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Österreichs Eventmagazin Nr.1
Österreichs Eventmagazin Nr.1
Michael Buchinger über Feuer in der Küche, Mundgeruch, Chips und Wodka.
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show sport theater kabarett 2,90 € Ausgabe 274
Damit sind Sie live dabei!
Thomas Bernhards Skandal-Roman wird von BURG-Schauspieler Nicholas Ofczarek und der Musicbanda Franui auf der Bühne der BURG zum Leben erweckt.
Die zweifache Eurovision Song Contest-Siegerin (2012 & 2023) Loreen geht auf Tour und stoppt dabei auch im Februar in Wien.
CAMERON MACKINTOSHS SPEKTAKULÄRE NEUPRODUKTION VON ANDREW LLOYD WEBBERS
UCHE YARA
Noch bevor sie auch nur einen einzigen Song veröffentlicht hatte, stand sie schon vor Größen wie Rolling Stones und mit Bilderbuch auf der Bühne. Nun kommt die junge Oberösterreicherin endlich auch aufs LIDO SOUNDS.
Mit dem plötzlichen Tod von Liam Payne (31), einem ehemaligen Mitglied der Boyband One Direction, reiht sich – etwas mehr als zwei Jahre nach dem Tod von Taylor Hawkins (Foo Fighters) – ein weiterer Name in die Liste jener Musiker*innen ein, die viel zu früh von uns gegangen sind: Stichwort „Club 27”. Payne, der zusammen mit seinen Bandkollegen Niall Horan (dessen Solo-Konzert er in Argentinien kurz vor seinem Tod noch besuchte), Louis Tomlinson, Zayn Malik und Harry Styles die Musiklandschaft der 2010er Jahre prägte, galt lange als das bodenständigste Mitglied der Band. Dabei war One Direction weit mehr als nur eine weitere Musikgruppe – sie waren ein Phänomen, das Millionen von Fans begeisterte und das Leben der (viel zu?) jungen Musiker radikal veränderte. Während die Karriere von Payne als Teil der Band einen unaufhaltsamen Aufstieg erlebte, sind die Schattenseiten des Erfolgs doch in der Größenordnung ein ständiger Begleiter: der immense Druck, die Erwartungen der Fans und der Industrie, das Gefühl, in der Öffentlichkeit permanent beobachtet zu werden, und die ständige Angst vor dem Fall aus der Gunst: Gerade Harry Styles feierte nach dem Aus von One Direction 2015 große Erfolge als Solokünstler, zuletzt auch im Wiener ErnstHappel-Stadion. Payne jedoch kämpfte immer wieder mit persönlichen Proble-
men, die er in Interviews auch offen ansprach. Die psychische Belastung, die durch den frühen Ruhm und die unvermeidbare Kritik der Öffentlichkeit entstand, war enorm: Depressionen und Abhängigkeiten waren die Folge. Liams Schicksal steht leider exemplarisch für ein Muster, das sich seit Jahrzehnten durch die Geschichte der Popkultur zieht: Übergroße Künstler*innen zerbrachen viel zu oft an der Last des Ruhms und der Erwartungen, Namen wie Kurt Cobain, Amy Winehouse und Chester Bennington sind nur einige der vielen tragischen Fälle, in denen große Talente den Lebensdruck nicht mehr ertragen konnten. Die Tragödie von Payne ist Teil eines Systems, in dem die psychische Gesundheit von Künstler*innen oft vernachlässigt wird: Musiker*innen stehen unter enormen Anforderungen – ständige Tourneen, ununterbrochene Medienaufmerksamkeit und der Leistungsdruck, den Erwartungen eines immer wachsenden und fordernden Publikums gerecht zu werden, werden kaum durch fette Kontostände abgefedert. Hinzu kommt die Tatsache, dass viele Künstler*innen in sehr jungen Jahren der Industrie quasi „vorgeworfen” werden, oft ohne ausreichende emotionale und psychologische Unterstützung. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass die Musikindustrie ein tiefgreifendes Mental-HealthProblem hat: Künstler*innen wie Demi Lovato und Billie Eilish etwa haben offen
über ihre Kämpfe mit Depressionen, Angstzuständen und Selbstzweifeln gesprochen. Viele Musiker*innen greifen aus Verzweiflung oder Hilflosigkeit zu Drogen, um mit dem Druck und der Isolation umzugehen. Was als Mittel zur Flucht oder Entlastung beginnt, endet häufig in einer gefährlichen Abhängigkeit, die schließlich ihr Leben kostet – man denke da in etwa auch zurück an den amerikanischen Rapper Lil Peep, der im Alter von nur 21 Jahren Opfer der Opioid-Epidemie wurde. Sie sehen also, der Weckruf klingelt eigentlich schon seit Jahrzehnten: Es ist nicht nur die Verantwortung der Plattenfirmen, Managements und Produzenten, ihren Künstler*innen psychologische Unterstützung anzubieten, sondern auch die der Fans und der Öffentlichkeit, die oft unbewusst enormen Druck auf diese jungen Menschen ausüben. Gerade die Glorifizierung des „gebrochenen Künstlers“, der im Schmerz und der Verzweiflung seine beste Kunst produziert, muss hinterfragt werden. Schmerz und Erfolg dürfen nicht länger Hand in Hand gehen. Es ist unerlässlich, dass Künstler*innen ermutigt werden, Hilfe zu suchen, ohne Angst vor Stigmatisierung oder Karriereeinbußen zu haben. Denn am Ende ist kein Hit und keine Show es wert, dass Menschen daran zerbrechen.
Stefan Baumgartner (Chefredakteur)
[12] Friedberg früher war sie Anna F., nun musiziert die Steirerin von London aus in voller Bandbesetzung [14] Holzfällen BURG-Schauspieler Nicholas Ofczarek und die Musicbanda Franui erwecken den Roman von Thomas Bernhard zum Leben [18] Michael Buchinger ist zwar ein Küchen-Chaot, trotzdem hat er nun ein Kochbuch veröffentlicht: es gibt Toast und mehr [22] Uche Yara spielte bereits mit Bilderbuch, noch bevor sie einen Song veröffentlicht hatte. Nun kommt sie mit ihrem Debütalbum aufs LIDO SOUNDS
>> oeticket.com/magazine mit den aktuellsten VeranstaltungsNeuigkeiten, den wichtigsten Alben-Veröffentlichungen, Single- und Videopremieren, Fotos von den geilsten Konzerten in ganz Österreich, Interviews mit Stars und zahlreichen Gewinnspielen!
Harald Grosskopf. Anlässlich seines 75. Geburtstags erscheint mit „Monsieur Séquenceur” nicht nur die Autobiographie einer wahren Legende, sondern mit „Strom” auch ein neues Album des Elektronik-Almeisters: Grosskopf teilte sich zwar 1966 als Schüler bei einem BeatFestival die Bühne mit dem später als Scorpions-Gitarrist weltberühmt gewordenen Rudolf Schenker, aber sein Lebensweg führte den Drummer und „Elektroniker” anschließend zunächst in die GegenkulturSphären von Kraut (Die Kosmischen Kuriere) oder Progrock (Wallenstein). In „Monsieur Séquenceur” erlebt man mit Grosskopf wichtige Phasen bundesrepublikanischer Musik- und Gegenkulturgeschichte von den späten Sechzigern bis heute noch einmal.
Robbie Williams. Let him entertain you! Am 2. Januar kommt mit „Better Man” das bislang ungewöhnlichste Biopic über einen der größten Popstars unserer Zeit in die Kinos: Robbie Williams. Von der Boyband-Euphorie der Neunziger bis zu den Stadiontourneen der 2000er – der britische Sänger hat in seiner Karriere viele Rekorde gebrochen, Skandale überstanden und unsterbliche Hits geschrieben. Ein Ausnahmeleben voller Höhen und Tiefen, das Regisseur und Autor Michael Gracey jetzt in einem Ausnahmefilm für das Kinopublikum erlebbar macht. Und weil Robbie immer für eine Überraschung gut ist, begeistert auch der Film mit einem ganz besonderen künstlerischen Kniff: Robbie wird auf der Kinoleinwand von niemand Geringerem verkörpert als von … einem Affen! Das deutsche Filmmagazin Deadline schreibt dazu: „Als hätte man Lassie gecastet, um Frank Sinatra zu spielen. Und wisst ihr was? Es funktioniert!“
Eine faszinierende Reise zur Vielfalt wienerischer Musik.
Mag. Roberta Scheifinger
Chefredakteurin und Herausgeberin
Das Jahr neigt sich langsam aber doch dem Ende zu. Einher mit fallendem Laub und sinkenden Temperaturen gehen nicht nur die frühen Angebote von Adventkalendern, Lebkuchen und Spekulatius in den Supermärkten, sondern auch die ersten Mega-Ankündigungen für das kommende Konzertjahr: So lässt sich jeder Herbst-Blues mühelos vom Tisch fegen! Brauchen Sie ein paar Eindrücke? Green Day werden nach ihrem bombastischen Konzert im Wiener ErnstHappel-Stadion am 17. und 18. Juni vergleichsweise intim in der Wiener Stadthalle Punkrock vom Feinsten kredenzen, während es mit ziemlich hoher Sicherheit ausgeschlossen ist, dass Lenny Kravitz am 9. März in der Wiener Stadthalle viel mehr als Lederhose und Netzhemd trägt. Bereits am 29. Jänner feiern Papa Roach den 25. Geburtstag ihres Debütalbums „Infest”, James Blunt am 25. Februar den 20. Geburtstag von „Back To Bedlam”, beide ebenfalls in der Wiener Stadthalle (und wir gratulieren schon jetzt in Vorfreude). Ebenfalls in Feierlaune sind Skunk Anansie, die am 11. März in der Arena ihren 30. Geburtstag zelebrieren.
Ein weiteres Highlight (und unsere Titelgeschichte) ist natürlich die zweifache ESC-Gewinnerin Loreen, die am 28. Februar im Gasometer gastieren wird – kurz bevor im Mai der 69. Contest dann in Basel über die Bühne geht.
Aber wissen Sie, was ich mir jetzt einmal mache? Bohnenknödel mit Zwiebelsuppe – auf die muss ich nicht warten, die passt hervorragend in den Herbst. Und dank Michi Buchinger (Interview in dieser Ausgabe) habe ich auch das passende, einfache Rezept dafür ...
Gute Unterhaltung wünscht Roberta Scheifinger
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Die Gewinnspiele der aktuellen Ausgabe finden Sie auf den Seiten 06, 18–21 und 22–24.
Zu gewinnen gibt es:
• einen € 50 Webhotels Thermengutschein
• Bücher von Michael Buchinger
• Festivalpässe für das LIDO SOUNDS + Merch
Eine Teilnahme an den Gewinnspielen ist möglich auf oeticket.com/magazine im Beitrag
„!ticket Gewinnspiele November 2024“. Hier finden Sie auch Informationen und Teilnahmebedinungen zu unseren Gewinnspielen und Datenschutz. Einsendeschluss ist der 15. Dezember 2024.
Christian Dolezal gastiert mit seinem ersten Comedy-Programm „Herzensschlampereien” im November und Dezember im Rabenhoftheater, im Dezember auch im Danubium Tulln, im Jänner und Februar im Kabarett Niedermair: Dolezal erzählt hier vom Streben, endlich Liebe leben zu können und dem Scheitern am Weg dahin aufgrund lächerlichster Unzulänglichkeiten.
Bei der Infinity Saga erleben wir am 25. Mai in der Wiener Stadthalle D ein audiovisuelles Meisterwerk: Ein bombastisches Live-Orchester präsentiert den epischen Score, während auf einer gigantischen Leinwand die größten Momente des Marvel Cinematic Universe zum Leben erwachen. Dank immersivem Sound wird dieses Konzert zu einem Portal in eine neue Entertainment-Dimension.
zelebrieren am 21. Dezember in der SIMMCity ihr „Unholy X-Mess Jamboree”: Seit zehn Jahren treibt der maliziöse Unhold Schlitzer Pepi sein letales Unwesen und hinterlässt dabei nichts als verbrannte Erde. Seine Schergen sind fünf untote Wiener: Die BZFOS durchziehen die Welt der lebenden Toten seit knapp 20 Jahren mit ihrer Schreckensherrschaft, die rhythmisch und flott durch Mark und Bein geht. Niemand sonst beherrscht das Spiel aus unbändiger HorrorfilmLiebe, Gesellschaftskritik und augenzwinkernder Ironie so gut wie unser Lieblings-Punkrock-Quintett!
Die zweifache ESC-Queen Loreen bringt 2025 Euphorie nach Wien, doch von Hochstimmung ist beim Song Contest nicht mehr viel zu spüren. Ein Blick auf eine musikalische Identitätssuche.
TEXT: MANUEL SIMBÜRGER
Die Geschichte des Eurovision Song Contests ist reich (und glitzernd) an Queens und Powerfrauen. So bahnbrechend der Durchbruch Conchitas auch war, so jugendlich-frisch der Sieg von Lena oder so Friedens-beschwörend jener von Nicole: Dass man den größten Gesangwettbewerb der Welt gleich zweimal gewinnt, das schafft nur Loreen (und Johnny Logan). Wenn die 40-jährige Schwedin die kultige Dance-Hymne „Euphoria“ (der Platz 1 aus dem Jahre 2012, 2023 gewann sie mit „Tattoo”) anstimmt, ist sowohl physisch als auch psychisch zu spüren, wie das Level der Glückshormone im Publikum rapide ansteigt.
Entzweit
Am 28. Februar macht Loreen mit ihrer Tour in Wien Station. Ihre mythischdüsteren Auftritte passen zur derzeitigen ESC-Stimmung. Denn die wohlige Love-Peace-Harmony-Bubble hat in den letzten Jahren Risse bekommen –und drohte 2024 gar, gänzlich in sich zusammenzubrechen.
Negative Stimmung backstage, Buhrufe und Morddrohungen gegen Israel, Disqualifikation des norwegischen Kandidaten, heftige Kritik am ESC-Verantwortlichen EBU (European Broadcast-
ing Union) und propalästinensische Demos: Es war das „ESC-Jahr der Skandale“, titulierten zahlreiche Fachmedien im Nachhinein. Der Song Contest habe seine Unschuld, seine Unbeschwertheit verloren. Nichts ist mehr, wie es mal war. Das Motto „United by Music“ war haushoch gescheitert.
Ursprünge
Dabei hat alles so harmlos angefangen. Naiv. Aber auch berechnend. Natürlich, schon beim allerersten ESC 1956, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, spielte auch der Gedanke des vereinten Europas eine wichtige Rolle. Verbunden durch Musik und Unterhaltung.
„Doch der ESC wurde vor allem deshalb erfunden, weil es das neue Medium Fernsehen gab, auf das man Lust machen wollte“, erklärt der deutsche Journalist und ESC-Experte Jan Feddersen. Das Radio bestimmte nach wie vor den Alltag – mitsamt der Pop-Musik, die damals ebenfalls gerade stark im Kommen war. Also verband die EBU Altes mit Neuem und rief ein generationenübergreifendes TV-Event mit einer internationalen Verschaltung ins Leben. Anfangs mit nur sieben teilnehmenden Ländern und „einer Jury, die keiner kontrolliert hat“, erinnert sich Feddersen. „Völlig irre.“
Loreen wurde 1983 als Tochter marokkanisch-berberischer Eltern in Stockholm geboren. Sie gewann für Schweden im Jahr 2012 in Baku den ESC mit „Euphoria”, 2023 in Liverpool mit „Tattoo”. Ihre letzte Single „Is It Love” veröffentlichte sie vor ziemlich genau einem Jahr und zeigte sich hier musikalisch stark von ihren Wurzeln beeinflusst.
Ausstrahlungsjuwel
Der liebevolle Irrsinn kam nicht nur an, sondern ist geblieben. Die Beliebtheit des ESC stieg genauso blitzartig wie die Anzahl der Länder, die dabei sein wollten. Die Regeln wurden seit 1956 zigmal geändert: Lange Zeit durfte beispielsweise nur in Landessprache (live!) gesungen werden, heute kommen die Hintergrundstimmen vom Band. Mit der sich stets weiterentwickelnden Technik rückte eine aufsehenerregende Performance immer mehr in den Mittelpunkt. In den Anfangsjahren ein lieblicher SchlagerEvent, gibt es aktuell beim ESC Musikgenres jeden Couleur zu bestaunen: radiotauglicher Pop, kitschige Balladen, harter Rock, alternativer Ethno-Folk. Weil beliebt zu sein bedeutet eben auch, sich anpassen zu können – oder müssen. „Je populärer der Contest wurde, desto schlichter wurde seine Kunst“, argumentiert die NZZ. Heute ist der ESC ein „Ausstrahlungsjuwel“, wie Feddersen ihn bezeichnet, eine „globale Marke“. Mehr als 160 Millionen Zuseher schalten jährlich ein, um zu verfolgen, welches Land sich musikalisch dieses Mal durchsetzt, wie Over-the-Topness zur Kunstform erhoben wird und wenn Künstler zu Stars gemacht werden – meistens für die Nacht, manchmal auch für die Ewigkeit: ABBA und Céline Dion seien hier erwähnt.
Normal Anders
Die überaus leidenschaftliche Fanbase besteht aus Jung und Alt – und zuvörderst aus schwulen Männern. Dazu Feddersen: „Der ESC mutierte von einem rein internationalen Fernsehereignis zu einer Art queeren internationalem Woodstock.“ Die Regenbogenflagge ist die einzige Flagge, die bei der Veranstaltung erlaubt ist. Als Feier der Vielfalt, der Lebensfreude und des „normalen Anders“ ist der ESC ein sicherer Sehnsuchtsort, größer als das Leben und das Menschsein selbst. „Und weil man dort auch die gewünschten Rollenmodelle oder die Projektion schwuler Männer wiederfinden kann“, sieht es Feddersen pragma-
tischer. „Tragödien, dramatische Handbewegungen, flamboyante Kostüme, Melancholie und Hysterie.“ Nicht zu vergessen: „Männer sind kompetitiver als Frauen. Und sie lieben Listen.“
Politikum
Oft wird dem Song Contest vorgeworfen, ein reines Politikum zu sein, um Musik selbst gehe es in Wahrheit schon lange nicht mehr. Von der Hand zu weisen ist das freilich nicht: „Der ESC war schon immer politisch – auch wenn die EBU immer wieder betont, es nicht zu sein“, erklärt Feddersen. Andererseits: Wenn schon bekanntermaßen das Private politisch ist, wie kann es dann ein internationaler Gesangswettbewerb nicht sein? „Alles, was wir als Menschen tun, hat eine politische Komponente“, ist Lukas Plöchl (ESC 2012) im Gespräch mit uns überzeugt. So sind in ESC-Songs immer wieder versteckte politische Botschaften zu finden. Gastgeberländer wie zuletzt Aserbaidschan nutzen das Event, um sein Image kräftig aufzupolieren. Und dass die Ukraine sowohl 2016 als auch 2022 gewann, war wohl vor allem als Solidaritätsbekundung Europas zu verstehen. „Unbeschwert war der ESC noch nie“, fasst Feddersen zusammen, will aber zugleich betont wissen: „Natürlich ist der Song Contest friedensstiftend und völkerverbindend. In der Sekunde, in der zwei Parteien sich gegenseitig in einem Wettbewerb aushalten und einander gratulieren, gewinnt man Abstand zu dem, was in früheren historischen Modi Waffen- oder körperliche Gewalt war.“ Zudem schafft es der ESC regelmäßig, gesellschaftliche Debatten zu starten – heuer über das dritte Geschlecht (Gewinner: Nemo aus der Schweiz) zum Beispiel.
Der Sieg
Den hartnäckigen Mythos, dass man schrill, bunt und queer sein muss, um beim Song Contest per se Chancen zu haben, widerlegt Feddersen: „Ein Gewinn ist wahnsinniger
Zufall. Vielleicht mag man auch einfach nur das Outfit nicht. Wichtig ist, einen glaubwürdigen Act hinzulegen.“ In dieselbe Kerbe schlägt auch Cesár Sampson, der für Österreich 2018 den dritten Platz holte: „Du musst in drei Minuten eine möglichst starke Reaktion beim Publikum erzeugen.“ Zudem rät er, die Bühnentechnik „voll auszunützen.“ Die Vergangenheit hat aber ohnehin gezeigt: Der wahre Sieger ist am Ende derjenige, dessen Song zum Radiohit wird. Loreen hat mit „Euphoria“ beides geschafft.
Die Zukunft
Nach dem 2024er Schlamassel wurden Forderungen laut, den ESC abzuschaffen. Klein beizugeben, das Trennende über das Verbindende zu stellen, wäre aber der falsche Weg. Der ESC ist und bleibt ein niederschwelliger Spiegel der aktuellen Weltlage, eingerahmt mit herrlich kitschiger Goldgravur. Ein politisches Idealbild, eine Keimzelle von Werten und Normen. Er fördert den Tourismus und die nationale Musikbranche. Änderungen sind jedoch dringend notwendig.
Sampson beispielsweise fordert „ein 50/50Votingspilt wieder in allen Phasen des Wettbewerbs“, transparente Information über internationale Juroren, Rückkehr zur vollständigen Live-Musik und ein Verbot, „dass Staatsgelder verwendet werden, um Werbeschaltungen für Teilnehmer zu kaufen.“ Plöchl wiederum, der seine Teilnahme als „die bisher größte Mutprobe meines Lebens“ bezeichnet, möchte „Konfliktparteien eines Krieges nicht ausschließen. Wir müssen uns austauschen und in Kontakt bleiben.“
United by music? Unbeschwerte Party? Vielleicht 2025 in Basel, in der Schweiz. Die ist immerhin neutral. Und war bereits Austragungsort des allerersten ESC, 1956 in Lugano. Um Loreen zu zitieren: Vielleicht erleben wir vom ESC eine „Back in Time”Version.
n Loreen gastiert am 28. Februar im Gasometer.
Am Beginn ihrer Karriere machte sie als Anna F. Musik. Seit einigen Jahren steht die in London lebende Österreicherin der Band Friedberg vor. Nun erscheint endlich das Debütalbum „Hardcore Workout Queen“ und es geht auf die erste eigene Tour. Ein Gespräch über Perfektionismus, die Suche nach dem richtigen Vibe und den langen Weg nach oben.
TEXT: SEBASTIAN FASTHUBER
Anna F. wurde 1985 im steiermärkischen Friedberg geboren. Sie spielte bereits im Vorprogramm von Lenny Kravitz, James Blunt, Placebo und AnnenMayKantereit.
Seit 2018 musiziert sie unter dem Banner Friedberg, die Band komplettieren Emily Linden (Gitarre, Gesang), Cheryl Pinero (Bass, Gesang) und einer fluiden Besetzung am Schlagzeug. Am 8. November erscheint das Debütalbum „Hardcore Workout Queen”.
Du hast zuletzt 2014 unter dem Namen Anna F. die Platte „King In the Mirror“ veröffentlicht. Wie konnten zehn Jahre bis zum nächsten Album vergehen? Auf Covid kann ich es nicht schieben, es liegt schon vor allem an mir. Zuerst hat es Zeit gebraucht, um alles neu zu ordnen. Ich musste den Sound von Friedberg finden und ausprobieren, was ich eigentlich machen will. Ich habe die Band zusammengestellt und ein gutes Team gesucht. Und dann bin ich halt leider eine superkrasse Perfektionistin.
Wie äußert sich das? Ich habe von jedem Song tausend Versionen gemacht. Immerhin habe ich etwas daraus gelernt: Die ersten Fassungen von Songs sind oft schon sehr nah an dem dran, wie sie klingen sollen. Oft bin ich am Ende dazu zurückgekehrt und habe nur die Drums neu aufgenommen. Der erste Vibe eines Songs ist wichtig, auch wenn die Aufnahme vielleicht schlecht ist: es geht um den Charme.
Ist es nicht frustrierend, jahrelang an Songs zu tüfteln, bis die Welt sie endlich zu hören bekommt? Komischerweise bin ich da relativ geduldig. Ein Song muss genau so klingen, wie ich ihn haben will. Erst dann darf er raus in die Welt.
Mich hat Friedberg vor allem live an die New Yorker Dancerock-Band LCD Soundsystem erinnert. Cool, das ist meine Lieblingsband. Ich mag diese Mischung aus Rock und Dance einfach. Die Drums dürfen dafür nicht zu rockmäßig gespielt werden, sondern mit einem Dance-Vibe. Ich habe LCD Soundsystem gerade live gesehen. Die überlassen nichts dem Zufall und betreiben einen irren Aufwand. Sie schleppen Unmengen von Synthesizern auf die Bühne. Das zahlt sich im Sound aber aus.
Popsongs werden im Streaming-Zeit-
alter immer kürzer, eure Songs sind dafür richtig lang. Zufall oder Absicht? Das ist so passiert, ich finde zum Beispiel auch Krautrock cool. Dieses Genre lebt davon, dass ein Song immer weitergeht und man dadurch reingezogen wird. Das funktioniert nicht mehr, wenn man drei Minuten wegschneidet.
Du hast eine ziemliche Odyssee hinter dir, von Wien über Berlin und Los Angeles nach London. Bist du jetzt angekommen? Ankommen ist gar nicht so mein Ding. Ich bin lieber unterwegs. Aber ich finde die Stadt inspirierend. In jedem Pub spielen super Bands, es gibt geile Ausstellungen und Theaterinszenierungen. London ist aber auch sehr hektisch. Ich weiß nicht, ob ich es auf Dauer aushalte. Die Stadt hat eine krasse Energie. Aber auch der Druck, die Miete zahlen zu können, ist groß. Vor Ort zu sein ist auf jeden Fall gut, um hier auch wahrgenommen zu werden. So kriegt man eher Konzerte oder läuft auch mal auf BBC Radio 6. Andererseits finde ich es manchmal schade, so weit weg von Wien zu sein. Hier ist in den letzten Jahren so eine coole Szene entstanden. Leider bin ich nicht vor Ort und deshalb auch kein Teil davon.
Was war überhaupt der Grund, unter anderem Namen neu zu starten? Normalerweise hat man zuerst eine Band und dann eine Solokarriere. Ich habe es umgekehrt gemacht. Es war nicht geplant. Ich habe vor einigen Jahren angefangen, neue Sachen zu schreiben. Damals dachte ich, ich mache ein neues Album als Anna F. Dann hat die Musik ganz anders geklungen, viel gitarrenlastiger. Ich habe es meiner Plattenfirma Universal Deutschland vorgespielt und insgeheim gehofft, dass sie mich droppen. Haben sie dann auch. Dadurch konnte ich neu starten. Witzigerweise hatte ein Engländer die Idee mit Friedberg als Namen. Ich mag
ihn. Nur manchmal ist er nervig, weil ihn im englischsprachigen Raum fast niemand versteht. Die glauben, die Band heißt Freak Bird oder Free Bird.
Nie bereut, das Major Label verlassen zu haben für eine Indie-Karriere? Überhaupt nicht. Es ist sehr angenehm, mit einem kleinen Label zu arbeiten. Aber es ist auch wichtig, ein Team zu haben. Man kann nicht alles selbst machen. Musik ist jetzt schon ein leider sehr kleiner Teil meiner Arbeit.
Theoretisch kann der Sound von Friedberg auf der ganzen Welt funktionieren. Auf welche Regionen konzentriert ihr euch? Das Hauptaugenmerk ist auf Großbritannien, Deutschland, Österreich und den USA. Das sind unsere Fokusmärkte, wie man das nennt. Im nächsten Schritt werden wir es vielleicht auf Frankreich ausweiten.
Ist es sich für dich immer ausgegangen, von der Musik zu leben? Ja, irgendwie. Aber nur, weil ich ab und zu auch einen Film gedreht habe. Oder einen Verlagsvertrag unterzeichnet habe. Sonst nicht. Jetzt müssen wir aufs nächste Level.
Was ist das nächste Level? Der Albumrelease und die erste eigene Tour. Wir haben wahnsinnig viel gespielt, aber fast nur auf Festivals oder Support Shows von Hot Chip oder Placebo. Das hört sich super an, aber als Support Act verdient man nichts. Man zahlt sogar noch drauf. Ich habe viel Zeit damit verbracht, Förderansuchen für Tourneen zu schreiben. Im Dezember spielen wir endlich unsere erste eigene Tour mit Einzelshows. Keine Ahnung, ob wer kommt. Wir hoffen schon.
n Friedberg gastieren zwischen 10. und 14. Dezember in Salzburg, Dornbirn, Linz, Graz und Wien.
Nicholas Ofczarek und Musicbanda Franui interpretieren Thomas Bernhard
Thomas Bernhards berühmte Prosa „Holzfällen“ wird rezitativisch von Burg-Schauspieler
Nicholas Ofczarek zum Leben erweckt, während die Musiker*innen von Franui u. a. mit einer Spezialität zu hören sein werden, die sie bekannt gemacht hat: dem Zelebrieren von Trauermärschen und Trauermusik.
Thomas Bernhards Roman stellt einen Erzähler ins Zentrum, der aus der Distanz seines Ohrensessels eine „künstlerische Abendgesellschaft“ in der Wiener Gentzgasse beobachtet und diese mit bösartiger Genauigkeit seziert. Die versammelte Menge wartet auf die angekündigte Ankunft eines Burgschauspielers; zudem sind die meisten Personen dieser Gesellschaft miteinander verbunden, weil ihre durch Selbstmord aus dem Leben geschiedene Freundin Joana am Nachmittag desselben Tages in der Ortschaft Kilb zu Grabe getragen wurde.
ten österreichischen Autoren, sein Roman „Holzfällen” erzeugte bei seiner Veröffentlichung 1984 erhebliches Echo und ist bis heute neben „Heldenplatz” eines seiner meistdiskutierten Werke. Nun erweckt der Burgtheater-Schauspieler Nicholas Ofczarek und die Musicbanda Franui das Werk rezitativ-musikalisch zum Leben. Wir sprachen mit dem Kammerschauspieler und Andreas Schett, dem künstlerischen Leiter der Band.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit von Franui und Nicholas Ofczarek? Andreas Schett: Es war eine längere Geburt. Wir haben uns schon 2019, also noch vor der Pandemie, darauf verständigt, dass wir einen gemeinsamen Abend machen wollen. Und auch auf Thomas Bernhard und „Holzfällen“ sind wir schnell gekommen.
Nicholas Ofczarek: Der Start der neuen BURGDirektion von Stefan Bachmann war für uns ein passender Anlass, um unser Herzensprojekt auf die Bühne zu bringen. Es war eine Freude, gemeinsam mit der Musicbanda Franui an den
vielen Verwebungen zwischen Text und Musik zu arbeiten.
Warum gerade dieses Buch? Schett: Es ist wie für uns geschrieben: Ein Ich-Erzähler sitzt in der Gentzgasse im 18. Wiener Gemeindebezirk im Ohrensessel und zerlegt mit seinen Beobachtungen eine „künstlerische Abendgesellschaft“, wie es bei Bernhard heißt. Er schimpft fortwährend über die Anwesenden und – da ein Burgschauspieler erwartet wird – über das Burgtheater. Die Gesellschaft hat sich am selben Tag schon in Kilb in Niederösterreich getroffen,
weil eine gemeinsame Freundin begraben wurde, die sich umgebracht hat. Die erste Idee war: Ofczarek schimpft in der BURG übers Burgtheater und wir spielen dazu Trauermärsche. Perfekt.
Ofczarek: Das Setting in „Holzfällen“ – die Wiener Gesellschaft trifft sich nach einer Beerdigung und erwartet die Ankunft eines Burgschauspielers – ist geradezu aufgelegt für die auf Trauermärsche spezialisierten Franui und mich als Burgschauspieler.
Herr Ofczarek, was waren Ihre ersten Berührungspunkte mit Thomas Bernhard? Ofczarek: Thomas Bernhard gehört, seit ich denken kann, zu meinen liebsten Schriftstellern. Sein
Mut und seine faszinierende Gratwanderung zwischen Polemik und Humor haben mich schon immer beeindruckt. Besonders „Holzfällen“ karikiert das Wiener Künstlermilieu wunderbar überspitzt und dennoch so treffend.
Welche besonderen Herausforderungen stellen seine Texte an Sie als Schauspieler und Rezitator – oder ist es einfach nur eine Freude, sie vorzutragen? Ofczarek: Es ist eine reine Freude.
Bernhard gilt als sehr musikalischer Autor. Zurecht? Schett: Seine Werke kann man auch wie Partituren lesen. Es finden sich darin viele Rhythmen
und sehr komplexe Satzbauten. Besonders „Holzfällen“ ist ein unglaublich toller, vielschichtiger Text.
Das Buch ist 40 Jahre alt. Wie gültig ist Bernhards Gesellschaftskritik heute? Schett: Absolut gültig. „Holzfällen“ analysiert auch für die heutige Zeit noch messerscharf, wie sich Menschen in der Kunstwelt verhalten. Dieses Gewese und Getue gibt es nach wie vor. Und dabei ist es auch noch so lustig, wie das im Buch daherkommt! Was auch auf den Punkt gebracht wird, ist der Gegensatz zwischen Stadt und Land. Eine Konfrontation, die auch heute politisch wieder so schlagend ist. Bei Bernhard streben die Menschen vom Land immer da-
Die Besetzung Nicholas Ofczarek (7. von links) ist seit 30 Jahren Mitglied des Burgtheaters, von 2010 bis 2012 war er der fünfzehnte Jedermann der Salzburger Festspiele. Die Musikbanda Franui unter der künstlerischen Leitung von Andreas Schett (rechts neben Ofczarek) stammt aus dem Osttiroler Dorf Innervillgraten. Sie spielt seit 1993 in nahezu unveränderter Besetzung und ist bei den renommiertesten Festivals und Konzerthäusern zu Gast, u. a. bei den Salzburger und Bregenzer Festspielen, im Burgtheater Wien, dem Wiener Konzerthaus, der Philharmonie de Paris und der Elbphilharmonie Hamburg. Dabei versteht sich das Ensemble als „Umspannwerk zwischen Klassik, Volksmusik, Jazz und zeitgenössischer Kammermusik”.
nach, in den Zug zu steigen und in die Großstadt zu kommen. Und dann vernichtet sie die Großstadt.
Ofczarek: In „Holzfällen“ zeigt sich natürlich auch das Gesellschafts- und Sittenbild einer bestimmten Zeit. Und das Werk hat unsere Wahrnehmung geprägt. Für mich persönlich ist es auch einfach eine große Lust und Freude, Bernhards Sicht auf die Wiener Gesellschaft ausgerechnet auf die Burgtheaterbühne zu bringen und mit dem Heute abzugleichen.
Franui sind für innovative Formate bekannt. Es ist also vermutlich keine konventionelle Lesung mit Musikbegleitung. Schett: Nein. Es geht uns um eine Verbindung von Musik und Text. Über weite Strecken kommt daher die Musik zugleich mit dem Text. Es ist eine Partitur für elf Stimmen. Keine Lesung mit Musik, auch kein Hörspiel, kein Konzert, keine Oper, sondern von allem etwas. Wenn man so will, ist es ein neues Format, das noch keinen Namen hat. Die Herausforderung lautet: Wie schafft man es, die Aufmerksamkeit auf den Text zu fokussieren, obwohl auch komplexe Musik dabei ist und den Text begleitet, konterkariert, vorbereitet, neu kontextualisiert? Die Arbeit mit Nicholas Ofczarek ist eine helle Freude, weil er unglaublich musikalisch ist.
Welche Musik haben Sie gewählt? Schett: Das war ein längerer Prozess des Suchens. Wir haben in der Vergangenheit oft mit dem romantischen Lied gearbeitet, vor allem mit Schubert oder Mahler. Das verträgt sich interessanterweise mit Bernhard überhaupt nicht. Zum Glück gibt es im Roman musikalische Anknüpfungspunkte. Der Gastgeber Auersberger wird darin als „Komponist in der Webern-Nachfolge“ bezeichnet. Webern und Schönberg kommen immer wieder
vor. Und auch Henry Purcell. Wir arbeiten mit Musik von Purcell-Arien bis Webern. Und Mozart ist auch dabei. Der Tonfall seiner „Divertimenti“, mit denen er im Grunde Unterhaltungsmusik gemacht hat, passt gut zu dieser Sprache und Welt. Das ist ein riesiger Komponistenhimmel, den wir da in der Gentzgasse aufleuchten lassen.
Das klingt ziemlich ernst. Dabei ist die geschilderte Gesellschaft sehr lächerlich. Schett: Gerade diese Spannbreite finde ich interessant. Diese Figuren legen eine unglaubliche Kunstanstrengung an den Tag und sind doch lächerlich. Überraschenderweise bekommt das Ganze am Schluss eine zutiefst menschliche Dimension: Der Ich-Erzähler – also womöglich Thomas Bernhard selbst – kapriziert sich am Ende seiner großen Schimpftirade auf seine eigene „rücksichtslose Gemeinheit und Niederträchtigkeit“. Diese so schonungslose Selbstbespiegelung ist auch bei Bernhard selten zu lesen. Richtig erhellend, auch für das Publikum.
Der Abend ist also lustig, ernst und noch mehr? Schett: Das ist immer unser Anspruch. Kunst soll viele Gemütszustände zugleich zulassen. Dann ist sie schön. Ich finde es langweilig, wenn etwas nur lustig oder nur verkopft ist.
Nicholas Ofczarek ist Wiener und Burgschauspieler, dieser Bezug ist also gegeben. Gibt es auch einen Bezug des Romans zum Osttiroler Dorf Innervillgraten, wo Franui herkommen? Schett: Fast! Das Vorbild für den Burgschauspieler in „Holzfällen“ war Walther Reyer, der aus Tirol stammte. Seine Tochter Cordula Reyer wiederum war in den Neunzigern das bekannteste Model aus Österreich. Sie hat vor einigen Jahren in der Tageszeitung Der Standard einen
Text über den Ort in Südtirol geschrieben, wo ihr Großvater herkam. Es handelt sich um das Gsieser Tal, das direkte Nachbartal des Villgratentals. Walther Reyer ist offenbar in jeder freien Minute dorthin gefahren und mit den Einheimischen beisammen gesessen. Bei Bernhard hält der Schauspieler folgerichtig lange nach Mitternacht ein denkwürdiges Plädoyer: „In die Natur hineingehen und in dieser Natur ein- und ausatmen und in dieser Natur nichts als tatsächlich und fur immer Zuhause zu sein“, das empfinde er als das größte Glück, sagt er.
Wie ist die Premiere gelaufen? Schett: Ursprünglich wurde angekündigt, den Abend „nur wenige Male“ zu zeigen. Nun ist die Kartennachfrage so groß, dass es ziemlich viele Zusatzvorstellungen gibt. Es geht eindeutig in Richtung Hit! Und wir gastieren mit der Produktion 2025 u. a. am Berliner Ensemble, am Schauspielhaus Bochum und am Schauspiel Stuttgart.
Ofczarek: Wir haben uns über viel Lachen, Szenenapplaus und Standing Ovations gefreut.
n Die nächsten Termine von „Holzfällen” sind der 9. und 27. November, sowie der 10. und 23. Dezember.
Eines der zahlreichen weiteren Highlights in der BURG: An ausgewählten Abenden wird das Burgtheater zur Konzertbühne, im aufregenden Spannungsfeld zwischen Sound-Avantgarde und musikalischer Legende; Die neuen Reihe SOUNDSTAGE präsentiert zeitgenössische Musiker*innen, die nicht nur mit dem Publikum, sondern auch mit einem geschichtsträchtigen Raum in einen respektvollen Dialog treten. Die Reihe wurde bereits von Waldeck eröffnet, Folgetermine sind mit Kreiml & Samurai am 7. Dezember sowie Ernst Molden und Sigrid Horn am 2. März.
Kabarettist und Küchen-Chaot
Michi Buchinger hat sein erstes Kochbuch veröffentlicht. Ob das schmecken kann?
TEXT: MANUEL SIMBÜRGER
Michi Buchinger wurde 2009 mit seinen YouTube-Videos bekannt, wiederkehrende Formate sind seine Hass-Listen und Kochvideos. Seit 2018 stand er auch im Rahmen zweier Kabarettprogramme „Lange Beine, kurze Lügen” und „Ein bisschen Hass muss sein” auf den Kleinkunstbühnen des Landes, in seinem Podcast „Buchingers Tagebuch” plaudert er aus dem Nähkästchen.
Als Michi Buchinger zu Beginn seiner Karriere noch hauptsächlich für seine humorvollen YouTube-Videos bekannt war, gehörten sie zu den Fan-Favourites: seine Chaos-Kochvideos, in denen der damals 22-jährige Wiener schon mal die Küche abfackelt (obwohl er eigentlich nur einen Zitronenkuchen backen wollte) oder das Probieren der selbstgemachten AlkoholBrownies mit den Worten kommentiert: „[Der Brownie] ist auf jeden Fall mit Alkohol vollgesaugt – so wie ich auf jedem Ukulele-Konzert meiner Freunde.“ Nun, viele Roman-, Podcast-, Kabarett- und Internet-Erfolge später, kehrt Buchinger zu seinen Wurzeln zurück und wird Koch – oder zumindest fast: Mit „Buchingers Kochbuch“ ist sein allererstes Kochbuch erschienen. Dort werden köstliche Rezepte serviert, die irgendwo zwischen Gen ZExperimentierfreude und Omas Küche angesiedelt sind. Unterteilt in die Kapitel „Comfort Food: Kochen mit Chips“ (Lebensgrundlage für Buchinger), „Fitness“, „Michi Express / Schnelle Küche“, „Entertaining“, „Sieht scheiße aus, schmeckt aber gut“ sowie „Süßes“ (natürlich!) gestaltet sich das kulinarische Lehrbuch der etwas anderen Art genauso schillernd, abwechslungsreich, augenzwinkernd, lebensbejahend, reflektiert und natürlich humorvoll wie Buchinger selbst. Dazu gibt es, um der eigenen Marke treu zu bleiben, auch eine Hass-Liste über das Kochen (aber genauso eine Love-Liste), sowie eine passende Playlist.
Wie ist die Idee zu deinem Kochbuch entstanden? Meine YouTube-Anfänge habe ich ja unter anderem auch mit Kochvideos gemacht, 2009 habe ich meinen berühmt-berüchtigten Chips-Toast erfunden. Danach habe ich alle paar Monate chaotische Kochvideos gemacht. Mich haben damals schon immer wieder Leute gefragt, wann ich endlich ein Kochbuch auf den Markt bringe.
An wen richtet sich dein Kochbuch? Ich habe versucht, den Spirit der Kochvideos auch in das Buch einfließen zu lassen. Das heißt: Ja, es ist chaotisch, aber es soll das Gefühl erwecken, dass jeder kochen kann. Es richtet sich an Leute, die nicht so gern kochen oder die es nicht mögen, wenn jemand das Kochen verklärt oder auf ein Podest hebt. Wenn man ehrlich ist: Viele Menschen kochen eigentlich nicht gern, aber man muss es halt tun.
Und wie ist das bei dir? Es gibt Tage oder Wochenenden, an denen ich absolut nichts zu tun habe. Dann stelle ich mich zwei, drei Stunden in’d Kuchl, lege mein Handy weg und koche oder backe etwas. Das ist wirklich schön. Aber Kochen ist oft schwierig mit dem Alltag und dem stressigen Berufsleben vereinbar, deshalb habe ich versucht, den Leuten beim Lesen ein gutes Gefühl zu geben und zu sagen: Ja, mir geht das Kochen meistens am Arsch, aber es bleibt mir halt nicht erspart. Ich kann auch nicht alle drei Mahlzeiten am Tag im Restaurant einnehmen oder
immer beim Lieferservice bestellen. Das ist auch der Twist im Kochbuch: Ich kann den Leuten vielleicht nicht geniale Rezepte anbieten, aber ich finde, wenn man so kocht wie ich, dann fühlt es sich ein bisschen leichter an. Mein Kochen ist nicht mit einem Perfektionismus verbunden.
Du meintest, wenn du dir beim Kochen Zeit lassen kannst, fühlt es sich „schön” an. Was meinst du damit genau? Ich bin ja ein Opfer meiner Generation: Plump gesagt ist es schon toll, wenn ich für ein paar Stunden einmal nicht auf mein Handy schaue. Das mache ich sonst ja fast nie. Kochen ist wirklich wie eine Beschäftigungstherapie. Außerdem, auf einer rein psychologischen Ebene: Du nimmst dir etwas vor, du hast ein paar rohe Zutaten, du wirfst sie in den Topf und du wirst sofort dafür belohnt. Du kannst danach sagen: Okay, der heutige Tag war vielleicht richtig scheiße, aber am Ende des Tages kann ich doch noch ein ziemlich gutes Chili zubereiten – zumindest das ist mir heute gelungen. Das Kochen bringt also im besten Fall kleine Erfolgserlebnisse. Obendrein entspannt es mich total. Natürlich kann es in stressigen Zeiten vielleicht nervig sein, aber wenn ich mich dann doch dazu überwinde, fühle ich mich danach meistens besser, weil das Kochen eine beruhigende Wirkung auf mich hat. Eines der Dinge, die mich am Kochen aber stören ist, dass man manchmal zwei Stunden in der Küche steht und dann in fünf Minuten alles aufgegessen
hat. Aber dann versuche ich vielleicht, ein bisschen langsamer zu essen oder doppelt so viel zu kochen und es einzufrieren, damit man länger etwas davon hat. Oder doppelt so viel zu essen, auch das beschwichtigt meine Sorgen.
Bist du wirklich so ein chaotischer Koch, wie du behauptest? Ich habe auf jeden Fall eine Zeitlang damit kokettiert. Okay, es sind früher wirklich viele Dinge schief gegangen, das war anfangs so nicht beabsichtigt. Aber ich habe mitbekommen, dass die Leute meine Kochvideos nicht so sehr wegen den Rezepten schauen, sondern deshalb, weil sie es witzig finden, wenn etwas Tollpatschiges passiert. Also habe ich dann absichtlich immer ein paar chaotische Momente eingebaut. Aber mein erstes Kochvideo ist mittlerweile 15 Jahre her und ich wage zu behaupten, dass ich ein bisschen etwas dazu gelernt habe. Das geht ja auch gar nicht anders, vor allem, wenn man ein Gericht schon zigmal zubereitet hat. Am ehesten geht immer noch etwas schief, wenn ich ein Gericht auf Instagram sehe und versuche, es nachzukochen. Manchmal ist das dann ein bisschen zu ambitioniert von mir und geht komplett in die Hose. Ein Spitzenkoch bin ich halt nicht. Als ich anfing, kochen zu lernen, war ich 16 oder 17 Jahre alt. Eines der ersten Gerichte, die ich zubereitet habe, war eine Hühnerleber. Zum einen denke ich mir heute: Wer kommt mit 16 auf diese Idee?! Und zum anderen war es viel zu ambitioniert, die sehr teure Leber war verbrannt und ich musste sie danach wegschmeißen. Das war furchtbar! Meine Ausflüge in die Spitzengastronomie sind also fast immer gescheitert ...
Aber du probierst es wenigstens. Genau. Und im Endeffekt schmeckt es dann meistens eh ganz gut, es schaut vielleicht nur nicht schön aus.
Was war bisher dein größtes Küchenfail? Ich hatte schon zweimal Feuer in der Küche. Das ist im ersten Moment voll schockierend, aber meistens zum Glück leicht zu löschen. Und dann habe ich schon manchmal die Zutaten vertauscht: Ich finde es zum Beispiel überhaupt nicht gut, dass Zucker und Salz so ähnlich ausschauen. Mir ist es tatsächlich schon einmal passiert, dass ich bei einem Kuchen ur viel Salz reingegeben habe, weil ich geglaubt habe, es ist Zucker. Den Teig konnte ich dann natürlich wegschmeißen. Ansonsten brennt mir regelmäßig etwas an.
Welches deiner Gerichte kommt besonders gut an? Im Moment und aufgrund des Kochbuchs ist es der Chips-Toast, den immer alle wollen, wenn ich sie bekoche. Auch nach meiner Pasta alla Wodka verlangen meine Freunde regelmäßig: Das ist einfach eine ganz normale Pasta mit Tomatensauce, aber mit einem Schuss Wodka, den man natürlich verkochen lassen soll. Aber das gibt dem Ganzen schon so einen gewissen Kick. Es ist leicht scharf, aber nicht so arg. Und ansonsten bin ich halt wirklich berüchtigt für meine Backwaren, zum Beispiel meine berühmten Brownies oder meine Chocolate Chip Cookies. Die soll ich oft mitbringen, wenn ich bei Freunden eingeladen bin. Das ist schon schön, wenn man mit einem bestimmten Gericht in Verbindung gebracht wird. Aber alles, was ich gern koche, ist in diesem Kochbuch drin. Und jetzt kann ich mich zurücklehnen, wenn meine Freunde zu mir sagen: „Ich hätte so gern, dass du mir wieder deine Pasta alla Wodka machst!“ Dann sage ich: „Hier ist das Kochbuch, Seite 36, mache sie dir selbst!“
Also das ist der wirkliche Grund, warum du ein Kochbuch geschrieben hast ... Genau (lacht)! Aber auch umgekehrt, damit ich auch einmal zu den Leuten sagen kann, sie sollen für mich kochen!
Apropos Bekochen: Dein Freund Dominik kocht ja sehr gut. Hast du auch von ihm viel gelernt? Und was hält er von deinen Kochkünsten? Er ist ein sehr intuitiver Koch. Er schaut in den Kühlschrank rein und weiß sofort, welche Zutaten zusammenpassen und ein gutes Gericht ergeben. Das habe ich nicht in mir, aber man kann es auf jeden Fall ein bisschen lernen. Im Kochbuch sind auch einige Rezepte drin, die aus seiner Familie stammen. Mein Freund hat das Kochen schon früh zuhause gelernt. Das war bei mir gar nicht der Fall. Aber ich glaube, meine Kochkünste hat er mittlerweile zu schätzen gelernt. Er verteidigt mich immer vor Freunden und sagt zu mir, dass ich eh voll gut kochen kann, es halt nur in der Küche ein bisschen hektisch zugeht.
Weißt du noch, was du Dominik das erste Mal gekocht hast? Ich habe Tintenfischpasta für ihn gemacht. Allerdings hatte ich da vergessen, dass er zu diesem Zeitpunkt Vegetarier war. Ich habe ihn also nicht nur gezwungen, Fisch zu essen, sondern auch noch Tinte. Ich glaube, da dachte er schon, dass ihm Böses blüht. Aber wir haben es dann eh ganz gut hingekriegt.
Geht bei euch Liebe durch den Magen? Ich finde schon. Wir lieben uns, also kochen wir füreinander. Natürlich gibt es Phasen, in denen wir beide voll viel zu tun haben und dann gehen wir mittags wohin essen. Aber dann ist es umso besonderer, wenn sich jemand von uns in die Küche stellt und kocht.
Es gibt zwei Arten von Köchinnen und Köchen: Die einen, die immer sofort alles wegräumen, damit ja kein Saustall in der Küche herrscht, sowie die, die erst einmal alles liegen und stehen lassen und erst nach dem Essen zusammenräumen. Zu welcher Sorte gehörst du?
Definitiv zur zweiten. Ich habe da eine ganz gute Abmachung mit meinem Freund: Wenn ich schon koche, dann räume ich nicht auch noch auf. Das muss er dann übernehmen. Entschuldigung, aber die Person, die sich bekochen lässt, muss dafür dann schon die Küche sauber machen! Dafür aber ist es sehr, sehr sauber in der Küche, wenn er kocht, er räumt immer gleich alles weg. Das ist praktisch, weil wenn ich danach aufräumen muss, habe ich nicht so viel zu tun wie er bei mir. Aber gut, das ist ja nicht mein Problem ... (lacht)
In deinem Podcast „Buchingers Tagebuch“ hast du mehrmals davon erzählt, dass du sehr oft essen gehst oder dir etwas zum Essen bestellst. Wann und wieso hat sich diese Gewohnheit zum Kochen gewandelt? Mir ist dieses ganze Bestellessen irgendwann ein bisschen zum Hals herausgehangen. Es ist ein dunkles Kapitel in meinem Leben, in dem ich mehrmals am Tag beim Lieferservice bestellt habe. Oft hat man dann nur die Wahl zwischen Pizza, Burger und vielleicht Curry. Und ich muss auch dazu sagen, mir gefällt es nicht, wohin sich die Lieferdienste entwickeln. Einerseits sind da natürlich die schlechten Arbeitsbedingungen, von denen man immer wieder hört. Andererseits muss man mittlerweile bis zu fünf Euro bezahlen, um das Essen überhaupt rechtzeitig zu bekommen und es im Idealfall auch noch warm ist. Essen zu bestellen wird dann natürlich zum teuren Kostenfaktor. Und dann schmeckt es meistens nicht einmal besonders gut. Außerdem stört es mich, dass ich bei bestelltem Essen nicht weiß, welche Zutaten wirklich drin sind. Ich habe zwar zum Glück keine Allergien oder sonstige Ernährungseinschränkungen, aber ich möchte halt auch nicht, dass das Essen in Öl schwimmt! Mir gefällt, dass man beim Kochen alles selbst in der Hand hat, ich kann Zutaten
auswechseln oder die Menge abändern.
Wie sieht es denn mit gesunder Ernährung bei dir aus? Ich versuche wirklich, mich überwiegend gesund zu ernähren, deswegen gibt es auch ein Fitness-Kapitel im Kochbuch. Ich bin aber schon der Meinung, dass wenn ich mich halbwegs gesund ernähre und regelmäßig meinen Sport mache, dann kann ich am Abend auch einen Wodka-Martini trinken oder Chips essen oder irgendwelche Brownies backen. Ich finde, das gehört zu einem ausbalancierten Leben dazu – und meine unterschiedliche Ernährung wollte ich auch im Kochbuch widerspiegeln. Der rote Rezeptfaden im Buch bin einfach ich.
In Anlehnung an deine berüchtigten
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Hass-Listen: Welche fünf Lebensmittel magst du überhaupt nicht? Ich bin eigentlich sehr unkompliziert in dieser Hinsicht. Ich habe eine Zeit lang keinen Koriander gemocht, aber auch das ist vorbei. Was ich nicht mag ist, wenn irgendwo Mayonnaise dabei ist, auch rohe Zwiebeln finde ich voll schwierig, weil ich keinen Mundgeruch haben will. Zu viel Knoblauch finde ich auch nicht gut. Knoblauchbrote in der Pizzeria sind aber geil! Also ich bin wirklich für sehr viel offen und auch sehr experimentierfreudig. Ich esse ja am liebsten so Dinge wie Hirn mit Nieren: Das bekommt man mittlerweile zwar selten, aber wenn, dann bestelle ich es immer.
„Golden Days” im renommierten Porgy & Bess im Mai war restlos ausverkauft. Nun dürfen wir die experimentelle
Die Zeit ist reif für Uche Yara. Mit furioser Bühnenpräsenz etablierte sich die österreichische Musikerin schnell als erstklassiger Live-Act. Derzeit arbeitet sie an ihrem Debütalbum. Wieder auf der Bühne stehen wird sie nächstes Jahr unter anderem beim Linzer LIDO SOUNDS. Ein Gespräch über unvorhersehbare Konzerte, die Songs in ihrem Kopf und den Kampf gegen musikalische Beliebigkeit.
Du bist vor zwei Jahren ganz plötzlich als Support Act von Bilderbuch aufgetaucht. Wo kommst du her? Ich komme ursprünglich aus dem Mühlviertel, Richtung Freistadt. 2021 habe ich am Pop Borg in Linz maturiert. Christoph Kregl, der Manager von Bilderbuch, hat auch diese Schule absolviert. Ein Lehrer hat meine Demos an Christoph weitergeleitet. Wir haben schnell entschieden, dass wir zusammenarbeiten wollen. Im Jahr nach der Matura bin ich nach Berlin gezogen und es ist losgegangen.
Was hat dich musikalisch geprägt? Ich war
zuerst in einer klassischen Bubble unterwegs und habe Schlagwerk in Kammermusikensembles gespielt. Mein Percussionlehrer Markus Lindner hat mir viel beigebracht. Meine Eltern lieben Musik, spielen aber keine Instrumente. Sie haben keinen Druck auf mich ausgeübt, dafür wurde ich mit guter Musik genährt. Mein Papa ist ein großer David Bowie-Fan und hört auch viel Psychedelic Rock.
Wann entstand das Bedürfnis, eigene Musik machen zu wollen? Das war schon früh da. Ich habe kleine Stücke für Marimba und Percussion komponiert. Das Songschreiben begann in der Schule mit ungefähr 16. Im ersten Lockdown habe ich dann richtig angefangen, mir hat Corona da ein bisschen in die Karten gespielt. Noch dazu konnte ich am Land immer laut sein und Schlagzeug spielen, wann ich wollte.
Wie verlief der Übergang vom Landleben zur Großstadt? Als ich im Herbst 2021 herkam, war wieder Lockdown. Dadurch hat
TEXT: SEBASTIAN FASTHUBER
Berlin geschlafen. Das hat den Clash abgemildert. Die Stadt ist erst im Frühling wieder aufgetaut. Ich hatte einen sanften Einstieg.
Du bist anfangs getourt, ohne vorab einen Song veröffentlicht zu haben. War das Absicht? Auf jeden Fall. Meine Musik ist nicht trendy, auf eine gewisse Art ist sie sogar sperrig. Die Tour mit Bilderbuch war eine super Chance, um mich mal live auszuprobieren. Die Leute waren zu der Zeit ausgehungert. Sie wollten wieder echte Personen auf Bühnen anschauen. Es hat sich richtig angefühlt.
Wie gewinnt man als Newcomerin ein Publikum? Das frage ich mich selber. Man kann nichts vorhersehen, jede Show ist anders. Teilweise springt der Funke sofort über. Manchmal ist es auch ein einsamer Kampf, man gibt so viel und bekommt fast nichts zurück. Aber bisher habe ich nie erlebt, dass das Publikum gar nicht aufgetaut ist. Es passiert immer früher oder später.
Du bist inzwischen auch international
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Uche Yara kommt aus Oberösterreich, lebt mittlerweile in Berlin. Sie debütierte 2023 mit ihrer Single „www she hot”, schoss 2024 ihre erste EP „Golden Days” nach und arbeitet aktuell an ihrem ersten vollen Album. Scheinbar nebenher spielte sie bereits auf so renommierten Festivals wie dem Eurosonic, Europavox, Ment, Popfest, Reeperbahn Festival, Poolbar und Impulstanz. Diesen Herbst spielt sie noch am Iceland Airwaves, bevor sie 2025 das LIDO SOUNDS bereichern wird.
schon sehr viel aufgetreten. Wie unterscheiden sich die Reaktionen? In London habe ich mir gedacht, da wird die Post abgehen, das Publikum waren aber eher zurückhaltend, fast schüchtern. Auf einem Festival in Frankreich war es überraschend wild. Das Wiener Publikum braucht erst einen kleinen Schubser, bis es mal loslässt. Aber grundsätzlich ist eine Bühne eine Bühne, egal ob in Tokio oder in Linz.
Du hast heuer deine erste EP „Golden Days“ veröffentlicht. Stimmt es, dass du beim Schreiben gleich den fertigen Song im Kopf hast? Ja. Am Anfang war ich voll verkrampft, weil ich mich so auf die erste Idee versteift habe. Jetzt habe ich mich locker gemacht und nehme gerne Umwege in Kauf. Da passieren wertvolle Dinge. Meistens klingt das Resultat aber schon sehr ähnlich, wie ich es mir zuerst gedacht habe.
Gerade bist du im Studio, um dein erstes Album aufzunehmen. Wo steht du? Noch ziemlich am Anfang. Ich bin gerade extrem auf der Suche nach dem richtigen Sound. Ich will eine radikale Kombination von Musik aus verschiedenen Ecken. Zum Beispiel: Elektronik von jetzt mit Neunziger Grunge.
Ich suche etwas, was man noch nicht gehört hat.
Der allmächtige Algorithmus wird das nicht mögen. Ich weiß. Dass ich so gerne Stile mische und nicht einzuordnen bin, ist zum einen keine bewusste Entscheidung. Ich strebe aber schon danach, nicht mit dem Trend zu gehen. Ich will kein Sternchen sein, das irgendwann verglüht, sondern eine nachhaltige Musikerin. Am Anfang habe ich mir ja gedacht, ich muss klingen wie Artist X oder Y. Aber es geht nicht darum, sich anzubiedern. Junge Artists sind sehr unsicher. Wenn einem jemand falsche Ratschläge erteilt, kann viel kaputt gemacht werden. Ich habe mit meinem Umfeld viel Glück. Das hat mich angespornt, einfach so weiterzumachen.
Besteht nicht die Gefahr, die Menschen durch Stilvielfalt und Vielseitigkeit zu überfordern? Voll. Mir haben schon öfter Leute gesagt, dass sie von meiner Show überfordert waren, weil sie nirgends reinpasst. Die wollen so dringend Schubladen. Als Musikhörerin will ich das ja auch. Aber als Musikerin kann ich es zumindest jetzt nicht bieten. Fürs Erste möchte ich mich in viele verschiedene
Der Wolkenschieber war Ende des 19. Jahrhunderts ein hochprozentiges Elixier, das nach einigen Gläschen Kummer und Sorgen vertrieben hat.
Treffender hätten In Extremo den Albumtitel für ihr 13. Studioalbum nicht wählen können.
Schon beim ersten Durchhören des Wolkenschiebers taucht man in die Welt der deutschen Rocker ein und lässt die Realität ein Stück weit außen vor.
Doch trotz allen Mittelalter昀airs schaffen es In Extremo immer wieder, sich auch aktuellen Themen zu widmen.
Nach all den Bandjahren ist allerdings eine Sache klar: Men-
Richtungen ausprobieren.
Was ist dein großes Ziel? Mich als Künstlerin zu etablieren. Es klingt komisch, aber die Bezeichnung Sängerin empfinde ich teilweise als beleidigend, weil auch die ganze Musik und die Produktion von mir stammen. Außerdem bin ich auch visuell sehr interessiert. Künstlerin ist ein schöner Oberbegriff.
Gibt es keinen Plan B? Nein. Für mich, meine Eltern und die Freunde war immer schon sonnenklar, dass es bei mir die Musik wird. Wenn ich es nicht jetzt professionell mache, dann nie. Zum Glück bekomme ich ganz viel Unterstützung. Weil ich so drinnen stecke, merke ich selber teilweise gar nicht, was für tolle Sachen mir in so kurzer Zeit passiert sind, wo ich bereits überall auftreten konnte. Aber ich nehme es nicht als selbstverständlich an und bin sehr dankbar.
n Uche Yara wird eines der Highlights kommendes Jahr am LIDO SOUNDS, das zwischen 27. und 29. Juni erneut am Linzer Urfahrmarkt über die Bühne geht, sein. Neben ihr sind bereits bestätigt: AnnenMayKantereit, Beatsteaks, Betterov, Mira Lu Kovacs und der Schmusechor.
schen, die bislang nichts mit In Extremo anfangen konnten, werden auch beim neuen Album etwas Zeit brauchen, um reinzukommen. Alle anderen dürfen sich aber ganz einfach freuen: In Extremo sind zurück!
Wir rocken gemeinsam: ROCK ANTENNE Österreich präsentiert In Extremo live am 07. Dezember im Wiener Gasometer.
Jetzt neu in Wien auf UKW 104,6 und landesweit über Web, App und DAB+
16. – 26. JAN. 2025
WIENER STADTHALLE
31. JAN. – 02. FEB. 2025
OLYMPIAHALLE INNSBRUCK
Live on stage:
Orange Skies • Ivery Zug nach Wien • NNOA The Makers • Matho & the Vienna Dancahall Orchestra
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LG aus der Vergangenheit! Wenn diese Kolumne erscheint, haben wir eine Regierung mit Rechtsextremen – oder dieses Armutszeugnis knapp vermieden.
Oder wir müssen weiter zittern: Die Nationalratswahl ist erst einige Wochen her, die Sondierung zwischen den Parteien laufen. Die bittere Erkenntnis, dass Österreich schon wieder nichts aus der Geschichte gelernt hat, ist aber noch ganz frisch. Dass das Kunstverständnis von Rechten oft bei volkstümlicher Kultur aufhört und ein Riesenproblem mit zeitgenössischer Kunst hat, macht es nicht besser. Kunst öffnet Räume, zeigt Perspektiven auf und bietet Alternativen an, ohne einfache Erklärungen zu liefern. Damit ist sie das Gegenteil von rechten Strategien, die auf Angstmache und ein vereinfachtes Weltbild angewiesen sind. Als sich der Wahlsieg der FPÖ abzeichnete, drückte die Kulturszene ihre
Besorgnis auf unterschiedliche Weise aus. Kay Voges zum Beispiel ließ sich dazu hinreißen, in NS-Uniform ein Video für den Song „Euerrrr Wille geschehe (Heim ins RRReich!)” zu drehen. Damit zeigte der Direktor des Volkstheaters, dass Kunst auch die Freiheit hat, schlecht zu sein. Die Filmemacherin Kurdwin Ayub dachte im ORF-Kulturmontag nach, warum die FPÖ gerade in ländlichen Gegenden reüssieren konnte: „Die haben nicht mal so viele Migrant*innen. Wovor haben sie Angst? Ich mach’ ja auch gute Sachen für Österreich.” Vielleicht, überlegte sie, müssen wir den FPÖWähler*innen klar machen, dass wir für unsere zeitgenössische Kultur international bewundert werden und sich niemand in der Vergangenheit
Die Kultur- und Musikbranche kennt Astrid Exner von der Plattenfirma bis zur Konzertlocation aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Sie war Kommunikationschefin im Kulturzentrum WUK, kuratierte Playlisten beim Majorlabel Sony Music und beobachtet die Szene als Jurymitglied verschiedener Preise und Förderprogramme.
Ihr Musikblog Walzerkönig war in den 2010er Jahren die erste Anlaufstelle für lokale Popmusik. Bis 2021 schrieb sie für The Gap die feministische Kolumne Gender Gap. Hier beschäftigt sich Astrid mit Diversität in all ihren Dimensionen.
verstecken muss. Tom Neuwirth alias Conchita Wurst schließlich brachte auf Instagram den Begriff der „radikalen Freundlichkeit” ins Spiel: Trotz allem zu verstehen, dass die Feindseligkeit von 29 % der Wähler*innen eigentlich ein Ausdruck von Angst ist. Und in jedem Gespräch unverbesserlich zu versuchen, dem Gegenüber diese Angst zu nehmen. Denn Freundlichkeit ist eine Kettenreaktion.
Die nächste Ausgabe erscheint am 4. Dezember.
Herausgeberin, Chefredakteurin: Mag. Roberta Scheifinger Chefredakteur & Chef vom Dienst: Stefan Baumgartner Anzeigen: Mag. Roberta Scheifinger Anzeigenproduktion: Susanne Franzl Redaktion: Stefan Baumgartner, Astrid Exner, Sebastian Fasthuber, Manuel Simbürger Fotos: siehe Copyright Cover: Barracuda Music Medieninhaber, Eigentümer, Redaktionsanschrift: CTS Eventim Austria GmbH, !ticket Eventmagazin, Mariahilfer Straße 41–43, 1060 Wien Designkonzept, grafische Produktion: SHE Wirtschaftsmedien-Beteiligungs GmbH, Mariahilfer Straße 88a/II/2a, 1070 Wien Artdirektion: Mag. Gottfried Halmschlager Druck: Walstead Leykam Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten Abonnements: !ticket Österreichs Eventmagazin Nr. 1 erscheint 10 x jährlich. Jahresabo Österreich: € 22,00, Jahresabo Europa: € 44,00. Kündigung jeweils acht Wochen vor Ablauf der Bezugsfrist nur
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