SLASH Filmfestival
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CAMERON MACKINTOSHS SPEKTAKULÄRE NEUPRODUKTION VON ANDREW LLOYD WEBBERS
DAS 15. SLASH FILMFESTIVAL
gastiert zwischen 19. und 29. September im Gartenbaukino, Filmcasino und Metro Kinokulturhaus
Bereits in seiner 15. Saison trägt das SLASH Filmfestival das Herz dorthin, wo die Außenseiter sind: Im breiten Spannungsfeld zwischen der diesjährigen Retrospektive über „Fake Truths” und B-Movies changiert Kurator Markus Keuschnigg erneut zwischen Grenzgängen. Ein Gespräch über Gratwanderungen und die Lust am Schauer.
Beginnen wir mit einem Filmzitat: „Was ist dein Lieblingshorrorfilm?“ Das ist schwierig zu sagen, ich habe immer Lieblingsfilme des Tages, des Monats oder des Jahres, zumal der Fantastische Film von der Horrorkomödie bis zum verstörenden Torture Porn auch ein breites Spektrum eröffnet. Aber natürlich gibt es schon prägende Klassiker. Wir haben kürzlich „The Shining“ präsentiert, einen Film, den ich sicherlich schon um die 25-mal gesehen habe und der mir immer noch Angst bereitet. Ich bin auch immer wieder überrascht, wie großartig er nach wie vor funktioniert und wie viel er noch immer mit aktuellen Strömungen zu tun hat, ich denke da etwa an das Gefühl des „Liminal Horrors“.
Dann gibt es aber auch „Freaks“ von Tod Browning, der jedes Jahr bei uns am Festival läuft und der mir aus emotionalen Gründen sehr viel bedeutet: Es geht hier um eine Bande an Außenseitern, die die Normgesellschaft bezwingen. Aber auch viele Filme, die Mitte der Neunziger rauskamen – wie etwa „Scream“ –, trage ich bis heute mit.
Die heurige Retrospektive dreht sich mit Filmen von „The Blairwitch Project“ bis „Cannibal Holocaust“ um „Fake Truths“, also gewissermaßen: „Märchen“. Für Kinder sind Märchen üblicherweise der Einstieg in die Welt der Schauergeschichten. Hat auch bei dir die Liebe zum Fantastischen mit dem Märchen gestartet? Ich komme nicht aus einem Haushalt, wo mir viele Märchen vorgelesen wurden, aber an „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler kann ich mich noch gut erinnern. Prägend war da eher für mich der „Pinocchio“Animationsfilm aus den Vierzigern: Da gibt es eine Szene, wo sich Pinocchio im Schattenspiel kurzzeitig in einen Esel verwandelt und ziemlich schaurige Geräusche ausstößt. Das war vermutlich mein erster „Horror-Moment“ – oder
auch der Stier in „Das letzte Einhorn“ und etwas später die Riesenspinne in „Auf der Suche nach dem Schatz der Könige“ von J. Lee Thompson. Dann kamen ganz klar Gateway-Filme wie „Gremlins“, die ich dann im Alter von 10 Jahren mitbekommen habe, weil ich dachte, die sind eh für Jugendliche geeignet.
Ich kann mich noch gut erinnern: Aus meiner Märchen-Liebe wurde bereits sehr früh eine – von meinen Eltern nicht goutierte – Liebe zu Stephen King, und vor der Altersfreigabe habe ich mich spätnachts, als meine Eltern schon schliefen, ins Wohnzimmer geschlichen, um mit 14 heimlich „Nightmare on Elm Street“ aufzuzeichnen. Bei dir gab es den Wechsel vom gedruckten Wort zum Film also nicht? Ich komme aus einem Arbeiterklassenhaushalt, da standen im Buchregal vielleicht fünf Bücher – eines davon war „Der Pate“ von Mario Puzo, der Rest waren Schwammerlbücher (lacht). Aber dafür gab es bei uns im Ort eine Videothek, bei der es am Samstag immer eine „3+1“-Aktion gab. Dort habe ich mich langsam vom Animations- über den Abenteuerfilm nach hinten vorgearbeitet, wo der berüchtigte Vorhang die Abteilung mit pornografischen Filmen abtrennte. Davor war in einer psychogeographischen Verortung der Horrorbereich mit vielleicht 100 Kassetten. Der Videothekar Werner war ziemlich laissez-faire und ließ mich auch schon mit 12 Filme wie „Freitag, der 13.“, „Sleepaway Camp“ und „Braindead“ ausborgen.
Du hast einmal davon erzählt, dass irgendwann für dich nicht mehr der Film, sondern die Reaktion der anderen im Freundeskreis im Vordergrund stand. Im Grunde warst du also bereits damals Kurator. (lacht) Das war damals aber noch viel unschuldiger und instinktiver
als heute. Man kennt das ja: Wenn man neue Sachen entdeckt, dann will man sie auch teilen. Aber ja, Filme, die ich besonders gut oder besonders gory fand, habe ich dann in meinem Kinderzimmer vorgeführt und vermehrt auf die Reaktionen geachtet, die sie bei meinen Freunden auslösen. Ich habe damals auch meine selbst aufgenommenen Videokassetten mit Kurzkritiken versehen – einige davon habe ich bis heute, das ist teilweise schon sehr cringe, was ich da geschrieben habe (lacht). Aber das zeigt, dass ich mich immer schon auch auf einer tieferen Ebene mit Filmen auseinandergesetzt habe, mich Filme schon immer mehr als andere beschäftigt haben. Ich habe damals auch einmal einen Brief an die deutsche Filmzeitschrift Cinema geschrieben und gefragt, was man denn eigentlich tun muss, um „irgendetwas mit Filmen“ zu machen – ohne zu wissen, was genau ich eigentlich machen will.
Vermisst du dementsprechend im Streaming-Zeitalter den Vibe von Videotheken? Ich hatte tatsächlich bis vor etwa fünf Jahren in meinem Heimatsbezirk Ottakring eine große Videothek, da habe ich das Ritual von früher wieder aufgegriffen. Ich bin also schon sehr geprägt von meiner Jugend und immer noch ein Freund von begrenztem Zugang, weil es das, was man wahrnimmt, zwangsweise aufwertet und zumindest ich mich dann viel bewusster mit den Filmen auseinandersetze. Es ist schon ein Gefühl einer Fallhöhe, einer Gefahr – und Gefahr hat für mich immer etwas Erotisches, etwas Aufregendes, etwas Sinnliches. Aber natürlich konsumiere ich heute auch Streaming-Dienste.
Das wäre dann doch ein interessantes Nebengeschäft für dich und das SLASHTeam: Neben dem Festival gibt es auch eine Videothek, in der man sich nebenbei mit Memorabilia und Fachliteratur
Cannibal Holocaust (1980)
Nach Veröffentlichung des auch heute noch schwerst verdaulichen Monumentalwerks wurde Regisseur Ruggero Deodato sowohl der Tötung von Menschen (zu Unrecht) als auch jener von Tieren (zu Recht) beschuldigt. Bis heute ist der Film in zig Ländern verboten, beim SLASH ist er samt Blut und Beuschel in voller Pracht im Rahmen der diesjährigen Retrospektive zu erleben.
eindecken kann – Sachen, die sich Fans oft mühsam aus dem Ausland selbst bestellen müssen. (lacht) Das ist in erster Linie eine Zeitfrage, wie auch die Idee, selbst ein kleines Kino zu übernehmen, die ich einmal hatte.
Aber zumindest bei dir zuhause wird es nach Videothek ausschauen. Ich habe keine so große Wohnung, aber mittlerweile doch so um die 2.300 Filme. Die sind natürlich alle so wie in einer Videothek nummeriert und katalogisiert, und ich kann in meiner eigenen Datenbank nach allen möglichen Kriterien filtern.
Nach was sind die Filme geordnet? Gar nicht, deswegen auch die Nummern. Das Umschlichten, wenn man sich einen neuen Film kauft, wäre mir zu mühsam. Außerdem war immer genau die Frage: Nach was ordnet man die Filme? Nach Regisseur? Darsteller? Genre? Aber ja, ich kaufe nach wie vor viele Trägermedien, einerseits weil ich gerne sammle, aber auch weil ich ein großer Freund davon bin zu wissen, dass ich etwas auch wirklich besitze und ich nicht davon abhängig bin, dass auf irgendeinem Streaming-Anbieter Rechte auslaufen. Die
Vielfalt im Streaming ist ohnehin nur eine scheinbare – das ist mir zuletzt erst wieder bei „Martyrs“ von Pascal Laugier aufgefallen. Ja, das ist ein großartiger Film, aber es werden immer dieselben 10 wichtigsten und besten Horrorfilme genannt, der Kanon verengt sich – dabei gibt es noch so viel mehr da draußen!
Das SLASH als Festival des fantastischen Films deckt auch genau die horrende Genre-Bandbreite ab: Vom Slasher bis hin zur Fantasy. Was mir als Literaturwissenschaftler jedoch auffällt: Als Kinder haben wir fantastische Geschichten noch geliebt, im Zuge des Erwachsenwerdens verlieren wir oft das Interesse an Fantasy, das klingt dann plötzlich nach kindischem Kitsch. Ich glaube, das hat viel mit Unschuld zu tun. Ich kenne kaum zynische Kinder, aber sehr viele zynische Erwachsene, die sich an der Welt abgerieben haben und Auswürfe, die vielfältig und bunt sind und vielleicht von einer idealtypischen Welt mit „Gut“ und „Böse“ ausgehen, einfach ablehnen. Das hat viel mit Romantik zu tun. Und Romantik ist ja auch ein bisschen eine Weltsicht, nicht nur ein ästhetisches Prinzip. Ich würde mich privat
jetzt auch nicht als einen Romantiker bezeichnen, aber ich lasse mich trotzdem gern auf diese auch mal kitschigen Welten ein. Es hat vielleicht auch etwas mit der Idee des Staunens zu tun, die mit dem Erwachsenwerden immer weniger wird. Ich suche immer wieder nach dem Moment des Staunens.
Zahlreiche künstlerisch anspruchsvolle Festivals – egal ob in der Musik, oder im Kino – tragen ein „Festivalmotto“. Bei euch trägt das Sujet gewissermaßen ein Motto, zudem gibt es die zuvor angesprochene thematische Retrospektive. Wozu braucht es ein Motto, ein Thema? Es passiert immer wieder, dass Elias Fleischer, der unsere Illustrationen macht, Themen aufreißt, die am Festival so nicht wirklich abgebildet werden. Aber unsere Retrospektive ist ein zusätzliches Angebot, das wir unserem Publikum stellen – ein Luxus, den auch übrigens nicht alle Festivals des Genrefilms haben, weil damit klarerweise viel mehr Arbeit und viel mehr Kosten verbunden sind, während sich das Publikum oft dann im Zweifelsfall doch lieber einen neuen, aktuellen Film anschaut. Wiewohl: Unsere Retrospektiven laufen
gut, und ich bin unserem Publikum sehr dankbar, dass sie das annehmen. Ich bin kein Erzieher, aber mir ist mit 43 Jahren schon aufgefallen, dass immer wieder junge Leute nachkommen, die zwar schon Fan des Genres sind, aber gewisse Klassiker wie zum Beispiel „Hellraiser“ nicht kennen. Heuer ist es zum Beispiel „[Rec]“, der nun auch schon 15 Jahre am Buckel hat und unser jüngeres Publikum vielleicht nicht kennt, jedenfalls aber nicht im Kino gesehen haben wird. Dieser Anspruch von mir kommt vielleicht auch aus meiner eigenen Sozialisation mit Kino insgesamt: Wie ich mit 20 von Tirol nach Wien kam, bin ich gewissermaßen die ersten fünf Jahre im Filmmuseum aufgewachsen. Ich war Student – ganz klassisch Publizistik und Theaterwissenschaften – und hatte entsprechend viel Zeit (lacht). Plötzlich gab es eine Unmenge an Filmkultur, viele Klassiker, die ich aufsaugen konnte – und das prägt. Deswegen ist mir die Retrospektive so wichtig, zu sagen, man beleuchtet ein gewisses SubGenre und macht es auf, gibt Menschen die Möglichkeit, einzutauchen.
Gibt es dahingehend auch Überlegungen, entweder im Rahmen des SLASH oder davon losgelöst, tatsächlich einmal die wichtigsten Genre-Filme zu zeigen? Oder ganze Serien, wie etwa eben „Frei-
tag, der 13.“ oder „Nightmare on Elm Street“? Wir zeigen schon immer wieder auch Klassiker, aber gerade in Wien hat sich die Kinokultur über die Jahre hinweg stark verändert. Gerade das Filmcasino, das Burgkino oder auch im Rahmen der „Nachtblende“ im Gartenbaukino werden immer wieder viele Klassiker gezeigt. Das Angebot dahingehend ist hier schon so groß, dass ich für uns nicht wirklich den Bedarf sehe. Bei unserer Retrospektive setzen wir auf 35mm-Filme, was schon etwas Besonderes ist und recherchieren thematisch tief und zeigen so auch Filme, die beim Gros oft unterm Radar sind. So können wir dann sogar abgebrühte Horrorfans auch noch überraschen (lacht). Aber genau für solche Ansätze werden wir auch gefördert.
Wieso haben wir eigentlich so ein starkes Bedürfnis nach Grusel und Schauer? Angst ist natürlich eine Primäremotion, eine ganz starke Emotion – so wie das Lachen. Wie auch im Geisterhaus oder in der Geisterbahn spielt die Angstlust auch beim Fantastischen Film eine große Rolle, und gerade für jüngere Menschen ist das dann auch mal eine Mutprobe, da zelebriert man das dann im Freundeskreis so richtig. Aber ich habe mir oft auch die Frage gestellt, warum es nachweislich so ist, dass die fantastischen Gen-
Handling the Undead (2024)
Das Horrordrama von Thea Hvistendhal basiert auf dem Roman „So ruhet in Frieden” des schwedischen Schriftstellers John Ajvide Lindqvist und erzählt, wie an einem heißen Sommertag in Oslo plötzlich die frisch Verstorbenen erwachen.
res viele Menschen anziehen, die insbesondere in der Kindheit und Jugend nicht auf der Sonnenseite des Lebens standen: Ich denke da an Vereinzelung und Bulling, von Kindern, die dick waren und gehänselt wurden, die irgendeiner Form der Minderheit angehört haben oder die man generell einfach ein bisschen freaky fand. Ich glaube, das spielt eine große Rolle, weil man da mit sehr vielen sozialen Ängsten hantieren muss. Bei mir war es dann so, dass mir Horrorfilme die Möglichkeit gaben, solche Ängste in einem sicheren Umfeld durchzuspielen und Strategien zu überlegen. Gleichzeitig haben sie mich in eine Form imaginäre Community entführt, weil ich gemerkt habe, dass etwa im Slasher meistens die AußenseiterInnen überleben. Das hat mir dann sehr geholfen.
Superlative sind in einer Welt des Überangebots das Non-plus-Ultra. Inwieweit unterwirfst auch du dich einer gewissen Überbietungslogik, musst von Jahr zu Jahr noch schauriger, noch brutaler, noch verstörender werden? Natürlich bin auch ich ein altes Showpferd und freue mich, wenn ich unser Publikum besonders erschrecken oder begeistern kann, aber bewusst wende ich so eine Maximierungslogik nicht an. Das würde in der Form auch gar nicht funktionieren,
Chainsaws Were Singing (2024)
Das Horror-Comedy-Musical des estnischen Regisseurs Sander Maran wird beschrieben als Mischung aus Monty Python, „The Texas Chainsaw Massacre” und „Les Misérables”. Über ein Jahrzehnt hat Maran an diesem Meisterwerk gearbeitet, in dem sich ein KettensägenMörder an einem Liebespaar vergeht. Autsch.
weil das SLASH auch ein Barometer für das internationale Genrekino ist und den Strömungen mit zahlreichen Variablen und Parametern unterliegt – etwa, wann welche Filme rauskommen, ob sie für einen gewissen Markt freigegeben werden, ob sie für Festivals freigegeben werden und ob wir sie dann auch wirklich bekommen. Das ist von Jahr zu Jahr immer sehr diffizil und verschieden, das SLASH muss demnach immer sehr beweglich bleiben. Wenn es unser Anspruch ist, die 50 besten Filme des Jahres zu zeigen, dann unterliegt das der Schwankung der Filmlandschaft – und da gibt es dann auch Jahre, wo man von einer bestimmten Erzählhaltung viel zu wenig hat, in den letzten Jahren etwa von B-Movies. Da hatten wir große Probleme, typische Nachtfilme zu finden, weil alles so elevated, langsam und „anstrengend“ war. Heuer ist genau das Gegenteil der Fall, heuer ist das Programm voll mit Filmen, die mich mit ihren Monstern, dem Blut und dem Gore an die Zeit erinnern, in der ich mich damals in das Genre verliebt habe. Aber nächstes Jahr kann es schon wieder ganz anders sein.
Du hast einmal gesagt, es sei jede Saison
dein Ziel, möglichst viele Leute „zu befriedigen und zu beleidigen“. Was davon überwiegt? (lacht) Das sollte sich die Waage halten. Ich sage auch immer, wenn ich jemanden treffe, der sich eine Vielzahl an Filmen am SLASH angeschaut hat und alle großartig fand, dann habe ich etwas falsch gemacht. Mein Zugang verlangt nämlich nach Zugängen und nicht nach dem einen Zugang, das SLASH ist jetzt auch keine Schau, von der alle Filme meine persönlichen Lieblingsfilme sind, sondern es gibt auch Filme im Programm, die ich zwar in ihrer Wertigkeit einordnen kann, die ich mir aber selbst kein zweites Mal anschauen würde. Das SLASH zeigt, was im Genre aktuell gerade so passiert – von dem her sollte es auch nie etwas Geschmäcklerisches haben. Die Fantastik ist vom Avantgarde Porn bis hin zur tiefergelegten Slasherkomödie so breit, dass darin jede:r etwas finden kann. Aber die Beleidigung ist mir tatsächlich sehr wichtig, weil ich finde, dass Menschen auch durchaus empört sein dürfen – insbesondere, wenn man sich in einem Bereich bewegt, der mit Provokationen, mit Unzumutbarem hantiert. Deswegen fände ich es ganz schrecklich, wenn jeder jeden Film mit „gut“ abstempeln würde. Ich
wähle auch immer wieder gerne Filme aus, wo ich merke, die sind besonders und eigen, gute Filme interessieren mich nicht, „gut“ ist so ein bürgerliches Kriterium – das ist die kleine Schwester von „Scheiße“.
Nachdem das SLASH durchaus auch sozialkritisch und Teil eines zeitgenössischen Diskurses ist: Wie schwierig ist dann die Gratwanderung zwischen Film-Strukturen, die dem widersprechen? Diese Gratwanderung hat sich in den letzten fünf Jahren sicherlich intensiviert. Ich gehe aber einmal davon aus, dass Menschen, die zu uns kommen, einschätzen können, was sie sich zumuten möchten. Gewisse Rollenbilder zum Beispiel muss man natürlich auch historisch kontextualisieren – bei einem zeitgenössischen Film würde ich vielleicht zweimal überlegen, ob man den dann zeigt, wenn sie nicht auch gebrochen werden. Aber in Filmen liegt auch eine gewisse Unschuld, ich würde einen Film nicht nicht auswählen, weil darin eine barbusige Blondine von einem Axtmörder durch den Wald gejagt wird. Es kommt immer darauf an, was der Film insgesamt erzählt. Wenn ich merke, dass da der Regisseur
tatsächlich als Person Werte propagiert, die wir nicht gut finden, muss man das natürlich hinterfragen – oder eben in einen Diskurs stellen.
Aber du trennst zwischen Künstler und seinem Werk? Ja. Jeder gute Filmemacher kann ein schlechter Mensch sein. Natürlich gibt es Extrembeispiele – etwa, ob man Victor Salva noch groß featuren sollte, der ja mehrfach wegen pädophilen Handlungen verurteilt wurde. Aber sein „Jeepers Creepers“ ist immer noch ein großartiger Film. Das ist natürlich dünnes Eis, das ist mir schon bewusst, aber ich bin definitiv gegen die Schere im Kopf, die viele andere in einer Programmierung ansetzen. Ja, wir sind sensibilisiert, aber wir verfolgen keine Quote.
Und von außen? Es gibt natürlich auf Social Media hie und da Rückmeldungen von Menschen, die sich an der einen oder anderen Darstellung stoßen, und das wird von uns auch durchaus ernst genommen. Aber das soll ja auch so sein, dass über Themen gesprochen und diskutiert wird, das kann ich auch als Kurator aushalten und vor allem auch nachempfinden. Meine Daumenregel ist: Auf jeden „woken“ Film, will ich zumindest einen reaktionären im Programm haben, einfach, um da auch eine Vielfalt darzustellen. Ich glaube, es tut Menschen von der einen wie auch anderen ideologischen Seite gut, auch die andere Seite kennenzulernen und aufeinander zuzugehen. Ich bin kein Fan davon, mein Publikum wie Weidevieh abzufüttern, Filme einfach in den Trog zu hauen – sondern auch und gerade Fankulturen herauszufordern. Fankulturen dampfen nur zu gern im eigenen Sud vor sich hin, das ist beinahe schon toxisch.
Bei was kriegst du, nach abertausenden Filmen, überhaupt noch eine Gänsehaut? Bei mir ist es vorwiegend psycho-
logischer, verstörender Horror. Kopfabschneiden hingegen finde ich lustig.
Mir kommt vor, dass Serien oder Mini-Serien auf Streaming-Diensten im Vormarsch sind. Beim SLASH sind dieses Jahr auch drei Folgen einer Serie zu sehen: „Love Sucks“. Sind Serien der neue Film? Ganz klar: Nein. Das wird auch kein regelmäßiger Teil vom SLASH sein – wenn es sich anbietet, ja. Bei „Love Sucks“ wollte ich einfach den österreichischen Filmemacher Andreas Prochaska, der die Serie für den ZDF verantwortet und von dem wir auch „In 3 Tagen bist du tot 2“ zeigen, ein bisschen vor den Vorhang holen, weil er selten erwähnt wird, wenn man über österreichischen Genrefilm redet.
In der Musiklandschaft, in der ich mich ja primär bewege, sind zwei Kriterien omnipräsent und immer wieder ein Quoten-Thema: Die Herkunft und das Geschlecht von künstlerisch agierenden Personen. Wie wichtig sind diese Themen am SLASH? Wir sind da sicherlich sensibilisiert, stärker als noch am Anfang vom Festival. Aber: ein guter Film ist ein guter Film ist ein guter Film. Ich würde jetzt nicht zwanghaft einen Film aus einem Land wählen oder suchen, nur weil man aus dem Land noch nichts hat. Das gleiche gilt etwa für Geschlechter oder Hautfarben. Natürlich ist das schon ein Punkt, über den man nachdenkt und der eine gewisse Relevanz hat, auch für mich – ich recherchiere dann schon auch ganz bewusst, ob es zum Beispiel Filme vom afrikanischen Kontinent oder von Frauen gibt. Aber wo nichts da ist, ist nichts da – auf Biegen und Brechen geben wir nichts in unser Programm rein. Wir sind dafür da, die unserer professionellen Meinung nach besten Filme des fantastischen Genres auszustellen. Wir sind nicht dafür da, ein Idealbild einer Welt zu reproduzieren, der wir uns verpflichtet fühlen.
Man kann organische Entwicklungen nicht herbeierzählen, das halte ich für widersinnig und obszön – auch wenn ich eine immer stärker werdende Diversität begrüßen würde. Kunst ist bürokratischen Prozessen gegenüber sakrosankt. Ich nehme Filme vorwiegend emotional, als Mensch wahr, nicht als Zahlenschieber. Quoten werden nie und nimmer das Zünglein an der Waage sein.
Was mir in meinem Filmgeschmack auffällt: Überwiegend kamen die Highlights der letzten Jahre für mich aus dem Norden – zuletzt etwa „Speak No Evil“, dieses Jahr mit „Handling the Undead“. Was hat die nordische Erzählweise an sich? Es gibt natürlich auch dort verschiedene Strömungen, aber ich finde, man hat es dort mit einer sehr klassischseriösen Herangehensweise an das Genre zu tun. Man merkt, es ist kein kommerzielles Produkt, sondern es ist unterspült von Traditionen. Was ist es denn bei dir?
Ich würde es auf eine vergleichsweise langsame, sich steigernde Erzählweise und ein grieselig-dunkles Farbspiel zurückführen. Ich verstehe, was du meinst. Ich glaube, man kann da „Låt den rätte komma in“ von Tomas Alfredson, das auf einem Roman von John Ajvide Lindqvist basiert und der auch die Vorlage für „Handling the Undead“ geliefert hat, gut als Blaupause hernehmen. Mit dem Naturlicht wird dort ganz anders als sonst wo operiert, weil sich die Welt für die, die dort leben, auch tatsächlich so darstellt. Das ist dann für uns südlicher lebende Menschen auch ungewohnt, anders. Und auch bei der bedrohlich langsamen Erzählgeschwindigkeit stimme ich dir durchaus zu.
Dankenswerterweise zeigt ihr ja oft Filme im Original untertitelt. Natürlich sind englischsprachige Filme breitenwirksam verständlicher, aber gibt es in
deinen Augen Sprachen, die für unsere Ohren von Haus aus unheimlich wirken? Das ist eine gute Frage. Ich würde behaupten, dass sehr alte Sprachen – zum Beispiel Walisisch oder Gälisch wie etwa in „Fréwaka“ von Aislinn Clarke, den wir heuer im Programm haben – einen Film noch beunruhigender machen können, gerade wenn sie thematisch mit Folk Horror verknüpft sind. Ähnlich beunruhigend wirken sicherlich auch Sprachen, die mit unserer Sprachfamilie genau gar nichts gemein und eine andere Intonation, eine andere Rhythmik haben. Aber ich würde jetzt keiner Sprache per se eine unheimliche Potenz zuschreiben wollen (lacht)
Mit „Maldoror“ und „Else“ haben wir diesmal zwei Filme am SLASH, die Schwarz-Weiß-Elemente zeigen. Wie wirkt dieser Filter auf unser Empfinden? Schwarz-Weiß ist schon sehr schwierig, ordentlich zu machen. Weil einerseits schließt man sofort auf etwas Klassisches, gleichzeitig hat das Genrekino ohnehin schon eine Abstraktionsebene eingebaut, die stärker als bei einem naturalistischrealistischen Film ist. Natürlich gibt es auch in Farbe Verfremdungseffekte, aber mit Schwarz-Weiß noch eine weitere Ebene einzuziehen, das ist schon eine Ansage, das muss profund funktionieren. Ja, das
Spiel mit Hell und Dunkel und mit Schatten ist eine hervorragende Spielwiese, gleichzeitig kann aber Schwarz-Weiß auch wegen zahlreicher Kunstfilme ganz schnell etwas Prätentiöses haben, eine Form der Übererzählung – so in der Art: „Ich bin Kunst, nimm mich ernst.“ Da muss man sehr vorsichtig sein, das kann für oder gegen die Erzählung arbeiten.
Im März präsentiertet ihr mit „Des Teufels Bad“ einen der großartigsten österreichischen Filme der vergangenen Jahre – ein Film, der unser Beitrag für die Oscars werden soll. Wie rechnest du dir die Chancen aus? (lacht) Nachdem ich selbst ein bisschen involviert war, bin ich natürlich voreingenommen und hoffe, dass er in die Endrunde kommt. Die Härte und Ungnädigkeit des Films könnte bei den JurorInnen der Academy aber auch auf Unverständnis treffen, wiewohl: Die Academy hat sich verjüngt und internationalisiert. Insofern hängt es wohl davon ab, wie bewusst sich die Academy auf den Film einlässt; seine Erzählhaltung und seine künstlerische Gestaltung sind ja unbestreitbar großartig, er kann also durchaus mithalten mit dem, was andere Länder so einreichen. Nur ist es oft so, dass nicht immer auch die künstlerisch interessantesten Filme in der Endrunde landen (lacht). Auch, ob es für eine eu-
ropäische Produktion, die mit so einer Härte und Hoffnungslosigkeit agiert, im Kontext der Oscars für die finale Runde reicht, das traue ich mir nicht zu sagen.
Die Bestattung Himmelblau ist langjähriger Partner vom SLASH Filmfestival: Wenn du all die berühmten Tode, die beim SLASH gezeigt wurden, Revue passieren lässt – welcher wäre dein persönlicher Traumtod? (lacht) Viele kann ich ausschließen: Ich möchte nicht 30mal mit einem Messer erstochen werden, eine Axt in den Rücken bekommen, gehäutet, ersoffen oder bei lebendigem Leib verbrannt werden. Aber Köpfen stelle ich mir vergleichsweise ganz okay vor, ich denke da etwa an „Freitag, der 13.“, wenn Jason Voorhees’ Mutter geköpft wird und ihr Schädel durch die Gegend fliegt.
Was soll dann auf deinem Grabstein stehen? „He was always underground.“
Um ein Zitat aus dem diesjährigen Film „Crimson Snout“ zu bemühen: „Death is not an ending.“ Wahr oder falsch? Da machst du zum Abschluss noch ein großes Ding auf (lacht): Ich fürchte ja, ich hoffe nein.
n Alle Informationen und Tickets auf: slashfilmfestival.com
Natürlich verbindet man mit unserer Marke oeticket in aller erster Linie die großen Festivals und Stadionshows, die alljährlich mehrere Tausend Menschen glücklich machen. Doch hinter oeticket steckt noch viel mehr, wie etwa auch die neue, hauseigene Plattform klassikticket.at beweist: nämlich niederschwellige, übergreifende Kulturvermittlung. Nachdem zum kulturellen Treiben Österreichs jedoch freilich nicht nur Konzerte, Kleinkunst, Hochkultur, Musicals, Shows und Sportevents zählen, sondern auch unsere lebhafte Kinokultur, freut es mich, dass CTS EVENTIM Austria die Gelegenheit bekam, das renommierte Kinomagazin SKIP wiederzubeleben und nun auch unsere Begeisterung nicht nur von der Bühne aufs Papier, sondern auch von der Leinwand aufs Papier holen zu dürfen. Wie auch im Live-Entertainment ist es uns auch hier wichtig, nicht nur internationale Größen zu featuren, sondern insbesondere auch heimische Projekte: Es ist also nur würdig, dass wir den SKIPNeustart gemeinsam mit dem nicht minder renommierten SLASH Filmfestival begehen, das mit einem spannenden Programm nun in seine 15. Saison startet. SKIP wird fortan anlassbezogen erscheinen und über den österreichischen Film wie auch den Hollywood Blockbuster berichten. Auch wenn Lichtspielhäuser schon lange kein Wunder der Technik mehr sind, Kinos entführen uns nach wie vor in wundervolle, bereichernde, spannende Parallelwelten. Ganz gleich ob Bühne oder Kinosaal, ich halte es mit Karl Farkas: „Schau‘n Sie sich das an!“ Sie haben nur die Qual der Wahl, bei denen wir Ihnen gerne hilfreich und informativ mit einer geteilten Begeisterung zur Seite stehen.
Christoph Klingler, CEO oeticket / CTS EVENTIM Austria
Ein ähnliches popkulturelles Phänomen wie „Barbenheimer” im Vorjahr spielt es heuer freilich nicht, erfreulich sind aber die neben den üblichen Sequels und MCU-Erweiterungen die teilweise sehr mutigen und originellen Filme, die manchmal auch leider etwas unter dem Radar bleiben. Zum Beispiel „Monkey Man“ von und mit Dev Patel, der dem Einzelkämpfer-Actionfilm abseits von John Wick frisches Leben einhaucht. Ganz anders gepolt ist der wunderbar schräge Retro-Thriller „Love Lies Bleeding“ mit der erneut sehr wandelbaren Kristen Stewart in der Hauptrolle, flankiert von der beeindruckenden Physis der im Kinogeschäft noch recht frischen Katy O’Brian. Die lesbische Romanze gepaart mit klassischen Thrillerelementen (ganz groß in einer Nebenrolle: Ed Harris) im 80er-Vibe vermag dabei nicht nur durch intensives Schauspiel, sondern auch den einen oder anderen abstrakten Plot-Twist überzeugen. Für einen Oscar wahrscheinlich zu left field, aber wer weiß.
Ebenso das auf einer wahren Story beruhende Drama „The Iron Claw“, das sich um die ebenso erfolgreiche wie tragische Familiengeschichte der Von Erichs dreht, einer legendären Wrestling-Dynastie. Hier zeigt Zac Efron neben seinen Muckis auch erstaunlichen mimischen Tiefgang, umgekehrt überrascht der Schauspiel-Shootingstar Jeremy Allen White („The Bear“) mit ordentlich aufgepumptem Body. Abgerundet durch solide Leistungen von Lily James und Holt McCallany wahrscheinlich neben „The Wrestler“ der beste Genrefilm überhaupt. Goldmännchen? Ein, zwei Nominierungen liegen durchaus in der Luft. Ebenso kann sich „Challengers“ durchaus realistische Chancen auf einen größeren Filmpreis ausrechnen. Der Film dreht sich um eine äußerst komplizierte Dreiecksbeziehung, die in der Jungpro-
fi-Tennisszene der Nullerjahre angesiedelt ist. Im Mittelpunkt steht sowohl in dieser Beziehung als auch punkto Leinwandpräsenz einmal mehr die faszinierende Zendaya, die hier in der Rolle der manipulativen Tashi Duncan erneut alle Register nicht nur ihrer Schönheit, sondern vielseitigen Talente zieht. Regisseur Luca Guadagnino ist hier nach „Call me by your Name“ und „Bones and All” erneut ein Kleinod gelungen, das gekonnt mit queerer Ambivalenz spielt. Sehenswert! Aber auch das klassische Fach Rom-Com ist nicht totzukriegen. Der angesagte Heartthrob Glen Powell darf heuer gleich zweimal den Galan geben, zum einen im netten, aber konventionellen „Anyone but you“, zum anderen in der schwarzen Komödie „Hit Man“, wo er unter der Anleitung des famosen Richard Linklater nicht nur die Rolle des vermeintlichen Killers, eigentlich Polizeispitzels Gary Johnson (wahre Geschichte!) spielt, sondern auch am Drehbuch mitwirkte. Höchst unterhaltsam, speziell die dutzenden Typveränderungen von Glen Powell sind ein Highlight für sich. Apropos Spaß. Natürlich sind Animationsfilme auch heuer wieder eine fixe Größe. Vor allem die Mighty Mouse meldet sich nach einer langen Durststrecke an äußerst mediokren Filmen eindrucksvoll zurück. Währen „Moana 2“ noch in den Startlöchern für das Weihnachtsgeschäft steht (siehe Folgeseiten), ist Disney mit „Inside Out 2“ nicht nur eine fabelhafte Fortsetzung des wertvollen Animationsfilms von 2015, sondern auch ein beeindruckender Box-Office-Erfolg gelungen. Obwohl Konkurrent Dreamworks mit „Kung Fu Panda 4“ und Illumination mit „Despicable Me 4“ grundsolide Sequels ihrer Erfolgstitel produziert haben, wird der Animations-Oscar dieses Jahr wohl ziemlich sicher bei Disney landen. Selbige konnten heuer im schon länger
totgesagten Superhelden-Genre, konkret dem MCU, doch noch ein kräftiges Lebenszeichen setzen. „Deadpool & Wolverine“ ist ein humorvolles und dynamisches Spektakel, dessen Erfolg aber weniger dem Genre an sich, sondern vor allem der Chemie beziehungsweise innigen Freundschaft von Hugh Jackman und Ryan Reynolds geschuldet ist, noch mehr auch der immensen Leidenschaft von letzterem für diesen schrägsten aller Superhelden. Bubblegum-Kino vom Allerfeinsten, das auch mit zig Referenzen, Cameos und Running Gags die Herzen von Filmfreunden hebt. Für Preise sicher zu weit weg von jeder Jury, dennoch eines der Highlights heuer.
Solcherart Highlights wurden uns für heuer auch weitere angekündigt, jedoch blieben einige hinter den Erwartungen zurück. Die Fortsetzung „Axel F“ auf Basis der „Beverly Hills Cop“-Trilogie etwa, „The Fall Guy“ nach der beliebten Serie der Achtziger oder aber auch der vierte Teil von „Bad Boys“. Alles Sequels, die trotz liebenswerter (Original)Besetzungen und durchwegs starker Schlussakte einfach nicht zünden. Detto der erneute Aufguss der „Ghostbusters“-Filmreihe mit „Frozen Empire“, der nach dem akzeptablen „Afterlife“ leider doch in der Irrelevanz landet. Schade. Das muss nicht sein: mit dem mittlerweile vierten Teil des „Planet of the Apes“-Reboots gelingt ein gleichbleibend hohes Qualitätsniveau, schon eine Leistung für sich. Was aber am meisten verblüfft ist die mittlerweile nahezu perfekte CGI, mit der Affen und Worldbuilding zum Leben erweckt werden. Ein klarer Anwärter auf einen Special-Effects-Oscar! Auch das Prequel der „A Quiet Place“-Reihe mit dem bezeichnenden Namen „Day One“ weiß zu überzeugen. Man hält sich nicht mit dem warum und woher der Aliens auf, sondern widmet sich dem grauenhaften Beginn der Invasion aus Sicht eines
Das Kinojahr 2024
Alien: Romulus ist zwar der bereits siebte Teil der Alien-Reihe, spielt aber zwischen den Filmen „Alien” und „Aliens”. „Romulus” würdigt seine alptraumhaften Vorgänger definitiv, bringt aber auch frisches Säuren-Blut in eines der größten Horror-Franchises ...
Für Cineasten war das Filmjahr 2024 bisher recht ergiebig. Von großen IMAX-Spektakeln über kleines, feines Autorenkino bis hin zur Streaming-Mattscheibe daheim gab es da schon einige Schmankerl. Ein kleiner Überblick über die ersten beiden Drittel des Jahres, unsere möglichen OSCAR-Kandidaten inklusive.
TEXT: MARKUS HÖLLER
zufällig zusammengewürfelten Pärchens. Vielleicht nicht exakt das, was sich Fans der ersten beiden Filme gewünscht haben, aber dennoch ein spannender und hochemotionaler Horror-Thriller mit soliden Schauspielleistungen. Ein Horror-Thriller der besonderen Art ist natürlich „Alien: Romulus“. Der lange erwartete Teil der Saga, in der Handlung zwischen den ersten beiden Filmen angesiedelt, setzt auf einen Mix aus frischen Gesichtern, authentischem Setdesign und traditionellem Splatter. Fans und Filmgeeks können sich in diesem Teil an allerlei fast 1:1 umgesetzten Zitaten, jeder Menge Fanservice und dem einen oder anderen unerwarteten Wiedersehen delektieren, die fast unvermeidbaren Logikfehler nimmt man dafür gerne in Kauf – weniger gerne aber die im Vergleich zu den exzellenten practical effects oft halbherzige CGI. Unterm Strich aber ein gelungenes Comeback der Xenomorphen.
Und auch der Western feiert wieder ein Comeback, mit zwei echten Kapazundern im Regie- – wait for it! – Sattel. Zum
einen Kevin Costner, der hier seinen ersten klassischen Western seit 20 Jahren abliefert, und zwar in Form von „Horizon: An American Saga – Chapter 1“, der eh schon überlang noch drei (!) Fortsetzungen finden soll. Und zum anderen „The Dead Don’t Hurt“, die zweite Regiearbeit von Alleskönner Viggo Mortensen, in der er wie in „Falling“ erneut auch spielt, produziert, schreibt und die Musik komponierte. Beides epische Werke, die auch einem Eastwood ein wohlwollendes Grummeln entlocken würden.
Die beiden größten Knüller des Jahres bis jetzt sind aber bezeichnenderweise auch die, die unbedingt einen IMAXSaal erfordern. Die Vorgeschichte zum Megaspektakel „Mad Max: Fury Road“ namens „Furiosa: A Mad Max Saga“ von Altmeister George Miller dreht sich um die supertoughe, einarmige Furiosa, ursprünglich verkörpert von Charlize Theron. Ihre junge Version wird von Anya Taylor-Joy gespielt, und die sonst so elfenhafte Schauspielerin gibt sich in der Rolle der beinharten Actionheldin
keine Blöße. Auch wenn dieses Prequel nicht mit der rastlosen Wucht von „Fury Road“ mithalten kann, bleibt das filmische Erbe der legendären australischen Filmreihe gewahrt, nicht zuletzt auch durch die Spielfreude und den authentischen Akzent von Chris Hemsworth, hier einmal in der Rolle des Antagonisten. Nicht minder gewaltig erlebt man im Kinosaal den zweiten Teil von „Dune“ in der Vision von Denis Villeneuve. Während sich der erste Teil ja hauptsächlich noch dem Worldbuilding und der Etablierung der Hauptfiguren widmete, geht es nun richtig zur Sache. Atemberaubende Actionsequenzen, filmische Gustostückerl (die S/W-Szenen auf Giedi Prime!) und ein sensationelles Starensemble geben dem Affen richtig Zucker. Sowohl „Furiosa: A Mad Max Saga“ als auch „Dune: Part 2“ beherrschen dieses Jahr das Rennen um die Filmpreise in den technischen Kategorien, soviel steht fest. Da kann auch das letzte Drittel des Jahres wenig dran ändern – oder doch? Wir haben auch einen kleinen Ausblick gewagt >>>>>>
Joker: Folie à Deux (französisch für eine zwei Personen gleichzeitig befallende „induzierte wahnhafte Störung”) ist Todd Phillips’ Fortsetzung von seiner vorherigen Regiearbeit „Joker” (2019). Es spielen u. a. Joaquin Phoenix, Lady Gaga, Brendan Gleeson („The Banshees of Inisherin”) und Zazie Beetz, wie beim Vorgänger komponierte Hildur Guðnadóttir die Filmmusik. Ab 3. Oktober im Kino.
Traditionell folgt im Kinojahr ab Schulbeginn bis Weihnachten noch eine starke Rapid-Viertelstunde, und auch heuer sieht es noch nach einigen Burnern aus. Einziger Wermutstropfen dabei: es handelt sich fast durchgehend um Sequels oder Remakes. Aber wenn sie gut gemacht sind ... TEXT: MARKUS HÖLLER
Da hätten wir zunächst mal leichte Kost wie Disneys „Vaiana 2“, einen animierten Wie-alles-begann-Teil von „Transformers“ oder das Ariana Grande-Starvehikel „Wicked“, das sich als Ergänzung zum ÜberKlassiker „The Wizard of Oz“ versteht. Wiewohl man berechtigte Zweifel ob der Schauspielkunst von Ariana anmeldet (vor allem im Zusammenhang mit Judy Garland), garantiert dieser speziell auf den amerikanischen Markt zugeschnittene Film sicher volle Säle. Berechtigte Zweifel, sehr berechtigte sogar, muss man als Cineast der GenX und älter beim Remake vom Goth-Meisterwerk „The Crow“ anmelden. Dieses auch, aber nicht nur, durch den Tod von Brandon Lee bei den Dreharbeiten zum Kult erkorene 90er-Juwel musste zwar mit drei sehr matten Fortsetzungen ohnehin schon ein wenig Federn lassen („Matrix“, anyo-
ne?), aber nach einem Remake hat nun wirklich keiner gefragt. Remakes von „Point Break“, „Footloose“ oder „Ben Hur“ waren ja ähnlich grandiose Ideen. Not. „The Crow“ also, mit Bill Skarsgard in der Hauptrolle, wagt sich an dieses Unterfangen. Wir hoffen das Beste, aber die Trailer lassen schon so eine Art Jared-Leto-Joker-Vibes aufkommen. Nicht gut.
Das Goth-Fach scheint überhaupt wieder fröhliche Urständ zu feiern, nicht anders ist es zu erklären, dass Tim Burton mit „Beetlejuice Beetlejuice“ erneut Michael Keaton in eine seiner legendärsten Rollen schlüpfen lässt – satte 36 Jahre nach dem Original! Ergänzt durch ein Starensemble mit Winona Ryder, Jenna Ortega, Monica Bellucci und Willem Dafoe, um nur ein paar zu nennen, müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn das kein Kinovergnügen der höheren Ordnung wird.
Ebenso wie „Venom: The Last Dance“, wo sich Tom Hardy in der Rolle des Eddie Brock zum dritten Mal ein Stelldichein mit seinem außerirdischen, immer hungrigen Symbioten gibt. Wenn sich Teil 3 der Story rund um eine der schrägsten Marvel-Figuren in ähnlicher Form steigert wie Teil 2 zu Teil 1, steht uns hier ein furioses Spektakel bevor. Trotzdem: es reicht uns dann mal wirklich mit SuperheldenFilmen.
Na gut, einer darf noch: der mit Ausnahme von Superman- und Batman-Filmen ohnehin nicht erfolgsverwöhnte Marvel-Konkurrent DC liefert mit „Joker: Folie à Deux“ eine Fortsetzung zur Oscar-prämierten Vorstellung von Joaquin Phoenix im 2019er Hit „Joker“. In die Rolle von Love Interest, Sidekick und ebenfalls völlig durchgeknallter Anarchin Harley Quinn schlüpft diesmal aber nicht Margot Robbie, sondern keine Geringere
als Lady Gaga. Warum? Nun, weil dieses Sequel sich als Musical-Psychothriller versteht, es wird also viel gesungen und getanzt. Ungewöhnlich, na klar, aber unter der Anleitung von Todd Phillips und mit fähigen Leads wird das schon klappen. Es ist, und so viel steht schon mal fest, sicher 1.000 Mal besser als irgendein Snyder-Cut.
Ein weiteres Sequel, das mit gehörigem Respektabstand zum Original noch vor Jahresende in die Kinos kommt, ist „Gladiator II“. Zwei Jahrzehnte nach den Ereignissen rund um Maximus beschließt ein unschuldig in Sklaverei geratener Lucius Verus, ebenfalls Gladiator zu werden
und das üble Kaiser-Doppel Geta und Caracalla zu stürzen. Jo eh. Auch wenn der Plot wahrscheinlich keine Preise gewinnt, kann man sich von Darstellern wie Paul Mescal, Pedro Pascal oder Denzel Washington durchaus solide Vorstellungen im Geiste von Russell Crowe und Joaquin Phoenix erwarten. Vor allem aber vom filmischen Bombast, denn Regisseur Ridley Scott denkt auch mit 86 Lenzen ganz und gar nicht daran, kleine Brötchen zu backen. Das Kolosseum wird hier in monströser Pracht zum Leben erweckt, alles andere als eine IMAX-Leinwand wäre eine Beleidigung für dieses Sandalen-Monument.
Beetlejuice Beetlejuice ist die Fortsetzung zu „Beetlejuice” aus dem Jahr 1988, in welcher Michael Keaten erneut den Poltergeist spielt. Ebenso heißen wir auch Winona Ryder und Catherina O’Hara wieder Willkommen, als Neuzugang: Jenna Ortega.
Ein völlig anderes Konzept, nämlich ein sehr ruhiges, liegt der mittlerweile fünften Kollaboration von Tom Hanks und Robert Zemeckis zugrunde. In „Here“ dürfen wir fast zwei Stunden aus einer einzigen, starren Kameraperspektive die Jahrhunderte lange Entwicklung eines Flecken Erde zu einem Zuhause für mehrere Menschen und Generationen beobachten. Klingt jetzt etwas dröge nach Kiffer-Kinofeeling, hat aber durchaus Potenzial. Es bleibt vor allem abzuwarten, wie gut in diesem Fall die umstrittene digitale De-Aging-Technologie bei so vertrauten Gesichtern wie Hanks oder Robin Wright ankommt, grundsätzlich gibt es aber schon mal vorab Daumen hoch für ein originäres Konzept – und auf in ein starkes Finale des Filmjahrs 2024!
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