zu Halloween ihr neues Album „Shock Rock Rebels“ veröffentlichen und naturgemäß ebenfalls am 31. Oktober auch ordentlich Schauerstimmung in der Wiener Arena verbreiten, bevor sie Anfang Dezember im Salzburger Mark, im Grazer Explosiv und der Stadtwerkstatt Linz Moder verbreiten.
Alice Cooper ist der Kaiser aller gruseligen Gestalten, das Vorbild vieler grauenhafter Musikepigonen und für viele Generationen der Rocker schlechthin. Als erster brachte er den „Horror Rock“, den später etwa auch Rob Zombie oder Marilyn Manson für sich entdeckte, unter die Massen und wurde trotz oder wegen all des Grusels zu einer der erfolgreichsten Schreckgestalten und Musiker gleichzeitig. Alice Cooper ist eine lebende Legende, zudem „Vater“ von Horror-Ikone Freddy Krueger, viele seiner Songs sind zu ewigen Hymnen gereift und seine schraurigen Live-Shows gehören zur theatralischen Sonderklasse: Am 28. Juni fährt in der Wiener Stadthalle D wieder das Guillotinenbeil in sein Genick ... Christoph Grissemann & Christian Dolezal erzählen in „Buh!“, das am 15. Oktober exklusive Vor-Premiere in der Bühne im Hof feiert, von ihren größten TV- und Theaterniederlagen, und ja: Das ist das Jammern auf niedrigstem Niveau. Noch einmal durchleben sie Momente tiefer Scham und ziehen auch einander (und die Kollegschaft) herzhaft durch den Dreck. Weitere Termine finden ab November u. a. im Rabenhof Theater und 2022 beim Theatersommer Haag statt.
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Auf gleicher Stufe Doch dann kam Ed Sheeran. Der sympathische Rotschopf begeistert mit jugendfreiem Witz, guter Laune und einer liebenswerten Tollpatschigkeit, die so gar nicht in das Schema der ChampionsLeague-Popstars passt. Und dann ist der gute Mann auch noch aus dem semiattraktiven Halifax im britischen West Yorkshire. Nicht umsonst die Heimat getragener Doom-Gothic-Bands wie Paradise Lost oder My Dying Bride, die ihr Seelenheil lieber in Melancholie und Elegie, anstatt in knackigen Beats und DurAkkorden suchen. Natürlich spielt Sheeran auch sehr gut auf der Klaviatur des Balladesken, aber den hemdsärmeligen Singer/Songwriter-Pop des Künstlers
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durchzieht meist eine juvenile, fast schon naive Fröhlichkeit, die ungemein authentisch wirkt, weil sie so viel mit dem Komponisten gemein hat. Sheeran ist in seiner ganzen Ausformung das, was man den absoluten Anti-Popstar nennen würde. Ehrlich, greifbar, emotional und bodenständig – so weit man das nach geschätzt mehr als 150 Millionen verkaufter Alben noch sein kann. So sehr Stars und Starlets ihre Nähe zu Fans und Hörern predigen und in die Auslage stellen, am Ende gelingt ihnen die Gleichstufung mit dem Publikum noch nicht mal im Ansatz. Bei Sheeran ist das anders. Handyverzicht Schon 2015 hat er in Interviews mitgeteilt, dass er kein Handy besitzen würde. Einerseits hätte es ihn auf Tour
viel zu oft von den Schönheiten beim Stadtbummel abgelenkt, andererseits wollte er nicht morgens aufwachen, um „50 Nachrichten meiner Freunde beantworten zu müssen“. Sheeran verbannte sein iPhone, ging 2015, kurz nach dem globalen Megadurchbruch mit seinem Zweitwerk „x“, auf Weltreise und war plötzlich nicht mehr erreichbar. 2017 besorgte er sich schlussendlich ein iPad, um zumindest mobil E-Mails beantworten zu können, wodurch sein Stresslevel auf ein Minimum reduziert blieb. Während die Manie und der Hype um ihn und seine Songs spätestens mit dem 2017er-Werk „Divide“ einen absoluten Höhepunkt erreichten, tauchte Sheeran immer mehr in die Anonymität ab. Hier und da machte er mit einem Instagram-Foto von sich
Mit „Bad Habits“ schrieb Ed Sheeran unlängst den Sommerhit 2021 und auf sein viertes Studioalbum „=“ freut sich der gesamte Globus. Noch auffallender: der Rotschopf durchbricht sämtliche Grenzen der ungeschriebenen Pop-Gesetze und revolutioniert den Ruf eines ganzen Genres – als Typ von nebenan.
ANTI TEXT: ROBERT FRÖWEIN
Fotos: Daniel Martensen
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opstars sind für gewöhnlich glamourös und unnahbar. Sie heben sich optisch bewusst von der Masse ab, setzen modische Trends und animieren ihre Fans mitunter auch zur dauerhaften Ernährungsumstellung. Als wichtigste Prämissen für den Starstatus gelten jedenfalls: eine nationenübergreifende Medienpräsenz, ein prominentes Gesicht und zahllose Hits, die Jung und Alt möglichst detailgetreu mitsingen können. Freilich nicht zu vergessen ist ein bestimmter Skandalfaktor. Ob amateurhafte Schmuddelvideos ans Tageslicht kommen, mit schneeweißen Naseninnenwänden in Nachtclubs randaliert wird oder Mitbewerbern in schlagzeilenträchtigen Wutanfällen Kompetenz und Lebensberechtigung abgesprochen werden. Ein echter Superstar lässt es gerne medienwirksam krachen. Und die Geschichte lehrt uns: so manch zum Staunen bringender Skandal ist bewusst hausgemacht, um sich immer wieder einmal ins Gespräch zu bringen. Ob Michael Jackson, Madonna, Justin Bieber, Rihanna oder Britney Spears – die Geschichte wiederholt sich und variiert inhaltlich nur in Nuancen.
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reden, doch während andere Popsängerinnen ihre Hintern tagtäglich in der Strandsonne räkeln oder ganze Modekollektionen in den virtuellen Orbit stellen, bleibt Sheeran lieber bei Schusters Leisten – und die heißen Songwriting und Privatleben. Mittlerweile besitzt er für den Notfall ein Nokia 3310. Weil ihn das Gesundheitsamt während der Corona-Zeit erreichen wollte…
Privat bleibt privat Obwohl Sheeran zu den allergrößten Popstars der Welt gehört, tauchte nicht ein einziges Bild seiner Hochzeit mit Jugendliebe Cherry Seaborn im Netz auf. An einem zufälligen Tag mitten im Jänner, mitten im Nirgendwo hätten sich die beiden, die sich trotz leichten Altersunterschieds schon in der Schule kennenlernten, aber anfangs nur befreundet
waren, das Ja-Wort gegeben. „Wir zündeten Kerzen an und aßen danach ein Curry“. Ein paar Monate später gab Sheeran dann doch noch eine große Party, bei der alte Freunde und Wegbereiter, aber auch so manch großer Star eingeladen war. Mobiltelefone waren verboten und daran haben sich alle gehalten. Dass bis heute kein einziges Bild der Feier veröffentlicht wurde, überrascht Sheeran
Mathe am Smartphone Zugegeben, Mathematik war wohl für die wenigsten das Lieblingsschulfach. Wenn Ed Sheeran aber auf „The Mathematics Tour“ geht, dann kommen sie alle! Und damit alle Fans auch wirklich ein Ticket zu fairen Preisen bekommen, wurden speziell entwickelte digitale Mobile-Ticketing-Technologien eingesetzt. Auch wenn Ed selbst eher ein Smartphone-Muffel ist ...
Fotos: Daniel Martensen
GEWINN SPIEL Wir verlosen drei CDs vom neuen Ed-Sheeran-Album „=“. Mehr Informationen und Teilnahmebedingungen: www.ticketmagazin.com
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selbst. Doch genau so funktioniert das System „normaler Ed“: selbst seine glitzernden Promifreunde akzeptieren die selbsterwählte Zurückhaltung des Künstlers, der sein Privatleben noch nicht einmal mit Zähnen und Klauen verteidigt, sondern einfach kein großes Bahö darum macht. Echte Freundschaft Sheeran gelingt es auch sehr gut, die richtigen Grenzen zwischen Freundschaft, Bekanntschaft und Business zu ziehen. So ist der sympathische Witzbold seit seinen frühen Karrieretagen von großen Namen umgeben, ließ sich aber niemals vom Glanz Hollywoods und der Musikindustrie blenden. Nur drei bis vier enge Freunde hätte er aus dem Prominentensegment, hat Sheeran einmal betont, und auch die passen perfekt zu seiner Persönlichkeit. Etwa Taylor Swift, die sich zwar gerne als Drama-Queen inszeniert, anfangs aber genauso hart unter dem steilen Karriereaufstieg litt und noch immer den nötigen Respekt in der Welt des Showbusiness sucht. Oder James Blunt, ehemaliger NATO-Soldat im Kosovo, der aufgrund seiner Vergangenheit sehr gut mit Kritik und Internethäme umgehen kann und genau weiß, wie man Wertig-
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keiten im Leben richtig setzt. Abseits der wenigen schillernden Namen umgibt sich Sheeran mit Jugendfreunden aus der Suffolk-Schulzeit, mit denen er in Pubs schon mal die Nacht zum Tag macht und der Schnaps in Strömen rinnt. So geerdet und greifbar ist in der UK-Promiriege sonst maximal Oasis-Hälfte Liam Gallagher. In den Okkultismus Sheeran lässt sich auch musikalisch nicht in ein Raster stecken. Selbst wenn seine Pophits und Balladen nach mittlerweile gut zehn Jahren Karriere einem nachvollziehbaren Schema folgen, lässt er sich die Freiheit offen, seinem Herzen zu folgen. Unlängst schockierte er die britische Boulevardpresse mit der Ankündigung, Dani Filth ins Songwriting-Boot holen zu wollen. Filth ist Frontmann der Gothic-angehauchten Black-Metal-Band Cradle Of Filth und damit seit etwa 30 Jahren Teil des britischen Subkulturgutes. Sheeran gab bekannt, in jüngeren Jahren gerne mal Cradle Of Filth oder Slipknot gehört zu haben und schloss es nicht aus, einmal eine Death-Metal-Scheibe zu produzieren. Auch wenn es bei den Extreme-Metal-Subgenres offenkundig noch Recherche-Nachholbedarf gibt, ei-
ne Kooperation zwischen Filth und Sheeran wäre doch eine mittelschwere Weltsensation. Immerhin begibt sich nice guy Sheeran damit nicht nur musikalisch auf unbetretene Pfade, er würde mit der Zusammenarbeit auch die Pforte des Okkultismus und dunkler Horrorliteratur betreten – was auf viele seiner Stammhörer befremdlich wirken könnte. Doch Ed ist eben nicht der „average Popstar“ und hat sich als solcher wesentlich mehr Gestaltungsfreiraum erarbeitet. Ein Ritterschlag wurde ihm zuletzt auch im englischen Fußball zuteil. Er wurde für die laufenden Saison offiziell in den Mannschaftskader seines Lieblingsvereins Ipswich Town aufgenommen, denen er schon seit geraumer Zeit die Trikots sponsert und – wenn Zeit bleibt – live im Stadion die Daumen drückt. Sheerans Reaktion war üblich wie immer: „Ich hoffe, dass sie mich nicht spielen lassen, denn ich will ja, dass die Mannschaft endlich aufsteigt.“ Kann so viel Bodenständigkeit bei so einem Weltstar-Status überhaupt wahr sein? Ja, das kann es. Der Autor dieser Zeilen begegnete Sheeran zweimal. Einmal vor dem ganz großen Durchbruch und einmal knapp danach. Der Unterschied lag bei null. Das ist neben dem grandiosen Songwriting wohl auch das entscheidende Erfolgsrezept. Die Menschen wollen ihre Stars am liebsten ungefiltert und natürlich. Und Sheeran beweist, dass man keine Social-Media-Omnipräsenz zeigen muss, um den Fans nahe zu sein. Das neue Album „=“ wird die Kunstfigur Sheeran noch höher gen Pop-Olymp schupfen. Der Mensch dahinter bleibt weiterhin unbeeindruckt und macht lieber das, was er will. n Ed Sheeran gastiert mit seiner „The Mathematics Tour“ auf einer Centerstage am 1. (fast ausverkauft) & 2. September im ErnstHappel-Stadion.
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STELLA SOMMER24.10.
GEWALT FUCKHEAD 10.10.
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BOHREN & DER CLUB EUROTEURO18.11. OF GORE 29.10.
SIMON GOFF SAM POTTER25.11.
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Foto: © Stephan Abry
PETER CAT’S WIDE WORLD OF SOUND #2–3 PAUL WALLFISCH & SPECIAL GUESTS
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Meet-Your-Star.com ist eine neue digitale Plattform, über die sich nun jede/r unter vier Augen mit seinen persönlichen Stars unterhalten kann. Das, was normalerweise nur Journalisten vorbehalten ist, können nun auch alle Fans: Die Fragen stellen, die einem selbst interessieren und sich somit inspirieren lassen! Und das Beste dabei: Am Ende des Gespräches erhält man ein Video, das man über die sozialen Medien mit den Freunden teilen kann. Die Liste der teilnehmenden Stars ist nicht nur breitgefächert, sondern auch international. Natürlich finden sich einige tolle österreichische Musiker wie Julian Le Play, Christina Kosik und Andy Lee Lang oder Kabarettisten wie Gregor Selberg, Nadja Maleh und Christoph Fälbl oder auch der großartige Wandersbursche Harry Prünster, Wrestling-Legende Bambikiller und das Magierduo Thommy Ten & Amélie van Tass in der Liste, aber auch Hollywood-Größen wie Rocky-Verdrescher Dolph Lundgren und der Gladiator Ralf Moeller. Bristoler Graffiti-Künstler und Maler Banksy, der dafür bekannt ist, die Grenzen des Kunstmarktes in Frage zu stellen und so mit seinen Arbeiten seit Jahren für Furore sorgt. Zwischen 19. November und 20. März werden in der Linzer Tabakfabrik (Ausstellungstermine in Wien und Graz folgen!) mehr als 100 Werke des gefeierten Street-Art-Superstars gezeigt: Graffitis, Fotografien, Skulputuren, Videoinstallationen und Drucke auf verschiedenen Materialien wie Leinwand, Stoff, Aluminium, Forex und Plexiglas wurden eigens für diese Sonderschau reproduziert und zusammengetragen. Abgerundet wird das Ganze durch eine spannende Videodokumentation, die die wichtigsten Stationen einer beispiellosen Karriere beleuchtet, denn: Der Untertitel der Ausstellung – „A Genius Mind“ – will freilich auch en détail erklärt werden, und so hat „The Mystery Of Banksy“ den Anspruch, in einem aufwändigen und einzigartigen Setting einen umfassenden Über- und Einblick in das Gesamtwerk des Genies zu bieten – wenngleich seinem Motto „Copyright is for Losers (C) TM“ folgend und aufgrund seiner Anonymität nicht offiziell authorisiert.
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Fotos: Kremayr Scheriau & PunktFormStrich (Thomas Mulitzer), Rowohlt (Heinz Strunk), Lukas Beck (Willi Resetarits), David Siebenbrunner (Grand Hotel Schilling), Leykam (Ulrike Haidacher), Dominik Gruss (The Mystery Of Banksy),
„The Mystery Of Banksy“ dreht sich um den weltberühmten, mysteriösen
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Heinz Strunk Beziehungskrisen, Popmusik und Party haben viel gemein: Pop zieht Inspirationen aus dem thematisch reichen Feld der Beziehungen, während Partymachen Beziehungen oft auf harte Probe stellt. Nicht selten lauert bei allen dreien am Schluss die Katastrophe.
Es ist immer so schön mit dir Üblicherweise stehen bei Strunk Außenseiter, einsame und sexuell ausgehungerte Männer im Mittelpunkt seines Werkes. Und nun? Ein Liebesroman. Das mag auf den ersten Blick verwundern, jedoch ist der namenlose Protagonist dennoch ein typischer Strunk-Antiheld, der sich in einer Midlifecrisis gefangen fühlt: Seine Arbeit ödet ihn an, in seiner Beziehung fühlt er sich gefangen. Doch dann: Eine neue Liebelei und in seinem Kopf rasen egoistische Gedanken durcheinander. Schön wird es also wohl nicht bleiben ...
TEXT: STEFAN BAUMGARTNER
Ulrike Haidacher Die Party
Thomas Mulitzer Pop ist tot Nach seinem Romandebüt „Tau“ (2017) legt der Salzburger Musiker und Autor nun seinen zweiten Roman vor, in diesem Fall eine Geschichte über gealterte Mitglieder der titelgebenden Punk-Band, die es nochmal wissen wollen. Denn eigentlich sind sie Anfang 40 mittlerweile im Spießertum angekommen, ihr „Arbeitsalltag zieht sich wie ein Progressive-Rock-Song“ – und das geht den einstigen Rabauken natürlich gewaltig auf die Senkel. Also muss der Ausbruch aus der Normalität, eine Reunion her, und die ist gespickt mit chaotischen und wundervollen Anekdoten, mit Nostalgie und Erinnerungen, mit verlorenen Träumen und verflossenen Beziehungen. Und irgendwann kommen sie dann auch drauf: Nostalgie verklärt schon ein bisserl ...
WILLI RESETARITS
Elapetsch
Mit „Die Party“ legt die steirische Kabarettistin Haidacher ihr Romandebüt vor – und lässt darin auch in der Form Erinnerungen an Bernhards „Holzfällen“ aufkeimen: Hierin ist es eine junge Frau, die Teil einer Party ist, die sie aber angewidert perzipiert. Denn die Gäste sind allesamt Stereotypen, die naturgemäß mit steigendem Pegel langsam jegliche Räson verlieren. Ulrike Haidacher liest aus „Die Party“ am 26. Oktober und 7. Dezember im Kabarett Niedermair, mit ihrem Kabarettduo Flüsterzweieck gastiert sie in Wien, Salzburg und Linz.
GRAND HOTEL SCHILLING
Mir wär lieber ...
Auf „Elapetsch“ tritt Willi Resetarits wieder in Einklang mit dem Stubnblues.
... wir bleiben hier, sagen die vier Grazer von Grand Hotel Schilling.
Der Sänger Willi Resetarits, so Ernst Molden, hat die schönste, die seelenvollste, die ergreifendste Männerstimme im Lande Österreich – egal, ob er Rocksongs, Folkballaden, Jazzstandards oder burgenlandkroatische Volksweisen singt. Mit ihr dringt er sogleich in die Seelen alle Frauen und Männer, wo er Unerhörtes anrichtet, nämlich tiefes Glück. Sein neues Album „Elaptesch“ zeigt nun in seiner Verdichtung die Quintessenz von Resetarits und dem Stubnblues, seinem Stammensemble seit vielen Jahren. Die Album-Präsentation findet am 4. Oktober im Wiener Stadtsaal statt, Folgetermine gibt es bis Dezember in Wien, Baden, Wels, Salzburg und Innsbruck.
Das Grazer Quartett mit starkem Hang zur Post-Indie-Ästhetik schreibt Songs über ihre Generation, über das Leben in einer Welt, die so furchtbar schön ist, dass man sie einfach bejubeln und bejammern muss. Sturm und Stille, Radau und Ruhe treffen auf „Mir wär lieber wir bleiben hier“ zusammen, live am 5. November im Chelsea.
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Der Gegenpol zum Glück Es ist wieder soweit: Michael Buchinger lässt seinem Hass auf der Bühne freien Lauf. Sein zweites Kabarett-Programm ist Ausbruch aus der Glücks-Tyrannei. Kathartisch und verdammt lustig TEXT: MANUEL SIMBÜRGER
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Eh a Liaba Ehrlicher als bisher erzählt der Influencer-Bestsellerautor-Kabarettist-YouTube-Star in seinem zweiten Bühnenprogramm über sein Leben und sein Umfeld. Böswillig oder ernsthaft politisch unkorrekt wird der 28-Jährige dabei aber nie. „Im Grunde bin ich harmlos“, meint er. „Ich bewege mich manchmal an der Grenze des Politisch-Unkorrekten, aber kratze nur an der Oberfläche. Natürlich mache ich mir in Zeiten, in denen sehr viel falsch gesagt werden kann, Gedanken darüber, was auf der Bühne geht oder nicht.“ Aber: „Ich möchte mich nicht selbst zensieren. Es ist ein bisserl wie ein Limbo-Tanz.“ Manchmal erinnert Buchinger an eine Zucker-Version von Thomas Bernhard, zielgerichtet an die Instagram- und TikTok-Generation: Er stellt die Eigenheiten des MenschSeins auf gar nicht so subtile Weise unters Kaleidoskop und macht dabei vor allem auch vor sich selbst nicht halt. Weshalb man ihm selbst nach dem größten HassFetisch-Fest niemals wirklich böse sein kann.
Hass! Wer lauscht schon gerne glücklichen Menschen, die über Regenbögen, Sonnenblumenfelder und andere langweilige Dinge philosophieren, die sie von ganzem Herzen lieben? Niemand! Kein Wunder also, dass Buchingers legendäre „Hass-Liste“ seit 2013 das Internet begeistert und nun endlich auch live auf der Bühne zu erleben ist.
Foto: Dominik Pichler
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s mutet ein bisschen surreal an, mit Michael Buchinger über Hass zu sprechen. Wie er einem so offenherzig und ehrlich interessiert anschaut mit seinen großen Augen, wie er das Leben belacht, wie er so dasitzt mitten im Sonnenschein und mit genau jenem erdigen Charme-Mix aus Lausbua und Best Buddy, den er auch sonst in der Öffentlichkeit präsentiert. Trotzdem ist Hass der Grund, wieso uns an diesem Tag Buchinger in einem Wiener Café gegenübersitzt, denn darum dreht es sich in seinem neuen Kabarettprogramm „Ein bisschen Hass muss sein“, in dem es um vieles, aber nicht um schöne blaue Himmel, duftende Sonnenblumenfelder oder gar Glück im Leben geht. Auf der Bühne lässt Buchinger seinem Hass freien Lauf, regt sich über die großen, kleinen und klitzekleinen Dinge im Leben auf. „Es wird ein Abend des Hasses“, sagt er völlig ernst-unernst. Das Leben, die größte Inspiration für Buchinger. „Und sollte mir mal gar nix mehr einfallen, geh ich einfach zur Gerda Rogers.“
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Ehrlichkeit Aber „samma uns ehrlich“, wie Buchinger gern zu sagen pflegt: Sich unter dem kuscheligen Deckmantel der Kunst über Dinge aufzuregen, das ist nicht neu, siehe Josef Hader, Harry G oder eben Thomas Bernhard. In dieser Tradition fühlt sich der 28-Jährige durchaus wohl, auch in Deutschland kommt sein grantiger Schmäh an. „Wenn einer auf der Bühne sudert und sich aufregt, spricht er dem Publikum aus der Seele“, ist Buchinger überzeugt. „Die Leute können sich mit dieser Person identifizieren, ganz nach dem Motto: ‚Endlich sagt’s mal einer!’“ Dass gemeinsames Hassen mehr verbinden kann als gemeinsames Lieben, weiß er aus Erfahrung. Noch mehr aber geht’s ihm um Ehrlichkeit und Authentizität – zwei Schlagwörter, die im Gespräch mit Michael Buchinger immer wieder fallen und die die wahrscheinlich zugleich simpelsten als auch herausforderndsten Zutaten seines Erfolgsrezepts sind. „Natürlich können auch schöne Dinge des Lebens lustig sein. Aber Kabarett hat immer auch damit zu tun, seine Masken und Hüllen fallen zu lassen. Es ist aufrichtiger, sich über Dinge aufzuregen, als zu sagen, wie toll man alles findet.“ Kathartischer Zynismus Zwar unbewusst, wie er betont, stellt Buchinger einen angenehmen Gegenpol zu all den unsere Gesellschaft überschwemmenden Positivityund Glücks-Tyrannen in Form von Influencern und Selbsthilfe-Ratgebern dar.„Natürlich könnte ich mir in der Früh mehrmals sagen, dass es ein toller Tag werden wird. Aber wenn er das nicht wird, bin ich erst wieder enttäuscht.“ Ja, er sei durchaus zynisch.„Und ich finde, ich habe damit oft recht!“ Er selbst erlebt das Sich-Aufregen auch als Katharsis, vor allem
seine Arbeit sehe er als „wichtiges Ventil“ für all das (gar nicht so) Dunkle in ihm drin, sowie als Grund, wieso er trotz der permanenten beruflichen Beschäftigung mit Hass noch nicht zum verbitterten Menschen wurde. „Obwohl ich mir darüber bereits Gedanken gemacht habe. Schließlich gehe ich durch die Welt und überlege mir, worüber ich mich als nächstes aufregen könnte.“ Seid lieb zueinander Rücksichtslosigkeit ist der gemeinsame Nenner seines Hasses, sagt Buchinger entschieden – sei es Diskriminierung, Links-Rolltreppen-Steher oder Freunde, die ungefragt ihren Hund auf die Privatparty mitnehmen. Würde man aufeinander mehr Rücksicht nehmen, sei ein wichtiger Schritt Richtung freundlicherer Welt getan, ist er sich sicher. Denn ihm sei durchaus bewusst, dass gesellschaftlicher Hass, vor allem Minderheiten betreffend, in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Dann nämlich ist Hass nicht mehr lustig und keine perfekt getimte Pointe mehr. Dann wird er gefährlich. Vielleicht hat dieser Hass-Anstieg mit Trump zu tun, überlegt er laut, vielleicht auch mit Corona. Vielleicht damit, dass „wir in einer Zeit leben, in der Menschen das starke Gefühl haben, zu bestimmten Themen öffentlich und laut Stellung beziehen zu müssen.“ Buchinger macht auf Missstände aufmerksam, ohne missionarisch zu sein. Gesellschaftskritische Spitzen gibt’s in seinem Œuvre zuhauf, manchmal leise, manchmal laut, aber immer lockig-leicht und niemals die große Masse vertreibend. Mord als No-Go Er selbst habe keinen Menschen in seinem Leben, den er tatsächlich „hassen“ würde, betont Buchinger. Es sei aber durchaus moralisch vertretbar, wirklich böse Menschen zu hassen, ist er überzeugt, Mörder zum Beispiel, Tierquäler oder Adolf Hitler.„Wenn jemand sagt, man solle nicht hassen, sondern vergeben, dann ist diese Person meist sehr religiös. Das bin ich nicht und der Papst bin ich auch nicht, also habe ich kein Problem damit, solche Leute zu hassen. Denn Morden ist durchaus ein No-Go für mich.“ Nicht zuletzt dank seines Erfolgs-Podcasts „Buchingers Tagebuch“ habe er gelernt, ehrlicher zu sich und anderen zu sein.„Ich sage mittlerweile, wenn mich etwas stört. Somit muss ich mir auch weniger Lügen merken.“ Da ist er wieder, der Schelm, grinsend und den Sonnenschein im Rücken.
Foto: Dominik Pichler
n Am 8. Oktober feiert Michael Buchinger mit seinem zweiten Programm „Ein bisschen Hass muss sein“ im Wiener Stadtsaal Premiere, weitere Termine gibt es aktuell ebda. und in der Kulisse.
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Ich wollt’ das nur mal gesagt haben ich viele – s n e n n ö k n Aufrege nt sein. r le e g l il w ln aber Grante che Kabarettist Der bayeris uf der Bühne Harry G ist a nt und wird u schlecht gela seine Heimatber dafür weit ü aus gefeiert. grenzen hin BÜRGER L SIM TEXT: MANUE
„Wenn jemand grantelt, gehts ihm eigentlich eh ganz gut“ Seine Shows sind erfrischend bissig, sein bayerischer Grant zuweilen politisch unkorrekt: Harry G ist ein bemerkenswert scharfer Beobachter und bringt Themen aus dem täglichen Leben auf seine ganz spezielle Art und Weise auf den Punkt.
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derer während der Hochwasser-Katastrophe in Deutschland auf Social Media veröffentlicht, dann wird der Schenkelkopfer-Wutbürger zum Protestler, der Spaß zum Gerechtigkeitssinn. Und: Missmut verbindet. Auch Harry G’s aktuelles Programm„HOAMBOY“, in dem er sich erneut als sowohl scharfsinniger als auch zynisch-süffisanter und vor allem bodenständiger Beobachter der menschlichen Natur zeigt, ist eine Art Jour Fixe der Nächstenliebe: Mit Harry G als ur-bayrischer Anführer granteln wir gemeinsam, was das Zeug hält, und fühlen uns dabei so sehr verbunden, dass Corona Freude daran hätte. Der Grant als kollektive Katharsis und Lebenssinn, das ist schon fast ur-wienerisch.
Du tourst ab Ende Oktober mit deinem neuen Programm „HOAMBOY“ durch Österreich. Welches Volk ist das gemütlichere: Die Bayern oder die Wiener? Wirtshauskultur und Gemütlichkeit können beide sehr gut! Das hält sich eigentlich die Waage – wobei ich manchmal das Gefühl hab, dass der Wiener der Gemütlichere von beiden ist. Und wie schaut’s mit dem Grant aus? Bei meinem letzten Wienurlaub hab ich wieder mal gemerkt, dass der Wiener etwas derber, g’scherter ist als der Bayer. Sein Sinn für Humor ist morbider. Ich mag das.
Foto: Frank Luebke
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arkus Stoll ist grantig. Ein bisschen. Kurz vor dem Interview hat er sich über die CampingUrlauber auf der Autobahn aufgeregt.Verstehen wir, die sind auch wirklich nervig. Überhaupt können wir ziemlich viel nachvollziehen, worüber sich auch sein Alter Ego Harry G aufregt, der berühmteste Grantler Bayerns: über Unternehmensberater oder Wellness-Trends beispielsweise. Der Unterschied zwischen uns und dem Kabarettisten mit dem losen Mundwerk: Er traut sich’s laut zu sagen, weil mit dem Mainstream und der Political Correctness hat er’s nicht so. Das ist mutig, sympathisch und durchaus aufrüttelnd: Wenn er – jenseits jeden Humors – ein Hass-Video über Plün-
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Unterscheidet sich das österreichische vom bayerischen Publikum? In Wien kann man, wenn’s um Humor geht, richtig auspacken. Da darf man auf der Bühne alles machen, das koste ich auch richtig aus. In Deutschland hingegen erspare ich mir manchmal den einen oder anderen Gag, weil der zu heftig sein könnte. Du bezeichnest dich selbst als „zeitgemäßen Botschafter bayerischen Lebensart“. Was genau bedeutet das? Mein Programm ist kein Bauerntheater. Ich beschäftige mich zu gleichen Teilen mit unserer bayerischen Tradition und Lebensart und all den Trends und Neuheiten, die ein so erfolgreicher Wirtschafts- und Innovationsstandort wie Bayern sowie ein bunter Mix von Menschen aus aller Welt, mit sich bringt. Und das ist genau das Leben, das ich liebe. Tradition und Moderne in Kombination. Apropos: Was dürfen wir uns von deinem „HOAMBOY“ erwarten? Ich liebe es, zu beobachten, und teile meine Beobachtungen mit dem Publikum. Manchmal genügt es, Erlebtes Eins zu Eins wiederzugeben, manchmal leben meine Geschichten von krasser Überzeichnung. Meine Themen kommen direkt aus dem Alltag: Stadt-Land-Stuss! In „HOAMBOY“ geht es um banale Themen wie Heiraten, Reisen, Shoppen, Eltern – Themen, von denen man denken könnte, da gibt es doch nix zu erzählen. Doch, gibt es, glaubt’s mir!
Foto: Frank Luebke
Ist Markus Stoll derselbe große Grantler wie Harry G? Privat bin ich nicht ungrantig, aber gemäßigter als auf der Bühne. Sonst wäre ich dauerhaft ja nicht zu ertragen (lacht). Über was regst du dich privat sehr gerne auf? (lacht) Gerade eben erst über den Verkehr und Camping-Urlauber, die es völlig okay finden, auf der Autobahn mit
80 km/h auf der Überholspur zu fahren. Oder über Touristen, denen es zu anstrengend war, ihren Kaffeebecher in den Mülleimer zu werfen (seufzt). Irgendwas ist immer ... Wie schaut denn dein Blutdruck aus? Ich schau mal auf meinen Fitness-Tracker, ohne den ja heute keiner mehr leben kann ... Alles im Normalbereich (lacht)! Wie geht dein soziales Umfeld mit deinem Grantln um? Der Vorteil ist: Grantln ist mein Beruf, deshalb hab ich da sicher mehr Freiheiten als andere Menschen. Aber ich muss schon ein bisschen aufpassen, meinem Umfeld damit nicht auf die Nerven gehen. Sonst granteln die zurück! Gemeinsam zu granteln kann aber auch verbinden ... Auf jeden Fall, weil der Grant in solchen Fällen als Katalysator für Wut, Ängste oder andere negative Gefühle dient, die man mit dem Gegenüber teilt. Niemand versteht sich besser als zwei Grantler! Gemeinsam über Dinge zu granteln, die völlig unwichtig sind, ist doch eigentlich die Basis unseres Sozialstaates. Und dann kommt noch der berühmte Sündenbock-Mechanismus ins Spiel ... Absolut! Wenn’st einen gefunden hast über den du gemeinsam grantln kannst, macht es gleich doppelt so viel Spaß (lacht)! Irgendeiner ist immer der Depp. Ist dein Kabarett Sozialkritik? Mir geht es darum, dass das Individuum begreift, dass es hinterfragen soll, dass es alles darf, aber nichts muss. Denn genau das geschieht oftmals nicht, finde ich. Du hast in einem Interview einmal gesagt: „Wenn jemand grantelt, geht’s ihm eigentlich eh ganz gut“ ... Derjenige, der schimpft und meckert, dem geht es nicht gut. Wer aber grantelt, der hat meistens
keine Probleme. Die Conclusio vom Granteln ist eher: „Eigentlich geht’s uns gut, ich wollt’ das nur mal gesagt haben!“ Viele Comedians sind privat sehr ernste, mitunter sogar depressive Menschen. Wieso ist das so? Der Comedian hinterfragt sehr stark gesellschaftliche Strukturen, was durchaus auf die Psyche schlagen kann. Gott sei Dank gibt es die Bühne, um sich wieder Luft zu machen und den ganzen emotionalen Dreck rauszulassen. Die Bühne ist eine Art Therapie. Deine Witze sind nicht immer politisch korrekt. Wo liegen für dich die Grenzen des Humors? Bei allem, was unterhalb der Gürtellinie liegt. Witze über Krankheit, Behinderung, Hautfarbe, etc. gehen für mich gar nicht. Ich mache mich lustig über Leute, die sich in einer Lebenssituation befinden, in der sie über sich selbst lachen können. Gags über Unternehmensberater sind lustig – ob der aber weiß oder schwarz ist, ist vollkommen egal. Mein Ansatz ist: Unternehmens-berater bleibt Unternehmensberater, Mensch bleibt Mensch. Würdest du über die Pandemie Witze machen? Ich lasse Corona eher außen vor, aber ja, natürlich darf man drüber Witze machen. Sorry, aber manches, was wir erlebt haben, war einfach zu skurril, um es unkommentiert zu lassen! Aber auch hier gibt es Grenzen, denn schließlich hat die Pandemie vielen Menschen viel Leid verursacht. Was hast du während der Pandemie über dich selbst gelernt? Dass ich meiner Familie auf die Nerven gehe, wenn ich zu viel daheim bin. n Harry G gastiert mit „HOAMBOY“ im Oktober und November u. a. in Wien, Salzburg, Innsbruck und Linz.
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„Bei Musik Die Ärzte haben schon wieder ein neues Album am Start und werden neben ihren Klassikern „Hell“ und „Dunkel“ in Österreich mehrfach und sogar zwischen Schnebällen vorstellen. TEXT: SEBASTIAN FASTHUBER
Auf hell folgt dunkel Es liegt nahe, dass aufs Licht die Düsternis folgt: Am 24. September erschien schon wieder ein neues Album von den Ärzten, mit „Dunkel“ betitelt. Einen Song darauf mag Rod gar nicht.
GEWINN SPIEL
Foto: Jörg Steinmetz
Wir verlosen 1x2 Tickets für Die Ärzte am 2. April am Sound & Snow Gastein sowie am 8. September in Graz. Mehr Informationen und Teilnahmebedingungen: www.ticketmagazin.com
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eklagen können sich Fans von Die Ärzte wirklich nicht: Zuerst gab es gerade eben mit „Hell“ nicht nur endlich ein neues Album, nun folgt bereits mit „Dunkel“ der Nachfolger. Und weil das noch nicht genug ist, gibt es Die Ärzte auch noch gleich doppelt live, einmal dieses Jahr in der Wiener Stadthalle und im Skigebiet Bad Gastein, bevor kommendes Jahr „die beste Band der Welt“ auf „Buffalo Bill“-Tour Graz besucht. Aber erstmal stand uns Bela B. Rede und Antwort.
Foto: Jörg Steinmetz
Nur ein Jahr nach dem Album „Hell“ erscheint der Nachfolger „Dunkel“. Wie kam es? Da muss ich etwas ausholen. In gewisser Weise ist diese neue Platte eine Folge davon, dass wir vor „Hell“ acht Jahre Pause gemacht haben. Bevor wir anfingen neue Songs zu schreiben, gingen wir erst mal auf kurze Clubtour, um zu sehen, wie sich die Band grad anfühlt. Zum Glück war sofort eine Euphorie zu spüren. So gestimmt haben wir mit dem Schreiben neuer Lieder begonnen. Und dann ist derart viel Musik entstanden, dass Sie am Ende gleich Material für zwei Alben hatten? Ja, es herrschte eine richtige Frische und Aufbruchstimmung. Ich habe 2019 schon für über 40 Songs das Schlagzeug eingespielt. Wir haben erst mal die Songs fürs erste Album ausgesucht und eine kurze Pause gemacht, weil Rod eine Reise geplant hatte, die nicht zu verschieben war. Als wir anschließend wieder ins Studio gegangen sind, um „Hell“ fertig zu machen, wussten wir: Wir haben genug Songs für zwei Alben.
Das hat uns gut gefallen und wir begannen mit der Idee zu spielen. Vielleicht bringen wir zwei Alben gleichzeitig raus? Eines rein digital und das andere erstmal nur als Hardware. Oder so ähnlich. Während wir noch so überlegten, kam Corona. Alles änderte sich und wurde schwieriger. Wir dachten uns: Okay, eine Platte kriegen wir trotz Corona wenigstens fertig und auch auf Vinyl gepresst. Legen wir die andere mal auf Halde. Ich gehe davon aus, dass Sie für „Hell“ die besten Songs ausgesucht haben. Deshalb kann ich Ihnen die knallharte journalistische Frage nicht ersparen: Ist „Dunkel“ ein schnödes „The Rest of…“? Keineswegs ist das der schäbige Rest. Wir haben sogar wirklich gute Sachen noch ausgesiebt. Im Moment wissen wir vor lauter Schaffensdrang und Kreativität eh nicht, wohin mit uns. Es blieben 18 Songs fürs zweite Album über, die wir später fertig machen wollten. Eine Zeit lang waren wir mit den Videos und der Promo für „Hell“ beschäftigt. Danach haben wir noch mal neue Songs geschrieben. Wir wussten von Anfang an, dass die zweite Platte „Dunkel“ heißen würde. Natürlich wollten wir, dass das auch eine richtig gute Platte wird. Wenn du nach nur einem Jahr schon wieder was rausbringst, besteht die Gefahr, dass es den Leuten ein bisschen zu viel wird. Das muss schon anstinken können gegen „Hell“, das wir für eine unserer besten, wenn nicht die beste Platte halten. Einige Fans haben bereits vermutet,
dass da noch was kommt. Unsere Fans sind schon verdammte Detektive. Wir haben ihnen allerdings auch Hinweise gegeben, weil wir in Interviews betonten, dass wir sehr viele Songs haben. Es kamen jedoch nur wenige B-Seiten zu den „Hell“-Singles. Das war für viele verdächtig. Die haben gleich gleich erraten, dass ein etwaiges zweite Album „Dunkel“ heißen würde und nicht „Heaven“. Wir haben den geplanten Titel trotzdem nicht geändert. Anfang 2021 gingen wir noch mal ins Studio, da hatten wir schon wieder 14 neue Songs. Am Ende haben wir aus über 30 Songs 19 ausgewählt. Was auch noch eine ganz ordentliche Menge Musik ist. Richtig. Nach einer kritischen Anmerkung von Rod waren wir uns schnell einig, dass die Platte kompakter und vielleicht sogar besser verdaulich sein könnte, wenn zwei Songs weniger drauf wären. Aber wollten wir das? Nee, wollten wir nicht. Wie hängen die beiden Alben zusammen? Es gibt Gemeinsamkeiten, aber auch große Unterschiede. Die Euphorie verbindet sie sicherlich, die Spielfreude. „Dunkel“ ist aber schon eine ernsthaftere, düsterere Platte als „Hell“, was gar nicht so beabsichtigt war. Es ist mehr ein Bandalbum mit weniger Spielereien. „Dunkel“ ist immer noch breit gefächert an Musikstilen, aber die meisten Sachen drauf können wir auch zu dritt live reproduzieren. Manche Songs von „Hell“ sind da leider deutlich komplizierter. Nach der landläufigen Meinung zur Rollenverteilung in der Band würde
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Das habe ich mir beim Hören auch gedacht: Sie erzwingen das Jugendliche wirklich nicht mehr. Ja, wobei ernsthaft bei uns nicht immer völlig ernsthaft ist. Wir spielen ja auch mit der Ernsthaftigkeit. Vor dem letzten Song haben wir ein Hörspiel eingebaut, wo wir uns selber persiflieren. Es gibt bei uns kein Dogma, wie eine Platte zu sein hat. Wir haben uns in der Vergangenheit zwar immer wieder mal etwas vorgenommen, zum Beispiel: Wir machen jetzt mal eine härtere Platte. Aber das hat nie hingehauen. Dazu sind wir wahrscheinlich zu antiautoritär. Wenn’s was gibt, wo wir uns gezwungen fühlen, arbeiten wir automatisch das Gegenteil heraus. Selbst wenn es unsere eigene Idee war. Bei Musik geht’s um Freiheit. Wir wollten uns nie auf etwas festlegen lassen. Wie kam es dann zur ersten Single „Noise“? Die klingt nämlich total so, wie man sich eine Hymne von Ihnen vorstellt. Es ist die Ärzte-mäßigste Single seit Ewigkeiten. Ein Powerpop/Punkrock-Song, noch dazu geschrieben von Farin Urlaub und mir. Seit „Schrei nach Liebe“ ist es das erste Lied, das wirklich zu je 50 Prozent von uns beiden ist. Wir singen es noch dazu im Duett. Es geht um die klassische FaustMephisto-Situation. „Noise“ geht zurück auf ein Lied von Farin, das bei
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den „Hell“-Sessions aussortiert wurde. Mir haben der Refrain und die Gitarrenmelodie jedoch extrem gut gefallen. Den Rest, die Strophen dazu habe ich geschrieben. Als das Lied fertig war, dachte ich mir: Das ist genau das, was die Leute von uns wollen. Alle rechnen damit, dass wir genau das nicht machen. Warum sollen wir also nicht das tun? Da kehrt sich das mit der Erwartungshaltung komplett um. Auffällig ist, dass mehrere Texte das Thema toxische Männlichkeit aufgreifen. Ist das der rote Faden von „Dunkel“? Wirkt fast so, oder?! Es gibt tatsächlich drei Songs, in denen es um Gewalt in der Beziehung geht. Ganz neu ist das bei uns aber nicht. Ich erinnere an den Song „Mondo Bondage“ vom Album „Runter mit den Spendierhosen, Unsichtbarer!“. Der hat sich 2000 schon parodistisch um misogynes Verhalten gedreht. Es gab immer wieder Männlichkeits-Persiflagen von uns. Die stehen geschichtlich bei uns konträr zu den teilweise pubertär sexistischen Sachen aus den Achtzigern. Bereuen Sie etwas aus der Frühzeit der Band? Nicht wirklich. Es ist uns nichts peinlich, was wir damals gemacht hat. Gut: Vielleicht würde uns „Geschwisterliebe“ nicht nochmal passieren. Da sind wir nicht so stolz drauf. Andererseits: In einem gewissen Alter darf man solche Sachen noch machen, da muss man vielleicht sogar provozieren. Ein gewisser Chauvinismus steht jungen Leuten ja total gut. Ich meine damit ein frontales Angehen und eine große Fresse, egal ob bei Männern oder Frauen. Das finde ich auch bei einigen Rappern okay, solange sie jung sind. Wenn sie ein bisschen älter werden, wirkt es eher peinlich bis komisch. Bestenfalls skurril.
Sie haben die Rapperin Ebow als Gast in einem Song. Wie kam es dazu? Weil sie es von der Gewalt und Inbrunst her locker mit den Gangstern aufnehmen kann. Ebow hat noch dazu eine krass aggressiv feministische Agenda. Es war eine tolle Zusammenarbeit mit ihr, die wegen Corona leider nur per Telefon und Mail stattfinden konnte. Ich freue mich auf ein echtes Kennenlernen. Der krasseste Song ist für mich „Einschlag“, der aus der Sicht eines Schlägers geschrieben ist. Der geht zurück auf eine traurige, wahre Geschichte. Die junge türkischstämmige Frau Tuğçe hat sich für ein paar Mädchen eingesetzt, die von ein paar halbstarken Typen bedroht wurden. Die Typen haben sich dann verzogen. Als sie später das Lokal verließ, hat ein Typ aus der Menge heraus zugeschlagen. Sie ist daraufhin auf den Kopf gefallen und starb später an den Folgen. Ich habe mit der Gypsy-Swing-Band Danubes Banks ein Lied ihr zu Ehren gemacht. Aus diesem Swing-Song machte ich dann einen Rocksong und habe den Text noch einmal in Richtung häusliche Gewalt und Misogynie geändert. Die Frage ist: Wieviel Verständnis soll oder darf man für den Täter aufbringen? Das haben wir auch sehr ausführlich diskutiert. Ich habe intensiv an einzelnen Formulierungen gearbeitet und auch noch mal meine Freundin und Feminismusbeauftragte Peta Devlin, mit der ich seit Jahren zusammen Musik mache, um ihre Meinung gebeten. Es gibt eine Version aus Sicht der Frau, die deutlich plakativer ist, aber die hier aufgenommene Version aus Sicht des Mannes, ist drastischer, vielleicht aber auch ehrlicher. Es war mir zu einfach, hier schwarz-weiß zu arbeiten mit dem Finger irgendwo
Foto: Jörg Steinmetz
man meinen: Farin Urlaub ist hell, Bela B. dunkel. Stimmt das? Nein, das wäre zu einfach. Farin schreibt auch ganz gerne mal düstere Songs. Er war allerdings auf „Dunkel“ tatsächlich verantwortlich für die lustigeren Texte und die lebensbejahenden Lieder. Bei meinen Liedern ist eins der lustigsten gegen Nazis. Ansonsten habe ich eher sehr persönliche, ernste Texte für die Platte geschrieben.
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Kumpel erzählt, da meinte er: „Comics sind doch das Kerngeschäft.“ Das blieb hängen. Der Satz „Musik ist älter als Kapitalismus“ wiederum stammt von einer Plattenverkäuferin in meinem Lieblingsplattenladen. Derlei Poesie begegnet dir nicht auf Amazon oder bei Ebay.
hinzuzeigen und zu singen: Du böse. Es geht um Anteilnahme und Auseinandersetzung mit dem Thema.
Foto: Jörg Steinmetz
Können Lieder etwas verändern? Natürlich. Davon handelt „Worte haben Kraft“. Worte können zerstörerisch sein und Positives bewirken. Das ist ein Lied, das ähnlich wie „Dunkel“ ganz schnell und kurzfristig entstanden ist. Ich habe Farin von neuer Musik erzählt. Er hat sich das angehört und war so gekickt, dass er in ein, zwei Stunden diesen Song geschrieben hat. Ich finde die Erzählweise genial, das ist im Schillerschen Sinne sein Meisterstück auf „Dunkel". Auf „Hell“ ist „Ich am Strand“ seine textliche Höchstleitung. Das kann eine Hymne werden und manchen Leuten vielleicht einen Denkanstoß geben. Wir verlangen nicht, dass die Leute wegen unserer Songs und Texte ihr Leben verändern. Aber wenn uns hin und wieder so ein Lied gelingt, nehmen wir die positiven Folgen gern in Kauf. Ganz am Ende von „Dunkel“ werden Sie richtig staatsmännisch und singen eine Hymne auf die Demokratie. Die Platte kommt raus, kurz bevor wir in Deutschland Wahlen haben. Farin hofft, dass wegen des Songs der eine oder andere noch wählen geht. Das ist sicher
der ambivalenteste Song auf dem Album. Er ist so sehr belehrend und zeigefingermäßig, dass Die Ärzte das unmöglich bringen können. Aber genau deshalb sollten wir es machen, dachten Farin und ich. Rod mag den Song nicht so, oder? Nein. Er findet den Text furchtbar, darum der Titel „Our Bass Player Hates this Song“. Wir haben eine offene Wahl abgehalten, wer welche Songs am besten findet. Jeder hatte eine Stimme. Der Witz ist, dass der Song deshalb auf der Platte gelandet ist, weil Rod ihm statt 0 Punkte einen halben Punkt gegeben hat. Er dachte, das ist noch verächtlicher. Tja, das ist gelebte Demokratie. Ein anderes Lied heißt „Kerngeschäft“. Sind das Kerngeschäft von Die Ärzte die Konzerte? Letztendlich ja. Man sollte sich auf die Dinge konzentrieren, die man gut kann. Der Titel kommt so: Ich bin mit einem Comic-Händler befreundet. Durch die Corona-Pandemie hat er inzwischen auf Action-Figuren umgesattelt. Da sind die Gewinnmargen viel höher. Sein Laden heißt aber nun mal Comic-Cave. Das Krasse ist, man findet dort kaum noch Comics. Dann bin ich eben in einem anderen Laden. Dem Verkäufer hab ich das von meinem
Was haben Sie für die kommende Tour geplant? Erst mal hoffen wir sehr darauf, dass alles klappt.* Wir spielen die Tour dieses Jahr auf jeden Fall ohne Support-Act. Es wird nur Die Ärzte geben. Wir wollen die Freiheit haben, so lange zu spielen, wie wir wollen und können. Die Leute gehen da hin, weil sie Karten für uns gekauft haben. In Österreich steht auch ein Konzert in einem Skigebiet an. Ist das noch Punk? Zuerst einmal freu ich mich darauf Bad Gastein kennenzulernen. Ein spannender, seltsamer Ort, der ja auch für David Schalkos Buch „Bad Regina“ Pate stand. Die Frage, ob das noch Punk ist, stellt sich natürlich schon. Die Toten Hosen haben schon mal in Gastein gespielt und uns wurde gesagt, dass das ein sehr cooles Team ist dort und alles gut läuft. Ich habe freilich auch schon peinliche Sachen von anderen Bands gesehen, die in Skigebieten mit Schneebällen beworfen wurden. Das wird uns nicht passieren, glauben und hoffen wir. Die unrühmliche Geschichte von Ischgl haben wir natürlich auch noch im Hinterkopf. Deshalb sind wir aber auch frohen Mutes, dass dieses Konzert nicht abgesagt wird. Das macht man in Österreich eben nicht so schnell. n Die Ärzte spielen *als einzige (!) verbliebene Show der „In the Ä-Tonight“Tour am 2. April am Sound & Snow in Gastein, sowie am 8. September am Messe Graz Open Air „Buffalo Bill in Rom“.
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Gewalt gründet sich 2015 in Berlin, Helen Henfling verantwortet die Gitarre, Patrick Wagner Gitarre und Gesang, den Bass mittlerweile Jasmin Rilke. Nach neun Singles auf 7’’ folgt nun das Debüt-Doppelalbum „Paradies“.
Die Musik von Gewalt ist hart, rau und stumpf.Das Gegenteil von dem,wie Musik im Streaming-Zeitalter klingt. Worum geht es Ihnen? Um Unmittelbarkeit. Ich habe vor kurzem herausgefunden, dass Musik inzwischen oft mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz geschrieben wird. So klingt irgendwann alles gleich. Wir wollen aber nicht wie etwas klingen, was es eh schon gibt. Das finden wir langweilig. Ich habe das Gefühl, dass so etwas, wie wir es spielen, überhaupt noch nicht existiert hat. Sie lassen den Drumcomputer den Takt vorgeben. Wieso? Ein Schlagzeuger hat im schlimmsten Fall einen eigenen Stil. Mit dem Drumcomputer können wir alles machen, mal Techno, mal Hip-Hop oder Trap. Das
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hört man dem Resultat nicht mehr unbedingt an, weil dann Gitarren und Bass drüber liegen – aber die Ideen kommen teilweise aus ganz anderen Ecken als Rockmusik.Vielleicht definiert uns das: Gewalt ist nicht mehr so richtig Rockmusik. Es ist auch tanzbar und krautig, gleichzeitig heavy und wahnsinnig emotional. Die Idee ist, alle Elemente des Musikhörens und des Menschseins zu berühren: den Körper, den Geist, die Seele, das Gefühl, die Freude, den Schmerz, alles. Was sich durch das Doppelalbum zieht, ist Ihre Liebe zum Krach. Was ist so toll an Noise? Mich reizt daran das Unkontrollierte, Unkontrollierbare. Bei „Manchmal wage ich mich unter Leute“ gibt es diesen unglaublich starken Frauenchor. Dann gehe ich mit der Stimme vor. Und aus meinem Schrei gegen die Welt und die Ungerechtigkeit entwickelt sich plötzlich ein Noise-Teil. Der schält sich komplett frei heraus. Wenn ich den höre, bekomme ich jedes Mal Gänsehaut. Das ist Schönheit. Was soll Gewalt bei den Hörern auslösen? Wir wollen, dass unsere Musik etwas bewegt. Natürlich nicht in Massen, aber im Kleinen, in der Wirklichkeit. Unsere Musik kann einen wirklich durchdringen. Ich habe schon von ein paar Leuten gehört, dass sie nach einem Konzert nach Hause gegangen sind und alles
in ihrem Leben verändert haben. Das ist natürlich eine Wucht. Beim Musizieren selber darf man aber noch nicht an die Wirkung denken, oder? Sonst denkt man in Zielgruppen.Absolut. Es gibt ein großartiges Zitat von Gerhard Richter. Frei zitiert hat er gesagt: In dem Moment, wenn ich an der Leinwand stehe und mir ein Funke an Gedanken ins Hirn kommt, was irgendjemand davon halten könnte, muss ich sofort von dieser Leinwand weg und darf tagelang nicht malen. So ist es bei uns im Prinzip auch. Wie entstehen die Texte?Die schreiben sich mehr oder weniger von allein. Meistens schreibe ich morgens, nach einer durchwachten Nacht. Ich sammle nicht groß Sachen. Das kommt alles gebündelt und verdichtet so raus. Dann wird’s ein Lied. Oft ist es auch trivial. Eigentlich ist es überraschend, dass sich vor Ihnen noch keine Band Gewalt genannt hat.Was drückt der Name aus?Das fanden wir auch richtig seltsam. Es existiert eine Band namens All diese Gewalt. Und es gibt eine Stuttgarter Hip-Hop-CrossoverBand, die schreibt sich Gwlt. Für uns hat der Name eine programmatische Wirkung: Diese Band konnte nicht anders als Gewalt heißen.
Foto: Magnus Winter
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er Berliner Musiker und ehemalige Musikmanager Patrick Wagner (Surrogat, Kitty Yo, Louisville Records) ist ein ewiges Großmaul. Inzwischen ist er aber älter und dadurch vielleicht eine Spur weiser geworden. Nach langer Schaffenspause hat er mit dem Trio Gewalt, das er zusammen mit seiner Partnerin Helen Henfling (Gitarre; LOOKBABY, Kitty Yo, Mute, Gigolo Records) und Jasmin Rilke (Bass; Fluc,Venster, B72, Aivery) betreibt, ein sehr gutes Ventil für seine Ideen und seine überschießende Energie gefunden.
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Eine kleine
Krachmusik Größer als Gott – mit dieser Haltung pflügte Patrick Wagner lange durchs Leben. Mit seinem neuen Projekt Gewalt beschwört er gar die Götterdämmerung herauf: „Paradies“ zelebriert unser aller Untergang. TEXT: SEBASTIAN FASTHUBER
Wenn du dich so nennst, müssen die Dinge auch knallen. Man kann unter diesem Namen schwerlich mediokres Zeug machen. Wir wollen die Dinge zu Ende formulieren und ganz tief rein. Es geht uns um den Inhalt, um die Essenz. Gleichzeitig haben die Songs etwas ganz Simples, fast schon Primitives.Genau. Wir schreiben die und nehmen sie sofort auf. Die Struktur der Songs ist immer total einfach. Da ist nichts manieriert. Die Songs sind auch alle live eingespielt. Die ganzen Fehler haben wir drin gelassen. Dass das nicht so klingt, liegt in erster Linie an diesem verrückten Amerikaner Alexander Almgren, der das Album gemischt hat.
Foto: Magnus Winter
Was hat er aus den Songs rausgekitzelt? Er hat einfach noch was Anderes draus gemacht. Keine Ahnung, wie das vonstatten ging. Vorher habe ich mir gedacht: Ja, coole Band. Jetzt kann man komplett eintauchen. Wenn man sich das mit Kopfhörern anhört, lässt sich nach zwei Minuten nicht mehr sagen, was an Instrumenten zu hören ist. Das finde ich so toll. Wie eine neue Sprache. Ist Rockmusik mit 50 noch das geeignete Ventil?Es fühlt sich richtig an. Ich hatte aber Todesängste, als ich nach 12 Jahren wieder auf die Bühne ging. Wenn 50-Jährige Musik
machen, ist das oft so ein Elder-StatesmanDing: Ich sitze hier an meinem Klavier und erzähle euch mit all meiner Erfahrung, wie das Leben geht. Bei mir ist es genau das Gegenteil. Ich weiß nicht, wie das Leben geht.
etwas gut ist und wann nicht. Was wichtig ist, wenn man mit mir zu tun hat. Es findet eine intensive Auseinandersetzung über die Musik und die Texte statt, das ist wunderbar.
Parallel zum Doppelalbum„Paradies“ erscheint auch ein Buch mit Fotos und vertiefenden Texten. Sehr vieles berührt Ihre eigene Biografie. Das Ganze ist auch eine Auseinandersetzung mit mir selbst. Ich bin mir oft selber zu viel. Gerade auch jetzt wieder. Die ganze Zeit haben wir als Band nur Singles gemacht, das war wie ein heiliger Raum: Du konntest was veröffentlichen, aber die meisten haben es nicht mitgekriegt. Trotzdem wurden die Konzerte immer voller. Toll. Jetzt treten wir wirklich raus, und nun ist es uns ein bisschen zu viel. Aber gleichzeitig auch immer zu wenig. Eigentlich denke ich mir, nach dieser Platte müsste die Welt eine komplett andere sein. Gleichzeitig sind wir uns dessen bewusst, dass sich im Grunde keine Sau dafür interessiert.
Früher war Ihr Tun von Größenwahn geprägt.Inzwischen moderieren Sie in Berlin Fuckup-Nights und haben das Scheitern für sich entdeckt.Scheitern ist ganz normal. Ich habe gelernt, dass es einen befreit darüber zu reden. Auch mit anderen. Ich kann dadurch mit meiner Vergangenheit und meiner Gegenwart viel besser umgehen. Ich bin nichts und ich kann nichts. Ich bin nur ich selber. Jahrelang habe ich gedacht: Ich bin der Größte. Zu merken, dass ich der nicht bin, war eine bahnbrechende Erfahrung. Sie hat mich Jahre meines Lebens gekostet. Es ist auch ein immer währender Kampf. Ich kann nicht so tun, als hätte ich nicht diese wahnsinnige Energie. An sich bin ich ein Lamborghini. Den musst du auch fahren. Okay, ich fahre ihn und lenke ihn auch mal gegen die Wand. Ich passe mittlerweile aber auf, dass ich nicht zu viele Leute mit ins Verderben reiße.
Wie bandfähig sind Sie eigentlich? Es ist manchmal anstrengend mit mir, das ist klar. Aber in der Konstellation ist es super. Jasmin ist sehr pragmatisch, handwerklich und einfach eine richtig gute Musikerin. Ich habe diese wüste Energie und inneren Krach. Helen wiederum hat ein total gutes Gefühl, wann
n Gewalt gastieren mit ihrem Debüt-Doppelalbum „Paradies“ im Gepäck am 10. Oktober im Wiener Volkstheater. Davor liest Wagner Wagner und es spielen Fuckhead.
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Mit seiner neuen Single sprengt Thorsteinn Einarsson Ketten der Vergangenheit. Ein weiterer mit Seelenblut erschaffener Meilenstein auf einer langen Reise, die Neuanfang und Fortsetzung zugleich ist. TEXT: MANUEL SIMBÜRGER
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Have you seen this man? Aus dem unsicheren Jungen ist ein reflektierter, sehr weiser Mann geworden. Wie? „Ein Schritt in Richtung Erwachsenwerden ist, mit sich selbst zufrieden zu sein.“
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Ein Schrei nach Leben
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Foto: Marlene Brandstoetter
GEWINN SPIEL
ir erreichen Thorsteinn Einarsson während einer Pause seines Videodrehs zu seiner neuen Single, die allerdings noch so geheim ist, dass „ich kein Wort darüber verlieren darf“, lacht er. Das Geheime passt nahezu perfekt zu Thorsteinns mysteriöser Aura, die er vielleicht auch seinen isländischen Wurzeln zu verdanken hat, vor allem aber seinen düster-tiefenpsychologischen Songtexten, seiner geschundenen Seele, seinem Hang zum rockig-erdigen Sound und seiner prägnant tiefen Stimme. Der 25-Jährige erinnert sowohl an den jungen Falco als auch an den 2017 verstorbenen Linkin Park-Frontman Chester Bennington. Thorsteinn Einarsson zeichnet mit viel Mut zum authentischen Schmerz und zur angreifbaren Verletz-
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lichkeit, gepaart mit eingängigen Melodien, ein komplexes musikalisches Gemälde, das einen mächtigen Sog entwickelt, dem man sich nur schwer entziehen kann.
Foto: Marlene Brandstoetter
Schwarzes Loch Während des Gesprächs ist Thorsteinns Ausstrahlung voll unbändiger Energie, man hat stets das Gefühl, dass er am liebsten sofort losrocken würde. Die unverwechselbare Bass-Stimme („Ein naturgegebenes Geschenk, ich rauche sehr wenig und trinke keinen Whiskey!“) ist aufgrund des Videodrehs etwas heiser, aber gewohnt hypnotisch und vibrierend. Es scheint ihm gut zu gehen, bei sich angekommen zu sein. Und wieso auch nicht? Auf seine Karriere kann er durchaus stolz sein: beide Alben platzierten sich in den Top 10, seine Videos und Songs sind Streaming- und Klickhits, seine Konzerte ausverkauft, auch international hat sich eine große Fanbase aufgebaut. Doch mit den hohen Höhen kommen bekanntlich auch tiefe Tiefen: Thorsteinn machte mehr Party, als gesund war, der Exzess wurde zum Lebensmotto. „Ich hatte kein gutes Umfeld. Habe Leuten vertraut, denen ich nicht hätte vertrauen sollen.“ Ruhm und Erfolg kamen mit jungen 18 Jahren, „ich wusste noch nicht, wie ich damit umgehen sollte.“ Seine Unsicherheiten versuchte er, mit Partymachen zu kompensieren. „Wir alle verarbeiten unsere inneren Dämonen anders. Ich habe Fehler gemacht.“ Angst vor der Angst Vor zwei Jahren begannen Panikattacken, Thorsteinns Seele zu malträtieren. „Ich war gerade mit einem Freund Essen, als ich plötzlich kognitiv nicht mehr verstand, was er sagte. Mein erster Gedanke: Schlaganfall! Ich begann zu schwitzen, zu zittern, zu hyperventilieren. Ich bin sofort geflüchtet und zu meinen Eltern.“ Von da an, erzählt er offen, kamen die Attacken zweimal täglich, zwei Monate konnte er
seine Wohnung nicht mehr verlassen. „Ich hatte Angst vor der Angst.“ Eine Depression stellte sich zusätzlich ein. Bis er sich schließlich therapeutische Hilfe suchte. Heute weiß er: „Es gab mehrere Gründe für meine Krise. Zum einen ist mein Opa kurz davor gestorben. Zudem habe ich meinen Erfolg nie verarbeitet, nie reflektiert, einfach weitergemacht. Irgendwann ist die innere Bombe explodiert.“ Aber: Aus und an jeder Krise lernt und wächst man. Thorsteinn weiß nun, wer er ist, sagt er. „Ich kannte mich früher nicht.“ Er habe gelernt, dass „ich nicht der knallharte Typ bin wie immer gedacht. Dass ich emotional, empathisch und sehr treu bin. Und dass ich geliebt werden will wie jeder andere Mensch auch.“ Denn auch die größte Liebe zur Musik könne nicht das Geliebtwerden durch einen anderen Menschen ersetzen, philosophiert er. Nachsatz: „Und ich habe viel Material für neue Songs bekommen.“ Wütende Auferstehung Typisch Künstlerseele, war für Thorsteinn das Songschreiben wohl der allerbeste Weg, um aus dem schwarzen Loch wieder herauszufinden. Seine inneren Dämonen verschafften sich durch seine Songs Gehör, die Pandemie nutzte er, um intensiv an neuer Musik zu arbeiten. Herausgekommen sind unter anderem die beiden aktuellen Singles „Shackles“ und „Spiritual“, beides kraftvolle und eingängige PoprockTracks, auf denen Thorsteinn noch eine Spur wütender klingt als in früheren Songs. „Ich bin wütend auf Teile meiner Vergangenheit und auf meine Panikattacken. Du kannst nicht Ketten ohne richtiger Power sprengen.“ Trotz der rauen Aura sind beide Songs wichtige Empowerment-Messages, ein kathartischer Schrei nach Leben. Besonders „Shackles“ versteht Thorsteinn als Wiedergeburt und Befreiung persönlicher Ketten und Altlasten. Die Krise ist überwunden, die Auferstehung wie der Phoenix aus der Asche
vollbracht, das Comeback gelungen. Immer noch hofft man als Zuhörer, dass seine Seele Erlösung findet, aber mehr als je zuvor präsentiert sich Thorsteinn als ungebrochener Held seiner eigenen Geschichte, der sich, wie ein wahrer Held eben, selbst retten kann. Die Lyrics „I am not broken, not cynical“ aus „Spritual“ wären vor einigen Jahren noch unehrlich gewesen, gibt er zu. Erwachsen Aus dem unsicheren Jungen ist ein reflektierter, sehr weiser Mann geworden. Den erwachsenen Thorsteinn Einarsson beschreibt er nachdenklich als „glücklicher mit mir selbst. Ein Schritt in Richtung Erwachsenwerden ist, mit sich selbst zufrieden zu sein – denn nur dann kannst du mit anderen zufrieden sein.“ Nicht zuletzt habe er sich auch als Künstler stark weiterentwickelt: „Ich bin heute ein besserer Musiker und Songwriter und habe den Mut, mich in neue Soundwelten zu begeben. Es interessiert mich nicht mehr, mich zu wiederholen, möchte Neues machen.“ Im April 2022 geht’s endlich wieder auf Tour – unter anderem mit Songs des neuen Albums, das kurz davor erscheinen wird. Man darf davon ausgehen: Es wird erneut ein Seelen-Striptease werden, ständig oszillierend zwischen Lebensbejahung und Weltschmerz. „Ich bekomme nach wie vor Angstzustände, aber ich komme damit klar“, zeigt sich der Sänger tapfer. „Ich habe immer noch Fehler. Aber ich versuche, jeden Tag zu genießen und als Mensch besser zu werden.“ Egal, wohin die Reise noch führen wird – Thorsteinn Einarsson lädt uns ein, mit ihm gemeinsam das wunderbare Chaos zu genießen, das Menschsein bedeutet. n Mit Nathan Trent im Vorprogramm gastiert Thorsteinn Einarsson im Oktober in Liezen, sowie ab März u. a. in St. Pölten, Villach, Wien, Linz und Dornbirn.
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DER PLATTENLÄSTERER Die besten, größten und wundervollsten Alben der Musikgeschichte: nach fast einhelliger Kritiker-Meinung sind sie in Stein gemeißelt. Aber sind sie das wirklich? Ich finde nicht. Wie zum Beispiel „Van Halen“ von Van Halen. Jaja, schimpft mich nur. Eingefleischte Metal- und Gitarrenfreaks werden mich der Blasphemie bezichtigen, weil ich am Podest des sensationellen Debüts von Van Halen rüttle, quasi am ersten Jahrestag des viel zu frühen Ablebens von Gitarrengott Edward Van Halen. Aber ich werde da möglicherweise missverstanden. Mir geht es nicht darum, die Bedeutung und Originalität dieses Meilensteins der Rockgeschichte in Frage zu stellen, nichts läge mir ferner – noch dazu, wo ich selbst viele Jahre fliegenden Haupthaares das Stromruder gewürgt habe. Nein, es geht um den Kontext innerhalb des Album-Kanons von Van Halen. Und da ist ihr Erstling nun mal nicht das beste Album. Das liegt zum einen an den für Nicht-Musiker mitunter schwer zugänglichen Songs, speziell auf der zweiten Albumseite. Zum anderen auch an der eher matten Produktion, die zwar schon alle Merkmale des wuchtigen Van Halen-Sounds aufweist, aber noch nicht das volle Potenzial der langen, fruchtbaren Zusammenarbeit der Band mit Produzent Ted Templeman ausreizt. Dies geschieht nach einigen Irrwegen dann letztendlich auf „1984“, dem wahrscheinlich rundherum perfektesten Werk der Band. Hier feuert das Quartett auf allen Zylindern: Eddie lässt endlich seine Fähigkeiten an den Keys aufblitzen, und die kombinierte Wucht aus Eddies Gitarrenarbeit, Alex‘ Schlagzeug und dem Bass bzw. Harmoniegesang von Michael Anthony liefert hier jene typische Wall of Sound, die perfekt als Leinwand für den Sleaze von Diamond Dave dient. Songs wie „Jump“, „Panama“, „Hot for Teacher“ oder „I’ll wait“ mögen zwar nicht so musikhistorisch bedeutsam wie „Eruption“ oder „Ain’t Talkin‘ bout Love“ sein, ballern aber einfach mehr. Und nein, die guten Alben der Van Hagar-Ära kommen da trotz perfekter Produktion und, ahem, besseren Gesang auch nicht ran.
Journalist Markus Höller versus Van Halen
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IMPRESSUM
Die nächste Ausgabe erscheint am 3. November.
Herausgeberin, Chefredakteurin: Mag. Roberta Scheifinger Chefredakteur & Chef vom Dienst: Stefan Baumgartner Anzeigen: Tamara Gosch, MA, Mag. Roberta Scheifinger Anzeigenproduktion & Verrechnung: Susanne Franzl Redaktion: Stefan Baumgartner, Amina Beganovic, Markus Höller, Manfred Rebhandl Lektorat: Gunther Natter Fotos: siehe Copyright Cover: Daniel Martensen Medieninhaber, Eigentümer, Redaktionsanschrift: CTS Eventim Austria GmbH, !ticket Eventmagazin, Mariahilfer Straße 41–43, 1060 Wien Designkonzept, grafische Produktion: QMM Quality Multi Media GmbH, Mariahilfer Straße 88a/II/2a, 1070 Wien Artdirektion: Mag. Gottfried Halmschlager Druck: Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten Abonnements: !ticket Österreichs Eventmagazin Nr. 1 erscheint 10 x jährlich. Jahresabo Österreich:
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