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APPLAUSE NEWCOMER CHECK

Ein Streifzug über das Eurosonic Festival Mitte Januar verbringt man als noch immer nicht satter Musikjournalist auf der Suche nach neuer Musik am besten in Groningen. Die holländische Studentenstadt ist nicht nur ziemlich schön geraten, sie ist zudem mit Dutzenden Live-Locations gesegnet, die während des Eurosonic Festivals täglich bespielt werden. Auf der Bühne stehen dabei ausschließlich jene Künstlerinnen und Künstler, für die wir diese Seiten machen: Newcomer auf dem Sprung – auf die großen Festivalbühnen, in die Charts, oder auch mal in den Abgrund. Daniel Koch war für Applause in Groningen unterwegs und hat sich die drei Acts zum Interview geschnappt, die ihm in diesen vollgepackten Tagen am besten gefallen haben. & Black Sea Dahu Sirens Of Lesbos Mit: Blanche

Blanche

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Noch einmal mit Gefühl

s ist Mittwochabend. Vor dem ehrwürdig erleuchteten Stadttheater warten die ersten Fans der belgischen Sängerin darauf, dass endlich der Einlass beginnt. Blanche spielt sozusagen zur Tagesschau-Zeit, trotzdem sind die Reihen gut gefüllt. Kein Wunder, denn Blanche hatte vor Jahren bereits einen Hit, der Millionen erreicht hat. Sie spielte die dunkel gesungene Nachthymne „City Lights“ nämlich beim Eurovision Song Contest in Kiew im Jahr 2017 – und gewann den vierten Platz. Ihre Performance war dabei für ESCVerhältnisse eher zurückgenommen. Schwarzes Kleid, Standmikro, gute Ligthshow – aber eben: klasse Song und eine damals 17jährige, die mit der tiefen Stimme einer alten Seele singt. Danach ließ sie sich die Zeit, die sie brauchte, verarbeitete den SinnesE

Overkill dieser Veranstaltung in aller Ruhe, veröffentlichte nur Hin und wieder eine Single – und ist jetzt soweit, die Karriere in ihrem Tempo anzugehen. Noch einmal mit Gefühl also. Auf etwas kleineren Bühnen.

Ihre Show auf dem Eurosonic kommt gut an, auch wenn man anfangs noch merkt, wie aufgeregt Blanche ist. Aber ihre konzentrierte Art und ihre Ausnahmestimme passen auch ganz gut zu dieser Musik, die zwar Pop sein will, aber ein dunkles Flirren in sich trägt.

Wir treffen sie am nächsten Morgen im Pressezentrum des Festivals – eine ausgebaute Kirche im Stadtzentrum. „Ja, ich habe meine Karriere eher von der anderen Richtung aus begonnen“, lacht sie. „Das hilft manchmal, weil man jetzt schon meinen Namen kennt. Aber viele verbinden ihn mit dem ESC und ich muss eben erklären, dass ich mich weiter entwickelt habe und es fast sogar ein neues Projekt ist.“ Ihr Album soll noch in diesem Jahr kommen, erzählt sie. „Erste Jahreshälfte, versprochen!“ Könnte gut werden, denn die paar Songs, die in den letzten zwei Jahren kamen, können was. „Wrong Turn“ zum Beispiel – ein Lied, in dem es darum geht, auch Fehler machen zu dürfen, was sie jetzt auch mal machen wolle, sagt Blanche: „Ich kam an einen Punkt, an dem ich dachte: Was zum Henker mache ich hier eigentlich? Alles fühlte sich falsch an, zu groß, seltsam. Ich war so jung, als es los ging – und musste mir mit diesem Lied noch mal klarmachen, dass ich auch mal was verbocken kann, oder total die Richtung wechseln kann. Wenn ich es denn will.“

Sirens Of Lesbos

Ideen und Launen

ine Band aus der Schweiz, die es seit fünf Jahren gibt, hier am Festivalfreitag erst ihr drittes Konzert spielt, sich nach Figuren der griechischen Mythologie benennt und sich gegründet hat, um aus Spaß einen Ibiza-Hit zu schreiben, der tatsächlich einer wurde – das klingt eigentlich zu ausgedacht, als dass es wahr sein könnte. Stimmt aber alles. Die Schwestern Jasmina und Nabyla Serag sowie Melvyn Buss und Arci Friede haben uns – oder vielmehr den Clubgängern auf der sonnigen Insel - „Long Days, Hot Nights“ beschert, eine Ibiza-Nummer, die im Claptone-Remix noch immer durch die Großraum-Dissen dieser Welt schallert. Das ist ihnen manchmal ein wenig peinlich, aber eigentlich stehen sie alle dazu. E

Nabyla meint: „Auch wenn das jetzt böse klingt – zum Arbeiten ist es irgendwie egal. Klar, man muss darüber nachdenken, ob das noch das Bild ist, das wir abgeben wollen, aber mich stresst das jetzt nicht so groß. Eigentlich finde ich die Geschichte voll spannend, dass wir mit einem IbizaHit die Karriere angefangen haben und jetzt Jahre später an einem Punkt sind, wo wir uns gefunden haben und was Neues passiert.“ Jasmina ergänzt: „Ich finde es vor allem super, weil dieses Ibiza-Feeling zu keinem von uns passt. Es macht gar keinen Sinn, dass wir das gemacht haben. Das ist doch toll.“

Der Auftritt später, ihr dritter wie gesagt, zeigt dann tatsächlich, dass sie mit Ibiza wenig am Hut haben. Soulige Passagen, leichter Reggae-Einschlag, viel gute Laune auf der Bühne, mal fast hippieske Folk-Vibes. Da ist alles drin. „Fairground“ und „Waltz“, die beiden frischsten Stücke sind vielleicht nicht Lichtjahre aber doch einige Flugmeilen entfernt von Ibiza. Und wie geht es jetzt weiter mit der Karriere? Arci meint: „Wir wollen ein wenig professioneller vorgehen. Von außen wurde der Wunsch an uns herangetragen, etwas beständiger und regelmäßiger präsent zu sein – es läuft ja eigentlich sehr gut gerade, es wäre blöd das einschlafen zu lassen. Inhaltlich sind wir aber immer noch mega offen und unsere Arbeit hat viel mit Ideen und Launen zu tun, die diese vier gemeinsam haben und dann miteinander verhandeln.“ Klingt nach einem gesunden Ansatz – und wenn dabei weiterhin Songs rauskommen wie „We’ll Be Fine“, lassen wir uns das gerne gefallen.

„Unerwartet schön“

evor die Überschrift für Verwirrung sorgt: Wir sind schon davon ausgegangen, dass die Show der Schweizer Band Black Sea Dahu um Songwriterin Janine Cathrein durchaus schön wird. Sie selbst war sich nur nicht ganz sicher. Als wir sie nach der Show im wohl futuristischsten Gebäude Groningens – dem neu erbauten Forum – im Backstage auf ein kurzes Gespräch treffen, sagt sie über das Konzert: „Das war unerwartet schön. Ich hätte gedacht, dass es mehr Geläuf, wie wir auf Schweizerdeutsch sagen, gibt – das also die Leute rein und raus wandern und viel geredet wird, weil das auf diesem Festival oft so ist. Aber es war völlig das Gegenteil. Das war ein sehr aufmerksames Publikum - sehr warm und lustig, sie haben mit uns geredet und Witze gemacht.“ Das können wir so bestätigen, immerhin standen wir gebannt in Reihe drei. Der leise Folk von Black Sea Dahu entwickelt vor allem live einen Sog, dem man sich schwer entziehen kann. Was zum einen an der sehr harmonischen Band liegt, in der auch Janines Schwester und ihr Bruder spielen, zum anderen an Janines Stimme, die nach Leben, Weisheit, Sinnsuche klingt – und es liegt auch an ihren präzise getexteten Liedern. „How You Swallowed Your Anger“ ist so eines, oder „In Case I Fall For You“, oder das fantastische „White Creatures“, bei dem man spätestens dann mit Gänsehaut am ganzen Körper an ihren Lippen hängt, wenn sie so weise und lässig singt: „White creatures looking after me / Oh-ooh I lost faith in the human I wanted to be.“ Wenn man ihr das sagt, ist Janine fast ein wenig peinlich berührt. Ein sympathisches Understatement, mit dem sie erzählt: „Meine Liebe zum Wort kommt daher, dass ich sehr früh angefangen habe zu lesen und ein paar Jahre fast nichts anderes in meiner Freizeit machte. Und dann habe ich mit zehn mein eigenes Gedichtbuch geschrieben und in der Familie verteilt. Wer Geburtstag hatte, bekam damals eine Geschichte von mir. Vielleicht schwingt das aber auch in meinen Genen mit: Mein Ur-Ur-Ur-Großonkel ist Frank Wedekind, der Dichter und Theaterschreiber. Ich war jedenfalls immer schon fasziniert davon, wenn jemand in einem kurzen Satz ausdrücken kann, was in mir vorgeht als Leserin. Das wollte ich immer können.“ Inzwischen kann sie das wirklich sehr gut – und am besten eben in Liedform. Das merkt man auch daran, dass ihre Schwester am Merch-Stand regelrecht belagert wird. Eine Handvoll sehr emotionalisierter Menschen will noch unbedingt ein Autogramm von Janine. Während sie darauf warten, erzählen sie sich mit leuchtenden Augen von ihren Momenten mit Black Sea Dahu, für die sie extra angereist sind. Und auch wir können uns dagegen nicht wehren: Es ist der letzte Festivalabend, als wir sie spielen sehen, eigentlich sind wir gestresst und leergeredet – und dann kommt diese Show und zeigt einem wieder, warum man sich so gerne vor diesen Bühnen herumtreibt: Damit einem immer wieder solche Momente passieren.

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Haller

Hingehen mit: dem tollen, neuen Flirt Nicht verpassen weil: bei Hallers „Kuss.“-Konzerten geküsst werden darf Für Freunde von: HipHop, Funk, Blues, Elektro und Soul gepaart mit klugen deutschen Texten Unbedingt vorher reinhören: „Schön genug“

Der Gitarrist und Sänger Haller geht im Frühjahr 2020 mit seinem Debütalbum „Kuss.“ auf gleichnamige „Kuss.“-Tour. Das klingt ziemlich vielversprechend, und Haller hält Wort: Zu minimalistischen Gitarrenklängen und Blues-Elementen geschmeidig auf den Punkt singend, trägt er die Kopflage bis runter zum Bass und den Text direkt ins Ohr. Tja, und von dort fließen die Texte direkt ins Herz. Bis zum Überschwappen. So klingt intelligenter deutscher Pop.

06.02.-19.03.2020 u.a. Oldenburg, Ulm, Saarbrücken

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June Cocó

Hingehen mit: Solo-Pianisten Nicht verpassen weil: George Clooney und Udo Lindenberg zu ihren größten Fans zählen. Und die haben bekanntlich einen guten Geschmack Für Freunde von: schwereloser Popmusik Unbedingt vorher reinhören: „Paperskin“

June Cocó spielte jahrelang in Leipziger Hotel-Bars am Flügel. Prominente Gäste wie Udo Lindenberg und George Clooney blieben ab und zu in der Bar hängen, lauschten ihrem Spiel und waren hin und weg von June Cocó. So wie wir. Jetzt gibt es endlich für den Rest der Republik, der noch nicht das Vergnügen hatte, sie im Steigenberger oder im Westin zu hören, die Chance auf ein Kennenlernen. Im Frühjahr kommt die Leipziger Sängerin und Pianistin mit ihrem neuen Album „Fantasies & Fine Lines“ auf Tour.

The Baseballs

Hingehen mit: Großstadtcowboys und wilden Rock ‘n‘ Rollern Nicht verpassen weil: das neue Album „Hot Shots“ ein echter Knaller sein soll Für Freunde von: modernem Rockabilly und schweißtreibenden Liveshows Unbedingt vorher reinhören: „Hot‘n‘Cold“

Die Fans der Baseballs sind verrückt nach dem authentischen Rockabilly-Sound der 50er Jahre, den charmanten Coverversionen aktueller Hits, den wilden Rock‘n‘Roll Shows, dem einzigartigen Satzgesang und den schweißtreibenden, energiegeladenen Livekonzerten und warten seit dem Ende der furiosen 2017er Tour dringend auf neue Konzerttermine. Die gibt’s jetzt. Zuvor arbeitet das Trio aber noch mit Hochdruck am verflixten siebten Album „Hot Shots“.

25.02. - 10.03.2020 u.a. Rostock, Stuttgart, Heidelberg 09.10. - 28.10.2020 u.a. Leipzig, Kaiserslautern, Nürnberg

BESTEN

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WINCENT WEISS

21.08.20 LINGEN OPEN AIR AN DER EMSLANDARENA

MEUTE

Hingehen mit: den Jungs aus dem Spielmannszug Nicht verpassen weil: MEUTE für uns die tollste Live-Entdeckung der vergan genen Jahre sind Für Freunde von: Musik mit „Wumms“ Unbedingt vorher reinhören: „You & Me“

Blanks

Hingehen mit: Instagammern, die Spaß an den Achtzigern haben Nicht verpassen weil: Blanks den Sommer im Gepäck hat Für Freunde von: Online-Gruppenprojekten Unbedingt vorher reinhören: „Higher“

Mit ihrer explosiven Kombination aus hypnotisch treibendem Techno und expressiver Blasmusik brechen die elf Hamburger Jungs von MEUTE die Regeln und sprengen die Grenzen. Ausschließlich mit akustischen Instrumenten vollführen sie eine Revolution im Techno und definieren gleichzeitig die Idee des Spielmannszugs neu. 2020 bereisen sie die Welt und spielen auch bei uns!

06.03. -16.07.2020 u.a. Köln, München, Berlin + 29.08. „Müssen Alle Mit Festival“

Blanks liebt das Risiko. Für seinen YouTubeKanal „Music by Blanks“ ruft der 22-Jährige Niederländer seine mehr als eine Million Abonnenten zur „One Hour Song Challenge“ auf, einem interaktiven Format, bei dem seine Fans entscheiden, welchen Top 40- Song er innerhalb von 60 Minuten von Grund auf neu schreiben soll. Und beim #StyleSwap covert Blanks die weltweit größten Hits wie Post Malones „Better Now“ oder Drakes „In My Feelings“ in feinster 80er Jahre-Manier inklusive passendem Video. Immer wieder überlässt Blanks seinen Fans jegliche Entscheidungen im Entstehungsprozess eines Songs. Das Ergebnis: ein schönstes OnlineGruppenprojekt!

26.04. + 28.04.2020 Berlin (Berghain Kantine), Hamburg (Häkken)

JOE PERRY ALICE COOPER JOHNNY DEPP 23.08.20 LINGEN OPEN AIR AN DER EMSLANDARENA

Tickets an allen bekannten Vorverkaufsstellen und auf www.emslandarena.com

Bandleader und Saxophonist Pepe Lienhard begleitete Udo Jürgens 37 Jahre lang mit seinem Orchester auf Tournee. Ob er bei seinen Konzerten einen Phantomschmerz verspürt, warum die Blockflöte kein Folterinstrument ist und das Musical „Ich war noch niemals in New York“ so glücklich macht, verriet er uns im Gespräch.

Ich war noch niemals in New York - Das Musical mit den Liedern von Udo Jürgens „Das hat mich wahn- sinnig berührt“

980 gründeten Sie das Pepe Lienhard Orchester und begleiteten Udo Jürgens 37 Jahre lang. Verspüren Sie, wenn Sie heute - ohne ihn - auf der Bühne stehen, eine Art „Phantomschmerz“? Nein, es ist jetzt ja auch schon fünf Jahre her. Aber am Anfang waren wir geschockt, weil Udo wirklich fit war. Ich war am Abend vor seinem Tod mit ihm zusammen essen, alles war locker, wir machten Pläne für die Zukunft. Man war nicht vorbereitet. Ich meine, Udo war doch auch schon 80 Jahre alt, hat ein intensives Leben gehabt, aber auf der Tour, die wir vorher gespielt haben, war er super drauf. Man hätte nie erwartet, dass er stirbt. Das konnte ich anfangs nicht richtig akzeptieren, aber jetzt, nach fünf Jahren, ist es einfach eine Realität. Und das Leben geht weiter. Das ist halt einfach so. Aber im ersten Moment konnte ich keine Udo Show im Fernsehen gucken, ich konnte keine Udo-Songs hören die ersten Monate. Das war einfach zu präsent. Das war so unglaublich, dass er plötzlich nicht mehr da sein soll. Aber jeden Tag reden wir von Udo, nach wie vor. Er ist so präsent, wir spielen seine Musik und wir werden so oft angesprochen auf ihn. 37 Jahre ist schon eine lange Zeit, wo man so viel gemeinsam erlebt hat. Das brennt sich natürlich ein. Das ist ganz klar.

Sie konzertieren auch mit eigenen Konzertprogrammen. Es gehört aber auch bei jedem Konzert dazu, dass Sie eine Hommage an Udo Jürgens spielen... Auf jeden Fall. Früher haben wir das ja nie gemacht. So lange Udo gelebt hat, habe ich - trotz sehr häufigem Wunsch - nie Udos Lieder gespielt, ich hab immer gesagt: Ich bin mit dem Original unterwegs, und wir machen keine Kopie von ihm. Jetzt, wo er nicht mehr lebt, ist es natürlich selbstverständlich, das wir auch musikalisch bei jeder Tournee an ihn zurückdenken. Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit und das machen wir sehr gerne.

ABBA arbeiten zur Zeit an einer Hologramm-Tour. Wenn man Sie fragen würde: „Pepe, wir haben da eine Idee, wir machen es wie ABBA und gehen auf HologrammTournee, performt von Udos digitalen Avatar und live begleitet vom Pepe Lienhard Orchester.” Wären Sie dabei? Ja, wär’ ich. Technisch wäre es auch möglich. Udos letztes Konzert in Zürich wurde mit sieben Kameras aufgenommen, wovon drei Kameras nur Udo im Bild haben. Also, man hätte die Möglichkeit mit einer großen LED-Wand, mit der Originalband. Man könnte live dazu spielen, mit einem Click Track, und Udo vorne auf der großen Leinwand. Technisch ist das möglich, das Material ist da, das ganze Konzert ist vorhanden, die ganzen Arrangements sind da, die UdoSpuren. Man könnte dieses Konzert definitiv als Hologramm spielen. Aber im Moment ist das kein Thema.

Udo Jürgens und Bandleader Pepe Lienhard spielten zusammen Hunderte von Konzerten. Auch privat waren die beiden enge Freunde.

Sie haben mit vielen anderen Weltstars zusammengespielt. Mit Frank Sinatra, Sammy Davis jr., Shirley Bassey, mit Diana Ross und den Supremes… Die meisten leben halt leider nicht mehr von den ganz Großen. In den Achtziger Jahren waren wir Hausorchester in Monte Carlo im Sporting Club und haben zwei Sommersaisons gespielt. Damals waren wir noch relativ jung. Das war schon für uns ein großes Glück und eine Chance. Da kamen die ganz großen Superstars alle vorbei und wir hatten wirklich das Glück mit allen zu spielen. Es sind wunderschöne Erinnerungen, wunderschöne Erfahrungen.

Als Bandleader stehen Sie in der zweiten Reihe. Das klingt für mich nach einer traumhaften Position, fast ganz vorne knapp neben dem Star auf der Bühne zu stehen, Chef eines großen Klangkörpers zu sein und trotzdem bleibt einem vieles erspart: die riesige Aufmerksamkeit, nervige Promo-Tage, Bitten um Selfies, wenn Sie gerade selber privat beim Abendessen sitzen... Das ist so! Ich hab das immer genossen. Das ist eine Frage, die mir oft gestellt wird. In der Schweiz sind wir sehr bekannt als Band, in der Schweiz haben wir die Hallen voll als Pepe Lienhard Band. Ich wurde von vielen Journalisten immer wieder gefragt: „Ist das für Sie nicht schwierig, im zweiten Glied zu stehen?“. Ich konnte immer mit Überzeugung sagen: Auf keinen Fall! Dass wir mit Udo unterwegs waren all die Jahre - und er wirklich der Größte war im deutschen Showbusiness - war ein Glücksfall. Dank Udo, das muss man einfach klar sehen, hatte ich überhaupt die Möglichkeit, so viele Jahre mit dieser tollen großen Band zu arbeiten. Das wär sonst gar nicht mehr möglich gewesen. Da bin ich Udo sehr dankbar dafür, dass er das möglich gemacht hat. Udo wollte immer die große Band, er hat mich immer entscheiden lassen, wie groß die Band wird. Er hat mich ja auch auf der Bühne vorgestellt und sehr respektvoll behandelt. Ich hatte nie das Gefühl, ich bin da jetzt im zweiten Glied. Udo war der Star, das war keine Diskussion. Aber er hat uns so viel Raum gelassen und so viel Ruhm. Das war eine perfekte Konstellation.

Mit neun hatten Sie Ihre erste Kinderband, mit elf bekamen Sie von Ihrer Mutter ein Saxofon, mit zwölf gründeten Sie eine Dixieband. Mit siebzehn hatten Sie Ihre erste eigene Big Band. Angefangen haben Sie aber mit sieben Jahren an der Blockflöte. Und Sie sollen es geliebt haben. Dabei gilt die Blockflöte vielen Kindern (und Eltern!) als wahres Folterinstrument. Für mich war das nicht so. In der Schweiz haben wir einen despektierlichen Ausdruck für die Blockflöte, bei uns heißt das Speuzchnebel, also Spuckeknebel... eben für die, die es nicht lieben. Ich war da nicht so. Ich bin gerne in die Flötenstunde gegangen, ich hab‘ gerne geübt. Aber die meisten meiner Schulkollegen, mit sieben oder acht, die haben es gehasst, die haben lieber Fußball gespielt. Ich habe auf der Flöte aber auch gleich Schlager nachgespielt, die damals Mode waren, Peter Kraus. Ich war nicht auf der Klassikschiene. Das ging sehr schnell los mit der Unterhaltungsmusik bei mir.

Als Schlüsselerlebnis für Ihre Karriere beschreiben Sie einen Auftritt von Quincy Jones, den Sie mit 15 zum ersten Mal live erlebt haben. Als ich Quincy das erste Mal gesehen habe ist meine Liebe zur Big Band erwacht, da habe ich gedacht, so eine Band möchte ich mal haben. Das wir unterdessen schon dreimal mit Quincy Jones gespielt haben, ist für mich wie die Erfüllung eines Jugendtraums. Das ich ihn persönlich kennen darf, mit ihm Konzerte gegeben habe, das war schon ein großes Glück und eine große Befriedigung für mich.

Pepe Lienhard

Mit 11 Jahren bekam Pepe Lienhard von seiner Mutter ein Saxophon geschenkt, mit 12 gründete er seine erste Band The College Stompers und mit 17 gewann er beim renommierten Zürcher Jazz Festival den ersten Preis in der Kategorie Big Band. Das JuraStudium brach Pepe Lienhard nach vier Semestern ab und stieg 1969 lieber ins Profigeschäft ein. Im Mai 1977 gewann das Pepe Lienhard Sextett die Schweizer Vorausscheidung des „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ mit dem Titel „Swiss Lady“. Lienhard trat mit Weltstars wie Frank Sinatra, Sammy Davis jr., Donna Summer, Shirley Bassey, Paul Anka, Whitney Houston und Quincy Jones auf. 37 Jahre lang begleitete der gebürtige Aargauer mit seinem Orchester die Tourneen von Udo Jürgens. Seit 2016 tourt die Pepe Lienhard Big Band alleine erfolgreich durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Pepe Lienhard lebt mit seiner Frau Christine, seinem Schäferhund Garou und einem guten Dutzend Hühnern in Frauenfeld.

Ein Geheimnis des großen Musical-Erfolges „Ich war noch niemals in New York“ ist der typische Pepe Lienhard Sound, den die Fans von den Konzerten mit Udo Jürgens kennen... Das Vorbild war unsere Band. Michael Reed, der das Musical Score geschrieben hat, hat unsere Band studiert, unsere Aufnahmen studiert und hat entsprechend auch die Instrumentation gemacht, so dass es nach unserer Band klingt. Welches Lied rührt Sie besonders im Musical? Im Musical für mich war eine Neuentdeckung „Immer wieder geht die Sonne auf“. Interessanterweise eines der ältesten Lieder von Udo. Der hat das die ganze Zeit, wo ich mit ihm unterwegs war, nie ausgespielt. Er hat das natürlich all die Jahre - weil er quasi musste - kurz in einem Medley als Refrain gesungen. Im Musical hat Michael Reed das als Duett neu arrangiert und das fand ich schon sehr berührend. Diese Nummer hat eine ganz neue Kraft gekriegt als Duett. Auf der letzten Tour haben wir das auch als Duett gebracht, Udo mit einer Frau zusammen. Das hat mich wahnsinnig berührt. Ich hab diesen uralten Song wie neu für mich entdeckt. „Was wichtig ist“ war sowieso eines meiner Lieblingslieder von Udo. „Wie könnt ich von dir gehen“ hab ich eigentlich auch erst im Musical entdeckt, den Song haben wir nie gespielt auf der Tour. Aber Udo hat so viele Lieder geschrieben! Ich kenne sehr viele sehr gut und hab sie tausend mal gespielt, aber es gibt doch auch viele, die ich erst im Musical das erste Mal gehört habe. Auch fünf Jahre nach dem Tod von Udo Jürgens kann ich seine Songs nicht hören, ohne traurig zu werden. Das Musical „Ich war noch niemals in New York“ ist andererseits ein wunderbares „Trostpflaster“ für die Fans von Udo Jürgens. Was soll ich also tun: mir das Musical ansehen oder lieber nicht? Ich würde es angucken, trotzdem! Keine Sorge, keiner im Musical imitiert Udo. Das Musical ist eine völlig andere Geschichte, die nichts mit Udo zu tun hat, die Songs passen da einfach rein, das ist sehr geschickt gemacht. Das Musical gefällt mir sehr gut. Ich war bei der Premiere in Hamburg dabei, ich habe es x-mal gesehen und es ist ein super Musical. Udo hat so viele tolle Songs hinterlassen, ich freue mich, dass das weiterlebt. PEPE LIENHARD Udo hat so viele tolle Songs hinterlassen

WANN UND WO?

Ich war noch niemals in New York Das Musical mit den Hits von Udo Jürgens

Previews 07.05.- 13.05.2020

Premiere 14.05.2020

Shows ab 16.05.2020

Stage Theater des Westens Berlin

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Pepe Lienhard „World of Music“

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